Cinema Paradiso
#1
Geschrieben 22. Februar 2005, 22:22
Um vor den ersten Einträgen zumindest einen ungefähren Eindruck meines Filmgeschmacks zu vermitteln (einer meiner Lieblingsfilme verbirgt sich übrigens bereits im Titel meines Filmtagebuchs), an dieser Stelle noch ein paar einleitende Worte...
Zu meinen Lieblingsregisseuren gehören Sergio Leone, Stanley Kubrick, Martin Scorsese, Sam Peckinpah, David Lynch, Brian De Palma, Howard Hawks, Quentin Tarantino, die Coen-Brüder, Michael Mann, Takeshi Kitano, Billy Wilder, Francis Ford Coppola, Roman Polanski und viele mehr…
Ich würde sagen, dass ich grundsätzlich gegenüber jeder Art von Film aufgeschlossen bin und sehe daher eine recht breit gefächerte Auswahl von Filmen, die etwa von Gangsterfilm oder Komödie bis hin zu Western oder Science Fiction, von Liebesfilm oder Drama bis hin zu Horror oder Exploitation reichen kann. Verschlossen blieb mir bislang lediglich die Faszination von Musicals, Heimatfilmen oder Monumentalschinken. Da gibt es zwar positive Ausnahmen, aber insgesamt habe ich dort bislang wenig gesehen und in nächster Zeit auch nicht viel Motivation, das zu ändern.
Was mein Filmtagebuch angeht, werde ich jeweils spontan und vermutlich nur unregelmäßig (zumindest in nächster Zeit – DVD-Player-Ausfall und Prüfungsstress sei dank...) Texte posten. Die Beiträge können in der Länge ziemlich variieren, je nach persönlichem Bedarf und Bedürfnis eben. Und weil ich zum Kreis der Listen-Fetischisten gehöre, wird es bei mir auch immer mal wieder Listen unterschiedlichster Art geben (weniger all-time-faves, wahrscheinlich eher spontane Listen für verschiedene Bereiche). Auch hier richte ich mich ganz nach Zeit & Lust.
So, nun aber genug der Einleitung…
#2
Geschrieben 22. Februar 2005, 22:40
(Regie: Richard Linklater, 2004)
BEFORE SUNRISE gehört zu meinen Lieblingsfilmen. Der Fortsetzung merkt man an, dass sie nicht aus kommerziellem Ansinnen, sondern aus einer Leidenschaft für die beiden zentralen Filmcharaktere entstanden ist. Gereift und aufrichtig widmet sich der Film einer Zufallsbekanntschaft, die scheinbar für immer auseinander ging, um nun doch eine zweite Chance zu erhalten. Standen einst persönliche Lebensträume, philosophische Gespräche und romantische Utopien im Mittelpunkt, geht es in BEFORE SUNSET weniger um den Blick nach Vorne und die Gedanken um die Zukunft, sondern eher um ein Reflektieren des Vergangenen und der momentanen eigenen Lebensumstände.
Entsprechend ernüchternd und ehrlich fallen die verblüffend vielseitigen Dialoge mitunter aus ("I guess when you're young, you just believe they'll be many people with whom you'll connect with. Later in life, you realize it only happens a few times."), bevor uns der Film nach einigen Zweifeln und Hypothesen ("You know, maybe we're - we're only good at brief encounters, walking around in European cities in warm climate.") mit dem vielleicht hinreißendsten Schlussdialog aller Zeiten entlässt und am Ende doch noch Platz für Hoffnung lässt. Insofern nicht nur eine perfekt ausgewogene und auf bewunderswerte Weise allen Banalitäten aus dem Weg gehende Dialog-Orgie, sondern auch in jeder Hinsicht wahrhaftig.
#3
Geschrieben 22. Februar 2005, 22:46
Bean – Der ultimative Katastrophenfilm
(Regie: Mel Smith, 1997)
Früher mochte ich den sehr, wie ich an dieser Stelle zugeben muss. Nun ergab sich nach längerer Zeit die Gelegenheit einer Wiederbegegnung zu großen Teilen. Ohne Zweifel wurde auch mir dabei klar, dass die Spielfilm-Ausgabe zu keiner Zeit die Qualität der kultigen BEAN-Fernsehserie erreicht. Zu wenig bietet das Format in dieser Form für einen ganzen Film. Vor allem aber hat die Umsetzung nichts, was sie wirklich zum Spielfilm machen würde. An der Story vom Reißbrett ärgert vor allem, dass sie sich stellenweise einen unnötigen moralischen Zeigefinger nicht verkneifen kann. Filmisch interessantes wird der ganzen Sache ohnehin nicht abgewonnen, und so schmerzt es dann eher, wenn beispielsweise die Beatles oder PSYCHO ohne nennenswerten Gewinn verwurstet werden.
Sieht man allerdings von all diesen Dingen ab und betrachtet den reinen Unterhaltungsfaktor des Ganzen, komme ich nicht umhin festzustellen, dass ich BEAN stellenweise noch immer brüllend komisch finde! Der Humor ist sicher nicht auf Niveau der Serie und mag darüber hinaus größtenteils sogar ziemlich debil und albern daherkommen, aber wie sich Rowan Atkinson hier zum Affen macht, finde ich dennoch ziemlich einzigartig. Als Film mag das Ganze reichlich unbrauchbar sein, aber einen gehörigen Unterhaltungswert will ich dem Ding nach wie vor nicht absprechen...
Crime Spree – Ein gefährlicher Auftrag
(Regie: Brad Mirman, 2003)
Im Urlaub bei einem Videoabend im DVD-Saal in größerer Gruppe gesehen. Aus dem mageren dortigen DVD-Angebot wurde CRIME SPREE ausgewählt, weil ihn keiner der Anwesenden kannte. Während mir anfangs Harvey Keitel (gerade in Nebenrollen definitiv einer der coolsten Darsteller überhaupt) und Gérard Depardieu (den ich aber nie übermäßig mochte) noch Hoffnung auf gehobenes Crime Entertainment machten, musste ich mich hinterher eher fragen, wieso sich diese Darsteller für einen solchen Schund hergaben. CRIME SPREE hat mir recht bald jeglichen Optimismus geraubt, weil er von Anfang an dermaßen durchschaubar und kalkuliert daher kommt, das ich es kaum glauben konnte. Das Ganze ist leider nichts weiter als ein ärgerliches und obendrein zuweilen äußerst nervendes Plagiat der stilsicheren Gangsterfilme von Quentin Tarantinos oder Guy Ritchie. Und die beiden sind leider nicht die einzigen, bei denen hier dreist geklaut wird...
Teils nur mühsam in einen Zusammenhang gebrachte Szenen und billige, nicht-zünden-wollende Gags verderben dann auch schon recht früh den Appetit, der schließlich endgültig verloren geht, wenn plötzlich Splitscreen und beschleunigte Kamerafahrten ohne Sinn und Verstand eingesetzt werden. Das sollte die ganze Sache wohl optisch aufpeppen, ist aber leider nur nichtssagender Selbstzweck. Nach 30 Minuten habe ich weitgehend abgeschalten und mich innerlich eher auf den danach anstehenden Tony Scott eingestellt. Dass CRIME SPREE in der zweiten Hälfte dann tatsächlich noch ein paar wenige gute Gags gelingen, reißt auch nicht mehr viel raus bei diesem Film, der gerne cool und lustig wäre, aber doch nur anbiedernd und berechnend ist. Ernüchternd dann eher, dass besagte Gags dem Großteil der Mitgucker zu einem mindestens zufriedenstellenden Fazit genügten. Crowdpleaser-Qualitäten kann man dem Film daher wohl also leider nicht so ganz absprechen...
Noch mehr geschockt habe ich mittlerweile die überwiegend positiven Internet-Rezensionen zu diesem Film zur Kenntnis genommen... Aber wie hat es ein imdb-User so schön ausgedrückt: "Anyone who rates this movie anything higher than garbage is suspect."
The Fan
(Regie: Tony Scott, 1996)
Nach dem Reinfall CRIME SPREE war Tony Scotts THE FAN eine wahre Wohltat! Ich hatte den Film in recht guter Erinnerung, war dann aber doch ein bisschen von den Socken, wie genial ich vor allem die erste Hälfte des Films diesmal fand. Der pure Wahnsinn, wie Scott hier einmal mehr eine unglaubliche Atmosphäre kreiert. Ein um seine Träume und seine Lebenslüge gebrachter Baseball-Fan erlebt die subjektive Apokalypse, eingefangen in unfassbar intensiven, düsteren, bedrohlichen Bildern, die von einem fantastischem Soundtrack kongenial unterstützt werden. Die pure Raserei! Hatte auf mich eine unwiderstehliche Sogwirkung. Zumal ich ohnehin ein Freund von exzessivem Fatalismus in Filmen bin (siehe Peckinpah).
Finde etwas schade, dass der Film allgemein einen ziemlich schlechten Ruf hat. Sicher gibt es manches, was man ihm vorwerfen kann: es werden eine Reihe von Klischees bedient, stellenweise hapert es ein bisschen an Logik und Glaubwürdigkeit, und das Finale mag übertrieben pathetisch sein. Ist mir angesichts der Bilder und der Atmosphäre, in die Scott das Ganze taucht, aber letztlich ziemlich egal. Darüber hinaus werden durchaus einige überlegenswerte Denkansätze zum Verhältnis von Stars und Fans im Profi-Sport gegeben, auch wenn der Film dann natürlich irgendwann voll auf die Extrem-Schiene steuert und von einer echten Thematisierung grundsätzlicher Fragen die Finger lässt.
Beeindruckend ist einmal mehr Robert De Niro, der hier nach TAXI DRIVER und KAP DER ANGST zwar sicher keine völlig neue Rolle spielt, allerdings dennoch voll darin aufgeht. Sieht man von seiner Nebenrolle in JACKIE BROWN ab, würde ich sogar behaupten wollen, dass er hier seine letzte große Show abgeliefert hat, bevor er sich leider bis auf weiteres in die Fließbandproduktion des Hollywood-Mainstream begeben hat.
Jackie Brown
(Regie: Quentin Tarantino, 1997)
Jedes Mal wieder ein Genuss! Ich gehöre zu der wohl eher kleinen Gruppe, die der Film von Anfang an begeistern konnte. Ich liebe das herrlich entspannte Erzähltempo, in dem Tarantino hier seine Geschichte entfaltet. Der Film ist das Gegenteil von flottem Fastfood, denn er schert sich einen Dreck um das Hektik- und Action-Bedürfnis eines Großteils seiner Zuschauer, sondern nimmt sich Zeit für seine Figuren, sogar für deren Gesichter, Gesten, Bewegungen. Schon hier zeigt sich Tarantino als der genaue, schwelgende und genussvolle Beobachter, der dann in KILL BILL VOL. 2 auf so wunderbare Weise wieder zum Vorschein kam. Und was die Filmmusik angeht, hat JACKIE BROWN vielleicht sogar den schönsten unter vielen schönen Soundtracks in Tarantinos Filmografie. Aber das mag bei mir auch nur ein momentanes Gefühl sein.
Was ich ansonsten wieder feststellen durfte: ich kann mich nicht satt sehen an den rauen Gesichtszügen Robert Forsters, der mich jedes Mal aufs neue frappierend an Charles Bronson erinnert – und der von Tarantino auch beinahe genau so inszeniert wird, wie das einst Sergio Leone mit Bronson getan hat. Seit der ersten Begegnung mit JACKIE BROWN fände ich daher eigentlich auch kaum etwas reizvoller, als wenn Tarantino mal irgendwann einen Italowestern mit Forster drehen würde...
#4
Geschrieben 24. Februar 2005, 16:33
Auswahl meiner Favoriten des meines Erachtens exzellenten Kinojahres 2004 (Bezugspunkt: alle offiziellen deutschen Termine von Kinostarts und Videopremieren innerhalb des Kalenderjahres). Bei einer Gesamtauswahl von 74 gesehenen Filmen ergibt sich folgendes Bild meiner persönlichen Highlights:
Top Ten:
1. Kill Bill Vol. 2
2. Oldboy
3. Menschenfeind
4. Before Sunset
5. Vergiss mein nicht
6. Ken Park
7. Lost in Translation
8. Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und Frühling
9. Operation Dance Sensation
10. Die Träumer
Knapp dahinter:
Das Mädchen mit dem Perlenohrring
Collateral
Birth
Die Reise des jungen Che
Demonlover
Mann unter Feuer
Ocean's Twelve
The Cooler
#5
Geschrieben 26. Februar 2005, 18:45
(Regie: Ulrich Seidl, 1999)
Irgendwie hielt sich gestern mein Antrieb, einen Film zu sehen, in Grenzen. Aber ich bildete mir ein, dennoch unbedingt irgendwas sehen zu müssen. "Sehen", ja. Irgendein *Bilderfilm* sollte es sein, der einen über die Lust am Sehen erreicht, und nicht über eine anspruchsvolle Geschichte. Prompt kam endlich mal wieder Lust auf einen saftigen Splatterfilm auf, nachdem ich dieses Genre in den letzten Monaten irgendwie konsequent verschmäht habe. Dumm nur, dass mein DVD-Player derzeit in Reparatur ist. Splatter und DVD gehören bei mir leider untrennbar zusammen. Tja, dann eben mal die VHS-Bestände (mit anderen Worten: TV-Aufzeichnungen) durchforsten. Dort war natürlich nix in dieser Richtung zu finden. Aber man möchte meinen, dass sich bei über 100 aufgezeichneten, ungesehen Filmen eigentlich dennoch was finden lassen sollte. Aber ihr kennt dieses Gefühl vielleicht: man steht vor einem riesigen Batzen Cassetten, aber nichts macht einen wirklich an. Irgendwie will man das alles zwar schon sehen, sonst würde man es ja nicht ungesehen aufheben, aber so richtige Lust darauf mag sich dennoch nicht einstellen. Jetzt einen Fellini, Fassbinder, einen späten Kurosawa? Irgendeinen alten schwarz-weiß-Film? Irgendwas anspruchsvolles? Hm...
Wie ich dann auf MODELS von Ulrich Seidl gekommen bin, weiß ich auch nicht so recht. Vielleicht weil ich, wenn schon nicht Splatter, irgendwas bösartiges sehen wollte. Und da ist man wohl im Zweifelsfall bei Seidl immer an der richtigen Adresse.
Die Demaskierung und Desillusionierung, die MODELS betreibt, beginnt schon in der Exposition ("Ich liebe dich" wird als stumpfe Phrase vorm Spiegel eingeübt...) und zieht sich durch den ganzen Film. Im Endeffekt ist der Film genau das Gegenteil eines *Bilderfilms*, denn hier wird nicht die hohe Kunst der filmischen Inszenierung angestrebt, sondern auf dokumentarischen Stil gesetzt um Authentizität zu erzeugen. Alles ist ausgesprochen schmucklos und wirkt wie ein zynischer Kommentar zu Filmtitel. Die vier Protagonistinnen quälen sich, sind Geisel ihres Fleisches. Magersüchtig, drogenabhängig und ständig auf der freudlosen Suche nach einem schnellen Fick. Mitunter kommt nackte Haut ins Bild, aber von Schönheit oder Ästhetik (was man ja gemeinhin mit einem Model in Verbindung bringt) keine Spur. Nur ein Haufen Fleisch. Nüchtern und erbarmungslos gefilmt. Besonders krass wird das in kurzen Close-Up-Einsprengseln deutlich, in denen an jenem Fleisch herumgedoktert wird. Fettbehandlung, Beinrasur, Brustvergrößerung. Eben alles, was nötig ist, um seinen *Marktwert* zu steigern. Appetitlich ist das wahrlich nicht anzusehen. Ohnehin findet Seidl Bilder von ausgesuchter Hässlichkeit, zwischen öffentlichen Toiletten und kargen Wohnzimmern. Kahl und leer. Die düster ausgeleuchtete Disco-Tanzfläche scheint schließlich der Höhepunkt des autistischen Miteinanders zu sein.
Erniedrigende verbale Krassheiten (wobei allgemein angemerkt sei, dass der österreichische Dialekt nicht immer einfach zu verstehen ist), wie man sie aus HUNDSTAGE kennt, kommen auch bei MODELS spätestens in der zweiten Hälfte zum tragen, wenn etwa ein Fotograf mehr als nur Bilder von einem karrieregeilen Model will. Und die Demaskierung erreicht ihren Höhepunkt, wenn eines der Models sehnsuchtsvoll ihren One-Night-Stand fragt, ob zwischen ihnen nicht womöglich auch ein bisschen Liebe im Spiel sein könne, wofür sie lediglich blanken Hohn erntet. Relevanter scheint hier stattdessen die Frage, wie hoch wohl das Aids-Risiko beim nächsten Partner ist, und ob sich das Wagnis des Kondom-Verzichts lohnen würde...
Letztlich ist MODELS ein Film, den man schwerlich empfehlen möchte. Was nicht die Leistung der Laiendarsteller und den gelungenen Realitätswillen Seidls schmälern soll. Aber wer ansprechende Unterhaltung von einem Film erwartet, wird mit dieser Zumutung nicht glücklich werden. Wer allerdings schon mit Seidls HUNDSTAGE etwas anzufangen wusste, ist auch hier sicher nicht verkehrt.
Am Ende entlässt uns der Film mit verhöhnendem, demütigenden Gelächter – und der Gewissheit, seinen Zuschauern eine bittere Pille reingewürgt zu haben.
Wanted: TIERISCHE LIEBE (muss aber nicht unbedingt sofort sein...)
#6
Geschrieben 27. Februar 2005, 15:50
(The Fearless Vampire Killers, Regie: Roman Polanski, 1967)
Zum ersten Mal gesehen. Seltsam, aber irgendwie ergab sich da bisher nie wirklich die Gelegenheit. Außerdem war ich, obwohl ich Polanski sehr schätze, bei diesem Film aus unerfindlichen Gründen immer etwas skeptisch. Zu unrecht, wie ich nun feststellen durfte. Nach kaum zehn Minuten hatte mich der Film. Von da an werden herrlich aberwitzige, umwerfende Szenen aufeinander getürmt. Eine feine Parodie auf Horror-Mythen entfaltet sich. Gleichzeitig bekam ich dadurch richtig Lust, mal wieder DER ROSAROTE PANTHER zu sehen, den ich in Sachen grotesker Sixties-Comedy in ähnlicher Erinnerung habe. Es sei nicht verschwiegen, dass TANZ DER VAMPIRE für meine Begriffe in der zweiten Hälfte einige Durchhänger hat, während derer sich meine Gedanken dann auch kurzzeitig vom Film verabschiedeten. Am Ende bleibt es aber, nichtsdestotrotz, ein schöner Film.
#7
Geschrieben 05. März 2005, 02:35
(Un long dimanche de fiançailles, Regie: Jean-Pierre Jeunet, 2004)
Normalerweise hat man im Kino ja mittlerweile bis zu 30 Minuten Werbung vor dem eigentlichen Filmstart zu ertragen. Was passiert, wenn man dann ausnahmsweise mal erst fünf Minuten nach dem offiziellen Vorstellungsstart auftaucht? Richtig, man tut das ausgerechnet in einem Kino, das offenbar gar keine Werbung vor dem Hauptfilm zeigt...
Zumindest ging mir das bei MATHILDE so, was schon deshalb gar nicht gut war, weil der Film gleich mal mit einem ausführlichen Voice-Over beginnt... Weil ich zuvor ohnehin von verworrenen Nebenhandlungen und vielen komplizierten Namen hörte, ging mir dann auch gleich Ansporn und Lust, der Handlung konzentriert & im Detail zu folgen, flöten. Hat aber erstaunlicherweise gar nicht viel ausgemacht, weil MATHILDE vor allem über seine Bilder und Emotionen funktioniert. Mögen die Nebenfiguren heißen, wie sie wollen, und mögen sie tun, was sie wollen. Unabhängig davon ist jedenfalls nicht nur Audrey Tautou einmal mehr hinreißend, sondern MATHILDE einfach ein prächtiger Ausstattungsfilm mit absolut fantastischen Kamerafahrten und -einstellungen. Die Einzigartigkeit von AMELIE erreicht er zwar nicht, aber zumindest sehe ich echtes Potenzial für einen Lieblingsfilm. Im ersten Anlauf haben mir einige Kleinigkeiten nicht so völlig behagt, aber gerade angesichts meines missglückten Einstiegs in den Film freue ich mich schon auf eine Heimkino-Wiederbegegnung mit dem Film in einigen Monaten.
Jean-Pierre Jeunet Top Five
1. DIE FABELHAFTE WELT DER AMELIE
2. DELICATESSEN
3. MATHILDE
4. ALIEN 4
5. DIE STADT DER VERLORENEN KINDER
2046
(Regie: Wong Kar-Wai, 2004)
Ein audio-visueller Hochgenuss, mit dem sich Bilderzauberer Wong Kar-Wai einmal mehr als Meister schwelgerischer Melancholie erweist. IN THE MOOD FOR LOVE war in visueller Hinsicht nur ein Probelauf im Vergleich zum Ästhetik-Exzess, der hier betrieben wird. Freilich sollte man dafür nicht nur in der richtigen Stimmung sein, sondern auch ein Faible für extreme Stilisierung haben und sich an Details, Stimmungen, Momenten ergötzen können. Bei 2046 kann es schon mal sein, dass wir minutenlang in Zeitlupe schönen Frauen beim Rauchen zusehen... Apropos Frauen: Zhang Ziyi ist absolut bezaubernd! Kann nun nur zu gut nachvollziehen, warum Tobias Kniebe in der letzten Steadycam ein Loblied auf sie angestimmt hat...
Wong Kar-Wai Top Five
1. IN THE MOOD FOR LOVE
2. 2046
3. CHUNGKING EXPRESS
4. FALLEN ANGELS
5. AS TEARS GO BY
#8
Geschrieben 11. März 2005, 22:52
- Ein bizarres Essay, das seltsam beginnt und in einer völligen Themaverfehlung endet -
Wenn ich mir im Moment schon keine DVDs ansehen kann, muss ich mich anderweitig an ihnen erfreuen. Zum Beispiel, indem ich sie um ihre Einschweißfolie erleichtere. Klingt komisch? Ist aber so. Mir ist erst kürzlich bewusst geworden, was für ein eigenartiger Vorgang das DVD-Auspacken eigentlich ist. Ein Ritual möchte ich fast sagen. Vielleicht bin ich in dieser Hinsicht eine Ausnahme und in höchstem Maße sonderbar, aber für mich hat das etwas feierliches an sich. Ich lasse DVDs nach dem Vor-Ort-Kauf oder Versand-Erhalt grundsätzlich ganz gerne noch ein Weilchen in ihrer Folie. Da haben sie bisweilen noch etwas seltsam edles, unschuldiges an sich. Etwaige kleine Kratzer, Knicke oder sonstige Beschädigungen der Hülle oder der DVD selbst erkennt man dann ja in der Regel erst nach dem Auspacken.
Am schönsten ist es dann, gleich mehrere DVDs zu kaufen oder zumindest innerhalb kurzer Zeit anzusammeln. Und die werden dann alle gemeinsam ausgepackt. Ich setze mich an den Schreibtisch oder an einen ähnlich geeigneten Ort, bediene mich falls nötig noch einer Schere oder eines anderen Öffnungsgerätes, und widme mich dann in aller Ruhe, feierlich und vorsichtig den DVDs. Bei Import-DVDs muss neben der gewöhnlichen Folie manchmal noch eine spezielle Zusatzversiegelung geöffnet werden, was sich mitunter etwas unerfreulich und mühselig gestalten kann. Es stellt sich, um mal auf die metaphorische Ebene auszuweichen, ein Quasi-Keuschheitsgürtel als letztes Hindernis in den Weg. Ist auch dieses gemeistert, steht nach einer mit neugierigem Blick vollzogenen Qualitätsprüfung (Nachsehen, ob das Booklet vorhanden und in Ordnung ist; per Gegenlichtcheck herausfinden, ob die DVD selbst kratzerfrei ist; Schnuppern, ob auch alles schön chemisch und fabrikneu riecht) auch der Quasi-Defloration nichts mehr im Wege und der eigentliche Spaß kann beginnen. Jedenfalls, wenn der DVD-Player nicht gerade streikt... (*räusper*). Tut er das, wendet man eben die DVD-Hülle noch ein paar Mal, lässt den Blick noch mal über die Szenenfotos schweifen, nimmt die DVD selbst noch mal prüfenderweise aus der Halterung oder schmökert ein wenig im Booklet.
Interessant, wie auf diese Weise schon allein das Auspacken einer DVD zum kleinen Erlebnis werden kann. Ein Vorgang allerdings auch, bei dem der neu erworbenen Scheibe eine Aufmerksamkeit zuteil wird, auf die sie dann womöglich erst einmal eine gute Zeit lang verzichten wird müssen. Noch so ein seltsames Gefühl, dass sich bei mir neuerdings in diese ohnehin leicht bizarre Handlung verirrt hat: einerseits wird die DVD mit höchster Freude zur Hand genommen, andererseits verschwindet sie dann unmittelbar darauf womöglich für einige Monate im Regel, ohne auch nur angerührt zu werden. Lange betraf dieses Phänomen der ungesehenen Film-Stapel nur TV-Aufzeichnungen auf VHS-Cassetten, seitdem ich aber (hoffentlich nur vorübergehend) dazu übergegangen bin, immer mehr DVDs zu kaufen und gleichzeitig immer weniger Filme zu sehen, sind auch die schönen Silberscheiben ernsthaft von diesem Schicksal bedroht.
Aber zurück zum eigentlichen Thema und auch dazu, was mich überhaupt zu diesem merkwürdigen Text veranlasst hat. Das war natürlich das DVD-Auspacken selbst, das ich mir vor einigen Tagen wieder gegönnt habe. Acht DVDs warteten auf ihre *Entkleidung* - für echte Sammler natürlich nicht viel auf einmal, für denjenigen, der noch mit Maß und strenger Selbstbegrenzung kauft (allgemein gilt bei mir beispielsweise, dass ich bevorzugt Filme auf DVD kaufe, die nicht alle paar Monate im Free-TV durchgenudelt werden oder in jeder Videothek stehen; also beispielsweise Import-Scheiben oder obskures Zeug; bei Lieblingsfilmen und speziellen Interessen sieht die Sache dagegen noch mal etwas anders aus) durchaus. Ein paar schöne Argento-DVDs von Anchor Bay waren dabei, PROFONDO ROSSO, OPERA und INFERNO, allesamt mit jener angesprochenen Zusatzversiegelung, von der dummerweise zuweilen kleine, klebrige Reste auf der Hülle zurückbleiben. LA MALA ORDINA aus Italien war ebenfalls dabei. Zweieinhalb Monate steckte die DVD in der Pipeline fest und ist nun doch endlich noch bei mir angekommen. Die MALENA-Langfassung aus Korea war ein weiteres Schmuckstück, genau wie die limitierte Samt-Edition von OPERATION DANCE SENSATION, die dank falscher Preisauszeichnung bei manchen Saturn-Filialen kurzzeitig unerwartet günstig zu haben war. Und zu guter Letzt waren noch die deutschen Special Editions von THE UNTOUCHABLES und BASIC INSTINCT angesagt. Das wiederum wäre ein umfassendes Thema für ein weiteres Essay: Special Edition-Fetischismus! Anders sind solche Einkäufe bei mir wohl nicht erklärbar. Dabei zeigte die Erfahrung, dass sich mein Bedarf und Interesse an Bonusmaterial eher in Grenzen hält. Ein aufschlussreiches Making-Of, das nicht nur Werbe-Gefasel enthält, kann schon eine feine Sache sein, aber bisweilen 5-stündige DVD-Anhänge mit endlosen Interviews, Storyboard-Skizzen, entfallenen Szenen und dergleichen mehr gehen dann für mich eigentlich weit jenseits des Interessanten, zuweilen gar jenseits des Erträglichen. Und doch kaufe ich mir bereits bekannte Filme überwiegend nur dann, wenn sie in einer solchen Edition daherkommen und dann blöderweise noch dazu verlockend günstig sind (bei BASIC INSTINCT 9,99 Euro für 2 DVDs sowie eine Soundtrack-CD!). Die Assoziationskette ist dabei wohl: teure Sonderedition, viel Herstellungsaufwand, schönere äußere Aufmachung, bessere Bild- und Tonqualität (und außerdem: kaufe ich jetzt eine *normale* Ausgabe, erscheint demnächst wieder ein deutlich besseres Set, das ich dann kurz darauf für den gleichen Preis bekomme...). Mit anderen Worten: sehe ich eine Special, Collector’s, Limited oder Deluxe Edition, gehe ich auch automatisch davon aus, dass die technische Qualität höher als bei einfachen DVDs ist. Vermutlich stimmt das nur in den seltensten Fällen. Aber hinzu kommt ja dennoch, dass auch das Auge eben etwas mitzureden hat. Gerade kürzlich habe ich das bei einem halbstündigen Besuch der neu strukturierten DVD-Abteilung beim Saturn gemerkt: deutsche DVD-Cover sind vielfach unglaublich einfallslos und abschreckend. Immer häufiger sehen die Dinger schlichtweg lieblos und schlampig entworfen aus. Ausnahmen bilden hier eben oft tatsächlich nur die Sondereditionen, die allein schon durch die entsprechenden Schriftzüge einen edleren und ansprechenderen Touch bekommen (natürlich trifft das nicht auf alle zu – die deutsche Anniversary-Edition zu Carpenters DARK STAR etwa sieht ziemlich grässlich aus...). Vielleicht ist daran auch die *Hauptsache billig*-Mentalität Schuld, die in deutschen Kaufhäusern ganze Paletten von DVDs zu Ramsch für die Wühlkiste werden lässt. Und lieblos hingerotzte Cover mit 3,99-Sticker sind für mich leider alles andere als ansprechend. Klar, auch im Ausland ist nicht alles Gold, was glänzt, aber in Deutschland sieht es da schon besonders düster aus. Vielleicht liegt es zudem auch daran, dass hierzulande bestimmte Genres und Filmrichtungen zumindest in der breiten Öffentlichkeit weitestgehend verpönt und ignoriert werden. Weil es zudem Indizierungen und Beschlagnahmen gibt, die einen Teil von Filmen den Weg zu ihren Käufern verwehren. Ich weiß nicht, ob es in den USA tatsächlich so ist, dass man sich die Scheiben von beispielsweise Anchor Bay, Blue Underground oder Synapse Films im Kaufhaus holen kann – möglich und schön wäre es wohl jedenfalls. Und solcherlei würde auch den stationären DVD-Einkauf hierzulande vielseitiger und lebendiger machen. Wobei es hier natürlich schon auch schöne Veröffentlichungen und Filme in den Regalen der Elektromärkte gibt, vielleicht finde ich es ja letztlich auch nur nervtötend und umständlich, mich dazu durch endlose *A bis Z*-Sortierungen wühlen und mich dabei durch Unmengen von verramschter Mainstream-Ware kämpfen zu müssen.
Nun ja, die private Ursachenforschung läuft, während ich mich hier im Text mittlerweile total verzettelt habe. Sei's drum, ich stelle diese struktur- und planlosen Ausführungen jetzt trotzdem ganz einfach so online. Und hänge zum Spaß noch eine kleine, spontane Liste von Filmen dran, die ich zwar kenne (und die es teilweise auch auf *irgendwelchen* DVD gibt), bei denen ich mir aber – ganz im Stile der erwähnten DVDs von THE UNTOUCHABLES und BASIC INSTINCT – schön aufgemachte und ansprechende deutsche DVD-Veröffentlichungen wünschen würde, die man sich ohne Bedenken ins Regel stellen könnte:
BLADE RUNNER
DIE SIEBEN SAMURAI
FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR
FÜR EIN PAAR DOLLAR MEHR
WER GEWALT SÄT
EL TOPO
GATTACA
THE WILD BUNCH (Director's Cut)
GETAWAY
CINEMA PARADISO
MEIN NAME IST NOBODY
LEAVING LAS VEGAS
TRUE ROMANCE
THE BIG RED ONE (Extended)
THE WAR ZONE
HASS
CITIZEN KANE
PULP FICTION
KILL BILL (version integrale)
FARGO
#9
Geschrieben 11. März 2005, 22:58
(The Quiet Man, Regie: John Ford, 1952)
War nicht mein Film. Vielleicht bin ich momentan auch einfach nur viel zu weit weg von John Ford. Es gab bei mir mal eine Zeit des exzessiven Western-Guckens, in der ich natürlich auch einiges von Ford sah (und dass sich in seiner Filmografie echte Meisterwerke befinden, steht wohl außer Frage). Womöglich ist die daraus resultierende, länger anhaltende Übersättigung noch immer nicht so ganz überwunden. Vielleicht ist es aber auch am Ende gar so, dass ich von Ford einfach nur die Western mag.
Wobei DER SIEGER im Grunde ganz sicher kein schlechter Film ist. Wohl sogar ein ausgesprochen guter. Und mir sagte auch manches Element sehr zu. Etwa die Szene, in der sich John Wayne und Maureen O'Hara am Friedhof im Regen näher kommen, oder generell Victor McLaglens herrliche Rolle als kauziger Will Danaher, oder die gesamte Schlusssequenz. Aber letztlich wollte der Funke einfach nicht überspringen. Auch einzelne Höhepunkte können nicht beschönigen, dass ich den Film eher teilnahmslos als genussvoll verfolgte. Nun ja, vielleicht einfach in ein paar Jahren einen neuen Versuch wagen...
John Ford Top Five
1. DER MANN, DER LIBERTY VALANCE ERSCHOSS
2. DER SCHWARZE FALKE
3. FAUSTRECHT DER PRÄRIE
4. BIS ZUM LETZTEN MANN
5. DER TEUFELSHAUPTMANN
#10
Geschrieben 14. März 2005, 21:57
(Regie: Volker Schlöndorff, 1979)
Vergangenen Samstag im Rahmen eines sogenannten "Filmseminars" (Thema "Zwischen Zivilcourage und Widerstand"; bestehend aus der Begutachtung zweier Filme von Volker Schlöndorff [wobei DIE BLECHTROMMEL eigentlich nur sehr bedingt zum Thema passte, wie auch Schlöndorff gleich einleitend gegenüber den Veranstaltern anmerkte] unter Anwesenheit des Regisseurs mit jeweils anschließender Diskussion) gesehen.
Wie so oft gammelt schon jahrelang eine TV-Aufzeichnung des Films bei mir rum, ich hatte aber nie die Motivation zur Ansicht dieses 140-Minuten-Brockens, dessen Buchvorlage ich zudem nicht kenne. Auch sonst kannte ich von Schlöndorff quasi nichts (DIE VERLORENE EHRE DER KATHARINA BLUM gehört ebenfalls zu meinen VHS-Sleepern, während ich DIE STILLE NACH DEM SCHUSS zwar mal gesehen habe, aber das einzige, was davon hängen blieb, ist irgendein Banküberfall zu Beginn des Films...). Trotzdem war ich guter Dinge, handelt es sich bei der BLECHTROMMEL doch offenbar um ein Meisterwerk des deutschen Films und zudem um einen Oscar- und Cannes-Preisträger.
Die erste halbe Stunde des Films ist gewöhnungsbedürftig, danach zeigen sich offenkundige Qualitäten. Die Kameraführung ist brillant und vielseitig, wie ich das bei deutschen Filmen – die ja gemeinhin leider nicht gerade für handwerkliche Virtuosität verschrieen sind – bislang selten erleben durfte. Einige Szenen sind in Sachen Atmosphäre und Darstellung ungewöhnlich intensiv gelungen. An interessanten Anspielungen, Symbolen und diversen Allegorien ist der Film zudem ohnehin reich gesegnet. Trotz allem blieb am Ende ein schaler Beigeschmack zurück, weil sich mir das Gesamtkonzept des Films nicht erschloss. Phasenweise beinahe ein Kuriositäten-Kabinett, dann wieder intelligente Querbezüge, plötzlich auch mal echte emotionale Involvierung des Zuschauers. So richtig erreicht hat mich das im Gesamten leider nicht.
Hier erwies es sich dann allerdings als echter Vorteil, nach dem Film die Möglichkeit gehabt zu haben, einigen Anmerkungen des Regisseurs zu lauschen. Und tatsächlich gehört Schlöndorff zu den Leuten, die erzählen können und denen man gerne zuhört. So brachten dann seine interessanten Ausführungen über das Verhältnis zur Buchvorlage, grundsätzliche Motivationen, filmische Symboliken sowie konzeptionelle Diskussionen mit Günter Grass einiges Licht ins Dunkel und machten mir darüber hinaus Lust, den Film demnächst wiederzusehen. Könnte mir vorstellen, dass der bei wiederholter Ansicht enorm hinzugewinnt und die aus dem Ersteindruck entstandene Skepsis zerstreut.
Der neunte Tag
(Regie: Volker Schlöndorff, 2004)
Nach der verhaltenen Reaktion auf die BLECHTROMMEL hatte ich mir vorgenommen, dafür zumindest DER NEUNTE TAG richtig zu mögen. Aber solche Unterfangen sind natürlich blödsinnig und die Rezeption eines Films einfach nicht kalkulierbar (zum Glück!). Weil ich auch längst darüber hinweg bin, mir Filme künstlich schön zu reden, fällt mein Urteil letztlich zwar gewiss nicht schlecht, aber doch relativ enttäuscht aus. Die allerorts gepriesenen Rededuelle über Glauben und Ideologie zwischen Ulrich Matthes (mit eingefallenen Wangen und tiefen Augenhöhlen beängstigend) als katholischer Priester und August Diehl (wird immer besser) als Untersturmführer Gebhardt haben zwar gute Ansätze (etwa der Judas-Gedanke), bieten aber insgesamt ernüchternd wenig Substanz. Dafür sind die filmeinleitenden zehn Minuten im KZ Dachau von ungeahnt schockierender Intensität und für die Konstruktion des Films essentiell. Und alleine die grundsätzliche Konzentration auf eine perfide herbeigeführte Individualentscheidung von allgemeingültiger, philosophischer Bedeutung (hier der Bezug zu besagtem Thema "Zivilcourage und Widerstand", weil es letztlich um die eigene Verantwortung geht) macht den Film letzten Endes reizvoller und relevanter als beispielsweise den eher unnahbaren UNTERGANG. Inwiefern nun im Rahmen der aktuellen Welle von deutschen Filmen über das Dritte Reich NAPOLA und SOPHIE SCHOLL vielleicht wiederum die besseren Vertreter sind, kann ich mangels Kenntnis nicht beurteilen. Allerdings beschleicht mich das Gefühl, dass jene kleine Welle schlussendlich leider eher in quantitativer als in qualitativer Hinsicht bemerkenswert ist...
Und weil derzeit bei mir zu jedem Eintrag obligatorisch eine Liste gehört und ich ohnehin immer mehr zum HIGH FIDELITY-Style neige, gibt's jetzt einfach noch meine fünf aktuell am liebsten gehörten Popsongs. Oder anders formuliert: Songs, auf die ich dieser Tage hoffe, wenn ich das Autoradio einschalte:
Ordinary Life - Liquido
The most beautiful Song – Lunik
Unwritten – Natasha Bedingfield
Gekommen um zu bleiben – Wir waren Helden
The Weekend – Michael Gray
Coming soon: Listen meiner momentanen Soundtrack-Favoriten!
#11
Geschrieben 18. März 2005, 19:55
(Regie: Clint Eastwood, 1988)
Ich verstehe nicht viel von Musik und ich mag Jazz nicht besonders. Tolle Voraussetzungen für ein zweieinhalbstündiges Biopic über einen Jazz-Musiker, was? Mein eigentliches Problem war aber ein anderes: der Film lief werktags zu später Stunde bei arte und ich bildete mir ein, ihn *live* sehen zu müssen (ein allerdings irgendwo berechtigter Selbstzwang, weil das Ding sonst wieder nur ewig ungesehen bei mir rumliegen würde...), obwohl ich dank der stressigen Vornächte völlig übermüdet war. Die erste Hälfte kam ich noch ganz gut über die Runden und mir gefielen sogar oder gerade die musikalischen Einlagen ziemlich gut (womit der Film für den Jazz potenziell das ist, was bei mir GHOST DOG für Hip Hop und LILJA 4-EVER für Techno waren). Die letzte Stunde wurde dann allerdings zur Groteske: immer wieder fing ich an, aufzustehen und im Zimmer auf und ab zu gehen, um mich krampfhaft am einschlafen zu hindern. Zuletzt solche Mühe, mich während eines Films wach zu halten, hatte ich allenfalls bei AMERICAN SPLENDOR (dort immerhin nach komplett durchgemachter Nacht & anstrengender Hitze). Durchgehalten habe ich es zwar letztlich doch, aber um welchen Preis? Vermutlich den, dass ich Eastwoods Film ganz einfach innerhalb absehbarer Zeit noch mal sehen muss, um mir bei klarem Verstand ein Urteil zu bilden. Der vorläufige Eindruck ist durchaus angenehm, aber furchtbar große Lust auf eine neuerliche Sichtung habe ich vorerst eigentlich auch nicht.
Crash
(Regie: David Cronenberg, 1996)
Einer der bizarrsten Filme, die ich je gesehen habe. Auf seltsame Weise undurchdringlich und selbst für Cronenberg-Verhältnisse ein ziemlich schwerer Brocken. Der Kanadier treibt seine Lust an der Demontage und Deformierung menschlicher Körper hier endgültig auf die Spitze. Aufgeplatzte Haut, blutige Wunden, unschöne Narben, Knochenbrüche und Lähmungen – geschont werden hier weder die Protagonisten, noch die Zuschauer. Zurück bleiben konfuse Gedanken zur dargebotenen Analogie von Sex (Kollision zweier Körper) und Autounfällen (Kollision zweier Fahrzeuge). Oder ist der Film eher als Gegenentwurf zum modernen Schönheitsideal zu sehen? Statt dem Drang nach obsessiver Perfektionierung die Lust an der obsessiven Destruktion? Der modernen Technologie mit ihren Sicherheits- und Kontrollmechanismen etwas Anarchistisches entgegen setzen?
David Cronenberg Top Ten
1. DIE FLIEGE
2. DIE UNZERTRENNLICHEN
3. NAKED LUNCH
4. VIDEODROME
5. DEAD ZONE
6. EXISTENZ
7. SPIDER
8. CRASH
9. DIE BRUT
10. PARASITEN-MÖRDER
Unbedingt nachholen will ich SCANNERS und RABID, die ich leider in einer Cronenberg-Kino-Reihe, wo ich einige seiner anderen Frühwerke sah, verpasst habe. Ansonsten würde bei einigen der gelisteten Filme eine Wiederbegegnung zur besseren Einordnung sicher gut tun. Dazu gehören wohl vor allem VIDEODROME, DIE BRUT und nun auch CRASH.
Tagebuch einer Kammerzofe
(Le journal d'une femme de chambre, Regie: Luis Bunuel, 1964)
Eigentlich ein toller Film. Allerdings plagte mich auch hier, ähnlich wie bei BIRD, das Müdigkeitsproblem. Irgendwann macht es sich halt doch bemerkbar, wenn man seit zwei Wochen nicht einmal Gelegenheit hatte, sich mal vernünftig auszuschlafen. Bei Bunuel hielt sich der Schaden allerdings in Grenzen, es blieb bei gelegentlichen Konzentrationsproblemen. Bei vollem Bewusstsein mitbekommen habe ich aber beispielsweise zu Beginn des Films die hinreißende Kutschfahrt übers Land (man beachte dabei Jeanne Moreaus herrlich trockene Kommentare über das Landleben!). Danach frönt Bunuel einem seiner Lieblingsthemen: dem sittlichen Verfall und der Verlogenheit der Bourgeoisie. Verbohrt, engstirnig, oberflächlich, notgeil und pedantisch sind die Mitglieder der ländlichen Familie, bei der Moreau, aus Paris kommend, als Angestellte anfängt und so ihre Probleme hat, sich einzuleben...
Angesichts des Entstehungsalters teilweise verblüffend, was hier an unterschwelliger Perversion offengelegt wird. Teilweise so bissig und knochentrocken, dass man es wirklich kaum für möglich halten will. Hinzu kommt neben der gesellschaftlichen auch eine beachtenswerte politische Note (immerhin spielt der Film zu einer Zeit, in der sich in Europa langsam aber sicher der Faschismus auszubreiten beginnt, und einige Anspielungen auf die spätere opportunistische Haltung von Teilen der französischen Bevölkerung gegenüber Nazi-Deutschland sind nicht zu übersehen), die besonders gegen Ende deutlich zutage tritt. Bislang kannte ich von Bunuel nur EIN ANDALUSISCHER HUND und DER DISKRETE CHARME DER BOURGEOISIE, bin aber nun doch froh, noch einiges von ihm aufgenommen zu haben. Ich will mehr Szenen sehen wie den wunderbaren Schluss von TAGEBUCH EINER KAMMERZOFE, wo eine Horde ach so patriotischer Bourgeoisen zum blindwütigen Protestmarsch gegen Juden und andere vermeintliche Landesfeinde anstimmen – völlig verkennend, wer ihr eigentliches Problem ist: sie selbst.
#12
Geschrieben 19. März 2005, 19:41
(Sue, Regie: Amos Kollek, 1997)
Endlich mal wieder ein Film, der mich restlos überzeugt hat. Ich hatte mir eine Art weiblicher TAXI DRIVER erhofft – und ich bekam tatsächlich eine Art weiblichen TAXI DRIVER! Unspektakulär, zärtlich und subtil, aber mit zwingender Kompromisslosigkeit reißt einem der Film die Eingeweide raus. Ein unscheinbares Juwel!
Spontane Top Five von Meisterwerken zum Thema urban alienation:
1. TAXI DRIVER
2. MENSCHENFEIND
3. SUE – EINE FRAU IN NEW YORK
4. ASPHALT-COWBOY
5. DER DIALOG
Wer sich übrigens so langsam von meinem derzeitigen Listen-Wahnsinn genervt oder gelangweilt fühlt oder meine jeweiligen Listen für pure Geschmacksverirrungen hält, darf das natürlich gerne in meinem Kommentare-Thread kundtun. Das dürfte dann auch die einzige Möglichkeit sein, zu verhindern, dass ich mich in absehbarer Zeit dem völligen Exzess (z.B. Western Top 100, Ennio Morricone Top 100 etc.) hingebe...
#13
Geschrieben 22. März 2005, 12:57
(Regie: Amos Kollek, 2000)
Nach der deprimierenden, aber meisterhaften SUE hatte ich Lust auf einen weiteren Film des Dous Kollek/Thomson, zumal FAST FOOD FAST WOMEN zur Abwechslung eher heitere Unterhaltung versprach. Nun gut, im Vergleich zu SUE stimmt das natürlich, aber von einer sorgenfreien romantic comedy im Sinne Hollywoods ist auch FAST FOOD FAST WOMEN ziemlich weit entfernt.
Davon abgesehen ist es ein unglaublich eigenartiger Film. Eine Stunde lang habe ich ständig mit dem Gedanken gespielt, den Film abzubrechen. Zu unmotiviert und konfus ineinander verflochten wirkten die verschiedenen Geschichten, zwischen denen der Film hin und her wechselt. Nach gut einer Stunde springt aber dann der Funke tatsächlich doch noch irgendwie über. Man ist den Figuren unmerklich, aber stetig nähergekommen und darf sich jetzt aufrichtig über den ein oder anderen glücklichen Moment freuen. Anna Thomson ist ohnehin wieder ziemlich sensationell. Nicht unbedingt die Traumfrau im eigentlichen Sinne, aber auf ihre Weise faszinierend. Und überhaupt: wie viele Schauspielerinnen können mit 45 Jahren noch so ohne weiteres eine 35-Jährige spielen?
Am Ende hat mich FAST FOOD FAST WOMEN mit einem seltsam beschwingten Gefühl zurück gelassen. Beim Zurückspulen der Cassette habe ich willkürlich noch mal in einige Szenen reingesehen und hätte gleich weitergucken können. Der Film ist sehr seltsam, aber irgendwie auch sehr sympathisch. Es ist fast wie bei einem unbekannten Cocktail: er sieht merkwürdig aus und man weiß nicht so wirklich, was drin ist, aber im Endeffekt ist das seltsame Gemisch doch ziemlich lecker und man kann gar nicht genug davon kriegen...
Achteinhalb
(8 ½, Regie: Federico Fellini, 1963)
Einer meiner hartnäckigsten *VHS-Sleeper*: über drei Jahre hatte ich den nun schon ungesehen herumliegen... erstmals wirklich Lust bekommen, ihn zu sehen, habe ich erst kürzlich bei Martin Scorseses zweiteiliger Doku über das italienische Kino (MEINE ITALIENISCHE REISE). Dass Michael kürzlich meinte, es würde sich womöglich lohnen, ACHTEINHALB vor Wes Andersons TIEFSEETAUCHERN zu sehen, war nun ein weiterer Anreiz.
Über eine Stunde kam ich dennoch nicht hinaus. Ich brach ab, obwohl mir der Film gefiel und ich seine Genialität zumindest näherungsweise spürte. Allein die Eröffnungsszene ist wahrhaft atemberaubend. Der Film ist voll von inhaltlicher Kreativität und visuellen Einfällen. Zu voll vielleicht? Nein, als überladen möchte ich ihn eigentlich nicht bezeichnen. Problematisch dürfte eher sein, dass ich bislang noch nichts von Fellini gesehen hatte. Aber dank Scorsese war mir der Hintergrund des Films eigentlich dennoch einigermaßen vertraut. Nun ja, sicher hätte ich den Film fertig sehen können und er hätte mir gefallen. Aber die echte Begeisterung war eben nicht da. Und weil es mir derzeit auf diese Art nicht wirklich Spaß macht, bin ich lieber auf Wes Andersons RUSHMORE umgestiegen, der vor den TIEFSEETAUCHERN als Einstimmung sicher nicht weniger geeignet ist...
Rushmore
(Regie: Wes Anderson, 1998)
Zurück bleibt nur die Frage, warum ich manche Filme so lange auf VHS-Cassetten vergammeln lasse, bis es beinahe zur Materialzersetzung kommt? Dabei befindet sich offensichtlich eine ganze Menge an wirklich tollen Filmen darunter. Tja, mir ist das über die Jahre irgendwie alles über den Kopf gewachsen und das Vorhaben, den ganzen Kram mal aufzuholen, wird wohl eine Utopie bleiben...
Top 15 meiner (grob geschätzt) am längsten aufgenommenen, aber bislang ungesehenen Filme (alphabetisch):
Buena Vista Social Club
Edgar Wallace: Der Rächer
Der Eissturm
Der englische Patient
Das Fest
Der Gejagte
Ein Herz im Winter
Im Rausch der Tiefe
Kundun
Kurz und schmerzlos
Malcolm X
Die Reifeprüfung
Shampoo
Showgirls
Das Urteil von Nürnberg
Es gibt aber auch besondere Härtefälle wie VOM WINDE VERWEHT oder DER LETZTE KAISER, die ich nach jahrelanger Aufbewahrung einfach ungesehen gelöscht habe. Irgendwann stößt man halt auf hartnäckige Kapazitätsgrenzen. Normalerweise bringe ich es aber dummerweise nur schwer übers Herz, alte Aufzeichnungen zu überspielen, auch wenn ich bei vielen Filmen im Grunde weiß, dass es auch in den nächsten Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Sichtung kommen wird...
#14
Geschrieben 23. März 2005, 14:26
(The Life Aquatic with Steve Zissou, Regie: Wes Anderson, 2004)
Als ob ich zuletzt nicht genug eigenartige Filme gesehen hätte, hier nun schon wieder ein waschechtes Exemplar dieser wohl eher subjektiv zu definierenden Gattung. Ein ziemlich schönes Exemplar allerdings. Die vielen kritischen Stimmen haben nicht ganz unrecht, irgendwie sind die TIEFSEETAUCHER schon ein Stück weit baden gegangen (haha). Schon richtig, dass viele Gags nicht so richtig zünden, dass manches zu gewollt und gezwungen wirkt. Andererseits finde ich es großartig, wenn der Film spätestens beim Piraten-Überfall volle Kanne in Trash-Gewässer steuert. Einen derart abgedrehten, albernen Schwachsinn kann sich nicht jeder erlauben, aber wie ungeniert das Anderson hier einfach so macht, treibt mir ein breites Grinsen ins Gesicht. Ich meine, hey, das ist ein A-Film mit einer Reihe hochkarätiger Hollywood-Stars – und an was erinnern mich die Szenen mit den Piraten, die Badeanzüge und der ganze Kram? An die Ninjas aus OPERATION DANCE SENSATION! Und so möchte ich es durchweg als Kompliment verstanden wissen, wenn ich den TIEFSEETAUCHERN stellenweise den herrlichen Charme eines experimentierfreudigen Amateurfilms attestiere.
Was ansonsten Optik, Darsteller und dergleichen angeht, ist sich Anderson treu geblieben. Anzumerken wäre nur, dass der Inhalt zugunsten der weiter angezogenen Skurrilitäts-Schraube auf ein Minimum zurückgefahren wurde. In dieser Hinsicht sollte man also wahrlich nichts erwarten. Große Ernsthaftigkeit schon gleich gar nicht. Ganz wunderbar dagegen einmal mehr Andersons Gespür für den Einsatz von Musik. Damit meine ich nicht nur die abgedrehte Idee mit David Bowie auf Akustikgitarre, sondern vor allem die Unterlegung von Filmszenen von Songs (spätestens hier zeigt sich dann auch einer der entscheidenden Unterschiede, wenn ich an den meist langweilig-konventionellen Einsatz von Songs und Score in HITCH zurückdenke). Besonders schön in diesem Sinne war für mich als begeisterten Morricone-Anhänger natürlich, als plötzlich ganz unverhofft "Here's to you" erklang...
#15
Geschrieben 31. März 2005, 12:57
Hatte überlegt, dem Thema Soundtracks einen längeren Text zu widmen, was ich wegen mangelnder Zeit und Motivation aber wieder verworfen habe (das Listenerstellen war in diesem Fall ohnehin schon aufwendig genug... ). Das werde ich vielleicht nachholen, wenn ich irgendwann in etwas umfassenderer Form Ennio Morricone würdigen werde. Wobei Morricone auch jetzt bei meinen aktuellen Lieblings-Tracks und -Soundtracks eine entscheidende Rolle spielt, was ganz einfach daran liegt, dass er mein Lieblingskomponist ist und seine Werke den mit großem Abstand größten Teil meiner Soundtrack-Sammlung ausmachen. Dazu wäre vielleicht zu erwähnen, dass ich früher ganz allgemein nie wirklich CDs gekauft habe, nun aber in den letzten Monaten in eine Morricone-Euphorie verfallen bin, die mich zu wahnwitzigen Kaufexzessen getrieben hat. Als Folge habe ich mittlerweile gut 50 Morricone-CDs angesammelt, vieles davon zum Glück recht günstig abgestaubt, sonst wäre der Spaß kaum zu finanzieren gewesen... insofern liegt also auch hier in diesem Eintrag das Hauptaugenmerk auf Morricone (während auch bei den anderweitigen Scores italienische Komponisten eine erdrückende Mehrheit stellen... das italienische Genre-Kino hat hier einfach eine Reihe von einzigartigen, markanten, fetzigen, melodischen und erfrischenden Soundtracks hervorgebracht). Dahingehend möchte ich noch erwähnen, dass ich momentan entdeckungsfreudig auf recht exotischen Pfaden wandele. Natürlich liebe ich von Morricone auch die Sachen, die er für Sergio Leone oder Brian De Palma geschrieben hat und natürlich auch musikalische Meisterwerke wie MISSION. Derzeit befasse ich mich allerdings eher mit den weniger bekannten Scores, weshalb hier auch der deutliche Schwerpunkt der nachfolgenden kurzen Liste(n) liegt.
Ach ja: was die Titel angeht, habe ich auf die deutschen bzw. internationalen Filmtitel zurückgegriffen, die einzelnen Tracks sind aber unabhängig davon natürlich entsprechend den italienischen oder englischen CD-Angaben benannt.
Die Reihenfolge entspricht übrigens nicht meiner Wertschätzung (was bei mir übrigens grundsätzlich für alle nicht-nummerierten Listen gilt). Besondere Highlights unter meinen derzeitigen Favoriten sind allerdings mit entsprechenden Smileys hervorgehoben.
Lieblings-Tracks: Morricone Top Ten
LASST UNS TÖTEN, COMPANEROS! – Il Pinguino
ALLEN GEHT'S GUT – Viaggio
UNTER DEM SKALPELL DES TEUFELS – Valzer
EIN SCHÖNER NOVEMBER – Ancora Più' Dolcemente
MADDALENA – Come Maddalena
DAS GEHEIMNIS DER GRÜNEN STECKNADEL – Cosa avete fatto a solange
EXORZIST II – Magic and Ecstasy
DER GEHETZTE DER SIERRA MADRE – Corri uomo, corri
EIN MANN RECHNET AB – A Taste of Vengeance
DER TODES-TRIP – Autostop rosso sangue
Lieblings-Tracks: Non-Morricone Top Ten
WOODOO – Zombi 2 seq. 8 (Fabio Frizzi, Giorgio Cascio)
ASPHALT-COWBOY – Theme (John Barry)
KEOMA – End Titles, seq. 9 (Guido & Maurizio de Angelis)
EIN HALLELUJA FÜR CAMPOSANTO – Gli fumavano le colt… seq. 1 (Bruno Nicolai)
DIE GEHEIMNISVOLLE INSEL – L'isola misteriosa (Giorgio Ferrio)
CAMORRA – Folk and Violence (Franco Micalizzi)
DON'T TORTURE A DUCKLING – Quei giorni insieme a te (Riz Ortolani)
FLAVIA – LEIDENSWEG EINER NONNE – Flavia dei turchi (Nicola Piovani)
STREETFIGHTERS – Main Title (Jay Chattaway)
FRIEDHOF OHNE KREUZE - End Titles (André Hossein)
Komplette Soundtracks (CDs): Morricone Top Five
METTI UNA SERA A CENA (Cinevox)
UNA LUCERTOLA CON LA PELLE DI DONNA (Dagored)
TODESMELODIE (Alhambra; Cinevox)
DEATH RIDES A HORSE (RCA; enthält auch die Scores zu Tessaris RINGO-Filmen!)
EAT IT (Cam's Soundtrack Encyclopedia; enthält auch MACCHIE SOLARI!)
Komplette Soundtracks (CDs): Non-Morricone Top Five
MANIAC – Jay Chattaway (SouthEast Records)
SUSPIRIA – Goblin (Cinevox)
KILL BILL VOL. 2 – diverse (Warner Music)
DIE FABELHAFTE WELT DER AMELIE – Yann Tiersen (EMI)
NEKROMANTIK 2 – diverse (J&
Bonus: Most Erotic Morricone-Track (powered by Edda dell'Orso)
ANGST ÜBER DER STADT – Sospiri Da Una Radio Lontana
Most-Wanted Soundtracks
DAWN OF THE DEAD (Goblin)
FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR (Ennio Morricone)
BUIO OMEGA (Goblin)
MARK OF THE DEVIL (Michael Holm)
LA CALIFFA (Ennio Morricone)
Damit werde ich mich für einige Zeit verabschieden und mein Tagebuch wird eine Weile pausieren. Die letzten Wochen waren in erster Linie mal ein kurzes Reinschnuppern. Als solches hat es mir gefallen, jetzt fordert akuter Zeitmangel in den nächsten Wochen seine Opfer. Aber Mitte Mai bzw. Mitte Juni werde ich das Filmtagebuch weiterführen, dann hoffentlich mit neuem Schwung, neuer Lust auf Filme und einer höheren Eintrags-Frequenz. Und das übertrieben obsessive "jeder Beitrag braucht eine Liste", das ich hier zuletzt praktiziert habe, wird's dann auch nicht mehr geben. Listen an sich werde ich allerdings auch dann vermutlich weiterhin recht häufig posten, sorry!
#16
Geschrieben 04. Mai 2005, 22:55
Zum Wiedereinstieg erst einmal jeweils ein paar Zeilen zu einigen der Filme, die ich in den letzten zwei Monaten gesehen habe. Die kleine Auswahl ist mehr oder weniger willkürlich und erklärt sich nur aus momentaner Laune heraus.
Blindman – Der Vollstrecker
(Regie: Ferdinando Baldi, 1971)
Ein hochgradig absurder Film, der zwar irgendwie alles hat, was man von einem guten Italowestern erwartet (markanter Score, staubige Landschaften, zynische Helden, schöne Frauen), und doch in seiner Art, die genannten Elemente zu kombinieren, völlig einzigartig ist. Als zusätzliche Qualitäten werden außerdem aufgefahren: wunderbar trockene Dialoge & Oneliner, allerlei bizarrer Bildinhalt (das geht bis ins Detail: achtet z.B. beim Gefängnisausbruch der Frauen mal darauf, dass eine doppelt so schnell wie alle anderen rennt...) und eine groteske Maschinengewehrszene, die sämtliche DJANGOs in den Schatten stellt. Wer sich mit dem psychedelischen Touch des Ganzen anfreunden kann, bekommt prächtige Unterhaltung serviert. Die DVD von Koch Media ist geschmackvoll verpackt und hat mich in Sachen Bildqualität in Anbetracht der Rarität des Films wirklich positiv überrascht.
Engel und Joe
(Regie: Vanessa Jopp, 2001)
Hätte ich wohl in Tausend Jahren nicht aus eigenem Antrieb gesehen. Aber bei der TV-Ausstrahlung zufällig genau im richtigen Moment reingezappt und nicht mehr davon losgekommen. Wunderbar geeignet, um in später Nacht kurz vorm Einschlafen gesehen zu werden – vermutlich auch, weil dann die kleinen Macken (Klischees, Vorhersehbarkeit) nicht so stark ins Gewicht fallen, sondern vor allem einige richtig tolle Einzelszenen ins Bewusstsein drängen. Jedenfalls lange nicht mehr so viele *Magic Moments* in einem deutschen Film erlebt!
Elf Uhr nachts
(Pierrot le fou, Regie: Jean-Luc Godard, 1965)
"Film is like a battleground. Love. Hate. Action. Violence. Death. In one word: emotion."
Samuel Fullers Cameo in Godards überbordender kreativer und filmischer Explosion gehört für mich ganz klar zu den heißesten Anwärtern, wenn es um die denkwürdigsten Kurzauftritte in Filmen geht.
Edgar G. Ulmer – Der Mann im Off
(The Man Off-screen, Regie: Michael Palm, 2004)
Informatives und anregendes Portrait einer ebenso interessanten wie tragischen Lebensgeschichte. Bei der Spurensuche kommen auch einige bekannte Filmemacher zu Wort, die teils euphorisch vom vermeintlichen Billigfilmer schwärmen. Macht Lust auf B-Movies und vor allem auf Filme von Edgar G. Ulmer. Ich will DETOUR und THE BLACK CAT sehen!
#17
Geschrieben 04. Mai 2005, 22:56
(Paroxismus, Regie: Jess Franco, 1969)
Ach herrlich – es ist schon ein Glück, einen Film so genießen zu dürfen! Ich hätte gestern keine bessere Wahl treffen können. Von fünfstündiger Prüfung zermürbt und durch extremen Schlafmangel am Rande des körperlichen und geistigen Ruins, wollte ich einfach nur irgendetwas entspannendes zum Ausklang des Tages sehen. Bitte möglichst wenig Dialoge, am besten gar keine wirkliche Handlung – so ungefähr lauteten die primären Kriterien. Warum ich mich dann nicht gleich Bilderfluten à la THE BEYOND oder SUSPIRIA hingegeben habe, lag wohl in erster Linie daran, dass ich keine Lust auf Gewalttätigkeiten hatte. Psychedelische Erotik war da schon eher eine Alternative.
Mit VENUS IN FURS von Jess Franco war ich dann jedenfalls perfekt versorgt. Ein chill out-movie, wie ich es mir besser nicht hätte wünschen können. Der surreale Anstrich des Ganzen passte optimal zu meiner eigenen Verfassung, die mysteriös-traumartige Wirkung des Films entsprach ziemlich genau meiner Wahrnehmung (fand diesbezüglich auch sehr hübsch, dass es in dem Film immer wieder Momente gibt, in denen Personen einfach nur gedankenverloren in die Gegend starren...). Insofern sei also unter Vorbehalt gestellt, ob mir der Film bei geistig wachem Zustand genauso gut gefallen hätte, und auch eine beurteilende Bemerkung zum Inhalt verkneife ich mir, weil sich mir ein guter Teil der inhaltlichen Zusammenhänge – sollte es denn abgesehen von der Rache der Venus im Pelz überhaupt welche geben – nur eingeschränkt erschlossen hat. Aber gut, damit könnte eine zweite Begegnung mit dem Film womöglich noch ganz andere Perspektiven eröffnen. Ist ja auch was.
Vorerst sehe ich den Film aber vornehmlich als das, was auch Jess Franco im Interview der DVD als Intention offenbart: die ekstatische Fantasie eines völlig in seiner Musik aufgehenden Jazz-Musikers während eines Trompeten-Solos bei einem Auftritt in der Atmosphäre eines schummrigen Clubs. Oder so. Macht aber durchaus Sinn, weil das im Film ein wiederkehrendes Motiv ist und es einige musikalische Passagen gibt (nebenbei bemerkt: wunderbar passender Soundtrack!), die diese Betrachtungsweise durchaus nahe legen. Ohnehin scheint sich der Film manchmal regelrecht in sich selbst zu verlieren, während ich es genossen habe, mich in ihm zu verlieren und einfach nur noch Stimmungen, Momente, Einfälle wahrzunehmen und ins Bewusstsein vordringen zu lassen. All das bringt als zusätzlichen angenehmen Effekt natürlich auch mit sich, dass in narrativer Hinsicht manches im Film auch einfach gar nicht wirklich Sinn machen muss. Ist auch tatsächlich so, dass Franco bei Bildern und Ablauf mit konventionellem filmischem Erzählen bricht, so sehr es nur geht. Unentwegt werden die Bilder umarrangiert, manipuliert, gezoomt, verlangsamt oder mit Farbfiltern verfremdet. Gerade in der ersten Hälfte kommen zudem auffällig häufig Spiegel zum Einsatz und zahlreiche Szenen werden erst einmal mit verwinkelten Kamerabewegungen über diverse Spiegel-Reflexionen oder auch mal durch Großaufnahmen von Gemälden eingeleitet, bevor sich dann ein Gefühl für Räumlichkeit herauskristallisiert. Apropos Räumlichkeit: was die Ausstattung des Films angeht, fand ich dieses betont bunte End-Sixties-Ambiente, das einem den ganzen Film über begegnet, ganz besonders toll. Das hat VENUS IN FURS für mich unter besagten Umständen auch so reizvoll gemacht: es gibt immer was zu gucken, immer irgendwas spannendes im Bildinhalt zu entdecken. Nicht nur leicht oder (fast) gar nicht bekleidete Damen sorgen hierbei für optische Attraktivität, es ist auch schlichtweg eine Wonne, was Franco an leckeren Bildkompositionen auffährt. Schon der Einstieg an einem einsamen Strand ist superb, später folgt die Atmosphäre von Istanbul und Rio, immer wieder gibt es die schon angesprochenen Ausflüge in schummrige Musiklokale, und schließlich sogar noch stimmungsvolle Sonnenauf- und untergänge. Bei so viel kreativem und visuellem Talent stellt sich unweigerlich die Frage, wieso Franco später kein großer Regisseur wurde sondern zum europäischen Takashi Miike mitsamt Fließbandarbeits-Methoden und rekordverdächtigem Filmografie-Volumen mutierte. Lag sicher nicht zuletzt an seinen thematischen Präferenzen, die nicht gerade Mainstream- und auch nicht unbedingt Arthouse-kompatibel sind...
Ganz besonders bemerkenswert fand ich zwei Momente bei VENUS IN FURS: zum einen die Sterbeszene von Dennis Price, die ungeheuer intensiv montiert ist und sich in ein hypnotisches Finale hineinsteigert, um dann zur Songzeile "venus in furs will be smiling..." auf grandiose Weise aufgelöst zu werden. Zum anderen das sexy Photoshooting von Maria Rohm und Margaret Lee! Wenn man an Francos WIP-Exzesse denkt, möchte man es kaum für möglich halten, wie er in VENUS IN FURS statt platter Sexualität mit Verfremdungseffekten, Zooms und geschickter Montage die Kunst des subtilen Ver- und Enthüllens zelebriert. Das nenne ich doch mal angenehm geheimnisvolles, erotisches Kino, das zudem auf eine angenehm ungezwungene, selbstverständliche und entspannte Art in stimmungsvollem Ambiente inszeniert ist. Diesbezüglich sei allerdings auch darauf hingewiesen, dass die sadomasochistische Komponente, von der ich im vor Ansicht des Films wiederholt gelesen hatte, genau genommen nur in zwei Szenen überhaupt zum Tragen kommt. Entsprechende Erwartungen, Hoffnungen oder Befürchtungen sind also relativ unbegründet. Mir persönlich kam das schon aus eingangs genanntem Grund entgegen. In diesem Sinne war es mir auch ganz recht, dass Franco auf Blut- und Gore-Einlagen nahezu völlig verzichtet hat. Stattdessen gibt es einige atmosphärisch wirklich gelungene, vor allem mit Andeutungen spielende, düster-morbide Momente, die einem durchaus den ein oder anderen kleinen Schauer über den Rücken jagen können.
Was gibt's sonst noch zu sagen? Sicherlich könnte man sich noch darüber auslassen, wie verblüffend glaubwürdig James Darren als trompetender Protagonist ist, oder dass Klaus Kinski in seiner Nebenrolle eigentlich nur dazu da ist, damit grob geschätzt vierzig (!) Close-Ups seines Gesichts in schneller Abfolge aneinander montiert werden konnten (was nicht schlecht ist, weil man sich an diesen Gesichtszügen eigentlich nie satt sehen kann, aber halt irgendwie doch etwas an den Möglichkeiten vorbei geht...). Aber es ist ohnehin schon seltsam, in was für eine Ausführlichkeit ich hier verfalle bei einem Film, den ich genau genommen gar nicht *richtig* (also mit Wachsein, Mitdenken und so – aber vielleicht angesichts des Films genau deswegen also irgendwie doch?) gesehen habe. Und vielleicht ist meine hier durchschlagende Begeisterung auch ein bisschen Ausdruck des Umstandes, dass ich zuletzt einige Wochen lang beinahe gar keine Filme gesehen habe. Wie auch immer: dachte ich bei VAMPYROS LESBOS bereits, das Opus Magnum des Jess Franco vor mir zu haben, sehe ich mich fast genötigt, diesen Eindruck zu revidieren. VENUS IN FURS hat mir tatsächlich noch eine Spur besser gefallen und macht damit auch gleichzeitig Lust auf neue Franco-Entdeckungen. Gerade aus seiner frühen Schaffensphase.
Ein Lieblingsfilm für bestimmte Situationen.
Die DVD von Blue Underground ist übrigens sehr zu empfehlen. Tadellose Bildqualität und lohnenswertes Bonusmaterial (insbesondere das Franco-Interview enthält eine Reihe interessanter Hintergründe zum Film, hat mich allerdings auch mit der Frage hinterlassen, ob der gute Jess noch mehr als drei Zähne im Mund hat? Ungeachtet dessen: nicht dumm, der Mann, gar nicht dumm!). Wie immer bei BU fehlen zwar leider zusätzliche Audio- und Untertitel-Optionen, allerdings ist die englische Tonspur (Synchro oder gar Originalsprache?) verblüffend leicht verständlich. Normalerweise weiß ich es in solchen Fällen (engl. Ton) sehr zu schätzen, das Verständnis erleichternde und beschleunigende englische Untertitel mitlaufen lassen zu können, aber hier konnte ich zumindest dem gesprochenen Wort trotz besagter Müdigkeit durchgehend ohne Probleme folgen. Ach ja, und das Cover der DVD gefällt mir mittlerweile auch sehr. Konnte mir erst diese farbenfrohe Aufmachung nicht ganz erklären, aber nach Ansicht des Films finde ich diese bunte Gestaltung rundum prima und sehr passend.
#18
Geschrieben 05. Mai 2005, 15:30
(Regie: diverse, 2004)
Nach über vier Monaten befindet sich die dritte Staffel des innovativen US-Serien-Hits auch bei RTL 2 langsam auf der Zielgeraden. Ein bisserl mühsam ist dieses Ausstrahlungskonzept ja schon: die gesamte Staffel spielt an einem einzigen Tag – und für den Zuschauer wird dieser Tag dann auf ein halbes Jahr lang ausgewalzt, um dann als Häppchen in Kleinstportionierung konsumiert werden zu werden? Irgendwie nicht das Wahre. Da war mir tatsächlich das geradezu wahnwitzig geballte Konzept (sechs Folgen pro Woche!), mit dem RTL 2 die erste Staffel seinerzeit durch die Röhren jagte, lieber, auch wenn ich das damalige Gejammer ein Stück weit nachvollziehen konnte. Man will ja nicht nur vor der Glotze hängen und schon gar nicht ständig nur vor einer einzigen Serie.
Wie dem auch sei: immerhin gab es hinsichtlich der Ausstrahlungs-Modalitäten der dritten Staffel auch erfreuliches festzustellen. Erstmals versorgt RTL 2 seine gepeinigten Zuschauer mit dem originalen Bildformat und zeigt die Serie zudem in ungekürzter Form. Letzteres könnte aber auch daran liegen, dass es in der dritten Staffel zu derart menschenverachtenden Folterungen kommt, dass es da mit ein paar herausgeschnippelten Sekunden nicht mehr getan ist, um Primetime-Tauglichkeit zu erzielen. Die Verschiebung des Sendetermin auf jenseits der 22 Uhr-Grenze ist also womöglich nicht ganz freiwillig zustande gekommen...
Aber zur Staffel selbst. Fünf Folgen stehen, wenn ich mich nicht verzählt habe, noch aus, und gerade bei einer Serie, die in einem derart exorbitanten Ausmaß auf Plottwists und Überraschungen setzt, wie das bei TWENTY FOUR der Fall ist, sollte man mit Prognosen und vorschnellen Urteilen vorsichtig sein. Das hat mich spätestens die bisherige Entwicklung der dritten Staffel gelehrt. An die beiden Vorgänger kommt sie zwar immer noch nicht ganz ran, aber wenn man an den arg konstruierten und weit hergeholten Einstieg der ersten Folgen zurückdenkt, bei dem ich des öfteren mit dem Gedanken spielte, mich von der Serie zu verabschieden, hat die Spannungsschraube im Mittelteil dann doch in unerwartetem Maße angezogen. Und auch wenn manches aufgrund des vorgegeben, engen Zeitmusters natürlich ziemlich zurechtgebogen wirkt, waren die letzten Folgen wider Erwarten fesselnd wie in besten Tagen. Und was in der vorletzten Folge mit Ryan Chappelle angestellt wurde, sprengt wohl jeden Rahmen eines TV-Formats. Hat sich jemals eine Fernsehserie eine derartige Ungeheuerlichkeit geleistet? Die ganze Folge über nur ein Gedanke: die haben sich schon viel getraut, aber *das* können sie nicht bringen! Sie haben es doch getan, und ich finde es in gleichem Maße beachtlich wie erschreckend, so dass ich eigentlich noch gar keine Meinung dazu habe.
Überhaupt sollte man einige Dinge und unterschwellige Tendenzen, die insbesondere in Staffel 3 unübersehbar zutage treten, kritisch betrachten. Die Serie ist viel zu klug und komplex konzipiert, um sich in platten und leicht durchschaubaren Botschaften zu erschöpfen. Dennoch kommen einige Dinge mehr als einmal recht unmissverständlich durch, und sie lassen sich mit etwas bösem Willen ungefähr so umschreiben: angesichts der neuen Art und Dimension von Verbrechen, nämlich des massenvernichtenden Terrorismus, müssen neue Methoden her und alte (moralisch-gesellschaftliche) Grenzen eingerissen werden. Macht die Gesellschaft transparent! Speichert Fingerabdrücke! Legt Gen-Datenbanken an! Nutzt Bilderkennung und Videoüberwachung, wo immer es nur geht! Jeder Einzelne muss jederzeit, wo auch immer er sich aufhält, so schnell wie möglich zu identifizieren und in Gewahrsam zu nehmen sein! Reißt die letzten Reste des Bankgeheimnisses nieder! Verzichtet auf Anwälte! Scheißt auf die Menschenwürde! Foltert, wenn es dem Zweck dient, so bald, so oft und so heftig, wie es nur geht!
Klingt nach verachtenswerter Propaganda-Scheiße? Ist es nicht wirklich! Schon deshalb, weil ich etwas übertrieben habe. Aber die Attitüde "da draußen sterben vielleicht bald Millionen Menschen – du kannst dir gar nicht vorstellen, was ich, um das zu verhindern, mit dir anstellen würde!" (fast wörtlich übrigens in der letzten Folge von Protagonist Jack Bauer gegenüber einem – festhalten! – jungen Mädel ausgesprochen worden!) kommt immer mal wieder durch. Gleichzeitig ist es aber nicht selten so, dass durch grausamstes Foltern keinerlei neue Erkenntnisse gewonnen werden. TWENTY FOUR ist sich also offenbar der Grenzen und Fragwürdigkeit der angewandten Methoden durchaus bewusst. Es wird eben letztlich auch nur das gezeigt, was in der Realität tagtäglich praktiziert wird. Die Serie ist damit in der Position, einer der ersten (von bislang wenigen) medialen Kommentare zu sein, die die neue Dimension von Bedrohungspotenzial gegenüber Menschen in aller Welt und die weitgehend hilflose Antwort unserer Gesellschaft darauf thematisieren. Und sie stellt die schale, unbequeme und schmerzende Frage in den Raum, ob es zur Ablehnung fragwürdiger Mittel nicht erst die Möglichkeit einer Alternative geben muss?
Letztlich läuft fast alles in der Serie auf Gewissensentscheidungen hinaus. Oder genauer gesagt: auf völlig unmögliche Entscheidungen, die mit menschlichem Ermessen eigentlich gar nicht zu treffen sind. Das macht den wesentlichen Reiz des Ganzen aus. Und es ist oft die Konkurrenz zwischen Entscheidungen privater und beruflicher Natur (bei Präsident Palmer ist es beispielsweise unentwegt so, dass er zwischen korrekter Amtsführung und der unsauberen Beseitigung hinterlistiger Intrigen hin und her gerissen ist...). Zwiespältiger wird es wieder, wenn dann gemeinnützige Aufopferungsbereitschaft und solcherlei Dinge zur Sprache kommen, verbunden mit perversen indirekten Frage "kannst du es mit deinem Gewissen vereinbaren, zu leben, wenn durch deinen Tod viele andere Menschen nicht gestorben wären?"...
Nicht selten hinterlassen einen die einzelnen Folgen dadurch mit einem etwas schalen Nachgeschmack. Vermutlich ist genau das auch das Ziel. Und wo sonst könnte man moralische Ambivalenz vermuten wenn nicht bei einer Serie, die als Protagonisten einen skrupellos killenden Agenten (den von einem Söldner wohl nur unterscheidet, dass er es nicht für Geld, sondern aus Überzeugung tut) und einen schwarzen Präsidenten hat und bei der die Agenten vornehmlich Apple und die Bösewichter Windows nutzen?
Ein abschließendes Urteil erlaube ich mir somit frühestens nach Abschluss der laufenden Staffel.
#19
Geschrieben 06. Mai 2005, 13:05
"The Ballad of Hank McCain" aus DIE UNSCHLAGBAREN (aka MACHINE GUN McCAIN aka GLI INTOCCABILI) – hab' zwar gar keine Ahnung, um was genau es in dem Film geht, aber wenn der filmische Inhalt mit dem übereinstimmt, was in den drei Teilen der melancholischen "Ballad" besungen wird, will ich ihn unbedingt sehen!
No one knows better than McCain... life's a very dirty game… very very hard to win… no one knows better than McCain how to disregard the pain…
Aktuelle Lieblings-Soundtrack-CD:
L'ALIBI von Ennio Morricone in der erweiterten 27-Track-Edition von Saimel. Wunderbar abwechslungsreicher und melodischer Score, der auf den zugehörigen Film neugierig macht, auch wenn der – wie so oft bei den schönsten Morricone-Tracks – wohl weitgehend verschollen zu sein scheint.
Außerdem offenbart VENUS IN FURS hinterhältige Nachwirkungen – habe von Barbara McNairs "venus in furs will be smiling..." einen Ohrwurm...
Und wo ich hier schon mal einen freestyle-Eintrag dazwischenschiebe, möchte ich mal loswerden, dass das Musikmagazin "Tracks" von arte und das Satiremagazin "Polylux" der ARD zwei meiner liebsten Fernsehformate sind, die sich in Gestaltung und Themenwahl beide angenehm eigenwillig geben und sich damit deutlich vom Einheitsbrei sonstiger TV-Magazine abheben. Komme zwar nur unregelmäßig dazu, die beiden zu verfolgen, bin aber bei Gelegenheit immer wieder gerne dabei. Praktischerweise laufen seit einiger Zeit beide am Donnerstag Abend (mehr oder weniger – je nach Länge des arte-Spielfilms) hintereinander.
#20
Geschrieben 06. Mai 2005, 19:40
(The Untouchables, Regie: Brian De Palma, 1987)
Wäre es ein Sakrileg zu erklären, dass man De Palmas POTEMKIN-Hommage (die Kinderwagen-Szene auf der Bahnhofs-Treppe) lieber mag als das Original? Mit Sicherheit. Dennoch geht es mir tatsächlich so. Klar, Eisensteins Film und speziell jene Szene sind unbestritten großartig. Aber wie De Palma diese Idee aufnimmt, sie umgestaltet und daraus durch perfekte Kamera- und Schnittarbeit fünf Minuten lang Hochspannung erzeugt, finde ich schlichtweg atemberaubend. Das ist das tolle bei De Palma: er klaut – und das gilt auch für seine unzähligen Hitchcock-Referenzen oder die Neuinterpretation von Hawks' SCARFACE – nicht einfach nur plump, sondern er huldigt die Meister und formt gleichzeitig etwas neues, eigenes und eigenständiges daraus. In dieser Hinsicht ist er Tarantino gar nicht mal so unähnlich, auch wenn das bei den beiden natürlich jeweils in anderem Rahmen und Umfang geschieht.
Ansonsten ist das mit den UNBESTECHLICHEN so eine Sache: einerseits kenne ich den Film schon seit Urzeiten, sehe ihn mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder gerne und würde ihn neben ES WAR EINMAL IN AMERIKA wohl sogar als Hauptgrund bezeichnen, warum ich jahrelang begeisterter Fan von Gangsterfilmen war (und es eigentlich in etwas zurückgefahrenem Ausmaß noch immer bin). Andererseits musste ich bei der heutigen Wiederbegegnung feststellen, dass ich mit der ersten Hälfte nicht so richtig warm wurde. Hat doch eine ganze Weile gedauert, bis ich so richtig in den Film gefunden habe. Könnte gar nicht genau begründen, warum, aber irgendwas entscheidendes hat mir gefehlt. Die zweite Hälfte ist zum Ausgleich aber ziemlich gigantisch. Regelrechtes Powerplay mit peitschend-antreibendem Soundtrack von Ennio Morricone und einer Aneinanderreihung von Höhepunkten – von der Western-Szene an der kanadischen Grenze über die äußerst ungemütlichen Morde an zwei der Unbestechlichen bis hin zur Kinderwagen-Szene und schließlich der Gerichtsverhandlung. Und am Ende weiß man somit wieder, warum man den Film mal so geliebt hat. Ob ich ihn noch immer als meinen unangefochtenen Lieblingsfilm von De Palma bezeichnen würde, weiß ich nicht. Ist nach meiner Meinung bei De Palma ohnehin eher so, dass er zwar eine sagenhafte Anzahl an tollen Filmen gedreht hat, es aber nicht so wirklich *das* große Meisterwerk, *den* einen absoluten Favoriten gibt. Braucht es auch gar nicht. Eine schöne Vielfalt an großartigen Filmen ist mir allemal lieber als ein One-Hit-Wonder...
#21
Geschrieben 07. Mai 2005, 12:04
(Regie: Terry Zwigoff, 2000)
Schräg, schräger, GHOST WORLD. Erzählt mit herrlich skurrilem Humor von der Traurigkeit, mit knallbunten Farben von der Tristesse. Dazu allerlei wundervolle Einfälle. Eigentlich rundum eine feine Sache. Toller Film!
#22
Geschrieben 07. Mai 2005, 16:37
(I Quattro dell'Ave Maria, Regie: Guiseppe Colizzi, 1968)
Wenn man mit bestimmten Filmen persönliche, nostalgisch gefärbte Erinnerungen verbindet und sie dann nach Jahren wiedersieht, ist das Ergebnis oftmals eher ernüchternd. Es gibt aber auch die umgekehrten Fälle, bei denen man nach neuerlicher Sichtung feststellen muss, dass man dem entsprechenden Werk einst unrecht getan hat. So geht es mir mit VIER FÜR EIN AVE MARIA, den ich als höchst mittelmäßig in Erinnerung hatte und deshalb auch nie wirklich die nötige Lust aufbringen konnte, meinen reichlich alten Eindruck mal zu überprüfen. Eher zufällig hat sich heute nun doch die Gelegenheit dazu ergeben, und ich bin doch einigermaßen überrascht, wie gut das Ding funktioniert. Wenn ich mich recht entsinne, hatte ich mir bei der ersten Begegnung vornehmlich einen reinen Spaßfilm erwartet, wie ich es von den anderen Filmen des Gespanns Hill/Spencer gewohnt war. Kein Wunder, dass mich der Film damals enttäuscht hat.
Jetzt hat mich genau diese Konzeption, die reichlich parodistisches einstreut ohne gleich in eine hemmungslose Parodie zu verfallen, überzeugt. VIER FÜR EIN AVE MARIA ist weder eine reine Blödel-Klamotte, noch eine bierernste Rachemär, sondern eine größtenteils gut austarierte und wendungsreiche Mischung dieser beiden Varianten. Besonders der Anfang mit seiner pointierten Kombination aus Gewalt und Humor (immer wieder unter Verwendung von wunderbar brachialen Zooms und Close-Ups) hat es mir angetan. Und nach einigen kleinen Durchhängern im Mittelteil ist natürlich die gesamte Casino-Sequenz das Highlight des Films. Besonders angenehm fand ich diesbezüglich, dass Colizzi beim Finale nicht auf Blödelei oder eine Prügelorgie setzt, sondern zum Abschluss einen spannenden und sauber inszenierten Showdown präsentiert. Eine besondere Erwähnung gebührt auch Eli Wallach, der hier als Gauner eine pfiffige und verschlagene Darstellung abliefert, bei der durchaus Erinnerungen an seine Rolle in ZWEI GLORREICHE HALUNKEN wach werden.
Die deutsche Synchro streut zwar hier und da ein paar kultige Kracher ein, aber weil sich das Ausmaß an stumpfsinnigem Dialog insgesamt (vor allem gemessen an der deutschen Bearbeitung spätere Erzeugnisse des Dous) in Grenzen hält und sich auch nicht in Wiederholungen der immer gleichen Scherzchen ergeht, konnte ich darüber das ein oder andere Mal sogar herzhaft lachen. Zumal ich schon seit längerem keinen Hill/Spencer-Film mehr gesehen hatte und somit auch die zwischenzeitliche Übersättigung wieder etwas zurückgegangen ist. Mit den großen Italowestern kann der Film freilich dennoch nicht ganz mithalten, aber im Gesamten betrachtet macht VIER FÜR EIN AVE MARIA richtig Laune. Was will man mehr an einem tristen, verregneten Samstagnachmittag?
#23
Geschrieben 08. Mai 2005, 16:52
(Regie: James Wan, 2004)
Zwischen kreischenden Teenies und dem Teufelskreis ausufernder Selbstironie ist man es im aktuellen Horror- und Thrillerkino gar nicht mehr gewohnt, wirklich geschockt zu werden. HIGH TENSION war in dieser Hinsicht eine der wenigen positiven Ausnahmen, und SAW ist wieder so ein kranker Bastard, der dafür sorgt, dass es dem Zuschauer nicht zu wohl wird in seinem Sessel. Ähnlich wie HIGH TENSION ist SAW freilich weit weg vom Status eines Meisterwerks und der allerorts verschriene Vergleich mit SIEBEN hält auch keiner näheren Betrachtung stand, aber für etwas mehr als anderthalb Stunden hat mich der Film mitgenommen auf ein gnadenlose Achterbahnfahrt. Tief hinein ins Herz des Grauens, in allerlei perverse Gedankenkonstrukte geht die Fahrt und eine ausnahmsweise mal wirklich furchteinflößende Masken-Fratze sorgt dafür, dass es mehr als einmal wirklich ungemütlich wird. Und auch das Ende empfand ich bei aller Unlogik (die mir in aller Regel herzlich egal ist, solange sie der Wirkung und Effizienz eines Films nicht schadet, was in diesem Fall bei mir keineswegs der Fall war) als eine gelungene Schlusswendung auf dem Weg zum totalen Wahnsinn. Alles in allem ist SAW ein angenehm unangenehmes Erlebnis.
Sky Captain and the World of Tomorrow
(Regie: Kerry Conran, 2004)
Den Film muss ich noch mal sehen, unbedingt. Der erste Durchgang verlief nämlich nicht so wirklich glücklich. Vielleicht war es auch nicht die beste Idee, den SKY CAPTAIN direkt nach SAW zu sehen. Jedenfalls war ich anfangs erst mal furchtbar genervt von der gleißenden, lichtdurchfluteten Helligkeit der Bilder und konnte mich leider so überhaupt nicht an den Look gewöhnen. Stattdessen wollte ich mir einreden, dass diese übersteuerte Helligkeit nur das Markenzeichen einer vorangestellten Einführungssequenz wäre. Dem war (leider?) nicht so, aber bis ich mich damit abfinden konnte und entdeckte, welch optische Leckerbissen manche der Einstellungen in Wirklichkeit bereithalten, wenn man sich nur darauf einlässt, war der Film schon fast wieder vorbei. Spätestens nach dem Stöbern im Bonusmaterial und dem daraus gewonnenen Verständnis für die Entstehungsgeschichte des Werkes hatte ich dann so richtig Lust auf den SKY CAPTAIN. Da musste die Leih-DVD allerdings auch schon wieder zurück in die Videothek. Dumm gelaufen. Da muss demnächst eine zweite Runde her.
#24
Geschrieben 09. Mai 2005, 23:55
(Una lucertola con la pelle di donna, Regie: Lucio Fulci, 1971)
Zu Lucio Fulci hatte ich bislang ein recht zwiespältiges Verhältnis, was unmittelbar in Verbindung stehen dürfte mit dem Umstand, dass ich bisher lediglich mit seinen bekanntesten, allesamt um das Jahr 1980 herum entstandenen Splatterfilmen vertraut war. Während ich die atmosphärischen Gruselgalerien WOODOO und THE BEYOND sehr mag, konnte ich wenig anfangen mit dem eher faden DAS HAUS AN DER FRIEDHOFMAUER, dem Serienkiller-Abklatsch NEW YORK RIPPER (wer HENRY: PORTRAIT OF A SERIAL KILLER, MANIAC oder HITCHER gesehen hat, kann auf Fulcis Beitrag zum Subgenre getrost verzichten) oder dem verworrenen und handwerklich schwachen EIN ZOMBIE HING AM GLOCKENSEIL.
Die Ahnung (und gewissermaßen auch Hoffnung), dass Fulci interessanter wird, sobald man sich mit seinen Werken abseits des Gore-Infernos befasst, hat sich nun für mich bestätigt. Mehr noch: sein Giallo A LIZARD IN A WOMAN'S SKIN (auch bekannt unter dem Titel SCHIZOID oder dem wohlklingenden Originaltitel UNA LUCERTOLA CON LA PELLE DI DONNA, der mit A LIZARD... sogar sinngetreu ins Englische übersetzt wurde) ist auf Anhieb zu meinem bisherigen Lieblingsfilm von Fulci avanciert.
Das liegt schon daran, dass LIZARD richtig gut inszeniert ist. Bereits die Eingangssequenz, die einen unmittelbar in die erotische Traumwelt der Protagonistin abtauchen lässt, entfaltet eine phänomenal dichte Atmosphäre. Fulcis Gespür für die Kreation einer einnehmenden Stimmung, die im Wesentlichen von der eigenwilligen Stilisierung der Traumsequenzen getragen wird, ist verblüffend. Während man zu Beginn von einer Sexorgie in die nächste geworfen wird, schlägt die Stimmung nach der zentralen Mordszene um und ein ausgeklügeltes Spiel mit Realitäts- und Wahrnehmungsebenen beginnt.
Die Story ist dabei schnell skizziert: Protagonistin Carol (gespielt von der Brasilianerin Florinda Bolkan, die einige Jahre später in FLAVIA noch ordentlich Exploitation-Erfahrung sammeln durfte) ist wegen ihrer beunruhigenden, sexuell ausschweifenden (Alp-)Träume in psychiatrischer Behandlung. In einem dieser Träume bringt sie ihre Nachbarin um, wie sie auch prompt besorgt ihrem Psychiater berichtet. Kurz darauf stellt sich heraus, dass ihre Nachbarin auch in der Wirklichkeit getötet wurde. Der Verdacht fällt auf Carol. Die Ermittler bringen zuerst Schizophrenie als mögliche Erklärung ins Spiel, aber dann tauchen weitere Verdächtige auf...
Klingt soweit nicht besonders spektakulär? Das Interessante ist eben vor allem das "wie". Nach den anfänglichen Traumsequenzen schwenkt der Fokus um auf die Ermittlungsarbeit der Polizisten und gleichzeitig auf Protagonistin Carol, die angesichts der mysteriösen Ereignisse verunsichert ist. Angst und Paranoia machen sich bei ihr breit, weil sie die Geschehnisse nicht einordnen kann. Immer wieder fügt Fulci alptraumhafte Szenen ein, arbeitet mit den für ihn typischen schnellen und markigen Zooms, um die bedrohliche Atmosphäre zu verstärken (mitunter wurde sogar Splitscreen verwendet, was angesichts der Entstehungszeit reichlich ungewöhnlich sein dürfte). Vor allem bei einem beängstigend gut getricksten Fledermaus-Angriff erweisen sich diese Stilmittel als äußerst effektiv. Besonderen Anteil an der fesselnden Atmosphäre hat auch Ennio Morricones superber Soundtrack, der unaufdringlich daher kommt, aber dennoch eine überaus faszinierende Wirkung entfaltet. Während ich einige Stücke schon auf der Soundtrack-CD schlicht großartig fand (das Hauptthema La Lucertola, das im Film zwar mehrmals angespielt wird, aber erst während des Abspanns vollständig zu hören ist, gehört meines Erachtens sogar zu Morricones schönsten Tracks seiner glorreichen siebziger Jahre), kommen andere erst im Film selbst wirklich zur Geltung – passen dort aber dafür umso besser, um die schizophren-verwirrte Gedankenwelt der Protagonistin zu untermalen und dabei mitunter echte Gänsehaut-Momente zu erzeugen.
Darüber hinaus gibt es zwei Szenen, die bereits Fulcis spätere Vorliebe für deftige Gore-Effekte erkennen lassen. Zum einen die zentrale traumgewandete Mordszene, in der Carol ihre Nachbarin mehrmals mit einem Brieföffner traktiert und Fulci in gewohnter Manier voll draufhält. Zum anderen die berüchtigte Hunde-Szene, in der man zusammen mit der kurz darauf deshalb ohnmächtig zusammenbrechenden Carol einige aufgehängte, sezierte Hunde sowie deren freigelegte, pochende Herzen begutachten darf. Zur Entstehungszeit des Films wirkte diese Szene derart überzeugend, dass gleich bei mehreren italienischen Gerichten Anklage wegen Tierquälerei erhoben wurde. Im Gegensatz zu den späteren Praktiken einiger italienischer Kannibalenfilm-Regisseure handelte es sich hier aber tatsächlich nur um überzeugende Spezialeffekte, wie dann auch den Gerichten anhand des verwendeten Materials glaubhaft vermittelt werden konnte.
Im Groben lässt sich LIZARD in drei Abschnitte unterteilen: zu Beginn die umnebelten und faszinierend anzuschauenden Traumsequenzen (wo dann überraschenderweise extrem geballt nahezu das gesamte erotische Potenzial und Material des Films untergebracht wurde). Danach folgt eine rasante Thriller-Hatz, bei der gleichwohl Horror- als auch Action-Elemente (gegen Ende gibt es eine wirklich bemerkenswerte Verfolgungsjagd, die noch dazu gänzlich zu Fuß bestritten wird, zu bestaunen!) eingestreut sind und der Film seine Zuschauer handlungstechnisch nach Strich und Faden an der Nase herum führt. Das Finale besteht dann aus einer ungewöhnlich langen und dialoglastigen Krimi-Passage (Kritikpunkt hinsichtlich der DVD: die Untertitel wechseln manchmal arg schnell!), in der nach und nach der verzwickte Plot aufgeschlüsselt wird. Zu guter Letzt wird eine Auflösung präsentiert, die sich als ungeahnt raffiniert und clever konstruiert entpuppt.
Alles in allem ist LIZARD somit ein überaus gelungener Giallo, der phasenweise atemlose Hochspannung erzeugt und mir gehörige Lust auf weitere Vertreter dieser Spielart des italienischen Genre-Kinos gemacht hat. Die nächsten Filme sind – nebst einigen Francos – nun auch tatsächlich bereits bestellt und werden gespannt erwartet. Diesbezüglich ist anzumerken, dass die entsprechenden amerikanischen DVDs nach meinem Eindruck oft mit überaus ansehnlichem und geschmackvoll gestaltetem Cover-Artwork auftrumpfen, was dazu führt, dass man sie – ganz gefährlich, sowas – gleich doppelt so gerne einkauft...
Außerdem habe ich nach LIZARD auch wieder neues Interesse an Fulci gewonnen. Auf eine Wiederaufnahme der Fährte durch seine Horrorepen habe ich zwar keine große Lust, dafür reizen mich aber seine Beiträge zum Giallo (DON'T TORTURE A DUCKLING! SETTE NOTE IN NERO!) und zum Italowestern ungemein. Da sind unbedingt weitere Entdeckungsreisen angesagt.
Um aber noch mal auf A LIZARD IN A WOMAN'S SKIN zurück zu kommen: Die kürzlich erschiene DVD der Media Blasters-Marke Shriek Show hat leider mit einigen Problemen zu kämpfen, die vor allem damit zusammen hängen, dass offenbar kein ordentliches Master der kompletten Fassung aufzutreiben war. Daher befinden sich auf der 2-Disc-Edition zwei Versionen: auf der ersten Scheibe eine qualitativ sehr ansehnliche anamorphe Widescreen-Version der amerikanischen R-Rated-Fassung (in englischer Synchronisation), die aber dummerweise gekürzt ist. Auf der zweiten Scheibe bekommt man die Uncut Italian Home Video Version (italienisch mit englischen Untertiteln), die allerdings nur in Vollbild und mäßiger Bildqualität auf VHS-Niveau vorliegt. Man hat also die Wahl zwischen gutem Bild oder vollständiger Fassung. Nicht wirklich eine angenehme Entscheidung. Ich habe mich bei der gestrigen ersten Ansicht trotz der erheblichen Unterschiede in Sachen Bildqualität für die italienische Version entschieden. Richtig mies ist die Qualität auch nicht (etwas farbarm, aber nicht verwaschen oder mit anderen groben Störungen behaftet; hab' jedenfalls schon deutlich schlechteres gesehen; ärgerlich ist natürlich die Sache mit dem Format), und nach einer Weile gewöhnt man sich ohnehin daran, wenn man nicht gerade ein absoluter Technik-Fetischist ist. Schließlich zählt vor allem der Film. Und ein stichprobenartiger Vergleich mit der US-Fassung zeigt, dass letztere an einigen Stellen doch unter merklichen Eingriffen zu leiden hat. Vor allem die Sexszenen zu Beginn sowie die zwei zentralen Gore-Effekte (der Mord an der Nachbarin und die Szene mit den Hunden) mussten erheblich Federn lassen. Teilweise wurde auch auf alternatives Material zurückgegriffen oder das Bild verfremdet. Alles in allem ist man – soweit ich es beim kurzen Check mitbekommen habe – mit der Schere zwar einigermaßen professionell zu Werke gegangen, aber wer die komplette Fassung kennt, wird auf die besagten Momente schwerlich verzichten wollen.
Dieses Fassungs-Problem ist zwar ärgerlich, aber vermutlich nicht in erster Linie Media Blasters anzukreiden, denn dass der Release des Films rund zwei Jahre lang immer wieder verschoben wurde, ist für mich Hinweis genug, dass man bis zuletzt versucht hat, das beste aus dem vorhandenen Material herauszuholen. Zumal Media Blasters ja ansonsten durchaus für hochwertige Qualität bekannt ist. Insofern dürfte hier einfach kein besseres Master der vollständigen Fassung mehr aufzutreiben gewesen sein. Allerdings hätte ich es besser gefunden, wenn man dann die beiden Versionen zusammengefügt hätte, also die US-Version als Grundlage und die fehlenden Szenen eingefügt. Ein paar kurze Qualitätswechsel finde ich entschieden weniger tragisch, als den ganzen Film in schlechterer Qualität sehen zu müssen. Vermutlich standen diesem Vorschlag allerdings die unterschiedlichen Bildformate entgegen. Anders kann ich es mir jedenfalls nicht erklären.
Ansonsten kann man sich über die DVD allerdings nicht beklagen: ein rund 30-minütiges Featurette lässt einige der damaligen Beteiligten (diverse Darsteller & die Spezialeffekte-Macher) zu Wort kommen, eine umfassende Fotogalerie wartet mit allerlei seltenem Material auf und die Trailershow sowie das originell gestaltete Booklet runden das Programm ab. Wer also in Sachen Bildqualität Abstriche machen kann und in erster Linie am Film selbst interessiert ist, dem sei diese DVD empfohlen (zumal eine bessere Veröffentlichung in absehbarer Zeit nicht zu erwarten sein dürfte).
#25
Geschrieben 11. Mai 2005, 14:00
(Kingdom of Heaven, Regie: Ridley Scott, 2005)
Schreibtechnisch nicht meine Baustelle. Da muss ich auf andere verweisen, die sich bereits in kürzester Zeit reichlich und ausgiebig mit dem Film beschäftigt haben. Mir fehlt dazu einfach die Motivation. Die hebe ich mir lieber wieder für unbekanntere Filme auf.
Gesagt sei dennoch, dass ich einigermaßen positiv überrascht wurde. Historienfilme liegen mir zwar gar nicht (wenn Kostümfilme, dann bitte Western) und zu Beginn bin ich mit den Gedanken schnell wieder zu Fulci abgewandert, aber mit zunehmender Laufzeit hat mich Scott dann doch noch gepackt. Intelligente Gedanken zum Konflikt der Religionen, imposante Szenen, bemerkenswertes Story-Konstrukt. Bestimmt kein Film, der mich in Begeisterungsstürme versetzt hätte, aber im Ganzen durchaus überzeugend.
Million Dollar Baby
(Regie: Clint Eastwood, 2004)
Deep Impact. Very Deep Impact. Wie es Hagen so prägnant ausdrückte: "Gesehen und ins Herz geschlossen." Dem stimme ich zu. Mehr Worte braucht es dazu im Moment nicht (mehr).
#26
Geschrieben 11. Mai 2005, 22:36
(Fortsetzungseintrag, Teil 2)
Folge 20. Wie pervers ist das denn? Schrieb ich hier kürzlich noch von den zentralen Gewissensentscheidungen, die die Serie antreiben, kommt es jetzt in dieser Hinsicht erst so richtig dicke. Wahnsinn. Lässt man etwaige inhaltliche Bedenken und Fragen nach der Realitätsnähe beiseite, ist das einfach pures Adrenalin. Und zwischen Machern und Zuschauern entwickelt sich immer stärker eine regelrecht sadomasochistische Beziehung. Man liebt es, sich von diesem Quatsch quälen zu lassen. Bis aufs Blut. Und jetzt durchatmen und die Schocks verdauen. Bis zur nächsten Woche.
Lange hatte ich eine Abneigung gegen Fernsehserien. Manche Dinge ändern sich. In diesem Fall sicher nicht grundlegend, aber zumindest ein Stück weit. SIX FEET UNDER ist unter den wenigen mir bekannten Spartenvertretern zwar letztlich die noch bessere Serie (macht allerdings derzeit zumindest in Deutschland Pause), aber TWENTY FOUR wird nun mit echter Spannung bis zuletzt geguckt. Wenn schon Ausnahmen machen, dann eben richtig. (Und, okay, noch bin ich auch bei LOST an Bord. Schon verrückt. Das ist nun aber im Moment wirklich genug an TV-Erzeugnissen...)
#27
Geschrieben 12. Mai 2005, 18:40
(River of No Return, Regie: Otto Preminger, 1954)
Robert Mitchum und Marilyn Monroe zusammen mit einem kleinen Jungen auf Floßfahrt zwischen vielschichtiger Symbolik, fabelhaften Cinemascope-Aufnahmen und der ein oder anderen Rückprojektion. Marilyn darf hin und wieder ein Lied anstimmen (was mir, obwohl ich weder Musicals, noch generell Gesangseinlagen in Filmen mag, tatsächlich gefallen hat) und es macht große Freude, dass es Mitchum fertig bringt, sie trotz Annäherungsversuchen ihrerseits fast den gesamten Film über mit lakonischer Nichtbeachtung zu strafen (ganz groß: die Szene, in der er in den Saloon marschiert, sich Marilyn ungefragt auf den Buckel hievt und mit ihr hinausspaziert...).
Schöner Film, der mir vor ein paar Tagen beim Stöbern durchs Videoarchiv zwecks Erstellung einer Lieblingswestern-Liste wieder in die Hände gefallen ist. Will mehr von Preminger sehen (kenne von ihm ansonsten glaube ich nur ENGELSGESICHT bislang), vor allem ANATOMIE EINES MORDES.
#28
Geschrieben 13. Mai 2005, 13:46
Argh! Dümmer geht's doch echt nicht mehr... da erwähne ich vor ein paar Tagen noch, dass ich das arte-Musikmagazin mitunter gerne mal sehe, und dann verpasse ich die Jubiläumsausgabe, die wohl zumindest für den Filmfan die mit Abstand interessanteste Ausgabe ever gewesen sein dürfte. Ein "Freaks"-Special mit John Waters, Asia Argento, Harmony Korine, Jonathan Caouette, Gaspar Noé und Larry Clark. Gibt sonst schon immer mal wieder ein paar nette Abstecher in die Filmwelt bei Tracks, aber das wäre wohl das absolute Highlight gewesen. Und weil es den genannten Filmemachern nicht gerade an kontroversem Potenzial mangelt, wird das Magazin nun natürlich auch nicht wie üblich am Samstag Nachmittag wiederholt, sondern dort durch eine andere Ausgabe ersetzt...
#29
Geschrieben 16. Mai 2005, 19:20
(Da uomo a uomo, Regie: Giulio Petroni, 1968)
Ein Reißer, der weiß, dass der Zuschauer um so mehr Genuss an Überraschungen hat, je präziser er sie absehen kann.
Nö. DEATH RIDES A HORSE (als vierter bekannterer Titel wäre noch VON MANN ZU MANN zu nennen...) ist dann doch entschieden mehr, als Hembus mit dieser knappen (wenn auch nicht völlig falschen) Bemerkung glauben machen will, die dem mitreißenden und energiegeladenen Film so gar nicht gerecht wird. Was amerikanische Western betrifft, ist Hembus' Western-Lexikon nach wie vor das Standardwerk, das durchweg mit Hintergrundwissen, Geschmack und einer tollen Literaturauswahl besticht und für mich zudem jahrelang ein treuer und zuverlässiger Begleiter bei Streifzügen durch die Welt des Western war. Aber der Italowestern wird dort zuweilen leider arg stiefmütterlich behandelt. Da kann man nur zu entsprechender Ergänzungsliteratur von beispielsweise Bruckner oder Keßler raten, andernfalls entgeht einem schnell der ein oder andere große Film, wie ich selbst aus eigener Erfahrung weiß (KEOMA wäre in Bezug auf den Hembus ein besonders extremes Beispiel...).
Ghosts of Mars
(Regie: John Carpenter, 2001)
Nur die zweite Hälfte gesehen. Genauer gesagt eigentlich nur rein gezappt, aber dann doch fast durchgehend hängen geblieben.
Nüchtern betrachtet: ein Scheißfilm, der trotz der anderen Gurken aus Carpenters Spätwerk insgesamt zu den schlechtesten Filmen des früheren Meisters gehören dürfte. Teilweise hart am Rande der Erbärmlichkeit agierende Darsteller (vor allem Natasha Henstridge hat beispielsweise in SPECIES noch eine deutlich bessere Figur gemacht...) und bisweilen jämmerliche Dialoge werden durch eine reichlich einfallslose Optik & Story ergänzt...
Mit Alkohol im Blut und Nachsicht im Gemüt betrachtet: Carpenter weiß noch immer genau, wie er seine mal fetzende, mal nervige Mucke effektiv einsetzt. Ein paar Gore-Effekte sind ganz nett anzuschauen und spätestens wenn es heißt "let's kick some ass" ist klar, dass man mit dem Ding zumindest ein paar Minuten lang Spaß auf niedrigem Niveau haben kann. Immerhin.
Morricone in Concert
(Konzertausschnitte; arte)
Nur durch Zufall kurz vorher bemerkt, dass arte endlich den Mitschnitt des Münchner Morricone-Konzerts, das bereits letzten Herbst stattfand, ausstrahlte. Von "Mitschnitt" kann man allerdings im Grunde kaum sprechen. Vielmehr war es eine 45-minütige Sendung, die auf gelungene Weise ausgewählte Ausschnitte des Konzerts mit einigen kurzen Fetzen eines Morricone-Interviews sowie einigen Filmszenen mischte. Da ich seinerzeit bei jenem Konzert in der Münchner Philharmonie zugegen war, hat die Sendung – obwohl ein Konzert natürlich auf dem Fernsehschirm allenfalls einen Bruchteil seiner Wirkung entfalten kann – so manche Erinnerung wieder lebendig gemacht und war für mich dadurch noch mal ein sehr angenehmer Rückblick auf ein großartiges Erlebnis. Zumal es Ennio Morricones erstes Deutschlandkonzert war und vielleicht sein einziges bleiben wird.
#30
Geschrieben 18. Mai 2005, 20:11
(Il buono, il brutto, il cattivo; Regie: Sergio Leone, 1966)
Irgendwie hatte ich Lust, einem vornehmlich Mainstream-orientierten Kumpel, der nach eigener Aussage außer SCHUH DES MANITU (!) noch nie irgendwas in Richtung Western gesehen hatte, eines der Meisterwerke von Sergio Leone näher zu bringen. ZWEI GLORREICHE HALUNKEN schien mir dafür am geeignetsten. Nach der für Leone-unerfahrene Zuschauer gewöhnungsbedürftigen Exposition bietet der Film soviel Stil, Witz und Coolness, dass man ihm sein Alter nicht mal ansatzweise ansieht. Das ist einfach zeitlose Filmkunst in Perfektion, die noch dazu auf angenehm unaufdringliche Weise intelligente Kommentare zu verschiedenen Themenkomplexen im Gepäck hat. Etwa die Melancholie, die plötzlich spürbar wird, wenn die Einsamkeit und Heimatlosigkeit des Revolverhelden am Beispiel von Tuco und seinem ins Kloster gegangenen Bruders thematisiert wird. Oder die unvergleichliche Art, wie Leone die Sinnlosigkeit des Krieges zeigt: erst der selbstzerstörerische Kampf um die Brücke, danach die Opfer, die beide Seiten zu tragen haben und die durch den Nordstaaten-Captain und anschließend den jungen Südstaaten-Soldaten ein Gesicht bekommen. Und wenn man so will, ist ZWEI GLORREICHE HALUNKEN außerdem fast eine Art frühe Form des Buddy-Movie – gerade in Bezug auf die völlig gegensätzlichen Eastwood- und Wallach-Charaktere, die nur um des gemeinsamen Ziels Willen notgedrungen gemeinsame Sache machen. Das wäre auch die einzige Perspektive, aus der betrachtet der ansonsten reichlich verfehlte deutsche Titel Sinn machen würde.
Die Langfassung der Gold Edition von MGM ist in Sachen Bildqualität eine Wucht. Leider ist die deutsche Nachsynchronisation der bislang fehlenden Stellen aber eine ziemliche Qual. Wenn mich meine Erinnerung nicht völlig trügt, hat das Pro Sieben mit seiner selbstgebastelten Langfassung vor einigen Jahren deutlich besser hinbekommen. Ernüchternd, wenn da ein Fernsehsender offenbar professioneller als ein großes DVD-Label zu Werke geht... Glücklicherweise hatte ich aber vor rund anderthalb Jahren ohnehin die seltene Gelegenheit, den neuen Print der "Extended English-language Version" auf der großen Leinwand zu erleben. Man braucht wohl kaum zu erwähnen, dass vor allem die brillante Friedhof-Sequenz erst im Kino ihre volle, überwältigende Kraft entfesselt. Dennoch ist ZWEI GLORREICHE HALUNKEN immer wieder ein cineastischer Hochgenuss – egal wo, wann und warum man ihn mal wieder sieht.
Ach ja, und besagtem Kumpel hat der Film erfreulicherweise auch ausgesprochen gut gefallen. So gut sogar, dass wir gleich im Anschluss mit SUSPIRIA noch ein weiteres Meisterwerk des italienischen Kinos nachgeschoben haben und demnächst außerdem ES WAR EINMAL IN AMERIKA auf dem Programm steht.
Suspiria
(Regie: Dario Argento, 1977)
Erlesenes Futter für Augen und Ohren. Ein traumhaft schöner filmischer Alptraum.
Ich fand den Film schon beim ersten Durchgang vor etwa einem Jahr großartig. Aber die ganze Tragweite seiner artifiziellen Einzigartigkeit und die enorme Sogwirkung seiner Bilder ist mir erst dieses Mal so richtig bewusst geworden. Die Bedingungen hätten aber auch kaum passender sein können, als diesen Film nach Mitternacht in einem dunklen Kellerraum zu sehen und danach gegen 2 Uhr noch mit dem Auto auf Überlandstraßen entlang an düsteren Waldstücken fahren zu müssen...
Jedenfalls hat SUSPIRIA bei mir seine Position gefestigt als Horror-Meisterwerk, das auf einer Stufe steht mit meinen anderen Lieblingsfilmen des Genres: Roman Polanskis ROSEMARIES BABY, Tobe Hoopers TEXAS CHAINSAW MASSACRE, George A. Romeros DAWN OF THE DEAD und John Carpenters HALLOWEEN.
Lucio Fulci wollte den absoluten Film drehen – Dario Argento kam diesem Ziel mit SUSPIRIA so nahe wie wohl kaum ein anderer.
Besucher die dieses Thema lesen: 1
Mitglieder: 0, Gäste: 1, unsichtbare Mitglieder: 0