The Fountain
Darren Aronofsky, USA 2006
Mehr als vier Wochen ist die Sichtung nun her, eben schaue ich mir nochmal den Trailer an - den Trailer zu dem Film, der es hätte werden können, sollen, müssen...
Drauf geschissen auf die zahlreichen erbarmungslosen Verrisse, die man dort aus Venedig lesen musste, wo der Film drei Tage vorher im Wettbewerb lief - Scheiß auf Variety, Hollywood Reporter, Spiegel Online, die FAZ und artechock - Böse sah das aus, Angst machte es mir, verwirrt hinterließen mich die Anfeindungen...
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The Fountain also - der neue Aronofsky - ein Film, der 6 Jahre Entstehungszeit in Anspruch nahm. Erst stand der Film schon 2002, die Pre-Production bereits abgeschlossen, 18 Millionen Dollar verpulvert - und dann der nicht ganz gentleman-like Absprung von Brad Pitt, der ja immerhin das Konzept seiner Figur über ein Jahr mitentwickelt hatte. Woran es nun konkret lag, da mixen die Gerüchte wohl so eine Halbwahrheit zutage, die an den Ecken schon stimmen wird - Pitt drehte lieber Troy, Pitt hatte Angst um einen Imageschaden mit diesem sehr unkonventionellen Film, Pitt wollte das Ende geändert haben und überhaupt mehr Einfluss in den Entstehungsprozess etc pp.Dann also die Auferstehung "wie Phoenix aus der Asche", wie es Eric Watson, der Producer auf der Pressekonferenz so schön formulierte. Es kommt dem Charakter des Films gleich - eine Auferstehungsgeschichte. Lassen sich vielleicht hier schon erste größenwahnsinnige Poesieliebeleien entdecken?
Aronofsky stand also eines Nachts auf - in der Phase wurde vielleicht gerade sein Drehbuchentwurf zu Batman Begins abgelehnt, welchen daraufhin Christopher Nolan zu dieser unsäglichen Fassung inszenieren durfte - der gute Darren setzte sich an seinen Schreibtisch und er realisierte, "that i was an independent filmmaker" - aha - die schwülstige Einsicht knackig auf den Punkt gebracht - die positiven Resonanzen auf seine ersten beiden Filme zu Kopf gestiegen? Oder doch das Kapitel aus "How to become a smart filmmaker" zu ernst genommen? Oder ist das so eine rätselhafte Geek-PR, coded language für Geekville? In jedem Fall recht berechnend und nervig, und wenn man sich so häufig selbst zitiert kann das nicht gut sein fürs Ego.
Andererseits: So spielt das Leben eben - früher noch Tiefkühlpizza und Falafel in der New Yorker Butze gespeist, mit Kaffeeflecken auf der Hose das Drehbuch zu Pi ausgearbeitet und heute bräsig das Leben mit dieser wunderschönen Frau an der Seite genießen, Windeln wechseln bei Henry Chance und der dabei glückliche und gemäßigte Blick auf die Welt.
Rachel Weisz im Übrigen wurde permanent hyterisch "Raschel!" von den französischen Kollegen da gerufen, die sich einen Zacken aus der Krone brachen, damit dieses Fetischobjekt ihnen kurz einen Blick würdigte - herrlich...
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Wo waren wir - ja, Deauville, das Sylt Frankreichs oder so, ganz was Elitäres, schicke Menschen in Chanel-Kostümen auf rotem Teppich. 80% des Saales war reserviert für die Großmenschen der Stadt, sicherlich große Filmliebhaber. Meiner Einer quetscht sich da gerne in der dritten Reihe an den Rand, versteht sich von Selbst, da bin ich durchaus verständnisvoll.Irgendwann nach dem ganzen stilechten Tamtam und Tralala ging es dann endlich los - The Fountain - 96 Minuten...äh, gefühlte Sekunden wohl doch eher...
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The Fountain erzählt die Liebesgeschichte von Tommy (Hugh Jackman) und Izzi (Rachel Weisz) in 3 verschiedenen Zeiten, 16. Jh - 21. Jh - 26. Jh. Im Hier und Jetzt leidet Izzi an Krebs, Tommy ist Arzt und versucht ein Heilmittel zu finden. Wie das mit den anderen beiden Zeitebenen zusammenhängt wird hier erstmal nicht verraten...Wo da jetzt konkret Anfangen?
Vielleicht damit, dass ich schon jetzt viel zu viel Text zu einem Film schreibe, der es nicht Wert ist, so viele Zeilen zu erhalten?!
Aber das klingt so gekränkt (wie im Übrigen viele der Kritiker ebenfalls), also lieber nochmal neu...
The Fountain - dieser wirklich tolle Film, aber dieser unglaublich schlechte Aronofsky...
Zunächst einmal das Gute, um dieser verbitterten Attitüde des Anfangs etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen:
The Fountain ist der erwartete, unkonventionelle Blockbuster mit epischem Thema und solch fantastischen Bildern, die es verdient hätten in die Filmgeschichte einzugehen. Das fast schon allein stellt den Großteil der Sachen, die in den letzten Jahren aus Hollywood kamen in den Schatten. Der Film begreift sich als metaphysisches Märchen - überdimensioniert, prachtvoll, episch, bombastisch. The Fountain lebt von Aronofskys Stil, der sich, entgegen aller Behauptungen - auch von ihm - ausdrücklich nicht verändert hat. Hip Hop Montage, Split Screen, Heat- und Snorri-Cam sind Passé, richtig, aber ansonsten bleibt alles beim Alten - optisch durchdachte Sequenzen, ungewöhnliche Kamerawinkel, schnelle Schnitte, emotionales Audiogewitter, gleißendes Hell-Dunkel-Spiel, satte Farben, gefühlsbetontes Acting - die Einzelbilder, die dabei kreiert werden lassen Fühlen, wie ernst es den Filmemachern mit diesem Werk war. Mit dieser überambitionierten, fast naiven Herangehensweise überschlagen sich die Filmemacher zwangsläufig.
Allein die Bilderebene wird den hohen Zielen der Crew gerecht. Das mittels Mikroskopaufnahmen chemischer Reaktionen in einer Petrischale erzeugten Zukunftsszenario generiert eine transzendente Atmosphäre, die in den schönsten Momenten eine ruhige, fließende, elegische Stimmung zwischen Himmel und Kosmos verbreitet. Hugh Jackman als einsamer, auf das Nötigste reduzierter Reisender mit Halluzinationen, plagenden Visionen von seiner Ehefrau - als einsamer Wolf in Isolation bietet an sich schon eine berührende Metapher voller Schönheit. Die lichtdurchflutete Unendlichkeit, in der er sich bewegt, eine glattweg geniale Konstruktion ohne CGI - Dieser Fantasytraum gehört zum Eindrucksvollsten, was ich an liebevoll detailert ausgearbeiteten Filmwelten je gesehen habe.
Ein Kritikpunkt, der häufig genannt wurde, ärgert mich ein wenig: Oft wurde sich in den ersten Kritiken darüber lustig gemacht, wie hier mit religiöser Symbolik gespielt wird - von "New-Age-Schnickschnack", "Christen-Kitsch" oder "Jackman als Buddha-ähnlichem Glatzkopf in einer Seifenblase" wurde da geschrieben. Sicherlich, die eklektische Oberflächlichkeit scheint nicht besonders durchdacht, dafür aber empfand ich das in diesem Zusammenhang ebenfalls oft kritisierte, undurchsichtige Ende als hübsch offen gelassene Inspiration zur Interpretation - leider der einzige Moment des Films, in dem man seinen Kopf anstrengen kann.
Denn unter all der Schönheit und der eigentlich thematischen Tiefe, die mit diesen menschheitsgeschichtlichen Themen einhergehen sollte, liegen grobe Schnitzer in der Inszenierung - Tausend mal erlebt, doch nie so schmerzhaft wie in diesem Fall...
Problem Nr.1 - The Fountain steht dramaturgisch auf äußerst wackeligen Beinen! Die Sprünge zwischen den verschiedenen Zeitebenen stellen durchaus eine Schwierigkeit dar, denn auch wenn der Film ein metaphysisches Konstrukt sein will, muss er sich doch filmischen Regeln unterwerfen - das vergisst, ja ignoriert er leider viel zu häufig...
Problem Nr.2 - ...hängt direkt mit Problem Nr.1 zusammen: Mit den dramaturgischen Hängern entstehen auch Probleme bei der richtigen Figurenausgestaltung. Tommy und Izzi sind wie du und ich, haben allerdings kaum eigenständige Züge, Konturen oder Tiefe. Dafür bleibt bei dem Bombast an Aktion und den stetigen Zeitsprüngen schlichtweg keine Zeit. Der Film funktioniert als Liebesdrama jedoch natürlich nur, wenn auch die uneingeschränkte Empathie mit den realistischen Figuren gegeben ist. Nur einer der Punkte, an dem man sich vorkommt, als verkaufe der Film Einen für dumm...
Problem Nr.3 - Die Inszenierung und überhaupt die Idee der Mittelalter-Sequenzen ist glattweg gesagt ein Desaster! Man wird das blöde Gefühl nicht los, dass hier von Herr der Ringe und ähnlichem Fantasygedöns angesichts des Trends abgekupfert werde. Das unterstelle ich dem Film allerdings mal nicht, denn die Idee dazu, war ja schon wesentlich länger geboren. Nichtsdestotrotz sieht man hier ganz eindeutig, wo die 80 auf die 30 Millionen runtergekürzt wurden. Kleine, enge Schauplätze, schlechte Beleuchtung, keinerlei eigenständige Idee in der Inszenierung - wie gesagt, für Aronofsky-Verhältnisse desaströs...
Problem Nr.4 - ...und der zentrale Moment, warum der Film Menschen gegen sich aufbringen wird: einige Szenen bewegen sich auf dünnem Eis zwischen Manierismus, Peinlichkeiten, Selbstverliebtheit und Theatralik. Das eine oder andere Mal hätte ich mir gewünscht, dass Jemand zu Darren gesagt hätte: "Junge, komm, lass die Szene mal besser raus. Das gibt sonst bösen Ärger.". Ja, in Form von Kopfschütteln und Gelächter könnte/ist das wirklich passieren/passiert. Mehr kann ich zu dem Punkt nicht sagen, sonst nehme ich Zuviel vorweg.
Problem Nr.5 - Mein persönlich größter Unmutsstifter und die Tatsache, dass es der Film niemals zum Klassiker schaffen wird: The Fountain ist keine philosophische Reflexion a la 2001 oder Solaris. Damit werden auch jegliche Vergleiche mit solchen Meisterwerken nichtig. Das ist ziemlich traurig und zeigt den deutlichsten Moment, an dem der Film sein Potenzial verschenkt. Es lässt sich schlichtweg Nichts aus dem Werk ziehen, was einem "food for thought" gibt, obwohl sich vom Sujet so Vieles anbieten würde. Das könnte man schon fahrlässig, fast dreist nennen, ein Science-Fiction-Epos ohne Gedankenexperimente, ohne Utopien zu drehen. Und so Etwas rückt den Film dann auch gefährlich nahe an Vermutungen, dass dem größeren Publikum neben der komplexen Narrativik nicht auch noch durch intellektuelle Konstrukte der Kopf brummen soll.
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The Fountain wird nichtsdestotrotz der Audience-Splitter sein, der sich nach Venedig anbahnt. Bei meinem Screening war der größte Teil der Besucher gebannt. Sobald die Lovestory für einen Zuschauer funktioniert dürfte der Film einen bleibenden Eindruck hinterlassen - Der geübte Filmbetrachter (um es einmal nett auszudrücken), vornehmlich auch die Kritiker werden mehrheitlich gegen den Film schreiben.Am Ende muss ich es so schmalzig wie dem Film angemessen halten:
Es ist ein wenig wie der Moment, an dem man realisiert, dass es die eine, wahre Liebe nicht gibt. Jugendlicher Leichtsinn. Romantisierte Hoffnungen. Mein Fehler. Letztlich auf dem Boden der Realität angekommen ist es aber wichtig, und wohl unablässig Dies einmal durchlebt zu haben...weh tut es trotzdem...
Festival des amerikanischen Films Deauville / C.I.D / OF --- Wertung: 7,5