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24 Frames/Sec - Spektralanalyse & Halogenflackern - Filmforen.de - Seite 18

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24 Frames/Sec - Spektralanalyse & Halogenflackern


818 Antworten in diesem Thema

#511 moodswing

    Albert Emanuel Voglers Adjutant

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Geschrieben 09. Mai 2007, 18:33

cinema -> bonne projeccion
Januar/Februar 2007


2 Filme, die bei ihrer kürzlichen Veröffentlichung im öffentlichen Raum fast etwas unter den Tisch gefallen sind. 2 Filme, die sich auffällig ähneln in meiner Erinnerung: In Leonard Kastles Lonely Hearts Killers (USA), besitzt die Erzählung eigentlich 2 Geschichten, die beide nicht so recht zusammenpassen. Zum Einen die Road-Movie-Serienkiller Geschichte (mit Salma Hayek und Jared Leto), zum anderen das Psychogramm im Noir-Detective Stil (mit John Travolta und James Gandolfini). Beides ansehnlich, beides unterhaltsam, beides aber auch nicht mehr als banales Erzählkino aus Hollywood. Und beides eben auch nicht richtig stimmig... Ein ähnliches Schicksal ereilt auch Allen Coulters Hollywoodland (USA) noch so ein Film mit 2 Geschichten und keiner heißen Nadel, die sie zusammenstricken könnte. Nochmal Noir-Detective-Story (mit Adrien Brody) und dazu die kleine Abhandlung über den Tod des ehemaligen Superman (Ben Affleck). Beides im Vergleich zum vorher erwähnten Film allerdings dramaturgischer Käse, spannungsarm und ohne Effee. Das schlichtweg Uninteressanteste, was ich seit Ewigkeiten gesehen habe...

~~~

The Host (Joon-ho Bong) ist ein lang antizipierter Monsterhorror aus Südkorea, der versucht auf erquickliche Art und Weise Gesellschaftskritik zu üben und mit Witz und Horror zu unterhalten. Bewundert habe ich sein ausgewiesenes Gespür für das anarchistische Posaunen in subversiven Kläranlagen - da sieht weder Mutter Staat, noch vor allem der Helfer aka Initiator des Schreckens USA gut aus - alle unfähig, alle tumb, alle desorganisiert und alle irgendwie auch böse. Die dysfunktionale Familie muss sich da schon selbst behelfen, was angesichts dieses Neurotikervereins aber auch nicht wirklich erfolgreich ist. Gestört und mehrmals aus dem Film gerissen hat mich der - nennen wir es mal nett - schräge Humor, der sich penetrant klamaukig ins Bild zwängte. Unpassend, aber wie ich las auch improvisiert. Wenn ich so drüber nachdenke, doch eher ein komischer Kauz, dieser Film...

~~~

Alain Resnais meldet sich auch zurück, gemächlich flächendeckend über Europa, sein neuer Film Coeurs (Frankreich/Italien) hingegen ist gar nicht so altersschwach wie man es vermuten könnte. Per Schneeüberblende changiert die Erzählung über mehrere Beziehungsverstrickungen zwischen englischer Ernsthaftigkeit und französischer Leichtigkeit, eher melancholisch, manchmal gar vom musikalischen Engagement überwältigt. Besitzt zwar insgesamt kein Impact, kann sich aber sehen lassen... Knapp vorbei geschrammt an der TV-Wegwerfware ist dagegen Der Liebeswunsch (Thorsten C. Fischer, Deutschland). Der Film pendelt zu aufdringlich zwischen den nicht zu vereinbarenden Polen Melodram und unterkühltem Schwermut hin und her. zum Scheitern verurteiltes, distanziertes Arthousekino, das es wohl auch eher überraschend ins Kino geschafft hat...

#512 moodswing

    Albert Emanuel Voglers Adjutant

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Geschrieben 12. Mai 2007, 13:11

Caché
Michael Haneke, Frankreich/Österreich/Deutschland/Italien 2005

Michael Haneke gelingt in Caché etwas, was seinen früheren Filmen immer wieder vorgeworfen wurde zu vernachlässigen - er verwirft den oberlehrerhaften Manierismus zugunsten einer Geschichte und Figuren, die er dem Zuschauer näher bringen will. Caché besitzt zentrale Anliegen, die er dem mitdenkenden Betrachter partizipatorisch an die Hand gibt. Emotionaler Teilhaber wird man hier, diesmal nicht im Sinne eines Anti-Kino, das überheblich Gegenthesen formuliert und dabei einen Zynismus gegenüber dem Zuschauer, häufig auch dem Sujet ausstrahlt, der bei Haneke immer ungesund wirkte. Keine distanzierte Unhöflichkeit, keine gewollte Böswilligkeit, sondern die Umsetzung des Filmischen für eine Idee, die Anerkennung verdient.

Die Geschichte kurz angerissen: Das gut situierte Ehepaar Georges und Anne bekommt eines Tages in unregelmäßigen Abständen Videobänder vor die Tür gelegt, mit denen ihm klar gemacht wird, dass es beobachtet wird. Langsam deckt sich Georges verdrängte Vergangenheit auf...

Caché vitalisiert sich aus der Tatsache mit subtilem Ton seiner Überzeugung zu folgen. Der sich schuldig machende, vor allem Verantwortung negierende Mittelständler Georges bekommt Kontur, und ist trotz unserer ihm entgegenspringenden Unsympathien eine sinnige Konstruktion. Die nuancierte Feinarbeit läuft auf das Spiegelbild hinaus, ganz zart, ganz unwohl - und der Schockmoment kommt diesmal nicht mit dem Vorschlaghammer des Moralisten, sondern mit dem präzisen Gespür sein soziales Anliegen trotz maßgebender Subtilität als Bewegungsmelder einzubauen.

Und wer hätte es gedacht, das Haneke es auch einmal schaffen würde seine medialen Referenzen zu unserer Unsicherheit mehr als nur den Sinn zu geben, uns verwirren zu wollen. Wir geben den Ausschlag. Wir, unser Blick bringt die Erzählung in Gang (da leidet der Protagonist ironischerweise unter den Gegebenheiten der klassischen Narration, und wir setzen die Aufgabe die er zu bewältigen hat). Kurzum: Wir sind schuldig. Und zwar nicht (nur) am moralisch korrumpierten Bruder, mit dem wir vermuteten mitzuleiden (und seiner Situation, in die wir ihn bringen), sondern am Tod des als Sinnbild installierten algerischen Stiefbruders, von dem wir eben nichts wussten, den wir schlimmsten Falls sogar immer noch vorurteilsbeladen und misstrauisch als Täter vermuten (dabei sollten wir längst wissen, wer der Schuldige ist, aber die Verdrängung und Verblendung arbeitet...) - und bei dessen Tod wir vollkommen ungeahnt in Schock versetzt werden. Einen Schock, der Symbol für das schlechte Gewissen ist, selten wurden Zuschaueremotionen so gezielt und intelligent mit der Textaussage verwoben.

Wenn er dann stirbt, ist es zu spät. Ist es sowieso, schuldig sind wir eh, den Film kann man vielleicht anhalten, vor- und zurückspulen (er tut es selbst ja ständig), ändern tut es nichts. Höchstens - sofern wir denn ausschalten - die simple Alltäglichkeit der Tatsache, das Leid nicht mit ansehen zu müssen...

14.04.07 / DVD / OmU --- Wertung: 7,5



#513 moodswing

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Geschrieben 14. Mai 2007, 18:45

L'Enfant
Jean-Pierre & Luc Dardenne, Belgien 2005

Das belgische Brüderpaar Jean-Paul und Luc Dardenne machen keinen Hehl daraus, das sie Anhänger der Sozialistischen Partei Belgiens sind. In ihrem ausgezeichneten Film L'Enfant nun (Goldene Palme in Cannes 2005) zeichnen sie ein Bild einer post-sozialen Gesellschaft. Heruntergekommene Industrieanlagen, schlammige Flussufer, menschenabwesende (dafür vehikelanwesende) Verkehrsknotenpunkte - Die Locations geben dem Film die verweinte Schminke, die sein furchiges Gesicht charakterisiert.

Inmitten dieses lebensfeindlichen Umfeldes muss sich der junge Bursche Bruno (Jérémie Renier) behaupten. Locker, sorglos, etwas einfältig, aber äußerst pfiffig gelingt ihm das zunächst auch sehr gut. Seine moralische Unbekümmertheit ist erst einmal kein Problem. Interessant von Anfang an ist die Taktik der Filmemacher, die Figuren geradezu plakativ unemotional zu zeichnen.

Dass die Strategie vollends aufgeht wird erst in der Endeinstellung bewusst, und das überrascht dann doch sehr. L'Enfant funktioniert auf dem Papier nicht, in der Praxis sieht das aber ganz anders aus. Denn Bruno ist ein Unsympath, ein jugendliches Arschloch - er verkauft sein frisch geborenes Baby, bestiehlt Menschen und giert nah an der Existenzgrenze nach Geld und Gütern. Am Schluss dann übernimmt er erstmals Verantwortung und geht ins Gefängnis. In der Endeinstellung bricht es aus ihm heraus. Hier wechselt der Film von seiner vorher distanzierten, gefühlslosen (auch unbeschwerten) Zeichnung, in das Tränenmeer, das den Film beschließt. Spätestens hier wird die Fallhöhe sichtbar, denn das Drehbuch und der hervorragende Hauptdarsteller machen uns deutlich, was wir bisher nur in Grundzügen geahnt haben - wir leiden mit diesem von der Gesellschaft aufs Abstellgleis geparkten, in ihr und ihren Symptomen und Attributen gefangenen Menschlein. Wir leiden mit dem Kind.

15.04.07 / DVD / UmU --- Wertung: 7,5



#514 moodswing

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Geschrieben 21. Mai 2007, 02:00

Blood Diamond
Edward Zwick, USA 2006

Schwachbrüstig könnte man das nennen, wenn ein Film mit Bildern der Not spielt. Blood Diamond ist "wieder nur" ein Film, der eine verklärte Darstellung des schwarzen Kontinents aus wunderschönen Panoramalandschaften und folkloristischen Klängen zeichnet. Zwar thematisiert das Werk einen politischen Konflikt, auch eine Attitüde, nichtsdestotrotz fällt er letzten Endes zurück auf hässliches Betroffenheitsentertainment, das sich vor allem für seinen klischeebeladenen Hollywoodschmonz interessiert. Tough white guy, tough white women und auch wenn der nun "erwachsene" DiCaprio eine ambivalente Rolle zugeschrieben bekommt, ist er unser Abenteurer, mit dem wir Afrika entdecken.

Die ausbeutende, zynische Attitüde der westlichen Welt, die Blood Diamond ebenfalls umkreist lässt sich spannenderweise auch am Film selber festmachen. Dahinter steckt kein Interesse am Detail, auch nur ein vorgeschobenes an Öffentlichkeit. Statt dessen gibt es viel Action, Plot Point-Entertainment, Auge für Geschmeidigkeit und natürlich Gefühlsduselei an den unnötigsten Stellen. Und auch wenn der Film mit der Verwebung der Diamantenindustrie in Afrika eine Geschichte thematisiert, die recht ungewöhnlich erscheint als Ausgangspunkt einer solchen Erzählung - Blood Diamond hat lediglich nichts als eine gute Geste übrig. Alles andere ist die altbekannte Masche...

Cmxx / DF --- Wertung: 2,5



#515 moodswing

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Geschrieben 22. Mai 2007, 19:22

Shooting Dogs
Michael Caton-Jones, United Kingdom/Deutschland 2005

Einen Film über den 1994 von den Hutus an den Tutsis verübten Genozid in Ruanda drehen zu wollen, ist ein heikles Vorhaben. Shooting Dogs nun - bereits 2005 gedreht und in Deutschland jetzt erst ins Kino kommend - bewältigt diese Aufgabe weniger solide, diese Beschreibung wäre schlicht Fehl am Platz bei der Thematik, als vielmehr mit der nötigen Ehrfurcht. Am Wichtigsten dafür ist zum Einen der Respekt vor den Opfern - eine Haltung, die Filmen wie The Last King of Scotland oder Blood Diamond leider gänzlich abging. Shooting Dogs setzt das bedrohliche Szenario ohne Zurückhaltung vor grässlichen Darstellungen um - Leichenberge, Machetenhiebe, blutüberströmte Kadaver - die passenden, weil die wahren Bilder. Zum Anderen behält das Werk auch die nötige Glaubwürdigkeit und Authentizität, so wurde direkt in Ruanda gedreht und es wirkten viele Überlebende des Genozids beim Dreh mit (womit der Abspann leider am Ende etwas zu stark hausieren geht). Dadurch wird gleichzeitig vermieden ein allzu europäisches, verzerrtes und beschönigendes Afrikabild zu zeichnen - wieder einer der wesentlichen Kritikpunkte an den vormals genannten Beispielen.

Leider schafft aber auch Shooting Dogs es nicht ganz, ein wirklich angemessenes Bild über das Massaker zu kreieren. Dazu verharrt er zu stark in einer zu herkömmlichen Dramaturgie und traut sich die Geschichte wieder nur mit dem Blick des weißen Mannes zu erzählen (Alle 3 Hauptdarsteller sind Engländer). Damit erzählt der Film seine Geschichte zwar mit der nötigen Nüchternheit und bindet auch die politischen Aspekte und das Versagen der UNO mit ein - dem Wahnsinn aber wird er damit nicht gerecht - Der Raserei auch formal die passende Fratze zu verleihen, das traut sich Shooting Dogs leider nicht...

Abaton / OF --- Wertung: 7,0



#516 moodswing

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Geschrieben 25. Mai 2007, 18:58

Leinwandprojektionen
März 2007


Mark Wahlberg darf sich zunächst einmal fühlen, als ob er die tumb-patriotistische Plürre anrühren darf, wenn er in Zeitlupe zu heroischer Hymnenmelodie vor der Flagge stolziert. Dass Antoine Fuquas Shooter dann doch nicht gänzlich in diese Richtung abdriftet ist vielleicht noch das Beste, was mir zu dem Schmarrn einfällt. Statt dessen gibt es standardisierte Action, einen geheuchelten Anstrich von Weltpolitik (schon wieder Afrika), Danny Glover als raunende Witzfigur, langweilige Wendungen und einen Haufen schwacher Narration und Dramaturgieausfälle. Besonders peinlich an Shooter ist der Waffenfetischismus, dem der Film huldigt und der Fakt, das Fuqua aufpassen sollte, nicht demnächst als Hollywoods schwarzer Hausdiener demaskiert zu werden...
In The Hills Have Eyes 2 lässt Martin Weisz - Regisseur des ominösen Rotenburg - Frankenstein und den Elefantenmenschen auf ein paar Militärkids los. Leider äußerst unkreativ und lieblos nimmt der Film die Motive des Vorgängers auf (von Storyelementen wie der Vergewaltigung bis zu Formalia wie dem Score) und arbeitet sie unengagiert Stück für Stück ab. Sollte qualitativ eigentlich im Videothekenregal verschimmeln, hat es zwar ins Kino geschafft, aber ist gerechterweise trotz derzeitigem Torture-Horror Hype ziemlich erfolglos gelaufen...

~~~

In Valerie - dem Debut von Birgit Möller - geht das Gespenst des sozialen Abstiegs um. Ähnlich wie in Yella schwebt in der flirrenden, fast unwirklichen Geschichte das Leben der Protagonistin im luftleeren Raum des Kapitalismus, wird sie als Markenzeichen des Systems zur Außenseiterin mit Wolfsmaske abgestempelt. Nicht ganz so intelligent verwoben, nicht ganz so abgeklärt wie Yella, aber auch so ein Werk, dass auf Distanz immer besser wird in der Erinnerung. Ach ja, und noch eine Gemeinsamkeit mit dem großen Bruder aus dem Berlinale-Wettbewerb: Devid Striesow spielt hier eine vollkommen andere Figur, aber wieder ganz eindringlich - unauffällig, aber erstklassig!
Der kurdische Film Dol von Hiner Saleem lief auch im Forum der Berlinale dieses Jahr. Als wortleerer Symbolismusreigen mag das Werk zwar Interesse wecken, vielleicht sogar unterhalten, kann es auch als Filmpoem rezipiert werden, ist aber letztlich zu plakativ, in seiner politischen Aussage auch zu selbstgefällig, als dass es wirklich zu begeistern wüsste...

~~~

Ganz im charmant-unterkühlten Stil kommt La Tourneuse de pianiste von Denis Dercourt daher, eine bittersüße Rachegeschichte, präzise inszeniert, in Cannes letztes Jahr uraufgeführt. Zu dem klassisch französischen, Chabrol nacheifernden, Stil gehört es sich natürlich das Spannungsfeld Burgeoisie - Arbeiterklasse auszuloten, und so erhebt sich die Schlachterin am Ende grazil über Die Pianistin und ihren Anwalt, hinterlässt ein Beziehungs- und Gefühlschaos und feiert damit den Triumpf ihres Lebens, obwohl schon von Klein an auf das soziale Abstellgleis gestellt. Schöner Film!
Anette K. Olesens 1:1 war chancenlos, ganz einfach aufgrund der deutschen Unsitte, skandinavische Produktionen zu synchronsieren. Was dabei nämlich an dilettantischem, unryhthmischem und lächerlichem Gesäusel herauskommt zerstört selbst den besten Film. Deswegen nur eine kleine Mutmaßung: 1:1 scheint ein Integrationsdrama zu sein, was wenig zu aktuellen Debatten beizutragen hat. Knapp über Tv-Niveau und schlicht zu mager. Was bleibt sind nur die Ambitionen...

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Geschrieben 28. Mai 2007, 16:21

Inland Empire
David Lynch, USA 2006

Tapsen in der Dunkelheit, im Lynchen Labyrinth - Inland Empire verrennt sich selbst ein wenig in seiner 3-stündigen Odyssee, bei der man letzten Endes am Anfang landet.


Etwa so assoziativ wie sein Titel ("Ich hielt auf einmal inne und lauschte nur dem Nachklang dieser wunderschönen Wörter... Inland... Empire...") verschlägt es den Wuchtling in Sphären in denen man sich als Rezipient schon anstrengen muss - nicht weil es so viel zu puzzeln gibt, auch nicht, weil es soviel zu entdecken gibt, sondern eher weil man sich am Ende nicht vorwerfen will, man habe dem Film nicht genügend Konzentration geschenkt.

Das Problem ist schnell benannt: Inland Empire träumt zu häufig von Mulholland Drive. Er schnappt zu überdeutlich viele Motive aus Lynchs Meisterwerk auf, führt sie allerdings nicht aus, erweitert sie nicht oder macht etwas anderes Spannendes mit ihnen - er erinnert sich lediglich.

So oder so, Inland Empire verweigert sich mit seiner dritten Ebene neben Traum und Wirklichkeit (Film im Film) zunehmend jeder Rekonstruktion. Das hat bei Mulholland Drive damals irgendwie besser geklappt. Und dazu noch ganz banal: Inland Empire ist zu lang, viel zu lang. Wir bemühen uns, der Film aber nicht, die unkonzentrierte, teils dilettantische Disziplinlosigkeit stranguliert die Nerven. Nach den ideenreichen ersten 15 Minuten, die Einen trügerischer Weise schon jubeln lassen dauert es eine geschlagene Stunde bis der Film sich begnügt etwas Aufregenderes einfallen zu lassen.

Aber so einen Lynch sollte man nicht so abtun. Natürlich bietet der Film auch genügend Reflexionsfläche, um sich die Zeit zu vertreiben, wenn's zu langweilig wird. Inland Empire ist beispielsweise ein hübsches Gegenbeispiel zum osteuropäischen Folterkino - Polen als Hort von Unsicherheiten und mysteriösem Gelynche, who needs a Hostel? Zeitweise sieht Lynchs Königreich auch aus wie eine interessante Studie über "die inneren Geister" des Weibes, a jouney into women. Aus dieser Sicht natürlich auch wieder von starker Ambivalenz geprägt.

Trotzdem lässt Einen Inland Empire ziemlich enttäuscht zurück. Vielleicht das Schlimmste daran: Er vermag es nicht einmal richtig zu polarisieren. Einen Lynch - den hat man doch immer geliebt oder gehasst. Dieser hier ist einfach nur okay. Ein schlimmeres Urteil ist kaum vorstellbar...

Abaton / OmU --- Wertung: 5,5



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Geschrieben 30. Mai 2007, 00:01

Panic Room / Zodiac
David Fincher, USA 2002 / 2007

Bloß nicht dem Auteurism verfallen - Warum die Erwartungshaltung beim neuen Fincher zurückgeschraubt werden sollte


Die zwei letzten Filme David Finchers zerren die düstere Wahrheit ans Licht: Ein wenig blindäugig, ein Stückchen verblendet, zu naiv hat sich in den letzten Jahren gegenüber dem vermeintlichen Autoren-Konstrukt David Fincher beim Publikum eine unberechtigte Erwartungshaltung aufgebaut. Nach den die 90er prägenden Meisterwerken Se7en und Fight Club, die aber an sich schon grundverschieden waren, erwarteten viele auch mindestens den nächsten großen Big Bang fürs 21. Jahrhundert. Diesen gab es nun bis 2007 nicht, das wissen wir dann spätestens nach der Sichtung von Zodiac.

Fincher ist ein Ausführender, ein Techniker, ein Tüftler, ein visuelles Genie - Fincher kreiert Formales, das sich sicherlich auch häufig auf höchstem Niveau im Inhaltlichen wiederspiegelt bzw. sich mit diesem verwebt. Doch was er verfilmt - das Screenplay, die Vorlage - auf das hat er nicht mehr Einfluss als die pure Auswahl, ein einfaches Ja oder Nein. Fight Club kann nur im Zusammenhang mit den Namen Chuck Palahniuk und Jim Uhls besprochen werden. Se7en ist aus Andrew Kevin Walkers Feder entsprungen. An Alien 3 haben gar sechs Autoren herumgedoktort - Der Name David Fincher lässt sich nicht unter ihnen finden. Fincher bleibt einer der interessantesten Realisateure Hollywoods, keine Frage, und doch - Fincher hat mit Panic Room 2002 seine Fanschar grob enttäuscht und wird es mit Zodiac 2007 noch viel mehr tun.

Nett formuliert mögen manche Kritiker auch sagen, Fincher wird nun erwachsener, seine Filme zurückhaltender, weniger plakativ, auf einen Punkt konzentrierend duchdachter und ein ästhetisches Konzept stärker fokussierend. Kann man so sehen. Jemandem, der Fight Club liebt nützt das aber wenig.

Der augenscheinlichste Schnitt im Oevre Finchers vollzieht sich mit der Tatsache, dass er sich ab Panic Room keinen "turn", keine zweite Ebene, keinen Knall, keinen Zaubertrick aus dem Ärmel mehr erlaubt. Als ob er sich den Vorwurf des Taschenspielertricks in Roger Eberts Kritik zu Fight Club zu Herzen genommen hat, sind Panic Room und Zodiac nun gradlinig, ernst, unzynisch, weitestgehend unmaniriert.

Panic Room ist reines Suspensekino, ein funktionierender Thriller, effektiv geschnitten auf 107 Minuten perfekter Kinolänge. Was den Film zu einem starken Vertreter seines Genres macht sind eben Finchers Visualisierungsstrategien, die losgelöste Kamera, das Gespür für ein effektives Spiel mit der Zeitstruktur und dem architektonischen Raum. Die Atmosphäre - das uneingerichtete, obwohl modern doch sehr unsterile und doch etwas spröde ungemütlich erscheinende Flair, das man auch schon in den vorherigen Filmen Finchers bewundern konnte, dazu Regengüsse in denen sich Zuschauer wie Protagonisten fast verlieren - weiterhin meisterlich arrangiert.

Und darüber hinaus? Nichts. Gar nichts. Fincher inszeniert hier nicht mehr als einen Thriller. Punkt. Ende der Geschichte. Und das eben nach einem mittelmäßigen Drehbuch, das auch so einige Schwächen aufweist: Dümmliche Konstruiertheiten etwa (Die Vergasungsaktion), Figuren, die dank klischeebeladener Psychologisierung nicht nur flach, sondern wirklich mies entworfen sind, dazu ein zu herkömmliches Plot-Point-Abgearbeite und zu guter Letzt auch noch Jared Leto und das schlimmste Overacting seiner Karriere.
Spätestens damit ist Panic Room eine schreckliche Enttäuschung.

Zodiac nun - frisch im Wettbewerb in Cannes gelaufen und leer ausgegangen - ist in den USA ebenfalls ziemlich gefloppt. Wer ihn gesehen hat, den sollte das keineswegs überraschen. Zodiac ist Anti-Unterhaltungskino erster Klasse. Eine stringente Spannungskurve gibt es nicht, und allein das ist bei einem Film aus dem Thriller-Genre ein ungemeines Wagnis.

Mutig ist der Film in jedem Fall - denn gerade im Vergleich mit dem Unterhaltungsvehikel Panic Room lassen sich ganz eklatante Unterschiede herausfinden. In Zodiac erzählt David Fincher in beinahe 3 Stunden eine wahre Kriminalgeschichte, welche eine Zeitspanne von 23 Jahren umfasst (1968-1991) und sich an diversen Orten der USA abspielt. Schon hier ein entscheidender Unterschied: Das ausgeklügelte Spiel mit der Zeit und dem Raum wie in Panic Room ist hier gar nicht mehr möglich, und letztlich auch unerwünscht. Fincher verfolt nämlich ein vollkommen entgegengesetztes ästhetisches Konzept. Zodiac basiert auf der Idee eine wahre Kriminalgeschichte vollkommen authentisch zu erzählen - genauer gesagt: Primär geht es ums Scheitern, um die Desillusionierung, wenn sich eben der Kriminalfall nicht geraderücken lässt. Das, was also das Genre eigentlich ausmacht - Den Antrieb zur Bestrafung des Bösen, zur Auflösung des in die Realität eingebrochenen Unerwünschten, zum In-Ordnung-Bringen des Alltäglichen - das wird hier so bitter enttäuscht wie das Verlangen des Zuschauers nach Spannung.

Statt dessen sieht Zodiac aus, wie ein am Reißbrett akribisch zusammengepuzzeltes Stück Doku-Krimi. Der Authentizität und dem Realismus verhaftet lässt Fincher seine Geschichte weder durch Dramaturgie, noch durch filmischen Stil voranschreiten, sondern stellt sich ganz in die Sache des wirklich Geschehenen - bzw. ganz in die Sache seines Konzepts. Die Figuren sind keine Schachbrettpuppen, die bestimmte Funktionen erfüllen, sondern sind lediglich einem Sinn unterstellt - den Gescheiterten zu zeigen. Damit lässt sich auf schauspielerischer Seite natürlich Einiges machen, man könnte Zodiac fast als Ensemblefilm bezeichnen - nur: solch ein Film wie Zodiac lässt das nicht zu, denn er erzählt schließlich aus klar abgesteckter Distanz. Es geht nicht ums Innere, schon gar nicht um Emotionen. Was hier wichtig ist, sind die Fakten. Und so konsequent rational, wie Zodiac letztlich gehalten ist, scheint die ausbleibende Befriedigung am Ende fast wie einer von Finchers so geliebten "turns" - denn rational erkennen zu müssen, das wir im wahren Leben am Bösen nur Scheitern können, das ist der Kern des Films. Wenn der Film mit zahlreichen langen erklärenden Texttafeln schließt, ist das zugleich eine Art Reminiscenz und ein Brechen mit den Genrekonventionen. Und: Faktisch ist Zodiac der wohl langweiligste Thriller im derzeitigen Multiplexbetrieb.

21.05.07 / DVD / OmU / Wertung: 5,0 ~~~ 22.05.07 / Streits / OF / Wertung: 5,0



#519 moodswing

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Geschrieben 01. Juni 2007, 16:07

Little Children
Todd Field, USA 2006

Suburbane Scharmützel - in Little Children wird einmal mehr nach der amerikanischen Schönheit gefahndet

Ich werde es wohl nicht mehr kapieren, wie der gemeine Zuschauer so einen ambivalenten Holzschnitt geflissentlich goutieren kann.
In der ziemlich ausgelutschten Tradition des suburbanen Satiren-Dramas gelingt es Little Children nicht neue Impulse zu setzen, sondern erinnert die Show leider zu sehr an sein großes Vorbild American Beauty. Und auch wenn zurückhaltender, damit auch weniger scheinheilig inszeniert, ist der Film gewissermaßen ein qualitatives Fiasko.

Zum Einen die handwerklichen Faux-Pas, die Inkohärenz, die ständigen Wechsel der Inszenierungsstrategien und die nahe an der Lächerlichkeit wandelnden Konstruiertheiten handeln dem Film Probleme ein.
Zum Anderen eben die erwähnte Grenzlinienwanderung zwischen Satire und Drama, Bloßstellung und Empathie. Eine Szene sieht dann ungefähr so aus: Eine überzeichnete Spießertumwitzelei inklusive ironischem Off-Kommentar (der alle 40 Minuten mal für 3 Minuten einsetzt und dann wieder eine dreiviertel Stunde verschwindet um unvermittelt wieder einzusetzen - siehe Punkt Inkohärenz und Maskenwechsel) wechselt mit ernstem Blick aufs Private unserer geliebten Kate Winslet, ganz im Stil des klassischen Vorstadtdramas.

Wie geht es zusammen, dass wir distanziert schmunzeln und einfühlsam mitleiden sollen? Einen Film, der seine Figuren so verrät, der Ihnen so ambivalent gegenübersteht verheizt doch eigentlich auch den Zuschauer, nimmt ihn und seine Rezeption nicht ernst. Das ist Fast-Food-Kino - minutenschnelles Umschalten von pseudo-intellektuellem Besserwissertum zu banalem Emotions-Kitsch. Und es funktioniert. Das ist mindestens unterhaltsam, pisst eh nur den Richtigen ans Bein (ein distanziertes "Wir sind damit ja nicht gemeint" inbegriffen) - kurz: Das ist Arthouse-Trash!

Holi / DF --- Wertung: 3,5



#520 moodswing

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Geschrieben 03. Juni 2007, 15:46

Slumming
Michael Glawogger, Österreich/Schweiz/Deutschland 2006

Diagonaler Zynismus - in Slumming kommt es zum Chaos von oben und unten


Es pocht, es pumpt, es hypnotisiert - die Bilder sind jederzeit mit kühlen, pulsierenden und rhythmischen Klängen unterlegt. Überhaupt scheinen die Macher bei der Tonabmischung eher auf Musik und Geräusche als auf das gesprochene Wort geachtet zu haben. So grantelt es sich so hin, häufig nicht ganz verstanden vom Zuschauer.

Michael Glawogger lässt in Slumming Zynismus von oben (2 Yuppies, die sich mit amoralischen Späßen die Zeit vertreiben) mit dem Zynismus von unten (ein obdachloser Alkoholiker mit schizophrenen Tendenzen) kollidieren. Das dies alles Zyniker sind wird im Prusten, Mimenspiel, im Optischen deutlicher als - wie gesagt - im gesprochenen Wort.

Klar gesagt - die Grundprämisse ist toll, der Auftakt ebenso, nur wo der Film dann hin will bleibt im weiteren Verlauf unklar. Er driftet. Slumming ist genretechnisch ein Road-Movie mit realsozialem Anstrich. Slumming ist aber auch ein Darstellerfilm. August Diehl, so sehr ich ihn normalerweise nicht leiden kann, spielt in dieser verschneiten Kälte klasse, Paulus Manker theaterreif, ähnlich übermächtig wie der Bierbichler in Winterreise.

Eine Winterreise ist dann auch Slumming. Eine Reise um die halbe Welt, in der Tschechien zur kalten Schneewüste mit warmem Herz und Jakarta zum Ort der Flucht, Entsorgungung, des Verlusts, des Verirrens wird. Hier wird es dann zum letzten Mal bizarr, wie schon so häufig vorher mit Gartenzwergen im zugefrorenen See, oder Bambis die sich zu den Zynikern verirren. Vollkommen im Chaos versunken, in greller Exotik findet sich der Yuppie im Spiel, im Tanz abhanden gekommen, beobachtet von zwei anderen, über ihn urteilenden Mittzwanzigern. Genau diesen beobachtenden Blick wird der Film sein anderthalb Stunde nicht los, die emotionalen Gefüge seiner Figuren sind ihm unwichtig. Slumming kommt letzten Endes da an, wo er auch seine Protagonisten hinbeförderte - im Nirgendwo.

Liwu / 28.05.07 / OF --- Wertung: 6,5



#521 moodswing

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Geschrieben 05. Juni 2007, 17:42

Leinwandprojektionen
April 2007


D.J. Carusos Disturbia sieht wie die blöde Idee aus, Rear Window für die Generation Handy-iPod+ zu remaken. Schon der vorderlastige Musikmix verrät die unehrenwerten Absichten, und die täglichen Utensilien eines coolen middle class Suburbaniacs spielen dann auch eine übergeordnete Rolle. Viele Konstruiertheiten, falsche Schwerpunktlegungen in der Dramaturgie und zu viele halbgare Themen (beispielsweise der mal mehr mal weniger motiviert eingeschriebene Hispanic-Bulle) führen dann zum Showdown, der letztlich wiederum nur schlecht nachgeahmt ist vom ehemaligen Teenmagneten Blair Witch Project. Der Film kommt in seinem Bestreben eigentlich ein paar Jahre zu spät, aber die Trendverkettung zahlte sich an den Kassen in den USA leider doch erstaunlich gut aus...
Die Gefahr in einen überordnenden Jugendwahn zu verfallen, läuft in seinen schwächeren Momenten auch The Invisible. Im Vergleich aber ist David S. Goyers Werk um Längen erwachsener geraten. Der Film beschäftigt sich zunächst mit der Abwesenheit der Eltern, berücksichtigt auf seiner Strecke auch soziale Faktoren und endet folgerichtig als Schuld und Sühne Geschichte, wenn auch zu wenig impulsiv auf Spannungsebene und mit einem ein wenig zu versöhnlich geratenen Tenor am Schluss...

~~~

Der kleine Chilene Play von Alicia Scherson ist in seiner verspielten Art, den etwas naiv-skurrilen Figuren und dem Versuch ganz behutsam, fast nebenbei streifend, ohne jeglichen Schwermut die großen Themen anzusprechen ein sehr sympathischer, frischer Film. Wenn sich die Protagonistin am Ende als Engel entpuppt, der sie eigentlich - für uns nur nicht richtig sichtbar - schon vorher war, und die Problematiken von Existensverlust, Identitätssuche und Tod auf ein leichte Ebene bewegt, dann hebt sich auch der Film ab von vielen europäischen Produktionen, die aus der fröhlichen Art mit den Stilmitteln zu spielen längst maniriertes Kino gemacht hätten. Einzig die Zeitsprünge in den einzelnen Erzählsträngen machen die Sache etwas inkohärent und lassen den roten Faden leider zu häufig verschwinden...

~~~

Für James Foleys Perfect Stranger wurden drei verschiedene Schlusssequenzen und Auflösungen gedreht und erst kurzfristig entschieden, welche denn nun den offiziellen Film schmücken darf. Der sehr herkömmliche Thriller ist bis kurz vor dem Abschluss eher unauffällig. Dieses kann nun aufgrund des genannten Konzepts kaum anders als in einer hinten aufgesetzten, dämlichen Konstruktion enden. Altbacken und lahm. Das sowas heute ernsthaft noch konzipiert wird mit dem Ziel Kasse zu machen verwundert doch...

außerdem noch gesehen:
...Lauf der Dinge - deutsches Kino auf Daily Soap Niveau - erbärmlich
...schwachbrüstiges The Fountain-Gebite im indischen Valley of Flowers von Pan Nalin
...Seefahrerromantik in Elbe

#522 moodswing

    Albert Emanuel Voglers Adjutant

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Geschrieben 07. Juni 2007, 15:26

Shoeshine (Sciuscià)
Vittorio De Sica, Italien 1946

Perfekte Inszenierung, grausame Realität und das Gute im Menschen

In der Geschichtenwelt Vittorio De Sicas finde ich mich inzwischen recht gut zurecht. Shoeshine ist ein ausgezeichnetes Beispiel für zwei Dinge, die mir verstärkt bei den Filmen De Sicas aufgefallen sind.

De Sica - der Neorealist - ein Planer wie man es vielleicht nicht erwarten würde. Die Gesichter seiner Protagonisten, die wie bei keinem anderen Filmemacher auch ohne Worte Bände sprechen. Alles perfektionistisch inszeniert. Die Unschuld der Kinder ist die Essenz für seine Erzählungen, ihr Leiden das Grundnahrungsmittel für die Emotionalität, der - so ganz "antirealistisch" - auch immer durch die Musikuntermalung zu eleganter Vehemenz verholfen wird. De Sica komponiert - trotz der Tatsache, das hier ein anderes, unschönes Italien gezeigt wird - seine Bilder durch und möchte möglichst viel Kontrolle über "seine" Realität behalten.

Zum Anderen ist es erstaunlich, wie liebevoll, fast naiv, ohne bösartigen oder zynischen Hintergedanken die Figuren positioniert sind. Selbst die Erwachsenen, sogar die Priester werden verständnisvoll gezeichnet. Die Jungen in Shoeshine werden in eine Spirale menschlicher Rachegelüste hinter den Gittern ihrer Welt, wohl auch Existenz im Italien der Nachkriegszeit geführt. Sie sind schuldlos, im Gegenteil, immer wieder bricht der gute Wille und das Mitgefühl für den jeweilig Anderen aus ihnen hervor. Im Kern, im Kinde, da ist der Mensch gut. Die Umstände sind es, die aus ihm ein beflecktes Wesen machen.

Zum Schluss wird Shoeshine so hoffnungslos und pessimistisch, dass es zum Heulen ist. Ein Protagonist stirbt, der Andere ist nun entgültig in der Schuldspirale gefangen. Das weiße Pferd, von Beginn an Symbol der Unschuld und Träume der Jungen, reitet davon in die Dunkelheit hinein...

DVD / OmU --- Wertung: 8,5



#523 moodswing

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Geschrieben 09. Juni 2007, 16:02

The Man with the Golden Arm
Otto Preminger, USA 1955

Ein drogenabhängiger Jazzdrummer in der fließenden, dreckigen Realität - The Man with the Golden Arm ist ein seltsam faszinierender Film

Der ehemals Drogenabhängige Frankie Machine (Frank Sinatra) kehrt aus dem Knast zurück in seine Nachbarschaft und versucht neu ins Leben zu finden...

Was als gute Basis für ein klassisches Melodram in unüblichem Sujet klingen mag, entwickelt sich ab der ersten Minute in eine ganz andere Richtung. Problematischerweise kenne ich von Preminger bisher keinen weiteren Film, Vergleiche sind also nicht möglich, diesen hier jedoch empfand ich schon als recht skurril geraten, wenn es das Wort überhaupt passend umschreiben kann.

Preminger kreiert einen in gewisser Weise artifiziellen Stil, seltsam anmutende, in ihrer Darstellung zwar sympathische, teilweise recht durchgeknallte, in jedem Fall stilisierte aber eben auch distanzierte Figuren bewegen sich in expressionistischen Bauten und durch eine Geschichte, die fast lax abgehandelt wird. Man bedenke, dass The Man with the Golden Arm der erste Film über Drogenabhängigkeit im Hollywoodkino war. Nur mit Einsatzkraft, ohne viel Unterstützung und mit Auflagen wurde das Werk überhaupt veröffentlicht. Gerade für diese Tatsache scheint es irgendwie verwunderlich, dass der Film so "beschwingt" mit seiner Erzählung umgeht.

"Beschwingt" ist auch das Stichwort, denn The Man with the Golden Arm ist auch ein Musikfilm. Der ständig präsente, sehr eingängige Jazzscore von Elmer Bernstein dominiert das Werk, hat im Prinzip einen eigenen, wichtigen Platz im Gesamtkonstrukt: Frankie Machine ist Drummer, Musik ist also auch in die Diegese eingebunden, der jazzige Flow wird in gewisser Weise auch Stilprinzip, so erschien es mir.

Premingers Drogengeschichte ist dabei eigentlich relativ dreckig - spielt in den sozial unten angesiedelten Destrikten, benutzt Straßenslang, die Figuren sind alle nicht wirklich koscher. Down and dirty, das ist vielleicht das zweite Stilprinzip des Films.

Das mutet alles insgesamt doch recht kurios an, der melodramatische Aspekt wird kaum ausgespielt, viele Nebenfiguren - vor allem die Frauen - verblassen ein wenig, die Dramaturgie ist sowieso nebensächlich und so ein "Cold Turkey", wie man ihn von Frank Sinatra am Ende erleben darf, hat man in den letzten Jahrzehnten dann doch schon eindringlicher und realistischer erlebt. Als Drogendrama scheint The Man with the Golden Arm damit ein wenig verwelkt, eine eigenwillige Faszination geht von ihm allerdings allemal aus...

DVD / OmeU --- Wertung: 6,5



#524 moodswing

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Geschrieben 10. Juni 2007, 19:48

Spider
David Cronenberg, Frankreich/Kanada/Großbritannien 2002

Wenn der Ödipus mit dem Cronenberg - Spider entführt in verschachtelte Alptraumwelten

Was passiert, wenn David Cronenberg einen enigmatischen Film über Freuds Ödipuskomplex irgendwo zwischen Kafka und Eraserhead dreht? Spider gibt die Antwort auf diese Frage...

Eine One Man Show. Ralph Fiennes als schizophrene Figur - sündlos so scheint es - die unser Mitleid aber nicht will und nicht benötigt, sondern in Isolation gefangen ist. Eine Isolation, an die wir nicht einmal heranreichen, obwohl wir beobachten, studieren, mustern, die Welt entdecken mit dem Protagonisten. Die Welt, die seine Vergangenheit ist. Fragmentierte Bruchstücken, präsentiert in elegischer, blasser, trüber Gedämpftheit. Die Kamera bindet uns an Fiennes Welt, sein Innenleben kann und will sie nicht bebildern.

Industrieanlagen und Spinnennetze, dazu Howard Shores strange Klänge, vielmehr gibt uns der Film nicht an die Hand. Das reicht allerdings allemal, wenn man die Atmosphäre akzeptiert, die Spider anbietet, und das Verwirrspiel annimmt, in welches uns das Werk wirft...

Fiennes kommt als gebrochener Mann zurück nach London, dem Ort seiner Kindheit und entdeckt diese mit Hilfe der Bilder, die ihm die Stadt in seinen malträtierten Kopf verflechtet. Die Konstellationsverknotungen, die aus der Mutter das Objekt der Begierde machen und den Vater schön blöd (meint: böse) dastehen lassen - würde ich mal behaupten - sind nicht ideal inszeniert, mich bekam das nie, stattdessen dachte ich am Ende schlicht: gut, jetzt haben wir den Freud aber per Blaupause hinübergeholt - aber das musste letztlich so und empfand ich auch nicht als störend.

Spider ist so kühl wie ein Cronenberg immer ist. Was soll es hier auch Ausnahmen geben. Die düstere Vision hätte ruhig ein paar mehr Einfälle verarbeiten können - in welche Richtung nun auch immer. Trotzdem, ganz klar einer der beeindruckendsten Cronenbergs...

DVD / OmeU --- Wertung: 6,5



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Geschrieben 12. Juni 2007, 11:43

Nachklapp #1


Alles was man an Charlie Chaplin liebt, zeigt ein früher Kurzfilm vom Meister: A Dog's Life (USA 1918) zaubert Chaplins naiven, unschuldigen Charme gepaart mit zuckersüßer anarchischer Clownerei auf die Leinwand. Das Werk erzählt in seinen 40 Minuten ohne Ton mehr über das Paradoxon des Lebens, das Tragische und Komödiantische nebeneinander herlaufen zu lassen, als es die amerikanischen New Whimpsy Filmchen vermögen können. Dagegen stinkt allerdings leider auch sein 3 Jahre früher erschienener Klamauk His New Job (USA 1915) etwas ab.

~~~

Endlich bin ich auch mal ein Stückchen vorangekommen in Sachen Akira Kurosawa: Im frühen Drunken Angel (Japan 1948) lässt Kurosawa seiner ganzen Hoffnungslosigkeit im Nachkriegs-Japan freien Lauf. Ein fortwährend trunkener, desillusionierter Arzt versucht einem an TBC erkrankten Jungspund trotz grimmigem Gesicht auf die Beine zu helfen. Die Schlamm-Abwasser-Müllhalden Wüsten, die Kurosawas Blick auf das Moloch unterstreichen, sagen eigentlich schon in den ersten 30 Sekunden alles, was dem Film wichtig ist. Als ganz so eindringlich konnte ich I live in Fear (Japan 1955) nicht empfinden. Die angsterfüllte Situation Japans nach Hiroshima ist das Thema. Ein seltsames Family-Courtyard-Drama ist das, welches nie das Innenleben seiner Figuren geschickt genug bebildern mag. Viele Streitereien, wenig intensive Dialoge, ich brauche mehr von Kurosawa... In Ikiru (Japan 1952) spürt man es dann wieder - die Kraft seiner Erzählungen - über soziale Kälte, absurde Bürokratie und die Allgegenwärtigkeit des Todes. Ich hatte leider nicht genügend Kraft für den Film und muss ihn dringend zeitnah nachholen.

~~~

In Roberto Rossellinis Stromboli (Italien 1950) steht eine Insel stellvertretend und symbolisch für die soziale Härte, die im Nachkriegs-Italien herrschte. Den eigentliche Mittelpunkt des Films bildet allerdings Ingrid Bergman, die von ihrem Verehrer Rossellini per Kamera umgarnt wird. Darunter leidet schnell die Geschichte und damit vor allem der Film, denn den zickigen Attitüden der Bergman 100 Minuten Aufmerksamkeit zu zollen, fällt schwierig bzw. führt dazu dem Film schnell böse zu sein...
Jean-Luc Godard entwarf Anfang der 80er mit Passion (Frankreich/Schweiz 1982) eine hysterische Zeitreise in Kunstgeschichte, mehrere intermediale Szenarien, die den Film zu einem filmischen Wrack degradieren. Hanna Shygullas 80er Jahre Frisur und ihr unerträgliches Gefassbindere sind dabei noch nicht einmal das Schlimmste an der Montage, die stets zum Einschlafen verleitet...

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Geschrieben 15. Juni 2007, 02:04

The Belly of an Architect
Peter Greenaway, Großbritannien/Italien 1987

Kunst und Brachialität, seltsame Distanziertheit und eine Geschichte, die in Bilder gegossen scheint. Peter Greenaways Belly of an Architect weist die bekannten Stilmerkmale des englischen Zelluloidzeichners auf. Audiovisuelle Prächtigkeit und ein eigentlich ganz simpler Inhalt...


...denn Greenaway erzählt im Belly den Niedergang eines Menschen, nicht mehr und nicht weniger. Mit klarer Umrahmung - Die Bilder vom Anfang sehen wir auch am Ende in dem Thema angepasst abgeänderter Form wieder - mit exakter Fokussierung auf den Protagonisten.

Brian Dennehy erfährt als Meister-Architekt Stourley Kracklite die Hölle. Er beginnt an seinem Lebenstraum, einem Projekt über den französischen Architekten Boullée in Rom zu arbeiten und bekommt bald darauf Magenkrämpfe. Paranoiderweise denkt er seine Frau wolle ihn vergiften. Der Auftakt für die Talfahrt. Denn Kracklite wird bei näherrückendem Filmende zuerst seine Frau und dann sein Projekt an den jüngeren, abgebrüht ehrgeizigen und schleimig bösartigen Caspasian Speckler verlieren. Schlussendlich ist der "Gewinner", der er bisher war ein Opfer der dekadenten, bürgerlichen Gesellschaft, die ihn emporhob und nun im Zynismus fallen lässt.

Kracklite spürt also sein Alter. Er hat nicht mehr die Kraft, vor allem körperlich für seine Arbeit. Er ist nicht mehr attraktiv genug für seine Frau. Er ist am Ende, das bedeutet Paranoia, Magenkrämpfe, Alkohol und exzessive Demütigung. Sein Bauch leidet, er wünscht sich die Jugend, die er in den muskelgeglätteten Darstellungen in der griechischen Kunstgeschichte findet. Er wird obsessiv, logisch, denn auch der Bauch seiner Frau, die sein Baby gebären wird, ist in gewisser Weise seiner.

Am Ende kann sich Kracklite entscheiden. Wie will er gehen? Eigentlich ist klar, was passieren wird. Die Symmetrie wird ausgehebelt, das macht das letzte Bild des Films nochmal nachdrücklich klar.

Greenaways Stil lässt sich in böser Distanzierung zu seinem Protagonisten kaum ertragen, Wim Mertens Kompositionen geben ihm eine eigenartige, bedeutende, fast epische Note. Soweit, so Greenaway. Mit The Belly of an Architect kommt er in die greifende Ebene mit der er bei The Cook, the Thief, His Wife and Her Lover 2 Jahre später ein Meisterwerk geschaffen hat. Motive und Grundstimmungen sind schon erkennbar, die durchweg pessimistische Weltsicht macht diesen hier sogar noch mutiger...

DVD / OmU --- Wertung: 7,5



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Geschrieben 17. Juni 2007, 10:02

Born on the Fourth of July
Oliver Stone, USA 1989

Stones territory is American territory - Born on the 4th of July als wütender patriot act

Es wird früh klar: Hier spricht ein Patriot zu seinem Volk. Über einen gewaltigen Kanal, über ein Massenmedium und Kulturprodukt, über einen Hollywood-Blockbuster. "Don't ask what the Country can do for you, Ask what you can do for the country." schallt es aus den Boxen, auf der Bildebene sehen wir Kennedy in schwarz-weiß und daneben den Schriftzug "Directed by Oliver Stone."

Die Marschrichtung ist also vorgegeben. Krieg - das wird gleich in den ersten Szenen klar - berührt die Unschuld des Individuums, des Kindes im Erwachsenen. Tom Cruise spielt dieses sündenlose Menschenkind. Er ist naiv, Familienmensch, gottesgläubig und wohlerzogen. Er ist aber auch ein Loser. Ein Loser in den kleinen, aber wichtigen Dingen des Lebens - er verliert ein ihm wichtiges Ringerduell, seine Angebetete geht schon mit einem anderen auf den Ball - aber die Suche nach seiner Männlichkeit und dem Konkurrenzkampf, der sich im Sport und der Liebe bereits erfolglos manifestierte, bringt ihn letztendlich zu den Marines. Vietnam steht vor der Tür und er will seinem Land dienen, wie die Oberhäupter seiner Familie zuvor. Und er will ein Mann sein. "Goin' to the army like real men."

Also geht er nach Vietnam, Stone verkürzt hier, wie im ganzen Film gekonnt, lässt den Krieg gar nicht erst die Bildebene erklimmen, sondern positioniert nur die persönlichen Schrecken des Private Tom Cruise, aus denen dann die Traumata entstehen, die sein Leben und den Film ab nun zeichnen werden. Tote Mütter, liegengelassene Kinder, versehentlich erschossene Kameraden (das Schlimmste, geht man der Inszenierung nach - hier ist Stone sicherlich Patriot an der falschen Stelle). Dann das Hospital, notdürftig zusammengeflickte Soldaten, Cruise unter Ihnen, eine Odyssee, viel Blut, viel Gedärme, Stone als waghalsiger Nestbeschmutzer.

Cruise ist gezeichnet fürs Leben. Es wird nochmal verrückt, in Mexiko. Seine Familie verstösst ihn, sein Land hat es schon längst getan. Cruise wird sich dessen nach und nach bewusst, wir können uns denken wo es dann hingeht, überraschend ist Born on 4th of July sicherlich nicht mehr, spätestens ab dem Mittelteil...

Stones Vietnamaufarbeitung ist so wütend, so pathetisch, so patriotisch und so effektiv, das es mich schon faszinierte während der ersten Hälfte. Sicherlich läuft das Alles nicht fehlerfrei ab - John Williams Emotionsgeschwurbel über den Bildern ist fast entwürdigend für den Film, das Happy End passt zum tobenden Rest so recht nicht, ein Patriot kann nicht anders, er muss im pathetischen Gewande daherkommen und gegen Ende geht dem Film doch etwas die dramaturgische Spucke aus - trotzdem, das Herzblut ist noch spürbar, der Geschichtenerzähler zieht seine Fäden pointiert - das hier muss sein, das muss gesagt werden "to tell the truth" - Amerikanisches Kino für das amerikanische Volk, für die Bewältigung seines kollektiven Seelenschmerzes...

DVD / OmU --- Wertung: 7,0



#528 moodswing

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Geschrieben 19. Juni 2007, 16:15

Wassup Rockers
Larry Clark, USA 2005

To be bored to satire - Larry Clarks Wassup Rockers überrascht mit einem spektakulären Wandel der Inszenierungsstrategie

Wohin es Larry Clarks letztes Werk Wassup Rockers verschlagen, ließ sich vor ein paar Wochen auf dem Punkfilmfest Hamburg erleben. Nämlich in die niederen Nischen von Mini-Themenfestivals. Der Film ist in Deutschland gar nicht erst angelaufen, und das ist schon ein wenig unglaublich angesichts der Tatsache, dass sich Clark mit Kids und Ken Park ja doch schon zwei Mal durchs Provokative weltweit ins Rampenlicht befördert hat. Trotzdem: In Europa ist das Interesse am Enfant Terrible anscheinend nicht wirklich vorhanden.

Wassup Rockers ist ein zweigeteilter Film. Und - schon wieder nicht zu glauben - trotz vermeintlich gelassener Improvisation scheint vieles per Drehbuch eingestanzt worden zu sein. Im ersten Teil verfolgt die Kamera eine Clique mittelamerikanischer Jungs aus dem Ghetto in Los Angeles, South Central. Sie skaten, machen Punkmucke und labern. Ganz unspektakulär weiß man nicht so recht, ob wir es hier mit einer Huldigung oder einem Abgesang auf eine Jugendkultur zu tun haben. Wahrscheinlich keines von Beidem. Die ersten 45 Minuten wirken dermaßen lethargisch, das es wohl auch die schlichte Beschreibung des Gezeigten ist, was hier so langweilt. Darüber könnte man keinen Text verfassen...

...doch das ändert sich glücklicherweise im zweiten Teil dieses amerikanischen Jugendschwanks. Clark verändert auf einmal unvermittelt seine Position. Nix mehr realistisches Low-Life. Jetzt wirds bunt. Die Jungs "dringen ein", nach Beverly Hills, ins Schicki-Micki-Establishment der Großstadt. Erst skaten sie nur, dann verarschen sie einen leicht rassistischen Cop, letztlich dringen sie in die Häuser zweier unreifer Rich-Girlies ein. Das im übrigen wieder so ein Fitz des Clarks, die Mädels auch in diesem Film sind williges Fleisch. Emanzenexpress Marsch! Hier wird es dann paradox-witziger Weise auch mal kitschig, was man in diesem Moment bereits nur noch als überbordende Satire verstehen kann. Es folgen die Boyfriends der Chicks, eine kleine Rauferei (unsere Jungs aus dem Ghetto wollen sich nicht prügeln, sind eher Schwächlinge) und ab geht's durch die Gärten der Schickeria. Das schönste Szenario gibt es dabei zu bestaunen, als die Kids bei einer homoerotisch gefärbten Künstlerparty aufkreuzen und als durchaus cool befunden werden. Der Gastgeber beobachtet einen der knackigen Burschen beim Pipi-Machen durchs Kloschlüsselloch und muss dafür - unfreiwilliger Weise - bezahlen. Diese grob klischeetisierten Darstellungen finden ihre Fortsetzung in volltrunkenen, abgehalfterten, pädophilen Damen und einem grimmig karikierten Charlton Heston-Verschnitt, der einen der Jungs überraschender Weise abknallt. Ein sozialer Kommentar vielleicht, aber der ist bei diesem längst zum Comic-Strip mutierten Zappelphillipp eigentlich spätestens ab der Hälfte nur noch latent herauszulesen.

Lange nicht mehr so einen Wandel eines Filmes erlebt - ist die erste Hälfte doch sehr mau, erklimmt der zweite Part ungeahnte Höhen einer amerikanischen Indie-Satire...

3001 (Punkfilmfest) / OmU --- Wertung: 6,5



#529 moodswing

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Geschrieben 22. Juni 2007, 10:13

The Graduate
Mike Nichols, USA 1967

Moderne Melancholie

Auch im Nachhinein noch vollkommen bemerkenswert, das The Graduate 1967 entstanden ist. Nicht nur, das der Film immer noch jung und frisch wirkt, nicht nur, das er eine Bildsprache besitzt, die im Vergleich mit einigen US-Produktionen der 60er sich dem Medium um Längen bewusster ist. Sondern auch der politischen Attitüde ist es kaum anzusehen, das der Film vor 1968 gedreht sein mochte.

Dabei fährt The Graduate eine ambivalente Linie. Denn obwohl soviel Spritzigkeit und Liedkultur zelebrierend, obwohl so quietschfidel, obwohl so jugendlich naiv seiner Zeit verschrieben, und obwohl gar manchmal sogar den Slapstick integrierend, ist The Graduate eigentlich ein fast wütend aufbegehrender, sogar ein wenig pessimistischer Jungredner. The Graduate ist in erster Instanz ein Film, der eine Enge beschreibt, in der sich eine ganze Generation befinden mochte. Die Kamera findet dafür immer wieder fantastische Einstellungen. Und Dustin Hoffman - ja, wer diesen Film nicht kennt, der kann auch nicht verstehen, warum Hoffman einer der Großen ist. Sein artifizielles Spiel, immer im unklaren Raum zwischen Langeweile, fast ironischem aber doch ausführedem Gehorsam, zwischen Aufbegehren und Pessimismus gibt dem Film die Note, die ihn zu einem einzigartigen Klassiker macht.

Gegen Ende lässt der Film ein wenig nach, man weiß nicht so recht wohin er da steuern mag und dann im Schlussbild soll sich auf einmal alles klären - so oder so - im gelangweilt-traurigen Gesicht Hoffmans oder der revolutionären Aktion, wie man es lesen mag, das soll dahingestellt sein. Ein bisschen zu wenig Sinn für Rhythmus, das kann man dem Film vorwerfen, ein anderer, etwas professionellerer Schnitt hätte ihm gut getan.

Das aber sicherlich letzten Endes nicht viel mehr als das Haar in der Suppe. Denn The Graduate ist mit dem 67er Jahrgang ein guter Tropfen, über den ich staunen mochte...

DVD / OmU --- Wertung: 8,0



#530 moodswing

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Geschrieben 24. Juni 2007, 22:30

Nachklapp #2

Flimmerware:
Sowas droht nornalerweise unterzugehen und soll wirklich nur ganz nebenbei erwaehnt werden, da auch tatsaechlich nur in dieser Form konsumiert: Zun Einen ist da die Kannibalengeschichte, die mich eines Nachts bös ereilte in mehrerer Hinsicht. Rundum den "Kannibalen von Rotenburg" gab es ja die ein oder andere nette Filmidee (Wo hat sich eigentlich diese Rosa von Praunheim Adaption hin verirrt?), die wohl scheußlichste Ausgeburt ist Cannibal (USA/Schland 2006) in dem das Ereignis möglichst kitschig und möglichst realistisch darsgestellt werden soll. Autsch, das beißt sich ja schon in der Grundidee. Lange nicht mehr so etwas Übles gesehen, in jeder Hinsicht. Ein Film für Opfertoiletten. Das kann ich von Mosquito (USA 1995) nicht sagen. Das Teil ist zwar schon aufdringlich trashig, aber die Gummimücken, die an Angeln ins Bild gehievt werden, haben schon was Niedliches. Das sie dabei manchmal aussehen wie ein Schwarm Killerbienen, an anderer Stelle aber doch eher Größenordnungen eines dem Menschen ebenbürtigen Wesens annehmen, stört da natürlich kaum. Großes Trashgelage. Bei Octane (GB/Lux 2003) hingegen hatte ich die Befürchtung Geister zu sehen bzw. ich glaubte ich sehe überall Lynch, wo keiner hingehört. Lückenfüller-Mystery, die keine Atmosphäre und keine Story hat, dafür aber schöne Bilder für die Nacht... ähnlich gelagert schien auch Dead End (F/USA 2003) wollte ich nach 20 Minuten schlichtweg nicht weiterverfolgen, weil mir die Dialoge (zumindest in der deutschen Syncro) zu dämlich waren. Jetzt nachgelesen, dass das dann ja noch zum Stilprinzip werden soll, also vielleicht gibt es dann doch noch eine Chance zu einem späteren Zeitpunkt...

Altmeister:
Die zweite Chance bekommt sicher auch Charles Bronson nochmal, sein Murphy's Law (USA 1986) ist ja ein später Vertreter des letzten freien Amerikaners, und einer der trotz einiger flotter Sprüche doch Altersschwächen besitzen mag - das geht bei so einer Ikone noch knalliger. Die Frage stellt sich höchstens, ob es noch frauenfeindlicher zugehen mag in seinen Werken... Ein älteres Kaliber ist auch Monkey Shines (USA 1988) Für einen George A. Romero ist dieser End-80er dann doch ein bisschen mager. Die Affenstory ist soweit ja recht bekannt, viel Neues hat der Altmeister dem leider nicht beizufügen. Sicherlich eingermaßen unterhaltsam, das Ende - guter Mensch triumpfiert über bösen Affen - fand ich dann aber doch etwas ärgerlich...

#531 moodswing

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Geschrieben 27. Juni 2007, 01:22

Thank You for Smoking
Jason Reitman, USA 2005

smiling cynism

Wo genau sich die Frechheiten abspielen, die sich der berechnende Zyniker Thank You for Smoking erlaubt, soll kurz geortet werden: Thank You for Smoking ist schon deswegen ein ambivalenter Schelm, weil er doch ernsthafter Weise Lobbyisten als die empathischen Protagonisten installiert - für einen Film, der sich als "Satire gegen Lobbyisten und Klüngeleien im Allgemeinen" versteht schon merkwürdig genug. Ganz dämlich wird es natürlich, wenn der liebe Papa - zu dem wir als Zuschauer im Übrigen ebenso aufsehen dürfen wie der Junior - von seinem Sohn in eine klassische Familiensituation gebracht wird. Papa Bösewicht redet sich aus der Misere und hinterlässt beim Zuschauer ein gutes Gefühl.

Trotzdem ist Thank You for Smoking an vielen Stellen sicher auch ein Deserteur, der Spass machen kann. Wenn auch verfälscht und unauthentisch. Moralische Grundzüge machen einem "alle sind korrumpierbar" platz, statt dessen gibt es lediglich auf dem Silbertablett präsentierten Zynismus. Effekt statt Inhalt. Ziemlich uncharmant...

DVD / OmU --- Wertung: 3,5



#532 moodswing

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Geschrieben 29. Juni 2007, 12:49

American Beauty
Sam Mendes, USA 1999

overwhelming sarcasm - American Beauty als fragwürdiger Stilbilder einer Epoche

Höchste Zeit dieses "Meisterwerk" als das es im Allgemeinen und bei mir für Jahre galt, auf den Prüfstein zu legen. Nun ist es einige Jahre her, dass ich den Film zum letzten Mal gesehen habe. Damals noch gefiel er mir außerordentlich, funktionierte er prächtig - heute ist das anders. Und das bedeutet nicht, das ich den Film nicht immer noch mag. Denn unter Umständen kann ich solch ein Kino genießen. Ein Kino das plakativ, herunterbrochen, stilisiert, selbstzufrieden ist - kurz: Oberflächenglanz ausstrahlt, der ungemein unterhalten kann.

American Beauty ist der Film, der all das in sich vereint und für solch ein Kino stellvertretend im Filmolymp steht - vornehmlich auch wegen seines Bekanntheitsgrades, den er letztlich überwiegend den Oscars zu verdanken hat. Das erste Werk von Sam Mendes besteht nicht wirklich aus einer Geschichte, welche es erzählen möchte, die mit einem Ironiezuckerguss übergossen wurde. Es besteht vielmehr aus reinem Sarkasmus, es lebt ihn, es atmet ihn, alles ist heruntergebrochen auf diese eine Idee - den achso kritischen, letztlich billig abgenutzten Gedanken gegen den American Way of Life filmen zu wollen. Inzwischen ein Stilmerkmal, ein berechnendes nur allzu häufig.

Der blanke Zynismus, der sicherlich nicht als hohl gebranntmarkt werden braucht, der in seiner Präsenz dem Film aber doch ein fieses, fast oberlehrerhaftes Grinsen gibt, bestimmt also American Beauty. Was ist nun mit diesen Sequenzen, die dem Werk die Genrezuweisung "Familiendrama" geben? Diese Szenen, die so beschwingt, verträumt, poetisch sein möchten - sie wollen dem Werk Tiefe geben. Die Frage ist, wie man mit ihnen umgeht. Kann die Einstellung auf die durch die Luft wirbelnde Tüte die Emotionen wecken, die sie mit Hilfe des Scores provozieren möchte? Fühlen wir nach dem saftigen Sarkasmus, mit dem uns die Figuren begegnet sind nun am Ende mit Ihnen? Der Grad zwischen Intensität und alberner Torheit ist unglaublich schmal.

Erstaunlich ist American Beauty damit allemal, wenn auch ein einem Niveau, wie es dem Film kaum Recht sein kann...

DVD / OmU --- Wertung: 5,0



#533 moodswing

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Geschrieben 02. Juli 2007, 10:42

Five Fingers
Laurence Malkin, USA 2006

Five Fingers ist ein kleiner, reaktionärer Arsch, der es dank minderster Qualität nur auf die Silberscheibe, nicht die Leinwand schafft


Ganz was Schlimmes aus der Mottenkiste der DVD-only-Releases dieses Jahres: In Five Fingers wird ein Holländer (Ryan Phillippe) in Marokko gekidnapped und von einer ominösen Gruppe um einen muslimischen Führer (Laurence Fishburne) verhört. Da er keine Informationen ausspuckt werden ihm nach und nach die Finger seiner rechten Hand abgeschnitten...

Langsam klingt es abgegriffen, aber mit Five Fingers steht ein weiterer Post 9/11 Thriller ins Haus, und wirklich nur in das, denn ins Kino hat es das Low-Budget-Kammerspiel nicht geschafft. Und wie so häufig, ist dafür die Qualität der ausschlaggebende Punkt. Denn was schon im Titel nach einem üblen 08/15 Porno klingt, ist fulminant dilettantischer Thrillerbrei, der auf der Welle aus Zeitgeschehen Und Terrorangst mitschwappt und - glücklicherweise - sofort unterging.

Insgesamt erinnert der Film in seiner Ausrichtung an Civic Duty, ist qualitativ allerdings um Längen im Hintertreffen. Die Angst vor dem muslimischen Terroristen mit der hier gespielt wird, soll über Atmosphäre und Setting geschaffen werden - alle Versuche verpuffen allerdings im Nichts, denn so manche handwerkliche Merkmale weisen eklatante Schwächen auf: Beginnend beim schwachen Drehbuch, dass mit seinen plakativen Dialogen nicht viel Raum gibt, den Film überhaupt noch retten zu können. Jedoch auch Cinematografie, Schauspielführung (Ryan Phillippe, oh Graus) und Score sind so fürchterlich misslungen, dass der Rohrkrepierer schon auffällig wird in seiner unbeholfenen Art.

Da ist es dann auch egal, dass die Plotlöcher, überkonstruierten Szenarien und der bereits nach kurzer Zeit überdeutliche Twist, der den Zuschauer am Ende wohl aus den Socken hauen soll eine bemerkenswerte Dämlichkeit beim Betrachter vorraussetzt - der Film verspielt seine Möglichkeiten wirklich auf allen Ebenen.

Besonders eindrücklich ist dann aber noch der Schluss, der wie gesagt per 180° Drehung den Fliegenhaufen abrundet. Denn vermutete ich hier noch eine Art political correct move, durch dem man dem Film wenigstens eine gute Absicht unterstellen könnte, blendet die Kamera dem Inhalt angepasst am Ende auf die amerkianische Freiheitsstatue - die Message: sicher ist, wir sind vor Nichts und Niemandem sicher. Augenrunzelndes Misstrauen gegenüber allem und jedem definiert den Patriotismus, die Lehre dürfen wir ziehen, wenn wir Five Fingers Ernst nehmen sollten...

DVD / OmU --- Wertung: 0,5



#534 moodswing

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Geschrieben 04. Juli 2007, 02:02

Lucky Number Slevin
Paul McGuigan, USA/Deutschland 2006

Dicke Maden im deutschen Speck

Das muss erst einmal geschafft werden: In Lucky Number Slevin geben sich Bruce Willis, Morgan Freeman, Ben Kingsley, Lucy Liu und Josh Hartnett die Ehre - in einem Film, der es in Deutschland nicht einmal in die Kinos geschafft hat, und das obwohl sogar von "stupid german money" finanziell unterstützt. Übrig bleibt die Frage: Sind manche Filme einfach auch zu dämlich, um trotz gespicktem Starspeck Erfolg zu haben? Vielleicht doch eher falsches Marketingkonzept? Lieber einen bekannten Regisseur engagiert?

Lucky Number Slevin sieht erst einmal aus wie ein 10 Jahre zu spät gezeugter Pulp Fiction Verschnitt. Alles ganz cool, alles schön gelackt, immer wieder die Frage nach dem mangelnden Erfolg im Hinterkopf. Allzu blöde stellt sich der Film dabei gar nicht an, besitzt eine Kehrtwende, die 2006 nicht mehr sonderlich schockt, andererseits aber auch nicht zu vorhersehbar ist. Trotzdem, ohne die narrative Ausschmückung wäre/ist der Film so unsinnig, dass die vorangegangen 90 Minuten für sich alleine schlicht stupide sind.

Ganz besonders ärgerlich wird es bezüglich der rassistischen Untertöne, zu der sich die gesamte Konstruktion hinreißen lässt - Afroamerikaner gegen reiche Juden, alles Gangster und in der Mitte der lachende Bruce Willis als weißer Erzengel - platter geht's kaum...

DVD / OmU --- Wertung: 1,5



#535 moodswing

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Geschrieben 06. Juli 2007, 18:55

Nachklapp Western


Sergio Corbuccis Italo-Western-Klassiker Il Grande Silencio (F/I 1968) aka Leichen pflastern seinen Weg besticht durch sein schneeweißes Setting und einer Revengestory, in der die Figuren mal ein wenig anders angeordnet werden. Aus tiefstem Herzen die Parteinahme der sozial Schwachen ohne bösen Hintersinn (obwohl beim Postieren der hungrigen Meute mich vieles an Night of the Living Dead erinnerte), das Aufstehen gegen Rassismus und blinden Kapitalismus und das Einsetzen des Sheriffs als einzige Moralinstanz. Obwohl Jean-Louis Trintignant doch etwas zu blass für seine Rolle und die Kameraarbeit leider häufig zu undurchdacht, verwackelt oder im wahrsten Sinne vereist ist (ich war doch sehr überrascht und musste zwei Mal auf das Etikett "restaurierte Fassung" schauen), reizt das Ganze und mündet letzten Endes in einem hochgradig pessimistischen und nihilitischen Ende, welches selbst für einen Spaghetti doch recht eindrücklich und heftig ist...

Der demnächst von James Mangold geremakete 3:10 to Yuma (USA 1957) von Delmer Daves ist ein Prachtstück von einem Western. "I like women with blue eyes." "I have brown eyes!" "That's okay with me...". Geschliffen scharfe Dialoge, eine exzellente Dramaturgie und schnittige Figurenzeichnungen, dazu die nicht untypische Atmosphäre des eingekesselt seins wie in Rio Bravo und das Spiel mit der Zeit wie in High Noon. Wir erleben Mannes Kampf um seine Freiheit, Ehre und Ideale. Ganz nüchtern resümiert: Prächtig!

Tommy Lee Jones merkwürdiger The Three Burials of Melquiades Estrada (USA/F 2005) ist ein Western, der doch irgendwie keiner ist. Eher so eine narrativ verwobene Dude-Geschichte, vielleicht um Freundschaft, irgendwie auch Road Movie, im Großen und Ganzen aber nicht wirklich zuzuordnen. Sieht aus wie überflüssig, was aber doch durchscheint und Laune macht, ist der Humor mit dem der Film sein Sujet händelt - So ein wenig mexikanisches Feuer gegen stumpfe Gringos, klar bei Schreiberling Guillermo Arriaga, der damit gleichzeitig Heil und Problem des Films ist. Denn vieles bleibt am Ende fraglich, vor allem aber das seltsame narrative Kasperletheater...

Damiano Damianis Töte Amigo (I 1966) ist mit seinen 135 Minuten eine ziemliche Frechheit, vor allem da der in 3 Teile aufgesplittete Spaghetti sich kaum seinen Figuren widmet, sie ausreichend hervorheben und dem Film ein eigenes Gesicht geben kann. Statt dessen soll das angeblich der Western sein "mit dem Klaus Kinski seinen Durchbruch in Italien feierte". Bei 10 Minuten Einsatzzeit doch eher fragwürdig...

Bearbeitet von moodswing, 06. Juli 2007, 19:01.


#536 moodswing

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Geschrieben 10. Juli 2007, 08:35

Lord of the Rings: The Return of the King
Peter Jackson, USA/Neuseeland/Deutschland 2003

3 Stunden.

3 Stunden Religions-Mythologisierungen inklusive Erlösungsfantasien und Durchhalteparolen. 3 Stunden Landschafts-, Mittelalter und Kriegsromantik. 3 Stunden Grob-Politisierungen, Clash of the Cultures, Zivilisations- und Rassengematsche. 3 Stunden lang der Versuch möglichst viele Zuschauerkontingente zu befriedigen und dabei einen Mittelweg irgendwo zwischen kindgerecht und Kriegsorgie zu finden, versetzt mit Kifferwitzeleien und anderem Schabernack. 3 Stunden zerstückeltes, fragmentisiertes, flachgebügeltes, ausgelassenes Erzählen. 3 Stunden Kriegsgemälde, seriöser und konventioneller als 300 - 3 Stunden D-Day auf der Burg. 3 Stunden Weltenflucht. 3 Stunden das Gefühl des Erhabenen verbreiten...

#537 moodswing

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Geschrieben 12. Juli 2007, 14:46

Hotel
Jessica Hausner, Österreich/Deutschland 2004

Es darf tief in die Interpretationskiste gegriffen werden, geht man Jessica Hausners Hotel an. Mystery-Märchen, Horror-Schauer, aber eigentlich fernab jeglicher Genre-Kategorisierung streift der Plot ganz vorsichtig durchs Gras, besser Wald. Unsere Protagonistin sucht, wird angezogen, magisch, vielleicht auch nur menschlich vom Tode (wenn überhaupt). Die Neugier ist ohne Insignien des Glaubens dann, nachdem wir eigentlich schon gefaked worden sind, eben nur mit Konsequenz beantwortbar.

Die langen Gänge - ein bisschen Shining - ein wenig Gespensterromantik - ein Blinzeln in asiatische Genretendenzen (eine chinesische DVD eines österreichischen Films!) - mysteriös Verschachteltes in Kombination mit halbsatirischen Elementen - es "lyncht" um die Ecke. Aber am Ende das einfache Verschwinden - "disappear like shadows in the forest". Hotel ist eine Stilübung in Licht und Schatten, ein erquicklicher Film für 75 Minuten, der doch ein wenig zu sehr nach kühlem Kopfexperiment ausschaut...

DVD / OF --- Wertung: 5,0



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Geschrieben 14. Juli 2007, 14:02

Zusammengetragenes
Nachträge zum Februar/März/April 2007


Christoph Schlingensief hat es mir ja angetan in letzter Zeit. Bei der Erkundungsreise in seine Filmwelt stieß ich nun jüngst auf Egomania - Insel ohne Hoffnung (D 1993). Damit ist gemeint Langeneß. Eigentlich auch nicht richtig, denn Udo Kier wichtelt sie hier so als Baron Tante Teufel durch die Gegend, und übermannt den Menschen, die Familie, das Streben. Eine verteufelte freudsche Aphorismensammlung aus einem kranken Kleinhirn.

Ein ganz unangenehmer Film ist Cyclo (V/F/HK 1995), der Festivalgewinner in Venedig 1995 von Anh Hung Tran. Auf unfokussiertem Crashkurs lebt der Film zwischen Gewalt und Armut als bizarrer Trip durch Saigon, ein schlammig bebilderter Alptraum, der fast als Halluzination durchgehen könnte, würde diese Idee aus Realität und Poem aufgehen...

~~~

Thursday (Skip Woods, USA 1998) ist ein unterhaltsam-stumpfer Tarantino-Klon, genau genommen aber zu blöd und abgekupfert, um ihn wirklich leiden zu können. Ich habe die ganze Zeit gedacht, dass der um 2004 gedreht worden sei und war dann doch über das fortgeschrittene Alter erstaunt. Vollkommen untergegangen das Ganze, sicher auch nicht zu Unrecht...

Lasse Halströms Casanova (USA 2005) präsentiert sich als halbe romantic comedy, die leider zu niveaulos ist, um überhaupt ernst genommen zu werden. Einzig das Spiel mit Maskerade und Mythos, das der Film in seiner ansonsten zum Brechreiz anregenden locker-amurösen Art pflegt mag ein Stück weit durchdacht sein. Ansonsten eine ganz erbärmliche Klamotte...

Ein Film, der an einem vorbeirollt wie der massive Felsgranit am Anfang desselben ist Sexy Beast (UK/Sp 2000) von Videoclip-Regisseur Jonathan Glazer. Very British und für eine Ganovenkomödie schon seltsam ruhig wird das Werk vornehmlich durch die schmissigen Dialogkonstrukte und das prägnante Auftreten Ben Kingsleys charakterisiert. Viel mehr gibt es leider nicht, was nach den 80 Minten doch etwas zu mager ist, wenn auch Sexy Beast zehn Mal mehr Understatement besitzt als die unsäglichen Guy Ritchie-Tarantino-Klone...

~~~

Godzilla, King of the Monsters! (USA/J 1954) ist eine fast schon niedliche Kollage aus japanischem Filmfundus, sprich Orginal und amerikanischer Nachbearbeitung, die ziemlich steif daplatziert nachbearbeitet wurde...

Leider mit zuvielen Längen versetzt ertränkt dich Black Caesar aka Der Pate von Harlem (USA 1973) von Larry Cohen in seinem Kunstblut. Gute Blaxploitation sieht für meinen Geschmack anders aus.

Ebenfalls nicht ganz ausgereift ist der anzüglich freche La Bestia uccide a sangue freddo (I 1971) von Fernando di Leo zu dem es sich nun eigentlich geziemen würde sämtliche Titel zu benennen, die dem Werk verliehen wurden. Auch hier unnötige Längen, darüber hinaus aber ein karakoöser Spass mit Klaus Kinski.

3 Klassikersichtungen ohne Kommentar:
...Jack Arnolds Creature from the Black Lagoon (USA 1954)
...Chia-Liang Lius The 36 Chambers of the Shaolin (HK 1973)
...Dario Argentos Profondo Rosso (I 1975)

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Geschrieben 16. Juli 2007, 01:18

Star Crash
Luigi Cozzi, USA/Italien 1979

"Ich war im Himmel und habe mich genau umgesehen. Es gab keine Spur von Gott."

Juri Gagarin war Thema an einem dieser Donnerstage, an denen man sich des Nachts ins 3001 verirrte, um des Trashs zu huldigen, der dort, in Hamburgs Untergrund den Kanalratten zugespült wird. Als solch eine sah man zunächst eine kleine, scheinbar eher ernst gemeinte, obwohl mit Augenzwinkern versehene Einführung von "Virtuella" - einem sagen wir mal Kosmovestiten - zum Schaffen Juri Gagarins. Dem kommunistischen Vaterland dienend gings 1961 auf ins All, Juri sah keinen Gott, wie er oben zu verstehen gibt, aber hätte er etwas genauer hingesehen, dann hätte er vielleicht schon erahnen können, was da 18 Jahre später den Sternenstaub durchwirbelte und als Follow Up im 3001 gezeigt wurde...

Star Crash ist eine astreine Star Wars Verarsche, die so schön over the top ist, das der Film zumindest die erste Hälfte ungemein Spass macht. Später dann wird er leider etwas schludrig, ihm hätte eine Kürzung sicherlich gut getan. Dabei spielt sogar eine enttäuschte Erwartungshaltung mit in die Rezeption hinein. Gross angekündigt wird der Film mit dem Auftritt David Hasselhoffs - doch sein Part ist mickig und blass, der wahre Trash spielt sich vielmehr in der Inszenierung ab, bei den Stop-Motion-Plastikmonstern oder dem hineingesampelten Phaserregen. Star Crash kann das Erregungspotenzial zwar nicht 90 Minuten aufrecht erhalten, ein würdiger Repräsentant des Trashs ist er allemal...

3001 / DF



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Geschrieben 18. Juli 2007, 00:18

Strolchi - Mein bester Freund und ich - Ich hätte gerne einen Hund
? , Deutschland 198?

Bei Strolchi, dieser 30 minütigen Reportage über des deutschen liebstes Haustier, erlebt der Zuschauer eine skurrile Entdeckungsreise in die Konstellation Mensch/Hund. Dass Gott hier wirklich die 2 größten Tiere dieser Welt zusammengewürfelt hat beweisen einzelne mit 80ies Synthie-Musik unterlegte Ausschnitte in denen die Hunde tollen und ihre Herrchen und Frauchen häufiger mal vor die Kamera treten, während uns der Sprecher aufklärt: "Hunde sind es gewöhnt als Rudeltiere zu agieren, so kommen sie in der Welt der Menschen prächtig zurecht." Auf die Frage, warum sie denn ausgerechnet diese Rasse von Hund gewählt hätte, antwortet eine Frau: "Mein Ex-Freund hatte auch einen Cocker." Ah ja. Einen schönen Satz steuerte auch eine gut betuchte Dame bei: "Wir wollen den Pudel ja nicht zum Menschen degradieren." Und auch ein skurriler älterer Herr verteidigte die Ehre seines kleinen Boxers: "Manche Menschen meinen ja, Boxer besäßen eine abscheuliche Hässlichkeit. Ich aber meine, Boxer besitzen eine groteske Hässlichkeit!" Fein. Das ganze wirkt im Übrigen wie ein Propagandavideo der deutschen Polizei zum Selbstschutz der deutschen Seele - Hinweise sind gerne gesehen, wir werden weiter an dem Fall forschen...





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