With Immo at the movies...
#182
Geschrieben 02. Oktober 2003, 12:34
RUNNING OUT OF TIME 2 | DVD
Uninspirierter, ästhetisch wie narrativ langweiliger Film. Von der Brillanz des Vorgängers hat sich nichts herüber gerettet.
#183
Geschrieben 02. Oktober 2003, 12:37
DIE 12 GESCHWORENEN | VHS
Spannende Auseinandersetzung mit dem Erinnerungsvermögen des Menschen und den Determinanten, denen es ausgesetzt ist. Unmöglich eigentlich, nach diesem Film nochmal einen Aussagesatz zu formulieren. Eine Lektion darüber, dass die Wahrheit kein messbares Faktum ist, eine Bewertung nie finalen Charakter hat. Die Wahrheit liegt irgendwo da draußen. Und dazwischen.
#184
Geschrieben 02. Oktober 2003, 12:43
SWIMMING POOL | KINO INTERNATIONAL
Ein Whodunnit ohne lokales Zentrum. Wann befinden wir uns in der Erzählung? Wann sehen wir Illustration, wann gewissermaßen dokumentarisch Authentisches? Die Kamera entlarvt sich selbst: Wer zunächst unattraktiv ist, ist bald schon attraktiv. Wer souverän ist und noch mitten im Saft seiner erotischen Attraktivität steht, ist bald schon ausgeliefert, schwach, wieder kindlich. Allein nur durch den Blick, den die Kamera auf das Objekt wirft. Unmöglich, diesem Film auch nur eine Sekunde zu trauen.
Die Schönheit hat Makel: Am Knie eine winzige Abschürfung, auf der Stirn ein zu penetrant in Szene gesetzter Pickel, als dass er einfach nur übersehen wurde. Und trotzdem simuliert die Kamera in ihrem Blick auf Savigniers Körper immer wieder Kubricks LOLITA. Ja, sagt sie, da ist der Makel, und ja, ich weiß, dass Du ihn siehst. Aber kraft meines Daseins wird Dir dieser Körper dennoch schön vorkommen. Schön und begehrenswert und unheimlich weit weg. Ich kann das. Sagt die Kamera.
Wen kümmert da schon, was wirklich geschah? Was ist das schon, Wirklichkeit?
#185
Geschrieben 24. Januar 2004, 12:56
20.01., Heimkino
Was für ein vortrefflicher Spaß, diesen Film mit jemanden zu sichten, der ihn bislang weder gesehen, noch Kenntnis von der Schlußpointe hat. Falsche Fährten sind die schönsten.
#186
Geschrieben 24. Januar 2004, 12:58
21.01., Heimkino
Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald,
es war so finster und auch so bitterkalt.
Sie kamenan ein Häuschen von Pfefferkuchen fein:
Wer mag der Herr wohl von diesem Häuschen sein ?
Huhu, da schaut eine alte Hexe raus.
Sie lockt die Kinder ins Pfefferkuchenhaus.
Sie stellte sich gar freundlich. O Hänsel welche Not !
Sie will dich braten im Ofen braun wie Brot !
Doch als die Hexe zum Ofen schaut hinein,
ward sie gestossen von unserm Gretelein.
Die Hexe mußte braten, die Kinder gehen nach Haus.
Nun ist das Märchen von Hans und Gretel aus.
#187
Geschrieben 24. Januar 2004, 13:00
22.01., Heimkino
Was Logik betrifft, sollte man im Werk Hitchcocks nicht allzu spitzfindig sein. Doch auch dies im Hinterkopf behaltend, scheint dieser Film noch immer zu sehr mit der heißen Nadel gestrickt. Und über weite Strecken auch schlicht langweilig und behäbig. Ein paar große Momente gibt es dennoch zu entdecken: Die Ansicht der Kapelle aus "Gottes Perspektive" etwa, mit Doris Day weit im Bildhintergrund, jenseits der Mauer, die sie von ihrem Sohn trennt. Und natürlich das furiose Crescendo in der Konzerthalle, in einer meisterlichen Montage dargeboten. Nicht zu vergessen auch die schöne Abfolge einzelner Kameraeinstellungen, die den Weg des von Day gesungenen Liedes durch die Gänge der Botschaft hin zum Ohr des entführten Jungen simuliert. In diesen Momenten ist Hitchock (und dieser Film) ganz bei sich. Ansonsten ein weitgehend belangloses Filmerlebnis.
#188
Geschrieben 31. Januar 2004, 00:47
A Snake Of June (Shinya Tsukamoto, Japan 2003)
30.01.2004, Heimkino
Wenn das Ausleben innerster Bedürfnisse und Wünsche für den Betreffenden zum Psychoterror gerinnt, der Horror also im individuellen Ausbruch aus sozialen Konventionen entsteht, befindet man sich aller Wahrscheinlichkeit nach in Japan. Dies zumindest scheint dieser Film nahezulegen, in dem alles zellenförmig, abgepackt, kategorisiert zu sein scheint, bis die Wünsche - nach Selbstverwirklichung, sexueller Ekstase, unbegrenzt verfügbarer Pornografie, nackter Haut - ins Leben treten. Das nach wie vor verklemmte "Ausleben" (unter solchen Vorgaben ja eigentlich "Nicht-Ausleben") führt zu Krisen, die als Zustand nicht haltbar bleiben. Alternative scheint der animalische, gleichsam ehrliche Sex. Fleisch statt Metall. Lüsterne Blicke statt betretenes Wegsehen.
Vermutlich Tsukamotos blauster Film.
#189
Geschrieben 31. Januar 2004, 00:51
Blow Out (Brian de Palma, USA 1981)
30.01.2004, Heimkino
Von den Schnittstellen zur Wirklichkeit. Und was an diesen verloren geht. Oszilliert zwischen meisterlicher Bravour und streicherunterlegtem Zeitlupenkitsch.
#190
Geschrieben 01. Februar 2004, 03:17
The Floating Landscape (Miu-suet Lai, Hongkong 2003)
31.01.2004, Heimkino
Ein durchkalkulierter Arthouse-Brocken, dessen betuliche Konzentration auf entsprechend gängige Konventionen jede Nähe zu den Figuren versperrt. Das soll nett sein, es soll wattig sein, es soll beschaulich etwas erzählen. Zwar beherrscht man sein Equipment und weiß auch, wie man schöne Bildkompositionen erstellt, doch erschöpft sich das zumeist auch schon in reiner Äußerlichkeit. Von einer Korrespondenz der einzelnen Elemente kann jedenfalls kaum die Rede sein. Bisweilen doch recht langweilig somit.
Ekin Chen ist an einer Stelle als Leiche zu sehen. Da hat der Film die Lacher auf seiner Seite: Lebendiger sieht der sonst auch nicht aus.
Ekin Chen in einer Charakterrolle, deutlich am Gesichtsausdruck erkennbar.
#191
Geschrieben 18. Februar 2004, 14:43
Ein Einsamer kehrt zurück (Alfonso Balcázar, Italien 1972)
16.02.2004, Heimkino
Ruhigen Gewissens kann man dieses Sequel zu Clint el solitario (Italien 1967) zu den Nebenwerken des italienischen Westerns zählen. Ein zwar handwerklich routiniert inszenierter und erzählter Film, dem aber für eine signifikante Rolle innerhalb des Subgenres doch die Impulse fehlen. Seiner späten Entstehungszeit - 1972 hatte der Italowestern seinen Zenit bereits überschritten, hierzulande kam der Film gar erst drei Jahre später in die Kinos - mag es zuzusprechen sein, dass der Film dafür eher schon als Zitatarchiv funktioniert. Wenn Clint, der Einsame aus dem Titel, nach fünf Jahren Flucht vor Kopfgeldjägern und ähnlichen Häschern nach Hause zurückkehrt, wo ihn Gattin und Sohn verstoßen haben und die kleine Tochter ihn nicht wiedererkennt, um dort dann als Arbeitskraft sukzessive in den Schoß der Familie zurückkehren, fühlt man sich unweigerlich an Peter Fondas The Hired Hand erinnert, der ein Jahr zuvor enstanden ist. Auch Klaus Kinski als wortkarger, zynischer Kopfgeldjäger erinnert bisweilen an seine Figur in Corbuccis Il Grande Silenzio, auch wenn ihm hier, zum Ende hin, der Luxus einer sogar recht menschlichen Note gewährt wird. Kein Wunder: Wenn der Italowestern ein Kino der allgegenwärtigen Auflösungserscheinungen ist, dann fungiert der späte Il Ritorno di Clint il solitario, nicht bloß narrativ, beinahe schon als Rückkehr zu Frau, Heim und Herd: Der Anti-Held des italienischen Westerns ist 1972 bereits alt geworden.
Spannend aber ist, wie der Film seine Vorgeschichte zu Beginn kurz rekapituliert. Auch wer den ersten Teil nicht kennt, kann dieses Patchwork aus Erinnerungen und melancholischen Gesichtsausdrücken - ein klein wenig Kenntnis der typischen Stories des Subgenres vorausgesetzt - schnell deuten und erfassen. Gleich zu Beginn entsteht dadurch eine Dynamik in der Geschichte, die einem das Gefühl vermittelt, bereits einen ganzen Film vorneweg gesehen zu haben und schon tief in diesen Film involviert zu sein. Das sorgt für Spannung und Aufmerksamkeit. Gottlob verfällt der Film anschließend nicht in Apathie, sondern kann seine nur minimalistisch erzählte Geschichte, in der sich die Jagd eines Kopfgeldjägers auf Clint mit dem typischen Genremotiv der zu erlösenden Stadt, die von einer mafiösen Clique terrorisiert wird, elegant koppelt, spannend erzählen und schlüssig auflösen.
Wie gesagt, der Film ist sicher im Genre nichts Besonderes. Aber er ist eben doch solide und vermag zu unterhalten. Nicht zuletzt auch Kinskis pointierte Mimik trägt dazu bei. Ein netter Film also. Schade bloß, dass der TV-Ausstrahlung offensichtlich eine gekürzte Fassung zugrunde lag.
#192
Geschrieben 25. Februar 2004, 15:07
Dünyayi kurtaran adam, a.k.a. Turkish Star Wars (Çetin Inanç, Türkei 1982)
24.02.2004, Heimkino
Ich bin mir sehr sicher, gestern den seltsamsten Film meines bisherigen Lebens gesehen zu haben. Selbst der vollkommen in die Binsen gegangene Plan 9 From Outer Space (USA 1959) aus dem Hause Ed Wood scheint gegen den berühmt-berüchtigten Turkish Star Wars geradezu nach Lehrbuch inszeniert. Was nicht heißen soll, dass diesem Film das Herzblut, das drin steckt, nicht anzusehen wäre, oder das Amüsement nur daher rührt, dass eben Türken die Abenteuer bestehen, die normalerweise blonden Collegejungs vorbehalten sind. Es ist diese ganze seltsame Mischung aus unbekümmerter "Das können wir auch"-Attitüde, die sich zwar durch die Gegebenheiten nicht gerade legitimiert, finanziellem Notstand, der es eigentlich nicht erlaubt, Filme zu drehen, und der Liebe zum "Hau ruck"-Kino, in dem irgendwie alles möglich scheint, zumindest aber alles erlaubt ist, die hier für kindlich naive Freude sorgt - manchmal mit dem Film, manchmal aber auch, natürlich, über ihn.
Ein ganz seltsames Patchwork ist das. Es besteht aus munter herausgeschnippelten Actionsequenzen aus dem US-Star Wars, dreistem Soundtrack-Klau, der zudem unbeholfen und nach Steckkastensystem über die Bilder gelegt wird, derbem Sound-Effect-Sampling und einigen selbstgedrehten Szenen vor Plastik- und Plüschkulisse - zusammengehalten wird das alles durch eine Holzhammer-Montage, die Bild und Ton, Zeit und Raum voneinander trennt wie seltsam absurd auch verbindet. Nach anfänglichem Staunen entsteht ein Gespür für diese ganz eigene Filmsemantik, in der eigentlich nichts mehr wirklich erzählt wird, sondern nach Schlüsselreiz-Muster eher schon Brocken vorgeworfen werden, die nicht etwa "großes Kino" sind, sondern dem Publikum zeigen: "So soll großes Kino aussehen". Wie in diesem Schnippselfest aus geklautem und gedrehtem footage die Filmkonventionen selbst, die Vereinbarungen zwischen Publikum und Film offengelegt werden, ja gleichsam, trotz offensichtlicher Konstruktion, dekonstruiert werden, das ist beinahe schon fabelhaft.
Neben all der bierseligen Glückseligkeit, die dieser Film versprüht, diesem Aroma von Salzstangen, Dosenbier und lautem Gepolter diesseits des Bildschirms, besteht der Film deshalb auch als Kommentar zum Genrekino selbst. Und ein in all seiner Unbeholfenheit gar nicht mal so unkluger, will ich meinen. Ich finde ihn jedenfalls großartig, in all seiner zweifelhaften Pracht.
#193
Geschrieben 06. März 2004, 19:42
Montags in der Sonne (Fernando León de Aranoa, Spanien 2003)
01.03., Kino Intimes
"... und weil der Mensch ein Mensch ist"
Ein Fußballspiel. Leidenschaftlich verfolgt von der Handvoll Figuren, die uns der Film vorstellt. Sie fiebern mit, die angespannten Gesichter füllen die Leinwand, Gegenschuss zum Spiel, dann wieder die Gesichter. Erst als sich etwas vor das Blick-/Spielfeld schiebt, wenn der Ball sich gefährlich dem Tor der Gegnermannschaft nähert, wenn genau dieses Tor, auch der entscheidende Moment, nicht mehr zu sehen ist, weil sich da ein Dach davor schiebt, wissen wir: Die sitzen gar nicht im Stadion. Die sitzen auf dem gerade im Bau befindlichen Hochhaus neben dran, wo der eine gerade als Bauarbeiter sein Brot verdient. Die anderen: arbeitslos, entmutigte Klassenkämpfer, gestrandet. In solchen Momenten, wenn der Film wie beiläufig seine Semantik zur Beschreibung der sozialen Peripherie entwickelt, ist er ganz bei sich und: groß. Das beißt sich etwas mit Momenten, die beinahe schon schal sind, wenn beispielsweise der eine, der Älteste, dessen Frau vor Jahren abgehauen ist, weil er ein Säufer ist, und seitdem lebt er verwahrlost, wie man nur verwahrlost leben kann, sich umgebracht hat, aus dem Fenster gesprungen ist er, liegt auf dem Vordach der Platte, in der er sein Dasein fristete (nennen wir es nicht "Leben") - da liegt er dann, das Licht drunter ist defekt, blinkt, als die Szene abblendet, verlischt es endgültig, wie der,der drüber liegt: Das ist so naheliegend wie störend.
"Beim Kaurismäki sieht das alles ganz anders aus, da ist das immer viel schöner", sagt S. nach dem Kino. Ja. Die Unterschiede sind ganz deutlich: Kaurismäki sucht im sozialen Elend Poesie und Solidarität und überhöht beides entsprechend. Das ist nichts Schlechtes. León de Aranoias Film hingegen hat anderes im Sinn: Er schaut, wo die Solidarität geblieben ist unter diesen Wegrationalisierten, wie es um diese bestellt ist. Zu Beginn deshalb heroische Bilder von der Fabrikbesetzung: Vermummte Arbeiter, Polizisten, Barrikaden, Auseinandersetzungen, Zusammenhalt. Darüber gelegt allerdings: Schöne, leichte Musik - ein Bruch. Und von diesen Bildern, die einen - ließe die Musik das doch nur zu - beinahe schon mitmachen lassen wollen, bei diesem Kampf, stürzen wir direkt hinüber in das, was später kommt: Der Film spielt zwei Jahre später (was wir lange nicht wissen), vom Zusammenhalt ist, bis auf ein paar Abende in der Kneipe, gemeinsame Besäufnisse kaum was geblieben. Probleme allentorten, kein Geld auf Tasche, die Fabrik klagt auf Schadensersatz - biografische Trümmer. Auswege gibt es nicht, nur Australien als Bild, der Kontinent, wo so viel Land ist, dass jeder dort vom Staat Land zugeteilt bekommt, wo alle alles teilen - so denkt der eine, wenn er in der Sonne liegt. Wie weit es wohl nach Australien ist, wie lange man mit dem Schiff fahren muss, um in dieses Paradies zu kommen, wissen sie nicht. Am Ende nur das verzweifelte Aufbäumen, der letzte Clou: Klauen wir uns ein Schiff, segeln wir etwas nach draußen, vielleicht ist dort Australien. Weit kommt man nicht: Nur ein paar Hundert Meter von der spanischen Küste weg, in die Sonne, die einem das Gesicht umschmeichelt, es naht schon die Küstenwache, als es Morgen wird: Bleiben wir zumindest gelassen, das ist alles was uns noch bleibt.
Ein Film der Sorte: Wächst in den folgenden Tagen. Deshalb erst jetzt diese Zeilen.
#194
Geschrieben 09. März 2004, 01:12
Lady Snowblood - Blizzard from the Netherworlds (Fujita Toshiya, Japan 1973)
03.03.2004, Heimkino
Ein Schatzfilm, nicht anders kann man dieses Kleinod des japanischen Genrekinos bezeichnen. Einer jener Glücksfälle, in denen sich eine kommerzielle Ausrichtung mit tiefen Filmverständnis und, ja, Kunstsachverstand vermengt, dazu das gesunde Maß an Sorglosigkeit gegenüber althergebrachten Konventionen. Wagemut!
Einer der Haupteinflüsse auch für Tarantinos Kill Bill (filmtagebuch), nicht nur, weil er das tieftraurige Titellied dieses Films in seinen eigenen eingearbeitet hat. Auch die Erzählstruktur, die munter zwischen den Zeiten springt, wirkt geradezu wie eine Blaupause. Dann natürlich das mit Hochdruck aus den geöffneten Leibern spritzende Blut - es gibt reichlich davon -, der ganze Rache-Kern der Geschichte, der, bei aller Härte, doch nur tief melancholisch ist (zugegeben, hier liegt ein Unterschied - von der Dramatik, wie man sie hier zu sehen bekommt, ist Kill Bill weit entfernt). Und natürlich der Schnee, der leise niedersinkt, dann die Manga-Inserts, mit denen die japanische Historie in den Film einfließt.
Überhaupt die historische Dimension. Lady Snowblood spielt etwa zur gleichen Zeit wie auch The Last Samurai (filmtagebuch) und verhandelt Ähnliches: Der Bruch in der japanischen Gesellschaft, das Spannverhältnis zwischen Tradition und Anpassung an westliche Vorstellungen, das das gesamte Land aufrüttelt. Yuki, die Lady aus dem Titel und ein erbarmungsloser Racheengel, verkörpert das alte Japan in einer Zeit der Auflösung, folgerichtig kann der Showdown nur auf einem diplomatischen Kongress stattfinden: Unter den Augen westlicher Elite zerfleischt sich Japan schlussendlich selbst. Wenn der letzte Schurke von der Galerie stürzt, reißt er die japanische Flagge mit sich. Diese Flagge, die an sich eine aufgehende Sonne darstellen soll, könnte auch, genausogut, einem Tropfen Blut im Schnee gleichen.
Erfreulich dennoch, dass, trotz dieses Subtextes, der Film auffällig wenig nationalistisch ausfällt. Lady Snowblood ist in erster Linie Kino zum Staunen, wo man alle paar Minuten mit neuen, fabelhaften Eindrücken gekitzelt wird, sorgfältig immer auf das "Wow" beim Zuschauer hin inszeniert, ohne aber überwältigen zu wollen. Ein Schatzfilm eben, wie gesagt.
#195
Geschrieben 18. März 2004, 00:25
Nicht Fisch - nicht Fleisch (Matthias Keilich, Deutschland 2002)
10.03.2004, Heimkino
Zunächst darf man festhalten: Ein außerordentlich gut aussehender Fernsehfilm. Mag sein, dass ich da mangels TV-Empfang nicht mehr auf der Höhe der Zeit bin, aber auf rein bildästhetischer Ebene ist dieser Film schon sehr schön anzuschauen: Offenbar mittels digitaler Nachbearbeitung hat man die Farben ausgewaschen, manche wiederum etwas verstärkt, das ganze Bild etwas grobkörniger gemacht und somit zumindest die ästhetischen Stärken des klassischen Super-8-Looks imitiert. Das macht Sinn insofern, da der Film selbst vom Versuch erzählt, die eigene Vergangenheit zu ergründen: Diese ist unscharf, grobkörnig, etwas verblasst, vielleicht auch überbeleuchtet - wie Super8 eben. Für mich als Freund von schönen Rottönen in audiovisuellen Medien natürlich ein ganz besonderer Genuss.
Dann der Film aber selbst. Der ist zwar sicher gut gemeint, aber so recht anfreunden konnte ich mich dann doch nicht damit. Vieles wirkte schlicht konstruiert oder aber klassisch links-liberalen soziologischen Überlegungen nachempfunden, die selbst oft nur von Unkenntnis gezeichnet sind. Warum Michael denn nun unbedingt seine Vergangenheit als in Deutschland von Deutschen großgezogener koreastämmiger Junge aufrollen muss, erschloss sich mir kaum: Es stand nur einfach plötzlich im Raum. Warum er krampfhaft versucht, eine Idenität als Koreaner zu entwickeln, bleibt ebenso im Verborgenen und lässt sich allenfalls noch mit seiner Zuneigung zu einem koreanischen Mädchen erklären, welche aber, die Zuneigung, selbst wieder nur nebulös erscheint. Und wenn dann am Ende ein Happy-End in Korea wenngleich nicht erzählt, wohl aber suggeriert wird, bleibt doch so ein kleiner schaler Nachgeschmack übrig: Ethnics don't fix, der ewige Koreaner also (jetzt mal ganz überspitzt ausgedrückt). Mag sein, dass ich dem Film und seinen Machern damit Unrecht tue. Auch wenn dies nicht die Intention der Köpfe dahinter war, bleibt dennoch zumindest das Gefühl, dass ein Thema, das an sich schon einer gewissen Sensibilität bedarf, hier ein wenig zu salopp bedient wurde.
#196
Geschrieben 18. März 2004, 00:26
The Love Eterne (Han Hsiang Li, Hongkong 1963)
15.03.2004, Heimkino
Grenzenlose Schönheit der Studiokulissen. Bezaubernde Leere der Erzählung selbst. Entzückende Struktur, fesselnde Oberflächen, begeisternder Kitsch.
Ein wunderbarer Film - auf DVD zwar nur halb so großartig wie vor einem Monat auf der Berlinale, aber dennoch.
#197
Geschrieben 18. März 2004, 00:28
Mit stahlharter Faust (King Vidor, USA 1955)
16.03.2004, Heimkino
Ein erstaunlich weitsichtiger Western, der doch eigentlich nur zum Nebenwerk seines Regisseurs und seines Hauptdarstellers zählt. Er zeigt ganz vordergründig eine Welt im Wandel: Der Westerner (Kirk Douglas) hält viel auf hohe Ideale, auf die Freiheit des Landes und des Mannes darin, darauf, dass man seinen Sattel nie veräußern darf, auch wenn er, wie zu Beginn, das Land doch nur mit dem Zug durchreist. Ein Westernheld wie er im Buche steht - das ist er ganz und gar nicht und dann doch wiederum schon. Einem Jungen, den er aufgabelt, wird er zum Mentor, denn der will Cowboy werden und wird doch nur zur Karikatur eines solchen, wenn er dann so breitbeinig wie unsicher in den Saloon marschiert. Oder aber, wenn er später dann den erstbesten niederschießt, als er den Gebrauch mit dem Schießeisen erlernt hat - das Komische und das Tragische liegen in diesem Film oft dicht beinander.
Ein Westernheld also, der eigentlich schon keiner mehr ist. Ein Typus, der sich mit dem Jungen (und das nicht selten widersprüchliche Verhalten seines Lehrers, der ihm beispielsweise anmahnt, in einer Schlägerei dem Gegner nie den Rücken zuzuwenden, dann aber doch später genau das macht) noch zusätzlich als hohle Schale erweist. Ein Westerner, der den Zug, den Fortschritt also, das Neue, genießt, nicht aber analog dazu das Land umzäunen will, es letztendlich doch machen muss. Ein Film wie ein Januskopf im Genre, ein Blick nach vorne, ein Blick nach hinten. Noch ist der Schlamm aus Corbuccis Django (1966) weit entfernt, noch darf ein Westerner blond und kernig sein, das Technicolor postkartenbunt. Doch ein Rumoren ist bereits deutlich zu vernehmen: Wenn der Held des Films davon reitet, Richtung Horizont, dann ist der Stacheldraht noch immer im Bild.
#198
Geschrieben 22. März 2004, 01:00
Masken (Claude Chabrol, Frankreich 1987)
21.03.2004, Heimkino
"Der charmante Christian Legagneur ist mit seiner Senioren-Fernsehshow "Glück für alle" ein Quoten-König. Vor laufender Kamera kümmert sich der berühmte und scheinbar einfühlsame Showmaster geradezu rührend um seine älteren Kandidaten. So ist es nicht verwunderlich, dass der junge, ehrgeizige Journalist Roland Wolf dazu angeregt wird, Legagneurs Autobiografie zu verfassen. In seinem Herrenhaus regiert dieser, umgeben von einer stattlichen Anzahl von Dienstboten, in der Attitüde eines Bonvivant wie ein König. Als Wolf beginnt, hinter die Fassade zu schauen, entdeckt er Überraschendes - jede Person in Legagneurs Haushalt scheint ein Doppelleben zu führen." (prisma-online.de)
Natürlich: Das ist alles sehr konstruiert - wenig Lebenssaft an sich, viel Drehbuch und vor allem viel Wille des Autors. Aber: Darf man das bei Chabrol überhaupt anders erwarten? Zumal, wenn der Film so heißt, wie er eben heißt, schlicht Masken eben, nicht etwa Die Masken oder Die Masken der Bourgeoisie (oder des Bösen, des Zorns oder wie auch immer ein Film von Chabrol eben zumeist betitelt ist). Nein, Masken heißt er, unspezifisch, Aufzählung, Anhäufung also, vielleicht auch - der schnelle Rhythmus, der beinahe schon im Screwball-Takt die Finger schnippsen lässt, legt dies beinahe schon nahe - : Revue.
Nun gut, Konstruktion. Aber von der gewieften, der süßen Sorte. Esprit also, Verve, analytische Kühle dann wieder, wenn sich das Geheimnis von hinter verschlossenen Großbürgertumstüren zu lüften beginnt, jedes Detail sitzt und passt. Der Fernsehmoderator, so penetrant gutmütig und aber auch Patriarch, dass er schon wieder unheimlich ist, wenn er nicht gerade wie eine Karrikatur erscheint. In manchen Szenen gar, wenn er im Profil zu sehen ist, erkennt man anhand der genauen Ausleuchtung, die die Konturen betont, wie Chabrol ihn zur bloßen Comicfigur degradiert: Der Schwung der Altherrenwange, das hervorlugende Kinn, die Fältchen um die Augen - man meint dieses Gesicht umgehend zu Papier bringen zu können, stilistisch jenem Hitchcock-Emblem - Wange, Nase, Stirn - nicht unähnlich. Und die anderen Figuren! Die blasse Bürgertochter, die aufgedrehte Schreckschraube, deren trotteliger Ehemann und dann, nicht zuletzt, der unheimlich fade, ja eigentlich bloß besserwisserische Biograf, der selbst - eine mitgebrachte Waffe, beiläufig recht früh schon im Bild zu sehen, lässt dies schon bald erkennen - ein doppeltes Spiel treibt. Die Dialoge, was sich daraus schließen lässt, auf was sie referieren - denn "eigentlich" sind sie, weiß Gott, nie -, das ganze, das große Ballett, das Chabrol hier auftischt - ohne aber zu heischen, dem Effekt zu verfallen, nein, alles ist ihm nur Puzzlestück mit festem Platz, vor allem aber: dem Ganzen untergeordnet -, rundum alles an diesem Film ist stimmig und mit jenem Esprit, der so gar nicht nach den gewissen frankophilen Tendenzen im Ausland schielt, inszeniert, dass es eine wahre Lust ist, diesem gewitzten Film zuzusehen.
Ein schöner, ein prächtiger Kaffee-und-Kuchen-Film.
#199
Geschrieben 23. März 2004, 23:28
Heat (Michael Mann, USA 1995)
21.03.2004, Heimkino
Der Moment größter Glückseligkeit, den man im Leben erreichen kann, nämlich dann, wenn die Leidenschaften besiegt sind, der Furor erkaltet ist, dauert exakt so lange wie eine Fahrt durch einen gleißend hellen Tunnel. Ein kleiner Moment der Gnade - kostbar, kurz, dann schon wieder dahin -, die der Film seinem Schurken gönnt - Everything in its right place sangen beispielsweise Radiohead, wenn auch nicht hier -, ein Partikel also, eine Ahnung des Paradieses auf Erden, kurz nach der Hölle dortselbst, und dann: Auf - nach all den Annäherungen und Entfernungen, Heat ist vor allem auch: Raumfilm - kleinster Fläche der Rückfall ins Dämonische.
Das Ende: Beinahe eine Pieta, doch weit entfernt von katholischem Pathos. Auch die Musik dann - die so heroisch wie synthetisch leer klingt - unterstreicht dies. Ein fadenscheiniger Beschluss, gewonnen wurde, letztendlich, nichts. Im Auge des Überlebenden die Andeutung einer Träne. Diesseits des Bildschirms: Glückseliger Schwindel.
#200
Geschrieben 23. März 2004, 23:28
Gelegenheit macht Liebe (Chris Koch, USA 2003)
22.03.2004, Heimkino
So amüsant wie belanglos. Immerhin eine doch recht spaßige Syntax an Unwahrscheinlichkeiten und Wendungen, die da ausbuchstabiert wurde. Gut gefallen hat mir der ironisierende Einsatz der (nicht selten zitierenden) Musik. Eine Vorgehensweise, die für einen Film dieses Hintergrunds doch eher bemerkenswert ist. Auch die unter der Oberfläche der "romantischen Komödie" nur geringfügig versteckten bösen Spitzen gegen allzu bürgerliche Lebensentwürfe war - trotz dann eben doch einiger Versöhnlichkeiten am Ende - recht nett anzusehen, so zwischen Gang zum Supermarkt und anderem Tagwerk. Für das, was er ist, also ein recht passabler Film, auch wenn inspiriertes und großartiges Filmemachen natürlich ganz anders geht (deswegen auch kein Bild hier, haha).
#201
Geschrieben 23. März 2004, 23:28
Frühling, Sommer, Herbst, Winter ... und Frühling (Kim Ki-Duk, Südkorea 2003)
22.03.2004, Kino International
Zunächst ein Film der Zeit: Ruhig, langsam, sacht entfaltet er sich. Seine Bilder laden ein, sich darin kontemplativ zu versenken. Jede Einstellung so exakt - in dem was sie zeigt, was sie aussagt, wie lange sie dauert - und voller Sorgfalt konzipiert, dass man - ein Klischee, freilich - ihnen die entspannende wie anregende Eigenschaft einer heißen Tasse grünen Tees zusprechen möchte. Auch eine solche benötigt aber in ihrer Zubereitung viel Sorgfalt und Liebe, soll das Ergebnis munden, vor allem aber Wirkung entfalten, vielleicht also ist ein Vergleich mit, sagen wir, zumindest einer Teezeremonie nicht so daneben. Eine wahre Freude ist es, endlich einmal wieder zwei Stunden als solche wirklich spüren zu können, diese Sorglosigkeit, die mit einem Kinobesuch - einem Kinogang - einher geht, wenn man sich nun für eine gewisse Zeit genau nur eine Sache vornimmt, und nichts anderes. Diese zärtliche Demut spiegelt sich im Film wider, zumal sie auch die Vergänglichkeit eines Kinobesuchs (ja jeden Kunstgenusses, eigentlich) - es bleibt ja physisch davon nichts weiter übrig - in seiner eigenen Geschichte, die fast nur von Vergänglichkeit spricht, berücksichtigt: Einen kleinen Moment lang sehen wir diesen alten Meister auf seinem Hausboot beim Kalligrafieren auf einer kleinen Steinstatue. Der Pinsel ist befeuchtet, nicht mit Farbe aber, sondern lediglich mit Wasser. Ist der letzte Schwung des letzten Zeichens getan, beginnt das erste bereits schon wieder auf dem Stein zu verblassen - der Akt des Schaffens beginnt umgehend von Neuem. Die Leidenschaft der Leidenschaftslosigkeit, die Kim Ki-Duk hier in mitunter schlichte, trotz ihres oft schmerzlichen Inhalts meist bemerkenswert wenig dramatische Bilder zu fassen bekommt, ist in jenen Momenten schier atemberaubend.
Natürlich auch ein tief religiöser Film. Es mag an der mangelnden kulturellen Nähe zum Buddhismus liegen, aber in diesem Falle lässt sich das gut an, vielleicht auch, weil er nicht - wie ein anderer, stumpfsinniger Religionsfilm, der derzeit die hiesigen Leinwände beleuchtet und dem ich hier nicht die Gunst erweise, namentlich genannt zu werden - auf Überzeugung aus ist, auch nicht auf eine verbissene Universalität. Weil er einen nicht anschreit - trotz einiger ebenso vorhandener Drastiken -, sondern weil er auch stets die Option lässt, lediglich interessierter Beobachter zu sein, um, wenn schon nicht etwas für sein Leben, so doch etwas über eine andere Religion, eine andere Kultur zu lernen.
Eine kleine, feine Kino-Meditation - ich habe jede Einstellung genossen.
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