ROTER DRACHE | 03.07.2003 | DVDIrgendwann, so vor 10 Jahren, habe ich Manhunter wohl das letze Mal gesehen, so eine Aufnahme aus dem Fernsehen - ich glaube der jüngst wiederbelebte Sleazesender Tele5 war's. Gefiel mir damals überaus gut, diese kühle, eigentlich schon kalte Stimmung, die den Film durchzieht, wie überhaupt der ganze Film einer medizinischen Operation, vielleicht ja sogar einer Sezierung gleicht. Trotzdem kann ich mich an Einzelheiten kaum mehr erinnern, nur halt, dass mir der Film gefallen hat. Vielleicht aber ist das ja die beste Basis, um dem Remake zu begegnen - gesetzt den Fall, man kann Literaturadapationen überhaupt als Remakes bezeichnen -, ist man so wenigstens nicht dauernd damit beschäftigt, nutzlose "Das hat der aber andere aber besser gemacht!"-Vergleiche anzustellen, um sich so wirklich auf den Film an sich konzentrieren zu können. Im Kino habe ich ihn damals nicht gesehen, nun denn, also an einem grauen Vormittag aus der Videothek um die Ecke geholt und zum Frühstück gekuckt.
Dem Hopkins/Lecter-Komplex stehe ich persönlich ja nun nicht unbedingt so euphorisch gegenüber wie der Rest der weiten Welt der Filmfreunde. Silence war für mich seinerzeit - auch schon wieder etliche Jahre her - eine herbe Enttäuschung, da ich mir etwas erhofft hatte, was mir erst Finchers großartiger Se7en geben konnte. Hannibal indes war mir in seiner ganzen Atmosphäre etwas zu schwülstig und zu mythisch, die Überzeichnung Lecters ins Metaphysische, ja wirklich Übernatürliche war mir einfach etwas zu weit hergeholt. Sicher, vampirisch und dämonisch gezeichnet war Lecter auch schon zuvor, aber Hannibal verließ sich, für meinen Geschmack, dann doch etwas zu sehr auf diese Komponente und übertünchte dergestalt etwas zu leichtfertig Schwächen und Problemstellungen im Skript. Nicht, dass mir die Filme etwa nicht gefielen, nein, nur großartig waren sie, auf rein emphatischer Ebene (filmhistorisch sieht's da, natürlich, ganz anders aus), für mich nicht.
Roter Drache macht da keinen Unterschied und reiht sich für meine Verfältnisse perfekt in die nunmehr vollendete Trilogie ein. Der Film ist sicher spannend, an vielen Stellen - vor allem die Dialoge zwischen Hopkins und Norton gefielen mir sehr gut - sogar äußerst gewitzt, nur einen wirklichen gelungenen Thriller stellt der Film meiner Meinung nach nicht dar. Das Grundproblem dabei ist wohl, dass gleich zwei Psychopathen um die Gunst des Publikums - mal ehrlich, letzten Endes sind wir doch alle auf die Bösewichte scharf - buhlen, dass der Film den rechten Focus nicht wirklich findet. Da ist einerseits Lecter, die eingesperrte Bestie, mit seinem durchtriebenen Spiel, und andererseits eben der titelgebende Serial Killer, ganz großartig von Fiennes dargestellt, der neben Cronenbergs Spider einmal mehr sein Talent für genau jene Art von gebrochenen Charakteren einsetzen darf. Wenn ich mich erinnere, spielte Lecter in der literarischen Vorlage, sowie in der ersten Adaption nur eine äußerst nebensächliche Rolle, nur kann man dem Publikum - nach zwei Filmen, die von Lecters Präsenz zehrten - das heutzutage wohl kaum servieren. Also konkurrieren die beiden Pole des Films, mit dem Ergebnis, dass man von beiden gerne mehr gesehen hätte, mittendrin dann noch Edward Norton, der nahezu unterzugehen droht, aufgerieben wird und dessen äüßerst reizvolle psychische Situation - in der ersten Adaption war die wohl recht präsent, scheint mir - komplett ausgeblendet zu sein scheint. Wie überhaupt auch die Lösung des Falls als einzige Folge von Drehbuchschritten anmutet, die Nortons Charakter einfach so in den Schoß fallen.
So bleibt ein irgendwie seltsam unbefriedigender Thriller, der zwar von allen Zutaten ein bißchen was hat, diese aber nie voll zur Geltung bringen kann. Alles scheint sich im Widerstreit mit dem Rest zu befinden - Harvey Keitel, Philip Seymour-Hofman und Emily Watson sind ja auch noch dabei, allesamt talentierte und überaus gern gesehene Schauspieler -, von allem hätte man sich, auf Kosten des Anderen, etwas Mehr gewünscht, ohne aber wirklich auf das Andere verzichten zu wollen oder zu können. Ein Film ohne rechtes Zentrum also, mit vielen Chancen, von denen nur wenige umgewandelt wurden. Nicht ganz mißglückt, aber eben auch nicht ganz geglückt.
Schade. Wirklich. Das nächste Mal vielleicht etwas weniger Staraufgebot, dafür aber ein glühendes, faszinierendes Zentrum! Bin ja eh der Meinung, dass Filme wieder etwas mehr to the point inszeniert werden sollten.