Fantasy Film Fest 2009
Keinen Spass machte der Anfang des diesjährigen Fantasy Film Fests. Nach Vorbeschau des Openers
Carriers und der Horrorgeschichten-Kompilation
Trick 'r' Treat hatte ich von der Veranstaltung erstmal genug und strich den Rest der 10 Filme auf die Abschlussveranstaltung der dreifachen Xxxtreme Reihe zusammen. Ist einfach zu viel Kohle für ein vollbesetztes Kino, was mir eh schon ein unangenehmes Ereignis ist, vor allem aber hier, wo mir die Subkultur an Geeks, Goths und Genrefetischisten irgendwie ebenso fremd ist wie die auf Podesten thronenden Besserverdiener-Besserwisser bei den großen Arthaus-Festivals.
Zu
Carriers kurz: Ein mit seinen Figuren furchtbar einfältig umgehender Film. Verdirbt sich die Chose durch unachtsames Hineinstolpern in dümmliche Konstruktionen und Unwahrscheinlichkeiten, die bei meiner sich bei ähnlichen Genrewerken gerne gruselnden Begleitung nur kichern und Augenrollen auslöste. Habe dem Filmchen versucht noch etwas abzugewinnen, aber er war schlichtweg zu doof. Schade, liebe solcherlei Szenarien eigentlich sehr.
Trick 'r' Treat ist selbstverständlich nicht so blöd, dafür aber auch keine echte Bereicherung. Mit einem heutzutage schon beinahe anachronistischen Schwarzhumor zeigt der Film ein paar Späße aus dem Mythenfundus Halloweens. Hier und da zündet das Karussell ein paar zu billige Lacher, an anderer Stelle wird's fein spannend wie in alten Tagen. Gut gespickte Hausmannskost, dieser Film auf so einem Festival.
Dann also das weit klaffende Loch. Hatte da viel auf dem Zettel.
Moon selbstverständlich und jetzt bete ich mal auf einen Kinorelease, denn Clint Mansells Score liegt mir schon seit Wochen in den Ohren wie eine wohltuende Emotionsdusche.
Mutants stand ganz oben, weil Frankreich und Horror in letzter Zeit nun mal zusammen gehören wie das Knusperhäuchen und der Wolf, der sich drüber hermacht.
Van Diemens's Land schaut schmuck aus im Trailer, ein Blender?
Pontypool reizt ungemein, ebenso
The Killing Room, beides aber vor allem demnächst auf DVD.
Polytechnique sieht dem van Sant vielleicht zu ähnlich, um sein Hab und Gut für eine Kinosichtung zu opfern.
Vampyrer soll die Knallerbse des Festivals sein, wovon ich mich jetzt eben nicht überzeugen konnte.
Lake Mungo wird auch noch irgendwann geschaut. Den Rest der interessanteren Sachen gibt's eh bald im Kino.
Aber also die Triple
Xxxtreme Reihe - reißerisch ausgemahlt als Grindhouse-Sonderevent, mir schwante Böses. Dank einer Freundin, die sich begeistert zeigte vom uns im besten Fall Bevorstehenden holte ich doch Tickets. Erste positive Überraschung: Halbwegs überschaubar gefülltes Kino. Nerddichte angenehm gering. Zweiter Pluspunkt: Der erste Film,
Someone's Knocking at the Door von Chad Ferrin, wohl eher auch seinen Kollegen und ihm.
SKatD ist ein Amateurfilm, mit den üblichen Schwächen, Dramaturgie miserabel, hier und da Tonfehler undsoweiterundsofort. Wen kümmert's aber, wenn die kleine feine Grundaussage, dass man doch lieber auf Speed verzichten sollte, weil es scheiße ist so adäquat und liebevoll verpackt wird? Niemanden. Mit passender Geschmacklosigkeit und ansehnlichem Körperverschleiß verschlingt der Film den Rezipienten an seinen empfindlichsten Stellen. Klar, dass solch ein Fußball in die Leisten, der mal keinen Clown verschluckt hat, keinen Verleih bekommt.
Zuerst
Blair Witch Project, dann irgenwann
[Rec] und nun
Home Movie, den niemand wahrnehmen wird, weil auch diese Low-Low-Budget Produktion keinen Verleih bekommen hat. Christopher Denhams Film trägt das unheimliche Authentifizierungsphänomen der Handkamera als feste Größe im Bilderrepertoire des Horrorgenres in die Privatsphäre des Familiären. Liebender Papa (Geistlicher) und grandiose Mutter (Psychologin) filmen wild und plotlos herum. Immer mal wieder sind die Kinder zu sehen, ein Junge, ein Mädchen. Seltsam emotionslos. Naja, aber dieses Familienvideo hier, das nehmen wir euch schon ab. Irgendwann werden die Kinder natürlich wichtiger und in beinahe jeder Szene seit dem Anfang schwebt eine natürliche Ängstlichkeit, etwas Gruseliges mit. Gegen Ende wird die Bedrohung in beinahe nebensächlicher Manier ausgeführt. Das ganze Konzept des in die kleinste Zelle des menschlichen Miteinanders vorgerückten Filmraumes macht die Effektivität aus und lässt den Film beängstigender werden als jeder herkömmliche Horrorschnellschuss.
Zwei Filme, deren Nicht-Veröffentlichung sicherlich zu einem Zerschellen an den grundlegendsten Klippen eines möglichen Zusammentreffens geführt hätte, wäre ich nicht just zu der Stunde an dem Tage doch noch ins Kino geschritten. Der Dritte im Bunde -
Pig Hunt - nun ja, der erscheint auf DVD und den braucht selbstredend niemand. Eine seltsam verklüsterte Backwood-Monster-Story, bei der zunächst mal 70 Minuten lang gruppendynamisches Allerlei aufgetischt wird, dass so dermaßen uninteressant und mies getimed wohl selten zu sehen war im Horrorfilm, um dann noch kurz zwei bis frei Mal den Ton zu wechseln und am Ende uns einem Riesenwildschwein gegenüberzustellen, dass von einer Lesbensekte lecker Menschenfleisch serviert bekommt. Warum nach einem gähnend langweiligen halbwegs seriösen Schottfilmchen noch eine pseudo-surreale Szenerie geschaffen werden muss, weiß nur Gott und der Filmemacher namens James Isaac.
Bereits im Vorfeld Gesichtetes gab es neben
Carriers vermehrt. Bereits beim letztjährigen Filmfest Hamburg über den Weg gelaufen waren Bill Plymptons
Idiots & Angels. Bekannt von der diesjährigen Berlinale war mir als einer der wenigen guten Beiträge aus dem Wettbewerb Bertrand Taverniers Südstaaten-Schwülstling
In The Electric Mist. Der Film sieht ein wenig aus, als hätte jemand Tommy Lee Jones Rolle aus
No Country For Old Men genommen und um sie herum einen eigenen Film gebaut. Wie bei den Coens macht sich Tavernier die feucht-angespannte Atmosphäre seines Sujet zu Nutze, und baut ein lakonisches, spitzfindiges und pointiertes Stück Kriminalstory herum. Als New Orleans- und Hurricane-Parabel muss sich das Werk zwangsläufig lesen lassen, wenngleich man es nicht darauf herunterbrechen muss. Schöner, gelungener Film, auch wenn man das bei den Coens auch schon mal besser gesehen hat.
Orphan von Jaume Collet-Serra überrascht durch ein effizient erzähltes Stück alte Kamellen. Das Horrorkind, was die perfekte Familie untergräbt erweist sich trotz fehlender neuer Impulse für das Genre als ungemein stilsicher inszenierter Feind der Langeweile. Lediglich der Plottwist zerstört das zur Perfektion konditionierte Schauerstück ein wenig.
Und was war mit Chan-wook Parks heiß erwartetem
Thirst? Dem "Preisstibitzer" von Cannes, wo Mr. Tarantino den Preis der großen Jury doch so gerne gehabt hätte. Was wohl auch verdient gewesen wäre, denn die
Inglorious Basterds waren doch weitaus weitreichender und -blickiger als Parks Vampirsauger. Der südkoreanische Exportweltmeister erschafft eine weitere neue Dimension im ewigen Verwerten des Vampirmythos. Wie schon mit
Let the Right One In setzt sich eine neue, durchaus zu begrüßende Ernsthaftigkeit im Umgang mit der so bedeutsamen Legendenbildung durch. Ein Geistlicher wird per Bluttransfusion Opfer der seuchenartigen Krankheit Vampirismus, und muss sich nun in seiner Rolle als Täter auseinandersetzen. Schwierig wird es, als die Liebe ins Spiel kommt. Sie zerfrisst förmlich die Moral, denn die in Apathie verkommene Haushilfskraft und erzwungene Schwiegertochter erlebt durch die vampireske Wiederbelebung endlich wieder einen Sinn im Leben. Sie tötet auch aus Spass. Dumm gelaufen, lieber Herr Priester.
Thirst ist in seiner blasstrüben, an einem realistischen Setting interessierten, aber in der Erzählung dabei dem Fantastischen zugewendeten Art wiederum dem Schweden sehr ähnlich. Das private Schicksal der gefangenen Seele in der Natur des Blutsaugers ist dabei jedoch nicht so wichtig, wie das generelle moralische Dilemma, welches den Film beinahe zu einer Fibel der Vampirerzählungen macht. Diese Überordnung lässt das Ausmaß an shakespearscher Tragik um Lust und Schuld explodieren.
Vor kurzem noch den Vorgänger gesehen, der hier gleich mit abgehandelt werden soll, weil er kann, weil's einfach dasselbe in grün ist. Die Final Destination Reihe ist ähnlich der
Saw-Franchise ein Garant für jugendliche Kinoabnehmer geworden und zieht seither drei Fortsetzungen nach sich. Mit
Final Destination 3 noch in herkömmlichen Gefilden bewegend, gibt sich
The Final Destination als 3D Neuling. Dieses Mal begreift sich der vierte Teil geradezu aufgeregt als Interessent einer reflektiven Ebene. Zum Einen gibt es da die Kinoszene mit ihrer 3D Referenz, die danach schreit, das unmittelbare Direktmedium, als welches Kino sich demnach noch verstärkter definiert, in die eigene Rezeption zu übertragen (Unser Bildschirm explodiert wirklich). Die gleiche Szene spiegelt zum Anderen auch den Déja-Vu Effekt, den sich die Horror-Franchise ja so gerne anhaften sieht (gemeint ist die Parallelität der Nascar- und der Kinoszene). Auch interessant ist die diesmal wesentlich stärkere Koppelung der jugendlichen Lebenswelten an den Filmraum - die letzten Szenen spielen sich in der gleichen austauschbaren shopping mall ab, in welcher der 3D-Film wohl zu großen Teilen konsumiert wird. Die trivialen Flächigkeiten der Figurenzeichnung bekommen damit gar einen Sinn. An der Final Destination Reihe mochte ich ja stets diesen exakte Blick auf Details des Alltagslebens - was wenn man mal genauer hinschaut, die Gefahren suspensehaft heranzoomt? Bewusstwerdung des einen einzigen Moments. Viel zu weit gereicht dieser Gedanke, sicherlich, aber immer wieder nett. Die Idee des konsequenten Zynismus hingegen lässt sich zwiespältig betrachten. Gerade die letzte Szene berstet vor einem erhöhten Desinteresse an jeglichen Figuren. Der letzte 3-fach-Tod wird gar überführt in einen animierten, entpersonalisierten Knochenbrecherakt zu krachender Aspannmusik. Niemanden hier interessieren mehr die Gesichter oder Persönlichkeiten der Figuren. In diesem Sinne steht
The Final Destination stellvertretend vielleicht am Deutlichsten für den Gestus der Reihe, eine Gegenform zum subtilen Gedenk-, Gedächtnis- und Trauerfilm im Arthauskino zu sein. Ein Popcornkino, dass ganz offensiv die Tiefe meiden möchte.