(8. Dezember 2003 | Kino | deutsch | Leopold 3, München)
Lang, lang ists her... emme sei Dank sitze ich jetzt hier und schreibe diesen Beitrag. Mal schauen, was draus wird.
Ochja, ich seh schon, dies könnte das erste Jahr werden, wo ich die heißesten Oscar-Anwärter mal schon vor der Verleihung gesehen habe. "Lost in Translation", "21 Gramm" (der ja vor allem hoch gehandelt wird, mal abwarten) und jetzt noch der hier.
Ich bin grundsätzlich sehr einverstanden, wenn man "Mystic River" als Meisterwerk bezeichnet. Ist dies jetzt Eastwoods endgültiger Schritt vom unvergesslichen Darsteller zum unvergesslichen Regisseur? Keine Ahnung, erst Recht nicht, was da noch folgen mag.
Ich könnte "Mystic River" jetzt seitenweise in den höchsten Tönen loben. Die geniale Kamera, die stellenweise einen beinahe dokumentarischen Stil suggeriert und somit eine realistische Note verleiht, oder aber manchmal aus so subjektiven Über- und Unter-Perspektiven (heißt doch so, oder?) filmt, dass man als Zuschauer bald wieder restlos verwirrt ist, wem man denn nun glauben darf. Was mich gleich zum nächsten Punkt bringt, das Drehbuch: Während des gesamten Filmes rechnet man mit einem Krimi mit schockierender Auflösung. Bloß dank äußerst geschickter Suggestion schafft es Eastwood, einen gar nicht auf eine Überraschung hoffen oder warten zu lassen. Stattdessen führt er sein Publikum auf verschlungenen Wegen zu einer Auflösung, die jeder die meiste Zeit über erahnen wird und dank dem bisherigen Aufbau auch als selbstverständlich erachten muß. Allerdings entpuppt sich gerade diese Auflösung, die für alle Protagonisten überraschend kommen muß und für den Zuschauer die ganze Zeit offensichtlich war, als eine Täuschung.
Dann, die Charaktere: Der eine Zeitpunkt in der gemeinsamen Vergangenheit aller drei Jungs ist Einleitung und Höhepunkt zugleich. Denn hier hat sich bereits alles entschieden, das gesamte Schicksal, dass noch auf sie warten wird. Solange, bis viele Jahre später, am Ende des Films, endlich alle Folgen ausgemerzt scheinen. Jimmy's letzte Verbindung zu diesem Ereignis, nämlich seine Tochter, Dave's düstere Erinnerungen und auch Seans sehr viel latenteres Trauma. Endlich finden sie ihren Frieden.
Und, der Soundtrack: Lediglich aus drei, von Eastwood selbst geschriebenen, Stücken zusammengesetzt, trägt gerade diese ständige Wiederholung bekannter Themen einen Großteil zur Atmosphäre bei. Ich kann es jetzt nicht mehr nachweisen, weil ich das erst beim Abspann festgestellt hatte, aber wenn mir meine Erinnerung keinen Streich spielt, so lassen sich vielleicht die Songfetzen jeweils zu den Strängen der inneren Handlung ordnen. Läge ja auch nahe. Drei Protagonisten, drei Musikstücke, drei "Entwicklungen". Aber dafür muß ich mir den Film nochmal ansehen.
Mißfallen hat mir (neben ein paar Kleinigkeiten) nur der Schluß. Der Monolog von Penn's Frau weckt doch äußerst gemischte Gefühle: Der begangene Mord wird hier mit der Fürsorgepflicht gegenüber seiner Familie gerechtfertigt. Keine Vergebung der Sünden, nein, eine Annulierung. Als wären es keine gewesen. Ihre egoistischen Motive überwiegen die Moral, ihr Mann muß bei ihr bleiben, und bei ihren Kindern. Dabei setzt sie überdies die "Waffen einer Frau" unverblümt ein und muß somit als manipulatives Biest verstanden werden. Da das in krassem Kontrast zu ihrer bisherigen Rolle steht, ist die Positionierung als letzten Dialog (hier beinahe Monolog) aus dramaturgischen Gesichtspunkten nicht sehr glücklich gewählt, da keine "Katharsis" mehr folgt. Zu deutsch, die erneut aufgebaute Spannung - diesmal rein in der Personenkonstellation - wird nicht mehr aufgelöst, was gerade bei einer derart amoralischen Situation Zweifel über die Intention Eastwoods aufkommen lassen muss.
Mag ja sein, dass er das beabsichtigt hat, doch ich empfinde diesen "Schlußgag" als eine unnötige Provokation des Publikums, da er den moralischen Diskurs bereits zuvor absolut beeindruckend führen konnte. Kein Grund, alles wieder über den Haufen zu werfen, was wir kurz zuvor "gelernt" hatten.
Aber dennoch, großartiger Film.