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24 Frames/Sec - Spektralanalyse & Halogenflackern - Filmforen.de - Seite 27

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24 Frames/Sec - Spektralanalyse & Halogenflackern


818 Antworten in diesem Thema

#781 moodswing

    Albert Emanuel Voglers Adjutant

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Geschrieben 27. Februar 2009, 20:09

Fantasy Film Fest 2008 # 4

Was gibt es Schöneres als eine bitter-böse Sozialdystopie auf einem stets dem fiesen Grinsen verschriebenen Festival wie diesem?! Der Däne How to get Rid of the Others bleibt nur im allerätzendsten Sarkasmus erträglich. Der rotzfreche Roundhousekick spielt die Stammtischparolen durch und erstellt ein Szenario, in welchem die BILD nichts mehr zu schreiben hätte, würden ihre Empörungen doch standesgemäß Konsequenzen nach sich führen: Sozialschmarotzer und solche, als welche die Masse der Gesellschaft sie brandmarkt (Behinderte, Alkis, Künstler) werden in Schulgebäude interniert und per Schnellprozess zum Tode verurteilt, so sie denn den Staat mehr kosten, als sie ihm einbringen. Schluss mit dem Gerede, jetzt unternimmt der Staat mithilfe seines Militärs endlich einmal etwas. Anders Rønnow Klarlund schaffte in seinem zwischen Zynismus und Erschrecken pendelndem Werk den vermutlich schockierensten Film des ganzen Festivals. Rezeptionstechnisch immer wieder interessant zu beobachten, wie das Publikum herausgefordert wird, und solch einem ehrlichen Werk nicht standhalten kann, seine innere Unruhe bekämpft, indem es viel zu häufig in selbstberuhigendes Gelächter ausbricht. Dem monströsen Screenplay, welches den Grundgedanken ideenreich ausformuliert, lasten ein paar Fussel an, Spielereien, Komödiantisches, Überzogenes. Nichtsdestotrotz findet sich in How to get Rid of the Others eine politisches, durchaus sehr ernst gemeintes Anliegen, welches eine größere Bühne verdient hätte.

+++

Was gibt es Schöneres als einen kitschigen Liebesfilm auf einem vornehmlich dem Nerdtum verschrieben Festival wie diesem?! Der belgisch-niederländische Blind erzählt ein Märchen über 2 Außenseiter, die zueinander finden und sich doch über gesellschaftliche Barrieren, Normvorstellungen und das eigene niedrige Selbstwertgefühl hinwegsetzen müssen, um zu ihrem eigentlich so einfachen Ziel zu gelangen. Ruben ist blind und wird von der Albino Marie als Hausmädchen gehütet. Als er nach einer Augenoperation wieder sehen kann, flüchtet Marie aus Angst nun die Liebe zu verlieren. Das Selbstzerstörerische, was dieser altmodischen, farbentfilterten und schneeweißen, tieftraurigen und von Regieneuling Tamar van den Dop virtuos inszenierten Geschichte innewohnt ist kaum auszuhalten. Voll poetischer Nostalgie rauscht der Film dank seiner grandiosen Optik, dem Score und den starken Darstellerleistungen beinahe leise und bedächtig an einem vorbei. Wieder so ein Fall von Aufmerksamkeitsmangel der größeren Festivals, wieder muss man einen lauten Seufzer ausstoßen.

+++

Was gibt es Schöneres als eine als Vampirfilm deklarierte einfache und romantische Coming-of-Age-Geschichte auf so einem nach Monstern und Mythen schreienden Festival?! Der inzwischen allseits bekannte Schwede Let the Right One In erzählt - ähnlich dem oben erwähnten Blind - eine Geschichte von 2 Außenseitern, die in einer feindlichen Umgebung zueinander finden. Oskar ist ein Verstoßener von allen Seiten (geschiedene Eltern, Schulstress, drangsalierende Mitschüler) und Eli braucht trotz humanistischem Profil Blut, dass ihr gealterter Liebhaber (hier nun Vaterersatz) als sich Aufopfernder heran schafft. Die Spannung des sehr leisen, ebenfalls in nüchternen, unterkühlten Bildern eingefangenen Tragiestücks ergibt sich aus den Überlegungen über die Konsequenzen: Was für eine Zukunft hat diese aufblühende Zuneigung zwischen den beiden Kindern? Mit diesem stets über der Geschichte lauernden Gedanken wirkt Let the Right One In wie der große, ernste Bruder von Blind.

#782 moodswing

    Albert Emanuel Voglers Adjutant

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Geschrieben 01. März 2009, 18:18

Fantasy Film Fest 2008 # 5

Dieses letztjährige Fantasy Filmfest wäre nicht fertig besprochen ohne Mad Detective erwähnt zu haben. Johnnie To und Wai Ka Fai erzählen die Geschichte eines schizophrenen Cops in subjektiver Perspektive. Das wilde Unterfangen gelingt überraschenderweise, dank der Stilsicherheit mit der die beiden Regisseure das Genre des Hong Kong Cop Thrillers perspektivisch neu formatieren. Der Gestus eines postklassischen Noirs trifft auf eine tragische Komödie, welche sich dank der liebevollen Annäherung der Macher an ihre Figuren entwickeln darf. Trotz des durchweg angenehmen Tons lässt sich der schreiende Pessismismus, den der Film transportiert, nicht unterkriegen. Technisch versiert, audiovisuell brillant und äußerst experimentierfreudig endet der Schelm in einem Oldschool-Spiegel-Shootout, welches den unerwarteten Reißer letztlich angemessen abrundet.

+++

Dieses letztjährige Fantasy Filmfest wäre nicht denkbar ohne den Festival-Radikalo Martyrs. Pascal Laugiers Versuchsanordnung im Folterfilm-ABC heutiger Tage ist echtes Körperkino, ein Brecher, blutig, aber nicht laut; schockierend, aber kein affektheischendes Kino. Er kennt seine Vorbilder der jüngsten Vergangenheit und wendet sich doch von ihnen ab. Ein banales Gut-Böse-Schema wird nicht aufgemacht, an einer reinen Rachegeschichte ist es ihm nicht gelegen. Vielmehr bricht er diese, indem er auf Anti-Karthatische Weise eine Erzählrichtung wählt, die trotz der narrativen Verästelungen der - so scheint es manchmal - etwas desorientierten Geschichte, unangenehm ungebrochen auf den Zuschauer losgelassen wird. Martyrs erzählt zunächst von Traumata und Schizophrenie, schaut im Mittelteil in den "Keller" der mittelständischen, glücklichen Familie und beendet sein Szenario mit einem kaum noch reflektierbaren, stoischen Spiel des "torture porn", dessen Begrifflichkeit sich hier so beileibe nicht mehr anwenden lässt. Ob das nun sehr abgefeimt oder zynisch ist, mag ich gar nicht beurteilen. Ein Film, der einen in der Ratlosigkeit zurück Gebliebenen zur Zweitsichtung auffordert.

+++

Das letztjährige Fantasy Film Fest bekam einen hübschen Schub auch durch einen kleinen, bösen Briten: Donkey Punch von Oliver Blackburn beginnt als stylischer Trip in jugendlichen Hedonismus. Drei schicksenhafte Mädels und drei schnöselige Machos machen einen Trip auf einer Yacht vor der Küste Mallorcas. Drogen, Sex und Musik machen dem vergnügungssüchtigen Publikum Spass, so lange bis die unangenehme Realität einbricht. Der Film wendet sich vom Videoclip zum hysterischen Szenario, in dem es heißt: Hier denkt jeder nur an seine eigene Haut, das Tier Mensch wird zum unberechenbarsten Gegner, alles endet in Mord- und Totschlag wie es schon die Bibel predigt. Auch wenn der Film nach seinem geschickt bedienten Affirmations-/Kritikdualismus am Ende in purer Metzelei untergeht, macht er in seiner Kammerspiel-Dystopie doch Sinn und hat tatsächlich mehr zu erzählen als der durchschnittliche Genrevertreter.

+++

Das letztjährige Fantasy Film Fest wäre nicht, was es war, gäbe es da nicht diesen Geheimtipp, den sich irgendwie niemand angesehen hat. Noch so ein kleiner Brite, und noch so ein Kammerspiel, dass einen gesamtgesellschaftlichen Moment erfasst. Sehr reduziert und fokussiert auf sein Anliegen erzählt Senseless die Geschichte eines Mannes, der von maskierten Kidnappern in einem weißen, leeren Raum gefangen gehalten wird, und tagtäglich Gliedmaßen verliert, muss mit seinem Körper buchstäblich für die Weltpolitik seines Landes, der USA herhalten. Dem exploitativen Gestus Politik mit Horror, Folter und Ekel zu verbinden, liegt weitaus mehr inne als man es vom Papier her annehmen könnte. Simon Hynd geht es um ideologische Grabenkämpfe und gefühlskalten Antihumanismus, der sich in der Verteidigung vermeintlich richtiger Werte Bahn brechen kann. Im Grunde genommen handelt es sich bei Senseless um eine Skizze eines modernen Terrorismus, funktional eingebettet in einen schockierenden Erzählartefakt.

#783 moodswing

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Geschrieben 04. März 2009, 21:49

Fantasy Film Fest 2008 # 6

Wer hat es jetzt nicht in die begehrten, ersten 5 Einträge geschafft?

Zum Einen wäre dort Mirrors zu nennen. Zu dem könnte man jetzt lange Abhandlungen schreiben, wie man als talentierter Regisseur eben keinen solchen Film in Hollywood drehen sollte. Oder man beschwert sich nur kurz darüber, dass Alexandre Ajas Neuster zwar gründlich und überzeugend inszeniert sein mag, sich aber doch nur uralter Motive bedient, ohne dem Geisterhausgenre etwas hinzuzufügen. Hollywoodhorror pur, die Brutalität der Morde wird schnell ausgeglichen durch Sutherlands starkes Familien-Erretter-Motiv. Die Auflösung aus dem übernatürliche Verschwörung vs Schizophreniekonflikt kennt man nun auch schon.

+++

Hier im zusammengekratzten Rest zu erscheinen, bedeutet aber bitte schön nicht automatisch großer Mist gewesen zu sein. Ich kam in das Vergnügen die Manga-Spielerei Afro Samurai gleich zweimal sehen zu dürfen. Der feine Genremix aus asiatischen und afroamerikanischen Motiven zeigt das Leben als steten Kampf, das Spektakel benötigt keine Narration und verliert sich in den vorbei fliegenden Bildern. Da die Chose mit der Zeit ziemlich monoton wird, muss man sich erbauen am - von Wu-Tanger RZA beigesteuerten - Score und der grimmigen Attitüde, die Afro Samurai doch äußerst sympathisch dauerbelebt.

+++

Ole Bornedal zeigt sich nach einigen Jahren auf Tauchgang wieder gleich mit zwei Filmen. The Substitute habe ich noch nicht gesehen, Just Another Love Story auf dem Festival. Der stark überkonstruierte Neo-Noir bewegt sich zunächst technisch noch im Zickzack, wird später dann aber inkohärenter Weise ruhiger. Seine Schauspieler (Nikolaj Lie Kaas) sind ihm übergeordnet wichtig, dass schon (wieder) etwas Hollywoodflavour aufkommt. Er besteht auf den emotionalen Impakt, den seine versponnene Story aber nicht mehr her gibt.

+++

Der koreanische Abschlussfilm The Chaser ist ein opulentes Narrativik-Kaleidoskop, düster, virulent, böse. Ein enthusiastischer Drehkreisel, der hier und da an Schwung verliert in seinem Bestreben traditionelle Plotlinien zu durchbrechen, doch am Ende eindrucksvoll zurückschlägt, indem er - ganz altmodisch - die Tragik am klassischen Schuldmotiv entfaltet.

#784 moodswing

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Geschrieben 08. März 2009, 20:32

Fantasy Film Fest 2008 # 7

2 x Frankreich: Crossfire ist ein solider französischer Copthriller, der mit einer feinen Assault on Precinct 13 Hommage - einem schön anzuschauenden Shootout - endet. Der französische Silence of the Lambs heißt Melody's Smile und kommt einige Jahre verspätet könnte man meinen. Auch bei diesem Profiler-Thriller solides Handwerk an vorderster Front. Besitzt ein gut getimetes Ende, wenngleich sich stets zu augenscheinlich fleißig von den Vorbildern bedient wurde.

+++

Ein Film wie der griechische (dort gibt es eine Filmindustrie?) Tale 52 hat es bei so einem Festival schwer. Der Body Cinema Psychotrip ist schwere Arthousekost mit Sorgenfalten auf der Stirn, und nicht so wirklich massenkompatibel. Arthouse wollte irgendwie auch das seltsame Remake von Sasori sein - Als hätte eine Wong Kar Wai Epigone einen B-Movie im vollkommen neuen Gewand nachgedreht.

+++

Was vom Sommer übrig blieb? Summer Scars - der britische Low-Budget-Jugend-Krimi. In der Ästhetik eines Filmhochschulabschlussfilms. Seltsam. Ideenlos. Downloading Nancy in bewährter Sundance-Optik mit provokantem Thema, dass alles in allem aber solide und unaufgeregt umgesetzt wird. Kein Grund zum Feiern, keiner zum Ausrasten.

#785 moodswing

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Geschrieben 09. März 2009, 12:55

Lieblingsfilme 2008

Frische Liebe

Top 5
Tôkyô Sonata (Kurosawa)
Waltz with Bashir (Folman)
The Wrestler (Aronofsky)
Stray Dog (Brant/Ciasca)
The Fall (Tarsem)

6. No Country for Old Men* (Coens)
7. Chop Shop (Bahrani)
8. It's a Free World... (Loach)
9. Leo (Fares)
10. How to get Rid of the Others (Klarlund)
11. Blind (van den Dop)
12. The Visitor (McCarthy)
13. There Will Be Blood* (Anderson)
14. Let's Make Money* (Wagenhofer)
15. Jerichow (Petzold)
16. Vicky Cristina Barcelona (Allen)
17. Ballast (Hammer)
18. Wall-E* (Stanton)
19. Tropa De Elite (Padilha)
20. Wolke 9 (Dresen)


"love to listen to the old stories"
Stalker (Tarkowskij, 1979)
My Life without Me (Coixet, 2002)
Mondo Cane* (Jacopetti, 1962)
Shock Corridor (Fuller, 1963)
White Dog (Fuller, 1982)
The Warriors (Hill, 1979)
Lefty* (Rehbein/Scheffler, 1978)
Miller's Crossing* (Coens, 1990)
My Brother's Wedding (Burnett, 1983)
Slam (Levin, 1998)
Electroma (Daft Punk, 2006)
Wolfsburg (Petzold, 2003)
Orfeu Negro (Camus, 1959)
The General (Keaton, 1926)
Logan's Run (Anderson, 1976)
Ilsa, She Wolf of the SS* (Edmonds, 1975)
Jesus, du weisst (Seidl, 2003)
Duel (Spielberg, 1971)
Jacob's Ladder* (Lyne, 1990)

* (noch) kein Text verfasst.

#786 moodswing

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Geschrieben 19. März 2009, 19:56

Runner Ups 2008

Mad Detective (To/Wai) +++ Let the Right One In (Alfredson) +++ We Own the Night (Gray) +++ Le Silence de Lorna* (Dardennes) +++ Johnny Mad Dog (Sauvaire) +++ 100 Feet (Red) +++ Adoration (Egoyan) +++ Burn After Reading (Coens) +++ Blindness (Mereilles) +++ The Dark Knight (Nolan) +++ Jesus Christus Erlöser (Geyer) +++ The Midnight Meat Train (Kitamura) +++ Revolutionary Road (Mendes) +++ Fireflies in the Garden (Lee) +++ Boy A (Crowley) +++ United Red Army (Wakamatsu) +++ Heimatkunde (Sonneborn) +++ Sparrow (To) +++ Chaos Calmo (Grimaldi) +++ Eden Lake (Watkins) +++ Tout est parfait (Fournier) +++ Sweeney Todd (Burton) +++ Before the Devil Knows You're Dead (Lumet) +++ Du Levande (Andersson) +++ The Strangers (Bertino) +++ Running with Scissors (Murphy) +++ Iron Man (Favreau) +++ The Wind that Shakes the Barley (Loach) +++ A L'Intérieur (Bustillo & Maury) +++ Frontière(s) (Gens) +++ [REC] (Balagueró/Plaza) +++ Things We Lost in the Fire (Bier) +++ Ben X (Balthazar) +++ Cassandra's Dream (Allen) +++ The Chaser (Na) +++ Elegy (Coixet) +++ Keine Sorge, mir geht's gut (Lionet) +++ Auge in Auge - Eine deutsche Filmgeschichte (Althen & Prinzler) +++ The Incredible Hulk (Leterrier) +++ La Grain et le mulet (Kechiche) +++ The Dead Girl (Moncrieff) +++ 35 Rum (Denis) +++ Donkey Punch (Blackburn) +++ Tony Manero (Larrain) +++ Versailles (Schöller) +++ Tokyo! (Bong/Gondry/Carax) +++ Hush (Tonderai) +++ Idiots and Angels (Plympton) +++ The Best of Me (Aguilar) +++ The Art of Negative Thinking (Breien) +++ Wanted (Bekmambetov) +++ Senseless (Hynd) +++ Afro Samurai (Okazaki) +++ 36 Pasos (Bogliano)

#787 moodswing

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Geschrieben 23. März 2009, 11:10

Zwiespältiges 2008

Once (Carney) +++ I am Legend (Lawrence) +++ Speed Racer (Wachowskis) +++ All the Boys Love Mandy Lane (Levine) +++ The Eye (Palud & Moreau) +++ Elegy (Coixet) +++ Hancock (Berg) +++ The Devil cam on Horseback (Sundberg/Stern) +++ Rendition (Hood) +++ The Dark Knight (Nolan) +++ Awake (Harold) +++ Quantum of Solace (Forster) +++ The Happening (Shyamalan) +++ Storytelling (Solondz) +++ The Day the Earth Stood Still (Derrickson)


Enttäuschungen/Überschätztes 2008

Mirrors (Aja) +++ Transsiberian (Anderson) +++ Katýn (Wajda) +++ Just Another Love Story (Bornedal) +++ Buddha Collpased out of Shame (Makhmalbaf) +++ In the Valley of Elah (Haggis) +++ A Thousand Years of good Prayers (Wang) +++ 99 francs (Kounen) +++ Walk the Line (Mangold) +++ Rescue Dawn (Herzog) +++ The X-Files: I want to believe (Carter) +++ Three Monkeys (Ceylan) +++ El Baño del Papa (Charlone/Fernandez) +++ You and Me and Everyone We Know (July) +++ Redacted (De Palma) +++ Body of Lies (Scott) +++ The Illusionist (Burger) +++ The Walker (Schrader) +++ Valkyrie (Singer) +++ My Name is Bruce (Campbell)

#788 moodswing

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Geschrieben 27. März 2009, 20:32

Toiletten 2008

1. Barfuss (Schweiger)
2. Der rote Baron (Müllerschön)
3. Esperanza (Bács)
4. AlleAlle (Planitzer)
5. Seven Pounds (Muccino)
6. Australia (Luhrmann)
7. Saw V (Hackl)
8. The Island (Bay)
9. Black Hawk Down (Scott)
10. Palermo Shooting (Wenders)

Standard Operating Procedure (Morris) +++ Signs (Shyamalan) +++ The Mist (Darabont) +++ Bananaz (Levy) +++ The Jacket (Maybury) +++ In Love We Trust (Wang) +++ It's Alive (Rusnak) +++ Day and Night (Hong) +++ Lady Blood (Vincent) +++ Feuerherz (Falorni) +++ Coupable (Masson) +++ Filth & Wisdom (Madonna) +++ Echo Park L.A. (Glatzer/Westmoreland) +++ Elizabeth: The Golden Age (Kapur) +++ An Empress and the Warrior (Ching) +++ Charlie Wilson's War (Nichols) +++ Love in the Time of Cholera (Newell) +++ Funny Games U.S. (Haneke) +++ Hitlerkantate (Brückner) +++ Manufacturing Dissent (Caine/Melnyk) +++ Liverpool (Alonso) +++ Der Baader-Meinhof-Komplex +++ Nichts als Gespenster (Gypkens) +++ XII (Nickles) +++ Evening* (Koltai) +++ Little Man* (Wayans) +++ Antikörper* (Alvart) +++ Winterschläfer* (Tykwer, 97) +++ Prom Night** (McCormick) +++ Falco - Verdammt, wir leben noch!* (Roth) +++ German Fried Movie* (Boll/Lustig) +++ The Contract* (Beresford) +++ 88 Minutes* (Avnet)

* Nicht mal mehr die Kraft gehabt für einen Verriss
** ist eigentlich der schlechteste Film, den ich dieses Jahr gesehen habe

#789 moodswing

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Geschrieben 03. April 2009, 18:47

Mother's Day
Charles Kaufman, USA 1980

Kaufmans hochinteressanter Genrehybrid übt sich im ungezügelten, ungezogenen Tonlagenwechsel wie selten zuvor gesehen. Vordergründig ist Mother's Day Backwood-Horror und Slaherfilmchen. 2 muntere Debilos malträtieren gerne mal den urbanen Jungmenschen, der zur Erholung in die Waldgebiete um Chicago tourt. Das Alles vor den funkelnden Augen ihrer hochverehrten Mutter. 3 junge Damen, gerade die Schwelle des Erwachsenwerdens überschritten, verirren sich nun in die Hände dieser Unmenschen. Nach dem "Spiel" mit dem ersten Opfer, welches fließend übergeht in Vergewaltigung und Mord, können sich die anderen beiden Mädels befreien und bereiten den Gegenschlag vor.

Im Kern und unter der Oberfläche ist Mother's Day eine Versuchsanordnung über Adoleszenz und die Überwindung der Grenzen zum Erwachsenwerden. Die bösen Buben sind tatsächlich eigentlich nur sadistische Kinder, die sich gerne auch mal 5 Minuten lang (!) raufen. Entscheidend ist die Beziehung zur Mutter, die ihre beiden Süßherzen an sich binden will, für immer und ewig. Zuckerbrot und Peitsche sind die Methoden, die Peitsche dürfen aber gerne die Bengel ausprobieren an ihrem "Spielzeug". Mutter lässt die Burschen von der Leine, auf dass sie fleißig ihren Spiel-, Sex- und Aggressionstrieb ausleben können, um dann geschafft wieder zurückzukehren zur good old mama. Damit das alles in gelenkten Bahnen abläuft schaut die Dame des Hauses bei all den Schandtaten zu, gibt Anweisungen und verpackt die Triebabfuhr ihrer Zöglinge in Spielen. Doch halt: Bevor es losgeht bekommt Mutti erstmal noch ein Bussi...

Die Jungs sind auch weiterhin tief in der Pubertät stecken geblieben. Wecken lassen sie sich vom Bebop-Wecker, trainieren ihre Männlichkeit in einer eigens eingerichteten Muckibude und haben überall in der Wohnung latent homosexuelle Poster von durchtrainierten Vorbildern hängen. Die drei Frauen hingegen haben sich aus der Phase einer unbeschwerten Jugend bereits hinaus bewegt. Die Rückkehr zum gemeinsamen "Miteinandersein" wie in früheren Jahren steht im Kontrast zur steckengebliebenen Entwicklung der Mörderfamilie.

Das weibliche Empowerment gerät im Rape and Revenge Streifen zum zentralen Motiv, nachdem die Gebrüder Grimmig niedergemetzelt wurden (Axt in den Hoden ist da eine Selbstverständlichkeit) geht es der Mutter an den Kragen. Da hier eh alles over the top ist, wird diese mit aufblasbaren Gummititten zur Strecken gebracht, während der Mutter-Komplex bei der Mörderin hervorbricht. Und als ob das noch nicht genug des Schabernacks wäre spingt in letzter Sekunde auch noch die Tante (eine Hexe) aus dem Busch.

Kaufmans manchmal etwas schwierig austarierter Schizo ist zwischen dem Gewaltexzess und dem Drama (ja, die Mädel-Figuren werden ganz im Gegensatz zu den fiesen Typen ziemlich ernst genommen) eindeutig auch eine Satire mit gar Slapstick Momenten. Irgendwann zwischendrin gibt es mal eine vollkommen unzusammenhängend hineingeschnittene Szene aus dem High Society Jet Set in Hollywood. Man fragt sich "Häh?". Irgendwie aber eigentlich auch nicht. Mother's Day fordert dazu auf Spass zu haben. Dem sollte man nachkommen.

#790 moodswing

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Geschrieben 06. April 2009, 13:17

Der Schweigende Stern
Kurt Maezig, DDR/Polen 1960

Bei der Kombination von realsozialistischem Gesellschaftsbild und Science-Fiction muss aufgehorcht werden. In Kurt Maetzigs Der Schweigende Stern geht eine extra-bunt gemischte Crew aus Schwarzen (Angola?), Gelben (China?) und Deutschen (Brinkmann!) auf Expeditionstour zum Jupiter. Siehe da, auch die Amis wollen mit von der Partie sein, zumindest die neue Generation, die dem alten Hiroshima-Sack aus seiner amerikanischen Forschungsstation, der original vermutlich ein DDR-Schauspieler mit Nazivergangenheit war, erstmal den Marsch bläst. Während die friedlich-fröhliche Weltengemeinschaft (Ich entdeckte Inder, Araber, Asiaten, Afrikaner - ich glaube die DDR sah einst aus wie ein kleiner Arche Noah Zoo) sich an den Händen fasst und brav zum Abschied winkt, verkriechen sich unseren wacken Recken in ein Lego-Wespennest aus solider Plastik. Nachdem simulierte Riesenpopcörner das Schiff kurzzeitig aus der Bahn werfen, erreichen unsere Helden die Venus. Und was gibt's? Außer einem nuklearen Holocaust? Nicht mehr viel. Kennt ihr noch diese Steckpferde, die früher in der Kinderzeit aus Kastanien zusammengebastelt wurden? Die gibt es auf der Venus auch, allerdings mit Metalllackierung und sie leben und hüpfen herum. Tun aber niemanden was. Gefährlicher ist da schon der schwarz-grün-braune Blob, der wie aus einer übergelaufenen Toilette aus einem dem Turm Pisa zum verwechseln ähnlich sehenden Geschoss über unsere Crew herüber blubbert. Viel mehr sehen die Multikulti-Verkünder allerdings nicht und so wird die Rückreise angetreten, nicht ganz ohne Märtyrer zu hinterlassen. Wieder angekommen auf der Erde fassen sich alle an den Händen und tanzen Ringelpietz im Kreis.

Ich habe den schweigenden Stern erstmals auf der Fusion 08 gesehen, 4 Uhr morgens, beseelt von Alkohol zwischen Schlafenden und Druffies. Ein feines Erlebnis und sicherlich das richtige Ambiente für diese Knallschote von ernstgemeintem Trash. Dennoch übermannte mich ein starkes Schlafgefühl nach 45 Minuten und so holte ich das Werk dieser Tage mal nach. Ich weiß jetzt auch wieder, warum ich einschlief, es waren die Biere wohl (diese Lumpen!) aber auch eine gewisse Stagnation, die unsere realsozialistische Friedensutopie hier versprüht. Ausgerechnet. Na sowas! Niemand hatte die Absicht das zu tun. Da bin ich mir ganz sicher. Aber wenn zum fünften Mal ganz subtil die Hiroshimatragödie herangezogen wird, um klar zu machen, das Frieden doch cooler wär reicht's dann auch. Aber was will man machen, der Kreativität sind im Kollektiv eben auch Grenzen gesetzt. Trotzdem ein netter Schlingel, dieser Schnuckiputz.

#791 moodswing

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Geschrieben 07. April 2009, 20:05

Aguirre, der Zorn Gottes
Werner Herzog, Deutschland/Peru/Mexiko 1972

Wie lässt sich Wahnsinn filmisch darstellen? Apocalypse Now hat es da einst versucht, Clockwork Orange ließe sich anführen, oder etwa auch Shock Corridor. Am Besten ist es vielleicht aber doch, wenn ein Film über Irrsinn auch unter Bedingungen hergestellt wurde, die absurd und abstrus erscheinen. Schaut man sich Aguirre, der Zorn Gottes an, so - und das ist äußerst selten bei einem Film - sieht man ihm seinen Schaffensprozess förmlich an.

Klaus Kinski ist entgegen der allgemeinen Meinung da auch nur ein Rädchen im Betrieb dieses aus den Ufern gelaufenen Projekts. Er spielt den Inbegriff des in seiner Hybris untergehenden, moralisch verwerflichen, Macht korumpierten Menschen, in diesem Fall im abstrakten Historienszenario auf einer Kolonialexpedition durch den Amazonas-Regenwald Ende des 16.Jahrhunderts. Durch die übergroßen Naturszenarien kämpft sich der Trupp, gespielt angeblich aus einer Mischung von echten Eingeborenen und von der Straße geholten Obdachlosen. Immer mit dabei als Symbol der behaupteten Überlegenheit einer menschlichen Übermacht - eine Kanone. In rostiger Kluft schlagen sich die Männer beinahe orienterungslos und umgeben von einer Natur, die das Knäuel aus Menschenfleisch gut und gerne jederzeit als Spielball benutzen kann, durch den Dschungel. Entscheidend bei diesem in jeder Hinsicht "unperfektionistischen" Film ist neben seiner steten Geistesabwesenheit und Verlorenheit auch im Filmischen dann das Ende. Dem Wahn, der Krankheit und dem Tod verfallen stürzt Kinski vom einen Ende des Floßes zum Anderen, umgeben von Leichenbergen und einer Horde Affen, die Herzog angeblich sich als Tierarzt ausgebend von einem Flugplatz gestohlen haben soll. Dabei säuselt er seine Größenfantasien der Kamera entgegen und an ihr vorbei, ganz weltvergessen, fast poetisch. Der Menschentross hat sich von ihm in die Irre führen lassen, fast widerspruchslos, wie das Menschenmassen in der Geschichte ja schon so häufig getan haben, direkt in ihr Unheil. Diese Szene ist - majeströs, desaströs untermalt von der Musik Popol Vuhs - der wegweisende Klimax für die gesamte Rezeption. Einmal wird hier ganz aufs Filmische gegangen, die Kamera dynamisch-selbstbewusst ums Floss kreisen gelassen, die Musik laut aufgefahren wie Fanfaren für das Meisterliche.

Wenige Worte sollen noch verloren werden zu den Themen Humor und Synchronisation. Ganz entscheidend und fast aus dem Film herausreißend stellen sich kurze humoristische Momente ein ("Lange Pfeile sind in Mode gekommen."). Zum Einen geht das, weil der ganze Film eben auch einen steten Verweis auf den Herstellungsprozess beinhaltet, und diese Momente dann nochmal bewusst "herausreißen". Zum Anderen lässt sich Wahnsinn durch Wahnwitz sicherlich recht adäquat wiedergeben. Dahingehend ließe sich vielleicht auch die lausige, wirklich obzön furchtbare Synchro einordnen. Trotzdem fühlt man sich zuweilen wie in einem spanisch-italienischen Abenteuerfilm (als Genrependant zum Italowestern), dem in deutschen Synchronstudios eine unfreiwillig komische Note zugefügt wurde. Der eh schon verquer-seltsamen Stimmung tut dies freilich keinen Abbruch.

#792 moodswing

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Geschrieben 10. April 2009, 11:58

Who killed Jessie?
(Kdo chce zabít Jessii? Wer will Jessie umbringen?)
Václav Vorlícek, Tschechoslowakei 1966

Mit welcher Leichtigkeit auch im osteuropäischen Kino vor 1990 subversives Understatement auf die Leinwand gezaubert werden konnte, ist beeindruckend. Václav Vorlícek (der später Drei Nüsse für Aschenbrödel sowie andere Märchenklassiker für das östliche Kinderauge erschuf) inszeniert eine Geschichte von Milos Macourek. Ein Ehepaar arbeitet in der Forschung, die Frau erfindet ein Serum, mit dem man verdrängte (!) Träume in die Realität holen kann und diese durch "schöne" Imaginationen im Kopf des Probanden ersetzt werden. Ganz flockig lassen sich diese übrigens anhand eines Monitors, optisch den ostdeutschen Fernsehgeräten vor der Wende entsprechend, beobachten. Eine Kuh träumt so beispielsweise anstatt ihres Alptraumes von sie belästigenden Scheißhausfliegen, in einer Hängematte zu liegen und an Blumen zu kauen. Die Fliegen derweil vergnügen sich im echten Leben, im Versuchslabor.

Nun begibt es sich ausgerechnet, dass ihr Ehemann nur ungern den ehelichen Pflichten nachkommt und immer Donnerstags zum Rapport aufs Ehebett gebeten wird. Viel lieber allerdings träumt der arme Kerl von einer blonden Superfrau, die er in in einem Comicreich vor einem Cowboy mit Alkigesicht und einem muskelbepackten Superman (Achtung: Amerikaschelte!) retten muss. Seine durchtriebene Ehefrau riecht den Braten als er eines nachts an seinem Kissen herum kaut und schließt ihn kurzerhand ans Gerät an. Nebeneffekt: Die hübsche Maid samt ihren Verfolgern geraten in die Realität. Nachdem sie sich einen ganzen Tag lang in der sozialistischen Plattenbauwohnung des Wissenschaftler-Ehepaares (ganz Comicstyle) geprügelt haben, und diverse realsozialistische Einrichtungsgegenstände zu Bruch gehen, kommt es zum Katz-und-Maus-Spiel in der Realwelt. Das blonde Superweib ist dabei immer auf der Suche nach ihrem "Traummann" - unserem Wissenschaftler.

Vorlíceks Film ist neben seinen kreativen Einfällen (Sprechblasen in der Realwelt, Medienwechsel etc) vor allem ein gutes Stück anarchistischer Slapstick. Keine Frage, Wer will Jessie umbringen? ist in erster Linie eine Komödie, manchmal mit banalem, häufig aber auch mit gerissenem Witz. Unbeschnittenerweise verteilt er Seitenhiebe nach allen Seiten aus, sein fröhlicher Charakter machte es ihm sicherlich leicht, auch die satirischen Szenen gegen das eigene ideologische System durchzusetzen. Am Gewichtigsten dabei sicherlich die Gerichtsszene, in der ziemlich humorfrei über die "Freiheit der Träume" bzw. über deren Kontrolle debattiert wird. Anschließend versuchen die Wissenschaftler (immernoch angeführt von der fiesen Ehefrau) die Comicfiguren durch doch ziemlich rabiat-brutale Methoden das Leben zu nehmen (Einäscherung und Körperstrangulierung). Die Szenen werden zwar - ganz dem Comichaften verschrieben - unblutig und überhöht aufgelöst, die Idee allein allerdings ist interessant, das "Verdrängte" und das "Freiheitliche" durch Ultrabrutalität und purer Inhumanität aus dem eigenen ideologischen System tilgen zu wollen.

Mehr Kritik ist dann aber nicht drin, und so flitzt Who killed Jessie? von einem Abenteuerplotpoint zur nächsten Slapstickszene. Keinen Groll dagegen, denn mehr war sicherlich nicht drin, und die bis zum Ende ausformulierte Erzählung macht auch abseits der subversiven Momente großen Spass. Am Ende lässt sich der Film dann vor allem an dem ihn bereits stets durchziehenden misogynen Gesten nieder. Denn im Moment des Happy Ends (unser Wissenschaftler hat über seine dominante Ehefrau triumphiert und lässt sich auf dem Bett mit der Superblondine nieder) fängt sie an zu sprechen und droht ihm: "Ab jetzt träumst du aber nur noch von mir!" Armer Kerl...

#793 moodswing

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Geschrieben 14. April 2009, 10:21

Gran Torino
Clint Eastwood, USA 2008

Das Schöne an Eastwoods Neustem ist wohl, das man mal herzlich lachen kann. Also ganz mit dem Film, nicht unbedingt über ihn (dies auch, aber das ist ja inzwischen fast Standard bei Eastwood). GRAN TORINO würde ich tatsächlich vornehmlich als Komödie einordnen. Die alte, graue Eminenz Hollywoods Clint spielt einen alten, grauen Griesgram und Rassisten (huch!) und auch die Autorität, den Moralwächter seiner Nachbarschaft und Vertreter der alten Werte. Die interkulturellen Schnittpunkte verhandelt sein Film maßgeblich, Eastwood lebt als Witwer im asiatischen Viertel eines Chicagoer Vorortes. Der alte Koreakriegsveteran hat sich das nicht ausgesucht, sondern musste die soziale Umordnung seines Viertels ohnmächtig mitansehen. Jetzt, wo seine Frau gestorben ist, will er seine Ruhe haben doch bekommt diese nicht. Eine Jugendgang terrorisiert seine asiatischen Nachbarn und langsam kommt er der Familie näher. Wie dieses Näherkommen gestaltet ist mag einer der sehr positiven Seiten des Films sein. Zwar vermag die Lo-Fi-Darstellerriege nicht viel auszurichten (mag eventuell am Old-School-Regiestil Eastwoods liegen), aber die Dialoge und Situationen sind durchaus hübsch anzuschauen. Kowalski (ja, so heißt seine Figur tatsächlich) hat eine richtig raue Schale und die beginnt man schnell zu mögen in diesem Meer aus Grummeleien, in tiefen Falten gelegten Stirn und Spuckattacken. Viel Humor funktioniert über die Ebene der Sprache und ich wäre in diesem Zusammenhang doch sehr interessiert zu sehen, wie das die deutsche Syncro transferieren will (der Film dürfte gedubbed gelinde gesagt eine herbe Lächerlichkeit sein).

Trotz der streckenweise authentischen (teilweise auch hanebüchenen) Humoristik allerdings bietet GRAN TORINO auch eine Menge Abgeschmacktes. Das fängt vom abruptem Wechsel zum ernsthaften Moralfilmchen gegen Ende - welches ich ihm damit nicht abnehmen kann - an. Wirklich unschön ist aber Eastwoods Selbstinszenierung zum einen als Vaterersatz in der asiatischen Familie (in dessen Essenz die "family values" und ein "how to be a real man" Diskurs eingelagert sind), zum Anderen als Märtyrer. Eastwood tritt am Ende als sein Schicksal akzeptierender, endlich die Ruhe findender (natürlich macht er zuletzt auch endlich seinen Frieden mit der Kirche) Moralvertreter - und damit auch als Gegenbild etwa zum Dollar-Antihelden oder Dirty Harry - auf. Altersweisheit könnte man es nennen, viel eher aber doch greise Selbstbeweihräucherung, wenn Eastwood hier zum Held im Kampf gegen das per klarer Demarkationslinie bestimmte Böse wird und gleichzeitig seine Schuld gewaltfrei abladen kann. Es kommt in Mode, dass die Stars maßgeblich ihre Projekte vorantreiben, nicht selten als Erlöserfigur. Eastwood als Oldschooler ist da keine Ausnahme.

#794 moodswing

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Geschrieben 15. April 2009, 14:58

Solyaris
Andrei Tarkowskij, Sowjetunion 1972

7 Jahre bevor Andrej Tarkowskij mit STALKER seinen Meilenstein schuf, der sich längst aus Genrepfaden herausgelöst hatte, probierte er sich an einer Geschichte von Stanislaw Lem. SOLARIS versteht sich allerdings nur im Mantel, im Rahmen des Science-Fiction-Films, wenngleich alle Motive darauf hindeuten. Vielmehr ist auch dieser Film ein philosophischer Weitläufer, ein gigantisches Gedankengeflecht, ein textbessenes Kopfgespinst.

Ähnlich dem STALKER entwirft der Film ein Szenario, das sich konzentriert auf die Unterschiede der Begriffswelten Tarkowskijs. Gleich zu Beginn zieht uns der Film in eine prächtige, fließende Naturlandschaft hinein. Familie als Thema bekommt auch nur in diesem Raum ein reales Gesicht. Der Protagonist verabschiedet sich und fliegt per Raumblase (Huhu, Fountain!) zu einer Raumstation. Bereits vorher bekommen wir eine bemerkenswert dichte, grobe Sequenz zu sehen, die Tarkowskij Jahre später mit der Draisinen-Fahrt im STALKER wiederholen sollte. Die industrielle Blechlawine verdichtet sich zum traumatischen Motiv der Entfremdung. Die Straßen kreuzen sich, der Geräuschpegel wird grenzwertig, der Vorgänger im All - jemand der dank seiner Widerrede gegen die Zivilisation der Wissenschaftlichkeit von dieser bereits geschasst wurde - steckt fest im dynamischen Strom des Lichtermeeres. Die Unnatürlichkeit kontrastiert der Film gleich im nächsten Schuss schon wieder mit dem ruhenden Organischen des Flußes auf dem Familienlandsitz.

Unser Protagonist kommt auf der Raumstation an und findet eine chaotische Müllhalde vor. Unheimliches geht vor sich, der Film bekommt gar einen schauerhaften Touch. Die zwei Überlebenden in diesem Gefährt ins Nichts stellen den Dualismus dar, welcher einen Tarkowskij so gerne durchzieht. Steht der schon leicht verrückt gewordene Snaut für eine Sicht des "mit sich geschehen lassens", der Intuition, Transzendenz, auch der Tragik des Lebens, ist Sartorius ein streng gebliebener, eiskalter Wissenschaftler, ein Erklärer, in der Hybris gefangener. Jemand der sich nicht beirren lässt. Wenn die Familiensequenzen als Umrahmung dienen und vor allem Wärme und Geborgenheit (auch: im Heimatlichen) vermitteln, prallen hier auf engstem Raum - im Mittelteil des Stücks - die philosophischen Ebenen aufeinander.

Entscheidender Katalysator für die Handlung ist das Auftreten der Imagination, des Verdrängten, des Erinnerns. Seine nach der Trennung von ihm sich selbst das Leben genommen habende Frau erscheint und ist nicht wieder los zu bekommen. Hier vermischt sich der entscheidende Diskursantrieb mit dem bereits statisch Vorgegebenen - es wird beinahe plastisch. Inwieweit "konstruiert" der Mensch sich sein Leben, seine Umwelt, ja gar seine Mitmenschen? Was, wenn das Verdrängte, im Gedächtnis verankerte, die schmerzhafte Erinnerung sich ihre Bahn bricht? Wer ist Subjekt, wer Objekt, wo ist der Blickpunkt, wer entscheidet hier überhaupt?

Dieser seltsame Nebel, Urschlamm, dieses Gebilde, welchem das Raumschiff stets gegenüber steht - dies ist die nicht definierbare, nicht untersuchbare Masse, die hier die Gedanken steuert. Was will der Mensch da noch machen? Was ist Chimäre, was real? Bei der Konfrontation mit all den Fragen nach dem Leben wird der Mensch depressiv und bringt sich um oder wird verrückt. Zumindest aber wandelt er seine Sinne, unser Protagonist wird vom gläubigen Fortschrittsdenker zum suchenden Gläubigen.

SOLARIS ist im Gegensatz zum STALKER nicht sehr ästhetisch geraten. Die enge Sterilität der Raumstation weiß dies allein schon zu verhindern. Umso mehr wirken die gegen geschnittenen Naturszenen. Noch viel mehr als beim STALKER wird hier der Kontrast gesucht - das kalte, irrige Fortschrittsdenken gegen die monumentale Kraft des Unerklärbaren, des Lenkenden, des den menschlichen Geist Durchkreuzenden. Tarkowskij muss sich hier auch den Vorwurf gefallen lassen, dass er seine Erzählung im Glauben an das Übernatürliche, mit religiösen Mystifizierungen sonnt, und am Ende einen Hoffnungsschimmer aufblitzen lässt, den Lem in seiner Vorlage so nicht vorgesehen hatte.

SOLARIS ist auch ein Film über den männlichen Perspektivverlust. Die Frau, das unbekannte Wesen, die Frau als Heilsbringerin, als konstitutives Element in der Narration eines männlichen Lebens. Frau, Geliebte, Mutter. Die Fühlbarkeit der Natur. Als Eigengeburt der Imagination entschlüpft das Weibe auf der Raumstation dem männlichen Verlangen, Unterbewusstsein, Erinnerung, Sehnsucht. Noch ist sie konstruiertes Objekt, doch die Menschwerdung steht bevor, und schnell ist die Bindung wieder so eng, dass gar Zukunftspläne (tragisch-unumsetzbare natürlich) geschmiedet werden. Hinter all dem destruktiv-depressiven Gedankenapparat - die Liebe als heran imaginierte, selbst konstruierte Pseudo-Macht - eine Suche nach dem Zusammenhalt gefunden, ist eine Menschwerdung - und Subjektwerdung - in der wahren Liebe möglich. Die Hoffnung versiegt in diesem Film nie so wirklich, selbst wenn das letzte Bild sich dagegen vielleicht noch einmal aufbäumen will.

Die vollkommen desillusionierten Gesichter freilich erzählen stets ihre eigene Geschichte. Trotz allen Glaubens an den Glauben, an Humanität, an Denkgebilde und Kommunikation - Tarkowskijs Filme bleiben immer ruhelos, besinnt zwar und poetisch, doch mit dem tief tragischen Blick auf die kaputten Strukturen. So gerne er es hätte - hier wird niemand glücklich. Außer in seiner Imagination.

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Geschrieben 20. April 2009, 20:35

Faster, Pussycat! Kill! Kill!
Russ Meyer, USA 1965

Es kommt nicht bei allzu vielen Regisseuren vor, dass sie ein Werk vorlegen, bei dem sich grob die wesentlichen Spezifika ihres Schaffens direkt in der Storyline eingelagert finden lassen. Russ Meyer - dessen Filmografie immerhin 26 Spielfilme umfasst - schaffte dieses Kunststück 1965 mit seinem heute als Standard-Meyer fungierenden FASTER, PUSSYCAT! KILL! KILL!

3 Stripperinnen begeben sich - angwidert vom männlichen Objekt-Begehren - auf eine kleine Spritztour. Jede von ihnen besitzt ihre eigene Sport-Karosserie, ihr Territorium wird den ganzen Film hindurch die Wüste sein. Nachdem sie einen naiven Jungspund das Genick gebrochen haben und dessen Freundin kidnappen, geraten sie auf eine Farm, auf der sich von nun an die Männer des Hauses - ein alter, dominanter Krüppel, ein strunzdummes Muskelpaket und sein halbwegs vernünftiger Bruder - und die grobschlächtigen Damen in Lauerstellung gegenüber stehen.

Meyers "Ode an die Gewalttätigkeit der Frau" kommt weitaus roher, sexuell subtiler und motivisch brachialer daher als seine anderen Werke aus der Schaffensperiode. Nie hat man so wenig Haut gesehen wie in diesem Meyer, und gleichzeitig war man diesem Voyeurismus auch nie so abgeneigt wie hier. Tura Santana als frühe Amy Winehouse, nur fülliger, zielstrebiger, kontrollierter - Haji als begehrende Osteuropäerin monströsen Schlages - Lori Williams als einzige "female lead", die dann auch das sexuelle Begehren erwachen lässt. Die drei Damen haben die gesamte Potenz für sich gepachtet, ihre Hybridfunktion zwischen Östrogen und konnotierter Männlichkeit (Autos, Posen, Jeans) macht sie unberechenbar und gefährlich.

Ihnen gegenüber gestellt ist einerseits die süße Susan Bernard, deren Rolle sich aufs minderjährige Dummchen beschränkt. Die Raubkatzenfütterung, die man stets erwartet, bleibt zwar aus, die lesbischen Konnotationen allerdings liegen in der Luft. Zum Anderen stehen ihnen die drei Herren der Zunft im Weg. Der verbitterte Rollstuhl-Opa, der nebenbei angeblich auch einiges an Knete im Rücken hat, trauert zum einen seiner bei der Geburt der Dumpfbacke von Sohn verstorbenen Ehefrau hinterher, zudem auch um seine Beine, die er verlor, als er einem jungen Mädchen auf der Flucht zu Hilfe eilte. Sein muskelbepackter, aber hohlschädeliger Sohnemann hingegen dient ihm als Prothese, die symbiotische Hassliebe in dieser dysfunktionalen Vater-Sohn-Beziehung wird dem fiesen Zischen der weiblichen Schlangen entgegen gesetzt.

FASTER, PUSSYCAT! KILL! KILL! ist neben dem höchst ungewöhnlichen, kaum einzuordnenden Storyschema auch ein kleiner Genremix. Als weibliches Road-Movie beginnt der Film, bleibt dann aber auf der Farm stecken. Hier startet dann eine Art Post-Western, in welchem in einem eindrucksvollen Bild vier weibliche Beine der Vater-Sohn-Prothese gegenüber stehen. Mit der Seitengeschichte des gekidnappten Mädchens finden sich gar frühe Anklänge eines Backwood-(besser: Wüsten-)Horrors, in welchem die Hinterwälder und Amazonen das arme Mädchen, welches ausbüchst wieder einfangen müssen.

Am Ende muss sich alles zwischen zwei Beziehungskonstellationen entscheiden. Bekommt die Anführerin Tura Santana den einzig vernünftigen Mann in diesem Film, besser gesagt: Kann sie sich ihn schnappen? Der Film gibt ein klares "Nein!" als Antwort, die drei Damen müssen allesamt sterben (Santana gar im Vampirmotiv, mit Blut an den Mundwinkeln), während der Mann mit dem Blondinchen von dannen zieht. Wir denken an Meyer, den Fetischisten und Voyeur und man wagt nicht einzuschätzen, ob dies ein Abgesang auf eine feministische Utopie sein soll, und wenn ja: Ist das ein Happy End?

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Geschrieben 26. April 2009, 17:00

Rachel Getting Married
Jonathan Demme, USA 2008

Sie gilt als abgeschlossen und wurde gar eifrigst auf einer Pressekonferenz anno 2005 im großen Stil verabschiedet - die Dogma 95 Bewegung. Aber kann solch eine Bewegung einfach so als historische Epoche abgesteckt werden? Fakt ist, dass die Dogma-Bewegung einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat in der Filmlandschaft. Auch heute noch lässt sich das ablesen. Bestenfalls in wirklich guten Filmen.

RACHEL GETTING MARRIED ist solch ein Glücksfall. Der Film erzählt von einer hoch dysfunktionalen Familie in einer klischeefreiten Authentizität, das es beinahe beängstigend ist. Mit der Kamera auf der Schulter schmeißt sich das Team in ein Getümmel aus Lebensfreude und Depression, aus in den Gesichtern der Figuren arbeitenden Vergangenheiten und Gegenwarten voller gemischter Gefühle. Kym (Anne Hathaway) kommt aus der Entzugsklinik um der Hochzeit ihrer Schwester Rachel (Rosemarie DeWitt) beiwohnen zu können. Hier nun, auf der Hochzeit, verweilen wir mit den Protagonisten. Rachel heiratet einen Afroamerikaner, die beiden Familien verstehen sich blendend, wenngleich es Risse in Kyms Familie gibt.

Diese Hochzeitsfeier gerät also zum Mittelpunkt. Das Zelebrieren dieses einen besonderen - in diesem Fall auch betont multikulturellen - Moments macht die eine Seite des Films aus. Es wird getanzt, gelacht, gescherzt, das Leben genossen. Die unmittelbare Hineingeworfenheit ins Geschehen, dieses ganz offensichtlich familiäre Zusammenkommen der Filmcrew, die Szenen in denen man sich einfach fühlt als sei man bei einem Hi8 Filmabend dabei und schaue sich mit seinen Freunden nochmal die alten Hochzeitsvideos an, die Momente in denen der Film los lässt und bei minutenlangen Musikszenen verweilt - dieser vermeintlich kleine Film vermittelt eine Lebensfreude, dass man beinahe wehmütig werden könnte.

Und dann gibt es dieses andere Gesicht. Kym ist - wie viele Figuren in dem Stück, man schaue nur auf den sorgenden Vater und die kühle Mutter - eine höchst ambivalente Figur. Sie nimmt uns an die Hand und ist die zentrale Bezugsperson für uns. Doch dann bemerken wir ihre Fragilität, spüren ihre unglaubliche Egozentriertheit und befinden uns im Dilemma an sie ja gebunden zu sein. Glücklicherweise weiß sich die Kamera auch mal zu lösen (siehe oben), und doch bleibt die Hathaway die tragische Figur im Stück. Bemitleidenswert. Nervig. Fremdscham herauskitzelnd. Unsympathisch. Sympathisch. Ein Meisterstück an Schauspielerei.

Der Film hält uns eindrucksvoll vor Augen wie einmalig und zerbrechlich zugleich unsere abgesteckten Lebensmomente sind. Wie dicht Freud und Leid beieinander liegen, wie sie koexistieren müssen. Zwischen den Freudentränen und denen des Schmerzes liegen Momente, so dicht ist das Leben in dieser engen Zeitspanne. RACHEL GETTING MARRIED erzählt wie im Nebenher von Seelenzuständen, von psychologischen Beschaffenheiten, von Beziehungskonstellationen, die unmittelbare Auswirkungen auf Identitätsentwicklungen haben, deren Ergebnis wir nun hier präsentiert bekommen. Dieses Hochzeitsbankett ist zugleich eine Ode an die Lebenslust als auch ein tieftrauriger Blick auf menschliches Miteinander.

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Geschrieben 29. April 2009, 07:20

3-4 x Steven Soderbergh

Schaut man sich im Internet um, kommt man zum Punkt, dass Steven Soderberghs Genre-Experimental-Sonderling Bubble nur über die Rezeptionsgeschichte aufgenommen wird. Vermarktungskette unterbrochen etc. Dabei sollte mal lieber jemand mehr zum Film selbst schreiben. Diese Kriminalgeschichte ist nämlich eigentlich eine äußerst bewusst konzipierte Antipode zum herkömmlichen Genregeschehen. Glücklicherweise nicht naseweiß umhertänzelnd, sondern bodenständig zielorientiert. Im Grunde geht es dem Film um einen trist-trüben Einblick in den White Trash, um eine Destabilisierung jeglicher Dramaturgiezwänge über den Sozialbezug und den apathischen Gestus, den uns Figur und filmische Aufmachung vermitteln. Das sieht bei Soderbergh tatsächlich seltsam interessant und stimmig aus. Dieses gelangweilte Nichts in welchem die Figuren beinahe zu verschwinden drohen ist der eigentliche Protagonist. Gerade der Mord im Affekt ist ausgeblendet, und das passt so wunderbar, weil Affekte in diesem Tränsensack-Triefer gut und gerne als nicht existent wahrgenommen werden dürfen. Die Leerstelle ist mit Fantasie aufzufüllen und derer benötigt man reichlich. In diesem Sinne nun wirklich kein Film, der ein großes Publikum finden könnte. Demnach auch nicht wirklich mutig, diesen dann über "neue Vermarktungswege" zu publizieren. Eher gelungene PR, denn ohne die Metatexte wäre das Ding wohl vollkommen abhanden gekommen.

Bubble bietet also einen neuen Genresprachgestus an. Mit Soderberghs heiß erwartetem Doppelstreich Che: Part One - The Argentine und Che: Part Two - Guerrilla, die bei uns auch getrennt ins Kino kommen, zeigt sich auch der Wille eine stark mythisierte Geschichte und historische Ikone in einem gänzlich anderen Licht zu betrachten. Genau genommen kann wohl niemand etwas mit diesem entschleunigten Doppelbrummer anfangen, denn Che ist 4 Stunden entdramaturgisierter Dauerlauf. Die kubanische und bolivianische Revolutionen werden als Arbeitsprozess dargestellt, als Organisationsablauf, mit Sprüngen, Leerstellen und Figuren als graues Beiwerk. Dann wird der Film auch mal kurz zum recht unansehnlichen Actioner, kehrt aber schnell wieder zurück in die Nüchternheit von Geschichtsschreibung, welche Soderbergh hier vielleicht aufzeigen möchte. Als Konzeptfilm geht das, als Unterhaltungswerk natürlich nicht, in diesem Sinne ist Che durchaus eigenwillig und leicht subversiv, denn gerade als gehypte Kommerzshow ließe sich der Mammut in diesen Tagen der stilisierten Ikonografien wohl am Leichtesten verkaufen. Trotzdem ist an Che - neben der Tatsache, dass er keinen Spass macht - auch auszusetzen, wie er hier vorgeht. Denn diese stille, doch im lateinamerikanischen Bergdschungel seltsam keimfrei sterilisierte Abfolge eines Guerilla-Kampfes passt nicht nur nicht in das Bild der linken Ikone Guevara, sondern wirkt auch - trotz des Authentizitätsgedankens - reichlich unrealisitisch und beschönigt. Die Kämpfe, die Schlammschlachten, der Hunger, die psychologischen Dynamiken innerhalb der Gruppe - alles plätschert so dahin ohne einmal Geistesblitze zu versprühen zu gedenken. Wie gesagt, die Filme machen wohl niemandem Spass.

Bliebe noch der Abgleich mit Soderberghs 2000er Oscarabräumer Traffic anzustellen. Seltsam dieser Gegensatz. In dem Drogengeschichten-Kaleidoskop überkommt dem ganzen Treiben der Zwang zum Affekt. Nichts bleibt unerzählt, alles folgt dem sinnigen narrativen Leitpfad, jede Sequenz findet ihren Platz. Das machte Soderbergh ganz ausgezeichnet, ein wahrer Oscaraspirant, mit dem Blick für die verschiedenen Ebenen des Drogenhandels und -konsums, moralisch zwar, aber nicht belehrend sondern zeigend. Klasse Darstellerleistungen, allesamt. Gesichter für die Geschichten (Benicio del Toro mit seinen 5 Sätzen dort ungemein effektiver und authentischer als seine Che-Schüchternheit). An Traffic gibt es die üblichen Dinge auszusetzen (vor allem das Fehlen einer "Ghetto-Perspektive") und doch ist der Film einfach zu sauber inszeniert - hier gemeint im positiven wie im negativen Sinne - als das er nicht doch gefällt.

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Geschrieben 02. Mai 2009, 19:39

Wilde Tänze in grauen Gärten


Geradezu wundervoll verloren ergibt sich das Hip Hop Urgestein Wild Style! in seine Welt der Subkultur des New Yorker Ghettos Anfang der 80er Jahre. Immer wieder verharrt er an seinen Schauplätzen und lässt die einzelnen Disziplinen der Kultur für sich sprechen. Das wirkt dann auch nicht zuletzt aufgrund der realen Figuren auf dem Bildfeld außerordentlich authentisch. Die Geschichte an sich ist nicht sonderlich prägnant, die Schauspieler sind Laien, beherrscht wird alles eindeutig von der sich stets im Vordergrund befindenden Subkultur, dem eindringlichen Score, den gebombten Zügen, die vorbeirauschen, den wuselnden Menschenmassen, den Rhymes, dem Flair. Wild Style! versteht es seine Euphorie über die frische, lebendige, freigeistige Jugendkultur nach außen zu transportieren.

Im Dokumentarklassiker und Ausnahmefilm Grey Gardens beobachten 5 Filmemacher im Sommer 1975 die Tante und Cousine von Jackie Kennedy. Das Bemerkenswerte an den "Objekten der Kamerabegierde" sind ihre reflexartigen Bewegungen in den hysterischen Gedankengebäuden, in welchen sie leben. Sie bewohnen diese scheinbar gar, denn ihre Behausung sieht aus wie der neurotische Schrottplatz ihres Verhaltens. Zwischen Schimmel und Messibergen werden die Ladies zu hollywoodstar-aliken Protagonistinnen, die wie im Musical singen und tanzen und ihre Rollen perfekt einstudiert haben. Ein seltsames Beziehungsgeflecht geht der Zuschauer vor allem mit der Cousine Kennedys ein, zwischen staunendem Voyeurismus unsererseits und einer in der eigenen Welt gefangenen Selbstdarstellung ihrerseits entwickelt sich eine ungeahnte Dynamik. Es ist beinahe anstrengend ihrer Liebe zur Kamera (oder auch: Filmemachern? Oder eben: Zuschauern?) zum "Opfer" zufallen. Dieses abstrakte Haus, in dem gefilmt wurde, wird am Ende ein Schauort eines grotesken, fast gefühlt fiktionalen Ereignisses. Bleibt allein die Frage: Wieviel Anteil haben noch die Filmemacher an diesem Werk, dass allein durch die sich selbst als Subjekt wahrnehmenden Objekte lebt?

Dank der schaurig-schönen In- wie Exterieur, dank der vielfältig umsäumenden Musik und dank der Atmosphäre der expressiven Abgeschiedenheit lässt sich Roman Polanskis Tanz der Vampire auch heute noch genießen, selbst wenn einen der eine oder andere Witz eher unbehelligt lassen. Fragte mich aber, ob man den Film heutzutage bei den Konstellationen Polanski - Tate - Vampir noch so realitätsfern sehen kann. Ich musste jedenfalls immer wenn Tates Gesicht die Bildfläche erklomm dieses Gefühl verdauen, was aufkommt, wenn man längst auf unschöne Art und Weise Verblichene in alten Filmen wiederentdeckt. Die Allegorie der von oben herab regierenden Aristokraten (die hier eben Blut saugen, statt die Bürger anders zu ärgern) soll noch erwähnt sein. Ansonsten: Kino für die leichte Unterhaltung am Abend.

#799 moodswing

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Geschrieben 07. Mai 2009, 03:12

Fantasy Film Fest Nights 2009

Lond Weekend - 1978 - ein Ozploitationer von Colin Egglestone. Und ein Film mit dem Blick fürs Detail. Der nicht greifbaren Umwelt geschuldet, vielleicht. Ein Monster gibt es nicht (Die Seekuh? Nee, nicht wirklich), stattdessen Geräusche, Kleingetier, ein schwarzer Schatten im Meer, ein hängender Taucheranzug, ein Pfeil, eine Kippe, eine Flasche, einen Cowboy der wild um sich schießt, einen fortwährenden Ehekrach. Alles schön beobachtet, aber nicht gruselig und keine Filmidee, die 90 Minuten durchhält. Was nicht schlimm ist, nur ein bisschen schade, denn grundsätzlich ist der Grundgedanke toll und findet hier und da auch eine nette Umsetzung (die Musik, einzelne Ideen und Effekte). Hätte man also nur besser machen müssen, vielleicht, wenn es denn daran haperte. Dass dem eventuell nicht so ist, würde dann vielleicht Jamie Blanks Remake von Long Weekend aus diesem Jahr beweisen. Denn dem Film mangelt es beinahe, wenn nicht gar ausnahmslos an denselben Kleinigkeiten. Wieder wirkt alles so seltsam unrund, inkohärent, in die Länge gezogen. Wieder möchte man den Film doch mögen, doch wieder gelingt es nur auf nicht-affektiver Ebene. Wieder sagt man "Schade!" und jetzt kann man nicht mal mehr hoffen, dass es dann vielleicht ein anderes Mal besser gemacht wird.

Meinen zweiten Beitrag der diesjährigen Fantasy Filmfest Nights war mit Splinter - und nun halten sie sich fest, meine Damen und Herren - beinahe Gleiches vorzuwerfen (machen wir nicht, sowas) wie dem Aussi: Trotz perfektem Kammerspielambiente (Tankstelle) kommt irgendwie kein rechtes Licht in die Sache. Und das kann man getrost so sagen, denn leider merkt man dem "Film mit einer schönen Idee" (schon wieder Selbstzitat) an, dass er nicht allzu viel Geld übrig hatte. Gerade die bösen Szenen sind doch ziemlich hingehunzt bzw. so im Dunklen verborgen oder herangezoomt, dass man ihnen nichts mehr abgewinnen kann. Bleibt schon wieder nichts weiter übrig, als dieses blöde "Schade!"

#800 moodswing

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Geschrieben 14. Mai 2009, 02:02

3 x Russ Meyer

Ein kleiner, verkannter Exploitationschatz aus den Händen Russ Meyers ist sein Sklavenstück Black Snake. Entgegen Meyers üblichem Gusto haben die Frauen hier keine Riesenbrüste, sind dafür aber auch ordentlich fies. Ganz im Sinne einer klassisch-mysogenen Antagonistin domestiziert, dominiert, traktiert und eifersüchtelt Anouska Hempel durch den Film und benutzt gerne mal die Worte "Nigger" und "Nutte" und diese beiden auch gerne in Kombination (siehe Eifersucht). Entgegen der Plotlinie entwickelt Meyer trotzdem eine erstaunliche Handschrift in dem Film, alles steht in Kontakt mit der obzönen Lady und wird sexuell aufgeladen, obwohl nur selten direkt werdend. Körperlich wird es trotzdem, vor allem als der aufständige Anführer des Sklavenaufstands gekreuzigt und in für Meyer-Filme harte Manier gefoltert wird. So lässt sich Black Snake zwischen Exploitation, Blaxploitation und Kolonialdrama irgendwie schwer fassen, stellt in seiner exotischen Kulisse aber eine außergewöhnlich entrücktes Faszinosum dar. Fragen nach dem Dualismus von Zivilisation und Wildheit werden da dann nicht mehr gestellt.

Russ Meyers wohl schönster, durchgeknalltester und freidrehendster Film ist mit Sicherheit seine 76er Ausverschämtheit Up! Freizügig, offenherzig, ordinär und hochsatirisch arbeitet sich der Film an seiner politisch unkorrekten Geschichte um Adolf Schwarz Piranha-Mord ab. Bevor Adolf aber zu Marschmusik einen blutigen Abgang macht, wird er nochmal im Folterkeller zum devoten Sexsklaven degradiert. "Der ferne Osten macht mir seine Aufwartung!" Und nicht nur der. Äthiopische Dominas und vor allem auch der gute Paul und sein Dödel müssen herhalten für Adolfs perverse Keller-Spielchen. Dann wird Drunter, Drüber und Drauf - so der hübsche deutsche Titel - zur bloßen, freudestrahlenden Nummernrevue an Vulgaritäten in die eingebettet weiterhin diese bizarr-burleske Krimigeschichte um den Tod des armen Adolf ist.

Bevor Russ Meyer so richtig durchstartete schaffte er 1964 mit Lorna eine Art Ausgangslage des männlichen Dualismus im sexuellen Umgang mit der Frau. Lorna ist eine heiße Blondine, die einen Mann hat, der sie liebt. So sehr, dass sie für ihn zur heiligen Statue, zum unberührbaren Engel wird. Folglich ist die Lady - Meyers Blick auf den nicht zu zügelnden weiblichen Lustappetit - unbefriedigt. Als Gegenstück zum treuherzigen, aber plumpen Ehewaschlappen wird sie von einem aus dem Gefängnis geflohenen und in jeder Hinsicht ausgedursteten Häftling beim Nacktbaden erwischt. Aus Vergewaltigung wird ein devotes Ergeben in die Situation und die letztendliche finale Befriedigung. Der Ehemann seinerseits kommt - mit seinen Arbeitskollegen, einem Frauenschläger und einem Dorftrottel - frühzeitig nach Hause und der Film endet im Duell vor dem Haus. Meyer etabliert vielleicht als Unikum in seinem Oevre einen Blick auf männliche Begehrenstrukturen. Zwischen abnormaler Vergötterung und objektbezogener Selbstbefriedigung steckt der Mann gefangen, die Frau interessanterweise - auch hier nur ein lüsternes Objekt - bleibt die Wahl zwischen guter Ehegattin, die umsorgt wird oder schlechter Ehegattin, die sich um ihren Liebhaber kümmert. In jedem Fall bleibt sie Heimchen und bricht aus den Strukturen nicht aus. So lange der Sextrieb befriedigt ist, bleibt sie kontrollierbar. In Meyers späteren Filmen wird sich das radikal ändern.

#801 moodswing

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Geschrieben 18. Mai 2009, 02:52

Déjà-vu
Zweitsichtungen

Zweitsichtung von The Fall. Kleine zusätzliche Anmerkungen: Tarsems Augenschmaus ist ein wirklich schöner Film über den Einbruch des Realen in die Welt des Mädchens. Eine Welt, die diesen Einbruch schlichtweg nicht versteht, ihn verdrängt, gleichzeitig vor ihm steht wie jemand, der das Ausmaß des Schreckens nicht greifen kann. Die Gegenfigur des Mannes wiederum bringt eine erstaunlich intuitive Erzählspannung durch seine Stimmungsschwankungen in die Geschichte. Das Absinken des Märchens ins dark fairy tale ist somit steht's vorweggenommen, etwa so wie die konventionellen Suspense-Momente eines Horrorfilms. Fast eine Art manisch-depressiver Erzählhaltung. Und ich vergaß nach der Erstsichtung noch zu erwähnen was für eine wunderbare Hommage an den Stummfilm und Film generell doch The Fall ist. Die letzten Bilder sind dabei so schön, wie brutal und rasant. Wie eine Kulmination eines Kinos der Bilder.

Nachtrag zum Lieblingsschweden aller Filmfreunde des letzten Jahres: Lât den rätte komma in. Schöner Film, klar. Was mir so als Schlagwort im Kopf herumschwirrte: Das ist doch mal richtiger Impressionismus, oder? Also wirklich impressionistisches Kino der Neuzeit. Und das im Genre. Und das im Kinderfilm. Dieser beinahe unpassende Gestus bestimmt den Film so sehr, dass er selbst diese todtraurige Geschichte des Vergehens, der Notwendigkeit von Bindung bei gleichzeitiger Erkenntnis der Unmöglichkeit (bzw von Glück und Tragik, die miteinander gekoppelt sind) überdeckt. Die Zentralmotive gehen fast unter im Meer an Musik und entfärbten Bildern. Die deutsche Syncro verstärkt den Entfremdungseffekt der 70er Jahre Mise-en-scène noch. Und erstaunlich auch zu sehen, wie die Schuldzuweisungen des Films an die Eltern in vielen Szenen entkräftet wird (Zähneputzen mit der Mutter, die Tatsache dass der Junge in den wenigen Momenten mit seinem sympathisch gezeichneten Vater Spass hat). Es ist eben hier jeder irgendwie nie ganz Sympath oder Unsympath. Selbst die Schlägerjungs nicht. Nur der große Bruder, aber der wird ja auch standesgerecht enthauptet, als ob man das ganz Böse doch irgendwie aus der Welt schaffen muss/kann. Zentrales Element jedes Kopfes hier: Der Egoismus. Am Tollsten aber bleibt die Beziehung des Mädchens mit ihrem ehemaligen Geliebten/Vater. Verwelkte Liebe. Ganz groß.

Revisited und Meinungen etwas abgeändert:
Als der Wind den Sand berührte ist eine in seinem Minimalismus und bedingungslosen Anti-Pathos eine eigentlich bezaubernde Geschichte. Allein die forcierte Stilisierung der Mädchenfigur als schweigend das Leid ertragende und am Ende stärkste Figur ist so vielleicht nicht nötig.

Batman Begins ist gar nicht so schlimm. Da sprach wohl vielmehr die Enttäuschung aus mir. Mir missfällt immer noch die "Nicht-Inszenierung" der Actionsequenzen um den Film kindertauglich zu halten. Wirkt dem düsteren Antlitz diametral entgegen. Und die Oneliner-Zoten hätte man sich wirklich sparen sollen. Selber konträrer Effekt zum ansonsten größtenteils als feinfühliges Psychogramm funktionierenden Schwarzseher.

#802 moodswing

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Geschrieben 21. Mai 2009, 18:53

6. Dokfilmwoche Hamburg 2009

3 dokumentarische Nachwuchswerke aus der dffb ließen auf der diesjährigen Dokfilmwoche aufhorchen. Alle 3 machen es dem Zuschauer nicht leicht, allesamt verbindet die zentrale Frage nach der Exploitation der Subjekte ihrer Abbildung. Die Frage nach Distanz und Nähe zum Dargestellten. Eine Frage, die nicht zuletzt auch moralischer und ethischer Natur ist.

In Heidelberg eröffnet Norman Richter seinen ganz persönlichen Blick auf das Haus der Großeltern, auf Gegenstände, die er mit seinem toten Großvater in Verbindung bringt. Er entwirft Blickbilder, die in ihren jeweiligen Perspektivierungen und Positionierungen nur für ihn Sinn ergeben. Formal löst er sein Anliegen in streng experimental-minimalistischer Gestalt auf. Zunächst spricht er nüchtern über sein Verhältnis zu seinen Großeltern über weißem Bildschirm. Dann zeigt er Bildstilleben ohne Ton (die besagten "eigenen" Bilder). Schließlich hält die Kamera auf seine demenzkranke Großmutter, die verloren mit der Kamera den Satz "Ist er nie mehr da gewesen" repitierend variiert. Richters Film ist zum Einen schwieriges Material, weil es eben "seine" Blicke sind, die von dem Zuschauer mit Bedeutung aufgeladen werden können (nach eigener Aussage wünsche er sich dies). Wenn er das nicht tut, sind die Bilder leer, in ihrer entschleunigten Künstlichkeit sogar anmaßend. Zum Anderen tut sich das angesprochene Problemfeld der Ausbeutung des Dargestellten auf. In diesem Fall sogar noch eine Stufe problembehafteter: Der eigenen Familie. Die schockierende Szene der dementen Frau wirft die Frage nach der Position der am Ende auslaufenden Kamera (erst verschwindet das Bild, dann der Ton) auf. Ist die Großmutter hier noch respektiertes Subjekt oder nicht schon Objekt der schockierenden Wirkung, des erzeugten Mitleids, dessen, "was der Zuschauer sieht" (eine Schau des Zerfalls, des "kurz vor dem Tod sein"). Nicht zuletzt lässt sich an solch einem Filmstudentenwerk trefflich diskutieren über Autorenschaft. Ein aufgeräumt wirkender Richter konnte viele der Bedenken entkräften und gab auch zu Protokoll sich selbst lange Zeit nicht klar gewesen zu sein, ob er diesen Film der Öffentlichkeit präsentiert. Da er es getan hat, muss er sich nun der Kritik stellen.

Die entscheidende Frage nach Nähesuchen und Distanzwahrung bei der Abbildung eines Menschenlebens muss sich auch Sebastian Heidinger in seinem Debut Drifter stellen. Er beobachtet 3 Minderjährige am Berliner Bahnhof Zoologischer Garten beim Heroin Spritzen, Crack rauchen, Obdachlosenasyl aufsuchen, Arztbesuch, Streitereien, Reden über ihr Dasein auf dem Kinderstrich. Heidinger "wohnt ihnen bei", stellt ihren Alltag aus und entzieht sich damit weitestgehend einem Voyeurismus, dem man dem Film nach Sichtung wirklich nicht unterstellen kann. Im Gegenteil: Heidinger integrierte sich in den Alltag, lange bevor er die Kamera anschaltete. Suchte Kontakt und ließ die Kinder entscheiden, was gefilmt wird und was nicht. Viel Interessantes über die Nähe und Distanz zu seinen Figuren gab es im Anschlussgespräch zu erfahren, man kann sich in etwa vorstellen, wie groß die moralische Verantwortung gewesen sein muss (und noch ist). Der Stil ist simples Direct Cinema, perfektioniert, weil die Kamera zwischen Alltagshandlungen und den Zuschauer schon physisch angehenden Szenen (lange nicht mehr so häufig wegsehen müssen) einen sensiblen Mittelweg findet, und das Szenario so authentisch wirken lässt, dass man dieses Nebenher nur durch Reflexion verarbeiten kann.

Wie Heidinger gehört auch Eva Stotz zur Gruppe Super9 um Andres Veiel, die sich über die letzten Semester an der dffb formiert hat. Auch ihr Film Sollbruchstelle bringt uns zurück zur alten Frage nach dem Ausstellen eines Lebenslaufs als Instrumentalisierung für ein Filmkonzept. Ähnlich wie in Richters Heidelberg kommt hier ein naher Verwandter unter die Lupe: Der eigene Vater wird in Stotz Essayfilm zur zentralen Figur, und gerät unversehens in eine Charakterisierung, welche die Filmemacherin nur peripher intendiert haben kann. Die Offenlegung der Persönlichkeit des Vaters - einem zwischen gekränktem Narzissmus und dem Statusdenken der Arbeitsgesellschaft, die der Film primär angklagt, Gefangenen - ist eine schwierige Gratwanderung und eine bewusste Überwindung der Distanz. Der Vater liefert eben gerade der Idee des Films - die emotionale Vergletscherung eines unsolidarischen Kapitalismus sichtbar zu machen - ein Gesicht. Stotz beobachtet gestresste Gesichter in der Bahn und auf den Straßen, beobachtet Managerseminare, Bewerbertraining, humanistische Schulen. Zentral aber erzählt sie die Geschichte ihres Vaters, der seinen Job auf entwürdigende Weise verlor. Am Ende stellt auch sie den Schock aus, zum Einen da ihr Vater weinend den Raum verlässt, zum Anderen weil sie den Selbstmord einer Nebenfigur des Films bekannt gibt. Sollbruchstelle kann es unter den 3 genannten Beispielen vielleicht am Wenigsten vermeiden der Exploitation der Personen anheim zu fallen. So lange darüber reflektiert wird, mag dies auch möglich sein.

#803 moodswing

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Geschrieben 25. Mai 2009, 15:48

6. Dokfilmwoche Hamburg 2009 # 2

Ging es bei den studentischen Arbeiten im Dokumentarfilmsektor vor allem um das Problemfeld Nähe - Distanz, zeigt sich bei Thomas Heises Material eine andere Schwierigkeit. Ihm misslingt vor allem die Anordnung seiner Objekte. Die 166 minütige "Material"-Sammlung ostdeutscher Zeitgeschichte stammt aus nicht verwendetem Footage. Mit "Kill your darlings and revive them" wird das angeworben. Doch heraus kommen viele Szenen der Pre- und Postwendezeit, die zusammenhangslos aneinandermontiert werden. Es geht Heise um keinerlei Erklärungen, vielmehr um Stimmungsgefüge. Das funktioniert immer dann, wenn Beschönigungen und Abmilderungen über den Äther gehen, und dies dann vom Zuschauer dem geschichtlichen Prozess gegenübergestellt werden kann. Vielfach enerviert Material aber auch nur, montiert Passagen nebeneinander, die nur sehr schwerlich Sinn ergeben. Entrhythmisierte Filmrollen. Häufig Interessantes ohne Verbindungspunkte (Der Nazi-Überfall). Ausgestellte Materialsammlungen aus historischen Eckpunkten - klingt nach einem Markt für die Zukunft (Museum).

Einige Preise sahnte Marko Doringer für seine Offenlegung Mein halbes Leben ab. Über die Nähe - Distanz Geschichte traut man sich hier gar nicht mehr zu sprechen. Doringers Eigenbeschau ist selbstausbeutendes Dokumentarmaterial allererster Güte. Hinter der Frage, was denn so Anfang bis Mitte 30-Jährige für Lebenskonzepte errichtet haben erwächst die Idee der gescheiterten Figuren. Jeder hat sein Kreuz zu tragen und seine Mid-Life-Crisis noch vor sich - so lautet die These, auf die hier nur alles allzu perfekt hinauslaufen mag. Nichts endet zu böse, alles bleibt hübsch lakonisch, die "Suchenden" werden nie in ein schlechtes Licht gerückt. Stattdessen positioniert sich der Vorzeige-Gescheiterte (= Regisseur) im Lichtkegel der Eitelkeiten. Ohne verleumderisch daherkommen zu wollen hatte ich permanent das Gefühl einem komplett gestellten Film, sprich einer Mockumentary beizuwohnen. Alles zu perfekt gestriegelt hier. Die Figuren wie Stereotype eingegliedert. Mindestens ein ziemlich durchgefuchstes Drehbuch dürfte zugrunde gelegen haben.

Ein paar Worte noch zum Eröffnungsfilm Am Pier von Apolonovka von Andrei Schwartz, der einen Einblick in das Treiben an einem ukrainischen Pier gibt, dass einst sozialistisches Urlaubsparadies war. Neben dem fehlenden Geschichtsbild wundert der lässige Ton, das wenige Interesse an Geschichten. Ein paar witzige Momente und vielmehr ist da nicht. Betagter Auftakt des Festivals, der niemandem weh tat.

#804 moodswing

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Geschrieben 28. Mai 2009, 14:42

Oscars Darling #1

Das pure Überwältigungskino zaubert Stephen Daldry mit The Reader auf die Leinwand. Wie schon in The Hours spinnt er ein menschliches Drama über mehrere Dekaden und springt in den Zeitebenen umher. Die verdichtete Extrem-Emotionalisierung lässt kaum Reflexionsfläche und so steigert sich der Film hinein in das Leiden der naiv-verunsicherten KZ-Wächterin (Kate Winslet), während um sie herum diverse Deutsche ihr Amerikanisch ausprobieren. Ebenso naiv-vermenschelt wie die Figur der Winslet gezeichnet wird stellt sich der ganze Film mit seinen Psychologisierungen an. Gib dem dummen Menschen ein Buch in die Hand und er wird human. Aha. Ansonsten ist Der Vorleser schlicht ein Remake von Ilsa - Shewolf of the SS - sozusagen Part 2: The following years.

John Patrick Shanleys eigens adaptierten Theaterstück Doubt merkt man die Eichung für die Bühne jeder Zeit an. Perfektes Schauspielerkino, dessen eng gestecktes Terrain auf kleinem Parcour sicherlich noch mehr Intensität versprühen würden. An und für sich erzählt Doubt die ewige Geschichte des eigenen Glaubens und die Gefahr des Verlusts, wenn man abstrakte moralische Kodexe mit der eigenen Realität abgleichen muss. Interessant dabei natürlich, dass diese Realität hier nun ausgerechnet am heiligsten aller Orte jenseits des Vatikans stattfindet - in einer katholischen Schule. Schöne Idee, wenig spektakulär, aber ruhig und gediegen ausgespielt.

Gus Van Sant hat sich zugunsten eines ambitionierten Themas - der erste bekennend schwule Stadtrat im San Francisco der 70er - mal wieder einen windigen Hollywood-Kalkulator geleistet. Mit zahlreichen Authentifizierungs-Strategien und ästhetischen Spielereien (Original-Dokumaterial aus der Zeit gemixt mit nachgestellte, verfälschten Bildern) lässt er historisches Portrait und unterhaltsame Kurzweil koppeln. Dramaturgie und Figurenwelten gliedern sich hier perfekt ein in ein Seherlebnis der affirmativen Art, um in dieser aufgeklärten Zeit dieses einst so subversive Szenario ideal verpackt an den Mann zu bringen. Ob nun Requisitendetailwettbewerb oder ein Schauspielkino der Extraklasse - Milk wittert Oscar-Luft und bleibt politisch korrekt wie ein republikanischer Senator.

#805 moodswing

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Geschrieben 01. Juni 2009, 15:45

Oscars Darling #2 - Gescheitertes Historisches

Er sieht ein wenig aus wie The Wind that shakes the Barley auf Actionfilm, der gute Defiance, und dann doch wiederum eigentlich nicht. Andere Zeit, anderer Ort. Der polnisch/weißrussische Partisanenkampf gegen die Nazis Anfang der 40er, gedreht im Übrigen in den litauischen Wäldern. Eben diesen, die Kostümierungen, überhaupt der Blick fürs historische Detail erinnern an den Loach. Und doch ist Defiance ein spannender Reißer vor historischer Kulisse, wenngleich der Gewichtung und dem Interesse für die Figuren hier glücklicherweise bedacht nachgekommen wird. Den Klischees kann Edward Zwick allerdings ein wiederholtes Mal nicht entsagen. Klare Figurentypisierungen in- und außerhalb der Gruppe (Der intellektuelle Märtyrer, der aussieht wie John Turturro, die rote Armee-Kommandanten hätten kaum boshafter gezeichnet werden können etc) fungieren als Markierungspunkte, damit die Orientierung nicht verloren geht. In all seiner historischen Komplexität versucht der Film unbedingt den Überblick dank Konventionen zu wahren. Äußerlich authentisch, innerlich zerfahrene Hollywooddramaturgie.

Hollywood-Gaultier Ron Howard nimmt sich wohl erstmals in seiner Karriere einer ziemlich toughen Aufgabe an: In Frost/Nixon versucht er sich an einem Porträt zweier in ihrer Hybris gefangenen Machtmenschen. Der unbedarfte Lebemann Frost steht dem erzkonservativen, aber nicht minder eloquenten Nixon gegenüber. Schwierig wird aber wirklich bei der Figur des ehemaligen US-Präsidenten: Dieser harmlose Ausschnitt aus seinem Leben gerinnt zu einem Offenbarungseid, und doch wird hier nur geredet über die Taten, der Figur des Nixon aber eine humanistische Vielschichtigkeit in die Zeichnung gelegt, dass man trotz der offenkundigen Abneigung gegenüber dieses Charakters - der Film inszeniert ja praktisch eine Niederlage, ganz wie in einem Boxerfilm wird der "Bösewicht" zur Strecke gebracht, ist damit also recht offen aggressiv gegenüber seinem Protagonisten - doch zumindest das Gefühl des Mitleids mitübermittelt bekommt. Frank Langella spielt den Burschen dann auch noch mit so einer Inbrunst, dass man - wie so üblich bei starken Schauspielleistungen - der Figur gegenüber eine starke Faszination entwickelt. Dieser Zwang zur Vermenschelung einer historischen Figur, der seinen Höhepunkt im schon allein deshalb unsäglichen Untergang fand, gibt zu denken, und scheint doch ein wesentliches Merkmal eines filmischen Gesamtuniversums zu sein, dass eben dieses aus den Fugen heben kann.

Mit heißer Nadel strickte Möchtegern-Aufrührer Oliver Stone noch fix seine George Bush Biografie W. und brachte das Stück zu den Wahlen in die Kinos. Allerdings nicht in unsere. Man war von der furchtbaren TV-Qualität wohl so erstaunt, dass man den Film direkt ins Fernsehen verbannte. Da gehört er wohl hin. Stones Billigprodukt ist banalstes Klischeekino, eine Satire auf eine Gegenwart, die so vielleicht besser nicht verhandelt werden sollte. Frost/Nixon geht mit seinem historischen Thema bedachter, detailierter um. Stone spielt Schabernack mit Countrymusik und einem chargierenden Josh Brolin (schade, mochte den Mann seit No Country... eigentlich ganz gerne). Der Irakkrieg wird von den Witzmasken Cheney, Rumsfeld und Co in 20 Minuten durchdiskutiert und irgendwie kommt man sich doch ziemlich verarscht vor, ob der Idee, dies solle nun eine ernst gemeinte Abrechnung mit der Ära Bush sein. Der Film ist aber nicht nur schlecht, sondern auch viel zu früh erdacht worden. Reden bzw. Sehen wir so eine Bushbiografie nochmal in 20 Jahren, mit der nötigen historischen Distanz welche so ein Projekt immer benötigt, mit einer erzählerischen Idee - es wäre eine Jahrhundertgeschichte. Diesen W. hier kann man dann ins Wachsfigurenkabinett stellen mit der Aufschrift "This is how Bush was seen 2008 - please, read it as a comic".

#806 moodswing

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Geschrieben 04. Juni 2009, 00:47

Oscars Darling #3 - Sommerblockbuster 09, Klappe die Erste

Ich bezweifele stark, dass Watchmen beim Publikum gut angekommen ist. Nun ist es so, dass die Fans im Fußball-Stadion buhen können, wenn ihnen die Leistung der eigenen Mannschaft missfällt. Beim Film ist das - häufig, wie eben hier - glücklicherweise anders. Wenn ein Film an der Kasse floppt rührt das meistens aus schlechtem oder zu wenig Marketing bzw aus der Tatsache, dass die Geschichte schon auf dem Papier niemanden interessiert. Im Kino angekommen, ist die Karte längst gekauft, wenn sich beschwert wird. Und das wird es dann eben doch nicht, vermutlich auch, weil viele gar nicht eingestehen wollen, dass sie den Film so schlecht fanden, eine adäquate Argumentation hat der durchschnittliche Kinobesucher im Regelfall ja eher selten. Zudem ist Kino für die meisten keine Grenzerweiterung über den "Zeitvertreib" hinaus, und den hatte man auch bei einem uninteressanten Film. Also bleibt zumeist nicht mehr als ein "Fand ich irgendwie nicht so spannend." Glück für die Filme. Beispielsweise einen wie Watchmen, der sich Zeit nimmt, dicht am Original-Comic hängt, und sich entschleunigt auf seine Figuren konzentriert. Der Film ist von Comic-Fans für Comic-Fans und somit gegen über 90% der Restbesucher. Respekt für soviel Disrespekt. Und Respekt für soviel Hang zur Kunst der Graphic Novels. Zack Snyder wird jetzt von allen 300-Bashern wieder verehrt werden, vermute ich mal.

Alle schimpfen wieder und ein paar freuen sich. Dabei ist der Film doch so schön körperlich, figurenorientiert und dem Aktionskino verschrieben, dass man ihm kaum böse sein kann. X-Man Origins: Wolverine ist eine Spassgranate, der furiose Comic-Anfang müsste schon von Beginn an versöhnen, wem die Enttäuschung nachher ins Gesicht steht. Angesichts der angenehmen Entwicklungen in den Comicfranchises sollte sie das aber eigentlich nicht. Auch Jackman kümmert sich um die inneren Konflikte seiner Figur (natürlich oberflächlich, natürlich grobkörnig und kernig). Kampfeslust und Explosionsgefahr überall (letzteres vor allem hinterm Rücken). Man liest sich hinein in die Motive (Rache, Verlust, Tier-Mensch, Ego, Erinnerung, blabla) und genießt. Nichts dran auszusetzen.

Als Erinnerungs- und Mythenmaschine mag J.J. Abrams handzahmer Star Trek Aufguss für die ältere Generation zu gebrauchen sein. Davon ab aber ist der Film ein beinahe desaströses Ergebnis biedersten Sommer-Blockbuster-Kinos. Es gibt so viele Baustellen, dass man nicht weiß, wo man anfangen soll. Vielleicht bei der ruckelig-blendenden (im schlechtesten Sinne - Abrams verwendet Flare Lenses und ruckelt mit der Kamera über den gesamten Filmverlauf) Optik? Vielleicht bei dem banalen Zeitreise-Salat, der so etwas wie ein Narrativ darstellen soll? Vielleicht bei den zweidimensionalen Figuren (die Krönung wohl die "starke" Frauenfigur der Uhura)? Vielleicht beim durchschaubarsten Versuch dem Werk eine forciert Humorspritze einzuverleiben? Am Auffälligsten und Maßgeblichsten für die miese Breitenwirkung aber ist wohl die sprunghafte Narration, die einer geschlossenen Dramaturgie beinahe diametral entgegen steht. Wo sind wir? Irgendwann fragt man sich das nicht mehr, schlichtweg weil einen der ganze Plot mitsamt seinen Abrissfiguren nicht interessiert. Es lebe hoch der Mythos (wohl gemerkt der ersten Star Trek Serie!). Mehr als ein Anschieben benötigt es nicht. Die Leute werden es "erkennen" und "erinnern". Der Rest ist ein Selbstläufer. Abrams und seine Crew fokussieren sich auf die Geschichte eines Gründermythos - Der interkultureller Schmelztopf, der adoleszente Kampf zum Erwachsenwerden, die "Grundierung" aller Geschichten der Serien und Filme, die hier gelegt wird. Das funktioniert. Auch beim jüngeren Publikum. Die Schnittmenge scheint gefunden. Jetzt könnte man wieder vom nationalen Geist anfangen, wonach sich wohl vor allem US-Bürger mit dem Film wohlfühlen. Sollte man aber vielleicht nicht, weil ich glaube, dass der Film auch international wirkt. Zu tief suchen braucht man vielleicht auch nicht, oder, kulturpessimistisch gesagt: Das bodenlos-feige Arrangement von Gewohnheiten funktioniert halt immer.

#807 moodswing

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Geschrieben 11. Juni 2009, 20:07

From the Land of Fun

Adam Sandler gelingt in You don't mess with the Zohan so eine Art politisch inkorrektes Filmchen, dass aber nie wirklich inkorrekt genug ist, um wirklich Tabus zu brechen. Neben dem politischen Witz steht der Triviale, Obszöne und Prolletarische. Amüsanter als die herkömmlichen Komödchen aus Hollywood ist das zwar allemal, wenn am Ende allerdings das Hohelied auf die Völkerverständigung gesungen wird, ist das zwar eine hübsch humanistische Botschaft, allein glaubhaft ist das dann nicht mehr angesichts der schwarzhumorigen Gesten, die hier und da im Film angezeigt wurden.

Dreamworks schmiss letztes Jahr den Kung Fu Panda in den Ring gegen Pixars Wall-E. Wenn die herzige Geschichte um den einsamen Roboter von einem atemberaubenden ersten Teil in harmlose Familienunterhaltung abrutscht, bleibt der Panda konsequenter und sagt gleich an, was Sache ist. Seine hübsche kindgerechte Abhandlung über Verlust, Liebesentzug und charakterliche Schwächen hat viele bleibende Momente, sonnt sich manchmal etwas zu sehr im Slaptickshaften und endet auch etwas zu hoffnungsvoll, aber gut, es bleibt eben doch ein Familienfilm. Ehrlicher als Wall-E ist er damit allemal, wechselt er schließlich nicht seinen Tonfall in eklatant-anbiedernder Weise.

Schon ein seltsamer Vogel, dieser $9,99 Episodenfilm. Da lassen sich Männer zu haarlosen Sesseln umfunktionieren um einem Model zu gefallen. Da sterben Engel zwei Mal (beide Male doch ein Überraschungseffekt), und sind sowieso nur die Zyniker vor Gott gewesen. Da findet keine Figur Ruhe oder überhaupt einen richtigen Abschluss in seiner persönlichen Erzählung. Tania Rosenthals Sammlung an Knetfigurengeschichtchen nach einer Kurzgeschichten-Sammlung Edgar Kerets ist manchmal bizarr, manchmal auch nur naiv-humanistisch, immer recht kurzweilig. Am Ende sitzt man doch ziemlich ratlos im Kinosessel. Nicht das Schlechteste, vermute ich.

#808 moodswing

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Geschrieben 14. Juni 2009, 19:37

Bummel auf dem Flurkorridor

Vicenzo Natalis Cube Follow Up Cypher beginnt mit grandiosen, ultradüsteren Bildern einer beinahe gleichgeschalteten, architektonisch beeindruckenden Welt. Das unterkühlte Identitätsdrama bietet zunächst eine Geschichte um einen sich von der Welt entfremdeten Mann (Jeremy Northam) an, dessen Präsenz immer wie gedämpft in dieser blau-grauen Welt entlang gleitet. Leider verliert sich dieser spannende Blick ab der Hälfte zusehends in einem komplottreichen Agentendrama, in welchem die Identitäten wild durcheinander gewirbelt werden und die Figur einem damit leider immer gleichgültiger. Plottwists werden zum bestimmenden Merkmal und das tut der anfangs schönen Dystopie nicht gut.

Gäbe es ein Adjektiv pro Filmemacher, so müsste dieses bei Richard Linklater definitiv "verlabert" lauten. Das ist zwar schon Konzept und formaler Gestus bei ihm, nichtsdestotrotz erschien es mir bei Waking Life erstmals wirklich passend mit dem korrelierenden Inhalt zu sein. Im Grunde ist der Film ein fließender philosophischer Essayband, ein Labyrinth der Gedankengänge, eine Textansammlung. Nur auf den zweiten Blick entsteht daraus auch wirklich etwas Filmisches, der Zusammenhang wird über die Idee des Traumhaften geschaffen, welcher dem filmischen Raum ähnelt. Das Unterbewusstsein spült wilde, intellektuelle Gelage an die Oberfläche, die hier für den Zuschauer ausnahmsweise visualisiert werden können, wenngleich auch mit dem Verfremdungseffekt des Comics. Glücklicherweise kam mir die Show zu keiner Zeit gestelzt vor, sondern voller ehrlicher Neugier. Ein schönes Erlebnis, bei dem man im Übrigen auch nebenher sein eigenes Rezeptionsverhalten beobachten kann (Der Film läd dazu ein Konzentrationsausfälle gegen Momente eigener, weiterreichender Gedanken stehen zu lassen). Emotional ist das alles ziemlich seltsam, aber regt damit ebenfalls zum Nachdenken über die Möglichkeiten und Grenzen von Film an.

Ich habe die ganze Zeit gehofft, dass nicht auch Nick Nolte noch anfängt französisch zu reden. Hat er nicht, also stolperte ich mit meinem Schulfranzösisch so einigermaßen geflissentlich durch Olivier Assayas Clean. Dieses Sprachgemisch und meine zerfaserte Rezeption (ich behaupte mal, ich hätte alles verstanden...) gehen aber auch recht konform mit dem Film an sich. Das nervöse Gewusel durch das sich die hektische Maggie Cheung (Darstellerinnenpalme in Cannes 2004 - Wofür?) und der ruhige Gegenpol Nick Nolte da bewegen, läd nicht gerade zum Interesseentwickeln für die Figuren ein. Assayas hat da wohl sicherlich Interessanteres (= Provokativeres?) auf die Beine gestellt. Wird demnächst besichtigt.

#809 moodswing

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Geschrieben 19. Juni 2009, 20:13

Oscars & Césars Bettgeschichten

1989 gelang es Rain Man dem ausgehenden Jahrzehnt eine Art Denkmal zu setzen und damit auch noch einen umfassenden Erfolg zu verzeichnen. 4 Oscars für den Film und Weltruhm für seine Rolle erhielt Dustin Hoffman als Autist, der 80er Jahre Yuppie Tom Cruise zu einem besseren Menschen macht. Rückblickend handelt der Film das Ende eines Jahrzehnts ab, für das der junge Cruise hier stehen soll. Problematisch allein ist, das man Cruise seine Wandlung zum Menschenfreund nicht abnimmt. Der lockere Ton, den der Film zudem anschlägt passt zum Dramatischen kaum. Rain Man wirkt seltsam in seiner Zeit gefangen, dass merkt man ihm nicht nur an den Frisuren seiner Protagonisten an, sondern am kompletten Handwerk.

Französische Ensemblegeschichten sind im Arthouse gern gesehen, das letzte Jahr stach der Film mit dem einfachsten Titel für so ein Genre Paris hervor. Die Binoche und so einige andere gern gesehene Franzosen geben sich unter der Ägide Cédric Klapischs die Klinke in die Hand und verketten diverse Einzelgeschichten (amour fou alter Mann, junge Frau - Depri-Loch und Kampf in der Midlifecrisis etc). Die tragische Beinote erhält das Werk dadurch, dass der Erzähler selbst kurz vor einer hochgefährlichen Herz-OP steht. So blickt er in der letzten Einstellung halb durch seine Krankheit, halb durch die Schönheit der Welt versunken auf seine Stadt und die Figuren des Films. Typisch französisch, typisch humanistisch, typisch beschwingt mit leiser tragischer Note. Und der einfachen Erkenntnis, dass man sein Leben genießen soll, solange man noch kann.

Im deutsch-chilenischen Sex-Kammer-Spiel En la cama wird viel geredet. Mann und Frau verbringen eine Nacht im Bett und philosophieren über die Liebe, Beziehungskonstellationen, Lieblingsfilme. Die Vergänglichkeit der Situation, die uns und ihnen unbekannte Vergangenheit und Gegenwart der Figuren sind der zentrale Spannungsmoment, der den Film wach hält. Die Weisheiten und die so wahren und echten Emotionslagen, die hier gesucht werden wirken weniger beschwingt und weitaus prätentiöser, als es intendiert sein kann. Letztlich wirkt der Minimalist leider zu häufig auch nur wie ein schaler Abklatsch der Linklater-Leidenschaftsszenarien Before Sunrise und Before Sunset.

#810 moodswing

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Geschrieben 23. Juni 2009, 14:36

10 Little Fellas

Poseidon (2006)
harmlose Nummernrevue, die sich aufs Abarbeiten der Genreklischees und Plot Points konzentriert.

The Mutant Chronicles
Zu dunkel geratenes CGI-Massaker mit halbherzigem Trashanspruch.

Golden Door
Lahmes Kunstkino, sperrig, knochig, karg.

Ex Drummer
Klassischer Menschenhass ohne Brechung, mit punkiger Attitüde wird jede Figur als marodierendes, schäbiges Ungeziefer entlarvt und stolpert gottverlassen durch diesen Haufen Nicht-Geschichte.

Adam Resurrected
Ein reichlich groteskes Unterfangen nachhaltige NS-Traumata abzubilden. Bitte auf deutsch schauen, wenn man die vollkommene Abstraktion erleben möchte.

Death Race (2008)
Plotpoint für Plotpoint abarbeitendes Actionvehikel, protzig, prustend, prollig.

Underworld: Rise of the Lycans
Gothisches Actionvehikel, zwar recht debil, aber durchaus spaßig.

The Dutchess
Banales Kostüm-Melodram nach dem alten Strickmuster Liebe vs Gesellschaftsdruck.

A Generation
Kammerspielartiger Erstling von Andrej Wajda. Ziemlich statisch, voller Text und ohne prägende Bilder.

He's just not that into you
Liebesallerlei, dass sich zwischen Drama (Connelly, Johansson) und streckenweise platter Komödie (Berrymore und diese Fremdscham-Elli) nicht entscheiden kann, letztendlich aber zutiefst biedere Tussimagazin-Weisheiten an die Frau zu bringen versucht.





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