Cinema Paradiso
#31
Geschrieben 18. Mai 2005, 20:15
(Inferno, Regie: Dario Argento, 1980)
Starker Film, aber nicht ganz so großartig, wie er hätte sein können. Sollte man vielleicht auch nicht kurz nach SUSPIRIA sehen, weil er dann ein bisschen in dessen Schatten steht. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass INFERNO bei einem zweiten Durchgang noch deutlich hinzugewinnt. Außerdem gehört er mit Sicherheit zu den Filmen, die erst auf der großen Leinwand ihre volle Wirkung entfalten können. Einmal mehr bedauerlich, dass man dazu heute nur noch in seltenen Ausnahmefällen Gelegenheit hat.
#32
Geschrieben 18. Mai 2005, 20:37
(Regie: Lutz Hachmeister, 2005)
Dokumentarische Collage, die den Weg Joseph Goebbels' von 1924 bis 1945 anhand seiner Tagebücher nachzeichnet. Dabei werden zu den Bildern ausgewählte Tagebucheinträge vorgelesen, die aufschlussreiche Einsichten in die innerparteilichen Machtstrukturen der NSDAP und die Funktionsweise von Goebbels' berüchtigtem Propagandaapparat gewähren. Auf einen kommentierenden Off-Sprecher wird völlig verzichtet, der Zuschauer ist gezwungen, sich sein eigenes Urteil bilden. DAS GOEBBELS-EXPERIMENT ist letztlich nicht aus cineastischer, sondern vor allem aus zeitgeschichtlicher Sicht interessant.
Terror in der Oper
(Opera, Regie: Dario Argento, 1987)
Gestern kam der dritte Film meiner kleinen Argento-Reihe an die Reihe. Jeden Abend zu später Stunde ein Argento – an diese Art der Gute-Nacht-Geschichte könnte man sich fast gewöhnen...
Zumal mir OPERA auch eine ganze Ecke besser gefallen hat als INFERNO. Zwar ist auch OPERA sicherlich nicht frei von Schwächen, macht auf mich allerdings den geschlosseneren Gesamteindruck, der gleichzeitig die bessere Basis für Argentos visuelle Einfälle ist. Vor allem die Kameraarbeit ist schlichtweg phänomenal! Überraschend gelungen fand ich auch – so abwegig die Idee auf dem Papier auch erscheint – die Kombination von Opernmusik von Verdi und Puccini mit Heavy Metal- & Rock-Sound von Brian Eno, Claudio Simonetti, Bill Wyman und anderen. Hübsch ist natürlich die Figur des Opernregisseurs, der früher Horrorfilme gedreht hat – das lässt in Bezug auf Argento nicht nur autobiografische Züge erkennen, sondern auch eine augenzwinkernde Selbstironie. In technischer Hinsicht ungewöhnlich überzeugend und realistisch kommen die Gore-Effekte daher. Wie meistens bei Argento geht es nicht übermäßig oft blutig zur Sache – wenn doch, dann aber mitunter ziemlich heftig. Vor allem beim ersten Mord wird so ruppig hingelangt, dass man seinen Augen kaum traut. Der Schluss von OPERA in den Schweizer Alpen wirkt zwar im Kontext blödsinnig und deplaziert, hat mir aber gerade als völlig unerwarteter Kontrast dennoch gefallen. Frische Luft atmen. Von der räumlichen (und auch filmischen) Enge der Oper hinaus in die Weite der Bergwelt quasi.
Am Ende der Dokumentation Conducting Dario Argento's 'Opera', die der DVD von Anchor Bay beigefügt ist, erzählt Argento davon, dass er nach OPERA glaubte, einen schlechten Film gemacht zu haben, Depressionen bekam und anderthalb Monate nach Indien ging. Hm, wie geht's denn dem Mann dann heute, wo OPERA mittlerweile eher als letztes Werk seiner starken Phase gilt, an das er seither nicht mehr anknüpfen konnte...
#33
Geschrieben 20. Mai 2005, 21:19
(Regie: Emir Kusturica, 1995)
Ein schwieriger Patient.
Einerseits ein Stück energiegeladenes, leidenschaftliches europäisches Kino, das mich in mancher Hinsicht ein wenig an Fatih Akins GEGEN DIE WAND erinnerte. UNDERGROUND ist allerdings noch viel wilder und verrückter. Temperamentvoll und heißblütig, umrandet von einem äußerst stimmungsvollen Folklore-Soundtrack. Voll hemmungsloser Lebenslust werden die Gefühle rausgelassen, regelrecht rausgeschrieen. Gegen jede Beschränkung und gegen jede Konvention. Eigentlich ein Film, den man nur zu gerne lieben würde.
Andererseits war mir UNDERGROUND stellenweise zu überdreht und durcheinander. Vielleicht liegt mir auch dieses geradezu rücksichtslose zur-Schau-tragen von Emotionen, das von den Protagonisten betrieben wird, nicht besonders. Außerdem hatte ich noch ein anderes Problem: ich war in der Mitte des Films etwa fünf Minuten abgelenkt und fand mich dann in der darauffolgenden Hin- und Herspringerei zwischen verschiedenen Zeitebenen (und offenbar zusätzlich noch zwischen irgendwelchen Phantasien...?) nur noch bedingt zurecht. Spricht auch nicht unbedingt für den Film (womöglich aber auch gegen mich bzw. die Stimmung, in der ich den Film gesehen habe), der mir bei aller eigentlich sympathischen over-the-top-Inszenierung letztlich einfach eine Spur zu chaotisch war.
Hat mich mit gemischten Gefühlen zurück gelassen.
P.S.: Sehr unterhaltsam im Anschluss bei arte, wie Kusturica in "Tracks" über Hollywoodfilme und Glamour hergezogen hat!
Ein Halleluja für Camposanto
(Gli fumavano le Colt... lo chiamavano Camposanto, Regie: Giuliano Carnimeo, 1971)
Schön gefilmter und solide inszenierter Italowestern aus einer Phase, als das Subgenre immer mehr zur Selbstparodie tendierte. Die eingebauten Albernheiten (vorwiegend resultierend aus dem Konflikt der beiden in Irland wohlbehütet erzogenen Protagonisten mit den bleihaltigen Gepflogenheiten ihrer neuen Umgebung im amerikanischen Westen) sind teilweise ganz nett, wirken auf Dauer aber eher nervend und ermüdend. Angenehmerweise hat man sich hier aber keineswegs dem völligen Comedy-Exzess hingegeben, sondern als kontrastierende Elemente zwei schießfreudige Revolverhelden eingebaut. Die werden dankenswerterweise auch nie der Lächerlichkeit preisgegeben, sondern sorgen im Gegenteil hin und wieder für angenehm spannendes Showdown-Feeling. Krönende Würze des Ganzen ist allerdings der gloriose Score von Bruno Nicolai – ein regelrechtes *Pfeifkonzert* im wörtlichen Sinn. Ohrwurmig und unwiderstehlich. Was der langjährige Morricone-Dirigent Nicolai da hergezaubert hat, würde selbst dem Maestro zur Ehre gereichen!
#34
Geschrieben 22. Mai 2005, 15:10
Zufällig in einem Filmforum entdeckt:
Wenn es eine entscheidende Entwicklung im Kino der letzten 15 Jahre gibt, dann ist es das immer stärker werdende Gefühl der Entfremdung. Die Zuschauer und die Filme haben nichts mehr miteinander zu schaffen (so wie der einzelne, scheint's, jenseits bürokratischer Pflichten wie Steuern und Sonderabgaben keine direkte Verbindung mehr zur Gesellschaft pflegt bzw. pflegen will). Einer der Gründe dafür ist, daß es in den großen Mainstream-Produktionen keine wahren Identifikationsfiguren für die Zuschauer gibt, sie und ihre Welt haben keinen Platz mehr in den Filmen. Der größte Teil des Publikums (in den westlichen Industrienationen) zählt zur Mittelschicht oder sieht sich als Teil der Mittelschicht, denkt wie die Mittelschicht. Eines der faszinierendsten Werke über dieses Problem ist Paul Verhoevens Essay über den Sadomasochismus im Sozialdarwinismus der 80er Jahre: Basic Instinct. Der Film handelt von den Phantasien eines Mannes mittleren Alters aus der Mittelschicht, der versucht, in die fremde Welt der Reichen und Schönen einzudringen, die ihm aber konstant den Zutritt, häufig sogar den kleinsten Einblick verwehrt. Er darf gerade so lange in dieser Welt verweilen, solange er ihr nützlich ist; seine Sehnsucht bestätigt sie. Das Nicht-sehen-Dürfen führt dazu, daß er die Gesellschaft als Verschwörung der Oberschicht wahrzunehmen beginnt, der er sich schlußendlich unterwirft, um einen für ihn akzeptablen Sinn in den Bildfragmenten finden und in irgendeiner Form weiterleben zu können. Um nicht wahnsinnig zu werden, akzeptiert er den gesellschaftlichen Wahnsinn als Norm.
Interessante Herangehensweise. Aus dieser Perspektive hatte ich den Film bislang noch nicht betrachtet. Werde ich für die nächste Sichtung im Hinterkopf behalten.
#35
Geschrieben 23. Mai 2005, 22:51
Weil ich jahrelang begeisterter Western-Fan war (und es – wenn auch in deutlich weniger starker Ausprägung – eigentlich durchaus noch immer bin), kam ich auf die Idee, mal etwas in den (teils relativ alten) Erinnerungen zu wühlen und eine Liste meiner Lieblingswestern zu erstellen. Warum gerade 111 Filme? Die Essentials hätte ich sicher auch in einer Top 100 untergebracht, aber ich wollte darüber hinaus eben auch einige sehr subjektive Favoriten würdigen, weshalb ich dann auf diese Schnapszahl umgeschwenkt habe (dennoch fehlt eine ganze Reihe durchaus ansehnlicher Filme, aber man kann ja nie alles in einer solchen Liste unterbringen). Außerdem sind auch Filme dabei, bei denen ich mich nur auf meine Erinnerung verlassen habe und nicht sicher bin, ob ich sie heute noch mögen würde (z.B. ALAMO), und ein paar andere wiederum sind vor allem aus nostalgischen Gesichtspunkten in der Liste gelandet (TSCHETAN, WINNETOU, DER SCHATZ IM SILBERSEE). Anzumerken wäre noch, dass ich versucht habe, wirklich nur reine Western in die Liste aufzunehmen und Grenzfälle (z.B. GLORY, JUNIOR BONNER, LAST MAN STANDING, WESTWORLD) zumeist rigoros aussortiert habe. Was die Titel angeht, habe ich mich um der Einheitlichkeit Willen durchgehend für die deutschen Titel entschieden, zusätzlich aber auch die Regisseure mit angegeben, wodurch jeder Film zweifelsfrei zu identifizieren sein sollte. Im Anschluss gibt's dann noch meine Most-Wanted-Liste in Sachen Western, die dann gleichzeitig auch das Fehlen des ein oder anderen Films in der eigentlichen Liste klären dürfte.
Aber zuerst meine 111 Lieblingswestern:
Abgerechnet wird zum Schluss (Sam Peckinpah)
Alamo (John Wayne)
Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe (Burt Kennedy)
Bandido (Richard Fleischer)
Bis zum letzten Mann (John Ford)
Blindman, der Vollstrecker (Ferdinando Baldi)
Butch Cassidy und Sundance Kid (George Roy Hill)
Cat Ballou (Elliot Silverstein)
Chatos Land (Michael Winner)
Cheyenne (John Ford)
Die Comancheros (Michael Curtiz)
Die Cowboys (Mark Rydell)
Das war der wilde Westen (J. Ford, H. Hathaway, G. Marshall)
Dead Man (Jim Jarmusch)
Denen man nicht vergibt (John Huston)
Der mit dem Wolf tanzt (Kevin Costner)
Django (Sergio Corbucci)
Django und die Bande der Gehenkten (Ferdinando Baldi)
Eine Pistole für Ringo (Duccio Tessari)
Ein Fremder ohne Namen (Clint Eastwood)
Ein Halleluja für Camposanto (Giuliano Carnimeo)
El Dorado (Howard Hawks)
Erbarmungslos (Clint Eastwood)
Faustrecht der Prärie (John Ford)
Fluss ohne Wiederkehr (Otto Preminger)
Friedhof ohne Kreuze (Robert Hossein)
Für eine Handvoll Dollar (Sergio Leone)
Für ein paar Dollar mehr (Sergio Leone)
Der Garten des Bösen (Henry Hathaway)
Die gebrochene Lanze (Edward Dmytryk)
Der gebrochene Pfeil (Delmer Daves)
Gefährten des Todes (Sam Peckinpah)
Die gefürchteten Vier (Richard Brooks)
Gegenspionage (André De Toth)
Das Geheimnis der fünf Gräber (John Sturges)
Der Gehetzte der Sierra Madre (Sergio Sollima)
Geronimo (Walter Hill)
Die glorreichen Sieben (John Sturges)
Gott vergibt – Django nie! (Giuseppe Colizzi)
Der große Apache (Robert Aldrich)
Der große Eisenbahn-Überfall (Edwin S. Porter)
Hängt ihn höher (Ted Post)
Heaven's Gate – Das Tor zum Himmel (Michael Cimino)
Heute ich – morgen du (Tonino Cervi)
Jeremiah Johnson (Sydney Pollack)
Jesse James – Mann ohne Gesetz (Henry King)
Keoma – Melodie des Sterbens (Enzo G. Castellari)
Lasst uns töten, Companeros! (Sergio Corbucci)
Lauf um dein Leben (Sergio Sollima)
Leichen pflastern seinen Weg (Sergio Corbucci)
Leise weht der Wind des Todes (Don Medford)
Der letzte Befehl (John Ford)
Die letzte Jagd (Richard Brooks)
Little Big Man (Arthur Penn)
Long Riders (Walter Hill)
Der Mann aus dem Westen (Anthony Mann)
Der Mann aus Laramie (Anthony Mann)
Der Mann, der Liberty Valance erschoss (John Ford)
Der Marshal (Henry Hathaway)
McCabe & Mrs. Miller (Robert Altman)
Mein großer Freund Shane (George Stevens)
Mein Name ist Nobody (Tonino Valerii)
Mercenario – Der Gefürchtete (Sergio Corbucci)
Meuterei am Schlangenfluss (Anthony Mann)
Missouri (Blake Edwards)
Mit eisernen Fäusten (Sydney Pollack)
Mit stahlharter Faust (King Vidor)
Nackte Gewalt (Anthony Mann)
Nevada-Pass (Tom Gries)
Nevada Smith (Henry Hathaway)
Open Range (Kevin Costner)
Pale Rider – Der namenlose Reiter (Clint Eastwood)
Pat Garrett jagt Billy the Kid (Sam Peckinpah)
Quigley, der Australier (Simon Wincer)
Rache für Jesse James (Fritz Lang)
Die Rechnung wird mit Blei bezahlt (Giulio Petroni)
Die rechte und die linke Hand des Teufels (E. B. Clucher)
Red River (Howard Hawks)
Rio Bravo (Howard Hawks)
Ritt zum Ox-Bow (William A. Wellman)
Rivalen unter roter Sonne (Terence Young)
Sacramento (Sam Peckinpah)
Scharfschütze Jimmy Ringo (Henry King)
Der Schatz der Sierra Madre (John Huston)
Der Schatz des Gehenkten (John Sturges)
Der Schatz im Silbersee (Harald Reinl)
Schneller als der Tod (Sam Raimi)
Der schwarze Falke (John Ford)
The Shootist – Der Scharfschütze (Don Siegel)
Spiel mir das Lied vom Tod (Sergio Leone)
Der Stern des Gesetzes (Anthony Mann)
Der Teufelshauptmann (John Ford)
Der Texaner (Clint Eastwood)
The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz (Sam Peckinpah)
Todesmelodie (Sergio Leone)
Töte Amigo (Damiano Damiani)
Töte, Django! (Giulio Questi)
Tschetan, der Indianerjunge (Hark Bohm)
Über den Todespass (Anthony Mann)
Vera Cruz (Robert Aldrich)
Vier Fäuste für ein Halleluja (E. B. Clucher)
Vier für ein Ave Maria (Giuseppe Colizzi)
Die vier Söhne der Katie Elder (Henry Hathaway)
Von Angesicht zu Angesicht (Sergio Sollima)
Warlock – Der Mann mit den goldenen Colts (Edward Dmytryk)
Weites Land (William Wyler)
Winnetou (Harald Reinl)
Zwei dreckige Halunken (Joseph L. Mankiewicz)
Zwei glorreiche Halunken (Sergio Leone)
Zwei ritten nach Texas [Laurel & Hardy] (James W. Horne)
Zwölf Uhr mittags (Fred Zinnemann)
Top 25 meiner Most-Wanted Western:
Betrogen (Don Siegel)
Cole Justice (Carl Bartholomew)
Das war Roy Bean (John Huston)
Django – Sein Gesangbuch war der Colt (Lucio Fulci)
Duell in der Sonne (King Vidor)
Ein Fressen für die Geier (Don Siegel)
Geächtet (Howard Hughes)
Johnny Guitar (Nicholas Ray)
Kopfgeld: ein Dollar (Sergio Corbucci)
Leg ihn um, Django (Enzo G. Castellari)
Der letzte Zug von Gun Hill (John Sturges)
Lonesome Cowboys (Andy Warhol)
Major Dundee [Sierra Chariba] (Sam Peckinpah)
Man nannte ihn Hombre (Martin Ritt)
Minnesota Clay (Sergio Corbucci)
Once Upon a Time – Der Ruf des Adlers (Simon Wincer)
Das Reich und die Herrlichkeit (Michael Winterbottom)
Das Schießen (Monte Hellman)
Der Siebente ist dran (Budd Boetticher)
Stagecoach (John Ford)
Töte alle und kehr allein zurück (Enzo G. Castellari)
Vierzig Gewehre (Samuel Fuller)
Winchester '73 (Anthony Mann)
Zähl bis drei und bete (Delmer Daves)
Zwei rechnen ab (John Sturges)
#36
Geschrieben 28. Mai 2005, 17:28
Auf den ersten Blick: Wahnsinnsheft! Bislang war das WILD BUNCH-Special meine Lieblingsausgabe der Steadycam, aber Nr. 48 (Explodierende Herzen - Die Braut trug Schwert: Quentin Tarantino und "Kill Bill") hat vermutlich keine schlechten Chancen, den Thron zu erklimmen. Mit 210 Seiten die umfangreichste Ausgabe ever, und ziemlich genau 130 Seiten entfallen allein auf den Schwerpunkt "QT und KILL BILL"! Nach der Einleitung geht es über die KILL BILL-Vorbilder zu LADY SNOWBLOOD, zu Yuen Wo-Pings Choreographien, zu "Tarantino als Heimatfilmer", zum "Thrill der Wiederkehr", zur Gangsterehre, zu QTs Drehbüchern, zu QTs Musik, zu den Dialogen in KILL BILL, zu SIN CITY und zu guter Letzt noch zu David Carradine und Uma Thurman. Wahnsinn! Was will man mehr?! Und dann noch diese unglaublichen Bilderstrecken, die dafür sorgen, dass man gleich wieder unbändige Lust auf KILL BILL bekommt. Dumm nur, dass ich mich aus Zeitgründen noch ein paar Tage gedulden muss, bis ich mich endlich mit voller Hingabe dieser wundervollen Ausgabe widmen kann. Aber die durch das erste Durchblättern entfachte Vorfreude ist groß!
P.S.: Der Trailer auf der letzten Seite verrät als Thema der nächsten Ausgabe "La bella musica" ohne weiteren Kommentar - darf man da auf ein Special zum Thema Filmmusik und womöglich gar zu Maestro Morricone hoffen? Wäre ja fast zu schön um wahr zu sein...
#37
Geschrieben 01. Juni 2005, 20:06
(Eugenie, Regie: Jess Franco, 1970)
Nachdem sich mir Jess Franco schon mit VENUS IN FURS als Lieferant für perfekte Entspannungsfilme empfohlen hat, habe gestern nach beendeter Stressphase & Prüfung prompt Lust auf EUGENIE bekommen. Zu später Stunde, ermattet und müde, habe ich mich sicherheitshalber noch mit Bier versorgt, um auch wirklich in Stimmung für den Film zu kommen. Wäre vermutlich gar nicht nötig gewesen, denn ich würde fast annehmen, dass EUGENIE auch ohne entrückten Geisteszustand prima funktioniert hätte.
Worum geht's? Ein junges, ganz und gar unschuldiges Mädel (mehrmals dadurch symbolisiert, dass sie sich im Kummer ganz fest an ihre Puppe klammert...) wird von einem unzüchtigen Paar zu einem Wochenend-Ausflug auf eine abgelegene Insel eingeladen, nicht zuletzt mit dem Versprechen, dort endlich "information and advice" in Liebesangelegenheiten zu bekommen. Innerhalb kürzester Zeit wird sie dort moralisch aufs gründlichste verdorben und – weil lange Zeit hin und her schwankend zwischen den durch "pain and pleasure" ausgelösten, ambivalenten Gefühlen – schließlich durch Drogen ihrer Gefügigkeit noch etwas nachgeholfen, um sie in sadomasochistische Spielereien einzubeziehen, bis das Mädel nicht mehr zwischen Traum und Realität unterscheiden kann und teuer für ihre Neugier & sexuelle Ausschweifungen bezahlen muss.
Ausuferndes Sittengemälde? Moralisches Lehrstück? Eindringliche Charakterstudie? Ganz bestimmt nicht, sondern ein Film von Jess Franco, und nichts anderes sollte man auch erwarten, zumal das Ganze lose auf Marquis de Sades "Philosophy in the Boudoir" beruht. Dennoch gehört EUGENIE sicherlich zu Francos besten Filmen, in dem sich zudem viele seiner Markenzeichen vereinen und der obendrein sogar ungewöhnlich stringent erzählt ist. Die schwedische Hauptdarstellerin Marie Liljedahl ist knackig und hübsch anzusehen, wobei sie schauspielerisch gerade gegen Ende nicht übermäßig überzeugt, während in dieser Hinsicht vor allem Maria Rohm auftrumpfen kann. Ähnlich wie in VENUS IN FURS schafft es Franco tatsächlich, stellenweise angenehm erotisch zu inszenieren, ohne in irgendeiner Weise plump zu werden – stattdessen wird das Geschehen durch einen leicht naiven Touch abgerundet. Bemerkenswert einmal mehr einige eindrucksvolle Bildkompositionen, die man so nicht unbedingt erwarten würde. In der zweiten Hälfte von EUGENIE kommt dann zunehmend eine surreal angehauchte Atmosphäre ins Spiel, wie man sie ja bei Franco nicht selten antrifft, wobei sich in diesem Fall die Handlung überraschenderweise keineswegs im Nichts verläuft, sondern ohne allzu große Verwirrung weitergeführt wird. Besonders gelungen ist der beißende Gegensatz zwischen den in warme Farben getauchten, optisch stilisierten Nacht- bzw. Sexszenen und den meist bei tristem Himmel & ebensolcher Insellandschaft gefilmten Tagesszenen, in denen dann auch noch ein kalter Wind durchs Bild zischt. Emotional und inhaltlich ein sehr passender Kontrast, der ein bisschen dem Gefühl ähnelt, nach durchfeierter Nacht wieder mit dem Alltag konfrontiert zu werden. Meine beiden Lieblingsszenen sind aber in der ersten Hälfte angesiedelt: zum einen die Bade-Szene mit anschließendem Sonnenbad und Girl-Girl-Kuss (da möchte man angesichts der Ähnlichkeit der Momente fast meinen, dass sich EISKALTE ENGEL in Bezug auf den Kuss von Gellar und Blair was abgeschaut hat!), und die darauffolgende, äußerst stimmungsvolle A Toast to Eugenie-Szene. Unbedingt hervorzuheben ist natürlich auch der famose Score von Bruno Nicolai. Feinstes Easy Listening mit Funk-, Pop- und Experimental-Elementen, was für viel Abwechslung sorgt. Stellenweise ist die Musikuntermalung zwar angesichts des Inhalts fast eine Spur zu frohsinnig, aber da man selbigen ohnehin nicht zu ernst nehmen sollte, stört das eigentlich nicht weiter. Wäre die 2-CD-Edition des Soundtracks nicht so verflixt teuer, würde ich mir fast die Anschaffung überlegen. Ach ja, nett ist eigentlich auch die mehrdeutige Schlussszene (bzw. Szenenwiederholung), die eine Interpretation nahe legt, auf deren Basis Francos teils surreal anmutende Szenarien gleich wieder einen anderen, womöglich schlüssigeren Rahmen bekommen. Insgesamt jedenfalls ein feiner Film, den sogar Franco selbst im DVD-Interview besonders adelt indem er verkündet: "of all my films it's the one I hate the least". Wenn das nichts heißt! Trotzdem sollte man natürlich unbedingt in der richtigen Stimmung für derartige Sexploitation sein und auch mit Francos eigenwilligen Stil grundsätzlich etwas anfangen können, um wirklich Spaß mit EUGENIE zu haben.
Eine Kuriosität am Rande: Christopher Lee hat als Erzähler Dolmance, der alle Fäden in der Hand hält, eine Nebenrolle in EUGENIE (in Deutschland hieß der Film DIE JUNGFRAU UND DIE PEITSCHE und alternativ DIE WILDKATZE), weshalb der Film kürzlich im Trubel um den Kinostart von STAR WARS: EPISODE III für völlig aberwitzige News-Meldungen herhalten musste, wo dann EUGENIE allen Ernstes als "harter Porno mit Analsex-Szenen" bezeichnet wurde: siehe u.a. hier oder dort. Selten so einen hirnverbrannten Stumpfsinn gehört, denn bei dem Film handelt es sich ausnahmslos um Softcore-Exploitation und es gibt nicht mal ansatzweise pornografische Szenen, und von Analsex ist obendrein sowieso weit und breit keine Spur. Im Übrigen kann ich mir in diesem Zusammenhang auch nicht verkneifen, dass ich EUGENIE weitaus spaßbringender als EPISODE III finde. Ha!
#38
Geschrieben 02. Juni 2005, 14:41
(Cani arrabbiati, Regie: Mario Bava, 1974)
Nach BAY OF BLOOD setze ich mit WILD DOGS meinen Weg, mich Mario Bava über sein Spätwerk und damit seine untypischsten Filme zu nähern, fort. Vielleicht gar nicht mal die schlechteste Idee, weil ein dreckig-realistisches Roadmovie wie WILD DOGS ohne falsche Erwartungen, weil ich eben nicht über eigene Seherfahrungen in Bezug auf Bavas sonst offenbar meist opulent ausgestattete und inszenierte Horrorepen verfüge, womöglich ein ganzes Stück besser wirkt. Bin jedenfalls sehr angetan von diesem klaustrophischen Trip, der fast ausschließlich in einem fahrenden Auto spielt (erinnert ein bisschen an Hitchcocks Idee, einen kompletten Film nur in einer Telefonzelle spielen zu lassen). Die drei überlebenden Gangster eines Überfalls nehmen sich eine Frau als Geisel und kapern dann den Wagen eines Mannes, der eigentlich sein krankes Kleinkind ins Krankenhaus bringen wollte, nun allerdings bei brütender Hitze den Verbrechern zur Flucht verhelfen muss. Der Asphalt brennt, die unrasierten Gesichter sind schweißgebadet, der Psychoterror im Auto eskaliert immer mehr (besonders der aus diversen Italowestern und Joe D'Amato-Filmen bekannte Hüne George Eastman tut sich hier als skrupelloser Sadist hervor). Rohe Gewalt, hochexplosive Spannung und Stelvio Ciprianis antreibender Score sorgen zusätzlich für pures Italo-Flair und mit zunehmender Laufzeit wird der Film immer beklemmender, weil die Nerven aller Beteiligten von Hitze und Angst sichtlich strapaziert sind. Weil das noch nicht genug ist, gibt es sogar noch eine ziemlich fiese Variation der piss your pants-Szene aus Wes Cravens LAST HOUSE ON THE LEFT. Und der Schluss übertrifft an galliger Bösartigkeit sogar das Finale von BAY OF BLOOD. Alles in allem ist WILD DOGS zwar ein phasenweise reichlich unangenehmer, aber für den geneigten Genrefreund sehr empfehlenswerter Film.
#39
Geschrieben 03. Juni 2005, 15:45
(Operation Petticoat, Regie: Blake Edwards, 1959)
Hinreißender Slapstick-Spaß, bei dem man eigentlich gar keine Lieblingsszenen nennen kann, weil der Film eine Art Abfolge von Lieblingsszenen ist. Hat mich außerdem daran erinnert, dass ich mich Blake Edwards vor Urzeiten auf noch seltsamere Weise als derzeit Mario Bava genähert habe, denn vom berühmten Komödien-Spezialisten Edwards kannte ich jahrelang nur einen Film: seinen einzigen (aber sehenswerten) Western MISSOURI...
#40
Geschrieben 04. Juni 2005, 19:10
(Regie: Herschell Gordon Lewis, 1972)
Was, zum Teufel, war das denn?! Bin unentwegt zwischen Kopfschütteln und Totlachen hin und her gewechselt. Ein absolut unfassbarer Film von Gore-Pionier Lewis. Selten so reinrassigen Trash gesehen. In dem Film laufen Gestalten rum – das glaubt man gar nicht, wenn man es nicht selbst gesehen hat! Mein Favorit ist der grobschlächtige Klotz, dessen Lieblingsbeschäftigung es ist, Melonen mit der blanken Faust zu Brei zu schlagen... Ich weiß auch nicht, nach welchen Kriterien Lewis seine "Schauspieler" auswählt – im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen scheinen bei ihm Talent und/oder Aussehen keine große Rolle zu spielen! Und vor allem die Frauen sind nicht selten so dermaßen geschmacklos gekleidet und unvorteilhaft gefilmt, dass man seinen Augen kaum trauen möchte. Die Striptease-Szenen sind dann der absolute Brüller – ein derart albernes Körpergewackel habe ich echt noch nicht erlebt und bin regelmäßig fast am Boden gelegen vor Lachen. Was die Gore-Effekte angeht, gilt THE GORE GORE GIRLS ja als einer der blutigsten Filme von Lewis. Zumindest von der Idee her sind einige Effekte wirklich atemberaubend pervers, die Umsetzung ist aber so over the top und unrealistisch, dass das Ganze nicht übermäßig erschreckend wirkt, sondern angesichts der Absurdität des Dargebotenen für reichlich Erheiterung sorgt. Ohnehin ist der Film handwerklich (Kameraführung, Anschlussfehler etc.) alles andere als gut, aber das erwartet ja hoffentlich auch keiner. Stattdessen wird hier durchgehend handfestes Schmuddel-Flair in Reinkultur verbreitet. Und diese Musik – unfassbar! Das reißt einen auch regelmäßig aus dem Sessel, wenn dann zu den heftigsten Gore-Szenen fröhliche, Marsch-ähnliche Melodien erklingen... und dann wieder ultra-simple "Spannungsmusik"... Sehr hübsch ist der Schlussgag ("you've seen enough"), mit dem sich Lewis für 30 Jahre (ein Comeback gab es erst im neuen Jahrtausend mit seiner BLOOD FEAST-Fortsetzung) von seinen Zuschauern verabschiedete. Und die anschließende Tafel mit der Aufschrift We announce with pride: this movie is over! dürfte auch ziemlich einzigartig sein...
THE GORE GORE GIRLS ist einfach in jeder Hinsicht völlig neben der Spur. Der Film geht so dermaßen an jeder Konvention und jeglichen Maßstäben für Qualität und Geschmack vorbei, dass es ein wahres Fest ist. Ein vollkommen irrer Film!
#41
Geschrieben 05. Juni 2005, 20:33
Habe seit längerem anderenorts hin und wieder aus Spaß an der Freude Most-Wanted-Listen aufgestellt und mich jetzt entschlossen, diese kleine Tradition von nun an in mein FTB zu integrieren. Insofern gibt es also in Zukunft in unregelmäßigen Abständen meine am meisten gewünschten Filme an dieser Stelle. Hier nun gleich die erste Liste derjenigen Filme (die allerwichtigsten unter den wichtigsten haben noch ein Sternchen verpasst bekommen), die ich Anfang Juni 2005 am liebsten hätte (wie bei allen meinen Listen habe ich der Einheitlichkeit halber auf die – wenn vorhanden & erträglich – deutschen Titel zurückgegriffen):
BIG WEDNESDAY
Habe das Gefühl, dass sich hinter dem Surf-Klassiker ein perfekter Sommer-Film verbirgt.
DER TOD TRÄGT SCHWARZES LEDER *
Eine vernünftige DVD wäre hier echt dringend fällig. Ich will diesen Film sehen – momentan wieder mehr denn je.
DIE STUNDE, WENN DRACULA KOMMT
So langsam sind nicht nur die Spätwerke, sondern auch die klassischen Bavas bei mir angesagt. Hoffentlich kommt die lange angekündigte DVD von Anolis in absehbarer Zeit!
NECRONOMICON – GETRÄUMTE SÜNDEN *
Es gilt, eine weitere Franco-Muse zu entdecken: Janine Reynaud! Übrigens hat sogar Fritz Lang den Film als wunderschönes Stück Kino bezeichnet!
ENTFESSELTE BEGIERDE
Entfesselung tut Not und meistens gut!
CRUISING
Ein Evergreen auf dieser Liste.
VIER IM ROTEN KREIS
Dito.
I WIE IKARUS
Und noch mal dito.
ERMITTLUNGEN GEGEN EINEN ÜBER JEDEN VERDACHT ERHABENEN BÜRGER
Und auch hier ein Stück weit dito, auch wenn sich der Film bei mir bislang eher im unauffälligen Bereich derjenigen Filme befand, die es immer knapp nicht unter die Most-Wanteds geschafft haben. Morricone hat zuletzt nachgeholfen – feine CD.
DER CLAN, DER SEINE FEINDE LEBENDIG EINMAUERT
Intelligentes Polit- und Mafia-Kino aus Italien ist immer gerne gesehen. Riz Ortolani kommt in diesem Fall als weiteres handfestes Argument hinzu.
DJANGO – SEIN GESANGBUCH WAR DER COLT
Lucio Fulci hat bei mir gehörig an Wertschätzung gewonnen. Jetzt haben seine Italowestern und Gialli Priorität.
IN EINEM SATTEL MIT DEM TOD
Skandalös, dass ich den Film tatsächlich bei meinen Western-Most-Wanteds vergessen habe!!
RABID
Wichtigster mir noch fehlender Cronenberg, wobei SCANNERS durchaus auch noch auf der Wunschliste steht.
BLUTIGE SEIDE
Zu schade, dass die Edition Buio Omega längst vergriffen und somit nur noch irre teuer erhältlich ist!
THE HOLY MOUNTAIN
Soll 2006 zusammen mit EL TOPO (den ich dann unbedingt mal untertitelt sehen möchte, wobei ich ihn schon als spanische OV sehr faszinierend finde) endlich remastered bei ABKCO Films erscheinen, was wegen diverser Streitereien lange Zeit sehr unwahrscheinlich war. Eine richtig tolle Nachricht – das Ding ist so gut wie gekauft!
LIEBESBRIEFE EINER PORTUGIESISCHEN NONNE
Und wieder ein gar wunderliches Franco-Geschöpf: Susan Hemingway!
DIE UNSCHLAGBAREN
Montaldo, Cassavetes, Falk und Morricone!
DER TODES-TRIP *
In Sachen dreckige Italo-Roadmovies habe ich dank Bava richtig Blut geleckt.
DER BERSERKER
Stellvertretend für sämtliche Poliziotti von Umberto Lenzi.
SETTE NOTE IN NERO *
Muss sein. In Sachen Versionen gibt es wohl ein ähnliches Dilemma wie bei Fulcis LIZARD, weshalb man auf eine gute DVD wohl leider noch eine Weile warten wird müssen...
FLAVIA – LEIDENSWEG EINER NONNE
Gilt als Höhepunkt der Nunploitation – strongly supported by Nicola Piovani.
TOKYO DRIFTER
Habe schon länger ein Auge auf die Criterion-DVD geworfen, und die hier vorherrschende Begeisterung für Herrn Suzuki wird so langsam ansteckend.
MY NEIGHBOR TOTORO
Seit ich in einer Miyazaki-Doku einige Ausschnitte gesehen habe, ist der fester Bestandteil dieser Liste. Dass ich ihn noch nicht bestellt habe, liegt nur daran, dass ich zuletzt ohnehin etwas meinen Rahmen für DVD-Bestellungen gesprengt habe und mich vorerst wieder zur Beherrschung zwingen muss...
LOVE CIRCLE
Ennio Morricone!
IL CORPO
Piero Umiliani!
ZERO DAY
Erhoffe mir den besseren ELEPHANT.
LAGAAN: ONCE UPON A TIME IN INDIA
Sergio Leone meets Bollywood!
DIE TEUFEL
Stellvertretend für Ken Russels Filmografie.
MARTIN
George A. Romero ist gerade vorm vierten DEAD-Film wieder absolute Pflicht, die CRAZIES von Anolis werden insofern ebenfalls gespannt erwartet.
TÖTE ALLE UND KEHR ALLEIN ZURÜCK *
Wer schneller schießt, hat mehr vom Leben!
#42
Geschrieben 08. Juni 2005, 00:42
(Regie: Jack Hill, 1975)
Wollte eigentlich nur mal in die ersten Minuten reinsehen, aber schon der Vorspann hat richtig Style. Und dann spaziert auch noch eine gemeingefährlich anmutende Schlampen-Gang ins Bild und macht den Eindruck, dass hier gleich kräftig aufgemischt wird. Kann man da wieder ausschalten? Nein!!! Also gleich vollständig gesehen und richtig begeistert gewesen. Blaxploitation war bislang nicht wirklich mein Fall, allerdings muss ich zugeben, dass die letzten Versuche Jahre zurückliegen. Zwar hießen sie SHAFT und FOXY BROWN, aber seinerzeit konnte ich mit dieser Art Film wohl einfach noch nicht so arg viel anfangen (auch wenn ich sie keineswegs schlecht fand). Außerdem habe ich beide in der deutschen Fassung gesehen, und wie ich nun bei den SWITCHBLADE SISTERS dank O-Ton feststellen durfte, ist es tatsächlich so, dass in diesen Filmen die Sprache geradezu einen musikalischen Rhythmus hat. Da hört man wirklich sehr gerne zu, zumal die Dialoge sowieso erste Sahne sind. Auch sonst ist der Film wirklich pretty cool stuff und kicks some ass. Das Ding macht einfach richtig Spaß und schafft es gleichzeitig, ernsthaft Dramaturgie aufzubauen und den Zuschauer mit zunehmender Laufzeit tatsächlich für die Charaktere und die Figurenkonstellationen zu interessieren. Macht Lust auf mehr, weshalb nun auch Blaxploitation auf meiner To-Do-Liste an Priorität gewonnen hat. Zusatznotiz: möglichst in OV (bzw. OmU) schauen. Und: sehr, sehr schade, dass Tarantinos Label Rolling Thunder Pictures mangels Erfolg seine Tätigkeit wieder eingestellt hat und es bei nur einer Handvoll DVD-Veröffentlichungen geblieben ist. Die Scheibe zu SWITCHBLADE SISTERS ist nämlich eine rundum feine Sache! Nächstes Mal ist dann Audiokommentar-Hören angesagt.
Der Mafiaboss – Sie töten wie Schakale
(La mala ordina, Regie: Fernando Di Leo, 1972)
Endlich, endlich vollständig gesehen. Großartiger Film – meine nicht gerade geringen Erwartungen wurden in höchstem Maße erfüllt. Ein absoluter Kracher von Italo-Könner Fernando Di Leo! Zwei amerikanische Killer werden von ihrem New Yorker Boss nach Mailand geschickt, um an einem vermeintlichen Betrüger aus den eigenen Reihen ein Exempel zu statuieren und damit deutlich zu machen, wer hier das Sagen hat. Eine gnadenlose Hetzjagd ist eröffnet, weshalb der Film auch keineswegs zu Unrecht den internationalen Titel MANHUNT trägt. Woody Strode ist ein eiskalter & regungsloser no girls, no alcohol, no fun-Killer (diese Augen – finster wie die Nacht!), Henry Silva ist eine nicht minder coole Sau. Mario Adorf spielt den Eisenfresser (so der hübsche deutsche Alternativtitel), der ohne für ihn erkennbaren Grund gejagt wird, aber mit dem Mut des Verzweifelten gehörig Paroli bietet. Ein Dickschädel im wörtlichen Sinne, vor dessen Hirnschale weder Telefone noch Autoscheiben sicher sind. Nebenbei gibt es die mitreißendste Verfolgungsjagd, die ich seit langem gesehen habe – ach was, eigentlich sogar eine der besten Verfolgungsjagden, die ich je gesehen habe! Tempo, Action und Spannung werden mit fortschreitender Spieldauer ohnehin unerbittlich gesteigert. Zwischendrin haben mich einige Momente in angenehmer Weise ein wenig an Peckinpahs ALFREDO GARCIA erinnert, während die experimentierfreudige Kameraführung (die vor allem in den Stripbar-Szenen und den Prügeleien zum Tragen kommt) die mitreißende Wirkung des MAFIABOSS noch ungemein verstärkt. Gegen Ende geht es dann zunehmend rabiater zu, wobei besonders die Schlägereien angemessen grob und ruppig daher kommen. Straight, präzise und gewalttätig geht es zur Sache, und dennoch bleibt immer wieder Zeit für melancholische Zwischentöne (daran hat nicht zuletzt die Filmmusik ihren Anteil, wobei ich mir in diesem Zusammenhang zunehmend die Frage stelle, ob es überhaupt nennenswerte italienische Genre-Filme gibt, die keine guten Soundtracks haben?!). Für Fans italienischer Thriller-Kost ist DER MAFIABOSS – SIE TÖTEN WIE SCHAKALE jedenfalls ein absoluter Pflichtfilm, ein Must-See reinsten Wassers. Sehr empfehlenswert ist auch die italienische DVD von Raro Video, die sowohl OmU als auch englische Synchronfassung anbietet (während hierzulande mal wieder nur eine übel verstümmelte DVD erhältlich ist). Einzig bedauerlich ist, dass das italienischsprachige Bonusmaterial nicht untertitelt ist.
#43
Geschrieben 12. Juni 2005, 17:43
(Das Finale)
Grundsätzlich gilt für die dritte Staffel im Vergleich zu den beiden Vorgängern zwar schon ein bisschen das alte WILD BUNCH-Zitat It ain't like it used to be, but it'll do., aber letztlich ist das Ganze doch eine angenehm runde Sache geworden. Die bedenklichen Elemente (siehe dazu meinen früheren Eintrag) hielten sich auf der Zielgeraden zurück, während das Konzept spannungstechnisch noch immer voll aufgeht. Richtig bemerkenswert war aber das Ende, denn in den ersten beiden Staffeln war es jeweils so, dass in der allerletzten Minute (eigentlich sogar in den allerletzten Sekunden!) noch mal ein richtiger Paukenschlag kam, der die kurz zuvor aufgebaute wir haben es geschafft, jetzt wird alles wieder gut-Stimmung jäh zerstört und als trügerischen Frieden entlarvt hat. Und während man nun am Ende der dritten Staffel mit ähnlichem rechnet, kontern die Macher mit einem gänzlich unspektakulären, intimen Moment, den man so wahrlich nicht erwartet hätte. Sehr angenehm!
Don't Torture a Duckling
(Non si sevizia un paperino, Regie: Lucio Fulci, 1972)
A LIZARD IN A WOMAN'S SKIN bleibt zwar vorerst mein Lieblings-Fulci, aber DON'T TORTURE A DUCKLING spielt in einer Liga mit WOODOO und THE BEYOND (auch wenn ich zu einer genaueren Einordnung beide mal wieder sehen müsste). Beachtlich vor allem, wie Gore-Wüstling Fulci es schafft, seine Geschichte um eine Kindermord-Serie in einem Dorf im italienischen Hinterland beinahe gänzlich ohne bunte Effekte zu erzählen (mit Ausnahme von zwei Szenen, die dann gerade im Vergleich zum Rest allerdings geradezu wahnwitzig blutig sind). Stattdessen dominieren wunderschöne Cinemascope-Bilder und ein erlesener Cast: Tomas Milian als beharrlich nachforschender Reporter, Florinda Bolkan als Verstoßene und Barbara Bouchet als reiche Städterin mit pädophilen und exhibitionistischen Neigungen (die groß und breit eingeführt, später dann allerdings völlig vernachlässigt werden, was ich dann doch etwas irritierend finde). Am beeindruckendsten ist der Film immer dann, wenn Fulci den Volkszorn, der sich in unbedachter Raserei auf den nächstbesten Sündenbock projiziert, schonungslos entlarvt (mein Favorit unter den zahlreichen Lynchmob-Filmen bleibt allerdings vorerst Wellmans RITT ZUM OX-BOW, der – wenn's auch ein völlig anderes Genre ist – an dieser Stelle nachdrücklich empfohlen sei). Im Zuge dessen ist ihm auch eine unglaublich schmerzvolle Szene, die wirklich unter die Haut geht, gelungen – um unnötige Spoiler zu vermeiden, verzichte ich aber auf nähere Beschreibungen. Was die finale Auflösung angeht, muss ich sagen, dass ich nie zu den Leuten gehört habe, die Plottwists früh erkennen oder es sich zum obersten Ziel erklärt haben, einen Film möglichst früh zu "durchschauen" – hier dachte ich allerdings nach dem ersten Drittel: "wenn der Film wirklich gut ist und nebenbei auch eine Aussage transportieren will, dann kann es eigentlich nur eine Auflösung geben". So kam es dann auch tatsächlich. Vorhersehbarkeit will ich DON'T TORTURE A DUCKLING dennoch nicht vorwerfen, denn wie ich paradoxerweise ja als Prämisse formuliert habe: "wenn der Film wirklich gut ist..." – und ja, er ist gut. Richtig gut!
#44
Geschrieben 12. Juni 2005, 17:44
(Malastrana, Regie: Aldo Lado, 1971)
Ein langsamer, tiefer Stich ins Herz, subtil begleitet von Ennio Morricones Gänsehaut-Score. Zu Beginn ist der Film eine wunderbar fotografierte Sightseeing-Tour durch Prag und seine Sehenswürdigkeiten, mit einer bezaubernden Barbara Bach, die leider viel zu früh auf mysteriöse Weise verschwindet, was ihren Freund Jean Sorel zu einer Reihe zunehmend gefährlicherer Nachforschungen veranlasst. Faszinierenderweise schafft es Aldo Lado, seinen Giallo vollkommen ohne direkte graphische Gewalt zu inszenieren, sondern stattdessen auf die einnehmende Atmosphäre der immer düsterer werdenden Prager Hinterhof-Gassen zu setzen. Zusätzliche Unterstützung gibt es auf Seite der Schauspieler von der Bergman-erfahrenen Ingrid Thulin und Italo-Star Mario Adorf. Die intensivsten Momente hat der Film ohne Zweifel am Anfang und am Ende, wenn das alte lebendig begraben-Motiv etwas abgewandelt, aber kaum minder erschreckend umgesetzt wird. Die politisch-gesellschaftliche Dimension und Intention, die Aldo Lado offenbar vorschwebte, ist mir allerdings erst durch das aufschlussreiche DVD-Interview so recht klar geworden – was ich ein Stück weit auch der wenig gelungenen englischen Synchro zuschreibe, die mich auch einige Male zum Zurückspulen genötigt hat. Während ich bei Argento und Franco noch ganz gut damit leben konnte, ärgert mich die schwache Dubbing-Qualität hier doch ziemlich. Wieso, verdammt, bringen es Anchor Bay und Blue Underground nicht wie beinahe alle anderen (amerikanischen und internationalen) Labels fertig, auch eine OmU-Version mitzuliefern?! Sogar in Deutschland gehört eine ergänzende OmU mittlerweile zum Standard und es gibt einen ziemlichen Aufschrei, wenn doch mal eine DVD ausschließlich mit Synchro (bei wohlgemerkt deutlich besserer und professionellerer Synchronisations-Tätigkeit als in den USA!) daher kommt! Na gut, der Vergleich ist natürlich etwas unfair, weil bei AB und BU wenigstens in allen anderen Belangen die Qualität auf zuverlässig hohem Niveau ist, aber die Sache mit dem O-Ton finde ich dennoch reichlich ärgerlich.
Der Mann, der niemals aufgibt
(The Gauntlet, Regie: Clint Eastwood, 1977)
Wenn das zutrifft, was Sie behaupten, dann wettet jemand, dass ich von meinem Beruf nichts verstehe... So ein Scheißer!
So lautet gleich zu Beginn des Films meine Lieblingsstelle, weil sie nicht nur die Handlung dieser in einem Actionfilm verpackten Lovestory, in der ein Loser sich selbst und allen anderen (vor allem seinem Boss sowie der Kronzeugin, die er von Las Vegas nach Phoenix überführen soll) beweisen will, dass man sich in ihm getäuscht hat, ziemlich gut widerspiegelt, sondern sich im Nachhinein auch interessante Parallelen zwischen jener Motivation und Eastwoods Regie-Karriere (Beruf!) zeigen, denn der frühere Western- und Actionstar wurde lange Zeit auf sein Macho-Image reduziert, bis er es spätestens mit ERBARMUNGSLOS allen gezeigt hat. Wie auch immer: Eastwoods Spießrutenlauf ist jedenfalls überaus sehenswert, aber ich mag ja sogar seine allgemein weniger geschätzten Filme wie PALE RIDER, BLOOD WORK oder TRUE CRIME...
Donnie Darko
(Regie: Richard Kelly, 2001)
Nach wie vor ein wunderschöner Film! Ich gehöre nicht zu den Leuten, die ihn gleich bei Erscheinen zig Mal gesehen haben, um seine Geheimnisse möglichst gründlich zu entwirren. Im Gegenteil: ich habe ihn nun erst zum dritten Mal gesehen – die erste Begegnung fand Ende 2003 statt, die zweite Ende 2004, und nun also die dritte. Die vergleichsweise langen Abstände haben zwar zur Folge, dass ich mich noch immer nicht wirklich für "meine" Interpretation entschieden habe, aber genau das macht für mich auch die Faszination des Films in Verbindung mit dieser Herangehensweise aus: man kann ihn immer wieder sehen, entdeckt jedes Mal neue interessante Aspekte und kommt doch nie so ganz hinter sein Geheimnis. Insofern tendiert meine Lust auf den Director's Cut mittlerweile gegen Null, denn nach allem, was dazu vielerorts zu hören war, wird dort Magie & Mysterium des Films ein Stück weit auf reichlich unnötige Weise zerstört. Darauf verzichte ich lieber.
#45
Geschrieben 24. Juni 2005, 16:14
(The Devil's Advocate, Regie: Taylor Hackford, 1997)
War doch einigermaßen erstaunt: der Film ist besser als ich dachte. Schon der Anfang illustriert sehr gelungen die Bedenken, die mich wohl auch als Rechtsanwalt plagen würden und die durchaus zu den Gründen gehören, warum ich mich entgegen früherer Erwägungen beruflich höchstwahrscheinlich nicht in dieser Richtung orientieren werde. Überhaupt ist IM AUFTRAG DES TEUFELS auch danach vor allem inhaltlich sehr interessant – als Kommentar zu rücksichtsloser, egoistischer Karrieregeilheit, bei der alles andere zunehmend vernachlässigt wird. Und irgendwann sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, verliert völlig den Sinn und das Gespür fürs Wesentliche.
Inszenatorisch setzt Hackford dabei vor allem auf eine Atmosphäre der schleichenden Bedrohung. Zu schleichend manchmal, denn wie in nahezu jedem seiner Filme (selbst einem PROOF OF LIFE) neigt er zu Überlänge. Gerade zum Ende hin tut das IM AUFTRAG DES TEUFELS nicht wirklich gut, auch wenn keine wirkliche Langeweile aufkommt. Anmerken möchte ich noch, dass ich von Keanu Reeves sogar eher positiv überrascht wurde als vom (freilich zu Recht) allseits für diesen Film gefeierten Al Pacino. Ich meine, Pacino liefert fast immer Glanzvorstellungen ab. Von Reeves kann man das ganz bestimmt nicht behaupten. Umso erfreulicher seine Leistung hier. Klar, ein großer Charakterdarsteller wird er mit Sicherheit nie werden, aber der Auftritt hier gehört sicher zu seinen besten.
Die Kröte
(La banda del gobbo, Regie: Umberto Lenzi, 1978)
Wäre das nicht schon zuvor der Fall gewesen, würde ich spätestens nach diesem Film alle Polizeifilme von Umberto Lenzi sehen wollen. Dabei beginnt DIE KRÖTE dermaßen trashig, dass ich mich beinahe im falschen Film wähnte. Wie man da versucht hat, die beiden Zwillingsbrüder, die von Tomas Milian in einer Doppelrolle gespielt werden (tolle Idee übrigens!), mehrmals zusammen im Bild auftreten zu lassen, ist zu Beginn in erster Linie erheiternd. Danach kommt der Film allerdings richtig in Fahrt. Dabei durfte ich auch wieder feststellen, dass Autoverfolgungsjagden mit irgendwelchen alten Rostlauben viel mehr Spaß machen als jeder hypermoderne CGI-Kram. Veredelt wird das ganze Treiben von einer herrlich brachialen deutschen Synchro, die so manchen grobschlächtigen Dialog raushaut. DIE KRÖTE hat jedenfalls einen hohen Unterhaltungswert, der in der Schlusssequenz von einem genial montierten und konstruierten Ende noch qualitativ verfeinert wird.
Lautlos wie die Nacht
(Mélodie en sous-sol, Regie: Henri Verneuil, 1963)
Sehenswertes heist movie mit entspannt erzählter Story, stil- & stimmungsvoller schwarz-weiß-Optik und perfektem Hochspannungs-Finale. Aber mit Alain Delon und Jean Gabin kann man sowieso meist nicht viel falsch machen.
#46
Geschrieben 09. Juli 2005, 17:39
(I Hired a Contract Killer, Regie: Aki Kaurismäki, 1990)
Nach meiner Urlaubs-Phase will ich nun meinen Vorsatz, das FTB von nun an wieder regelmäßiger mit Einträgen zu füttern, in die Tat umsetzen. Zum Wiedereinstieg gibt's meinen heutigen Frühstücksfilm (normalerweise sehe ich Filme schon aus Zeitgründen vorwiegend Nachmittags oder Abends, aber momentan bietet es sich wegen zusätzlicher Zeitreserven fast an, den morgendlichen Filmgenuss zur temporären Dauereinrichtung zu machen).
Kaurismäkis wortkarger Film empfiehlt sich zwar eigentlich nicht gerade als erquickender Start in den Tag, aber sei's drum, denn in der richtigen Stimmung für das traurige Spiel war ich irgendwie schon. Das ist sicher auch nicht die schlechteste Voraussetzung, denn Kaurismäki bietet dem Zuschauer zumindest oberflächlich betrachtet wenig emotionale Anknüpfungspunkte, was I HIRED A CONTRACT KILLER nicht unbedingt leicht zugänglich und verdaulich macht. Ist man allerdings selbst in melancholischer Verfassung, stört man sich wohl weniger daran, dass insbesondere der Anfang, der die Suizidabsichten des Protagonisten erklärt, etwas zu sehr eine Szenenaneinanderreihung im "aus dem und dem und dem folgt dies"-Stil ist. Dass auch sonst ein paar Wendungen nicht immer ganz glaubwürdig sind (das fängt im Grunde schon an bei der Ausgangsidee, dass jemand einen Killer auf sich selbst ansetzt, weil er seinen Tod alleine einfach nicht fertig bringt – auch wenn ich diese Idee [die Warren Beatty übrigens einige Jahre später in seiner auch sonst sehr empfehlenswerten Politsatire BULWORTH ebenfalls aufgegriffen hat] sehr reizvoll finde), wobei man das mit dem Verweis auf schwarzen Humor und bewusste Übersteigerung von Klischees erklären mag.
Ansonsten zeichnet sich I HIRED A CONTRACT KILLER vor allem durch extremen Minimalismus in Dialog, Ausstattung und Inszenierung aus, wozu beispielsweise auch der weitgehende Verzicht auf musikalische Untermalung gehört. Der Film suhlt sich dermaßen in allumfassender Tristesse, dass beim ein oder anderen Betrachter sicher schnell die Grenze zur Unerträglichkeit überschritten wird, zumal sich Atmosphäre und Optik des Films auch nach dem Gesinnungswandel des Protagonisten allenfalls sehr subtil ändern (einen bildlichen oder sonst wie gearteten Ausdruck der neu entdeckten Lebensfreude wird man hier vergebens suchen). Aber: ich mochte das – trotz oder gerade wegen diesem eigenwilligen Stil. Und auch melancholische, nachdenkliche Killer sehe ich immer wieder gerne. Ständig brauche ich Depri-Arthouse dieser Sorte zwar dennoch nicht, aber nach diesem geglückten Einstieg in die filmische Welt von Aki Kaurismäki gebe ich zu gegebener Zeit sicher noch dem ein oder anderen Film des Finnen eine Chance.
#47
Geschrieben 10. Juli 2005, 00:14
(Shi mian mai fu, Regie: Zhang Yimou, 2004)
Hat ähnliche Qualitäten und Schwächen wie Zhang Yimous letzter Film, wobei HERO insgesamt doch noch eine Spur runder war. Für HOUSE OF FLYING DAGGERS bleibt jedenfalls zu verbuchen: trotz überraschender Plottwists reißt einen die Story nicht vom Hocker, weil letztlich eine mitreißende Dynamik fehlt. Die bekommt man dafür umso stärker in den Kampfszenen zu spüren, die genau wie die gesamte Optik zum Niederknien sind. Schon in HERO hätte fast jede Einstellung als Vorlage für ein Hochglanzposter dienen können, und HOUSE OF FLYING DAGGERS spielt in dieser Hinsicht fast in der gleichen Liga, was ich nicht unbedingt erwartet hätte. Das erhebt ihn zwar weder zum Meisterwerk, noch kann es über seine Schwächen hinwegtäuschen, aber an diesen erlesenen Bildern kann ich mich dennoch mit größter Wonne ergötzen. Allein dafür hat die Ansicht zweifellos gelohnt, auch wenn ich es gerade deshalb nun doch bereue, den Film nicht auf der großen Leinwand gesehen zu haben. Visuell ist HOUSE OF FLYING DAGGERS jedenfalls wirklich eine Wucht. Was mich allerdings wieder einmal ziemlich genervt hat, sind pseudo-komplizierte, historische Hintergründe, die zu Beginn breit eingeführt werden, um sich danach zunehmend als völlig irrelevant zu entpuppen – wieso also nicht gleich darauf verzichten? Ich versteh's nicht.
#48
Geschrieben 15. Juli 2005, 21:02
Der Zauber von Malèna
(Malèna, Regie: Giuseppe Tornatore, 2000)
Habe ich Anfang 2001 im Kino gesehen, was seinerzeit meine erste mehr oder weniger bewusste Begegnung mit Filmkürzungen war. Das lag daran, dass ich im Trailer eine Traumsequenz (Monica Bellucci sitzt mit nassen Haaren auf einem Stuhl) gesehen hatte, die dann im Film gar nicht vorkam. Dass die internationale Fassung (die der deutschen entspricht) des Films um knapp 18 Minuten geschnitten wurde, erfuhr ich allerdings erst später. Im Wissen um die massiven Eingriffe, die Miramax hier vornehmen ließ (und es sind leider nicht die einzigen ihrer Art bei ausländischen Filmen des Studios, wie kürzlich etwa SHAOLIN SOCCER zeigte), habe ich mir daher vor einiger Zeit die rundherum sehr schöne koreanische DVD mit dem Director's Cut geholt – was sich auch definitiv gelohnt hat, weil MALENA vor allem in jenen Szenen gekürzt wurde, in denen die wesentlichen Vorzüge des Films zur Geltung kommen: die brillante Kameraarbeit, Ennio Morricones Filmmusik und natürlich Monica Bellucci. Wer allerdings eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Thematik (Kurzzusammenfassung: Traumfrau gerät in einem sizilianischen Dorf zunehmend in Schwierigkeiten, weil nahezu alle Männer sie begehren, während die Frauen sie dafür hassen) erwartet, ist an der falschen Adresse und wird von Klischees und extremer schwarz-weiß-Malerei (die Männer erliegen alle hilflos ihren Trieben und die Frauen sind durchweg eifersüchtige Furien) wohl kaum zufrieden gestellt. Betrachtet man den Film aber als nostalgisch verklärte Jugenderinnerung aus der Sicht des in Malèna vernarrten jungen Protagonisten, macht auch die schwarz-weiß-Malerei Sinn, zumal sie von Tornatore offenbar bewusst gewählt wurde, wie eine subtil ironische Szene nahe legt, in der tatsächlich nahezu alle Frauen des Ortes schwarz und alle Männer weiß (als unschuldige Opfer Malènas...) gekleidet sind...
Sehenswert ist MALENA vor allem wegen seiner grandiosen, in tollstes Sepia getauchten Bildkompositionen und einem Score, der zu Ennio Morricones schönsten Werken der letzten Jahre gehört. Letztendlich ist der Film freilich in erster Linie eine einzige große Liebeserklärung an Monica Bellucci (inklusive zahlreicher – der Erzählperspektive entsprechend mal mit Zärtlichkeit, mal mit Geilheit gefilmter – freizügiger Szenen). Wer in diesem Punkt die Leidenschaft des Films teilen kann, wird in der Tat gut bedient.
Killing Me Softly
(Regie: Chen Kaige, 2002)
Nur die letzten 30 Minuten gesehen, weil reingezappt und dann aus eigentlich nicht wirklich zu erklärenden Gründen hängen geblieben (nein, die Sexszenen waren es nicht, denn die wurden offenbar alle in der ersten Hälfte untergebracht ). Gelohnt hat es sich nicht wirklich – zwei, drei halbwegs spannende Momente haben mich bei der Stange gehalten, ansonsten war das lebloser, vorhersehbarer und ermüdender Klischee-Stoff, wie man ihn in ähnlicher Form schon unzählige Male gesehen hat. Und Heather Graham war zwar als Rollergirl in BOOGIE NIGHTS perfekt, gibt in KILLING ME SOFTLY aber zumindest im von mir gesehenen Teil leider gar keine gute Vorstellung ab.
Mad Max II – Der Vollstrecker
(Mad Max 2, Regie: George Miller, 1981)
Eine Bombe von Film und einer der großen Action-Klassiker der 80er Jahre. Noch dazu sogar glatt ein Stück besser als das Original. Wurde in SCREAM 2 nicht die These aufgestellt, dass die zweiten Teile von Filmreihen nicht selten die jeweils besten sind? Ironischerweise trifft das auf Wes Cravens Trilogie zwar sicher nicht zu, aber wenn ich ein bisschen darüber nachdenke, gibt es doch eine recht beeindruckende Anzahl von Filmreihen, bei denen der zweite Teil entweder in einer Liga mit dem Original spielt oder sogar besser ist – spontan würden mir neben MAD MAX 2 etwa ALIENS, TERMINATOR 2, DAWN OF THE DEAD, DER PATE 2, DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK, FÜR EIN PAAR DOLLAR MEHR, OLD BOY, BEFORE SUNSET oder (mit Abstrichen) DIRTY HARRY 2 einfallen. Woran liegt es? In einigen Fällen wohl daran, dass bei den Originalen nur ein geringes Budget und auch sonst nicht immer optimale Arbeitsbedingungen zur Verfügung standen. Durch den Erfolg des Originals bietet eine Fortsetzung dann zumindest ambitionierten Regisseuren die Möglichkeit, ihre Visionen noch einmal ausgefeilter und unter besseren Vorzeichen zu verwirklichen. Warum die meisten Filmreihen nach dem zweiten Teil indes stark absacken, liegt wohl daran, dass in den ersten beiden Filmen bereits alles gesagt wurde, was es zu sagen gab, und dann zudem nicht selten auch die Regisseure und Schauspieler wechselten.
Phantom Kommando
(Commando, Regie: Mark L. Lester, 1985)
Habe ich jahrelang gemieden, weil ich eigentlich nie ein großer Arnie-Fan war und den Film darüber hinaus für Action-Schund nach Schema F hielt. Dank wiederholter Empfehlung (und weil Herr Lester außerdem für den von mir geschätzten DIE KLASSE VON 1984 verantwortlich zeichnet) habe ich ihn nun doch gesehen – und alle meine früheren Vorurteile wurden bestätigt. COMMANDO ist nicht nur reaktionär und gewaltverherrlichend, sondern vor allem simpel konstruiert, vor Logikfehlern und Unglaubwürdigkeiten berstend, teilweise an der Grenze zur Lächerlichkeit inszeniert und reichlich vorhersehbar. Aber: er macht verdammt viel Spaß! Seine unerbittliche und grobschlächtige Art funktioniert in Verbindung mit einigen einzigartig zynischen Onelinern und Dialogen hervorragend. Und Schwarzenegger wie ein Urviech durch Einkaufszentren marschieren und mit bloßer Muskelkraft Telefonzellen aus der Wand reißen zu sehen, hat ebenfalls einen extrem hohen Unterhaltungswert. Kein Wunder, dass die Gosejohanns COMMANDO als einen ihrer Lieblingsfilme bezeichnen und ihn dementsprechend mit OPERATION DANCE SENSATION auch überdeutlich huldigten. Dabei befinden sich einige Szenen in COMMANDO – darunter im Grunde das gesamte Finale – schon selbst nahe an der Grenze zur Selbstparodie. Insofern ganz sicher kein guter, aber für den geneigten Genre-Freund dennoch sehr zu empfehlender Film. Wie heißt es gegen Ende so schön: Let's party!
#49
Geschrieben 19. Juli 2005, 13:23
(What's Up, Doc?; Regie: Peter Bogdanovich, 1972)
Seit über einem Jahr hatte ich die DVD ausgeliehen herumliegen, aber es braucht erst eine Fernsehausstrahlung, dass ich mir den Film endlich ansehe – eigentlich eine Schande, weil Bogdanovich' Huldigung der klassischen screwball comedy genau meinem Komödien-Geschmack entspricht und zudem durch clevere Tempo-Wechsel den Ermüdungserscheinungen, die bei solchen Unterfangen immer etwas drohen, wirkungsvoll vorbeugt. So wünscht man sich das! IS' WAS, DOC? ist völlig zurecht längst zum Klassiker avanciert.
Duell der Giganten (aka Master of the Flying Guillotine)
(Du bi quan wang da po xue di zi, Regie: Wang Yu, 1975)
Nach einer längeren Phase der diesbezüglichen Lähmung habe ich endlich mal wieder einen zünftigen Klassiker des asiatischen Martial Arts-Kinos gesehen und prompt viel Spaß damit gehabt. Kein Wunder, schließlich hat DUELL DER GIGANTEN seinen legendären Status nicht von ungefähr. Was da an schrägen Kämpfern, bizarren Kampftechniken und obskuren Waffen aufgefahren wird, ist wirklich alle Ehren wert und nicht nur höchst unterhaltsam (auch und gerade, weil manches in dem Film natürlich in vielerlei Hinsicht grober Unfug ist), sondern auch angenehm abwechslungsreich, was zu einem gutem Teil auch auf die tolle Idee mit dem Kampfsport-Turnier zurückzuführen ist. Aber auch das finale Gefecht mit dem äußerst geschickt eingefädelten und schrittweise vorangetriebenen Ausschalten des Gegners hat einiges für sich. Nicht zu vergessen natürlich der coole Elektro-Soundtrack, der zwar für Zeit und Genre reichlich ungewöhnlich ist, aber absolut prima funktioniert. Alles in allem eine runde, überaus spaßige Sache und gleichzeitig endlich Motivation für mich, mir einige teils schon seit über einem halben Jahr ungesehen im Regal stehende Filme aus dem Studio der Shaw Brothers vorzunehmen. Irgendwie witzig, dass das gerade der Independent-Produktion DUELL DER GIGANTEN, die eben nicht von den Shaw-Studios produziert wurde, gelingt.
(Anmerkung am Rande: so richtig zufriedenstellend finde ich die Bildqualität der amerikanischen Ultimate Edition von Pathfinder wegen der ständigen Helligkeitsschwankungen leider nicht, aber da wohl alle gängigen DVD-Fassungen auf diesem Master basieren und man zudem etwa von der deutschen DVD sehr übles hört, dürfte die US-Scheibe dennoch die beste Wahl sein.)
Big Wednesday – Tag der Entscheidung
(Big Wednesday, Regie: John Milius, 1978)
Die in vier Episoden erzählte Story um drei Freunde und ihren Weg des Erwachsenwerdens ist überraschend solide und schafft es vor allem geschickt, die Stimmungen und Veränderungen im Leben der Hauptfiguren prägnant einzufangen, um dann immer wieder das Hauptaugenmerk auf das zentrale und verbindende Element zu legen: das Surfen. Und was man da bereits in den 70er Jahren kameratechnisch zu leisten im Stande war, ist wirklich beeindruckend. So schafft es BIG WEDNESDAY immer wieder, mitreißendes Surf-Feeling zu vermitteln und sich nebenbei am traumhaft schönen Blick aufs Meer und seine Wellen zu ergötzen. In diesen Momenten könnte ich mich ewig suhlen.
Vogelfrei
(Colorado Territory, Regie: Raoul Walsh, 1949)
Ausgezeichneter Western, der jenseits der zu seiner Entstehungszeit üblichen aufrechten Heldengeschichten von einem Outlaw auf der Suche nach Erlösung erzählt. Joel McCrea als Getriebener wird fortwährend mit Verrat und Intrigen konfrontiert und kann sich außerdem nicht so recht zwischen Virginia Mayo und Dorothy Malone entscheiden (während die beiden Damen zwischendurch mal einen kleinen catfight austragen – das erlebt man nicht alle Tage in einem Film aus dieser Zeit!). Weil Gangsterfilm-Spezialist Raoul Walsh ein versierter Geschichtenerzähler ist, bleibt VOGELFREI bis zum denkwürdigen Schluss fesselnd. Und in seinen Momenten verzweifelter Resignation und bitterer Vorahnung weht nach meinem Empfinden hin und wieder tatsächlich ein bisschen der Wind eines frühen Peckinpah durch Walsh' Film. Passenderweise spielte McCrea später eine seiner letzten Rollen in Peckinpahs frühem Meisterwerk SACRAMENTO.
#50
Geschrieben 21. Juli 2005, 01:36
(Regie: Sergio Sollima, 1973)
Oliver Reed liefert eine Wahnsinns-Performance, Ennio Morricone schmeichelt einmal mehr mit einem extrem stimmigen Soundtrack den Ohren und Sergio Sollima dringt in der zweiten Hälfte seines toll fotografierten Thrillers in ungeahnte Tiefen vor, um bittere Tragik und moralische Desillusionierung zu entfesseln und gleichzeitig ähnlich wie bei seinen Western nicht nur funktionierendes Genre-Kino zu schaffen, sondern es darüber hinaus um eine ethische und gesellschaftliche Dimension zu bereichern. Groß!
The Wicker Man
(Regie: Robin Hardy, 1973)
Bin platt – lange keinen so einnehmenden und bei aller Subtilität in der Wahl seiner Mittel (kein Blut, keine billigen Schocks) erstaunlich effektiven Horrorfilm (wobei diese Kategorisierung dem Film nicht wirklich gerecht wird - er ist gleichermaßen auch Krimi, Musical, Charakterstudie, Drama und noch viel mehr) gesehen. Absolute Empfehlung für alle Freunde schleichender Suspense und unbeschreiblicher filmischer Mixturen! Und obendrauf gibt's einen großartigen Edward Woodward als britisch korrekten Polizisten, einige sehr feine & passende Songs, so manchen Denkanstoß und einen unvergesslichen Schluss.
#51
Geschrieben 25. Juli 2005, 18:51
Oder: Ultimate Filmwatching Weekend Vol. 2 – was konkret bedeutete: elf komplett gesehene Filme in weniger als 48 Stunden. Der Samstag dürfte mit sieben Filmen (genauer: sechs Spielfilme, eine Doku sowie zwei Folgen einer TV-Serie) eindeutig meinen Rekord darstellen, was die Anzahl an gesehenen Filmen innerhalb eines Tages angeht. Unterschiedlicher hätten die mit einigen Gleichgesinnten gesehenen Filme des Wochenendes kaum sein können, und genau dieser ständige Wechsel zwischen völlig verschiedenen Filmerfahrungen und außerdem das Entdecken von (mir) vorher teils gänzlich unbekannten Filmen macht das Ganze so reizvoll.
Los ging's am Freitag mit GLENGARRY GLEN ROSS und den unschlagbaren Dialogen von David Mamet. Die Geschichte um eine Gruppe von Grundstücksmaklern ist außerdem extrem hochkarätig besetzt (Jack Lemmon, Al Pacino, Ed Harris, Alan Arkin, Kevin Spacey, Alec Baldwin, Jonathan Pryce). Am besten gefallen haben mir Al Pacinos eindrucksvolle Auftritte (was für ein Hohn, dass er im gleichen Jahr nicht hierfür, sondern für DER DUFT DER FRAUEN den Oscar gewonnen hat!) und die Wortgefechte zwischen Ed Harris und Alan Arkin. Mein Gesamteindruck litt dagegen etwas darunter, dass ich in der ersten Hälfte meine Probleme hatte, richtig in den Film reinzukommen. Daher vermutlich unter allen gesehenen Filmen derjenige mit dem größten Potenzial nach oben, wenn es zu einer nochmaligen Sichtung kommt – und dazu wird es hier sicherlich kommen.
Danach folgte DER TOD TRÄGT SCHWARZES LEDER, der nicht so spannend wie erhofft war, Mario Adorf viel zu wenig Platz einräumte und außerdem auch nicht über einen giallo-typischen Schluss-Hammer verfügte. Im Gegenzug gibt's allerdings einige schöne Autoverfolgungsjagden und vor allem eine wunderbare, weil extrem unterhaltsame deutsche Synchro, die dann schon mal Teenies Klein-Mädchen-Stimmchen verpasst oder von "da sind aber vier Typen auf dem Bild" spricht, wenn in Wirklichkeit fünf Leute zu sehen sind... Ganz groß auch der Audio-Mitschnitt unzüchtiger Handlungen, den sich der Herr Kommissar dann häppchenweise gebannt anhört... Und am Anfang und Ende gibt's Mahntafeln, die uns darüber aufklären, dass im Italien der 70er Jahre besorgniserregend viele Kinder und Jugendliche entführt wurden. Insgesamt ist der Film zwar äußerst unterhaltsam, aber im Gesamten doch nicht ganz der erhoffte große Wurf. Stelvio Ciprianis Score ist allerdings über jeden Zweifel erhaben und passt perfekt zum Film. Die Anfang August erscheinende deutsche DVD von Koch Media kann Interessierten übrigens empfohlen werden: nicht nur, dass die Scheibe endlich mal wieder anstandslos durchläuft – sie überzeugt darüber hinaus auch durch eine sehr ansprechende Bild- und Tonqualität. Da kann man bei diesem doch recht seltenen Film nicht meckern.
Den Ausklang bildete am Freitag dann nach einem Ortswechsel eine Art Mix-Tape mit ausgewählten Lieblingsszenen aus unterschiedlichsten Filmen, alphabetisch geordnet und im gesehenen Abschnitt vor allem auf den Anfangsbuchstaben "D" konzentriert. Teilweise sehr unterhaltsam und anregend. Ebenso interessant waren die nebenbei geführten Gespräche und ein Videokassetten-Verzeichnis, das zu überraschen wusste.
Am Samstag gab's zum Wachwerden NAM'S ANGELS (der auf deutsch THE LOSERS – VERDAMMT, VERKOMMEN, VERLOREN heißt). Ich könnte nicht behaupten, ihn durchgehend konzentriert gesehen zu haben, aber ich denke man tut dem Film kein allzu großes Unrecht an, wenn man ihn als eher mittelprächtig einstuft. Am Anfang und Ende gibt's Söldner mit militärisch aufgemotzten Bikes und ein bisschen blutiges Sterben in Zeitlupe, dazwischen aber abgesehen von ein paar netten Momenten mit einem stumpfsinnigen Kerl, der mehrmals ausfällig wird und unsinnige Schlägereien anzettelt, viel zu viel Leerlauf, u.a. wegen einer übermäßig ausgebreiteten Liebesgeschichte zwischen einem der Kerle und einer Vietnamesin.
Da wusste im Anschluss DER BERSERKER von Umberto Lenzi schon viel mehr zu gefallen, auch wenn ähnlich wie bei DER TOD TRÄGT SCHWARZES LEDER die Erwartung leider auch hier wohl mit der Zeit eine Spur zu sehr in die Höhe gegangen ist und daher vom Film nicht wirklich erfüllt werden konnte. Ein andere Ähnlichkeit zwischen den beiden Filmen ist dafür aber, dass auch beim BERSERKER eine brachiale deutsche Synchro großen Unterhaltungswert spendiert. Ansonsten sticht vor allem Tomas Milians geradezu wahnwitzig böse Rolle hervor – der Kerl mordet sich dermaßen skrupellos durch den Film, dass man es gar nicht so richtig glauben kann. Mit zunehmender Laufzeit muss einfach jeder dran glauben, der in irgendeiner Verbindung zu Milian steht und ihn deshalb womöglich irgendwann mal hintergehen könnte. Bemerkenswert irre, das Ganze! Schade aber, dass Henry Silva in seiner Rolle als Inspektor stark unter Wert verkauft wird.
Danach HATED: G.G. ALLIN AND THE MURDER JUNKIES, Todd Phillips' (ROAD TRIP, OLD SCHOOL, STARSKY & HUTCH) Doku von 1994 über einen psychopathischen Underground-Musiker, der grundsätzlich nackt auf der Bühne steht, mitunter schon mal über eine Frau aus dem Publikum herfällt und dessen Auftritte generell immer in wüste Schlägereien ausarten. Und es kommt durchaus mal vor, dass Allin plötzlich auf die Bühne kackt und dann das Publikum mit seiner Scheiße bewirft! Truely sick if you ask me. Eine ungefilterte Konfrontation mit einer (für mich) fremden Welt, dessen Protagonisten sich nicht verstellen, sondern tatsächlich mit unbändigem Hass auf sich selbst und die ganze Welt aufgeladen sind. HATED ist auf seine Weise eine unangenehme Grenzerfahrung und sicherlich ein Film, den man so schnell nicht vergisst.
Weil Obskures immer reizvoll ist, folgte BIZARRE (Alternativtitel: SECRETS OF SEX), der seinem Titel wie kaum ein anderer Film gerecht wird. Unfassbarer Trash, irgendwo zwischen Sexploitation, Gruselhorror, Agentenfilm und grotesker Komödie – und obendrein wird die Alibi-Rahmenhandlung vom "Kampf der Geschlechter" allen Ernstes von einer sprechenden Mumie erzählt! So einen völlig abgedrehten Schwachsinn sieht man echt nicht alle Tage und phasenweise habe ich mich angesichts der unbeschreiblichen Szenerien halb totgelacht. Zugegebenermaßen gab es aber zwischendrin auch einige langweilige Passagen, denen man deutlich anmerkte, dass hier irgendwie die 90 Minuten voll werden mussten. Wegen seiner vielen tatsächlich vollkommen bizarren Momente ist BIZARRE aber auf jeden Fall ziemlich einmalig und daher eine klare Empfehlung für Freunde abseitiger Filme (in den USA ist kürzlich eine DVD von Synapse Films erschienen)
BATTLEGROUND war danach beinahe der größtmögliche Kontrast und zur Abwechslung wieder ein "richtiger" Film – und ein sehr guter noch dazu. Leider ist William A. Wellmans (dessen RITT ZUM OX-BOW zu meinen Lieblingswestern gehört) nüchterner und dennoch mitreißender Kriegsfilm gerade hierzulande weitgehend unbekannt. Eindeutig zu unrecht! Beeindruckend ist vor allem die Atmosphäre in der verschneiten Wäldern und die Nähe zu den Charakteren, die unter widrigsten Bedingungen um ihr Überleben kämpfen.
Nach Wellman kam SINGIN' IN THE RAIN an die Reihe. Bislang konnte ich leider nur wenig bis gar nichts mit Musicals anfangen, weshalb ich diesbezüglich wenig Kenntnisse aber umso mehr Vorurteile mit mir rumschleppe. Das wird sich in Zukunft wohl ändern, denn von diesem hinreißenden Film war ich mehr als nur angetan. Vor allem als Beamer-Projektion ist der Film mit seinen perfekt choreographierten, mit unglaublich wenig Schnitten gedrehten Tanzeinlagen und seiner wunderbaren Technicolor-Farbenpracht einfach ein vollendeter Genuss. Tja, nach diesem Erlebnis muss sogar ich gestehen: das macht eindeutig Lust auf mehr!
Vom britischen Gangsterfilm LAYER CAKE kann man das vielleicht weniger sagen, aber dennoch fand ich den neuesten Insel-Hype ziemlich ansprechend, was vor allem an der hippen Optik, den abrupt-stilisierten Gewaltausbrüchen und einigen netten Wendungen lag (Lieblingsszene: Protagonist und Sniper-Gehilfe wollen im Park dem Serben auflauern). Beachtlich fand ich die Lagerhaus-Flucht-Szene, die recht eindrucksvoll zeigt, dass man auch bei extrem schnellen Schnitten die Orientierung behalten und ein Gefühl für Räumlichkeit vermitteln kann – da könnte Michael BAD BOYS II Bay noch einiges lernen. Ansonsten kann ich zwar nicht ganz nachvollziehen, was LAYER CAKE großartig von Guy Ritchies Filmen abheben sollte – aber das muss ich ja auch nicht, weil ich auch mit Ritchies Gangsterkomödien (jedenfalls vor einigen Jahren) einiges anfangen konnte.
Zum Tages-Abschluss gab's dann noch zwei (mal mehr, mal weniger aufmerksam verfolgte) Episoden von CURB YOUR ENTHUSIASM, der neuen TV-Serie von Larry David, einst einer der kreativen Köpfe hinter SEINFELD. Der erste Eindruck war sehr vielversprechend. Da ich peinlicherweise aber mit dem Nichtkennen von SEINFELD noch eine gewaltige Bildungslücke mit mir rumschleppe (die Schuld wälze ich mal auf die fürchterliche Ausstrahlungstaktik, die SAT.1 der Serie in den letzten Jahren angetan hat, ab), sollte im Schließen derselben vorerst die Priorität liegen.
Der Sonntag begann dank SCUM erst mal mit wenig Erheiterndem. Der ungemütliche Film über das Leben in einem britischen Jugendgefängnis haut streckenweise ganz schön rein und ist nicht so leicht zu verdauen. Kaum verwunderlich, dass die ursprünglich fürs Fernsehen produzierte erste Fassung für die BBC ein zu heißes Eisen war. Beeindruckend ist letztlich vor allem Ray Winstone als junger Knastinsasse, der sich auf wenig zimperliche Art gegen seine Mithäftlinge behauptet. Schade, dass der Kerl (der mich ansonsten vor allem in THE WAR ZONE und SEXY BEAST umgehauen hat) so selten Filme dreht und sich zu allem Überfluss dann auch noch meistens fürs Fernsehen verschwendet.
Nicht gerade lustiger wurde es danach und zum Abschluss mit FAT CITY. Ein ruhiges, von Melancholie und Resignation geprägtes Drama, das bittere soziale Realität ehrlich und unpathetisch einfängt. Toll gespielt, von einer Nähe zu seinen Figuren getragen und mit einer guten Portion Altersweisheit inszeniert. Zu meiner Schande sagte mir der Titel vorher gar nichts, weil der Film mir bislang zwischen den vielen anderen, bekannteren Klassikern von John Huston immer durchgerutscht ist. Beinahe wäre mir damit ein kleines, aber feines Juwel entgangen. Das macht einmal mehr deutlich, dass sich das beste manchmal zwischen den Zeilen versteckt und sich das Suchen & Entdecken immer wieder lohnt.
#52
Geschrieben 31. Juli 2005, 16:06
(The American Nightmare, Regie: Adam Simon, 2000)
Eine passende Einstimmung aufs Fantasy Filmfest und gleichzeitig eine hochinteressante Doku, die mit perfekt gewählten Ausschnitten (DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN hatte ich nicht so dermaßen furchteinflößend in Erinnerung, wie er hier rüberkommt) das Zusammenspiel von historischer Realität (Gräueltaten in Vietnam, Angst vor Atomkrieg) und filmischer Reflexion (grimmige Gewalt im Horrorkino, subversive Storys) verdeutlicht. Besonders erfreulich, wie hier vor allem anhand von NACHT DER LEBENDEN TOTEN, SHIVERS – PARASITENMÖRDER und TEXAS CHAINSAW MASSACRE nicht auf trockene, sondern auf faszinierend unterhaltsame Weise Filmanalyse betrieben wird. Sehr empfehlenswert!
#53
Geschrieben 31. Juli 2005, 16:07
The Secret Adventures of Gustave Klopp
(Narco, Regie: Tristan Aurouet, Gilles Lellouche, 2004)
Es braucht erst das Fantasy Filmfest (FFF), dass ich nach fast zehn Wochen, nämlich das erste Mal seit STAR WARS EPISODE III, wieder ins Kino gehe und damit endlich eine Phase der Kino-Lethargie überwinde, die es bei mir in den letzten Jahren in dieser Form noch nicht gegeben hat.
Umso schöner, dass sich mein persönlicher Festival-Auftakt sehr erfreulich gestaltete. THE SECRET ADVENTURES OF GUSTAVE KLOPP ist ein angenehm durchgeknalltes Feuerwerk an schrägen Ideen, absurden Einfällen und dem irritierendsten Filmbeginn seit langem. Bei derart skurrilen Filmen droht ja immer ein bisschen das Problem, dass manches etwas bemüht, krampfhaft oder peinlich wirkt, und ähnliche Befürchtungen hatte ich auch zu Beginn von GUSTAVE KLOPP. Die haben sich dann allerdings schnell verflüchtigt, wozu sowohl die treffsichere Inszenierung als auch die trotz ihrer Macken sympathischen Charaktere ihren Teil beitragen.
Nach knapp zwei Dritteln wechselt der Tonfall des Films, was mich aber keineswegs gestört hat, weil sich damit im Grunde nur zeigt, dass GUSTAVE KLOPP nicht bloß eine oberflächliche Ansammlung von Kuriositäten ist, sondern seine Figuren durchaus ernst nimmt und sie interessant genug angelegt hat, um die Zuschauer auch im Schlussteil bei der Stange zu halten. Kurz vor Ende gibt es dann zwar eine Szene mit den Zwillingen, bei der ich mir erst dachte "das muss doch jetzt nicht wirklich sein", aber das Ganze wird danach gleich mit einer ironischen Bemerkung wieder relativiert, und außerdem folgt direkt im Anschluss die schönste und intensivste Szene des Films.
Für mich bleibt festzuhalten: GUSTAVE KLOPP schrammt zwar hin und wieder an der Grenze zum Abgrund, kriegt aber immer wieder die Kurve. Im Gesamten macht der Film einfach großen Spaß, bietet eine Reihe origineller Einfälle und tolle Darsteller (inklusive eines überraschenden Cameo-Auftritts).
Kiss, Kiss, Bang, Bang
(Regie: Shane Black, 2005)
Ich hatte im Vorfeld Bedenken hinsichtlich der Verständlichkeit einer nicht-untertitelten OV bei einem solchen Film. Die schlechte Nachricht: ich hatte sie ein gutes Stück weit zu Recht. Die gute Nachricht: der Film macht auch Spaß, wenn man nicht jeden Wortfetzen versteht. Dafür sind in erster Linie die stilsichere Inszenierung, der Dialogwitz und die Erzählstruktur samt selbstreflexivem Erzähler verantwortlich. Gerade letzteres sorgt für einen angenehm ironischen Unterton – wobei Black allerdings clever genug war, diesen Clou nur pointiert und nicht im Übermaß einzusetzen. Neben Spaß und Action haben sich allerdings auch einige unangenehme Szenen eingeschlichen, in denen der Film nicht nur seinen Darsteller, sondern auch seine Zuschauer, nun ja, richtig bei den Eiern packt. Unbedingt erwähnen möchte ich noch: schönster Vorspann, den ich seit langem gesehen habe (ja, im ernst: ich mag es, wenn Filmemacher solche Möglichkeiten nutzen und die Anfangs-Credits nicht nur als Pflichtübung betrachten!), und schönster Schlusssatz, den ich langem gehört habe (to the good people in the Midwest:...). Ein abschließendes Urteil möchte ich mir trotz allem aber dennoch erst bilden, wenn ich eine untertitelte oder synchronisierte Fassung gesehen habe.
#54
Geschrieben 31. Juli 2005, 19:19
Chronicles
(Crónicas, Regie: Sebastián Cordero, 2004)
Der Anfang ist in der Tat ein Hammer. Wenn Zorn durchs gemeine Volk geht und der Lynchmob zu toben anfängt, wird's eigentlich immer beängstigend (besonders effektiv z.B. in Fulcis DON'T TORTURE A DUCKLING zu beobachten), und so hauen auch hier die Anfangsszenen ganz schön rein. Mit Sicherheit die schmerzlichsten und intensivsten Momente meiner bisherigen FFF-Filme. Danach baut CHRONICLES aber leider stark ab und verläuft sich zusehendst in seinen "war er's?"-"war er's nicht?"-Fragestellungen. Das Katz- und Maus-Spiel zwischen Fernseh-Reporter und möglichem Täter hat man in ähnlicher Form schon oft und dabei packender inszeniert gesehen. Positiv ist zwar die eingearbeitete Thematik rund um Medien-Ethik zu vermerken, richtig in die Tiefe geht der Film diesbezüglich aber nicht. Insofern ist der Mittelteil stellenweise etwas zäh und schleppend. Spannend wird's dann allerdings gegen Ende, wenn sich die Situation samt Gewissenskonflikten extrem verdichtet und der Film einen wirklich gelungenen Abschluss findet. Ein starker Anfang & Schluss machen zwar leider noch keinen richtig guten Film, aber dank einiger intensiver Momente sowie einigen Denkanstößen kann man sich CHRONICLES durchaus ansehen.
#55
Geschrieben 31. Juli 2005, 19:20
Eyes of Crystal
(Occhi di cristallo, Regie: Eros Puglielli, 2004)
Man kann es fast nicht glauben, aber: nach langer Durststrecke gibt es tatsächlich mal wieder einen gelungenen Genre-Film aus Italien – immerhin dem Land, das uns vor allem in den 70er und 80er Jahren mit unzähligen Genre-Perlen (und zugegebenermaßen mindestens ebenso viel Gülle) versorgt hat. Bemerkenswert vor allem, dass dieses Comeback nicht einem der Altmeister, sondern einem Genre-Neuling zu verdanken ist. Umso erstaunlicher, wie gekonnt EYES OF CRYSTAL alles bietet, was der Giallo-Gourmet zu schätzen weiß: eine elegante, schwelgende, teils fast rauschhafte Kameraarbeit (mit angenehm vielen Nahaufnahmen und Kamerafahrten); eine passende Musikuntermalung mit Opern-Anklängen (auch hier gilt übrigens: es war kein Morricone, sondern ein zumindest in unseren Breiten völlig unbekannter Komponist am Werk); blutige Morde mit guten Effekten und schmerzhaften Momenten; und eine Prise Sex und Erotik (teils freilich in pervertierter Form). All das gibt es in EYES OF CRYSTAL in stärkerem Umfang, als ich es bei einem Italo-Thriller aktuellen Datums erwartet hätte. Konsequenterweise werden mit den Stärken der alten Klassiker aber auch deren Schwächen wieder zum Leben erweckt, und so sei gewarnt: wer versierte Darsteller, psychologische Glaubwürdigkeit, geschliffene Dialoge, lückenlose Logik und eine mit Bedeutung aufgeladene Story erwartet, ist hier definitiv an der falschen Adresse. Auch mag man kritisieren, dass hier beinahe jede Wendung eine Viertelstunde vorher bereits klar angedeutet wird. Aber: darum geht es ja letztlich gar nicht. Bei einem Film wie diesem gilt: der Weg ist das Ziel – und der wurde lange nicht mehr so trittsicher wie hier beschritten. EYES OF CRYSTAL zelebriert die Freude am Sehen und Zeigen wie lange kein Genre-Film mehr. Für diejenigen, die die eingangs genannten Ingredienzien zu schätzen wissen, ist das ein Genuss. Alle anderen sollten selbstredend lieber Abstand nehmen.
Bemerkung am Rande: der Film hat ein absolut erstklassiges Sounddesign – da weiß man wieder, warum man solche Filme am liebsten im Kino sieht.
#56
Geschrieben 18. August 2005, 16:32
Evil Aliens
(Regie: Jake West, 2005)
Mit der größte Hype des diesjährigen Festivals. Wie es zu den fast einhellig euphorischen Reviews bei diversen Internetforen (allen voran die IMDb) kommen konnte, ist mir schleierhaft, denn EVIL ALIENS bietet nicht viel Neues an der Funsplatter-Front. Nach einem guten Start schleichen sich nämlich schnell zahlreiche Längen ins Geschehen, was nicht zuletzt an den uninteressanten Reißbrett-Charakteren liegt. Zwar wird in der zweiten Hälfte in Sachen Splatter kräftig Gas gegeben, überwiegend kreativ wird dabei aber meist nicht zu Werke gegangen, so dass sich beim Körpersaft-Verspritzen schnell Abnutzungserscheinungen einstellen, auch wenn angesichts des vergleichsweise geringen Budgets die Effekte gekonnt umgesetzt wurden. In Erinnerung bleiben letztlich die Szene mit der Bananenschale, weil der Film hier unerwartet clever mit den Zuschauererwartungen spielt; die Mähdrescher-Szene, die in ihrer grotesken Übersteigerung kurzzeitig BRAINDEAD-Feeling aufkommen lässt; sowie die äußerst schrägen walisischen Hinderwäldler. Im Gesamteindruck liegt EVIL ALIENS damit aber leider nur knapp über Durchschnitt.
FFF 2005 - #5
They Came Back
(Les Revenants, Regie: Robin Campillo, 2004)
Zerrissen zwischen einem eigentlich brillanten, angenehm originellen Ansatz und einer haarsträubend zähen Umsetzung wurde THEY CAME BACK zu meiner größten FFF-Enttäuschung. So interessant der Film in der Theorie klingt und so gerne ich ihn mögen würde wegen seiner Idee, das Zombie-Motiv nur als lose Grundlage zu nehmen, um eigentlich von etwas ganz anderem, vom Umgang mit Verlust und Trauerarbeit zu erzählen – letztlich hat mich Campillos Film emotional einfach nicht erreicht. Und wenn bei einem derart langsamen, sich narrativen und visuellen Ideen so völlig verweigernden Film der Funke nicht überspringt, ist man unweigerlich verloren. Eigentlich sehr schade, aber bis auf weiteres bin ich gründlich bedient. Aber ich will zumindest nicht ausschließen, dass mir der Film womöglich in einem Jahrzehnt viel besser gefällt. Man soll ja niemals nie sagen.
FFF 2005 - #6
The Devil's Rejects
(Regie: Rob Zombie, 2005)
Eine Ansammlung großer Verheißungen, die zeigt, dass der Film im Kopf manchmal die schönere Alternative ist. So hatte ich nach dem Vorspann von THE DEVIL'S REJECTS vor Glück eine Träne im Auge angesichts des Umstandes, dass Rob Zombie dank perfekt montierter Standbild-Credits einen Höllenritt im unverwechselbaren Look der 70er Jahre grindhouse movies und des kompromisslosen rape 'n revenge-Kinos versprach. Der potenzielle Festival-Favorit, den ich zu diesem Zeitpunkt fast sicher glaubte, ist REJECTS dann aber leider doch nicht geworden, weil der Film im Folgenden nie mehr wirklich an diesen Vorspann-Moment anknüpfen kann.
[Achtung: ab hier ernstzunehmende Spoiler-Warnung!]
In seiner Story-Konstruktion und auch in einigen Szenen auffällig an Wes Cravens LAST HOUSE ON THE LEFT angelehnt, macht der Film keine Gefangenen, sondern ist in seinen Gewaltszenen so schmerzvoll, dass man sich bisweilen so unwohl fühlt, wie man es schon lange von keinem Horrorfilm mehr gewohnt war. Inklusive zahlreichen tollen Gastauftritten von u.a. Ken Foree (DAWN OF THE DEAD), Michael Berryman (THE HILLS HAVE EYES), Ginger Lynn (NEW WAVE HOOKERS) oder Danny Trejo (Robert Rodriguez' Standard-Mexikaner, z.B. FROM DUSK TILL DAWN) sowie einem wie schon im Vorgängerfilm sehr stimmungsvollen Soundtrack (auch wenn es keinen Moment gab, der an die I remember you-Sequenz von HAUS DER 1000 LEICHEN heran kam) war der Film lange auf dem richtigen Weg, wenn Rob Zombie nur konsequent geblieben wäre. Aber ohne Not verfällt er bisweilen in überflüssige visuelle Hektik (z.B. bei der Flucht aus dem Motel) oder glaubt in einigen Szenen offenbar, den Prolls im Publikum Zucker geben zu müssen. Am ärgerlichsten ist aber, dass er zunehmend die Distanz zur Serienkiller-Familie verliert. Mit der Faszination des Bösen zu spielen ist ja schön und gut, aber die Märtyrer-Glorifizierung der Killer, die Zombie am Ende betreibt, indem er sie einen THELMA & LOUISE-Heldentod sterben lässt, hinterlässt einen mehr als faden Beigeschmack. Zumal sich der Film mit der völlig albernen Tiny Firefly-Schlusswendung (ich hatte bis zuletzt vergeblich gehofft, dass sich das Ganze als Traumsequenz entpuppt) fast beinahe um die Wirkung der zwar nicht neuen (vgl. LAST HOUSE oder HILLS HAVE EYES), aber doch effektiven Sheriff/Gegengewalt-Konstruktion bringt. Anstatt hier die Ambivalenz extremer Gewaltanwendung aufzuzeigen und die Zuschauer mit einem bitteren, nachdenklich stimmenden Schluss zu entlassen, laufen ihm die Fäden aus der Hand. Das ist mehr als bedauerlich und ein bisschen hätte ich mir im nachhinein gewünscht, dass Zombie einfach nur ein schmuddeliges kleines grindhouse movie gedreht hätte. Stattdessen will er aber letztlich offenbar zu viel und scheitert für meine Begriffe vor allem daran, dass er das raue Flair der 70er Jahre Exploitation in einen brutalen Realismus verwandelt, der in unangenehmen Widerspruch zur Sympathisierung und Glorifizierung der Killer steht. Schlussendlich ist THE DEVIL'S REJECTS dennoch ein Film, der mir über weite Strecken gefallen hat, aber gerade weil Rob Zombie in einigen herausragenden Momenten immer wieder durchblitzen lässt, was er wirklich drauf hat, bleibt das Endergebnis hinter seinem (enormen) Potenzial zurück.
Und auch wenn es eigentlich müßig ist, über FSK-Probleme zu spekulieren, muss ich angesichts einiger Stimmen, die den Gewaltgewalt des Films als harmlos abtun, deutlich sagen: in absehbarer Zeit wird dieser Film zumindest in der FFF-Fassung (die offenbar bereits fürs R-Rating getrimmt war, was angesichts einiger sehr harter Stellen doch verblüfft) ganz sicher keine FSK-Freigabe erhalten, denn er enthält alles, was dem Prüfungsausschuss erfahrungsgemäß am meisten Sorgen bereitet: graphische Gewaltdarstellung, extremer Sadismus, sexuell konnotierte Gewalt, Selbstjustizthematik und, worst of all, den fragwürdigen Schluss, der der FSK noch viel mehr aufstoßen wird als mir. Außerdem sollte man sich durchaus mal vor Augen halten, dass hierzulande schon Filme, die eindeutig harmloser waren, beschlagnahmt wurden...
FFF 2005 - #7
Blood and Bones
(Chi to hone, Regie: Yoichi Sai, 2004)
Angesichts seiner Länge weniger anstrengend als erwartet, ist BLOOD AND BONES ein gut gemachtes Epos, das aber die Motivationen und Entwicklungen seiner Charaktere zu wenig beleuchtet, um auch auf emotionaler Ebene nachhaltig fesselnd zu sein. Erfreulich ist hingegen das von beängstigender Raserei geprägte Schauspiel Takeshi Kitanos und die Konsequenz, mit der die Geschichte bis zum Ende erzählt wird. Insofern durchaus einen Blick wert, wenn auch kein Film, den ich in naher Zukunft noch mal sehen wollen würde.
FFF 2005 - #8
Ghost in the Shell 2: Innocence
(Inosensu: Kôkaku kidôtai, Regie: Mamoru Oshii, 2004)
Da ich an den ersten Teil nur noch wenige Erinnerungen hatte und vom zweiten Teil schon im voraus vermeldet wurde, dass er bei einmaliger Ansicht im Grunde gar nicht zu begreifen sei, sah ich INNOCENCE recht gelassen entgegen. Sich einfach nur an großartigen Bildern zu ergötzen ist ja auch nichts schlechtes. Umso erstaunter war ich, dass die erste Hälfte des Films gar nicht mal so verworren war, wie ich befürchtete. Das Erstaunen darüber war aber wohl so groß, dass ich es kaum bemerkte, als ich dann doch irgendwann völlig den Faden verlor. Angesichts fünfminütigen Dialog- und Zitat-Gefechten mitsamt philosophischen Fachausdrücken und immer schneller werdenden Untertiteln habe ich das Ziel "grobes Handlungsverständnis" kurzerhand auf eine DVD-Sichtung verschoben. Denn auch so bietet INNOCENCE mit seiner Bild- und Klangwelt genug Momente, die im großen Kinosaal ordentlich Wirkung erzeugen und einfach nur zum darin versinken einladen. Und diese Einladung habe ich gerne angenommen.
FFF 2005 - #9
A Bittersweet Life
(Dalkomhan insaeng, Regie: Ji-Woon Kim, 2005)
Eine blutige südkoreanische Ballerorgie, die vor allem unter mangelndem Ideenreichtum leidet und ihre Story in gewohnten Bahnen ohne nennenswerte Finesse abspult. Die Oberfläche ist zwar schick und die Action handwerklich gut umgesetzt, aber darin erschöpft sich dann leider auch der Unterhaltungswert des Ganzen. Weil ich fatalistische Draufgänger grundsätzlich sehr gerne im Kino sehe, hatte ich zwischenzeitlich ein bisschen die Hoffnung, eine Art Update von Peckinpahs ALFREDO GARCIA geliefert zu bekommen – aber weit gefehlt, denn im Gegensatz zu Peckinpah ist Ji-Woon Kim offenbar kein Regisseur, der seine Filme auf das Fundament seiner Überzeugungen baut. Eine tiefe, ehrlich empfundene Weltsicht wird für mich jedenfalls nicht sichtbar. Deshalb ist A BITTERSWEET LIFE zwar als ordentlich gemachter Actionfilm durchaus goutierbar, aber die Vergleiche mit den cineastischen Glanzstücken eines Chan-Wook Park erübrigen sich von selbst.
FFF 2005 - #10
Casshern
(Regie: Kazuaki Kiriya, 2004)
Ich will es mal so ausdrücken: ich kann sehr gut verstehen, dass in diesem Fall manche Leute viel mehr Geld für die Soundtrack-CD als für die Film-DVD ausgeben...
FFF 2005 – Fazit
Im Gesamteindruck zeichnet sich vor allem eine ziemliche Diskrepanz zwischen der jeweiligen Erwartungshaltung und den Filmerlebnissen selbst ab. Selten hatte ich so hohe Erwartungen, selten war ich von meiner Filmauswahl überzeugter, selten sahen die Filme zumindest auf dem Papier vielversprechender aus als beim diesjährigen Fantasy Filmfest. Das hatte eine Reihe von Enttäuschungen zur Folge und schlussendlich ist es doch ein wenig ernüchternd, wenn dann im Rückblick und in der Gesamtbilanz die ganz zu Beginn gesehenen Filme GUSTAVE KLOPP und EYES OF CRYSTAL ganz oben stehen – beides mehr oder weniger aus dem Nichts gekommene Überraschungen, während danach die vermeintlich sicheren Hits ziemlich enttäuschend ausfielen. Aber immerhin: zumindest von bodenlosen Scheißfilmen wurde ich verschont, und neben viel Durchschnitt wussten zumindest THE DEVIL'S REJECTS und GHOST IN THE SHELL 2: INNOCENCE über weite Strecken zu überzeugen. Außerdem ist neben dem Filmeschauen ja auch das Drumherum nicht zu vergessen, und das war dieses Jahr wirklich sehr erfreulich!
#57
Geschrieben 18. August 2005, 16:37
(Vigilante, Regie: William Lustig, 1983)
Kontrastprogramm zum Bilder-Bombast eines CASSHERN. Straightes 80er Jahre Rachekino, als sich die Action noch auf den Straßen und in schmutzigen Hinterhöfen abspielte. Angesichts der Überhand nehmenden Gewalttätigkeit, der Ohnmacht der Polizei und eines korrupten Justizapparates nimmt eine Gruppe Staatsverdrossener das Recht in die eigene Hand und zieht mit Waffengewalt in den Kampf gegen das Gesindel, das selbst in ruhigen Wohngegenden die Straßen unsicher macht. Dabei fährt VIGILANTE zweigleisig, erzählt zum Einen von den Aktionen der militanten Bürgerwehr und zum Anderen von einem braven Familienvater, dem eines Tages der kleine Sohn ermordet und die Frau schwer verletzt wird. Doch die Schuldigen werden freigesprochen und stattdessen wandert er wegen Richterbeleidigung ins Gefängnis (die zugehörige Gerichtsverhandlung sollten sich Rechtswissenschaftler übrigens lieber ersparen, denn selbst unter Beachtung der vorherrschenden Korruption und der Eigenheiten des US-Justizsystems kann mir keiner erzählen, dass es dort einem Richter möglich ist oder war, eine Mordanklage dermaßen einfach fallen zu lassen und die Strafe schlussendlich gar zur Bewährung auszusetzen). Klar, dass er nach seiner Freilassung auf Rache sinnt...
In einigen Aspekten an Michael Winners Genre-Klassiker EIN MANN SIEHT ROT angelehnt, schafft es VIGILANTE trotz der Besetzung mit Robert Forster und Fred Williamson bei weitem nicht, dessen Klasse zu erreichen. Zu vorhersehbar ist der Ablauf der Story, zu wenig glaubwürdig die Entwicklungen der Charaktere. Auch die Machart ist bisweilen eher grobschlächtig, was freilich nicht unsympathisch ist, aber der gewünschten Intensität mitunter etwas im Weg steht. Äußerst positiv zu vermerken ist hingegen der antreibende und aufpeitschende Power-Score von Jay Chattaway – unglaublich gut, was der Mann da abgeliefert hat. Hätte Bill Lustig die richtigen Bilder zu Chattaways Soundtrack gefunden, hätte ein Genre-Meisterwerk daraus werden können. So ist es ansehnliches, bisweilen recht hartes Vigilantenkino ohne darüber hinaus gehende Akzente. Und weil auch MANIAC COP trotz guter Ideen eher konventionelle Ware ist, bleibt für mich Lustigs Serienkiller-Perle MANIAC sein bester Film.
Sehr lobens- und lohnenswert ist allerdings die US-DVD, denn zumindest in Sachen Sprachoptionen dürfte das mit Sicherheit die beste Scheibe aus dem Hause Anchor Bay sein. Neben der englischen OV gibt's nämlich auch französische, deutsche (!) und italienische Sprachfassungen sowie spanische Untertitel. Die Bildqualität ist auf dem vom Label gewohnten hohen Niveau. Nur auf die sonst obligatorische und meist hochwertige viertelstündige Hintergrund-Doku muss man hier verzichten, stattdessen gibt es einen Audiokommentar mit Regisseur und Darstellern.
Alice in den Städten
(Regie: Wim Wenders, 1974)
Mein erster Film von Wim Wenders. Und er begann dermaßen abturnend, dass ich am liebsten schon nach wenigen Minuten wieder ausgeschaltet hätte. Die schlimmsten Befürchtungen schienen sich zu bestätigen: altkluges und weltverdrossenes Intellektuellen-Kino mit Pseudo-Authentizität und aufgesetzt wirkenden Dialogen. Doch sobald der Protagonist, ein angesichts der unendlichen Weite der amerikanischen Landschaft von sich selbst entfremdeter deutscher Journalist, bei seinen Bemühungen um einen Rückflug nach Deutschland zufällig die Bekanntschaft einer Landsmännin und deren neunjähriger Tochter Alice macht, wandelt sich der Film. Plötzlich werde ich eingesogen von der meditativen Kraft, mit der der Film seine kleine, unspektakuläre Geschichte erzählt, die nach dem Verschwinden der Mutter vor allem von der Suche von Journalist und Alice nach der Großmutter des kleinen Mädchens handelt. In den tristen schwarz-weiß-Bildern entwickelt sich unscheinbar eine besondere Freundschaft in einer Umgebung zwischenmenschlicher Entfremdung und apathischer Ziellosigkeit. Am erstaunlichsten ist dabei die bescheidene Anmut der Bilder, die Reduzierung aufs Wesentliche, der Verzicht auf überflüssige Mätzchen und klebrige Sentimentalität. Ein unerwartet schöner, wider Erwarten sehr berührender Film. Was für eine groteske Ironie, dass ich somit das schönste Filmerlebnis der letzten Zeit ausgerechnet Wim Wenders verdanke, um dessen Filme ich bislang stets einen großen Bogen gemacht habe. Aber solch erfreuliche Überraschungen sind es letztlich, die cineastische Entdeckertouren und das Erschließen neuer Horizonte so lohnenswert machen.
#58
Geschrieben 20. August 2005, 16:40
(Faces, Regie: John Cassavetes, 1968)
Und gleich die nächste persönliche Premiere. Diesmal John Cassavetes, den ich bislang vornehmlich als Darsteller aus Polanskis ROSEMARIES BABY kannte, um dessen Verdienste als Regisseur ich aber natürlich zumindest in der Theorie wusste. Nun, ich könnte nicht behaupten, dass sich GESICHTER mit einem Thema befasst, dass mich derzeit sonderlich umtreiben würde – denn es geht vornehmlich um die Eheprobleme eines alternden Paares. Aber zumindest finde ich Cassavetes' Umsetzung doch einigermaßen beeindruckend. Der extreme Minimalismus, der vor allem in Sachen Räumlichkeit vorherrscht (immerhin spielt der Film fast ausschließlich in geschlossenen und meist eher kleinen Räumen, ohne deshalb gleich in penetrante Theaterhaftigkeit zu verfallen), bietet zwar nicht gerade viel Fläche für filmischen und visuellen Einfallsreichtum, aber führt zu einer thematisch passenden Verdichtung des Szenarios. Zahlreiche Close-Ups auf die titelgebenden Gesichter der Beteiligten sorgen dank der hervorragenden Darstellerleistungen für einige intensive Momente (toll: der wortkarge Schluss). Wegen seiner Länge von über zwei Stunden und seinem Dialogreichtum ist der Film zwar nicht gerade leichte Unterhaltung für Zwischendurch, war aber dann doch bei weitem weniger anstrengend als befürchtet. Insofern ein gelungenes Drama, das sich bei mir vor allem für die Sparte *ist gedanklich notiert und wird irgendwann später zu einem geeigneteren Zeitpunkt noch mal richtig angegangen* qualifiziert hat. Unterdessen halte ich in Bezug auf Cassavetes vor allem nach GLORIA, DIE GANGSTERBRAUT Ausschau.
#59
Geschrieben 01. September 2005, 23:49
Nun ja, dennoch mal wieder ein neuer Anlauf mit meinen zuletzt gesehenen Filmen:
Anhand von DER AMERIKANISCHE FREUND habe ich mit Wim Wenders weitergemacht. Nachdem ich kürzlich gewarnt wurde, dass der Film sehr schwer zu sehen sei, war ich hinterher erst mal ziemlich froh, es überhaupt geschafft zu haben, ihn auf Anhieb komplett zu sehen. Übermäßig viel konnte ich aber leider nicht mit ihm anfangen. Zwar gibt es vieles, was zu gefallen wusste (nahezu die komplette Besetzung, die Musikuntermalung), und Wenders zeigt vor allem in zwei tollen Sequenzen (den beiden "Aufträgen"), dass er, wenn er will, durchaus in der Lage ist, spannendes Genre-Kino zu inszenieren, aber davon abgesehen gibt es für meinen Geschmack eine Reihe viel zu langgezogener Szenen, die bei mir leider vor allem Teilnahmslosigkeit hervorriefen. Insgesamt jedenfalls kein Film, dem ich viel abgewinnen konnte, wenn auch sicher kein schlechter Film, sondern durchaus einer mit einigen guten Ansätzen und Ideen. Aber emotional bleibt er für mich einfach meilenweit hinter dem großartigen ALICE IN DEN STÄDTEN zurück.
Habe mir dann kurz darauf René Cléments NUR DIE SONNE WAR ZEUGE angesehen, weil ich irrtümlich annahm, dass er auf der gleichen Buchvorlage basiert. Nachdem ich während des Films angesichts der völlig anderen Handlung an meinem Verstand zu zweifeln begann, durfte ich hinterher beruhigenderweise feststellen, dass die Filme von Wenders und Clément jeweils auf anderen Büchern der fünfteiligen Tom Ripley-Reihe von Patricia Highsmith basieren. Unabhängig des sich damit eigentlich erübrigenden Vergleichs zwischen den beiden Werken hat mir Cléments Tom Ripley-Film ungleich besser gefallen. Ein unglaublich eleganter und stilsicherer Thriller, der natürlich vor allem von der Ausstrahlung und Präsenz Alain Delons lebt. Dessen Charakter geht so raffiniert und cool zu Werke, dass zumindest ich mich das ein oder andere Mal dabei erwischt habe, ihm insgeheim das Gelingen seines hinterhältigen Plans zu wünschen. Nicht nur wegen diesen teils ambivalenten Gefühlen ein wirklich toller, vor allem auch bemerkenswert fotografierter Film.
Außerdem endlich mal wieder am regulären Kinoprogramm teilgenommen und die mit einem Kumpel früher gerne gepflegte Tradition der selbst zusammen gestellten Double Features (gestreng nach dem Motto, dass es sich schließlich auch lohnen soll, wenn man schon ein ordentliches Stück bis zum Kino fahren muss...) mal wiederbelebt. Der erste Film war dieses Mal MR. & MRS. SMITH, wo nicht nur die Hauptdarsteller, sondern auch der Film selbst verdammt gut aussieht. Dass er abgesehen von ein paar kleinen Längen (vorm finalen Gefecht) zudem fast durchgehend richtig Spaß macht, ist umso besser. Und dann scheint es am Ende beinahe so, als ob Doug Liman den Schluss von BUTCH CASSIDY AND SUNDANCE KID neu auflegen wollte, aber MR. & MRS. SMITH endet dann natürlich doch anders, allerdings dennoch auf sehr gelungene Weise. Ohnehin werden eine Reihe amüsanter Dialoge und Gags aufgefahren, die vor allem meist angenehm locker daher kommen. Im Fazit gibt's ein inbrünstiges, doppeltes *wirklich nett* mit extra Sahne obendrauf. Danke, hat sehr gut geschmeckt.
Der zweite Film war dann SIN CITY und ich hatte zu Beginn wider Erwarten noch viel mehr Probleme, mich an den Look des Films zu gewöhnen, als vor einigen Monaten bei SKY CAPTAIN AND THE WORLD OF TOMORROW. Kann mir nicht helfen, aber das wirkte auf mich einfach künstlich, steril und aufgesetzt, fast so, als hätte man die Schauspieler einfach ganz billig in einen anderen Film hineinkopiert (hm, soviel zur propagierten "digitalen Revolution"... ), und dementsprechend fühlte ich mich fast ein wenig an TOTE TRAGEN KEINE KAROS erinnert... Hab' insgesamt dann wohl geschlagene 30 Minuten gebraucht, um die Optik zu akzeptieren und in den Film reinzukommen. Dann ist allerdings wieder etwas unerwartetes passiert: ich wurde von den Storys und der grimmigen Atmosphäre derart gefangen genommen, dass der Film eine regelrechte Sogwirkung entwickelt und mich bis zum Ende nicht mehr losgelassen hat. Und daran hatte dann letztlich natürlich auch der Look seinen Anteil, und nicht zu vergessen auch das fesselnde Over-Voice. Natürlich gäbe es eine Menge zu kritisieren und sicher hätte das Projekt SIN CITY noch deutlich größeres Potenzial gehabt, aber im Endeffekt konnte ich dem Ganzen doch einiges abgewinnen. Zwar wird das garantiert nie ein Lieblingsfilm, aber spannend und stylish ist er allemal.
Nicht nur im Kino, sondern auch in der Videothek war ich nach längerer Zeit mal wieder. Lag daran, dass kürzlich ein Wisch von der örtlichen Automatenvideothek ins Haus geflattert ist und eine Senkung der Leihgebühren verkündete. Zwar finde ich weder das Ambiente derartiger DVD-Buden besonders einladend, noch gefällt mir das öde Auswählen am Monitor. Aber da die gewöhnlichen Videotheken in meinem Umkreis auch kaum mehr als das übliche schmale, vor allem von Blockbuster-Neuheiten dominierte Angebot haben und die Mitarbeiter leider zumeist ohnehin hoffnungslos inkompetent sind, gestaltet sich die rund-um-die-Uhr-Ausleihmöglichkeit und die günstigeren Preise durchaus als Alternative, wenn mal ein aktueller Film angesagt ist.
Das war in diesem Fall zum Einen KONTROLL, den man, wenn er nicht der Eröffnungsfilm des letztjährigen Fantasy Filmfest gewesen und zudem eine recht breite Kino- und DVD-Veröffentlichung erfahren hätte, gerne als Geheimtipp bezeichnen würde. Aber auch so kann man ihn ja noch mal empfehlen. Ich wurde jedenfalls sehr positiv überrascht, was auch daran lag, dass ich dem Film mit einer gewissen Skepsis begegnet bin, die ich mir im nachhinein gar nicht so wirklich erklären kann. Denn KONTROLL ist eine abgedrehte Wundertüte voller skurriler Charaktere, verblüffender Einfälle und aberwitziger Situationskomik. Sehr gewinnbringend wird außerdem die faszinierende Atmosphäre der Budapester U-Bahn-Anlagen zum Einsatz gebracht, was dem Film besondere Würze verleiht. Alles in allem eine sehr sympathische Angelegenheit, die am Ende sogar noch ein paar regelrecht zauberhafte Momente bereithält.
Zum Anderen hat die Maschine JEEPERS CREEPERS 2 ausgespuckt. Der Vorgänger war bereits grundsolides Horrorkino aktueller Prägung, und die Fortsetzung ist sogar noch einen Tick besser. Reizvoll ist vor allem die Ausgangssituation und die Idee, fast zwei Drittel des Films in einem College-Bus spielen zu lassen, der irgendwo in der Einöde vom bereits aus Teil 1 bekannten Monster zum stehen gebracht und dann kräftig attackiert wird. Der Film nutzt die klaustrophobische Komponente dieser Prämisse spannungstechnisch geschickt aus und überzeugt darüber hinaus vor allem auch in seiner entlarvenden Darstellung gruppendynamischer Prozesse und menschlichen Panikverhaltens in Extremsituationen. Denn als es den Anschein hat, dass der übermächtige Angreifer nur einige bereits ausgewählte Opfer im Visier hat, lassen einige ihre Maske fallen und dahinter kommt nicht viel mehr als mitleidloser Egoismus zum Vorschein. Daraus ergeben sich einige interessante Momente. Schade nur, dass der Film auf der Zielgeraden dann doch wieder ziemlich konventionelle Wege einschlägt.
#60
Geschrieben 02. September 2005, 20:08
(Regie: Clint Eastwood, 1980)
Von der filminteressierten Allgemeinheit ist er wenig geliebt und weitgehend vergessen, und ich muss zugeben, für Eastwoods aus der Ferne etwas merkwürdig anmutenden Halb- und Spätwestern lange Zeit auch kein wirkliches Interesse aufgebracht zu haben. Ein Fehler, der mich beinahe um einen fabelhaften Film, der dann doch ganz anders ausfiel, als ich erwartete (bzw. befürchtete), gebracht hätte. Denn BRONCO BILLY schafft es im Gewand und der Struktur eines modernen Märchens rund um einen Western-Zirkus, eine augenzwinkernde Parodie auf die Selbsteinschätzung und die (vermeintlich?) überholten Traditionen und Werte (oder mit anderen Worten: die altmodische Rückständigkeit) seiner Protagonisten zu sein und zugleich dennoch eine aufrichtige und gelungene Hommage an jenen Wanderzirkus, der durchaus auch als Sinnbild für den Western als Filmgenre zu verstehen ist, wenn Eastwood nicht nur in Gestik und Mimik seiner Figur an seine früheren Rollen erinnert, sondern jene Show auch feiert und huldigt als Zuflucht, als einen Ort zur Verwirklichung kleiner (Kindheits-)Träume, wo man in andere Rollen schlüpfen und sein darf, wer man will. Nicht nur deshalb ein Eastwood-Film, dem man (nicht zum ersten und nicht zum einzigen Mal in seiner Filmografie) ansieht, wie viel ihm das Genre bedeutet. In diesem Sinne aber einer seiner schönsten.
Schade, dass ihm aber mit BRONCO BILLY, der auch die Verwirklichung eines persönlichen Traumprojektes darstellt, kein Erfolg vergönnt war. Und interessant, dass die darauffolgenden Jahre mit FIREFOX und HONKYTONK MAN dann auch auf kreativer Seite nicht gerade ein Karriere-Hoch in Eastwoods Laufbahn wurden. Oder gibt's trotz aller Skepsis auch bei diesen beiden Filmen womöglich am Ende mehr zu entdecken, als es oberflächlich den Eindruck macht?
Die erste Vorstellung
(Opening Night, Regie: John Cassavetes, 1978)
Mein zweiter Cassavetes. Und wieder inhaltlich nicht gerade um ein Thema kreisend, mit dem ich mich aus eigener Erfahrung heraus identifizieren könnte (zum Glück, wie ich hinzufügen möchte!), was einen ohnehin überlangen und eher sperrigen Film nicht gerade zugänglicher macht. Diesmal geht es um eine alternde Theater-Schauspielerin, die massiv unter Realitätsverlust leidet und anlässlich eines neuen, sich um den endgültigen Verlust (auch und vor allem der "gefühlten") Jugend drehenden Theaterstücks in eine schwere Identitätskrise gerät. Anders ausgedrückt: der perfekte Filmtipp für Frauen in den Wechseljahren...
Dennoch mochte ich einiges an OPENING NIGHT, in erster Linie seine Dialoge, die sich einfach echt anfühlen (GESICHTER war in dieser Hinsicht allerdings noch stärker), und auch die Glaubwürdigkeit der Darsteller – besonders Gena Rowlands ist schlichtweg großartig und schafft es, dass ein Film, der mir thematisch fremd ist, in einigen Momenten doch ziemlich nahe ging. Wirklich mitreißend ist außerdem die letzte halbe Stunde, wenn es um die titelgebende Opening Night geht, zu der die Hauptdarstellerin sturzbetrunken erscheint. Daraus entwickelt sich auf eine eigenwillige Art ganz großes Spannungskino und gleichzeitig ein Selbstfindungstrip, wie man ihn nicht oft zu sehen bekommt.
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