The retina of the mind's eye
#1
Geschrieben 02. Februar 2003, 10:43
OK, los geht's mit ...<hr>
01.02.03: Shriek (Video)
Hochgradig albern und tatsächlich nichts weiter als eine Persiflage einer anderen Persiflage (Scary Movie). Schwer inspiriert vom modus Zucker/Abrahams: Dialoge und Hintergrund-Gags, die die Situation ständig reflektieren, aber die Handlung leider unterbrechen anstatt sie doppelkodiert fortführen. Allusorischer Humor ist schon eine Kunst, die beherrscht werden will, sonst endets in K(a)lauerei.
maX
(Wahl-Kölner)
#2
Geschrieben 03. Februar 2003, 06:40
Göttlich! In der "Gondel 13" (Ein Mini-Kino im riesigen Ufa-Palast, das nur 9 Sitze hat!!!) einen solchen Film zu sehen. Absoluter Trash mit Karl May-Flair: Der Held Don Jose de Alvarez kehrt mit seiner hübschen Freundin Bella Bonita in seinen Heimatort in die Wüste von Mexiko zurück. Dort gibt es keine Frauen mehr, weil Don Joses missratener Bruder Loco Satano (!!) diese in seine Höhlen entführt hat, um sie zu Ameisenköniginnen zu machen. Bella Bonita soll sein nächstes Opfer werden, doch Jose rettet sie ... und zahlt einen hohen Preis.
Aufdringliche Einstellungs- und Sound-Kopien aus allen möglichen Italo- und US-Western, hinreißende Lieder (u. a. gesungen von der Bürgermeisterin Elisabeth Volkmann, die sich nur durch das Rauchen ihrer eigenen Kacke-Zigarren den Ameisenmann vom Hals halten kann). Ein bitterernster Film, wenn es darum geht, die Story ernst herüberzubringen; eine echte Komödie mit Distanz zu sich selbst, wenn es um die Dekonstruktion der Archetypen geht. Gedreht mit urdeutscher Perspektive (und der Ahnung, was Spanisch sein könnte) in einer Sandkuhle von Babelsberg!
maX
#3
Geschrieben 20. Februar 2003, 09:46
Ich dachte, es wäre mal wieder entspannend einen Film von Spielberg sehen zu können, der nicht das Projekt verfolgt, die Geschichte aufzuarbeiten bzw. aus amerikanischer Perspektive neu zu interpretieren - also einen aus der Fiction-Riege. Ich hätte nach Artificial Intelligence eigentlich vorgewarnt sein müssen, dass Spielberg auch hier nur noch mit großen Gesten der Melodramatik inszenieren kann, dass seine hidden agenda "Zeig der Welt, wie Spielberg sie sieht" gar nicht mehr hidden ist. Also ein weiterer Meilenstein im Opus Spielberg, der Kunderas These belegt: "Bevor wir die Dinge vergessen, verarbeiten wir sie zu Kitsch".
Was nämlich als sehr interessante (wenn auch flache) Adaption des Philip K. Dick-Stoffes "Minority Report" anfängt und sich langsam zu einem sehr spannend inszenierten Paranoia-/Verschwörungs-Thriller emporschwingt, wird durch Spielbergs Manie, grundsätzlich alles zu Tode zu erklären, rabiat ausgebremst: Der Einsatz der Eye-Scans immer und überall, die Spiders, die Mysterie um die drei Präcogs ... das alles inszeniert Spielberg im diametralen Gegensatz zur Intention Dicks: Bei Dick waren dies die Belege für eine transparente Gesellschaft - bei Spielberg sind es die Gründe dafür. Natürlich kann man dem Film nicht vorwerfen, dass er es mit der literarischen Vorlage nicht allzu genau nimmt. Man kann sich allerdings sehr wohl beschweren, dass er wieder einmal ein Verprechen bricht (ja eigentlich: ein allgemeines positives Vorurteil bestätigt): Bei Spielberg wird selbst die Spannung zu Kitsch. Er gibt vor seine Zuschauer mit "whodunnit"s zu fesseln, nervt sie aber mit "howcaniborethem"s.
Das zeigt sich besonders plastisch in der Auflösung der Erzählung, in der fast alles wieder in die Fugen gespachtelt wird. Was mir zuerst noch "gefehlt" hat, wäre eine Rückkehr des verlorenen Sohns gewesen (als den Spielberg sich selbst ja so gern sieht). Da wäre doch noch mal ein finaler Tränenausbruch gewesen. Aber den hat Steven Spielberg dann sogar noch getoppt: Natürlich kehrt der Sohn zurück, aber "rein" aus dem Mutterleib, weil er damit auch noch als ontologischer Beweis für die gerettete Beziehung gelten kann. Auf solche Momente konzentriert sich Spielberg gern ...
Einziger Spaßmoment: die Puke-Sticks ... leider aber auch nur eine Szene ... die sind ein schöner Beleg dafür, dass Philip K. Dick doch irgendwo hinter der Geschichte steckt, denn sie sind auf diese außergewöhnlich subtile Art eingesetzt, wie sie nur bei Dick zu finden ist - als Randphänomen, das v ieles Erklärt ohne sprechen zu nüssen.
#4
Geschrieben 28. Februar 2003, 09:36
Fabelhafter Thriller, der - wenn auch ein wenig sehr von Twin Peaks inspiriert - das "Lonesome Ranger"-Motiv schön variiert. Wie immer genialer Al Pacino und ausnahmsweise sehr guter Mork vom Ork!
Witzig ist: Am Ende des Filmes war ich selbst "müde" ... die Vorstellung, 6 Tage lang nicht zu schlafen, ist optisch wirklich genial umgesetzt worden. Und das Showdown des Film ist - wenngleich auch ein bisschen holzschnittartig - konsequent und gut.
#5
Geschrieben 03. März 2003, 21:32
maX
#6
Geschrieben 19. März 2003, 06:43
Was so alles unter "X-Rated Classics" angeboten wird. Auf der Suche nach Komplettierung meiner Classic Porn-Sammlung bin ich auf diese "Perle" von 1979 gestoßen.
Debbie und ihre Chearleader-Freundinnen wollen nach Dallas zu einem Cheerleader-Contest reisen, allein: Ihnen fehlt das Geld für die Reise. Da es sich jedoch um einen Pornofilm handelt, sind die Devisen hierfür innerhalb 78 Minuten angeschafft.
Interessant ist, dass Debbie goes Dallas kein Hardcore ist, sonden die Art Porno, die auch in den Hotels im PayTV läuft: Geschlechtsakte ohne Geschlechtsteile und ohne CloseUps. Das besondere an Debbie: Jede Sex-Szene dauert etwa 10 Minuten, besteht aber aus nur etwas mehr als 1 Minute Filmmaterial, das bis zum Exzess variiert hintereinander kopiert wird. Geschähe dies ein oder zwei Mal, dann ließe sich das mit Kostenargumenten abwägen und vielleicht würde der Zuschauer das nicht merken. Aber allein in der ersten "HC"-Szene gibt es eine Einstellung (ich hab das dann mal mitgezählt), die exakt 18 Mal innerhalb von 7 Minuten wiederholt wird (in derselben Sequenz werden andere Shots ebensooft wiederholt). Das kann nur Absicht sein. Ich gehe mal davon aus, dass der Regisseur einigen Humor und surrealistische Ambition am Schneidetisch ausgelebt hat.
Debbie does Dallas ist übrigens tatsächlich ein Klassiker nicht nur des Genres geworden: Mittlerweile wird das Stück (natürlich ohne Sex-Szenen) sogar als Musical revivalt.
#7
Geschrieben 26. März 2003, 11:05
Genial! Besser als der Tarkowski, weil das doch recht ausladende (und langweilige) philosophische Grundgerüst nicht mit in das Remake aufgenommen wurde und stattdessen die reine und ehrliche Emotionalität ihre Chance bekam. Einer der vielleicht menschlichsten Filme, die ich bisher gesehen habe ... und sicherlich ein neuer Lieblingsfilm!
#8
Geschrieben 13. Mai 2003, 06:43
Wieder einmal ein Film, bei dem einem das Lachen eigentlich im Hals stecken bleiben müsste. Das komische Potenzial der Situation (die in ihrem Verschwörungscharakter in einigem Finchers The Game ähnelt) ist sicherlich einer der Hauptgründe für den Erfolg von Die Wutprobe. Ein Nicholson, der in seinem Mimenspiel seit The Shining selten besser war, ein Adam Sandler, der so duckmäuserisch ist, dass man mit ihm zusammen gern die Welt nicht mehr verstehen will. Und eine gut aussehende Marisa Tomei, die wieder einmal total auf das "nette Mädchen"-Stereotyp reduziert wird, um deren Liebe man zusammen mit dem Helden bangen muss. Dazu eine handvoll derber sexistischer Humor, slapstickhafte Gewalttätigkeit und Psychologen-Kalauer ? und die all-american-Comedy ist perfekt.
Aber auf der anderen Seite wird das Komische relativiert durch eine Form von Gesellschaftskritik, die die us-amerikanischen Massen-Neurosen seit dem 11. September 2001 bislang haben vermissen lassen. Nicht umsonst fällt gleich zu Anfang des Films der Satz: "In den schweren Zeiten, die unser Land gerade durchmacht, müssen Sie kooperieren." Und kooperieren will Adam Sandler die ganze Zeit. Ihm kommt alles reichlich verdreht vor, wenn er leise um einen Kopfhörer bittet und aggressiv aufgefordert wird, nicht so zu schreien oder wenn er mehrfach vor Gericht steht für Verbrechen, die eigentlich keine sind, sein Anwalt ihm nicht helfen kann oder will und er schließlich sogar zu betreutem Wohnen verdonnert wird. Sein "embedded psychiatrist" Jack Nicholson fungiert als Überwachungseinheit und a-moralisches Korrektiv, bringt ihn in Situationen der "Notwehr", in die er sich selbst nie gebracht hätte und lehrt ihn, seine Agressivität ("Sie sind der implodierende Typ!" - also der "Schläfer") auszuleben - notfalls auch an buddhistischen Mönchen.
Ob das ganze nun ironisch gemeint ist, oder sich als komödiantischer "patriot act" verstehen soll, der dem neurotischen Pazifismus (für den ja bekanntlich auch das "alte Europa" steht) als krankhaft entlarvt, will ich nicht entscheiden müssen. Aber zum Ende wird ja alles gut und als Verschwörung enttarnt und Jack Nicholson reißt sich die Maske des Provokateurs vom Gesicht. Er habe im Auftrag von Sandlers Freundin gehandelt, weil dieser an seinen verschrobenen Aggressionen zu ersticken drohte. Dann ist ja alles gut. Schön alles rauslassen!
#9
Geschrieben 24. Mai 2003, 17:38
Es ist gekommen, wie es kommen musste: Da die philosophischen Fingerübungen des Matrix-Stoffes im 1. Teil alle verbraten wurden, haben sich die Wachowskis auf die theologischen Bestandteile konzentriert. Herausgekommen ist ein handwerklich guter Kung Fu-Film mit aufdringlichen Spezialeffekten, unglaublichen Längen (ganz Zion tantzt den Lipsi-Schritt), mangelhaften Liebesszenen, endlos in einander verschachtelten Verschwörungstheorien ("Der Schlüsselmacher", "der merowinger", "Der Architekt", "Der Lockenwickler", "Der Hühnerverleiher", ... ) und zu guter Letzt einer Erzählung, die so dreist aus dem Phantasie-Repertroir zusammengebkaut ist, dass man zeitweilig in 7 oder 8 anderen Filmen (einschließlich "Lord of the Rings") gleichzeitig gesessen hat. Der Cliffhanger am Ende muss wohl als einer der schlechtesten der Filmgeschichte bewertet werden ... alles in allem: Ein echter Blockbuster
Vollständige Kritik: hier
maX
#10
Geschrieben 02. Juni 2003, 22:50
Einer der "Zombie"-Filme, die man sich immer wieder ansehen kann. Die Erzählung ist äußerst gradlienig: Auf einem Weingut wird ein neues Pestzid eingesetzt. Nach einem Weinfest sind alle vergiftet, die von dem mit dem Pestizid behandelten Wein getrunken haben: Sie werden wahnsinnig, verfaulen bei lebendigem Leib und bringen sich gegenseitig um. Ein Mädchen will seinen Verlobten (der auf dem Gut arbeitet) besuchen und gerät in die Horde Wahnsinniger, die sie und die versprengten Gesunden, auf die sie trifft, angreifen.
Rollins Film ist entweder sehr langweilig oder sehr poetisch. Ich stimme für letzteres. Der äußerst spartanisch eingesetzte, minimalistische Soundtrack, die ruhige Kamera, die französische "Architektur" (Bauernhäuser, wie sie mittelalterlicher nicht wirken können) und die stoischen Schauspieler-Minen machen aus Pesticide einen der ungewöhnlichsten Horrorfilme überhaupt. Scheinbar ist nichts von dem, was passiert, irgendwie motiviert. Immer gleitet die Handlung irgendwie weiter und selbst an ihrem Ende steht nur ein großes Fragezeichen. Sicherlich: Die rationale Erklärung für die Katastrophe ist gefunden und wird beseitigt. Aber der Einbruch des Grauens, der sich gerade immer wieder in Rollins Gesichts-Nahaufnahmen seiner Protagonistin spiegelt, zeigt, dass eine Tür aufgestoßen wurde, die nicht mehr zu verschließen ist.
Wer sich nicht vom äußerst dämlichen dt. Titel "Zombies geschändete Frauen" abschrecken lässt, bekommt mit "Pesticide" einen Film zu sehen, der zu den seltenen gehört, die neben den wenigen wirklich derben Spezialeffekten ein eigenartiges Gefühl in der Magengegend hinterlassen.
#11
Geschrieben 08. Juni 2003, 20:52
"Ich möchte gern ein französischer Film von Jeunet sein." - könnte auf dem Cover stehen. Nun gut, Tuvalu hat tatsächlich einige Ähnlichkeitem mit dem zeitgenössischen französischen Fantasy-Film: Die mal skurrilen Einfälle bei der Plot-Entwicklung, die sepia- mal einfarbigen mal schwarz-weiß-Bilder, die Schauspieler (den durch Carax hinlänglich bekannten Denis Lavant) und nicht zuletzt die völlig entspannte, understatementhaft Entwicklung der Liebesgeschichte.
Fast möchte man es nicht glauben: Ein deutsches Kino-Märchen und dazu noch eines, dessen Ideen zwar nicht wirklich originell (im Wortsinne) sind, das jedoch mit einer eigenen Aura daherkommt. Ein "besonderer Film", für die frühen Abende. Ein Film, der nicht zu viele Worte verliert!
maX
#12
Geschrieben 14. Juni 2003, 15:06
Was soll man dazu sagen? Da stülpen ein paar Leute aus lauter Anniversary einem Film einen Pro- und Epilog über um WAS? zu tun?: Eine Geschichte, die einen offenen Anfang und ein offenes Ende hat, mit einem weiteren offenen Anfang und Ende zu versehen. Dann werden noch ein paar Ekelszenen und Zombies eingefügt, die trotz der großen Mühe, mit der man Zeitgemäßheit verursachen wollte, einfach völlig unzeitgemäße Betrachtungen verursachen. Eine Schande! Und dann erst die Synchronisation!!! Na, wenigstens ist die alte - wenn auch unrestaurierte Fassung - mit auf der DVD!
#13
Geschrieben 15. Juni 2003, 21:20
Was sollte man denken, wenn man dieses Bild sieht:
Nun, vielleicht, dass es der Dicke dieses Mal nach Mexiko geschafft hat? Ist aber nicht so. Buddy (hier schlicht: Dickie) ist auf der Flucht vor dem Bruder seiner künftigen Ehefrau, der er die "Ehre" geraubt hat und die nun die "Ehe" bekommen soll. Während der Reise wird ihm der kleine Chip angedient, ein Junge, der in einer Stadt ein Haus nebst Brunnen geerbt hat und da jetzt hin will aber allein nicht kann. Dickie bringt ihn hin und ist sehr verwundert, wie scharf alle im Ort (sogar der angereiste "Dreckfresser"!) auf Grund & Boden sind. Viel Geld wird geboten und viel Gewalt angedroht, falls Dickie und Chip den Grundbesitz nicht überschreiben. Aber Dickie und Chip lehnen ab und hauen zu und bleiben Sieger auf (fast) ganzer Linie: Zwar muss Dickie die angebumste doch noch heiraten, stellt dann aber fest, dass das Haus auf einer Öl-Quelle steht. Damit sieht die Zukunft rosig aus (trotz "Wilder Westen" fällt das Wort "Tankstelle").
"Der Dicke in Mexiko" ist grundsolide Handarbeit. Bud Spencer gibt dem Zuschauer, was dieser verlangt. Etliche Handgreiflichkeiten wechseln sich mit zotigen Dialogen ab. Dumme Sprüche ("Hier riechts ja wie in Castorp-Brauxel!") verleihen tiefsinnigen Monologen voller Selbstzweifel ("Was is'n das bloß für ne Mecker-Else") die notwendige Unernsthaftigkeit.
Dass bei alledem der Spaß nicht zu kurz kommt, muss nicht erwähnt werden. Wir raten ab!
#14
Geschrieben 21. Juni 2003, 21:12
"Machen Sie doch mal eine typische Handbewegung!"
Angesichts dieses Covers könnte man ja glauben, der Film wäre ein weiteres Kapitel in Spencers Großwerk "Die Phänomenologie der Kopfnuss". Man könnte glauben, telly Savalas bekommt mal so richtig eins auf die Fleischmütze vom Dicken. Aber: weit gefehlt.
Sicherr kann man keinem Film vorwerfen, dass Bud Spencer in ihm mitspielt. Aber man kann einem Bud Spencer-Film vorwerfen, dass es keine Kopfnüsse in ihm gibt! Denn "Der Dicke und das Warzenschwein" ...
... ist keine Komödie!
... zeigt überhaupt keinen Telly Savalas als dümmlichen Sparringspartner Spencers
... enthält nicht eine einzige Schlägerei
... präsentiert eine Menge Toter
... verzichtet auf alle bislang gekannten Klischees um Carlo Pedersoli
... ist summa summarum sogar ein ziemlich ernstzunehmender Film
Worum geht's? Bürgerkrieg zwischen den Nord- und Südstatten. Buddy als Veteran und Landstreicher soll hingerichtet werden, wird aber begnadigt, weil er sich einem Himmelfahrtskommando anschließt. Ein Fort solll von den Südstaatlern zurück erobert werden. Der Coup gelingt, auch wenn Buddy und seine Leute dafür die Gegner reihenweise mit Maschinengewehren umnieten müssen (sic!).
Neben der völligen Humorlosigkeit des Streifens (ja, die deutsche Synchro strengt sich nach Kräften an, bekommt aber keinerlei Gags hin) ist "Der Dicke und das Warzenschwein" sogar recht martialisch und nihilistisch. Das Ambiente, die Figurenkonstallation, der Soundtrack und sogar das offene Ende machen aus ihm einen Film, der einem dann doch irgendwie wie der sprichwörtliche Klos im Hals stecken bleibt.
Für einen richtig guten Film reicht dieser Ausflug in die Ernsthaftigkeit dann aber wiederum doch nicht. Dazu sind zuviele unmotivierte narrative Stolpersteine in die Erzählung gestreut. Und so fragt man sich, was die Produktion sich wohl gedacht hat, als sie Carlo Pedersoli gecastet hat.
#15
Geschrieben 29. Juni 2003, 10:32
maX
#16
Geschrieben 01. Juli 2003, 12:37
maX
#17
Geschrieben 06. Juli 2003, 09:31
deren Summe die massive Reaktion des Publikums ausmacht,
von vornherein durch ihre unmittelbar bevorstehende
Massierung bedingt.« (W. Benjamin)
Warum mir L.A. Confidential nicht so gut gefallen hat, wie meine Empfehlenden es prophezeit haben, weiß ich nicht. Ich habe wohl irgend etwas in Richtung "Lynch goes Film Noir" oder so erwartet (groteske Erwartung eigentlich, wenn man berücksichtigt, dass denny DeVito und Kim Basinger mitspielen ). Jedenfalls habe ich ihn geschaut und er hat mich nach und nach mehr und mehr verwirrt: Da wird einfach zu wenig Information in die Spielfilmlänge gepackt - oder andersherum: Der Film ist zu kurz, um so viele Details und Handlungsstränge tatsächlich geschickt zusammenführen zu können. Einziger Lichtblick war für mich die Erschießung Kevin Spaceys, mit der ich nicht gerechnet hatte, die den Plot tatsächlich in unerwartete Richtung herumzureißen schien .... doch dann war es wieder nur alles ganz gewöhnliches Coming-Out-Polizei-Drama und Heldegeschichte.
maX
#18
Geschrieben 06. Juli 2003, 09:37
maX
#19
Geschrieben 08. Juli 2003, 07:51
Visuell ist Hulk erfrischend intelligent umgesetzt. Überblendungen im Comic-Stil, immer wieder Bild-im-Bild-Szenen - ganz wie im Marvel-Heftchen. Der Soundtrack ist streckenweise etwas aufdringlich (wobei ich zugeben muss, dass orientalischer Ethno-Sound nicht unbedingt meine Sache ist), die Schauspieler sind gut: Mal abgesehen vom Vater Hulks, der von Nick Nolte gespielt wird und dessen Figur nicht besonders konsistent angelegt ist.
Alle Befürchtungen um schlechte (d. h. "sichtbare") CGI haben sich zerstreut. Der Film ist einfach viel zu schnell, um solche Details sichtbar machen zu können. Und wenn man Hulk einmal in einer ruhigen Szene zu sehen bekommen (das ist eigentlich immer, wenn er seiner Geliebten gegenübersteht), zieht sein Mienenspiel so sehr in den Bann, dass man nicht nach irgendwelchen schlecht gerenderten Zehennägeln Ausschau hält.
Monieren möchte ich als BumBum-Nerd, dass Hulk selbst viel zu wenig zum Einsatz kommt. Nur drei Verwandlungs- und damit Hulk-Szenen bietet der Film insgesamt. Das liegt natürlich auch daran, dass es erst einmal gut 40 Minuten braucht, bis der entscheidende Unfall, der Banner in Hulk verwandelt, passiert. Vorher ist Ang Lee damit beschäftigt, die familieren Konstellationen aufzubauen (die aus dem Film schließlich ein Drama machen sollen).
9/10 Punkten
maX
#20
Geschrieben 12. Juli 2003, 17:47
Eine Tragi-Komödie im Wortsinne. Woody Allen bringt einen ernsten Film über moralische Dilemmata und eine seiner typischen Pseudo-Intellektuellen-Kommödien unter einen Hut - und das, ohne sich dabei zu verhaspeln.
Interessant vor allem, wie die beiden Plots sich aufeinander zu bewegen und sich zum Schluss des Film notwendig treffen, als es für alle Figuren die befreiende Katharsis auf einer Party gibt. Sicherlich ist auch hier wieder zu vieles von Alles philosophischer Halbbildung zum Einsatz gekommen (vor allem nervig die ewig-scheinparadoxen Ausführungen des Professor Levy). Aber auf der anderen Seite enthält der Film die witzigsten Szenen des Allen'schen Oevres. Etwa wenn der von Allen dargestellte Cliff Stern seine fertig geschnittene Film-Biografie des ihm so verhassten TV-Produzenten Lester jenem vorspielt und dabei nicht etwa die in Auftrag gegebene Beweihräucherung zeigt, sondern Peinlichkeiten und Schweinereien an pseudo-intelligente Aussagen wie "Wenn es sich biegt ist es komisch - nicht wenn es bricht" anfügt und diese dann wiederum mit Archiv-Szenen von Mussolini und einen Esel montiert.
Irgendwie mein geheimer Lieblings-Allen-Film. (Aber nicht an "Love and Death" weitersagen )
maX
#21
Geschrieben 12. Juli 2003, 23:57
»Like the dilation of the pupil in moments of excitement and fear,
terror marks the uplifting thrill where horror distinguishes a contradiction
at the imminence and unavoidability of the threat.«
(Fred Botting)
Während vor der Maschine die alten Erzählungen des Horrorfilms mit dem Alter an künstlerischem Respekt gewinnen, altern dahinter die Macher und Darsteller ganz ohne Würde. Sie werden vom System abgeschrieben, mal weil sie zu alt sind, mal, weil ihre Rolle zu sehr auf ihr Leben übergegangen ist, immer aber, weil sie die Signifikanten der oben genannten Anachronismen sind, die sie unfreiwillig von Rolle zu Rolle weitertransportieren.
Ungefähr davon handelt Peter Bogdanovichs "Targets". Der alternde Boris Karloff spielt den alternden Byron Orlok, einen Horrorfilmstar der Vergangenheit, der sich in Selbsterkenntnis seiner Unfähigkeit, wirksam, geschweige denn gruselig zu sein, aus der Branche zurück ziehen will. Einen allerletzten Auftritt will er noch absolvieren: In einem Autokino, wo sein letzer Film läuft, soll er im Intermezzo einen kleinen Auftritt bekommen, bei dem er eine seiner harmlos-bedeutungsschwangeren Grusel-Geschichten erzählen will.
Doch der moderne Terror-Film entwickelt sind in "Targets" in einem zweiten Handlungsstrang. Der gelangweilte und verwöhnte Waffenfetischist Bobby Thompson verhält sich seltsam: Während Schießübungen mit seinem ebenfalls in Waffen vernarrten Vater zielt er auf diesen, verfolgt ihm mit dem Visier seines Gewehrs, ohne jedoch abzudrücken. Immer wieder sehen wir Bobby, wie er penibel Waffen hortet, auf Menschen zielt, jedoch nur zum Schein. Er äußert hier und da, dass ihm eigenartige Gedanken durch den Kopf gehen, aber davon will niemand in seiner Familie etwas hören. Und so entschließt sich Bobby eines Morgens, so lange auf Menschen zu schießen, bis ihn jemand aufhält - und er fängt mit seiner Familie an: Seine Frau, seine Mutter und sein Vater sind die ersten Opfer. Dann beseitigt er in stoischer Ruhe die Leichen und verlässt das Haus. Er platziert sich auf einem Wassersilo und feuert wahllos auf Autos, die auf dem Highway an ihm vorüberfahren. Nachdem die Polizei naht, fliht er und sein nächstes, willkürliches Ziel ist ein Autokino.
Bogdanovich erzählt diese beiden Geschichten aus zwei völlig unterschiedlichen Perspektiven: Der Abschied des Orlok wird von ihm wie ein Back-Stage-Melodram illustriert. Ein alternder Schauspieler, voller Weisheit und Selbstironie, der die Welt nicht mehr versteht, aber auch froh darüber ist, dass er sie auch nicht mehr verstehen muss. Seine Freunde und Geschäftspartner versuchen ihn zu überreden, seine Karreire nicht zu beenden, doch er lehnt ab. Sein Stern ist am Untergehen und so wird die Geschichte auch inszeniert: voller Pathos, ganz so, als wäre sie selbst der Finalebeitrag eines Genres.
Bobbys Alltag wird von Bogdanovich ingegen in sachlicher, kühler, ja geradezu aseptischer Präzision gezeichnet. Dass etwas nicht stimmt mit der Welt, in der Bobby lebt, schwingt die ganze Zeit bedrohlich-ruhig mit. Die unangenehme Langsamkeit der Kamerafahrten, die karge Ausstattung der Wohnung, die symmetrische Präzision der Waffen in Bobbys Kofferraum und nicht zuletzt sein peinlicher und gewissenhafter Ordnungssinn kennzeichnen ihn als hypernormal - eine Zuschreibung die festes Mythologem des Serienmörders ist.
Bobby und Orlok treffen im Autokino aufeinander. Während der Film - der vielleicht letzte große klassische Horrorfilm mit nebulösen Mooren, einem verfallenen Schloss und düsterem Schlossherren - projiziert wird, postiert sich Bobby mit seinem Gewehr hinter der Leinwand und visiert durch ein Loch die Zuschauer an. Hier formuliert Bogdanovich die Metaphern des Epochenwechsels mehrfach in Handlung und Bildebene aus: Der alte Horrorfilm, aus dem der moderne Terror-Film im wahrsten Sinne des Wortes hervorbricht; der Zuschauer, der zum Opfer der Bilder wird; die normale Situation, die jederzeit in die Irrealität umkippen kann. Und mitten drin Orlok, der zunächst nicht versteht, was vor sich geht, warum die Zuschauer zuhauf aus der Vorstellung flüchten. Dann erkennt er den Schützen und geht auf diesen zu. Als er ihm gegeüber steht, schaut er ihm unerschrocken ins Gesicht und verpast ihm einen Satz Ohrfeigen.
Hier fällt der Vorhang für eine Ära des Kinos. Der Irrationalität und Gewalttätigkeit der neuen Bilder und Monster, ist mit keinem Mittel der aristokratischen Bekämpfung des Bösen beizukommen. Und so sind die Ohrfeigen auch mehr eine Geste und dass Bobby tatsächlich unter ihnen zusammenbricht kennzeichnet den Schluss des Films vollends als Parabel. Orlok dreht sich um und geht. Und nachdem Bobby von der Polizei gefangen genommen wurde, bekommen wir nach einer Blende das verlassene Autokino am folgenden Morgen aus der Hubschraubertotale zu sehen. Leere Parkplätze, ordentlich voneinander durch Markierunglinien separiert. Ein einziges Auto steht noch dort - aber auch das ist akurat in seiner Parkbucht abgestellt und was im Kofferraum ist, kann man nur vermuten.
maX
#22
Geschrieben 15. Juli 2003, 22:54
»Sie sind nicht aus dem Schloss,
Sie sind nicht aus dem Dorfe,
Sie sind nichts.
Leider aber sind Sie doch etwas,
ein Fremder,
einer, der überzählig
und überall im Weg ist.«
(Die Wirtin zu K.)
Im vorliegenden Fall tritt eine weitere Schwierigkeit hinzu, denn "Das Schloss" ist nicht nur irgendein kassenträchtiger Bestseller, sondern ein multiples Rätsel der Literatur. Selbst Fragment geblieben hätte Kafka es lieber den Flammen anvertraut, als es jetzt auch noch ins Kino adaptiert gesehen. Die Erzählung - und bei weitem nicht nur diese Erzählung Kafkas - scheint aber dennoch nicht nur besonderen Reiz, sondern sogar besondere Verträglichkeit für einen Medienwechsel zum Film zu bieten. Nicht selten wird Kafka von der Forschung ein "filmischer Blick" beim Schreiben unterstellt und er selbst war auch eifriger Kinogänger, wenn man den Ausführungen Hanns Zischlers in "Kafka und das Kino" Glauben schenken will. Alles gute Bedingungen für das Schreiben von Drehbüchern.
"Das Schloss" von Michael Haneke scheint dem Rechnung tragen zu wollen und darüber hinaus noch die Frage beantworten zu wollen, wie sich denn nun Film angemessen einem solchen Stoff nähern kann. Haneke schlägt hierzu eine "pseudo-literarische" Filmschrift vor. Abweichend von gängigen Inszenierungsmustern lässt er zum Beispiel immer wieder einen Sprecher aus dem Off genau das kommentieren, was gerade im Bild zu sehen ist (und fast immer sind diese Off-Kommentare gelesene Prosa-Stellen des Romanfragmentes, wie auch die Film-Dialoge oft direkt aus der Feder Kafkas stammen) oder er unterbricht selbst bedeutsame Handlungssequenzen durch einsekündige Schwarzblenden - ganz so, als würde er für den Filmzuschauer umblättern - nur, um dann oft an der selben stellen "weiter zu erzählen".
Der Inszenierungstil kommt der Rhetorik und dem Stil Kafkas recht nahe. Nicht nur die abstruse und verstörende Handlung (auf die ich noch zu sprechen kommen werde) findet in diesen optisch-akustischen Verfahren ein Pendant. Auch die den Kafka'schen Helden-Figuren stets anhaftende "verweifelte Souveränität" wird durch diese brachialen Einschnitte in die Sukzession ihrer Handlungen und Gedanken immer wieder hervorgekehrt. So scheint man die "Mikrophysik der Verschwörung", die im Dorf unter dem Schloss herrscht - ja, die den Landvermesser beherrscht -, förmlich sehen zu können.
Haneke nähert sich der Erzählung Kafkas mit dem selben Respekt und dem Wunsch, für sie eine angemessene filmische Form zu finden. Das komplizierte Netz aus sozialen Beziehungen und Barrieren, auf das der Landvermesser stößt, wird in all seiner Unverstehbarkeit bebildert. Die Figuren, sind wie im Romanfragment eigenartig opak. Immer scheinen sie gleichzeitig für die Verheißung K.s zu stehen, einen "Zugang" zum Schloss oder wenigstens doch zu dem Schlossbeamten "Klamm" zu bieten und zerfallen doch andererseits immer wieder in die Fragmente ihrer eigenen Ohnmacht. Die "verzweifelte Souveränität", von der ich sprach, betrifft zwar in aller erster Linie die Identifikationsfigur des Landvermessers K., ist aber auch ein Charakterzug, der jedem der Dorfbewohner irgendwie anzuhaften scheint. Einzig die "unsichtbaren" Beamten des Schlosses (seien sie nun am Telefon, wie Klamm in der verschlossenen Wirtsstube oder auch nur im Gemunkel der Dorbewohner anwesend) genißen die volle Souveränität über sich selbst und das Geschehen. Haneke setzt dies gekommt durch eine uneigentliche Inszenierung um: Die Souveräne glänzen durch Abwesenheit und Bildnisverbot. Die Anwesenden Dorfbewohner wirken allesamt alt, schwach und krank (oder doch zumindest schwachsinnig, wie die Gehilfen), so dass der hochgewachsenen und aufrechten von Ulrich Mühe dargestellten K. zumindest physisch nicht zu ihnen zu gehören scheint. Aber gehört er deswegen schon zum Schloss?
Um sich voll auf die "Inszenierung der Schrift" konzentrieren zu können, verzichtet Haneke auf jedes überflüssige Detail. Das heißt, dass der normative Kontext der Erzählung weitestgehend ausgespart bleibt (Romanfragment wie Film scheinen sich in keiner Zeit verorten zu lassen). Darüber hinaus fällt aber auch der Verzicht auf einen Soundtrack, "korrekte" Ausleuchtung der Szenerie oder auffällige Kameraarbeit auf. Dadurch erhält der Film eine Authentizität, die der Zuschauer erst auf den zweiten Blick "spürt" und die sein unangenehmen Potenzial zumindest unterstützt, wenn nicht gar ausmacht.
Der Film "Das Schloss" erweist dem Romanfragment "Das Schloss" den größtmöglichen Respekt, indem er gar nicht erst versucht nicht etwas zu sein, was er doch so offenkundig ist: eine "Verfilmung". Im Gegenteil: Haneke nutzt die Chance und bereitete denn Stoff "mediengerecht" in all seinen Facetten so auf, dass selbst demjenigen, der die Prosa nicht kennt, hinterher ein Eindruck vom Stil und der Erzählung gegeben sein dürfte.
maX
#23
Geschrieben 24. Juli 2003, 18:50
Was mich mit Spannung eine Variation des Papst'schen Pandora's Box-Thema erwarten lies, entpuppte sich schnell als ziemlich eindimensionale Story, mit einem absolut fehlbesetzten Harvey Keitel, einer inkonsequenten Erzählung und einer an den Haaren herbeigezogenen Pointe ... aber einer ziemlich niedlichen Mira Sorvino.
maX
#24
Geschrieben 29. Juli 2003, 22:32
Die vielleicht herausragendste Eigenschaft des Films ist seine Fähigkeit zur Visualisierung von Gedankenexperimenten. Dies gilt insbesondere für die "Was wäre wenn"-Konzepte der möglichen Zukunft im Science Fiction. Der Film zeichnet eine fiktive Achse in eine Zukunft, deren Parameter er bestimmt und deren eigene Zukunft (als die Zukunft der Zukunft) er damit entwirft. Doch nicht selten sind es dabei die Vergangenheiten, die auf diese Weise als Reinkarnation, als deja vu zurück kehren.
John Boormans Zardoz beschreibt eine Zukunft des 23. Jahrhunderts in der die Menschheit in zwei Klassen separiert ist. Auf der einen Seite leben die Menschen in vollständiger Bedürfnisbefriedigung ein mit technischen Mittel in die Ewigkeit verlängerbares Leben, können auf jeden Luxus und jede Information zugreifen - an einem Ort names "Vortex", der von der Außenwelt durch eine unsichtbare Barriere abgeschirmt ist. Geschützt und Bestimmt wird ihr Leben vom "Tabernakel" - einem vor langer Zeit installierten Computer-Programm, das die Errungenschaften dieser Gesellschaft regelt und sichert, an dessen Funktionsweise (aus Schutzgründen) aber alle Erinnerungen ausgelöscht wurden. Auf der anderen Seite gibt es die Außenwelt, in der die "Brutalen" leben. Sie sind eine von Hunger, Krieg und Krankheiten gezeichnete, gesichtslose Masse, der scheinbaren Willkür der Vortex-Bewohner ausgesetzt. Beständig werden sie verfolgt von den Kämpfern Zardoz' - einer künstlich geschaffenen Gottheit, die über die Außenwelt qua Furcht und Gewalt herrscht, die die Außenweltler grundlos tötet und versklavt. Zardoz ist aber nichts weiter als ein fliegender Steinkopf, der von einem der Vortex-Bewohner gesteuert wird, allein zum Zweck, die Außenwelt zu kontrollieren und zu beherrschen.
Z ist einer der Kämpfer Zardoz', der sich eines Tages unbemerkt im Steinkopf versteckt und auf diese Wese nach Vortex gelangt. Dort wird er von der völlig vergeistigten Gesellschaft als Bedrohung und gleichermaßen Faszinosum wahrgenommen. Die Brutalität, die Z verstömt (die Vortex-Bewohner nennen ihn deshalb "Mostrum" oder "Das Brutale"), lässt sie zum ersten Mal seit langer Zeit spüren, was es bedeutet sterben zu können und zu müssen. Denn ihre Gesellschaft ist zum Leben verdammt. Jeder Versuch den Bann der permanenten Existenz zu durchbrechen, scheitert. Nach jedem Tod folgt zwangsläufig die Wiedergeburt. Und weil die Unsterblichkeit bedeutet, in einem bestimmten (jugendlichen) Alter zu stagnieren, gilt als höchste Strafe für ein Vergehen das künstliche Altern. Es gibt im Vortex eine ganze Siedlung angefüllt mit alten Renegaten, von Senilität gezeichnet zu ewigem Alter und Siechtum verdammt. Auf der anderen Seite verfallen mehr und mehr Bewohner der Vortex in eine Agonie und werden ebenfalls aus der Gemeinschaft verdrängt - fristen ein Leben in völliger Apathie, angewiesen auf Almosen. Z dringt buchstäblich in dieses System ein und durchsetzt es mit Zweifel, Aufruhr und Tod. Er ist derjenige, der als ehemaliger Menschenjäger Zardoz' nun den erlösenden Tod für die Bewohner von Vortex verheißt. Und in dieser Eigenschaft wird er von ihnen vollständig unterschätzt. Nur die wenigsten erkennen in Z denjenigen, der das System besiegen kann und wird, eben weil er augenscheinlich kein Teil davon ist.
Boormans Zardoz ist schwer nachzuerzählen, weil er so "realistisch" ist. Damit ist keineswegs die Plausibilität seiner futuristischen Entwürfe gemeint, sondern im Gegenteil gerade deren Lückenhaftigkeit. Das System des 23. Jahrhunderts wir nur ansatzweise erklärt. Die Funktion der wissenschaftlichen Errungenschaften - sonst ein dankbares Sujet der Science Fiction - bleibt unerklärt (eben weil es auch für die Bewohner von Vortex nicht zu erklären ist). Einzig das soziale System zwischen Innen und Außen, Oben und Unten, bewaffnet und wehrlos wird in all seinen Konsequenzen dargelegt. Ausgiebig werden Menschenjagden durch die Schergen Zardoz' vorgeführt und mit geradezu perverser Detailfreudigkeit experimentiert die Wissenschaftsgilde von Vortex mit dem Eindringling Z, der ihnen vollständig unterlegen zu sein scheint.
Dies lässt den Eindruck entstehen, der Film Zardoz sei in erster Linie eine politische/soziale Utopie. Er könnte auf die künftige Kluft zwischen den wissenden und unwissenden, den besitzenden und armen Gesellschaften hinweisen. Er wäre somit eine in die Zukunft projizierte reine Klassengesellschaft und würfe einen marxistischen Blick auf das Geschehen ... "Was wäre wenn?" Doch damit käme man dem Stoff Boormans nicht sehr nahe. Denn das Gedankenexperiment ist nicht nur sozial-politischer, sondern vor allem auch philosophischer Natur. Alle Gewaltätigkeit und Zynismus werfen ständig die Frage nach dem Sinn des Sterbens auf. Nun ist es ein Allgemeinplatz, dass das ewige Leben ewiges Leid wäre und Zardoz folgt dieser Annahme und formuliert sie im Gedankenexperiment aus. Die Langeweile und die Agonie liegen dicht beieinander, wenn die Ewigkeit den Takt des Denkens und Handelns diktiert. Das Impulsive, das "Brutale" sind Eigenschaften des Bewusstseins von der eigenen Vergänglichkeit und der ständig unbewussten Angst vorm Tod. Die Leidenschaft und die Angst - das zeigt selbst die Vortex-Gesellschaft kurz vor ihrem Ende - sind Merkmale der Trennung von "Bewusstsein" und "Unterbewustsein" (wie es im Film heißt). Das "totale Bewusstsein" (der Vortex-Gesellschaft), das zudem ein vernetztes ist, hat allenfalls "Interesse".
Der Film wird auf eine Art erzählt, die sich am besten als Gratwanderung zwischen Kitsch und Genailität bezeichnen lässt. Oft setzt er an, Elemente der Gesellschaften in solcher Überzeichnung darzustellen, dass man beinahe lächeln möchte. Doch dann zeigt sich - auf Grund der oben erwähnten Lückenhaftigkeit - das es einfach nur das fehlende Verständnis der Gesamtzusammenhänge ist, dass so etwas wie "kitischige Hilflosigkeit" im Betrachter entstehen lässt. Etliche klischeehafte Situationen der Erzählung bricht Boorman auf diese Weise. Bildelemente - vom fliegenden Steinschädel über die überdrapierten Kostüme der Vortex-Bewohner bis hin zur Bebilderung der Wissenschaft - werden immer wieder mit ihrem Gegenteil konfrontiert und "entzaubert" und über alledem steht die stets unterschätzte und in ihrem Wollen undurchdringliche Erscheinung Zs, der mit amüsiertem und analysierendem Blick die Welt um sich herum zerfallen sieht.
Zardoz ist daher viel mehr als ein utopischer, mehr als ein Science Fiction: Er ist ein filmisches Experiment auf mehreren Ebenen. Er stellt Fragen über das "Was wäre wenn" der gesellschaftlichen Zukunft genauso wie über das philosophische Klischee der "Agonie ohne den Tod". Er kontrastiert Szenen von unglaublicher Gewalt (Menschenjagden und Vergewaltigungen) mit dem vielfach variierten Allegretto aus Betthoven 7. Symphonie. Sicherlich: In seiner Hauptaussage, dass das Rohe schließlich (immer) über das Gekochte siegen wird, ist er in gewisser Weise "kulturrevolutionäres" Klischee. Aber verhindert die Offenheit seiner Erzählung und die Ambivalenz seiner Hauptfigur, dass sich dieses Thema zu sehr in den Vordergrund drängt.
maX
#26
Geschrieben 02. August 2003, 15:58
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass das eines der lebendigsten Genres des Horrorfilms das der Untoten ist. Und das wird sich ja auf dem kommenden FFF wieder einmal bestätigen.
Anderson macht seine Sache gut. Trotzdem er etliche Hommagen und Anleihen in seinen Film bringt (die mancherorts gern als "geklaut" bezeichnet werden), ist der Film eigenständig in Erzählung und Äshtetik. Die erzählerische Grundlage des Computerspiels ist jederzeit präsent aber zu keiner Zeit aufdringlich. Spezialeffekte (nicht Makeup-Effekte), werden nicht im Übermaß eingesetzt und die Kreaturen reihen sich ein in die Tradition schlurfender Blaugrau-Gesichter, die seit Romeros Dawn of the Dead so beliebt sind.
Resident Evil hat eine Menge guter Einfälle, wenn es um Plot-Twists und das Verheizen der Hauptfiguren geht. Das Ambiente ist genretypisch endzeit-gruselig und die Schocks sind, obwohl sie immer akustisch untermauert sind, handfest (bei jedem Gucken wieder).
Interessant ist, wie sich der Film in die Chronologie des Untotenfilms einschreibt und von dieser wieder aufgenommen wird. Da bietet der Schluss einige nette Links: "The Dead walk" auf der Zeitung als überoffensichtliche Anspielung auf Romeros Day of the Dead ... und die völlig allein im Krankenhaus aufwachende Protagonistin hat Danny Boyle später in 28 Days later sicherlich auch nicht uninteressant gefunden.
maX
#27
Geschrieben 02. August 2003, 23:38
Drei Jahre, nachdem in The Day After der nukleare Holocaust als erschreckendes Endzeitspektakel im TV inszeniert wurde, erscheint 1986 Briefe eines Toten - ein sowjetischer Film, unterstützt vom sowjetischen Kommitee gegen den Atomkrieg aus der Feder von Konstantin Lopushansky, Vyacheslav Rybakov und Boris Strugatsky (letzterer zusammen mit seinem Bruder Arkadi populärer Science Fiction-Autor, unter anderem des Romans Picknick am Wegesrand, der als Stalker in die Kinos kam). Wo The Day After versucht, das Undenkbare und - damals - doch so denkbar Nahe in Bilder diverser Einzelschicksale zu fassen, sind es bei Briefe eines Toten die Introspektionen eines Professors, der in der nuklearen Wüste einer zerstörten Großstadt lebt.
Der Proessor (einen Namen bekommt er im Film nicht) lebt mit einer Hand voll Überlebender im Bunker eines Museums. Man hat sich zwischen Müll und Tod eingerichtet, verlässt das Gebäude nur, um Lebensmittel und Medikamente zu organisieren - dann aber stets mit Gasmaske und Schutzanzug. Über die Stadt sind zahlreiche solcher "Schutzräume" verteilt, die jedoch nach und nach von der Regierung aufgelöst werden und deren gesunde Bewohner in einen Zentralbunker verbracht werden. Der Professor indes verfolgt eine Hypothese: Kann es sein, dass die atomare Katastrophe gar nicht den ganzen Planeten erfasst hat? Hat die Menschheit eine Zukunft? Dies fragt er sich und in Briefen seinen verschollenen Sohn, während um ihn herum alles stirbt; erstes Opfer ist seine strahlenkranke Frau.
In einem nahe gelegenen Schutzraum umsorgt ein Geistlicher eine Schar stummer Kinder, die allesamt - auf Grund der Tatsache, dass sie Waisen sind und weil sie nicht sprechen (können?) - nicht in den Zentralbunker gelassen werden. Als der Pater stirbt, nimmt sich der Professor der Kinder an, weil auch seine Bunkermitbewohner nach und nach entweder freiwillig aus dem Leben geschieden sind oder in den Zentralbunker gehen. Er versucht in ihnen die Erinnerung an humanistische Werte und Gemeinschaftssinn wachzuhalten.
Briefe eines Toten ist erzählerisch wie technisch ein bedrückendes Dokument der Angst vor dem Holocaust. Aber - und da zeigt sich die Handschrift Strugatskys - eben nicht ausschließlich. Den Professor und seine Leidensgenossen beschäftigen fortwährend die Fragen nach der Menschlichkeit, nach den Bedingungen des Humanen und der Absurdität des Krieges. Ein Bewohner des Museumsbunkers etwa diktiert seiner Sekretärin ein pathetisches Pamphlet über die Fatalität des Zivilisationsprozesses in die Maschine, geprägt von tiefem Ekel vor dem Fortschritt und dem Bewusstsein des endgültigen Endes der Menschheit - quasi als Testament für nachfolgende Zivilisationen. Ein Geistlicher - oder zumindest einer der Mitbewohner, der diese Funktion in der Gruppe eingenommen hat, spricht in einem Abschiedsgebet kurz vor seinem Suizid der Menschheit seine tiefe Liebe aus, die gerade am Ende aller Tage am größten geworden sei. Und der Professor schließlich - offenbar ein Mathematiker - übermittelt seinem verlorenen Sohn die Geschichte seiner Ängste, Träume und Forschungen, die alle zusammen stets das eine ausdrücken: seine Ambivalenz zwischen Hoffnung und Selbstaufgabe, die sein ganze Leben kennzeichnen - nicht nur im Angesicht des sicheren Endes.
Der Film spart sich jedes Pathos. Seine Bilder sind größtenteils in Sepia getönt und vermitteln ein monotones Bild der Verwüstung. Die Kulissen bestehen aus zerstörten Häusern, Fahrzeugen, Alltagsgegenständen. Schnee und Schneematsch, tiefe, tümpelartige Pfützen und Leichen bestimmen die Welt außerhalb des Bunkers. Die mise-en-scene erinnert mehr als einmal an die Bilderschrift Tarkovskys, der ebenfalls in Bildern größter Zerstörung - man erinnere sich an die Zone in Stalker - größte Harmonie im Stande war entstehen zu lassen. Konstantin Lopushansky stellt sich in genau diese visuelle Tradition: Briefe eines Toten ist gleichermaßen ein Film des Untergangs, wie auch der konstruktiven Energie, die aus diesem Untergang zu erwachsen scheint. Fast möchte man von "sowjetischer Metaphysik" sprechen, die einem da aus den Bildern entgegenströmt, wenn nicht - wie ebenfalls bei Tarkowskij - die Erzählung selbst immer wieder einen Kontrapunkt zum Gezeigten bilden würde.
Briefe eines Toten ist ein eindringliches Mahnbild für die Vernunft, sowohl im Protest gegen den irrationalen Atomkrieg, als auch in der resoluten Betonung der Humanität des Menschen, die nicht zuletzt einen finalen Anker der Hoffnung darsellt. Daher schließt der Film denn auch mit einem Zitat aus dem berüchtigten 1955er "Russel-Einstein-Manifest" gegen den Atomkrieg: "There lies before us, if we choose, continual progress in happiness, knowledge, and wisdom. Shall we, instead, choose death, because we cannot forget our quarrels?"
maX
#28
Geschrieben 05. August 2003, 06:58
Streckenweise witzige, aber schnöde Fortsetzung im wahrsten Sinne des Wortes: Die Geschichte wird weiter erzählt mit den selben Protagonisten, den selben Konstellationen ... nichts neues also und deshalb im Ganzen langweilig.
maX
#29
Geschrieben 11. August 2003, 09:47
Stiller und beklemmender Film über langsam verfaulende und von Menschenfleisch abhängige Frauen-WG. Trotz der expliziten Gore-Sezenen entsteht zu keiner Zeit der Eindruck, man habe es mit Effekt- oder gar Genre-Kino zutun. Anstelle dessen drängt sich der Verdacht einer Parrabel über AIDS auf.
Meine Kritik
maX
#30
Geschrieben 11. August 2003, 09:55
IMHO der Höhepunkte des Festivals. Den Zuschauer in die moralitschen Untiefen der Erzählung mit hineinziehende "Big Brother"-Karrikatur mit extrem gruseliger Optik und Akustik.
My little Kritik
maX
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