Panic Room / Zodiac
David Fincher, USA 2002 / 2007
Bloß nicht dem Auteurism verfallen - Warum die Erwartungshaltung beim neuen Fincher zurückgeschraubt werden sollte
Die zwei letzten Filme David Finchers zerren die düstere Wahrheit ans Licht: Ein wenig blindäugig, ein Stückchen verblendet, zu naiv hat sich in den letzten Jahren gegenüber dem vermeintlichen Autoren-Konstrukt David Fincher beim Publikum eine unberechtigte Erwartungshaltung aufgebaut. Nach den die 90er prägenden Meisterwerken
Se7en und
Fight Club, die aber an sich schon grundverschieden waren, erwarteten viele auch mindestens den nächsten großen Big Bang fürs 21. Jahrhundert. Diesen gab es nun bis 2007 nicht, das wissen wir dann spätestens nach der Sichtung von
Zodiac.
Fincher ist ein Ausführender, ein Techniker, ein Tüftler, ein visuelles Genie - Fincher kreiert Formales, das sich sicherlich auch häufig auf höchstem Niveau im Inhaltlichen wiederspiegelt bzw. sich mit diesem verwebt. Doch was er verfilmt - das Screenplay, die Vorlage - auf das hat er nicht mehr Einfluss als die pure Auswahl, ein einfaches Ja oder Nein.
Fight Club kann nur im Zusammenhang mit den Namen Chuck Palahniuk und Jim Uhls besprochen werden.
Se7en ist aus Andrew Kevin Walkers Feder entsprungen. An
Alien 3 haben gar sechs Autoren herumgedoktort - Der Name David Fincher lässt sich nicht unter ihnen finden. Fincher bleibt einer der interessantesten Realisateure Hollywoods, keine Frage, und doch - Fincher hat mit
Panic Room 2002 seine Fanschar grob enttäuscht und wird es mit
Zodiac 2007 noch viel mehr tun.
Nett formuliert mögen manche Kritiker auch sagen, Fincher wird nun erwachsener, seine Filme zurückhaltender, weniger plakativ, auf einen Punkt konzentrierend duchdachter und ein ästhetisches Konzept stärker fokussierend. Kann man so sehen. Jemandem, der
Fight Club liebt nützt das aber wenig.
Der augenscheinlichste Schnitt im Oevre Finchers vollzieht sich mit der Tatsache, dass er sich ab
Panic Room keinen "turn", keine zweite Ebene, keinen Knall, keinen Zaubertrick aus dem Ärmel mehr erlaubt. Als ob er sich den Vorwurf des Taschenspielertricks in Roger Eberts Kritik zu
Fight Club zu Herzen genommen hat, sind
Panic Room und
Zodiac nun gradlinig, ernst, unzynisch, weitestgehend unmaniriert.
Panic Room ist reines Suspensekino, ein funktionierender Thriller, effektiv geschnitten auf 107 Minuten perfekter Kinolänge. Was den Film zu einem starken Vertreter seines Genres macht sind eben Finchers Visualisierungsstrategien, die losgelöste Kamera, das Gespür für ein effektives Spiel mit der Zeitstruktur und dem architektonischen Raum. Die Atmosphäre - das uneingerichtete, obwohl modern doch sehr unsterile und doch etwas spröde ungemütlich erscheinende Flair, das man auch schon in den vorherigen Filmen Finchers bewundern konnte, dazu Regengüsse in denen sich Zuschauer wie Protagonisten fast verlieren - weiterhin meisterlich arrangiert.
Und darüber hinaus? Nichts. Gar nichts. Fincher inszeniert hier nicht mehr als einen Thriller. Punkt. Ende der Geschichte. Und das eben nach einem mittelmäßigen Drehbuch, das auch so einige Schwächen aufweist: Dümmliche Konstruiertheiten etwa (Die Vergasungsaktion), Figuren, die dank klischeebeladener Psychologisierung nicht nur flach, sondern wirklich mies entworfen sind, dazu ein zu herkömmliches Plot-Point-Abgearbeite und zu guter Letzt auch noch Jared Leto und das schlimmste Overacting seiner Karriere.
Spätestens damit ist
Panic Room eine schreckliche Enttäuschung.
Zodiac nun - frisch im Wettbewerb in Cannes gelaufen und leer ausgegangen - ist in den USA ebenfalls ziemlich gefloppt. Wer ihn gesehen hat, den sollte das keineswegs überraschen.
Zodiac ist Anti-Unterhaltungskino erster Klasse. Eine stringente Spannungskurve gibt es nicht, und allein das ist bei einem Film aus dem Thriller-Genre ein ungemeines Wagnis.
Mutig ist der Film in jedem Fall - denn gerade im Vergleich mit dem Unterhaltungsvehikel
Panic Room lassen sich ganz eklatante Unterschiede herausfinden. In
Zodiac erzählt David Fincher in beinahe 3 Stunden eine wahre Kriminalgeschichte, welche eine Zeitspanne von 23 Jahren umfasst (1968-1991) und sich an diversen Orten der USA abspielt. Schon hier ein entscheidender Unterschied: Das ausgeklügelte Spiel mit der Zeit und dem Raum wie in
Panic Room ist hier gar nicht mehr möglich, und letztlich auch unerwünscht. Fincher verfolt nämlich ein vollkommen entgegengesetztes ästhetisches Konzept.
Zodiac basiert auf der Idee eine wahre Kriminalgeschichte vollkommen authentisch zu erzählen - genauer gesagt: Primär geht es ums Scheitern, um die Desillusionierung, wenn sich eben der Kriminalfall nicht geraderücken lässt. Das, was also das Genre eigentlich ausmacht - Den Antrieb zur Bestrafung des Bösen, zur Auflösung des in die Realität eingebrochenen Unerwünschten, zum In-Ordnung-Bringen des Alltäglichen - das wird hier so bitter enttäuscht wie das Verlangen des Zuschauers nach Spannung.
Statt dessen sieht
Zodiac aus, wie ein am Reißbrett akribisch zusammengepuzzeltes Stück Doku-Krimi. Der Authentizität und dem Realismus verhaftet lässt Fincher seine Geschichte weder durch Dramaturgie, noch durch filmischen Stil voranschreiten, sondern stellt sich ganz in die Sache des wirklich Geschehenen - bzw. ganz in die Sache seines Konzepts. Die Figuren sind keine Schachbrettpuppen, die bestimmte Funktionen erfüllen, sondern sind lediglich einem Sinn unterstellt - den Gescheiterten zu zeigen. Damit lässt sich auf schauspielerischer Seite natürlich Einiges machen, man könnte
Zodiac fast als Ensemblefilm bezeichnen - nur: solch ein Film wie
Zodiac lässt das nicht zu, denn er erzählt schließlich aus klar abgesteckter Distanz. Es geht nicht ums Innere, schon gar nicht um Emotionen. Was hier wichtig ist, sind die Fakten. Und so konsequent rational, wie
Zodiac letztlich gehalten ist, scheint die ausbleibende Befriedigung am Ende fast wie einer von Finchers so geliebten "turns" - denn rational erkennen zu müssen, das wir im wahren Leben am Bösen nur Scheitern können, das ist der Kern des Films. Wenn der Film mit zahlreichen langen erklärenden Texttafeln schließt, ist das zugleich eine Art Reminiscenz und ein Brechen mit den Genrekonventionen. Und: Faktisch ist
Zodiac der wohl langweiligste Thriller im derzeitigen Multiplexbetrieb.
21.05.07 / DVD / OmU / Wertung: 5,0 ~~~ 22.05.07 / Streits / OF / Wertung: 5,0