Ein bisschen aus der Reihe tanzt “Mark 13″ ja schon innerhalb meines Beobachtungszusammenhangs “Wie Computer den menschlichen Wohnraum ein- und übernehmen”, denn zum einen ist es (scheinbar) ein Roboter, der sich des Wohnraums der Künstlerin Jill bemächtigt, zum anderen ist “Mark 13″ ein post-apokylptischer Film, was ihn von den zuvor gesehenen deutlich in seinem Subgenre deutlich unterscheidet. Doch gerade letzteres verstärkt natürlich das Parabelhafte der Story, denn die Zukunft, die Richard Stanley in seinem Film zeichnet, ist ganz besonders durch ihre räumlichen Dichotomien “Innen/Außen” bestimmt. Dies gibt dem beobachteten Diskurs eine ganz neue Qualität, denn “draußen”, das ist in “Mark 13″ gleichbedeutend mit Krankheit, Verseuchung, Gewalt, Krieg, Perversität. “Drinnen” steht für Privatheit, Sicherheit, (relative) Reinheit, Frieden. In “Mark 13″ wird das Konzept der Privatheit, mithin das der Wohnung überhaupt, sozusagen auf seinen deutlichsten Nenner gebracht: Während draußen vormoderne, barbarische Zustände herrschen, ist drinnen das bürgerliche Leben noch halbwegs in Ordnung. Und überwacht wird diese Ordnung von … einem “Heim-Computer”:
Der Heim-Computer von Jill weckt sie, kocht für sie Tee, führt sie durch die Fernsehprogramme, spricht mit ihr (wenn auch nur um ihr mitzuteilen, dass der Tee fertig ist - aber in der Isolation ihrer Wohnung muss Jill diese Stimme wichtig sein) und er verwaltet den Einlass: Ein pneumatisch gesteuertes Tor, mit scharfen Zacken an den Rändern, hält die Obdachlosen, die im Hausflur des Apartment-Gebäudes vegetieren, draußen. Fast wie ein Zahn-bewehrtes Maul (oder eine Vagina Dentata) sieht diese Tür aus - und sie wird diese Funktion auch noch bekommen. Denn die Privatheit muss gelegentlich aufgehoben werden, damit jemand rein oder raus gehen kann. In diesem Fall ist es Jills Freund Mo(ses), der nach einem seiner zahlreichen Trips in die postapoklyptische Wüste nach Hause zurückkehrt und Jill etwas mitbringt. Es sind die Überreste eines Kampfroboters mit dem Namen “”BAAL - Biomechanical Autoindependend Artificial-intelligent Lifeform”). Und dieser Roboter beginnt unbemerkt von seinen beiden menschlichen Mitbewohnern die Macht in Jills Apartment an sich zu reißen.
Dass Mo, ein Mann, ja, durch eine Handprothese selbst schon eine Mensch-Maschine, diese Gefahr mit in die Privatsphäre Jills, der Frau, bringt, offenbart eine interessante Struktur. Das Männliche ist hier mit dem Außen konnotiert, das Weibliche mit dem Innen. Eine Verbindung, die kulturgeschichtlich nicht ohne Grundlage ist: Die Frau gilt immer schon als “Hüterin des Hauses” [1] - wegen ihrer großen Ähnlichkeit zu diesem: “Der weibliche Körper wurde als unadäquates Haus gesehen, weil seine Öffnungen nicht geschlossen seien; somit bedarf die Frau, um ihre Seele zu schützen, immer eines zweiten Hauses - und die Architektur des zweiten Hauses wird zur männlichen Kontroll- und Ordnungstätigkeit.” [2] Ein Angriff auf ihren Wirkungsbereich ist somit immer auch ein Angriff auf ihren Körper. Ein Eindringen in ihre Wohnung kommt einer Vergewaltigung gleich. Wie die anderen Computer in den zuvor betrachteten Filmen, ist auch der Roboter “BAAL” mit sexuellen Attributen und Interessen ausgestattet. In einer Sequenz fährt er einen penisartigen Bohrer aus, um die am Boden liegende Jill damit von unten zu durchbohren.
Damit hat er sich natürlich einen Feind geschaffen, denn er tritt als sexueller Konkurrent von Mo auf. Das “Prinzip Männlichkeit”, das Mo mit in Jills Wohnung gebracht hat, muss im Rahmen gehalten werden. Und der Roboter “denkt” genauso: Ein spannender Nachbar, der zuvor nur seine Blicke in Jills Apartment geschleust hat, nutzt die Gelegenheit, als Mo nicht da ist, und stattet Jill einen Besuch ab. Unter dem Vorwand ihre (von “BAAL” kontrollierte) Tür zu reparieren (d. h. sie zu öffnen - ich spare mir die Zote, an die jetzt sowieso jeder denken dürfte), startet er anzügliche Annäherungsversuche. Das Ende davon ist, dass der Roboter ihn tötet, wieder mit Jill allein in der Wohnung ist und nun niemanden mehr hinein lässt.
Mo, einem Freund und dem Sicherheitsdienst gelingt es zwar, bis zur Tür vorzudringen, diese öffnet und schließt sich jedoch nur nach dem Willen des mittlerweile vollständig vom Roboter kontrollierten Heim-Computers. Nachdem es Mo unter erheblichen Verlusten (ein Sicherheitsdienst-Mitarbeiter wird von der Tür in Hüfthöhe in zwei Hälften “gebissen”) gelingt in die Wohnung zu kommen und er sich dem Roboter stellt, kommt es zu einem Zweikampf, der überraschender- aber auch konsequenterweise vom Roboter gewonnen wird.
Denn es geht schon längst nicht mehr darum, den Eindringling physisch zu entfernen, sondern den Raum, den er okkupiert hat, zurückzuerobern. Und das ist mit martialisch-männlicher Kriegstechnik kaum zu bewerkstelligen, sondern durch eine “Re-Effeminierung” des Apartments. Jill hackt sich also in ihren Heim-Computer ein, verschafft sich einen Überblick über ihr Terrain und arbeitet eine Strategie gegen den Roboter aus, die in ihren Konnotationskomplex passt: Was hier von außen eingedrungen ist, ist nicht nur schmutzig (Mo und sein Freund Shades werden von Jill zuerst einer Geigerzähler-Untersuchung unterzogen, bevor sie rein dürfen), sondern sogar der Schmutz (als Quintessenz für all das, was für das Draußen steht) selbst. Was wäre also konsequenter als den Eindringling zu “waschen”? “BAAL” stirbt durch einen Trick: Jill lockt ihn ins Badezimmer unter die Dusche, lässt ihn gefährlich nahe an sich heran kommen (so nahe wie ihr Mo einige Sequenzen zuvor unter der Dusche gekommen ist) und dreht das Wasser an: Kurzschluss, Roboter kaputt.
- Beate Rössler: Der Wert des Privaten. Frankfurt: Suhrkamp 2001, S. 285.
- Irene Nierhaus, ARCH6: Raum, Geschlecht, Architektur. Wien: Sonderzahl, 1999, S. 23.
Eine Lektüre im Rahmen des postapokalyptischen Themas habe ich hier vorgenommen.