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24 Frames/Sec - Spektralanalyse & Halogenflackern - Filmforen.de - Seite 16

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24 Frames/Sec - Spektralanalyse & Halogenflackern


818 Antworten in diesem Thema

#451 moodswing

    Albert Emanuel Voglers Adjutant

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Geschrieben 28. November 2006, 22:22

49. Dokfilmfestival Leipzig


Donnerstag nach der Arbeit ging es bei mir los Richtung Leipzig - eine Stadt voller Klötze wie ich lernen durfte - dies nicht einmal unbedingt sonderlich negativ gemeint, nur doch ebend der erschlagende Charakter war auffallend. Leipzsch als kultureller Treffpunkt des Films - das gibt es dann ein Mal pro Jahr, im November, zum Dokfilmfest - einem der größten Festivals über Dokumentarfilm in der Welt, vielleicht (?) das Größte in Europa, sicher aber das Impossanteste in Deutschland.

Donnerstag Abend von der Mitfahrgelegenheit vorm ersten Kino, dem klitzekleinen "Filmeck" hinausgeworfen und 15 Minuten zu spät zur ersten Sichtung erschienen, vom Freund im Regen nicht stehen gelassen, ging es hinein ins Vergnügen. Vielmehr wohl weder hinein, noch ins Vergnügen. Denn gleich der erste Film Collecting Shadows (Russland, 52 Min) erwies sich als Stimmungsdrücker, ging es schließlich um den Tschetschenienkonflikt. Andererseits das außen vor. Denn wir blieben selbiges, der Film schaffte es nicht, uns zu bekommen, und das aus einfachsten Gründen. Collecting Shadows erzählt die Geschichte dreier Menschen um den Verlust ihrer Heimat Grozny. Die parallel erzählten Segmente sind dabei so unübersichtlich und unemotional aneinander montiert, das ich den Film leider hier schon als schlechtesten Beitrag des von mir gesehenen Materials des Festivals titulieren muss.

Im Anschluss dann der tschechische Beitrag Kha-Chee-Pae (Tschechien, 57 Min). Der Film beleuchtet ein Waisenhaus, fokussiert dabei die Kinder und ihren Umgang mit der Kamera. Es geht weniger um die Schicksale - dies auch, aber nur eingestreut als melancholischer Gegenpol zum Rest - als vielmehr um Selbstgedrehtes der Kinder, um ihre Kreativität, um ihre Freiheit in der Kunst. Schöne Idee mit einigen Momenten, aber leider wieder etwas fahrlässig unbedarf umgesetzt.

Freitag morgen ging es früh um 11 in die nächste Doku, diesmal Personenbezogen: Nach dem ethnologischen The Flight (Estland, 28 Min), der so schnell kommt wie er geht, folgt Arvo Pärt. 24 Preludes for a Fugue (Estland, 90 Min). Die Doku zeigt Arvo Pärt, sein tägliches Leben und Schaffen in 24 untergliederten Miniepisoden. Der Mann - ein Phänomen, ein sensibler Künstler mit Herz, ein Verwirrter, ein Vergreisender, Vereinsamender, Ein Liebevoller, Ein Mensch in einer anderen, besseren Welt. Pärt macht die schönste, erbauendste, melancholischste, transzendenteste Musik der Gegenwart - sein Leben, die Bilder und seine Klänge lassen erzittern - die Doku hingegen weiß sich kaum zu behelfen und entwickelt ein lahmes Strukturkonzept, in der sich das Gesehene nicht einzugliedern braucht, weil es für sich steht. Begrifflichkeiten wie Kamera, Montage und Kommentar könnt ihr euch sparen, wenn die Musik und das Abgefilmte so menschlich ist.

Zusammenfassung nach den ersten Sichtungen zeitgenössischer osteuropäischer Produktionen - ein Freund sei hier nur schnell zitiert: "Die Leute wissen nicht, was sie da in der Hand haben. Die haben kein Gespür, keine Sensibilisierung für ihre Kamera. Es ist schrecklich, man kann es sich kaum anschauen."

Nur gut, dass es jetzt in bekannte Gefilde geht - die USA und ihr Ratingsystem: In This Film is not Rated yet (USA, 97 Min) geht Kirby Dick der MPAA, der Motion Picture Association of America auf die Spur. Er untersucht mit Michael Moorescher Guerilla-Taktik die Struktur und das Vorgehen der Organisation und findet dabei Tatsachen, die zwar altbekannt scheinen, aber doch recherchiert und sichtbar ausgeführt nochmals verdeutlichen, was dort eigentlich für ein Zensurvorgehen betrieben wird. Dick stellt Independentproduktionen Mainstreamfilmen gegenüber und macht die alte Feststellung dingfest, dass Gewaltszenen kein Grund zur Aufregung sind - Zärtlichkeit, nacktes Fleisch, weibliche Orgasmen und Homosexualität aber sofortig in den Keller verbannt gehören. Dass die geheim gehaltenen Teilnehmer dabei vor allem brave Familienoberhäupter fortgeschrittenen Alters sowie hohe Tiere bei Filmverleihern und Kinoketten sind, ist sicherlich keine Neuigkeit - neben dem Ärgernis bleibt allenthalber noch das Staunen über die juristischen Möglichkeiten für die Menschenjagd auf die sich Dick begeben hat. Armes, puritanisches Amerika. Erbärmliches Zeugnis eines neurotischen Selbstkontrollzwangs. Am Ende führt Dick seinen fertigen Film der Zensurbehörde vor. Dieser bleibt keine andere Gegenwehr als ihn mit dem beliebten NC-17 Rating auszustatten. Wegen dem Übermaß an explizitem Inhalt. Natürlich.

An dieser Stelle ein nötiger Rüffel: Das vorher beschriebene Werk wurde im bereits erwähnten "Filmeck" mit seinen 50 Plätzchen gezeigt. Es schien, als wurden ungefähr 30 Karten zuviel verkauft, wegen der nichtbeachteten Dauerkartenbesitzer, so hieß es. Es soll bei Leibe nicht das einzige Mal bei diesem Festival dieser Faux-Pas vorgekommen sein. Dank viel Glück und Behaarlichkeit bekamen wir dann noch die letzten Plätze in der ersten Reihe rechts. Nichtsdestotrotz ein unnötiges Ärgernis und für so ein Festival sicherlich eine zu vermeidende Peinlichkeit.

Am Abend ging es dann gestärkt mit indischem Essen ins NaTo. Dort gab es nämlich Hippiefilme. Genauer gesagt zwei Dokus über deutsche und europäische Hippies in Indien. Bei Shanti Plus (Deutschland, 32 Min) kommen Einheimische zu Wort, die mit den notorischen Dauergrinsebäckchen leben müssen. Wo ich oben schon vom handwerklichen Dilettantismus sprach, der einem bei diesem Festival stets begleitet - der Urlaubskamera-Stil, der hier vorgeführt wird, passt in diese Sparte wohl bestens hinein. Bei Hippie Masala (Schweiz, 93 Min) gibt es diesbezüglich keine großen Fortschritte. Die Repetitionsschleife, in die der Zuschauer bei diesem 90 Minüter nach spätestens der Hälfte der Laufzeit geworfen wird, entkommt er wohl nur durch Schlaf oder Alkohol. Was haben wir heute gelernt? Hippies sind Freaks, aha...

Einen würdigen Abschluss fand das Dokfilmfest dann am Samstag mit dem für uns letzten Beitrag. Zunächst der Vorfilm A Day to Remember (China, 13 Min), in dem ein junger Chinese am Jahrestag des niedergeschlagenen Studentenprotestes seine Mitmenschen in Ausflüchte versinken sieht, während die Volkspolizeikorps marschieren und er auf seine Füße zurückgeworfen ist. Dann der emotionale Hammer des Abends: Jonestown - The Life and Death of Peoples Temple (USA, 90 Min) beschreibt den größten Massenselbstmord des ausgegangenen Jahrhunderts. Eine zunächst visionäre Kirchenabspaltung um Jim Jones, die in den 60ern erheblich gegen Rassentrennung vorgeht, begibt sich in religiösen Fanatismus und paranoide Wahnideen. Am Ende entsteht Jonestown, eine Stadt mit vollem Überwachungssystem, 24 Stunden Beschallung vom Band und "glücklichen" Menschen. Nur wenig später ist Jonestown ausgestorben im wahrsten Sinne. Nachdem BBC Reporter ins Dorf kommen führt ein Eklat um Abwanderungswillige und deren Niedermetzelung zur Massenpanik und das kollektive Massenvergiften, das am Ende 900 Tote fordert. Der Film hat natürlich von Beginn an alles auf seiner Seite: Er hat ein mehr als spannendes, bewegendes Thema, er besitzt viele Bild- und Tondokumente und er hat betroffene Zeitzeugen, deren Kinder und Angehörigen in ihren Armen starben. Am Ende kulminiert alles in der Schilderung des Massenselbstmordes, die Interviewten brechen zusammen, der Film endet fast abrupt. Das halbe Kino ist noch konsterniert und geschockt, da geht schon das Licht an. Der Film hatte es mit dieser Konstellation zugegebener Maßen leicht den dritten Platz im Wettbewerb zu ergattern...

Rückblickend war das 49. Dokfilmfest Leipzig eine schöne Erfahrung, wobei das Drumherum für mich persönlich sicherlich viel beitrug zum Gesamteindruck. Sollte ich nochmal dort aufschlagen, gilt es die Perlen frühzeitig zu recherchieren und den Dilettantismus der osteuropäischen und deutschen Produktionen, der mit diesen häufig einherging, möglichst weiträumig zu umschiffen. Bei einer besseren Organisation der Festivalleitung und einer gezielten Filmauswahl ist Leipzig allemal einen Blick wert...

#452 moodswing

    Albert Emanuel Voglers Adjutant

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Geschrieben 30. November 2006, 22:08

The Last King of Scotland
Kevin Macdonald | USA/UK 2006

Der junge schottische Arzt Nicholas (James McAvoy) kommt zu Beginn des Umsturzes 1970 nach Uganda, erwirbt das Vetrauen Idi Amins (Forest Whitaker), wird zunächst sein Hausarzt, später sein engster Vertrauter. Nach zu Beginn ruhm- und luxusreichem Leben verdunkeln sich die Wolken und Nicholas bekommt Zweifel... Nach wahren Ereignissen.

Diese halbe Biografie Idi Amins lebt und atmet durch die Performance Forest Whitakers, der hier nach Ghost Dog die zweite große Rolle seines Lebens spielt und nicht zu Unrecht als heißester Anwärter auf den Oscar für den besten Hauptdarsteller gehandelt wird. Whitaker gibt so eindringlich und omnipräsent die ambivalente Figur des Ugandischen Diktators - ein Gemisch aus Charmebolzen, unberechenbarem Aggressor und naivem Kind - dass er praktisch den ganzen Film füllt und trägt.

Das ist für diesen auch von größter Notwendigkeit, denn die Fehlerhaftigkeit, die den Film über weite Strecken bestimmt, ist ziemlich schwerwiegend:
1.) Der Ton des Films ist zu Beginn recht heiter, ausgelassen, rhythmisch - mit der Kamera entdecken wir Afrika mit den Augen des junge Arztes. Das ist soweit okay, denn ich erwartete einen Switch ins Düstere ab der Mitte des Films, was die Fallhöhe zwischen Start- und Endpunkt gut justiert hätte. Ganz so kommt es dann jedoch nicht. Zwar bemüht sich das Werk um einen Wechsel im Anstrich - die Locations, in denen Amin agiert werden beispielsweise immer finsterer - Anstatt jedoch ein düsteres Drama zu kreieren, springt der Plot um in ein altherkömmlich steifes Hollywoodschemata, das zwischen Psychogramm des Arztes und konventionellem Thriller einen durchaus spannenden, aber dem Thema in keinster Weise gerecht werdenden Abschluss findet. Das ist gar nicht so verwunderlich, wenn man sich anschaut, dass die Drehbuchautoren und Teile des Produzentenstabs bisher vornehmlich an TV-Produktionen gearbeitet haben. Dieser wilde Genreeintopf, der durch die vielen Köche zubereitet wird, tut dem Gesamtwerk gar nicht gut...

2.) Die Geschichte wird aus einer zutiefst weißen Sicht betrachtet. Schon allein die Entscheidung uns mit dem Protagonisten, dem weißen Europäer zu koppeln ist eine falsche ... ***Achtung, ein paar Spoiler*** ...
Das Interessanteste ist wohl, dass der Film seine Strategie am Ende offenbart. Wir entfliehen dem Grauen, dem zurückbleibenden Wahnsinn nämlich gemeinsam mit unserem europäischen Begleiter, mit dem zusammen wir nun befreit sind. Dieser wird in einer der letzten Szenen auch noch in solch beschämender Art als Jesusfigur verkitscht, dass der Film für einen Moment aus der Rolle springt, furchtbar abgeschmackt, banal und scheußlich wirkt. Die letzten Bilder zeigen uns hinterher winkende Kinder. Tschüss Afrika, war eine schöne Zeit bis du deine Zähne gezeigt hast. Das hat schon etwas Zynisches. Wir bleiben unter uns, so sind die meisten "Guten" in dieser Geschichte weiß. Mit den Bildern und der Musik staunen wir über das Exotische, das so schön, aber - auch glücklicher Weise - doch sehr fern ist...

3.) Dies führt auch direkt zum dritten Punkt. Die Darstellung Ugandas und vor allem dieses Völkermordes ist ziemlich krumm und schief. Wie schon bei Punkt 1.) angedeutet, ist der Grundton des Films häufig sehr positiv - fröhliche Menschen in satten Farben. Erst ab der Hälfte spürt man überhaupt so etwas wie Misstrauen gegenüber dem seeligen Treiben. Wir erahnen nur, dass hier Ungerechtigkeiten passieren, selten wird es mal wirklich grafisch. Wenn es allerdings hart wird, dann richtig - das passt zum Rest des Films so gar nicht und wirft die Frage auf, weshalb man in zwei, drei Momenten des Films so auf Schock setzt. Trotz der vereinzelten Bösartigkeiten sehen wir vom Gemetzel so wenig wie der Protagonist. Das wirkt doch arg geschönt und wenn dann im Abspann zu lesen ist, dass in der Diktatur 300000 Menschen ums Leben gekommen sind, dann würden wir Zuschauer nach den gesehenen Bildern die Zahl wohl eher auf 300 schätzen. Das spricht für sich. Die Fokussierung auf Amin, auf Whitaker ist dabei mitentscheidend. Mehr Explizites wäre für den Realitätsgehalt und auch schon notwendig gewesen - und den Opfern auch angemessener. Die Hollywood-Ästhetik lässt es wohl letzten Endes nicht zu.

Um den Text jetzt nicht ganz böse enden zu lassen, möchte ich noch zwei Sachen loben: Zum Einen ist die Inszenierung schon auf hohem Hollywood-Level - sprich die Szenen sind durchdacht, die filmischen Mittel klug gewählt, die darstellerischen Leistungen durchweg auf gutem Niveau. Zum Anderen gefiel mir der Subtext, den der Film geschickt platziert - so geht es in The Last King of Scotland auch um Väter und Söhne, genauer um familiäre Machtbeziehungen. Letztlich präsentiert sich Amin als Übervater nicht nur seines Landes, sondern auch des jungen Schotten - und wird von diesem als das eigentliche Kind demaskiert. Eine schöne, wichtige Teilepisode des Erzählten.

The Last King of Scotland ist schlussendlich ein äußerst interessanter Film, der sich zwar mit seinen Taktiken in Fragwürdigkeiten verheddert, aber von Forest Whitaker und der starken Inszenierung über Durchschnitt gehalten werden kann. Ohne Skepsis lässt sich der Film jedoch nicht rezipieren...

PV / Abaton / OF --- Wertung: 4,5



#453 moodswing

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Geschrieben 03. Dezember 2006, 23:15

The Fountain
Darren Aronofsky | USA 2006


Dieser Antwort im Kommentarthread, die zugleich alle maßgeblichen Beobachtungen meiner zweiten Sichtung des Films beinhaltet, ist zunächst nichts beizufügen.

Hier zum Vergleich der erste Eintrag zum Film.

Alles Weitere dann wohl, wenn The Fountain regulär in den Kinos startet...

PV: Cmxx / OF --- Wertung: 8,5



#454 moodswing

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Geschrieben 04. Dezember 2006, 22:50

Princesas
Fernando León de Aranoa | Spanien 2005

Die Frage nach der Hure und der Prinzessin ist eine altbekannte, die Antwort natürlich auch: Sie, die Anbetungswürdige, ist beides.

Princesas ist auch bei der zweiten Sichtung noch der emotionale Dampfhammer, der mich gefangen nimmt. Wobei ich es gut verstehen kann, wenn jemand den Film doch nicht leiden mag, denn gegen Ende geht es doch zusehends über mit den Gefühlswellen. Da nimmt sich der Film eine Menge heraus, konstruiert und mag es reichlich plakativ. Aber egal, ein guter Film muss sich auch etwas trauen.

Die Gesten, die Wörter, die Augen - auch sie nahmen wieder besitzt von mir. Candela Peña und Micaela Nevárez konturieren ihre Figuren zwischen kindlicher Naivität und selbstbewusster Weiblichkeit so punktiert, dass Mann eben nichts anderes kann als sie zu lieben. Als Prinzessinnen und als Huren...

PV: Abaton / OmeU --- Wertung: 9,0



#455 moodswing

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Geschrieben 05. Dezember 2006, 20:00

Asexuelle Kunstfilme, Hitchcock auf dem Gabelstapler und Cutter in mysteriösen Weichzeichnereien
angerissene Zelluloidfetzen
Oktober/November 2006


Picnic at Hanging Rock (Peter Weir, Australien 1975)
| Irgendwo zwischen Dead Poets Society und The Virgin Suicides bewegt sich die impressionistische Nouvelle Vague Weichzeichnerei, bei der das Konzept der Freiheit schon im Formalen steckt --- Aufbegehren und Ausbruch aus gesellschaftliche Zwängen, wenn nicht in der Realität möglich, dann in einer mysteriösen Fantasywelt, 1900, abgeschottet, keine Worte, nur noch Bilder, die schweben wie die Panflöte im asexuellen Softporno... DVD/OF

Der Siebente Kontinent (Michael Haneke, Österreich 1989)
| Hanekes Erstling ist typisch konsequent --- Die bitterböse Entfremdung von und Technisierung des Alltags folgt der maschinenhafte Ablauf des kollektiven Selbstmords, in den die medialisierte Gesellschaft läuft --- natürlich ein grimmiger Kunstfilm wie man ihn von Haneke gewohnt ist, wieder mal nicht mehr als den Hauch der Idee, trotzdem erstaunlicherweise nicht ganz unansehnlich... DVD/OF

Les Diaboliques (Henri-Georges Clouzot, Frankreich 1955)
| Hitchcock auf Französisch --- voll auf Suspense angelegter Psychothriller, der übel gealtert zu sein scheint --- Der Film lahmt sich selbst zu Beginn schon aufgrund der unerträglich unsympathischen Hauptfiguren und etlichen Unwahrscheinlichkeiten, auf die das Spiel mit Suspense zurückfällt --- Die Pointe hatte ich nach kürzester Zeit spitz und als da wirklich nicht mehr kam, war meine Enttäuschung doch gross... DVD/OmdU

Schnitte in Raum und Zeit (Gabriele Voss, Deutschland 2006)
| ziemlich erbärmlich, was den guten Leuten da zu ihrer Profession einfällt - Ob nun Peter Przygodda (Cutter von Wim Wenders und "Tattoo", haha), Beate Mainka-Jellinghaus (Werner Herzog), Elfi Kreiter (Georg Stefan Troller) oder Bettina Böhler (Vieles aus der "Neuen Berliner Schule") - allesamt haben nicht viel zu bieten außer die Erklärung ihrer Arbeit zum prätentiösen Kunstgewerbe, selbstdarstellerischer Wichtigtuerei und Binsenweisheiten --- Deutscher Film = Tod - Die Annahme wird hier nur gestärkt... TV

Staplerfahrer Klaus - Der erste Arbeitstag (Stefan Prehn/Jörg Wagner, Deutschland 2000)
| Wahnsinn Alltag - vom Leben mit den Dingen - schön... VHS

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Geschrieben 06. Dezember 2006, 19:40

Asphalt
Joe May | Deutschland 1929

Der brave Straßenpolizist Holk (Gustav Fröhlich) erwischt eine Diebin (Betty Amann) beim Raub von Schmuck. Er möchte sie zur Polizeiwache bringen, doch die junge Dame hat andere Pläne mit dem feschen Burschen...

Asphalt als einer der Höhepunkte des Films der Weimarer Zeit begeisterte mich nachhaltig. Nicht nur filmisch vermag der Schlingel zu punkten, sondern vor allem auf der Ebene der Geschlechterpositionierung leistet das Werk erhebliche Vorarbeit für spätere filmische Großtaten - ich musste während der Sichtung jedenfalls mehrmals an den Film Noir, aber auch Ingmar Bergman und Russ Meyer denken, wobei Letzterer sicherlich noch um einige Längen stilisierter arbeitete.

Asphalt ist ungewöhnlich Bildlastig, benötigt nur wenige Texteinblendungen und kann seine Geschichte dank Mimik und Gestik prächtig emotionalisierend erzählen. Schwierig bleibt allein seine Langatmigkeit - wir wissen häufig bereits, was gemeint ist, lange bevor die Szene das eigentliche Ende erreicht. Nichtsdestotrotz - Musik und Bild geben beste Einblicke in das leidenschaftliche Treiben von Mann und Frau. Belichtung, Kostümierung und Kamera - alles arbeitet für das zentrale Thema.

Und das ist wirklich famos in Szene gesetzt. Der moralische, rationalistische, brave Jüngling wird verführt und muss sich trotz heftigstem Erwehren den Waffen des umtriebigen Weibe geschlagen geben. Zwinkern, Weinen, Traurig gucken - Betty Amann spielt die naive und dennoch der Reize ihrer Weiblichkeit bewusste Figur der Diebin wie es später Bibi Andersson und Co bei Bergman nicht besser machen konnten.

Wie psychoanalytisch das Ganze geprägt ist (on nun bewusst oder unbewusst - das sei Dahingestellt) lässt sich immer wieder erahnen - ausbrechende Triebe, die per Über-Instanz nicht mehr kontrollierbar sind hier, der einschreitende Über-Vater da ("Recht muss Recht bleiben!").

Am Ende begibt sich unser braver Protagonist selbst in moralische Abgründe. Die moderne Frau als des Mannes Grab. In diesem Sinne ein hochgradig reaktionäres Filmchen, denn schlussendlich wird die Frau gar bestraft - Sie muss in den Knast, die Liebe ist damit beendet - der Film findet auf eine Weise ein Happy End (unser Protagonist wird frei gesprochen und ist befreit von diesem Erzengel), aber auch ein böses Erwachen (Die Liebesbeziehung ist vorbei - und was um Himmels Willen kann so eine Frau eigentlich aus einem Mann machen?). Zudem ist Holk damit ja eben auch nicht frei von Schuld. Interessant dabei: Der Film galt damals als progressiv, er sollte angeblich das Bild der "Neuen Frau" in der Weimarer Republik stützen, die Nazis ließen ihn verbieten.

Letztlich verrät Asphalt jedoch nur etwas über Geschlechtereigenschaften, wie es sie 1928 gab und auch 2006 noch gibt. Die "Neue Frau" hat die Weimarer Zeit zwar nicht überlebt, ist dafür heute jedoch wiedergeboren. Somit ist der Film aktueller als je zuvor. Laura Mulvey hat diesen Film bestimmt gehasst.

MZ Kino / OF --- Wertung: 8,5



#457 moodswing

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Geschrieben 08. Dezember 2006, 16:12

Jud Süß
Veit Harlan | Deutschland 1940

Der jüdische Geschäftsmann Joseph Suess Oppenheimer (Ferdinand Marian) verschafft sich im Würtemberg der 1730er mächtigen Einfluss, als er den korrupten Herzog (Heinrich George) finanziell unterstützt, sein wichtigster Berater wird und die Landstände diskriminiert und ausnimmt. Während dessen verschafft er den gebannten Juden zutritt nach Stuttgart, als er den Herzog überredet die Verfassung umzuschreiben. Zusätzlich zeigt Oppenheimer auch Interesse an der Arisch-Christlichen Dorothea (Kristina Söderbaum), die aber schon dem aufbegehrerischen Jungspund Faber (Malte Jäger) versprochen ist. Süß macht sich daraus aber nichts und entwickelt einen perfiden Plan...

...zurück bleibt ein stockender Atem und viele Gedankenfetzen, die durch den Kopf fliegen. Jud Süß ist die ideologisch-perverse Ausgeburt der nationalsozialistischen Kulturindustrie, für die man den Film wohl ungesehen hält. Der penetrant stinkende Antisemitismus, in den die Vorlage kräftigst getunkt wurde, schnürt dem Betrachter fast die Kehle zu angesichts der Konsequenzen, die dieser Film hatte (Jud Süß wurde diversen SS-, SA- und KZ-Kommandos gezeigt, häufig vor "Übergriffen").

Am Herausstechensten schien mir die beißende Misanthopie, der wahnhafte Zynismus und die grauenvolle Dunkelheit aus Hass und Aggression, die in jeder Einstellung des Films ihr widerliches Antlitz zeigen. Zusammen mit der Produktions- und Rezeptionsgeschichte wirkt Jud Süß damit grauenhafter und gruseliger als alles bisher Gesehene. Ein latentes Unwohlsein wie man es aus KZ-Dokus kennt stellt sich zwangsläufig ein.

Kleinigkeiten, die mir auffielen: Der Jude wird mit all seinen Klischees in den Mittelpunkt gerückt. Er wird zur (negativ konnotierten) Führerfigur und überhaupt diese Idee des klugen Alleinherrschers, zu dem Süß neben all den negativen Eigenschaften stilisiert wird, lässt solch ein Propagandawerk praktisch vollkommen paradox, im Prinzip schon ironisch erscheinen. Süß benutzt an einigen Stellen sogar faschistische Redensarten ("ausrotten"), was die Sache nur noch abstruser werden lässt - diese Form von projektiver Identifikation ist entblößend, enttarnend, bezeichnend.

Wirklich schockierend kann der Film allerdings erst dadurch werden, dass er inszenatorisch überlegt, geschickt mit den Emotionen spielend und qualitativ hochwertig umgesetzt wurde. "Harlan war schon ein Meister seines Faches". "Mal ehrlich, der Marian hätte doch eigentlich einen Oscar verdient". Ekelhaft so etwas hören zu müssen. Und es kommt einem zwangsläufig an die Ohren, denn es ist schon erstaunlich, wieviele junge Personen auch heute noch den Film für unbedenklich, gut und ja, fast wertvoll halten. Getreu dem abwegigen Motto Der ewige Jude sei doch viel schlimmer. Die Argumente reichen dabei bezeichnenderweise von "Die Propaganda ist doch viel zu offensichtlich!" bis hin zu "Es gibt keine Führerfigur als Gegenpart bzw. keine positiven Gegenspieler - ergo: Der Film kann als Propaganda doch gar nicht funktionieren." Das ist wohl so etwas wie die hässliche Fratze der persönlichen Geschichtsverklitterung unter der Maske einer aufgeklärten Zeitepoche...

Spätestens hier wird klar, das über den Film geredet werden muss. Viel mehr als es bisher geschieht. Und zwar in einer sinnvollen Diskussion, die nicht - wie es derzeit an deutschen Universitäten geschieht - von einer distanzierten "wir wissen ja Bescheid und können nun in Ruhe über den Film reden" Perspektive (typisch universitäres Ringelpietz mit Anfassen), sondern die mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und im Bewusstsein des Geschehenen geführt wird.

Das Ende - die für die damalige Zeit sicherlich harte Andeutung der tödlichen Schändung, die Folter, die aufgestaute Wut, Zahn um Zahn, die Befreiung und die damit verbundene Handlungsanweisung ans Deutsche Volk - lässt einem schlichtweg kotzübel werden - und wer da noch nicht kapiert hat, warum der Film lieber mal nicht frei im Nachtprogramm gesendet werden sollte, dem lege ich ein paar KZ-Dokus in Verbindung mit einer willkürlich durchgeführten Umfrage über Antisemitismus u.ä. Themen auf deutschen Straßen ans Herz. Vielleicht würde derjenige etwas erkennen. Wahrscheinlich nicht.

natürlich im strikt wissenschaftlichen Rahmen! / zerfledderte Originalfassung



#458 moodswing

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Geschrieben 10. Dezember 2006, 17:40

Die 120 Tage von Bottrop
Christoph Schlingensief | Deutschland 1997

Die Überlebenden der alten Fassbinder-Zunft haben sich zusammengetan, um auf dem Potsdamer Platz unter Sönke Buckmanns Regie ein Remake von Pasolinis "120 Tage von Sodom" zu drehen.

Und da erzähle noch Einer, der "Neue Deutsche Film" sei tot. Schlingensief buchstabiert es aus: Wir hatten es hier mit einer Fehlgeburt zu tun! Eigentlich sogar Todgeburt, aber pssst... was heißt hier überhaupt neuer deutscher Film? Wer braucht den schon, wenn man Leni Riefenstahl durchs Bild fahren lassen kann (mit Oskar Roehler im Gepäck - eine retrospektive Farce).

Schlingensief entzaubert/kastriert/hyperstilisiert Fassbinder und Konsorten, legt die Exzentrik bloss und bebildert gleichzeitig ein deutsches Chaos, das am vielbesagten Endpunkt schon lange vor Oberhausen angekommen ist. Er verpulvert/pulverisiert solche Bakkaluten wie Udo Kier und Helmut Berger - letzte Überlebende im Gülle verseuchten Brachland des arischen Zelluloids.

So kann man das lesen, so lese ich es - Andere mögen eine Hommage an "Fassbinder, die Exzentrik und den Wahnsinn einer längst vergangenen Zeit" darin sehen. Sicherlich steckt eine Menge Hassliebe in Schlingensiefs Werk - er führt den Film ein ganzes Stück weiter und überschreitet eben die Grenzlinien. Rastlos, verarmt - voller Depression, Theatralik, Brutalität, Exaltiertheit - aber ebend ätzend satirisch. Wo Fassbinders Kunstkino unguckbar war, ist Schlingensief in seiner Überaggressivität unaushaltbar interessant.

Dass Schlingensiefs Massenorgie mehr als nur die 60er bis 80er umfasst, zeigen eigentlich schon die Bezüge zum Hier und Jetzt des deutschen Films - Stand: 1997 - wenn auch lückig, so doch bruchstückenhaft genug, um ein kleines Abbild mentaler Befindlichkeiten der deutschen Künstlerseele zu erhaschen. Die 120 Tage greifen dabei so weit in die 90er hinein, dass aktuelle Entwicklungen - Der deutsche Filmpreis - archiviert eingeführt werden. Absoluter Gegenpol zum Gezeigten und der offensichtlichere Gegner von Schlingensief und Co.

Wo Seeßlen von "pupertärer Wüstheit" ohne "schönende Amnesie" spricht wird klar, dass Schlingensief mit seiner bösen Expansion der Körper, voller Aggression der Bilder Wegweisendes für den deutschen Film tut. "Man will all das, was da aus den Grüften und unterirdischen Gängen hochkocht, nicht wirklich wissen. Denn Schlingensief zieht uns mit seinen Bildern nicht aus der Scheiße. Er reitet uns rein." Ich würde eher sagen, wir sitzen so tief drin, dass ein Ausweg unmöglich scheint. Schlingensief scheint das in seinen Filmen zu ahnen...

DVD / OF --- Wertung: 8,0



#459 moodswing

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Geschrieben 12. Dezember 2006, 21:48

Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler
Dani Levy | Deutschland 2007

Der Jude Adolf Grünbaum (Ulrich Mühe) wird von Goebbels (Sylvester Groth) engagiert, um den Führer (Helge Schneider) kurz vor der Niederlage für eine wegweisende Rede vor dem deutschen Volke aufzupeppeln...

Die spannende Frage: Wozu noch eine Satire über das dritte Reich? Hat Der Untergang noch nicht gereicht?

Die Unterfrage dazu: Ist das nun Klamauk oder heftige Satire?
Klare Antwort: Ein wenig von dem Zweiten, viel zu viel vom Ersten. Mein Führer changiert zwischen Hausmeister Krause und ernsthaften Versuchen den Untergang noch zu untergraben. Zumeist verbleibt der Film dabei in Harmlosigkeiten, die kaum der Rede wert sind und die ganze Ideenlosigkeit der Filmemacher zu dem Thema aufzeigen.

In diesem Sinne ist die Fehlbesetzung Helge Schneiders sicherlich eklatant. Hier hätte Bruno Ganz nochmals ganze Arbeit leisten können, wobei er wohl große Schwierigkeiten gehabt hätte an seine Leistung von 2004 heranzureichen. Aus diesem Schatten kann er nie mehr heraustreten.

Neben dem zu häufig in Schräglage gelandeten Humor, lässt sich beim Führer wohl vor allem die Idee, auch eine ernsthafte Geschichte erzählen zu wollen, kritisieren. Denn Mein Führer ist auch ein Drama. Eines um die Familie Grünbaum zum Einen, immer das KZ im Bewusstsein und darüber wird im Film sowieso gerne gescherzt. Vor allem aber Eines über Adolf Hitler. Sicherlich lässt sich das als dauerhaft präsenter ironischer Unterton lesen, aber nichtsdestotrotz - die Emotionen des Zuschauers werden da schon eindeutig angesprochen. Und der Film ist bei Leibe nicht witzig genug - vor allem über die gesamte Laufzeit gesehen - um mit einer Argumentation a la "Is doch alles nur Spässken" durchzuhuschen.

Das Beste hat sich Levy bis zum Schluss aufgehoben. Im Abspann zeigt die Kamera diverse deutsche Mitmenschen und ihre Meinung über uns Adolf, dem Verführer. Offenbarungseide, keine Frage.

Gegen Schlingensiefs filmische Ausgeburten ist Mein Führer nun natürlich ein Witz - ein äußerst Schlechter sicherlich und einer den man besser nur auf volkstümlichen Germanierfesten bringt. Kein kompletter Schuß in Omas Ofen, aber doch einer, der den schlechten Geschmack deutscher Familientreffen nicht zu untertreffen vermag...

PV: Cmxx --- Wertung: 1,5



#460 moodswing

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Geschrieben 14. Dezember 2006, 18:28

La Planète sauvage
René Laloux, Tschecheslowakei/Frankreich 1973


Auf dem Planeten Ygam leben die Traags, blaue außerirdische Wesen, welche die menschenähnlichen Oms als Haustiere halten. Terr, solch ein domestizierter Om, entkommt eines Tages und trifft auf wilde Stämme der Oms, mit denen er nun den Plan schmiedet die Traags anzugreifen.

Der Animationsfilm aus den 70ern, der mit einer goldenen Palme in Cannes ja immerhin schon einmal etwas aufweisen kann, ist vor Kurzem bei Eureka! erschienen. Geschichtlich verankert ist der Film als Allegorie der Unterdrückung der Tschechoslowakei durch die Sowjetunion - das ist heutzutage sicherlich nur noch ein polit-historisches Merkmal. Darüber hinaus jedoch bietet la planet sauvage vor allem gesellschaftskritische Szenarien auf etwas durchgeknallterer Ebene. Endlich weiß ich, woher der gute Mr.Madlib seine Samples nimmt und warum Lord Quas eben jenes gelbe Männchen ist, als das es uns vom "wilden Planeten" beglückt. In diesem Sinne ist der Film von vorn herein positiv vorbelastet. Und so gestaltete sich die Sichtung auch als unterhaltsames Erlebnis, das in heutiger Zeit zwar keine wegweisenden Erkentnisse bieten kann, dafür jedoch eine sympathische Eigenartigkeit besitzt, die Spass macht. Ein schöner Film...

DVD / OmeU --- Wertung: 7,0



#461 moodswing

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Geschrieben 16. Dezember 2006, 13:23

Naked Island
Kaneto Shindô, Japan 1960

Die Kamera begleitet eine chinesische Familie bei ihrer täglichen, körperlich harten Arbeit und in ihrem Alltagsleben auf einer einsamen Insel.

Der Film ist ein Kind, kein verspieltes, eher ein sehr ruhiges. Eines, dass zwischen konzentrierter Aufzeichnung und stummem Blick sehr naiv, klar und minimalistisch die Welt betrachtet. Eine für uns unbekannte Welt, deren Zeichen uns aber doch bekannt sein können. Denn das Tier Mensch bleibt eine Konstante, seine Gefangenschaft in der Umwelt ebenfalls. Trockene Böden, sterbende Kinder, geschlagene Frauen und den abgewürgten Hauch von Aufbegehren - so simpel wie die Konstruktion Wasser, Erde, Himmel - denn mehr gibt es hier nicht zu sehen.

Da benötigt man schon eine Menge Geduld und viel Muße, um dieses Hineingeworfensein in diese andere Welt zu ertragen. Danach dann einen Regenschirm, Nieselregen und einen Spaziergang mit der Freundin durch die einsame Nacht - ein Gefühl der Zurückgeworfenheit...

DVD / OmeU - Wertung: entfällt



#462 moodswing

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Geschrieben 17. Dezember 2006, 15:37

Sommaren med Monika
Ingmar Bergman, Schweden 1953

Das junge Pärchen Monika (Harriet Andersson) und Harry (Lars Ekborg) haben die Drangsalierungen ihrer Familien und Arbeitgeber satt und flüchten mit dem Boot des Vaters auf eine verlassene Insel...

Bergmans frühes Werk ist eine Erzählung über den gesellschaftlichen Ausbruch eines Liebespaares, eine Adoleszenzgeschichte mit tragisch-realistischem Ausgang. Die Befreiung erfolgt aus der Stadt hinaus ins Meer auf eine Insel, auf der die beiden Protagonisten nur noch sich haben. Die Rückkehr unter den Brücken hindurch zeichnet dann die Einkehr in den sozialen Kerker ab, aus dem die beiden sich nicht mehr heraus bewegen können. Monika wird zur angedeuteten Schlampe, Harry muss sich als treusorgender Vater allein mit seinen Erinnerungen durch das Leben schlagen. Harriet Andersson ist vielleicht der präsentere, heimliche Star des Films - wir werden jedoch an die naive Gutmenschlichkeit des männlichen Vertreters gebunden.

Am Ende steht nur noch der Blick auf die Straße und der Blick in den Spiegel, der unmittelbar verkoppelt wird mit dem Blick zurück in die glücklichen Sommertage...

DVD / OmdU --- Wertung: 5,0



#463 moodswing

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Geschrieben 18. Dezember 2006, 17:08

After the Wedding
Susanne Bier, Dänemark/Schweden 2006

Ein nach Indien ausgewanderter Lehrer Jacob (Mads Mikkelsen) muss in seine Heimat Dänemark zurückkehren, wo ihm der reiche Jørgen (Rolf Lassgård) eine finanzielle Hilfestellung für sein Waisenhaus anbietet. Zunächst muss Jacob jedoch zur Hochzeit seiner Tochter (Stine Fischer Christensen) erscheinen, bei der sich alte, schmerzhafte Familienbande offenbaren...

Susanne Biers drittes Drama, dessen Stilistik nochmals Dogma-Anwandlungen aufweist, wenn auch hier nur noch Beeinflussungen, aber kein striktes Wandeln auf den bereits abgetrampelten Pfaden. Die Stärke der Kombination Bier/Jensen, die man ähnlich bereits bei Open Hearts und Brothers beobachten konnte, sind die Verknüpfung von eigentlich unglaubwürdig stark konstruierten Geschichten und einem knallharten Handkamera-Realismus, der in Kombination mit den aussdrucksstarken, im Dramatischen versinkenden Schauspielern eine beispielslos bedrückende Atmosphäre schafft. Biers Filme sind Kehle-Zuschnürer, und zwar garantierte, da enttäuscht sie auch mit ihrem neuen Werk nicht. Bin gespannt, wie ihr erster Film ohne Jensen/in Amerika ausschauen wird...

Zwei Wermutstropfen sind mir bei After the Wedding dann doch aufgefallen: Der Film beginnt, ähnlich wie Brothers, in der dritten Welt. Nach dem trübseligen Beginn jedoch wird dieses angeschnittene thematische Feld nicht weiter bearbeitet, dient letztlich doch nur zur Untermalung der seelischen Verfassung des Protagonisten. Da wird der Spielraum etwas weiter zu schauen, auch politisch zu werden, nicht genutzt. Statt dessen bietet der Film - das wäre dann wohl aber schon übertrieben interpretiert - maximal eine "im Stich gelassen" Metapher an, aber selbst die ist inkonsequent, denn - und das wäre der zweite Kritikpunkt - After the Wedding ist trotz allem knallharten Pessimismus eine Familiengeschichte, genauer gesagt eine Familienzusammenführung, und zwar eine die gelingt. Da waren Open Hearts und Brothers doch ein wenig stringenter, was die negative Weltsicht anging. Und so recht passen will der Schluss nach der Tirade an Schicksalsschlägen auch nicht.

Aber sei's drum, das Werk verliert - und das zeichnet wohl die Qualität der 3 Bier/Jensen-Dramen aus - nie an Intensität. Selbst die Kritikpunkte werden überrollt von den eindringlichen Wogen, die da seit 1999 aus Dänemark in die Welt schwappen...

PV: Abaton / DF --- Wertung: 8,5



#464 moodswing

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Geschrieben 20. Dezember 2006, 23:11

Wut
Züli Aladag, Deutschland 2006

Der Schüler Felix (Robert Höller) wird von einer Gang um den jungen Türken Can (Oktay Özdemir) abgezogen. Nachdem sein Vater (August Zirner), ein renommierter Professor, dagegen vorgehen will, wird nach und nach auch die Familie des Jungen terrorisiert...

Was hier als harmloser Fernsehfilm daherkommt, sollte eigentlich politischer Zündstoff sein. Ist es auch, war es auch zumindest kurzzeitig, so verschob die ARD den Sendetermin ja auf eine spätere Uhrzeit. Angeblich wegen dem Jugendschutz. Vielleicht auch für mehr Publicity?

Wut ist ein Fernsehfilm auf hohem Niveau. Bis auf ein paar dämliche Dialoge und konstruierte Unwahrscheinlichkeiten gibt es technisch wenig auszusetzen. Im Gegenteil. Die zentralen Kritikpunkte - die so schwerwiegend sind - lassen sich an anderer Stelle finden.

Zum Einen verkuppelt das Werk seine eigentliches Anliegen, "realistische Szenarien auf Deutschlands Straßen" mit einem typischen ARD Primetime-Familiendrama. Dass dabei versucht wird, etwas tiefer in deutsche Befindlichkeiten zu blicken, ist noch positiv anzumerken. Wenn aber die kaputten Strukturen einer unterkühlten Professorenfamilie zur Schau gestellt werden, erinnert das doch sehr an Tatort und Konsorten.

Wesentlich schlimmer als das wiegt jedoch der perfide Grundton des Films: Soviel Ausländerfeindlichkeit gab es im deutschen Erzählfernsehen wohl selten zu sehen. Unter der Prämisse "Wahrheiten" aufzeigen zu wollen wird in übelster Manier mit latentem Hass und vor allem der großen Angst vorm Muselmann, der deutsche Lebensräume parallelgesellschaftlich infiltriert, gespielt. In der Art wie der junge Türke zum gewieften, verschlagenen, in seiner Dummheit doch noch manipulativ klugen Bösewicht stilisiert wird, erinnerte mich Wut äußerst stark an den kürzlich gesehenen Jud Süß. Das klingt jetzt böse, aber so ist es - ein passenderer Filmtitel wäre wohl Can Süß.

Die einzige Rechtfertigung, welche die ARD wohl zu bieten hat, wäre, dass den Film ein Türke gedreht hat. Wenn man aber bedenkt, dass diejenigen die es geschafft haben aus der sozialen Außenseiterposition emporzusteigen, meist herabschauen in Argwohn auf die, welche ihnen so ähnlich sind, was ihnen so unangenehm - dann wird schnell klar, dass gerade - und vielleicht nur - solch jemand wohl den hässlichsten Film drehen kann, den man zu einer solchen Debatte beisteuern kann.

In Zeiten, in denen in einer Gesprächsrunde "die Türken", meist verallgemeinert auch einfach "die Ausländer" Thema sind und als Parasiten, Aggressoren oder Ähnliches bezeichnet/abgenickt werden, jeder irgendwie "so eine Geschichte von einem der abgezogen wurde" kennt und es Konsens ist darüber zumeist zu schweigen, wenn dann aber mit übelsten Parolen zu stolzieren, ist solch ein Film Gift - böses Gift und gefährliches Kulturprodukt, dass über die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten Verbreitung findet...

TV: 3sat / OF --- Wertung: Bäh!



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Geschrieben 28. Dezember 2006, 03:00

Casino Royale
Martin Campbell, USA/UK/Deutschland/Tschechien 2006

Wir sehen James Bond (Daniel Craig) in seinen frühen Tagen. Er jagd - im temporärem Widerspruch 2006 natürlich - Terroristen (u.a. Isaach De Bankolé) und Le Chiffre (Mads Mikkelsen) bei einem Pokerspiel, und au wei, verlieben tut er sich auch noch in die ihm zur Seite gestellte Bürokratin Vesper (Eva Green)...

Der neue James Bond - reborn in Schweiß, Blut und Muskelfleisch. Bond scheint nun entgültig abgeschlossen zu haben mit der Welt - und das am Anfang? James Bond ist knallhart, eiskalt und scheut sich auch nicht, das Wort "Bitch" in melodramatischen Momenten in den Mund zu nehmen (äußerst bedeutsam, aber wir wollen hier ja nicht spoilern...). Aprospos: In den Mund nehmen 1 - Bond trägt latent homoerotische Züge. Er zeigt seinen Prachtkörper im karibischen Meer und lässt sich auch gerne mal die Eier massieren vom Schmalspurhomo Le Chiffre.
In den Mund nehmen 2 - Bond bekommt im Casino Royale nun auch die härteste Intellektuellen-Emanze rum. Diese klopft erst große Sprüche und verdrückt sich wenn es zur Sache geht in die Dusche um zu wimmern. Aber da ist ja zum Glück Bond. Selbst halb blutig geschlagen, hat er aber immer noch eine Schulter frei, an den sich die entgeisterte Braut anlehnen kann. Die braucht eben auch nur mal einen harten Cock, äh Kerl. Und nochmal aprospos: eben diese Weichteile - die bei Bond ja nie weich sind, wie wir ab jetzt wissen - werden in Casino Royale durch Folter attackiert. Abu Ghreib anywhere? Ja, mag sein, dass da irgend so etwas mitschwirrte, 9/11 wird auch mal erwähnt, und ach ja, vergessen wir den Grundplot nicht - James Bond jagd hier ja Terroristen. Schwarze Terroristen. Schwarze Terroristen, die affengleich auf Kräne klettern und sich auch mal an einer Blondine vergreifen (nicht so schlimm, wird nur angedeutet und das Weib ist dowieso grundböse) - latenter Rassismus? Aber nein, die Reaktionen auf diesen Vorwurf bei King Kong haben ja gezeigt, dass wir diesen im Blockbusterkino sicherlich zu Unrecht suchen...

Fassen wir zusammen: Der neue James Bond ist härter, homosexueller, sexistischer und rassitischer als das zuvor Gesehene. Aber lassen wir die Nebensächlichkeiten mal sein und kommen zum Wichtigen: James Bond ist und war ja immer Actionspektakel. Und Casino Royale ist sicherlich solides Spektakelkino, an dem man nicht viel auszusetzen haben muss. Bond mag den Oberflächenstau aus hübschen Frauen, Actionchoreografie und möglichst vielen, schönen Orten dieser Welt. Auch wenn er sich in der Armut aufhält, bewegt er sich stilvoll (z.B. im Schnellzug durch Montenegro). Bei dem regen Luxusleben verlottert jedoch manchmal auch Essentielles: zu erwähnen beispielsweise die schwache Dramaturgie, die natürlich mit dem Spektakulären einhergeht. Das hat Mission Impossible III allerdings um Einiges besser gemacht und verweist den neuen Bond in Sachen Action dann doch auf die Plätze. Über die Logikfehler, die diesem Durcheinander hier anhaften braucht man außer ihrer Erwähnung wohl nicht viel mehr sagen.

Fassen wir nochmal zusammen: Der neue James Bond ist härter, homosexueller, sexistischer und rassitischer als gewohnt. James Bond ist außerdem gutes Actionspektakel mit kränkelnder Narration und löchrigem Plot. Sicherlich, an einen Bond hat man keine großen Erwartungen - Fraglich nur, ob man das trotzdem eine gute Ausbeute nennen kann?

Kino: Capitol / DF --- Wertung: 3,5



#466 moodswing

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Geschrieben 29. Dezember 2006, 20:28

Fast Food Nation
Richard Linklater, UK/USA 2006

In 3 parallel erzählten Geschichten untersucht der Beauftragte einer Fast Food Kette (Greg Kinnear), wie denn bitte Kuhscheiße in die Burger seines Unternehmens geraten ist. In Selbigem sind auch einige frisch über die Grenze geschmuggelte Mexikaner (u.a. Catalina Sandino Moreno und Wilmer Valderrama) engagiert, die rigoros ausgenutzt werden für die Schlachterarbeiten und daran nach und nach zu Grunde gehen. Einem bei der Kette engagierten Teenager (Ashley Johnson) wird derweil klar, dass sie eigentlich gegen diesen Laden ist. Sie beteiligt sich zusammen mit einer Gruppe Jugendlicher (inkl. Göre Avril Lavigne) an Aktionen gegen die Kette...

Was zunächst nach einer Satire in formalem Gewand eines Iñárritu klingt, stellt sich nach kurzer Zeit als ein typisch verlaberter Linklater heraus. Einmal mehr nach A Scanner Darkly verspielt es der Mann und sein Stab einen guten Film zu machen durch das fehlende Gespür für Figurenschärfe und inhaltlicher Tiefe, eine packende Dramaturgie und eine passende Atmosphäre aufzubauen. Das ist von daher so ärgerlich, weil der Film eigentlich viel Potenzial besitzt. Vor allem die Geschichte der mexikanischen Einwanderer ist an sich eindringlich und der Knotenpunkt, an dem der Zuschauer mit der Satire emotional verbandelt wird. Doch dieser Teilstrang wird immer wieder jäh unterbrochen durch uninteressante, für eine kritische Abrechung auch viel zu zahme Erzählbrocken, in denen dann in abgeklärtem Habitus Hollywoodgrößen wie Bruce Willis, Ethan Hawke oder Kris Kristofferson ins Bild gesetzt werden, die dem Thema und Film nichts beizutragen haben außer ihre Namen und Gesichter. Am Schlimmsten wird es dann, wenn eine Avril Lavigne oder ein Lou Taylor Pucci ihre Leinwandzeit bekommen und dabei nicht nur dämlich aussehen, sondern auch die peinliche Überflüssigkeit in Person sind.

Die Geschichte der Mexikaner rettet hingegen vieles, sie ist der Teil aus dem der Film als Gesamtwerk bestehen sollte - mit der richtigen Mixtur aus Tragödie und Satire hätte daraus Erbauliches werden können. Wie lose die meisten Teile des Films zusammen gesetzt sind, spürt man hier am Deutlichsten. Denn wo man sich an anderer Stelle fragt, was denn bloss der Sinn des Teilstranges sein könnte, überkommt einen hier eine Erzählung, die Richtung sozialrealistisches Kino schielt. Die Gelegenheit dies auszubauen wird leider nicht genutzt, zu verhalten und zu harmlos wirkt dann entsprechend das Gesamtprodukt. Das unangenehme Gefühl, das einen hier zeichnet bleibt im Dickicht der lahmen, uninspirierten und vor allem emotional gleichgültigen Erzählstränge hängen. Schade, eigentlich sogar ziemlich ärgerlich...

PV: Abaton / OF --- Wertung: 6,0



#467 moodswing

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Geschrieben 30. Dezember 2006, 16:06

Rocky Balboa
Sylvester Stallone, USA 2006

The Italian Stallion (Sylvester Stallone) kehrt zurück und steigt gegen den jungen Champion Mason (Antonio Tarver) zum letzten Fight in den Ring...

Rockys nunmehr sechstes Adventure, 16 Jahre nach seinem potentiell letzten Ringduell. Stallone - machet noch einmal mit Jefühl.

Rocky Balboa ist ein Abgesang, ein melancholischer, gar nicht mal so melodramatischer. Die Nostalgie tropft nichtsdestotrotz aus allen Poren, und auch der Schmalz bahnt sich seinen Weg in diesen "Männerfilm". Tatsächlich ist der neue Rocky gar nicht so sehr ein Film für das starke Geschlecht, wenn er das würde wollen sein hätte er wohl auch seine Probleme überhaupt Ernst genommen zu werden. Und so sitzt er dann da, der gute Stallone, abgewrackt, zermürbt, schlicht alt. Die ersten 2/3 plätschern in dramaturgischer Wüste fast leblos, aber nicht uninteressant dahin. Rocky und die alten Gefährten, Rocky und die Frau, Rocky und sein Sohn - naja, nichts Neues aus Little Italy, aber in dem nostalgischen Gestus, den eben der gesamte Film ausstrahlt passt das und geht schon irgendwie okay.

Dann geht es zur Sache, die alte Boxfilmspannungsbogen wird herausgeholt und die Romantik muss sich spannender Weise doch der Moderne unterwerfen. So wechselt dieser Old-School-Schinken, welcher der Streifen bis dahin war, zu einem sich den Gegebenheiten der Gegenwart anpassenden Bully. Die Ästhetik ist eindeutig beeinflusst von aktuellen Sportberichterstattungen, digitale Kamera und orginale Ringsprecher, -schiedsrichter und -moderatoren vermitteln ein gelungen realistisches Szenario. Nur zum Rest des Films will das irgendwie nicht so recht passen. Stören tut das aber nicht. Der Gegner ist nicht mehr ein Russe oder ähnlich Vergangenes, sondern hier agiert der moderne Afroamerikaner - sprich ein Hiphopper im Stil von 50 Cent. Über ihm stehen jedoch die ökonomischen Zwänge der Moderne. Auch der Kapitalismus hält Einzug, die Manager sind schmierige Alt-BWLer mit Kettchen.

Am Ende steht die Message auf Versöhnung: eigentlich haben wir es mit einem Unentschieden zu tun, mit klitzekleinem Vorsprung gewinnt Rocky vielleicht aber doch, soviel Selbstliebe muss sein.

Und im Übrigen von wegen Probleme mit dem Ernst nehmen - der Rücken mag zwar knacksen, aber den Humor hat Rocky nicht verloren/bzw. endlich gefunden. Ein bisschen Selbstverarsche kann durchaus nicht schaden. Wobei auch bei Rocky 6 wie bei den Vorgängern gilt: Man weiß nie, wieviel davon nicht doch unfreiwillig komisch ist.

Gerade die alten Haudegen Burt Young und Tony Burton wirken - neben Stallone himself natürlich in erster Position - wie Karikaturen ihrer Selbst. Die schaupielerischen Fähigkeiten der 3 sind, sagen wir mal bescheiden. Ein Dauergrinsen bekommt man bei Balboa jedenfalls kaum aus dem Gesicht. Aber gerade das hält den Film im Ring, nur eben mit einem Augenzwinkern versetzt.

Rocky Balboa muss man sicherlich mit einem gewissen Bonus sehen, der sich automatisch aus der Filmwelt von Boxkämpfen und Maschinengewehrsalven, in der man groß geworden ist, ergibt. In diesem Sinne kann sich gefreut werden - Rambo IV steht ja bald an!

PV: Cmxx / OF --- Wertung: 5,0



#468 moodswing

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Geschrieben 01. Januar 2007, 23:21

Shawnee Smith macht uns die SM-Diva im Lynchen Nerzmantel...
angerissene Zelluloidfetzen
November/Dezember 2006


Verfolgt (Angelina Maccarone, Deutschland 2006)
| Der cineastische Reigen um die Sado-Masochistischen Ausbrüche einer Bewährungshelferin und ihres Schützlings sind viel mehr schwarz-weiße Erzählfetzen über Entfremdung in der technisierten Alltagswelt --- Was übrig bleibt ist trübseeliges Treiben nah an der Berliner Schule und ein betontes Übermaß an Kunstgewerbe... PV/OF

The Queen (Stephen Frears, UK/Frankreich/Italien 2006)
| zu harmlos und vermenschelt zeichnet Frears die Tage im Buckingham Palace nach Dianas Tod. Mehr als ein warmes Lächeln fällt ihm nicht ein. Da kann sich wirklich niemand der Dargestellten beschweren... PV/OF

Saw III (Darren Lynn Bousman, USA 2006)
| das dritte Treiben im lustigen Folterkeller nutzt sich langsam wirklich ab. Der Spass den der Film dabei hat, seine xte Variation von Metalketten, Gesichtsschrauben und Gebißzerdrückern auszuleben ist irgendwann nicht mehr unserer, denn die Ideenarmut ist nunmehr eklatant. Die drum herum konstruierte Geschichte - so etwas wie eine Schuld und Sühne Erzählung - gerät schon frühzeitig ins Abseits, denn hey, wer nimmt bitte Shawnee Smith die Rolle der Psychopathin ab? In diesem Sinne: Der Film sollte gemieden werden, zumindest von Menschen, die mehr als 2 Folgen Becker gesehen haben... PV/OF

Adams æbler (Anders Thomas Jensen, Dänemark 2005)
| der hochgejubelte Skandinavier der Saison enttäuschte mich mittelschwer. Die Zusammenführung von Karikieren und dem tiefen Glauben an das Gute im Menschen in einer nur eben zu schlechten Welt erzeugen in diesem Comic-Märchen eine eher verwirrende Ausgangsposition, von der aus der Film mich zu keinem Zeitpunkt mehr bekommen konnte... DVD/OmeU

Naboer/Next Door (Pål Sletaune, Dänemark/Schweden/Norwegen 2005)
| Das Tier im Manne zieht sich den David Lynch Nerzmantel über, drübergeworfen lässt sich jedoch noch ins Innerste schauen: madige Tv-Mystery mit Kurve nach unten, sobald das Gemüse redet... TV:arte/DF

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Geschrieben 03. Januar 2007, 23:39

One Way
Reto Salimbeni, Deutschland 2007

Um die Ehe mit der Tochter seines Chefs nicht zu gefährden, deckt ein aufsteigender Werbemanager (Til Schweiger) seinen Schwiegerbruder (Sebastien Roberts), der seine beste Freundin (Lauren Lee Smith) vergewaltigt hat. Mit Hilfe eines "Generals" (Michael Clarke Duncan) nimmt sie Rache...

Schweigers erster Geschenk an uns im Jahre 2007 ist in jeder Hinsicht das missratene, sich an Hollywood anschmiegende Dumpfbackenkino, was man wohl erwarten konnte. Die TV-Optik mit 08/15 Drehbuch sticht schon zu Beginn hervor, was dann aber im Laufe des Films genrethematisch alles abgearbeitet wird, ist schon erstaunlich. Das Flickwerk bietet alles, von Charakterstudie (Scheigers..."hüstl") über klassisch amerikanisches Courtyard-Drama, von Rape-and-Revenge-Story über aufgeplustertes Großstadtthriller-Kino. Auch musikalisch geht One Way in die Vollen und präsentiert einen hoch unpassend übercool zusammengeschusterten Soundtrack-Mix aus Rock, Elektro und Hip Hop. Mit strenger Ernsthaftigkeit legt sich der Film ins Zeug und forcierte im Kino mehrmals Lacher an den unmöglichsten Stellen. Die größte Peinlichkeit des Films bietet allerdings - wie sollte es anders sein - Til Schweiger himself, der mit Overacting und Mimikmassaker den kompletten Film ad absurdum führt. Wie er versucht eine Figur, die um Schuld und Sühne kreist ins Bild zu setzen und dabei so grandios scheitert, macht den Film als erheiterndes Abendbrot fast unterhaltsam. Goldene Himbeere bitte!

Zwei Stunden Mundgulli, hör mir auf... Das Fiasko ist schon lange abgemachte Sache...

PV: Abaton / OF --- Wertung: Schick ihm doch einer die Kettensäge vorbei...



#470 moodswing

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Geschrieben 05. Januar 2007, 15:38

Borat: Cultural Learnings of America for Make Benefit Glorious Nation of Kazakhstan
Larry Charles, USA 2006

Anarchischer Aufstand oder marktstrategisches Kalkül? Irgendwo dazwischen bewegt sich der Film, der mit überbreitem Grinsen gegen die Political Correctness zu Felde zieht und sich dabei zwischen intelligentem Sarkasmus und polterndem Mumpitz so einermaßen gelungen aus der Affäre ziehen kann.

Borats gute Stellen lassen sich in beißendem politischen Kommentar und der überreizten, überstilisierten Darstellungsebene des Rassismus, Antisemitismus und anderer schwerwiegender Vergehen des Menschentum finden. Wenn die Juden durch die Stadt gejagt werden oder die dicke, schwarze Prostituierte an den noblen Tisch geladen wird, ist die dargestellte Welt in Not. Ansonsten zerrt der Film sicherlich nicht unwesentlich aus den üblen Beiträgen der Interviewten.

Daneben gerät das Werk allerdings immer wieder in Leerlauf - dann etwa, wenn es schlicht nur um den Ekelfaktor geht. Häufig geht Cohan auch nicht weit genug - gerade die Episode in der Jesuskirche ist alles andere als fiese Satire. Auch dann, wenn altes Material aus seiner TV-Show vergangener Tage benutzt wird, kommen die Stirnrunzler ins Spiel - nicht gerade die feine englische Art. Unschön auch die vielen gestellten Szenen - was macht es noch aus, dass Pamela Anderson einen Sack über die Rübe bekommt, wenn man weiß, dass dies alles so abgesprochen ist? Unnötige Lückenfüller...

Der automatisch eingewobene Antiamerikanismus ist bei der ganzen Showze sicherlich bedingt. Da Cohens nächster Film über Hugo, den schwulen Modekritiker aus Österreich aber sicher eher in Mailand und Madrid angesiedelt sein wird (um nicht zu sagen sicher auch in deutschen Landen) wird sich das dann letzten Endes wieder ausgleichen...

Kino Grindel / OF --- Wertung: 6,0



#471 moodswing

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Geschrieben 07. Januar 2007, 20:36

Scoop
Woody Allen, UK/USA 2006

In London geht der Tarotkarten-Killer um. Eine Teenage-Reporterin (Scarlett Johansson) und ein Zirkus-Zauberer (Woody Allen) kommen in Kontakt mit einem renommierten, jedoch bereits verstorbenen Journalisten (Ian McShane). Er gibt den Hinweis, dass der reiche und schöne Adelsträger (Hugh Jackman) der Mörder sei. Die Reporterin spürt ihm nach und verliebt sich in ihn...

Woody Allen scheint ja wirklich der größte Zyniker von allen zu sein. Arrangiert im System. Liebling der bürgerlichen Intellektuellen. Schlimmer noch als Harald Schmidt. In seinem neuen Film Scoop spielt sich der Gutste einmal mehr als narzistischer Selbstinszenierer in den Vordergrund und pfuscht dabei erstaunlicher Weise so arg in seinen Streifen, dass dieser spätestens nach der Hälfte der Zeit enervierend unansehnlich wird.

Scoop ist eigentlich eine Hommage an die klassische Detektivgeschichte, mit munteren Tönen, schnuckeligen Figuren und natürlich viel Dialog versetzt. Ganz amüsant soweit, wenn auch arg abgenutzt und ideenlos.

Fürchterlich wird der Film allerdings in dem Moment, in dem man realisiert wie peinlich berührend sich die selbstgefällige One-Man-Show überall ins Bild schmuggelt, die Bühne übernimmt und lallend-verlaberte Phrasen von sich gibt, die sich wie gewohnt zwischen ironischer Sebstkritik und überheblichem Gehabe bewegen - "I was born of the Hebrew persuasion, but I converted to narcissism."

Allen ist knuffig, niedlich, ein kleiner Scherzkeks. Ein geborener Clown, dem man nichts übel nehmen kann. Seine Filme sind ebenso kleine Humorsprenkler, luftig leicht und putzig. Was über diesen seltsamen Dauerhype zumeist vergessen wird, ist die Qualität seiner Filme. Und damit schließt sich der Kreis - denn Woody Allen weiß selbstverständlich, das seine Produkte zum größten Teil saft- und kraftlose Zikusnummern, gezeichnet von wenig Stringenz und pseudo-intellektuellem Anstrich. Und Allen nimmt dies schadenfroh hin. Wie das Rumpelstilzchen bastelt er eifrig seine Filmchen zusammen, deren filmische Qualität die einer TV-Mini-Serie meist nicht zu überkommen vermögen.

Wie zynisch Allen dabei wirklich sein kann - damit sind wir dann wieder bei Scoop angelangt - zeigt er in repetierender Weise in seinem neuen Werk. Denn er schmiert den Zuschauern seines Zirkuses und der edlen Zirkel in denen er sich als Johanssons gefakter Vater bewegen muss mit äußerst ironischen Lobhudeleien Honig um den Mund - "You're a credit to your race."
Hinter den Kulissen gibt er sich angekotzt von seinen Bewunderern. Allen spielt ja nun immer sich selbst. In diesem Sinne ist der Mann an sich wieder recht sympathisch, veräppelt er doch die Menschen, auf die sich die Kritik an ihm eigentlich richtet. Allen kann's eben nicht besser. Seine Bewunderer geben ihm aber immer wieder die Möglichkeit Geschichten zu erzählen. Wie kann man es ihm da verdenken, dass er seine Chancen nutzt?

Der liebe Woody ist aber auch nicht unbedingt das einzige Problem des Films. Ausgerechnet Scarlett Johansson ist doch ziemlich fehlbesetzt für die Rolle des naiven Teens, hässlichen Entleins mit Wahnsinnskörper, zurbeligen Brillenmaus. Sie in Match Point als Hammerfrau zu inszenieren und praktisch im gleichen Jahr das Schulmädchen auszupacken - das klappt nicht. Und dass sie so ganz nebenbei am Anfang von einem alten Regisseur durchgevögelt wird...ein weiteres Augenzwinkern von Woody...

Scoop ist alles in allem eine stinknormale Fortsetzung Allens egozentrierten Schaffens, ohne Höhepunkte, ohne neue Erkentnisse - als Spiegel des neurotischen Bildungsbürgertums...

PV: Abaton / OF --- Wertung: 3,0



#472 moodswing

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Geschrieben 09. Januar 2007, 16:12

Sunset Boulevard
Billy Wilder, USA 1950

Ein abgehalfterter Drehbuchautor (William Holden) begibt sich aus Geldnöten in die Hände eines skurrilen Stummfilmstars aus alten Zeiten (Gloria Swanson) und ihrem Butler (Erich von Stroheim). Er soll ihr desolates Script für ihr großes Comeback umschreiben. Parallel dazu arbeitet er nachts jedoch auch mit einer jungen Nachwuchsdramaturgin (Nancy Olson) an ihrem neuen Ideen...

Wilders Hollywood Love-and-Hate Story lässt sich nicht anders als ein Schmankerl jedes Filmfans verstehen, das sich bis heute und weit über die Gegenwart hinaus halten wird. Die Konstellationen konservativ-fortschrittlich, Stummfilm-Tonfilm, alte Liebe-neue Liebe, die er dabei aufmacht ohne wohlgemerkt wirklich Partei zu ergreifen sind an sich schon ein filmhistorischer Eckpunkt. Die zweite Ebene, die Wilder dabei öffnet ist eine passender Weise selbstreferentielle, in der er altes Filmmaterial einbindet und den Cast mehrdeutig besetzt. Diese bestimmenden Stilisierungen sind Reflexionen auf Film, auf Hollywood, auf Wilders Welt, die auf Zelluloid gebannt ja normalerweise eine komödiantische war. Hier macht er in sofern auf eine gewisse Art Ernst, bleibt dabei aber gerade durch die stilisierte Form auf Distanz. Damit funktioniert Sunset Boulevard als Melodram weniger. Ich würde diese Intention dem Film nicht unterstellen wollen, allerdings gibt es ja genügend Fans, bei denen das Werk eben gerade auch emotional funktioniert. Spannend, dass also gerade bei diesem sich thematisch auf Film beziehenden Werk so eine unterschiedliche Rezeption möglich ist...

DVD / OmdU --- Wertung: 7,5



#473 moodswing

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Geschrieben 10. Januar 2007, 16:30

Shadows
John Cassavetes, USA 1959

Für Shadows spare ich mir die Inhaltsangabe mal gänzlich, denn dem Stil des Films entsprechend benötigt man diese wohl nicht.

Cassavetes Debutfilm wirkt so ein wenig, als ob sich Godard, Truffaut und Woody Allen zusammengesetzt hätten, um einen Film in 5 Tagen zu improvisieren. Wobei mir das schon zuviel wie eine Huldigung klingt. Diesem Produkt einer amerikanische Nouvelle Vague, genauer diesem Independent-Urgestein wohnt der "Zauber" der Improvisation inne. "Zauber" für diejenigen, die an dem Film mitwirkten, "Zauber" wohl auch für den einen oder anderen Filmliebhaber, der mit diesem Stil sicherlich auch immer einen Bruch von Konventionen erlebte und genoss. An mir rauscht das leider vorbei, denn Improvisation bedeutet für mich eben auch: Handwerklicher Dilettantismus. So besitzt Shadows kaum Drehbuch, scheitert in meiner Rezeption schon frühzeitig an den üblen Darstellerleistungen, verhältnismäßig schwachem Spiel mit filmischen Stilmitteln (Shadows heißen, aber Licht und Schatten-Einsatz nicht beachten, tzz) - kurzum: dem Undurchdachten, Unbeabsichtigten, Unberechenbaren. Freestyle wie der Jazz als Untermalung. Eigentlich schön, aber so gar nicht mein Fall...

DVD / OF --- Wertung: Not my cup of tea



#474 moodswing

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Geschrieben 10. Januar 2007, 23:02

Une vraie jeune fille
Catherine Breillat, Frankreich 1976

Ein junges Mädchen erlebt sein sexuelles Erwachen.

Was Catherine Breillat in ihrem Debutfilm vor 30 Jahren inszenierte, dürfte damals so einige Gemüter erhitzt haben. Der Film beginnt als Mixtur aus Coming-Of-Age Studie über weibliche Obsessionen - Breillats Standard-Thema - und kleiner Softsexfilm mit humorigem Charme. Soweit, so interessant. Wenn man Breillats Filmographie jedoch ein wenig kennt, wird schnell klar, dass man die witzige Breitseite des Films doch noch einmal genauer betrachten sollte. Und so stellt sich der Film ab der Hälfte der Laufzeit dann auch als zähes Stück ohne großen Einfallsreichtum heraus - so ein bisschen auf Schockieren aus, so ein wenig versuchend tiefer in das Mädchen zu leuchten (mit Würmern und Flaschen und so weiter...). Gegen Ende verliert das Werk schlichtweg ganz an Belang und ist deswegen auch zu Recht kaum bekannt...

DVD / OmeU



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Geschrieben 11. Januar 2007, 20:28

Sommer '04
Stefan Krohmer, Deutschland 2006

Eine Familie macht Urlaub in ihrem Sommerhäuschen an der Schlei. Der Sohn bringt seine 12-jährige Freundin mit. Diese segelt in der Ferienzeit auch gerne mit Bill herum, einem ca. 30-jährigen Amerikaner. Die Mutter des Jungen sieht dies gar nicht gerne, anders als der Vater und auch der Sohn. Sie stellt Bill zur Rede...

Zunächst einmal ist Sommer '04 ein recht interessantes Filmexperiment, dem man - wie immer bei solcherlei Sachen - seine Aufmerksamkeit schenken kann oder auch nicht. Ich tat es - Die Kinosituation begünstigt dies ja. Stilistisch bewegt sich der Film vollkommen nüchtern durch das gebotene Szenario, kommentiert nicht und führt den Zuschauer kein Stück an der Hand. Das erschwert die Sache erheblich, wie man am Ende des Streifens feststellen muss.

Denn Sommer '04 scheint mal ein Psychodrama, mal ein lakonisch-ironisierter Blick auf deutsche Familienverhältnisse, mal ein lockerleicht verspieltes Filmchen im französischen Stil, mal entfalten sich auch melodramatische Züge. Was wir damit anfangen sollen bleibt im breit interpretierbaren Raum offen. Das kann auch nachgelesen werden an den unterschiedlichsten Sichtweisen auf den Film, die sich unter den bisher vorhandenen öffentlichen Kritiken finden lassen.

Bleibt also die Frage: Was habe ich da eigentlich gesehen?
Einen Film über Individualität eventuell... Zunächst... Später dann sogar ein Plädoyer für Individualität, und zwar ein ganz Selbstverständliches... Dann jedoch kam das Ende, welches vom einen Kritiker als unnötige Schmalzvertändelung, vom anderen als ironisches Augenzwinkern gelesen wurde. In meiner Rezeption hebt sich das Dafürsprechen für die Freiheit des Individuums an dieser Stelle auf - und das verduzte mich dann eben sehr.

Nichtsdestotrotz ist Sommer '04 damit kein schlechter Film, eher ein Interessanter, bei dem ich nie so ganz sicher war, wohin er weht. Das spricht sowohl für den Film als auch gegen ihn...

Kino: Abaton --- Wertung: 6,0



#476 moodswing

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Geschrieben 13. Januar 2007, 20:16

Mein liebster Feind - Klaus Kinski
Werner Herzog, UK/Deutschland/Finnland/USA 1999

Werner Herzog erzählt über seine Zeit und Filmdrehs mit Klaus Kinski...

Mein liebster Feind ist ein Dokumentarfilm, der aus genau 3 Elementen besteht:
1.) reißerische Anekdoten über Kinski
2.) Aufnahmen von den Drehorten Herzogs und Kinskis
3.) Werner Herzog

Herzog ist Dauergast bei dieser halben Biografie seiner Hassliebe Klaus Kinski. Wie es der Titel schon verrät, erzählt der alte Mann des neuen deutschen Films mehrheitlich über SEINEN liebsten Feind, aus seiner Perspektive, aus seinem Leben.

Kinski kommt dabei weniger gut weg und das ist mit Verlaub schon etwas dreist - eine Art Bio-Doku zu drehen und sich dabei auf Skurrilitäten, klischeehafte Charakteristika und Brüller zu beschränken. Unterhaltsam ist das allemal, gelacht wurde viel, aber ob das letzten Endes so stimmen mag und Kinski wirklich angemessen ist, wage ich zu bezweifeln...

Am Schluss lässt Herzog Kinski verträumt mit einem Schmetterling spielen - das melancholische Ende passt zum Rest des Films wie ein kitschiges Happy-End zu einem Arthousemovie und soll anscheinend noch einmal gebührenden Respekt an Kinski zollen - er hat schließlich diese Herzog-Nabelschau ermöglicht...

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Geschrieben 14. Januar 2007, 16:21

Der Lebensversicherer
Bülent Akinci, Deutschland 2006

Die deutsche Independentproduktion pendelt zu Beginn zwischen dem Versuch einer Realsatire a là Muxmäuschenstill und Psychogramm eines vielleicht Manisch-Depressiven, so recht ist man sich da nicht sicher. Das hängt vornehmlich mit der Spielgestaltung der Darsteller zusammen - das Stück wirkt nämlich häufig artifiziell, beinahe wie Theater (man merkt dem Hauptdarsteller jede Sekunde an, dass er lange auf Bühnen gestanden hat). Ein seltsames Werk, dachte ich mir während der Vorführung, dass dann im Mittelteil leider heftig an Boden verliert. Anfangs wird es bereits angedeutet - zwischen den skurrilen Einlagen versteckt sich immer so eine tragische Note. Zum Ende hin entfaltet sich diese zu einem theatralisch-melancholischen Nervenbündel und verdaddelt fast den gesamten Film. Der Schluss dann rettet in seiner ambivalenten (und damit den ganzen Film charakterisierenden) Art das Werk nochmal. Zwar sticht die Pointe des Ganzen unnötigerweise schon früh hervor, dafür aber wird die Geschichte letzten Endes allerdings auch in der Form symbolisch, dass die Erzählung doch noch einmal Interesse wecken kann - deutsche Gefühlslagen bestimmen die Szenerie und irgendwie kann der wohlwollende Betrachter das Gesamtkonstrukt auch als Erzählung über einen einsamen Menschen lesen, der vor der Zweisamkeit flüchtet und damit sein eigenes Unglück besiegelt. In diesem Kontext dann doch noch einmal versöhnt...

PV: Abaton --- Wertung: 4,5



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Geschrieben 15. Januar 2007, 15:02

InDigEnt



4 x InDigEnt, 4 x amerikanische Independentproduktionen aus dem Jahre 2001 mit Digitalkamera gedreht heißt es da in einem DVD-Paket, das mit Richard Linklaters Tape seinen Anfang nimmt. In den Hauptrollen: 2 Typen, eine Frau, eine gemeinsame Vergangenheit und ein Motelzimmer. Die grauenvolle Digi-Ästhetik, das maßlose Overacting vor allem von Ethan Hawke, und die klischeeverballerte Geschichte liefern dem Fast Forward Button und seinem Freund Skipper nur allzu reichlich Gelegenheit, Präsenz zu zeigen. Aprospos Hawke, der dreht nämlich mit Chelsea Walls eine Anreihung bruchstückhafter Episoden in einem Hotel als zweiten Beitrag. Auch hier tümmeln sich einige bekannte Gesichter, diesmal scheint die Optik etwas ausgereifter, aber wie so häufig bei Filmen, in den Schauspieler die Regie übernehmen, geht die Konsistenz schnell flöten. Der Film will interessanterweise äußerst musikalisch beschwingt sein, findet aber nie den filmischen Rhythmus, den das Werk anstrebt. Das stehen Geschichten mit Potenzial neben Überflüssigem, das den Rest auch aus dem Takt wirft. Mit Ten Tiny Love Storys eröffnet Rodrigo García die Reservebank und außer viel weiblichem Tamtam gibt es nichts zu bestaunen. 10 Frauen, 10 Liebesgeschichten, eine statische Kamera. Auffälligkeit Nr.1: Kameramann war Rodrigo Prieto, Cinematographer von Alejandro González Iñárritu, Ang Lee und Oliver Stone. Eher wohl ein Witz, denn eine mitdenkende Kamera gibt es hier nicht. Auffälligkeit Nr.2: Häufig sieht man als selbstgewählten Hintergrund die heimische Küche. Eva Hermann in Sicht? Den Abschluss der Veröffentlichung bildet dann Campbell Scotts Final, eine Art Science Fiction kammerspielartiges 2-Personen Stück im digitalen Raum. Roger Avery und Hope Davis geben sich Mühe und so ein bisschen Atmosphäre kriecht unter dem Country Score hervor, aber die Geschichte allein hat nicht die Kraft für einen 2 Stunden Film... Dieses InDigEnt Experiment des jungen amerikanischen Independentnachwuchses scheint eher untergegangen zu sein, an der Qualität gemessen wohl auch nicht zu Unrecht...

DVD / OF --- Wertung: 2-3



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Geschrieben 16. Januar 2007, 23:23

Paris, je t'aime
Diverse, Liechtenstein/Schweiz/Deutschland/Frankreich 2006

18 Kurzfilme über Paris, die Stadt der Liebe. Unter den Regisseuren einige bekannte Namen...

Eine persönliche Liste soll hier genügen. Zudem nur die Anmerkung, dass es sowohl keinerlei Ausschläge nach oben, als auch nach unten gab...

nett:
Montmartre (Bruno Podalydés)
Parc Monceau (Alfonso Cuaron)
Pigalle (Richard LaGravenese)
Père Lachaise (Wes Craven)
Faubourg Saint Denis (Tom Tykwer)
Quartier Latin (Frédéric Auburtin, Gérard Depadieu & Gena Rowlands)

Tränendrüse:
Loin du 16ème (Walter Salles & Daniela Thomas)
Bastille (Isabel Coixet)
Place des Victoires (Nobuhiro Suwa)
Place des Fêtes (Oliver Schmitz)

gefallen:
Quais de Seine (Gurinder Chadha)
Tuileries (Joel & Ethan Coen)

überkandidelt:
Tour Eiffel (Sylvain Chomet)
Quartier de la Madeleine (Vincenzo Natali)

verpuffte Wirkung:
Le Marais (Gus Van Sant)
Porte de Choisy (Christopher Doyle)
Quartier des Enfants Rouges (Olivier Assayas)
14ième arrondissement (Alexander Payne)

PV: Abaton / OmdU --- Wertung: 5,0



#480 moodswing

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Geschrieben 17. Januar 2007, 23:44

Heroic Germans at the Beach
angerissene Zelluloidfetzen
Dezember 2006


La femme sur la plage (Jean Renoir, USA 1947)
| Seltsame Mischung aus Film Noir und Melodram, bei dem ausgerechnet die Filmmusik Hanns Eislers im übermäßigen Einsatz eher erdrückend, die Erzählung samt Schauspielleistungen zudem überhöht wirken. Lediglich auf visueller Ebene kann Renoir da noch etwas retten...

Nicht alle waren Mörder (Jo Baier, Deutschland 2006)
| Der Titel weist bereits auf den frühzeitigen Abbruch jeder möglichen Besprechung hin, denn muss man da noch Zeilen verschwenden, wenn "die bösen Deutschen" gesichtslos, "die guten Deutschen" aber überrepräsentiert in jeder Sequenz sind? Selbst Axel Atze Prahl ist als grobschlächtiger Dummerjahn noch läuterungsfähig, na dann...

Looking for Albrandi (Kate Woods, Australien 2000)
| Australisches Coming-of-Age-Filmchen, auf hip gemacht, ziemlich belanglos...

A Better Tomorrow & A Better Tomorrow II (John Woo, Hong Kong 1986/87)
| Beginn des "Heroic Bloodshed" Genres. In dieser urigen 80ies Atmosphäre, maßgeblich dominiert durch die Musik, lassen sich die Filme gut vertragen, auch wenn es vor allem im ersten Teil zu üblen Längen kommt und die Kampfszenen an spätere Choreografien kaum heranreichen...





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