I Am Legend
Francis Lawrence, USA 2007
Can you hear God's plan?
Das Blockbuster-Projekt des "Last Man on Earth" ging durch verschiedene Hände - Ridley Scott hatte seine Finger bereits Anfang der 90er an dem Stoff, 10 Jahre später zeigte Michael Bay Interesse und sogar Guillermo del Toro sollte zuletzt Regie führen. Letztendlich fiel es in die Hände Will Smiths und Francis Lawrences, die daraus ihre Version formen konnten. Dass dies böse nachwirkende Ergebnisse zu Tage bringen würde, war abzusehen - Sowohl Lawrence, der als Leitender des Sets von CONSTANTINE bereits übel in Christenmystik und CGI-Wust ausrutschte, als auch Smith, der mittlerweile vor allem die Fotogenität seines Sohnes entdeckt hat, sind nicht gerade unstrittige Sympathen aus Hollywoods Garde. Dem Film wurde grünes Licht ohne existierendes Script gegeben, allein das lässt der Sache etwas skeptisch gegenüberstehen.
Soviel falsch macht I AM LEGEND dabei zunächst einmal gar nicht. Im Gegenteil: Der Film weiß um seine Situation, weiß um das angesprochene Faszinosum. Er nimmt sich tatsächlich Zeit um zusammen mit dem Zuschauer dieses seltsam leere und "chaotisierte" New York zu entdecken. Ein Dschungel, freie Wildbahn, letzte Anzeichen einer kaputten Gesellschaft, die sich mit dem vermeintlich letzten Heilmittel dann selbst zerstörte. Back to nature, Smith und sein Dog machen sich - stets mit Sorgenfalten auf der Stirn - breit im Dickicht. Alltagskapriolen, Spannungsmomente, Szenenarrangements. Ältere Dystopien, wie auch Genrekollegen jüngeren Datums zeigen ihre Einflüsse, am deutlichsten vielleicht Boyles und Garlands 28 DAYS LATER.
Nach dem ruhigen, bedächtigen, fast nachdenklichen Anfang, der dem Szenario tatsächlich viel Zeit zur Entfaltung zugesteht, kommen dann die zu nachtzombieesken Nackedeis mutierten Menschen heraus aus ihren Löchern und damit ins Spiel des Plots. Hier nun lassen sich die ersten Grobschnitzereien und Unaufmerksamkeiten erkennen: der grobschlächtige Anführer etwa, der anscheinend neben der Triebhaftigkeit noch klar militärisch rationalisiert denken kann und so schreit wie es die Körperfresser in eben jenen Filmen taten. So ein Antagonisten-Gesicht muss sein und verwirrt ein wenig. Vor allem deshalb - weil es in purer Künstlichkeit eine Horde CGI-Zombies anführt, die man problemloser und authentischer auch als Originale hätte rumzappeln lassen können. Warum diese halbherzigen Animationen? Unpassend und ärgerlich.
So ein paar CGI-Hampelmännchen aber können keinen Streifen ernsthaft kaputt machen. I AM LEGEND ist bis hierhin immer noch ein guter Film. Dann jedoch wird es arg. Es taucht eine Südamerikanerin auf, inszeniert im gleißenden, weißen Licht, als von Gott geschickter Engel Smith aus einer aussichtslosen Situation rettend. Tiefgläubig und mit fanatistischer Vision vom Erlöser. "The world is quieter now. We just have to listen. If we listen, we can hear God's plan." Drei Mal darf man nun raten, wer dieser Erretter denn sein mag. Und was macht der Film nun mit dieser Ausgangslage? Eine kleine Abhandlung über religiöse Fanatiker? Leider nicht, sondern das Gegenteil, nämlich das möglichst Schlimmste. "God didn't do this. We did!" Die ausgelebte Wissenschaftsfeindlichkeit erlebt ihren Höhepunkt praktisch schon in der ersten Einstellung, die auch noch bewusst oder unbewusst sexistisch ist: Die "vergiftende Mutter" - die unfreiwillig das Virus in Umlauf bringt - ist Wissenschaftlerin und weiblich, grinst am Schlussbild der Einstellung, bevor der zynische Schwenk ins verlassene New York drei Jahre später kommt. "I can help. I can save you. I can save everybody." Wie das dann aussieht, wenn Will Smith zum zunächst aufbegehrenden, dann erkennenden, "sehenden" Übermenschen mutiert, kann sich jeder selbst ausmalen. Wenn Jesus einen Hund gehabt hätte, so wäre er auch am Leiden gestorben. Das Ärgerlichste an I AM LEGEND ist vor allem die Umkehr der Dystopien des Science-Fiction-Genres, und auch der Vorlage - der Mensch ist nicht das Krebsgeschwür, was zu erkennen gewesen wäre, sondern er war fehlgeleitet und ist nun mit der Hilfe Gottes wieder zurück geführt auf den Pfad der Tugend. Ein gezielter Schlag ins Gesicht eines eigentlich progressiven Genres.
I AM LEGEND ist am Ende krudester Christenkitsch, der jeden Zuschauer, der sich reaktionäre Ideologie nicht in dieser plakativen Art und Weise aufdrängen lassen mag, verprellen wird. Das Idealbild, das der Film am Ende setzt, ist ein ruhendes Dorf mit freundlichen GIs an der Eingangstür und der Kirche im geografischen Mittelpunkt dieser schönen, neuen Welt. Dies steht dann eindeutig dem Archetypus der Stadt als urbanes Chaos entgegen. Alle 9/11 Posttraumata (Smith: "This is Ground Zero. This is my site. I can fix. I can fix this."), alle iPod-Werbemaßnahmen werden nun schnell vergessen. Der gute Mensch ist zurück an seinem Bestimmungsort: "Light up the darkness." Mit diesen wiederholt ritualhaft hervorgebrachten Worten endet der Film. Wer spätestens jetzt noch nicht weiß, wohin der Hase mit Heiligenschein läuft, der ist wohl selbst von Will-Kinski-Erlöser nicht mehr zu retten.