Ornament und Verbrechen
#1
Geschrieben 24. April 2005, 19:54
1) Coffee and Cigarettes
2) Lost in Translation
3) La Mala educación
4) Old Boy
5) Kill Bill: Volume 2
6) Spider
7) Frühling, Sommer, Herbst, Winter und ...
8) Kitchen Stories
9) Bad Santa
10) American Splendor
doch zu armselig aus, blendet sie doch viel zu viele Höhepunkte nicht nur aus dem vergangenen Jahr, sondern vor allem aus den Jahren davor aus.
Dann vielleicht doch lieber mit Mar adentro, der mir in letzter Zeit am meisten bedeutet hat? Geht nicht, bereits als Kritik auf kino.de verarbeitet. Mit dem boshaften Grinsen, mit dem Todd Solondz in Palindromes die Leinwand von oben nach unten und wieder zurück zufrieren läßt? Mit dem erwärmenden Lachen von Wenzel Storch, der einem nicht nur eine quietschebunte Märchenwelt eröffnet, sondern uns auch zeigt, was man jenseits der Konventionen alles mit den Mitteln des Filmes erreichen könnte? Mit einer Haßtirade auf die wenig lächerliche Unverfrorenheit, mit der man heutzutage deutsches Selbstverständnis durch Filme wie Der Untergang wieder verändern kann?
Nein, lieber beginne ich mit einem Film, der mich sehr lange schon beschäftigt hat. Nicht im Sinne einer rationalen Auseinandersetzung, sondern eher als Pfahl im Fleische. Ich war wohl zwölf, als ich ihn das erste Mal gesehen habe. Schwer verunsichert, brannten sich mir dennoch die Bilder als Mischung aus Dantescher Vorhölle und technizistischer Utopie ins Gehirn. Auf der Suche nach Erklärung wandte ich mich an meinen Vater, der erst so tat, als könnte er die Frage am nächsten Tag beantworten und dann heuchelte, er hätte den Film schon wieder vergessen. Als ich THX 1138 nun nach Jahrzehnten wiedersah, wundert mich das Verhalten meines Vaters nicht mehr. Der Film ist alles andere als leicht zu erschließen und mit Sicherheit noch schwieriger einem Jugendlichen zu erklären. Eine grimmige Extrapolation der konsumistischen Siebziger. Zwischen den Menschen nichts außer Warenbeziehung. Befriedung der menschlichen Bedürfnisse mit Plastikgöttern und synthetischen Drogen. Wer nicht pariert, landet im gleißenden Niemandsland. Trotz der hervorragenden Konzeption, den durchdachten Bildern ist dies kein Film, den man gerne hat. So weiß die Oberflächen, so kahl die Köpfe, so abweisend der Film. Nichts und niemand, an den man gerne zurückdenken möchte.
Was hätte aus George Lucas mal für ein unglaublicher Filmemacher werden können! Anfänglich schien er in Star wars noch seinem Topos *Vereinzelter Mensch vs. allmächtiges Imperium* verpflichtet, ließ sich dann aber vom Erfolg einlullen, um am Ende den Effekten den Vorrang vor dem Inhalt zu geben. So scheint THX 1138 das gleiche Schicksal ereilt zu haben wie die Star wars Trilogie. Die Veröffentlichung auf DVD, so sieht es für mich jedenfalls aus, ist nicht der Originalfilm, sondern eine digital überarbeitete Variante. Spätestens bei den Oberflächenbewohnern wird der C-G-Igittigitt-Einsatz offensichtlich. Was soll das, Herr Lucas? Halten sie uns für so kahlköpfig, dass wir ihre Tricks nicht durchschauen, nur weil es nicht mehr das Kistchen von Ray Harryhausen ist? Mir geht dieses Verschlimmbessern jedenfalls gehörig auf die Nerven und stellt eine üble Verfälschung der Geschichte dar. George Orwell, übernehmen Sie!
#2
Geschrieben 25. April 2005, 23:32
Solche Gedanken blubberten heute in mir hoch, als ich kurz hintereinander zwei Clips sah, die sich bei der großen Cinematographie bedienten. Einerseits posierten die Beastie Boys als schlechtgekleidete Space Aliens durch "Intergalactic". Nicht gerade Hochkultur, aber mit viel Liebe zum Detail ist der Kampf Ultra-Pappkarton-Man vs. Krabben-Kraken-Gummimator inszeniert, abgerundet durch Anklänge an die Paranoia-SF der Fünfziger. Eiji Tsuburaya wäre so stolz darauf wie ich froh, wäre es mir vergönnt gewesen, bei der Nippon Connection in Frankfurt Ultraman oder Calamari-Wrestler sehen zu dürfen. Als gottgewollten Ausgleich zur intergalaktischen Hommage musste ich das Video einer unbekannten Karstadt-Disco-Combo ertragen, die sich beim Bildarsenal von Tron bediente und nichts, aber auch gar nichts damit anzufangen wusste - was in etwa auch ihren Umgang mit den Instrumenten beschreibt. Ein wirres Hin- und Hergefahre zwischen Clubs in verschiedenen europäischen Hauptstädten, ein wahlloses Auf- und Zuklappen des Motorradvisiers und als *überraschender* Clou die Erkenntnis, dass das nachgejagte Idealbild eines Mannes auch nur eine Simulation ist. Sind Computeranimationen heutzutage wirklich schon so billig, dass man ein paar Sequenzen auf Halde herstellt und dann erst überlegt, wie man sie zusammenschraubt? Ehrlich, wenn das die Zukunft der Clipkultur ist, dann kann von mir aus MTV von Formaten wie *I bet you will pimp my dismissed date* in den Abgrund gerissen werden.
Celebrity death match und South park werden schon eine neue Heimat auf einem anderen Sender finden.
#3
Geschrieben 28. April 2005, 17:42
Aber Rituale sind nun mal so wichtig wie unser täglich Bier, denn sie geben unserem Leben einen Halt; sei er auch noch so erbärmlich und irrational. Ich kann zum Beispiel keine erworbene DVD einfach ins Regal stellen. Nein, sie muss in den Player gelegt werden, man glotzt ein wenig im Menü rum und schaut nach, ob die Tonspuren und Untertitel funktionieren. Das ist eine ebenso beruhigende wie überflüssige Handlung, denn den Film, der nach der Hälfte plötzlich Bilderhusten bekommt, hält diese Pseudotestung auch nicht davon ab, dem Ablauf seiner Garantiefrist entgegenzuschimmeln.
Letztens hat jedoch, obschon mitten in der Nacht, der Probelauf eine ungewohnte Wendung genommen. Denn kaum saß ich mit Bösel und Fellner im Auto, wusste ich mal wieder nicht, ob mir der boshafte Unterschichtenarsch oder der schleimige Möchtegernyuppie unangenehmer war, aber eins wusste ich sofort – Indien muss ich gleich in toto sehen. Die Geschichte um zwei ungleiche österreichische Restauranttester ist komplex, ohne allzu aufdringlich dem Zuschauer mit dem intellektuellen Zeigefinger in der Nase zu bohren, um dessen Gehirn zu *stimulieren*. Allein die Vorstellung, dass aufgrund des Titels Ökohippies mit Selbstfindungsambitionen ihren Tree-Hugger-Kurs unterbrechen und dann in diesem Film landen, verschafft mir mehr Spaß als alle Komödien zusammen, die derzeit in auf X endenden Kinos laufen. Den Regisseur Paul Harather möchte man bei Gelegenheit gerne dafür knuddeln, dass er den Bogen von Ulrich Seidls Hundstage zu Alexander Paynes Sideways schlagen kann, ohne sich dabei einen abzubrechen. Überhaupt scheint Payne für Harather ein guter Stichwortgeber gewesen zu sein, denn ähnlich wie About Schmidt ist Indien auch eine veritable Rückführung des Roadmovies auf den Western.
Weil das Ende so ungemein gütig und voller Weisheit ist, fühlte ich mich genötigt meine These zu überprüfen, dass man sich bedenkenlos jeden Film mit Josef Hader ansehen könne. Das Testobjekt Der Überfall gebärdete sich arg kratzbürstig. Die Geschichte um einen missglückten Überfall, der drei vollkommen verschiedene Archetypen der österreichischen Gesellschaft für eine kurze Zeit aneinanderkettet, springt beständig zwischen den Erzählkonventionen hin und her. Verunsicherung macht sich breit, die Chipstüte gibt wenigstens etwas Halt. Was will der Film von mir? Soll das dramatisch wirken oder doch schon komisch? Erst spät habe ich verstanden, dass mein Unwohlsein mit dieser Situation, mit diesen Charakteren, mit deren armseligen Lügen die Stärke der Inszenierung beweist. Hier wird eine kleine Hölle wie in Sartres Huis clos vorgeführt, nur dass man dummerweise diesmal als Zuschauer mit drin sitzt. Applaus aus den Rängen, weil am Ende Regisseur Florian Flicker den opportunistischen Über-Österreicher sterben lässt, und ein Seufzen der Erleichterung, dass der Regisseur des wunderbar spröden Suzie Washington doch nicht seine Reputation bei mir verspielt hat. Also werde ich auch in Zukunft dem Ritual vertrauen, mir österreichische Filme anzusehen, damit deren magischer Bannfluch reale Österreicher von meinem Hals fernhält. Wie gesagt – erbärmlich und irrational. Aber beruhigend.
#4
Geschrieben 05. Mai 2005, 14:49
Trotzdem hat im Anschluß an diesen Film Dr. Critic sich Godzilla und die Urweltraupen als Antidepressivum verordnet. Die Verabreichungsform *Kino* hatte den ungemeinen Nachteil, dass die Nachtaufnahmen sich wie ein politischer Guerillakampf in Sowetos Kellern ausnahmen. (Ein Vergleich mit der Astro-DVD ergab, dass man hier zwar zur Erhellung beigetragen hatte, dies aber spielend durch Überblendung des schönen Wortes *Tohoscope* im Vorspann wieder versaubeutelt hat.)
Doch selbst die miese Kopie ließ den vierten Teil der Godzillareihe zu einem Quell der Freude und Belehrung werden. Mehr Monster, mehr Schauplätze, mehr Katastrophen sollten wohl die Freunde und Förderer Gojiras in die Kinosäle locken. So hat man kaum mit den Augen gezwinkert, da ist auch schon halb Japan überschwemmt, die überdimensionierte Einlage für eine Brühe aufgetaucht und der Kampf gute Wissenschaft vs. böse Wirtschaft ausgebrochen. Praktischerweise kann man die Halunken an ihren Bärtchen erkennen und so überrascht es wenig bis überhaupt nicht, dass auch das Schicksal in Gestalt des Drehbuchs die Spitzbuben erst demaskiert und danach devitalisiert. Doch wer soll die Hallodris stoppen? Die amerikanischen Freunde, die sich durch markige Merksätze wie "Man sollte aber darauf achten, dass man mit den Bomben nicht auch die Menschen tötet!" als Weicheier präsentieren? Wohl kaum.
Zum Glück entfaltet sich hektische Radioaktivität und führt zur Erweckung Godzillas, der offenbar die letzten Jahre als Strandgut übersehen worden war. Nun ist man zwar die raffgierige Bagage los, dafür sind aber etliche Städte etwas weniger ansehnlich als vorher. Auch irgendwie dumm, denkt sich das Militär und unterbreitet Godzilla, der in diesem Film noch böse Miene zu bösem Spiel macht, die üblichen Friedensangebote mit Plastikpanzern und Elektrosmog. Heißa, da brennt die Luft und führt bei den Panzern zu einer erektilen Dysfunktion. Was tun, fragte Lenin, aber in Japan scheint dieses Buch nicht so bekannt zu sein, so dass man lieber zum probaten Mittel der Magie greift und Eingeborene auf einer strahlenverseuchten Insel aufsucht, um die Riesenmotte Mosura auf Godzilla einzuschwören. Die ungezähmten Rothäute sehen zwar ganz pittoresk im Ensemble mit der schwarz-verkohlten Insel und den gelben Strahlenschutzanzüge der Besucher aus, sind ansonsten aber renitent, was angesichts des Zustandes ihrer Insel kaum verständlich erscheint. Doch gerade in dieser aussichtslosen Situation unterläuft Godzilla ein schwerwiegender taktischer Fehler! Ist es der Hunger, der ihn zum Riesenei treibt, in dem Mosuras Nachkommenschaft schlummert? Ist es die Farbe der Saison, die das Ei verziert? Treibt Godzilla gar pures wissenschaftliches Interesse an? Dies werden wir leider nie erfahren, dafür dürfen wir miterleben, wie Mosura mit Godzilla den Boden aufwischt. Diese Art des Mobbings gefällt Godzilla überhaupt nicht, so dass er beleidigt die Insel verlässt, Mosura mit gebrochenem Herzen und unerfüllter Liebe zurücklassend. Mit Grausen sehen wir dem Sterben unseres Lieblingsinsektes zu, aber wo Tod da auch Wiedergeburt. In diesem Falle gleich als doppeltes Flottchen, das die Verfolgung von Godzilla aufnimmt, um die Welt von seiner Anwesenheit zumindest bis zum nächsten Film zu befreien.
Neben dieser wilden Geschichte, die Märchen und Botschaft gleichermaßen ist, wissen vor allem der jugendliche Held und seine Handlangerin zu begeistern. Sie trägt nicht nur die feinsten Ensembles, die man damals in der japanischen Burda so finden konnte, sondern weiß auch durch überraschend sinnfreie Handlungen zu begeistern, die ein erhellendes Licht auf das Frauenbild der damaligen Zeit wirft. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich die beiden für eine Reinkarnation von Clark Kent und Lois Lane halten. Nur ohne Brille. Und ohne Superkräfte. Und natürlich ohne Latexanzug, denn den hat bereits Godzilladarsteller Haruo Nakajima überstreifen dürfen.
Cronenbergs Werk kann man sich ebenso wie Godzillafilme nahezu bedenkenlos immer ansehen. Eine unfreiwillige Zweitsichtung von eXistenZ, den ich neben Gattaca eh schon für einen der wichtigsten Science Fiction Filme der letzten zehn Jahre hielt, brachte aber überraschenden Gewinn. War ich bei der ersten Ansicht schwer fasziniert von dem Körperhorror der Bioports, von der Idee der verschiedenen Spielebenen und den Ebenen des Spiels damit, was Realität sei, so bin ich nun restlos begeistert von der philosophischen Konzeption, die hinter den verschiedenen Spielen steckt. Gott ist tot, es lebe David! Aber sind wir dann überhaupt noch im Spiel?
#5
Geschrieben 08. Mai 2005, 13:24
Bei Ausnahmeregisseuren wie Kim Ki-Duk liegen die Meßlatten besonders hoch. So enttäuschte nach dem großartigen Frühling, Sommer,... sein Berlinalebeitrag Samaria, der dem Ki-Duk'schen Universum nichts Neues hinzufügen konnte. Ähnliches trifft auf den Nachfolger zu Seom zu, der aber auf ganz andere Weise scheitert. Auch die überzeugende Darstellung der Einführung in Bad guy kann kaum verschleiern, dass sich Ki-Duk hier ein Grundgerüst zusammenzimmert, dem man die Wackligkeit ansieht. Deswegen ist man auch allzu gerne gewillt, sich auf die daraus entwickelnde Parabel einzulassen, die das Zueinanderfinden zweier emotionaler Krüppel in einem Milieu, das sie erst dazu gemacht hat, zeigt. Aber die beständige Bezugnahme auf die arg hanebüchene Grundexposition mildert zu sehr die Leiden, die man mit den beiden Hauptfiguren durchlebt, physisch wie psychisch. So bleibt am Ende ein Film übrig, dem man im besten Falle ein mangelhaftes Einfühlungsvermögen in die Figuren vorwerfen kann und den man sich im schlimmsten Fall als "Die V***** wollen es eh nicht anders" übersetzen kann.
Yukihiko Tsutsumi ist in unseren Breiten vermutlich am ehesten durch 2LDK, den Beitrag für das Duel-Project, bekannt geworden. Der zeitgleich entstandene Trick ist sicher alles andere als großes Kino, zu sehr ist die Kameraarbeit an den Maßstäben der Fernsehbilder orientiert. Sehr schade, denn die Geschichte um ein verwunschenes Dorf, das nur von einer wahren Gottheit vor dem bösen Schildkrötengott beschützt werden kann, bietet eine Reihe von Möglichkeiten, das politische System, den Aberglauben und die Gier der Menschen zu geißeln. So ist der Kampf zwischen den vermeintlichen Göttern um die Gunst des Volkes zwar unterhaltsam anzusehen, dem Film fehlt aber an den entscheidenden Stellen der Biß, um wirklich kritisch mit den Landsleuten ins Gericht zu gehen.
Drunken monkey hat alles, was ein altmodischer Kung-Fu-Streifen benötigt: alte Säcke, Entschuldigung, Meister als Helden, Jungspunde, die erst renitent und dann umso eifriger sind, knochenbrechende Weiblichkeiten, gemeine Schurken, die viel Ehr viel Feind versprechen, eine Kampftechnik, die an Disneys The living desert erinnert, und überdrehte Komikeinlagen. Auch wenn dieser Streifen unterhaltsam ist und eine anrührende Körperlichkeit entfaltet, auch wenn die vielfältigen Genre-Anleihen angenehm anzusehen sind, so darf man sich doch fragen, warum im Jahr 2002 so ein Werk, das dem Genre nicht viel hinzuzufügen hat, produziert wird. Um das Wire-Fu der Gegenwart sichtbar zu machen, lasse ich als Grund gelten. Schnöden Mammon ebenso.
Geld scheint auch der Grund dafür zu sein, den x-ten Sadakoklon in Into the mirror über den Bildschirm zu jagen. Die Grundidee vom mörderischen Spiegelbild hört sich noch vielversprechend an und wird uns in der Eröffnung auch wunderschön beängstigend vor Augen geführt. Bei diesem Videoschnipsel hätten es die Macher ruhig belassen sollen, denn ihr Versuch, den leicht durchschaubaren Plot philosophisch aufzuhübschen, geht mächtig in die Hose. Nie vermag es Regisseur Seon-ho, eine morbide Stimmung wie in Dark water oder Kairo zu erzeugen, weil beständig versucht wird, den Zuschauer mit neuen Interpretationsangeboten zu verwirren. Diese sind aber zu unausgegoren und disparat, als dass es wirklich Sinn machen würde, weiter darüber nachzudenken. So jagt im Einsatz für die Spannung ein Winkelzug den nächsten, immer auf der Flucht vor Dr. Logik und Mrs. Kohärenz. Ein effekthascherisches Ende rundet das Bild ab und beendet hoffentlich auch die Karriere des Regisseurs.
Aus Anlaß des bald startenden Gong fu, der trotz größerer Erfolge ein wenig schlechter als der wundervolle Shaolin Soccer geraten ist, musste noch mal ein Blick auf Stephen Chows God of cookery geworfen werden. Noch ohne die Übertriebenheit des CGI-Einsatzes seiner neueren Produktionen, musste sich der Film ganz auf die übrigen Witzqualitäten Chows verlassen. Et voila, es funktioniert noch immer! Der aufhaltsame Absturz des ehemaligen Superkochs, die Konstruktion der fiesen Gegner inklusive deren Dekonstruktion, das hässliche Entlein, das zum Schwan wird, die Genrekonventionen, die gegen den Strich gebürstet werden – alles mit viel Liebe zum Detail und mit Empathie für die Figuren wirkungsvoll in Szene gesetzt. Das macht dem Zuschauen genauso viel Spaß, wie es vermutlich den Schauspielern beim Drehen gemacht hat. Und so hat Chow auch bei Gong fu noch dieselben Leute in der Crew wie bei God of cookery. Hoffen wir also, dass er nicht den Jackie-Fehler begeht, sondern uns noch einige Hong Kong Highlights beschert.
Von mir aus darf das auch eine Parodie auf Muttertag sein.
#6
Geschrieben 16. Mai 2005, 23:11
Inhaltlich ist der Film viel philosophischer als die anderen Teile geraten. Anakin Skywalker (Jason Schwartzman) ist zutiefst verunsichert über den Sinn seines Daseins im Universum (toller Spezialeffekt mit einem Laken!) und wendet sich wegen dieser existenzialistischen Krise an das Duo Obi-Wan Kenobi (Dustin Hoffman) und Yoda (Lily Tomlin). Nach scheinbarer Stabilisierung des sich quälenden Egos taucht aber die dunkle Seite der Macht (Isabelle Huppert) auf und kann ihn zu sich ins nichtige Nichts ziehen. Wird er dort für immer verharren? Werden R2D2 (Jude Law) und C-3PO (Naomi Watts) weiter mit ihren Weltraumjetskis im All herumdüsen oder zerbricht ihre Beziehung wegen Chewbacca (Mark Wahlberg)? Werden Raumschiffe eigentlich von indischen Kinderhänden hergestellt und fliegen mit Erdöl, das arabische Diktaturen festigt?
Schwierige Fragen, die den Kopf dumpf machen. In manchen Kinos gibt es zwecks Gedankenbeseitigung einen rosa Gummiball zur Karte dazu. Habe vergeblich nach der Gebrauchsanleitung gesucht. Die Handhabung wird aber im Film erklärt, der zum Glück auch eine Komödie ist. Muß man sich nicht ständig mit diesen bockigen Fragen plagen. Nur zum Ende hin wird es etwas langatmig. Da ist dem Drehbuchteam (David O. Russell & Jeff Baena) die Luft ausgegangen, um dem Film Geschlossenheit zu verleihen. Ziemlich ärgerlich, diese verspielte Chance. Dafür ist der Soundtrack durchgängig prima. Dachte erst, dass sich Aimee Mann in Jon Brion hat umoperieren lassen. Las dann aber, dass Brion auch an Magnolia mitgewerkelt hat.
Im Abspann hieß der Film dann plötzlich I ♥ Huckabees. Doofer Alternativtitel, den sich Georgies Werbeabteilung da ausgedacht hat. Revenge of the shit hat doch auch ganz gut gepaßt.
#7
Geschrieben 29. Mai 2005, 09:44
Passend zu den Temperaturen gab es Beichtet Freunde, Hallelujah kommt (Il West ti va stretto, amico... è arrivato Alleluia) von Giuliano Carnimeo aka Anthony Ascott, der durch seine Django- und Sartanafilme weiß, wie der Hase im Italowestern durch die Steppe läuft. Damit ist schon mal eine wesentliche Voraussetzung erfüllt, um eine prima Parodie auf das 1972 bereits im Niedergang befindliche Genre abzuliefern. Die Story ist folgerichtig genauso krude wie unwichtig, hoffentlich niemand wird sich während des Filmes fragen, warum alle Personen hinter der aztekischen Götterstatue her sind. Sie dient einzig und allein dazu, die Figuren durchs wilde Mexistan zu treiben. Und was für Figuren! Ein Kompanie österreichischer Soldaten taumelt durch Pseudoamerika genauso wie ein schottischer Schurke, dem aber zumindest die Kleidung untenrum immer Frischluftzufuhr gewährt. Im Ensemble fehlt die verschlagene Schlunze genauso wenig wie der grenzdebile Alte, der intelligenzferne Revolutionär oder die Gebrüder Inzucht. Der Bringer ist aber natürlich Hallelujah himself, preiset seinen Namen! Oder wenigstens den Namen *Jorge Hill*, der nicht nur im ersten Hallelujahfilm dem cleveren Westernhelden Gestalt verlieh, sondern sich auch seiner Herkunft Uruguay durch die Umbenennung in George Hilton zu entledigen suchte. Hallelujah hat alles, was ein Held braucht: einen Dreitagebart, Dreck unter den Fingernägeln und einen schier unerschöpflichen Waffenfundus zwischen Raketenwerfer und Dudelsack. Das wird alles aufs Feinste im Dienste des Lachmuskeltrainings eingesetzt, wobei der Film häufiger in peinlichste Spencer-Hill-Prügelorgien abgleitet. Das macht aber nichts, weil er dies durch gelungene Slapstickparaden ausgleicht und außerdem Rainer Brandt, der schon Serien wie Die Zwei aufpoliert hat, bei Beichtet Freunde, Hallelujah kommt für die Synchronisation verantwortlich war. So verdanken wir Brandt nicht nur den schönen Dialog zwischen Kain und Abel, sondern man darf sich auch am gelungenen running gag "SCHULZ!" delektieren. Nicht zuletzt wegen des morriconesken Soundtracks von Stelvio Cipriani also eine rundum gelungene Unterhaltung für den lauschigen Sommerabend Ihrer Wahl.
Ach ja, beinah hätte ich das Wichtigste vergessen: "Freiheit oder Tod!"
#8
Geschrieben 02. Juni 2005, 10:24
Ein Film also mit dem Nachgeschmack eingeschlafener Füße. Ach was sage ich, wie aufgewärmte eingeschlafene Füße - eines achtzigjährigen Diabetikers.
#9
Geschrieben 06. Juli 2005, 19:10
Eine Klasse tiefer spielt die Neuverfilmung von War of the worlds. Das Gute zuerst: Nach dem gelungenen Teameinstand von Spielberg/Cruise in Minority report konnte man auf ein nicht vergurktes Werk hoffen – und die Hoffnung hat sich bestätigt. Nach holpriger Exposition gewinnt Spielberg schnell die Oberhand über die Gefühle der Zuschauer, die Lacher verstummen und eine Beklommenheit macht sich breit, die sowohl in der Inszenierung des Grauens als auch in der Aktivierung des kollektiven Bildgedächtnisses ihren Ursprung hat. Kein Held in Sicht, der uns vor den Invasoren retten könnte. Wo sollten auch Heroen herkommen in einer Zeit, in der selbst humanistische Minimalstandards durch die Krise außer Kraft gesetzt sind? So bleibt Ray Ferrier, den Tom Cruise nicht vollkommen glaubwürdig als Proll vom Dienst gibt, wenig mehr übrig als die Flucht nach vorne anzutreten, die vermeintlich zu einer heilen Familie führt und doch in Wirklichkeit zurück zu Kain und Abel.
Wie schon bei Minority report regt man sich in unberufenen Zuschauerkreisen gerne über fehlende Tiefe auf, wenngleich man nur zur faul ist, mal die Augen aufzumachen. Besonders läßlich ist dies, weil gerade der Zusammenhang zwischen Sehen und Begreifen in jüngeren Science-Fiction-Streifen Spielbergs eine wichtige Rolle spielt. Auch auf den Hinweis, mit wieviel Fingerspitzengefühl Spielberg Wells' filmische Adaptation aus den Fifties würdigt und gleichzeitig kommentiert, warte ich jedenfalls bislang immer noch. Statt dessen ergeht man sich in Erbsenzählerei bei Dingen, von denen man nichts versteht. (Ja, die Videokamera kann auch nach einem EMP noch funktionieren und sie muß es auch, weil sie eine wichtige inszenatorische Bedeutung hat.)
Schlimm wird es halt nur, wenn Spielberg wieder meint, die all american family mit dem Ende befrieden zu müssen. Welch eine Inkonsistenz der Idee, die nur durch die gedankliche Volte aus Minority report erträglich gemacht werden kann, dass eine Verlagerung der Perspektive von Außen nach Innen erfolgte und so die gnadenlose Realität dem trügerischen Wunschbild Hollywoods weichen musste. Aber ob dies von Spielberg so intendiert war? Zugeben wird er jedenfalls keine der beiden Varianten, um nicht potentielle Zuschauer für die (von mir sehnlichst erwartete) nächste Zusammenarbeit mit Tom Cruise zu verschrecken. Denn so rosig sieht nicht mal Steven Spielberg die Zukunft, als dass er nicht wüsste: Heute ist zwar morgen gestern, aber auch nicht mehr das, was es früher einmal war.
#10
Geschrieben 19. Juli 2005, 13:53
Die Eröffnung ist schon großartig mit Frankenstein schuf ein Weib (Frankenstein created woman). Das Skript reicht über das übliche Schema des Frankensteinthemas hinaus. Einerseits nicht verwunderlich, wollte sich Terence Fisher bei seinem x-ten Frankensteinfilm vermutlich selbst nicht langweilen, andererseits dann wiederum überraschend, wie ein zeittypisches Thema hier integriert wurde. Zu Hochform läuft der Film auf, wenn er Maschinenwirkungen visualisiert – egal, ob es um die Guillotine oder die Seeleneinfangmaschine geht. Schade, dass das Ende so abrupt und konstruiert wirkt.
Keinen so guten Eindruck hinterließ Das schwarze Reptil (The reptile), der in der Story zu vorhersehbar ist und dies nicht mit Bildgestaltung oder Schockmomenten zu kompensieren weiß. Ein Blick auf das Coverfoto erzählt eigentlich schon die ganze Geschichte. Einzig Jacqueline Pearce, die gar hinreißend die von bösen Mächten Getriebene gibt, entschädigt für das doch sehr biedere Werk.
Aber damit ist die Talsohle schon durchschritten, auf zu neuen Höhen: The Vengeance of She hat u.a. den schönen deutschen Titel „Jung, blond, tödlich“. Jung ist Olga Schoberová, die vorher in etlichen Filmen mit Brad Harris spielen durfte, auf jeden Fall, ebenso blond; warum aber als drittes Attribut tödlich statt vollbusig genannt wird, kann ich mir nicht erklären. Der Mix aus Abenteuer und Fantasyfilm mag manchem etwas zu verworren sein, mir gefiel außergewöhnlich gut, wie man hier mit der Hauptfigur aus dem alltäglichen High-Society-Leben der Swinging Sixties in eine Welt aus 1001 Nacht hinübergleitet.
Weiter geht es vom heißen Wüstensand hinüber zu den eisigen Höhen des Himalaya. Yeti, der Schneemensch (The abominable snowman) ist der erste Film aus der Anolisreihe, den Val Guest inszenierte, der, ganz seinem Namen verpflichtet, häufig Gastregisseur der Hammerstudios war. Ich mochte das Schnee-Treiben anfangs überhaupt nicht, schien der Film doch in seiner Machart und seinem Thema zwanzig Jahre zu spät zu kommen. Peter Cushing darf hier als Wissensdurstiger vom Dienst mal ganz ohne OP-Besteck und falsche Zähne den Ratschlag der weisen Buddhisten in den Wind schlagen und sich auf die Suche nach den Eltern von Reinhold Messner machen. Das hört sich nach übelsten Schneekeilereien mit wilden Zottelmonstern an. Doch weit gefehlt, der Film entwickelt sich in eine unerwartete Richtung, so dass sich Aussage und Machart aufs Schönste komplettieren und für eine nachhaltige Wirkung sorgen.
Daß dieser Film kein zufälliger Treffer von Val Guest war, bestätigt auch Robin Hood, der rote Rächer (The men of Sherwood Forest). O Gott, Robin Hood, gähn! Was aber Val Guest dem Strumpfhosen-und-Minnesänger-Genre abgewinnt, ist nicht von schlechten Eltern. Sicher, all die Jovialitäten und das Bubenhafte können einem schon sehr auf die Nerven gehen. Don Taylor versucht verzweifelt, den Errol Flynn lookalike contest zu gewinnen; die Unzulänglichkeiten seiner Ausdrucksfähigkeit haben sicher das ihre dazu beigetragen, die Zweitkarriere als TV-Regisseur voranzutreiben. Aber doch muss man dem Film zugute halten, dass er eine Art Bondfilm des Mittelalters darstellt – und das fast zehn Jahre vor dem ersten Film mit Sean Connery. Selbst das nie in Frage gestellte Ende kann die Spannung des Spion&Spion-Spielchens nicht mindern und sorgten bei mir für viel Spaß beim Ansehen.
So bin ich gut angefüttert, auch noch die restlichen Teile der Reihe mir zuzulegen. Nicht nur, aber auch wegen Val Guest. Zu schade, dass nicht alle Filme des Studios von Anolis in die Reihe aufgenommen wurden. Da habe ich aber Glück, dass wenigstens schon das fabelhafte Hammer-Shaw-Crossover The legend of the 7 golden vampires in meinem Besitz ist.
#11
Geschrieben 20. Juli 2005, 11:03
Man kann Tarantino gar nicht genug danken, dass er Werke wie Lady Snowblood durch seine Tätigkeit aus der Versenkung holt. Denn in vielerlei Hinsicht kommt auch Kill Bill nicht an die Qualitäten von Shurayukihime heran. Die Hauptdarstellerin Meiko Kaji strahlt jene Art von übernatürlicher Unverletztlichkeit aus, die Uma Thurman nie erreicht hat. Dies liegt vor allem daran, dass es in den siebzigern noch nicht den Zwang zur ironischen Brechung gab. Die kalte Wut, die Shurayuki-hime schon in ihrem Namen trägt, rollt in einer unbarmherzigen Wucht durch die Geschichte und wird nur dann unter der Oberfläche sichtbar, wenn sich der Todesengel um seine Rache betrogen sieht. Grandios auch, wie zum Ende hin die Geschichte durch die Figur des Schriftstellers noch mal ausgebremst wird, um in einem fulminanten Finale kulminieren zu können. Wie Yuki sich am Ende mit ihren Elementen vereint und ihren Haß auf die Welt, die ihr dieses Schicksal aufgebürdet hat, herausbrüllt, das ist ein ganz anderes Verständnis der Figur als jenes von Tarantino. Japanisch eben. Bleibt nur noch anzumerken, dass mir die Kameraarbeit gerade bei bewegten Sequenzen häufig sehr unbeholfen erscheint, was man angesichts des Entstehungsjahres aber verzeihen kann. Ich rede mir nun ein, dass genau das ein Qualifizierungskriterium für das Independent Filmfestival war - dann könnte ich noch viel besser damit leben.
#12
Geschrieben 16. August 2005, 18:38
Ein gutes Beispiel für die letztere Kategorie ist Jake Wests Evil Aliens, der sich als eine Art *Best of Glibschifilms* versteht. Einerseits unterhaltsam kombinierte Elemente aus SF-, Horror- und Backwoodslasherfilmen, andererseits aber eine Aufdringlichkeit in der Zitierwut, die aufgrund mangelhafter Originalität der Einbindung einen schalen Nachgeschmack hinterlässt. Die wie mit der Kettensäge ausgeschnittenen Charakterkasper sind auch nicht gerade förderlich, um den Film auf den Olymp der persönlichen Lieblinge aufsteigen zu lassen.
Besser gefiel da schon They Came Back (Les Revenants) von Robin Campillo, der eine neue Sichtweise dem Zombiemythos abgewinnen kann. Trotz aller Disparatheit zu Bigelows Near Dark verbindet die beiden Filme eine tiefe Empathie für die Figuren, die, gewöhnlicherweise nur klischeehafte Schreckgestalten, eine bodenlose Traurigkeit ob ihres unmenschlichen Schicksals spürbar werden lassen. Leider ist der Hauptplot um das Verhältnis zwischen Rachel und Mathieu am schlechtesten ausgestaltet und wird, wie es sich für französische Filme gehört, zu einem Beziehungsgequarke, wie es nicht sein sollte, hochstilisiert. Dass der Film aber einen Spagat zwischen den SF-Paranoiafilmen und Tarkovskis Solaris nicht nur aushält, sondern auch gewinnbringend verarbeitet, rechne ich ihm hoch an.
Rob Zombie war mit seinem hervorragenden House Of 1000 Corpses schon auf dem FFF 2003 vertreten, also ist auch sein Nachfolgeprojekt The Devil's Rejects im Pflichtprogramm. Leider ist der märchenhafte Ton des ersten Filmes gegen ein ultra-realistisches Konzept eingetauscht worden, das an die Slasherfilme aus den Siebzigern erinnert. Was auf den ersten Blick sinnvoll erscheint, da es sich um eine Verneigung vor Filmen wie The Texas Chainsaw Massacre und The Last House On The Left handelt, wirkt auf lange Sicht in seiner penetrant ernsthaften Ekligkeit nur noch abstoßend. Da hilft es auch nicht, die visuellen Stilmittel im Griff zu haben, und auch der Schlag ins Gesicht der autoritätshörigen Amerikaner rettet den Film nicht vor dem Absturz in die Bedeutungslosigkeit der Kategorie *Nur für Hardgorefans*. Fast könnte man vermuten, daß dieser Film vor allem gedreht wurde, um Rob Zombies Freundin Sheri Moon in einem gutem Licht erscheinen zu lassen.
Pünktlich ein halbes Jahrhundert nach der Veröffentlichung des ersten Godzillafilmes von Inoshiro Honda hat Toho seinen offiziell letzten Gojira auf die kunterbunte Welt der Minipappstädte losgelassen. Angeblich hat man bereits alle Settings inklusive des Wassertanks demontiert, was in Zeiten der CGI allerdings auch keine Endgültigkeit verspricht. Apropos versprechen – was hat man sich nur davon versprochen, ausgerechnet Ryuhei Kitamura für Godzilla: Final Wars (Gojira: Fainaru Uôzu) die Regie anzuvertrauen? So richtig versauen konnte er es natürlich nicht, dazu war das Thema mit *Compilationfilm* zu fest umrissen. Aber man kann sich schon wundern, wie Kitamura das Paradoxon schafft, einerseits zu viel und andererseits zu wenig Monster auf die Leinwand zu bringen. Durch Kitamuras Fokussierung auf den Konflikt der außerirdischen Xilians mit den Power Rangers oder wie die X-Men hier auch immer hießen, muß er, um die Monsterliste in kürzester Zeit abzuhaken, mehrere gleichzeitig in die Arena werfen. Nein, kein würdiger Abschluss des Gummizeitalters, da kann mir Kitamura kein X für ein U vormachen. Aber zumindest der in Japan beliebte Wrestlingstar Don Frye bekommt seinen angemessene Auftritt und auch Akira Takarada, der im allerersten Film von 1954 den Offizier Hideto Ogata spielte, wird hier als UN Generalsekretär noch einmal gewürdigt.
Der frühere Komiker Takeshi Kitano ist für Freunde der gepflegten Asiaunterhaltung mittlerweile zu einem Markennamen geworden. Wohl deshalb landete Blood And Bones (Chi To Hone) im Programm, denn ansonsten qualifiziert nichts das epische Werk für dieses Festival. Kein Science, kein Fiction, kein Horror, kein Thriller. Oder sollte die cineastische Produktionsmaschinerie mittlerweile so ins Leere laufen, dass selbst eine Schweineschlachtung einen Film für dieses Festival interessant macht? Sieht man aber einmal von dem Aufführungsort und den CGI-Effekten ab, ist Yoichi Sais Familiensaga technisch ausnehmend gut gemacht. Besonders weiß der Umgang mit der Zeit zu beeindrucken. Trotz der erheblichen Spielfilmlänge kommt keine Langeweile auf, die Szenen fließen sanft ineinander und das Verstreichen der Filmzeit wird auf beeindruckende Weise durch Set Design und Casting visualisiert. Allein die inhaltliche Ebene lässt doch zu wünschen übrig, wobei ich zugeben muß, dass ich kein Freund dieser Via mala Beschaulichkeiten des irdischen Jammertals bin. Besonders ärgerlich fand ich, dass der koreanisch-japanische Konflikt nur angedeutet wurde. Gerade auf der politisch-historischen Ebene wäre eine Zuspitzung einem Film, der sich schon nicht hinreichend für seine Charaktere interessiert, zuträglich gewesen.
Ghost In The Shell war neben Akira einer derjenigen Filme, die für die Verbreitung des Animegenres in westlichen Gefilden sorgte. Kein Wunder, ist er eine gelungene Mischung aus Action und Kontemplation. Mit Ghost In The Shell 2: Innocence (Inosensu: Kôkaku Kidôtai) hat wieder Mamoru Oshii eine Adaptation der Comics von Shirow Masamune vorgelegt. Das Markenzeichen aller Bearbeitungen kommt auch hierbei wieder hervorragend zum Tragen – die Verknüpfung von technizistischer Wahrscheinlichkeitsrechnung mit geistreicher philosophischer Betrachtung. Wie alle Philosophen scheitert das Duo Oshii/Masamune an den Paradoxa der Leib-Seele-Problematik, die nicht von ungefähr an den Welle-Teilchen-Dualismus erinnern. Aber für derlei Versagen hat man glücklicherweise in Asien schon vor etlicher Zeit dekretiert, dass der Weg das Ziel sei. Denjenigen, die den ersten Teil nicht gesehen haben, sei versichert, dass man bis auf wenige Ausnahmen den Film auch ohne Vorkenntnisse versteht, den anderen, dass der zweite Teil kein matter Aufguß des ersten Teil geworden ist, und allen, dass die Animationskünstler auf der Höhe der Zeit und sogar darüber hinaus sind. Einziger Schwachpunkt scheint die willkürlich scheinende Wahl der philosophischen Referenzpunkte, die auch weniger flüssig in die Handlung integriert wurden als im ersten Teil.
A Bittersweet Life (Dalkomhan Insaeng) ist nach The Quiet Family und A Tale Of Two Sisters die dritte Regiearbeit von Ji-Woon Kim, die eine größere Verbreitung außerhalb Asiens erfahren wird. Das angekündigte Meisterwerk in der Nachfolge von Oldboy ließ aber bis zum jetzigen Zeitpunkt noch auf sich warten. Wie kam man nur auf diesen Vergleich? Korea? Männliche Hauptfiguren? Rachemotiv? Klassische Musik? Der Film rollt ohne größere Überraschungen und narrative Anstrengungen vor sich hin, um am Ende endgültig in Fernsehkompatibilität abzugleiten. Ich hielt den Regisseur noch nie für ausnehmend talentiert, aber hier ist ihm ein rundum glattes Nichts gelungen. Ein anderer Drehbuchschreiber wäre vielleicht ein Ausweg aus dieser kreativen Talsohle. Ein anderer Regisseur vielleicht auch.
Nach der Werbung folgen The Big White, Casshern, The President's Barber und Survive Style 5+
#13
Geschrieben 17. August 2005, 08:17
Chef: "...und durch diese Vorschläge werden wir im kommenden Jahr ein noch besseres Ergebnis für unsere Aktionäre erzielen können."
Tosender Applaus der Angestellten. Stimme aus dem Off: "Aber diese Pläne sind doch überhaupt nicht umsetzbar."
Stille. Nahaufnahme auf extrem häßlichen Mitarbeiter mit peinlich berührtem Grinsen. Grillenzirpen. Die Kollegen weichen wie auf Kommando von ihm zurück.
Off-Stimme: "Schmerzt Ihnen manchmal der Schädel? Stören Sie auch diese absonderlichen Dinger in ihrem Kopf, bei denen anschließend wie von selbst Worte aus Ihrem Mund purzeln? Diese extrem karrierehinderlichen I-D-E-E-N? Da kann Abhilfe geschaffen werden!"
Bam und seine Jünger wuseln auf einem Fernsehschirm rum. Optimistische Musik.
"Dr. Bam und seine Gehilfen Viva und La entfernen schnell und effektiv beide Gehirnhälften mittels eines kleinen Eingriffs durch ihr Auge. Sie spüren nichts... mehr danach."
Morphing von extrem hässlichem zu ausnehmend hübschem Mitarbeiter, der zwei Bikini-Schönheiten in den Armen hält. Die zurückgewichenen Mitarbeiter umringen wieder jubelnd den Veränderten, der vom Chef ein anerkennendes Nicken erhält.
Off-Stimme: "Jetzt neu: Für Kinder, Rentner und besonders Ängstliche mit den lustigen Assistenten Mom und Dad."
Abblende über Hawaii-Guitarren mit einschmeichelnder Musik.
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#14
Geschrieben 18. August 2005, 12:39
Afrika hat einen arg geschundenen Körper. Sklaverei, Kolonialismus und Imperialismus haben eine gewalttätige und furchteinflößende Kultur produziert, die aus Voodoomündern Geld quellen lässt und dazu als Sinnspruch auf Abreißkalenderblättern Menschen zerhackt. Um sich der eigenen Verantwortung nicht stellen zu müssen, flüchte man wahlweise zum Fußballplatz oder versuche am besten gleich, noch mehr Land zu gewinnen. Für das erhitzte Herz bietet sich die eisige Hölle Alaskas an. Hier spielt The Big White in einem beliebigen, aber ungeliebtem Nest, wie man dem zerschossenen Ortsschild am Ende eines wunderschönen Vorspanns entnehmen kann. Darin läuft Holly Hunter im Schlafanzug Ski ohne Skier, was nicht mehr halb so verrückt scheint, wenn man später erfährt, dass sie am Tourette-Syndrom erkrankt ist. Nicht nur ihre Zunge, nein ihr gesamter Körper gehorcht ihr nicht mehr vollständig, aber auf so eine liebenswürdige Weise, dass man sie eigentlich beständig knuddeln möchte. Kein Wunder, dass Filmmann Robin Williams trotz finanzieller Sorgen ihr eine gute Behandlung ermöglichen will, was mit der Lebensversicherung des verschollenen Bruders ein leichtes Spiel wäre. Aber ohne Leichnam kein Zaster und Call-A-Corpse liefert auch sehr spärlich. Selten ist aber nicht nie. Dumm nur, dass zwei halbseidene Ganoven eben jene Leiche doch noch mal für die Aktenablage benötigen. Klingt vorhersehbar? Ja und nein. Denn was Mark Mylod da produziert, ist keineswegs ein zweites Fargo, dazu scheint Mylod der Mumm zu fehlen. Vielleicht mag er aber seine Figuren einfach zu sehr, um sie zum Äußersten zu treiben. Dafür kann er seine feinen Beobachtungen der Kleinstadtcharaktere mit einem tollen Cast umsetzen. Ribisi spielt so herrlich rigide, als ob sie seine Anzüge mit Beton ausgegossen hätten, und auch Woody Harrelson geriert sich fast so launenhaft wie Mickey Knox oder Larry Flynt. Im Gegenzug bin ich gerne gewillt, bei den Dramaturgiefehlern ein paar Augen zuzudrücken.
Auch bei Casshern sollte man beide Augen zudrücken oder sich wenigstens die Pathosbrille aufsetzen, ansonsten kann man sich leicht die Retina verätzen. Ein kunterbuntes Popspektakel, das ähnlich wie Sky Captain And The World Of Tomorrow reale Schauspieler mit virtuellen Kulissen kombiniert. Leider verwechselt Regisseur Kazuaki Kiriya häufig Wucht mit tiefer Emotionalität, was dem Film den falschen Vorwurf des Popfaschismus einbringt. Dazu ist der Film aber zu sehr um Universalität bemüht und auch der Antikriegsgehalt will so überhaupt nicht zur vorgeworfenen Demagogie passen. Die Unsicherheit nach der ersten Ansicht, ob man nun der Aufführung eines grottigen Drecks oder eines Meisterwerkes beiwohnte, ist der Ernüchterung gewichen, dass der Film nicht hervorragend ist, dafür bietet er zu wenig Bruchstellen. Aber er ist erkleckliche Unterhaltung mit vertretbarem Inhalt – kann auch nicht jeder Film von sich behaupten.
Südkorea ist aus etlichen Gründen ein interessantes Filmland geworden. Nicht zuletzt die politische Situation bietet viel Sprengkraft für interessante Geschichten, sei es der unterschwellige Konflikt mit Japan, sei es die Trennung von Nordkorea. Scheinbar bietet The President's Barber (Hyojadong Ibalsa) nur eine Satire um die Wirren eines Friseurlebens nahe am Epizentrum der Macht. Doch je weiter der Film voranschreitet, um so mehr gewinnt das Werk metaphorische Bedeutung und mit dem Zugewinn der politischen Ebene verschwindet auch die Komik. Schade, dass ich so wenig über die Geschichte Koreas weiß, um alle Anspielungen einordnen zu können. Das präzise Zusammenspiel von Präsident (Yeong-jin Jo) und Barbier (Kang-ho Song, der schon in Joint Security Area und Sympathy For Mr. Vengeance sein Können unter Beweis stellte) machte auf jeden Fall Lust, sich näher mit der Rolle von General Park Chung-Hee für Korea zu beschäftigen. Mein absoluter Überraschungshit des diesjährigen Filmfestivals. Ich wünschte, Deutschland würde auch nur halb so viel aus seiner Geschichte ziehen.
Nicht ganz so überraschend kam Survive Style 5+ daher, wurde er doch bereits in der Splatting Image ordentlich gelobt. Tatsächlich war das Erstlingswerk von Gen Sekiguchi mehr als überzeugend. Seine fünf quietschebunten Fernsehwelten haben locker das im Titel versprochene Plus erzeugt und weisen ihn als die cleverere Variante von Guy Ritchie aus. Kein Wunder, dass sich unser aller Lieblingsschauspieler wie Tadanobu Asano, Sonny Chiba oder Yoshiyuki Morishita darum geschlagen haben, in den exquisiten Sets glänzen zu dürfen, zeugen diese doch nicht nur von einem angenehm verwirrten Geschmack, sondern auch von einem profunden Verständnis der Kunstgeschichte. Auch wenn ich wiederum nicht verstehe, was der Film mit der Festivalidee zu tun hat, bin ich doch froh, dass er im Programm war. Habe ich schon erwähnt, dass Institutionen per se nichts Schlechtes sind? Immerhin wissen die Leute vom FFF lang genug, was sie tun, um etwas mehr als nur ein glückliches Händchen bei der Filmauswahl zu haben.
Das Ende?
#15
Geschrieben 04. September 2005, 16:53
Einen ungewöhnlichen Weg beschritt Peter Jackson mit seinem Erstlingswerk Bad Taste, dessen Titel sowohl Inhalt als auch Form des Filmes hinreichend wie selbstironisch kommentiert. Jackson spielt darin wie in seinen früheren Arbeiten gekonnt mit Klischeeplots. Hier ist es die Alieninvasion, die für die Außerirdischen dummerweise in einem kleinen Städtchen Neuseelands anfängt, in dem "The Boys" einer Regierungsorganisation, des "I'd wish we change that name" Astro Investigation and Defence Service, auf heroischer Wacht zum Schutze der Menschheit bereitstehen. "Die Jungs" sind zwar leicht unterbelichtet, was man an ihrem Sonnenschutz im Auto und dem Code für Alieninvasion "The bastards have landed" erkennen kann, aber es ist ein Glück für das edle Menschengeschlecht, dass die Außerirdischen eine gute Illustration für das Sprichwort "Du bist, was Du isst." abgeben. Bei derart geballter Dumpfheit ist klar, dass ein Kampf bis aufs Blut unvermeidlich ist.
Lustig ist dies vermutlich nur für Leute mit starkem Magen, die können sich aber dafür köstlich über allerlei Unappetitlichkeiten amüsieren. Es wird gesplattert, was die Hobbytrickkiste hergibt, und mehr als einmal muß man an die neuen Freunde, die Happy Tree Friends, denken, wenn die Gehirne elegant durch die Gegend segeln. Spaß macht der Film aber vor allem deshalb, weil man hier noch deutlich den Filmfanatiker Jackson erkennen kann. Hat sich nicht jeder von uns schon mal vorgestellt, mit seinen Freunden einen derart lustigen Scheiß nachzuspielen? Jackson lebte, genauso wie die Gosejohanns, diese Idee stellvertretend für uns, ohne in amateurhaftes Rumgestümper zu verfallen. Die erfindungsreichen Spezialeffekte sehen angesichts des geringen Budgets wahrlich überzeugend aus und bei so mancher Szene an der Steilküste Neuseelands fragt man sich, ob sich die Akteure nicht wirklich in Lebensgefahr begeben haben. Einzig der offensichtliche Schauspielermangel nervt manchmal, wenn dieselben Gesichter zum x-ten Male wieder auftauchen. Aber selbst diesem Manko kann Jackson noch etwas abgewinnen, indem er in einer Doppelrolle sich selbst foltern darf. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein großer Schritt für Peter Jackson.
Aus demselben Jahr wie Bad Taste stammt Peter Richardsons Film mit dem programmatischen Titel Eat the rich. Alex, Kellner im Nobelrestaurant *Bastards*, muß nicht nur die Londoner Neureichen ertragen, die sich an Pandababy in Honigkruste laben, sondern auch noch ihre Verachtung dulden. Als er wegen Renitenz aus dem Lokal fliegt und sich selbst die Angestellten beim Sozialamt über ihn lustig machen, platzt ihm der Federboakragen und er bricht mit ein paar Mitstreitern auf, eine kleine Revolution zu starten.
Dies hätte ein hochpolitischer Film zur jetzigen Zeit werden können, aber dafür mangelt es dem Film wiederum an Ernsthaftigkeit, was bei weitem kein Vorwurf sein soll. Hier kriegen alle ihr Fett ab, Politiker, Berufsrevolutionäre, Gewerkschafter – und natürlich die in den Achtzigern aufgetauchten Yuppies, denen im Film ordnungsgemäß das vermessene Fell über die Ohren gezogen wird. Der Film suhlt sich genüsslich in der Überspitzung der Verhältnisse, ohne die Realitäten aus den Augen zu verlieren. In stillen Momenten wünscht man sich, dass gesellschaftliche Veränderung so einfach wäre wie im Film, in dem mitten in der englischen Einöde sich zwei Unbekannte treffen: "We are planning a people's uprising. Do you wanna join us?" "Oh, I'd love to." Aber natürlich ist Eat the rich auch eine Abrechnung mit der Revolutionsattitüde der Punkmusik, deren Liedgut mehr als einmal als Dialogphrase zu sich selbst findet. Insofern verwundert auch nicht das Aufgebot britischer Musiker in etlichen Nebenrollen, in denen neben bekannten Gesichtern wie Shane MacGowan, Paul McCartney und Wendy O. Williams vor allem Lemmy, der Sänger von Motörhead, auftaucht, die dem Film auch den treibenden Soundtrack verpasst haben. Eine gelungene Satire auf eine Gesellschaft also, deren oberstes Ziel das Konsumieren ist und die sich so selbst auffrisst.
Derlei politischen Subtext von einem Film zu erwarten, der mit dem Gütesiegel *Produziert von Roger Corman* versehen ist, wäre wahrlich zuviel des Guten. Dennoch bin ich ein großer Fan seiner Werke, weil er sich nie mit einer uneingelösten Pose von Intellektualität geschmückt hat, sondern seine über 300 Werke immer klar konzipierte Exploitationgranaten gewesen sind, die nur eins im Sinn hatten: Leute mittels Schockeffekten ins Kino zu locken. Nicht der Kinofilm, sondern die Kinokarte ist für ihn interessant.
So ist auch Mutant (Forbidden world) aus dem Jahr 1982 ganz offensichtlich ein Alien-Klon. Ein Forschungsteam auf dem fernen Planeten Xerbia soll das Ernährungsproblem der Erde lösen. Jedoch die genkonstruierte Nahrung hat leichte Verständnisprobleme mit der Jäger-Beute-Beziehung und sieht die Forscher als zehn kleine Negerlein an, obwohl es doch weniger Leute und vornehmlich Weiße sind. Kann Weltraumrambo Mike die Rettung bringen? Ist ein Bademantel für eine frischgeduschte Blondine ein ausreichender Schutzanzug vor dem Monster? Ist irgendjemand bei den Antworten *Ja* resp. *Nein* überrascht?
Leicht hätte dieser Film zu einem langweiligen Plagiat werden können, immerhin hat Alien schon alles richtig gemacht, was man richtig machen konnte. Aber Regisseur Allen Holzmann hat sich in den drei Jahren seit Erscheinen von Ridley Scotts Film scheinbar genug Gedanken darüber gemacht, dass man mit einem kleinen Budget eh nicht gegen das Vorbild ankommen kann und setzt alles auf eine Karte. Et voila, die Mischung aus Ekel, Gekrietsche und nackter Haut muß man tatsächlich als gelungen bezeichnen. Man kann sich nur wundern, dass die Anolis-DVD eine FSK 16 Freigabe bekommen hat. Die Körper werden nicht nur schön glibberig durch den Mutanten transformiert, sondern zappeln auch noch in ansprechend abschreckender Art und Weise vor sich hin. WIE nun unser narbenverzierter Kosmos-Mini-Bond indes das metamorphe Plastikmonster erlegt, muß man einfach gesehen haben. Eine Szene, wie frisch aus dem Unwahrscheinlichkeitsantrieb der *Heart of gold*.
"Und was lernt uns das?" (Helmut Kohl) Mit Essen spielt man nicht, aber andersrum ist es auch nicht wirklich bekömmlich. Ob die kleinen Zweibeiner am Rande des Universums für diese Erkenntnis schon reif sind, wage ich zu bezweifeln. Immerhin halten sie die Erfindung der Digitalanzeige für eine außergewöhnliche Sache und sich selbst für das letzte Glied der Nahrungskette. In diesem Satz entdecken die Bewohner von Beteigeuze VII genau einen Fehler. Ein Blick auf die Uhren der teddybärartigen Geschöpfe ließe so manchen Menschen erschaudern.
P.S.: Wer sich übrigens nichts unter *German Humour* vorstellen kann, der sollte sich mal die Comedysynchro der Marketing-DVD von Bad Taste anhören. Wer das überlebt, hat eine Ahnung davon, wie man andernorts das deutsche Humorverständnis einschätzt, denn das Ganze hat einen Spaßfaktor wie die Pissrinnen beim Oktoberfest.
#16
Geschrieben 10. September 2005, 10:07
Ein Besuch bei Kiss Kiss Bang Bang hat mich wieder mit meinem Schicksal ausgesöhnt, den Film nicht auf dem diesjährigen FFF gesehen zu haben. Kam mir alles hochgradig zusammengeklaut und gewollt witzig vor. Haha, ein Gauner, der einen Bullen spielen soll. Muahaha, Heteromänner, die sich küssen müssen. Was'n Bringer. Und dann noch Santa Esmeraldas Don't let me be misunderstood zu klauen, weil es in Kill Bill so wirksam war – also nee, da muß man mich schon mit guten Argumenten überreden, dass ich mir den Film noch ansehe.
Das Schicksal meinte es nicht gut mit mir und sagte: Gehen Sie über Venom (Horrorstandardkost), Bee season (weinerlicher Familienschmonz) und Jarhead (erst entdeckt Sam Mendes sein Herz für den Krieg der Vorgärten, dann den der Wüstenstürme – ob da sein zustimmendes Kopfschütteln ausreicht, um einen unpeinlichen Film zu produzieren, wage ich zu bezweifeln) direkt ins Gefängnis. Das ist in dem Falle die perfekte Stadt von Aeon Flux, in der, wie in allen scheinbar vollkommenen Gesellschaften, die Ordnung durch versteckte Gewalt aufrechterhalten wird. Was im ersten Moment mit der schick entmonsterten Charlize Theron noch sehr ansprechend aussah und ein interessant-düsteres Zukunftspanoptikum hätte werden können, entpuppte sich nach kurzer Zeit als Action-Standardkost. Video killte halt nicht nur den Radiostar, sondern auch das Bedürfnis nach einer durchdachten Handlung. Der Film wird bestimmt sein Publikum finden und er wird es gewiß verkraften, dass ich nicht dazugehören werde.
Auch Walk The Line war nicht halb so ansprechend, wie der Titel verhieß. Man sollte doch meinen, dass aus Johnny Cashs Leben ein spannendes Biopic gezaubert werden könnte, hatte der *Man in Black* doch ein wechselvolles Leben zwischen wilder Ausschweifung und religiöser Entsagung. Was aber zumindest der Trailer daraus macht, sieht trotz Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon nach einer billigen Ausbeutung einer Legende aus. Da schau ich mir lieber 33 Mal das Video zu Johnny Cashs Interpretation des Nine Inch Nail Liedes Hurt an.
Nach großen Schmerzen sah ebenfalls Everything Is Illuminated aus. Alles spricht gegen den Film: die erste Regiearbeit eines Schauspielers, ein Hobbit in der Hauptrolle und ein gerüttelt Maß an gewollter Skurrilität. Aber der Geschichte wohnt wohl eine geeignete Dramatik inne, die dem Film die notwendige Tiefe geben dürfte und ihn damit um die peinlichen Klippen einer Sketchparade schifft. Mein großer Favorit – sieht man mal von Neuerscheinungen der Internetpornobranche ab.
#17
Geschrieben 12. September 2005, 09:52
Zum einen, weil ich bei der Trailershow so lässlich war, den neuen Linklaterfilm A Scanner Darkly auszusparen. Sieht verdammt interessant aus, auch wenn mich sein ähnlich konstruierter Film Waking Life nicht vollständig überzeugt hat. Zu sehr war Linklater auf die Idee fixiert, seine philosophische Diskussion zu Schein und Sein des Lebens abzuarbeiten, um tatsächlich ein funktionierendes Spielfilmkonstrukt auf die Beine zu stellen. Da hoffe ich doch sehr, dass er für seinen neuen Film daraus gelernt hat. Der Trailer erweckt jedenfalls den Anschein.
Zum anderen muss ich Abbitte leisten bei Isabel Coixets Film My Life Without Me, den ich vor zwei Jahren als unglaubwürdig, konstruiert und emotional wenig mitreißend beschimpft hatte. Nach der Zweitsichtung habe ich mich für meinen damaligen Hochmut geschämt. Ein feiner, unprätentiöser Film über den Ausschluß des Todes aus unserem Leben, der ganz seinen Fokus auf die Schönheit des Lebens legt, ohne ins Sentiment abzudriften. Kleine Einbrüche von Irrealität verstärken den semidokumentarischen Charakter des Filmes, der über weite Strecken von der fabelhaften Sarah Polley getragen wird. Sicher, ein mitreißender Film ist es immer noch nicht. Aber was kann der Film, der uns an einem außer-/gewöhnlichen Leben inklusive Tod teilhaben lässt, dafür, dass wir mittlerweile gewohnt sind, uns von Filmen überwältigen zu lassen, um noch etwas spüren zu können? Und überhaupt – wie kann man nur einen Film mit Debbie Harry abkanzeln?
Fragt sich jetzt nur noch, ob mein Schuldeingeständnis automatisch zum Ablaß führt oder ob ich erst einen Obulus an DIE PARTEI entrichten muß. Denn die verspricht gegen Geld wenigstens gleich den Himmel.
#18
Geschrieben 15. September 2005, 08:26
Bis gestern hatte ich auch Howie Munson nicht mehr parat, aber dann tauchte Lee Majors lustiger Sidekick in Martians!!! (Spaced Invaders) wieder auf meinem Radar auf. Das Gute zuerst - er hatte sich nicht großartig verändert und immer noch den Charme eines zu groß geratenen Buben. Aber leider beschlich mich wie auch schon in Ein Colt für alle Fälle sofort ein Gefühl von Peinlichkeit, weil Patrick Read Johnson, der Regisseur dieses doch sehr kinderkompatiblen Films, ein schlechter Witzeerzähler ist, so daß man die Pointe entweder schon meilenweit gegen den Wind riechen kann oder sie einfach nur ein übler Furz ist. Das ist schade, denn die Grundidee von den versprengten Marsianertruppen, die aus Versehen auf der Erde ausgerechnet zu Halloween landen, hätte einiges an Potential geboten. Gute Ansätze zeigte sich im Spielen mit Hinterwäldlerklischees wie dem vom autoritären Polizisten, der das Raumschiff der Marsianer wegen Geschwindigkeitsübertretung ("Sie waren 3465 Meilen pro Stunde über dem Limit!") konfiszieren will. Doch das ständige Schielen auf die familiengerechte Überbotschaft nimmt dem Film jegliche Schärfe, die für eine Satire nun mal notwendig ist. So bleibt von diesem Film nicht viel mehr in Erinnerung als einer der knuffigsten Roboter des Universums (ja, eine Kugel kann tatsächlich mit den Schultern zucken) und das vage Gefühl, daß bei der deutschen Veröffentlichung dieses Films mal wieder die Synchro-GSG einschreiten sollte. The Punisher, übernehmen Sie!
#19
Geschrieben 19. September 2005, 23:09
So geht es in Broken Flowers auch Don Johnston, den mehr als nur ein T von Sonny Crockett trennt. Vor allem fehlt ihm das sonnige Element im Gemüt. Kein Wunder, hat er sich doch eingebunkert in seinem Haus, mit Krusten von Trainingsanzügen abgeschottet und versucht mittels Fernseher zu verstehen, was andere Menschen aus ihm gemacht haben. Sieht er mehr dank HDTV-Progressive-Scan-Flatscreen? Versteht er mehr mit DTS-ES Matrix 6.1 Technologie? Oder stiert Don für immer in eine Sackgasse, die sein Leben sein soll?
Vorhang auf für den giallokompatiblen Würger namens Schicksal. Der sendet postalische Grüße für ein rosiges Morgen, in dem Dons verlorener Sohn wieder auftauchen wird. Leider interessiert Don dies nicht, denn er hat es sich mit seinem neuen Freund A. Pathie auf der Couch kartoffelig bequem gemacht. Glücklicherweise ist Nachbar Winston ein Hobby-Shaft und so macht sich Don auf die Suche nach seiner vergangenen Zukunft, weil in altbewährter Manier jemand anderes ihn in die Spur schickt. Ich verrate hoffentlich nicht zu viel, wenn ich sage, dass er seinen Verflossenen begegnet und mit einem blauen Auge davonkommt.
Ich mag Jarmuschs Filme wirklich. Ehrlich – jeden einzelnen. Ich liebe die wahren Reservoir Dogs aus dem Orleans Parish Prison, deren soziale Brandmale Jarmusch in Down By Law mit der Aufschrift OPP zeigt. Ich bewundere die Gespräche des Ghost Dog mit seinem einzigen Freund, dem Eisverkäufer. Man kann nicht genug den Umgang mit dem Elvismythos in Mystery Train preisen. Die Idee des Taxis als universeller Raum für ein Kammerspiel in Night on earth ist hervorragend. Die stets verschiedenen und doch immergleichen Arrangements von Kaffeetassen auf Tischchen in Coffee And Cigarettes wirken wie der Refrain einer Quadrille, der den Rahmen für die abwechslungsreichen Strophen des Dialogs bietet. Für das Gefühl des Versinkens der Welt in Dead Man würden weniger begabte Regisseure töten. Doch bei Broken Flowers hatte ich erstmals Schwierigkeiten mit einem Werk von Jarmusch, zu sehr stieß mich der Film ab.
Sicher, die Handlung dreht sich wie eh und je um Reisen, die Stillstand bedeuten, und die Bewegung, die in der Stille liegt. Die Musikauswahl ist diesmal äthiopienlastig, aber gewohnt zweckdienlich. Auch die Nebendarsteller sind mit der gequälten Frances Conroy, der sanften Jessica Lange, der wie immer bezaubernden Chloë Sevigny und der schroffen Tilda Swinton ausnahmslos bedacht besetzt. Aber die Figur des Don – sie bietet mir im Gegensatz zu früheren Hauptfiguren keine emotionale Bindungsmöglichkeit an. Trotz aller Schrulligkeiten liebe ich Eva, Zack, Mitzuko, Nobody, Cate & Shelly, Helmut und Louise, weil Jarmusch uns die Schwächen seiner Gestalten mit der verständnisvollen Güte eines Schöpfers erblicken lässt. Für Dons tiefsitzende Resignation scheint Jarmusch wenig Verständnis aufbringen zu können. Ich auch nicht. Nur zur Sicherheit sei erwähnt, dass die Distanziertheit nicht durch Murrays Schauspiel hervorgerufen wird. Seine mittlerweile ausgereifte Verkörperung eines Anti-Keaton, der Humor nahezu gar nicht mehr mit dem Körper, sondern nur noch mit dem Gesicht erzeugt, ist passend, ohne unsympathisch zu wirken. Für die Teestunde in der Puppenstube möchte man ihn wirklich knuddeln, wenn nicht die Lähmung seines Lebenswillens so grauenerregend echt wirken würde. Dies möchte ich doch lieber nicht derart real auf der Leinwand sehen; das muß jeder am Ende seines Lebens allein mit sich selbst ausmachen.
„In the end, everybody dies alone.”, flüstert Grandma Death Donnie Darko ins Ohr. „Recht hat sie!“, sagt Broken Flowers. „Aber“, so fügt er hinzu, „bis dahin ist noch ein Stück Weg zu gehen. Und manchmal, nur manchmal wähnt man sich im finstersten Wald fern jeder Lichtung und plötzlich bricht durch die Wipfel ein Sonnenstrahl auf eine Blume am Wegesrand herein. Lohnt nicht allein dafür der Weg?“
#20
Geschrieben 02. Oktober 2005, 10:23
Manchmal funktioniert aber auch ohne menschliches Eingreifen der Plan des Allwissenden ganz hervorragend. Beispielsweise wenn zum Erwerb der James Dean Collection zeitgleich Rebel without a cause in OmU in die Kinos kommt, damit man nicht auf die heimatliche Mattscheibe angewiesen ist.
Überraschung N° uno: An einem ganz normalen Tag sitzt man nicht allein mit dem Filmvorführer im Kino, sondern die Stimmung im Saal ist schon ordentlich durch schwitzige Menschenleiber angeheizt. Überraschung N° due: Der Film ist gar nicht der langweilige Klassiker, als den ich ihn abgespeichert hatte, sondern er hat als Teenagerdrama die Zeit verblüffend gut überdauert. Nicholas Ray zeigt die Probleme dieser Lebensphase recht unverklärt und die Nöte von Judy, Jim und John, dieses Gefühl des Unverstandenseins, des Ausgestoßenwerdens aus dem vertrauten Elternhaus, der hassgeliebten Einsamkeit (fein getroffen mit der Metapher des Planetariums), findet man heute genauso wie damals als Grund, warum sich Jugendliche nicht mehr in ihr Umfeld integrieren wollen. James Dean zeigt sich dabei gerade aus dem zeitlichen Abstand betrachtet als Bremse für den Film, ist er doch weder ein besonders talentierter Schauspieler noch unauffällig genug, um dem Film nicht zu schaden. Er durchläuft keinerlei Entwicklung, steht vor allem adrett in der Gegend rum und ist Ziel sehnsüchtig-schmachtender Blicke von Judy, dem jugendlichen Publikum vor der Leinwand – und von John. Der Hayes-Code hat Stewart Stern natürlich ins Drehbuch diktiert, dass John eine Ersatzfamilie in Jim und Judy sucht, aber das Publikum wusste natürlich sofort, was die Spindbilder und der Spitzname Plato bedeuten sollten. Und wer bis dahin noch nix geschnallt hatte, der wusste spätestens nach dem Aufschlag der Kulleraugen von Sal Mineo, was wirklich mit dieser Figur gemeint war. Folgerichtig muß John am Ende auch sterben, weil es für ihn keine Zukunft in dieser Skript-Welt geben kann.
So ist der wirkliche Star in ...denn sie wissen nicht was sie tun auch Natlie Wood. Sie verleiht dem Film einen unglaublichen Charme und taumelt in ihrem Spiel galant zwischen ernsthaftem Weltschmerz und jugendlicher Unbekümmertheit. Gerade diese Ausgelassenheit in der Eroberung der verlassenen Villa, diesem damals einzig denkbaren Fluchtpunkt in die Zukunft für Jim und Judy, erzeugt im Zuschauer ein warmes Gefühl der Empathie. Dies wird nur noch durch die unübertreffliche Szene überboten, wenn Judy das Startsignal fürs Wagenrennen gibt. Wie sie ekstatisch die Arme nach oben reißt, weil in ihr eine Ahnung hochsteigt, dass hier zum ersten Mal Menschen sich nicht nur für sie interessieren, sondern bis zum Äußersten auch um sie kämpfen wollen; das Glühen in ihrem Gesicht, wenn die Autos links und rechts an ihr vorbeirasen; der Freudensprung, den sie in die Luft macht, so dass in einer einzigartigen Bewegung ihr Rock um sie schwingt – das ist quasi die Punkrockattitüde *Live fast, die young* vorweggenommen in den Fifties. Wenn ich zehn Sekunden der Filmgeschichte auswählen müsste, die Jugendlichkeit repräsentieren, dann würde ich diese Szene nehmen.
Leider werden all die positiven Seiten des Filmes, zu denen auch die überzeugende Bildkomposition in dramatischen Momenten gehört, durch eine seltsam anmutende Furcht vor einer Erstarkung des weiblichen Geschlechts getrübt. Aber da sollte man Nachsicht walten lassen, ist der Film darin einfach Kind seiner Zeit. Und sollte die männliche Überlegenheit wirklich ein göttlicher Plan gewesen sein, dann ist zumindest der glücklicherweise gescheitert.
#21
Geschrieben 10. Oktober 2005, 18:43
Jenseits des historischen Interesses kann der Film auch heute dem Zuschauer Erkenntnis bescheren. Humanistische Deckmäntelchen wie *War on hunger* sind keine Erfindung der Neuzeit, die personelle Verknüpfung von Politik und Wirtschaft führt auch heute bei einem Kanzler zu weniger Turbulenzen als seine gefärbten Haare und Journalismus ist auch heute noch vor allem vierte Staatsgewalt - mit Betonung auf beiden Wortteilen.
Aus ganz anderem Pappmaché ist Im Himmel ist die Hölle los, aber auch derlei Funtrash macht man heute nicht mehr so. Mitte der Achtziger konnte man sich auf die Fahnen ein Recht auf Faulheit schreiben. Hausbesetzer waren eine erkleckliche Jugendkultur und der Mauerfall stand noch bevor, so dass nichts vom Volkssturm auf die Sozialschmarotzer, von Dauerkonsumsendungen und von Techno als Zurichtung fürs permanente Schindern zu ahnen war. Dennoch war für das Gros der Menschen das Kleinbürgerleben zwischen Tutti-Frutti und Otto-Katalog vor allem eines – trist. Willi Wunder soll dem mit seiner phantastischen Show auf Kanal 62 Abhilfe schaffen. Die Kulissen sind bunt, Assistentin Beate ist elegant und die Musik ist Trumpf, die aus dem Fernsehapparat Mallorca erschallt. Alle Teenagerinnen der Käseburger Schule himmeln Willi an, denn er ist ein Bravoröses Versprechen der großen weiten Welt. Als dann die nächste Show auch noch in Käseburg stattfinden soll und sehr unzufällig Beate das Zeitliche segnet, so dass ein Casting für eine neue Assistentin bevorsteht, gibt es kein Halten mehr: alle müssen ins Fernsehen, um glücklich zu werden.
Es ist schon seltsam. Da wird allenthalben auf die Achtziger als das sorglose Jahrzehnt herabgeblickt, aber was die Leute um Helmer von Lützelburg da fabriziert haben, hat eine politische Konnotation, die der Trashkultur von wenigen Ausnahmen wie Operation Dance Sensation abgesehen, heutzutage vollkommen abhanden gekommen ist. Vor dem neu aufgekommenen Medium Privatfernsehen artikuliert sich hier ein Schock, dessen überspitzte Verarbeitung einerseits brüllend-komischen Humor erzeugt, andererseits aber dermaßen prophetisch wirkt, dass einem heute Angst und Bange wird. Vielleicht liegt es daran, dass neben notorischen Ulknudeln wie Dirk Bach, die zwanghaft grimassieren und winken, sobald eine Kamera surrt, auch Fassbinder-Epigonen wie Harry Baer oder die großartige Barbara Valentin mit am Start waren. Ihre Darstellung der alleinerziehenden Mutter, die ihre zerplatzten Träume auf die Tochter projiziert, verströmt einen schnodderigen Lebenshunger, dass man sie eigentlich nur dafür lieben kann, wenn die der Tochter aufgetischten Bohnen nur kalt und nicht auch noch gefroren sind. Über allem thront natürlich Billi Zöckler als Mimi Schrillmann. Egal, ob sie hinter Willi Wunder herrennt, ins Wasser gehen will oder mit der Lehrerin im Clinch über die Funktion der männlichen Samenfäden liegt – sie ist ein hinreißend eigenwilliges Gör, dem man von ganzem Herzen ein Happyend wünscht. Das trifft auch ein, ist aber dummerweise eine Huldigung an Tucholskys berühmtes Gedicht. Ein Film mit hohem Mitsingfaktor und unglaublichsten Storywendungen, der auch beim x-ten Mal anschauen immer noch Spaß macht. Einzig das Verfallsdatum mancher Stars wie Clementine könnte für Augenbrauenzucken beim jüngeren Publikum sorgen.
Kommen wir nun zum einzigen Ärgernis dieses Filmes – der DVD. Was sich da die Edition Salzgeber erdreistet hat, als Special Edition unters Volk zu werfen, ist eine Zumutung. Der auf 35 mm gedrehte Film ist derart auf Vollbild getrimmt worden, dass an beiden Seiten Stücke des Filmes fehlen. Besonders unschön, wenn man das gleich beim Vorspann mitbekommt, hat man doch den restlichen Film Zeit darauf zu achten, welche Person jetzt wieder an den Bildrand gequetscht wurde. Daß das Bild verrauscht, zu dunkel und instabil in der Helligkeit ist, wirkt demgegenüber fast schon als lachhaftes Manko. Bis auf den wirrsinnigen Trailer und ein Booklet mit den Liedtexten sind die Extras aus der Kategorie „Im Schneideraum zusammengefegt“.
Aber was soll man machen, wenn es sich um die einzige Veröffentlichung handelt? Kaufen natürlich. Denn in größerer Runde hat man trotz dieser DVD einen Mordsgaudi mit der diabolischen Vanessa Video, sprechenden Todessuppen und dem Schlagersänger Rex Dildo. Hossa!
#22
Geschrieben 13. Dezember 2005, 10:10
1. Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland
Wir befinden uns auf Io, dem dritten, in der Sternenmitten und schreiben das Jahr 2273. Ach nein, ein Endlostext erklärt uns, dass der Jupitermond einen Durchmesser von 2273 Meilen hat. Das interessiert das Bergwerkunternehmen Con-Amalgamate herzlich wenig, denn einzig der gewinnbringende Abbau von Titan, das in der Raumschifftechnologie eine wichtige Rolle spielt, liegt im Fokus des Unternehmens. Den reibungslosen Ablauf des Alltags schmieren deshalb Suff und Nutten und gibt es doch mal eine Schlägerei, dann soll der neu angekommene Marshall O’Niel (Sean Connery) für Zucht und Ordnung sorgen. Dumm nur, dass zum einen seine Frau schnell die Schnauze voll hat von den endlosen Weiten des Alls und zum anderen etliche Arbeiter Ausflüge ins nächstgelegene Vakuum unternehmen, was ohne Raumanzug ganz schön körperdeformierend ist. Schnell merkt der Marshall, dass Drogen im Spiel sind. Nein, nicht bei seiner Frau, deren Abreise ihren klaren Verstand beweist, sondern unter den Arbeitern kursiert rotes Teuerwasser, das die Stumpfheit der Minenarbeit mit einer angenehmen Birnenbetäubung überdeckt. Auf der Suche nach den Verantwortlichen ist O’Niel bald auf sich alleingestellt; einzig zur kratzbürstigen Ärztin (Francis Sternhagen) baut sich so etwas wie Vertrauen auf.
Outland – Planet der Verdammten macht es einem leicht, sich über seine offensichtlichen Fehler zu mokieren. Der Einstieg ist misslungen, auf der faktischen Ebene holpert es gewaltig (Schusswaffen auf einer Raumstation? Explodierende Körper im All? Lichterketten am Sichtfenster der Raumanzüge?) und die Effekte sind gelinde gesagt Magermilch. Zu allem Überfluß hatte der Film so kurz nach dem Start von Alien einen schweren Stand selbst bei eingefleischten Fans des Genres, weil er dem Vorwurf des Plagiats ausgesetzt war.
Dennoch muß man diese Alladaptation von High noon als gelungen ansehen, denn er verbreitet in der Charakterisierung der Umstände und Personen eine Echtheit, die die meisten Rapproduktionen für sich zwar reklamieren, aber nur selten erreichen. Angefangen bei der dreckigen Funktionalität der Kolonie, die an die armselige Ästhetik einer Bohrinsel erinnert, über die Darstellung der ausbeuterischen Arbeitsbedingungen bis zur Entwicklung der Konstellation Connery – Sternhagen, deren funktionierende Chemie in jeder Einstellung sichtbar ist, spürt man Peter Hyams Instinkt für Lebensnähe, der auch schon seinem Film Capricorn One die notwendige Authentizität verliehen hat. Nicht zuletzt dem wuchtigen Score von Altmeister Jerry Goldsmith verdankt Outland seine niederschmetternde Schwere, die so gar nicht zur geringen Gravitation von Io passen will.
2. Zweites Deutsches Fernsehen
Von Anolis’ fabulöser Hammeredition war hier schon die Rede. Nun ist die Serie vollständig in meinem Besitz und ich bin, von wenigen Ausnahmen wie Robin Hood – Der Freiheitsheld abgesehen, doch sehr sehr angetan. Besonders viel Spaß hat die Neuentdeckung von Bestien lauern vor Caracas (The lost continent) gemacht, der schon in seinen ersten Einstellungen eines Schiffsfriedhofs klar macht, dass er fern jeder Realitätsdarstellung ist. Dennoch ist die MS Carita kein Traumschiff und schnell wird deutlich, dass Mannschaft und Passagiere alle mächtig Dreck am Stecken haben. Würde sonst der Kapitän nicht auf die Aufforderung der Zollbeamten reagieren, das Schiff nicht auslaufen zu lassen? Und warum sonst sollten die Passagiere selbst dann nicht von Bord gehen, als klar wird, dass das Schiff in großer Gefahr ist, so dass selbst die Mannschaft sich davonstiehlt?
Gerade, wenn man versucht, sich in der Erzählstruktur „Dramen auf hoher See“ einzurichten, kriegt der Film ein herzerfrisches Schlingern, wirft sämtliche Erzählkonventionen über Bord und entwickelt sich zu einer wilden Räuberpistole, die banale Abenteuerkost im Stil von Relic hunter als die standardisierte Formel entlarvt, die sie nun mal ist. Da werden in Vorwegnahme von Tarantino Genres zusammengeschraubt, die eigentlich gar nicht zusammenpassen sollten, es aber doch taten dank der Regie von Michael Carreras. Auf seinem verlorenen Kontinent namens Phantasie findet das freundliche Gummimonster von nebenan Platz in Hitchcocks Lifeboat, Inquisitionsinzucht existiert gleich neben Retro-SF und Gangsterdramolett. Ganz großer Bahnhof ist neben Auftritten von Stars wie Hildegard Knef, deren schlechtes Gewissen schon an den Kajalstiftaugenringen ablesbar ist, natürlich die Erfindung der Schneeschuhsupplemente, die in Anbetracht der fehlenden technischen Möglichkeiten vermutlich mit Darmgasen gefüllt sind. Zu schade, dass der Film den Zuschauer so abrupt und ziellos in die Wirklichkeit entlässt. Um so lieber kehrt man vermutlich zur Phantasiewelt zurück. Eine würdige Verbeugung des Sohnes vor seinem Vater, dem Gründer der Hammerstudios.
3. Norddeutscher Rundfunk
Science Fiction Filme hatten in der Nachkriegszeit der Fünfziger Jahren ungeahnten Aufwind. Eingeläutet von Filmen wie Rocketship X-M oder Destination moon und orchestriert von den ersten Erfolgen der Raumfahrt war diese Phase Ausdruck des Fluchtwunsches durch Zeit und Raum angesichts der Erkenntnis, zu welchen Höchstleistungen der Homo technicus auch auf dem Gebiet des Mordes befähigt ist. Zeitgleich mit dem aufkommenden unrealistischen Zukunftsoptimismus artikulierten sich aber auch die Ängste vor einer unkontrollierbaren Entwicklung, die prototypisch in The thing from another world verarbeitet werden.
Eine Militärbasis am Nordpol wird zu Hilfe gebeten, weil eine wissenschaftliche Außenstelle ein ungewöhnliches Flugobjekt gesichtet hat. Ein Meteor? Sicher nicht, denn erstens deutet die Flugbahn nicht auf ein passives Objekt hin und zweitens spielt der Kompaß verrückt. Die Russen also? Kaum, denn als man bei der Absturzstelle ankommt, stellt man fest, dass das Metallding zu riesig für die unterentwickelten Russen ist. Jaja, die naive alte Zeit, konnte man damals doch weder den Sputnikschock noch die Existenz bösartiger Außerirdischer erahnen. Denn niemand anderes ist dort abgestürzt und im ewigen Eis eingefroren. Da hätte man ihn auch besser lassen sollen, denn in der Wärme der Station erwacht der Außerirdische zu seiner tödlichen Bestimmung: Vermehrung um der Vermehrung willen. Wer sich an Ridley Scotts Film erinnert fühlt, sei willkommen in meiner Welt.
Wer heutige Maßstäbe anlegt, wird von dem Film vermutlich enttäuscht sein. Das Monster hatte eine so unzureichende Maske, dass man es vorsichtshalber nie in Großaufnahmen zu sehen bekommt. Es gibt keine ausgefeilten technischen Spielereien und keine Blutorgien. Der Horror kommt vielmehr von der Andeutung des schwer zu kalkulierenden Risikos in diesem Ausnahmezustand und vom Gefühl der Isolation und Belagerung an diesem Außenposten der Zivilisation. Der Film lässt sich dafür schöne Bilder einfallen, um in Andeutungen die furchtsame Phantasie des Zuschauers zu beflügeln. Beispielhaft ist neben dem dramaturgischen Aufbau der Schlittenhunde die Darstellung des abgestürzten UFOs, die vollkommen ohne technizistischen Schnickschnack dem Zuschauer das Ausmaß der unter dem Eis lauernden Bedrohung vor Augen führt. Ein weiterer Pluspunkt ist die ständige Verhandlung des Umgangs mit dem Unbekannten, ein stetiges Pendeln zwischen Verständigung und Vernichtung. Der Ausgang des Filmes hat ihm den Vorwurf der unlegitimen Aggressivität eingetragen. Ein Einwand, den die Vertreter dieser Position noch mal Auge in Auge mit einem hungrigen Wolfsrudel wiederholen sollten.
Viel Gewese wird darum gemacht, ob nun Christian Nyby oder Howard Hawks diesen Klassiker inszeniert hat. Einiges spricht für Hawks, die menschliche Karotte James Arness behauptet das Gegenteil. Aber sollten uns derlei Kleinigkeiten wirklich kümmern? Nein, lieber buchstabieren wir noch mal alle unsere Lieblingsfilme der Goldenen SF-Ära durch. Oder noch besser - wir singen sie:
Michael Rennie was ill
The Day the Earth Stood Still
But he told us where we stand
And Flash Gordon was there
In silver underwear
Claude Rains was The Invisible Man
Then something went wrong
For Fay Wray and King Kong
They got caught in a celluloid jam
Then at a deadly pace
It Came From Outer Space
And this is how the message ran...
Science fiction (ooh ooh ooh) double feature
Doctor X (ooh ooh ooh) will build a creature
See androids fighting (ooh ooh ooh) Brad and Janet
Anne Francis stars in (ooh ooh ooh) Forbidden Planet
Wo oh oh oh oh oh
At the late night, double feature, picture show
I knew Leo G. Carroll
Was over a barrel
When Tarantula took to the hills
And I really got hot
When I saw Janette Scott
Fight a Triffid that spits poison and kills
Dana Andrews said prunes
Gave him the runes
And passing them used lots of skills
But When Worlds Collide
Said George Pal to his bride
I'm gonna give you some terrible thrills
Like a...
Science fiction (ooh ooh ooh) double feature
Doctor X (ooh ooh ooh) will build a creature
See androids fighting (ooh ooh ooh) Brad and Janet
Anne Francis stars in (ooh ooh ooh) Forbidden Planet
Wo oh oh oh oh oh
At the late night, double feature, picture show
I wanna go - Oh oh oh oh
To the late night, double feature, picture show
By R.K.O. - Wo oh oh oh
To the late night, double feature, picture show
In the back row - Oh oh oh oh
To the late night, double feature, picture show
#23
Geschrieben 17. Dezember 2005, 16:47
Das steht natürlich alles einer qualitativ hochwertigen Arbeit Jacksons nicht unbedingt im Wege. Hellhörig macht aber schon, wie wenig außer der CGI-Nutzung Jackson dem Original scheinbar hinzuzufügen hatte. Immerhin ist Jackson der Mann, der Hitchcocks Psycho so glorios in ein Bad Taste umgewandelt hat. Stützt die alte These, dass Sattheit denkfaul macht; da kann der Peter zur Tarnung abnehmen, so viel er will.
Dennoch einen positiven Effekt hatte das Remake schon, weil er mein Augenmerk auf den verschollenen japanischen Film Edo ni arawareta Kingu Kongu gelenkt hat. Vielleicht war dies der erste Film, in dem die Japaner statt der aufwändigen Stop-Motion-Technik als Spezialeffekt einen kostümierten Mann Ministädte zertrampeln ließen. Hielt bis jetzt Eiji Tsuburaya für den Erfinder dieser Idee, aber Fuminori Ohashi war nicht nur für die Spezialeffekte anno 1938 verantwortlich, sondern auch an Ishiro Hondas Gojira im Jahre 1954 beteiligt. Für sachdienliche Literaturhinweise wenden Sie sich bitte nicht an die örtliche Polizeidienststelle, sondern lieber gleich an Oberkommissähr Critic.
#24
Geschrieben 22. Dezember 2005, 01:25
Wer es immer noch nicht gemerkt hat, ich rede natürlich nicht von King Kong, sondern von Olivier Kleins Kurzfilm Bhaï bhaï, der das Leben eines indischen Illegalen in Frankreich im Stile der Bollywoodschen Sangesfilme illustriert - bis zum bitteren Ende. Ehrlich, diese Viertelstunde hat trotz des mir seltsam anmutenden Musikstiles deutlich mehr Freude und Kummer in mir erzeugt als Peter Jacksons dreistündiges gequirltes Nichts. Damit hat er nur endgültig bewiesen, daß er in Hollywood heimisch geworden ist. Leider ist aus dem fanatischen Filmfreund ein Effektetechnokrat geworden oder gibt es auch nur eine sinnvolle inszenatorische Idee, die dem Schoedsack/Cooper Film etwas hinzuzufügen hätte? Ein Film, der direkt von der Retina in den Papierkorb abgelegt wurde. PJ wird es nicht interessieren, aber mit King Kong hat er einen Anhänger verloren, der bis jetzt wegen der guten alten Zeiten noch jeden seiner Filme sich angesehen hat.
Kong aber ist unverwüstlich, der bleibt mein guter Bhai bhai. Auf die Zukunft, alter Kämpe!
#25
Geschrieben 15. Januar 2006, 12:14
Gerne erinnere ich mich an meine ersten Filme zurück, die ich von Max Castle gesehen habe. Nachtprogramm, Dritte, Schwarzweißfernseher, allein – das war das richtige Ambiente, um Gruselschocker (jaja, liebe Kinder, so nannte man das Zeug damals) wie Das Fest der Untoten, Graf Lazarus oder Das Blutschloß wirklich erleben zu können.
Nun habe ich endlich Theodore Roszaks Schattenlichter (Flicker) gelesen, welches mich reichlich verwirrt hat. Einerseits sehr fesselnde Lektüre, was besonders das Aufarbeiten der UFA-Zeit des Regisseurs, der damals noch unter dem Namen Max von Kastell firmierte, betrifft. Sehr schade, dass vermutliche Meisterwerke wie Simon der Magier verschollen scheinen; dass ich die Aufführung von Die träumenden Augen vor einigen Jahren aus purer Unkenntnis versäumt habe, ist eine Scharte, die wohl nicht so leicht wieder auszuwetzen sein wird. Sehr erhellend in dem zeitlichen Zusammenhang die Einordnung des Kastellschen Werkes, auch wenn man ähnliche Theorien schon in Kracauers From Caligari to Hitler lesen konnte. Aber die Zeit von 1920 bis 1940 scheint das Interessengebiet Roszaks zu sein, der über etliche Quellen verfügt, die die unerwähnte Mitarbeit Kastells an filmgeschichtlich relevanten Werken wie Der Golem oder Orlacs Hände dokumentieren. Großartig sind natürlich auch die Ausführungen des Filmkritikers Jonathan Gates über den Einsatz der Spezialeffekte, die das manipulative Potential des Mediums Film doch ein wenig gruslig erscheinen lassen.
Andererseits bricht das Buch in der Mitte fürchterlich ein, weil mit dem Autor der kulturpessimistische Antimodernismus durchgeht. Es raunt aus allen Ecken, dass er, der Autor, damals bei der richtigen Untergrundbewegung dabei war, aber was dann die Herren Dracula, Entschuldigung: Warhola natürlich, und Co fabriziert haben, das sei doch ein rechter Dreck. Das wirkt doppelt hinrverbrannt, da sich derlei vorurteilsbehaftete Platitüden mit der Verteidigung von Kastells Werken abwechseln, die nun auch nicht gerade vor philosophischem Tiefgang strotzen. Und mal ehrlich, kann man ein Buch uneingeschränkt empfehlen, das an der alten Mär festhält, Plan 9 from outer space sei der schlechteste Film aller Zeiten?
Ein Glück für Roszak, dass er zum Ende von der Splatterschelte (was an der Produktion vom postapokalyptischen Sub sub so pervertiert sein soll, müsste mir der Autor vielleicht doch noch mal bei einem Glas Rothschild vor seinem Kamin erläutern) noch einen überraschenden Bogen zur Gegenwart schlagen kann. Das hat mich dann wieder mit dem Buch ausgesöhnt, so dass ich es doch jedermann, um nicht zu kalauern: Judas Jedermann, ans Herz legen kann.
Man darf auf die Verarbeitung des Themas durch Darren Aronofsky gespannt sein.
Abteilung Spezielle Effekte
„Die Menschen geben heutzutage viel zu schnell ihre Geheimnisse preis.“, lässt Max Goldt einen vorlauten, weil besoffenen, Siebenjährigen sagen. Dass dies auch schon in den Fünfzigern ein Problem war, sieht man am Film Die Teufelswolke von Monteville (The Trollenberg Terror). Egal ob Kinotrailer, US-Titel oder DVD-Cover, stets wird das für den Film essentielle Mysterium dem Zuschauer zu früh offenbart.
In den Schweizern Alpen treiben sich bösartige Wesen herum – Bergsteiger, die Geißel der unberührten Natur. Schnell wird dem Zuschauer klar gemacht, dass es offenbar noch bösartigere Wesen in den Bergen nahe Trollenberg gibt, da einige der Kletterer arg kopflos den Weg in den Abgrund hasten. Professor Crevett (der frühe Groucho Marx?) hat auch schon die radioaktive Wolke nahe seines Observatoriums mit den Vorgängen in Verbindung gebracht und holt sich von den Vereinten Nationen Hilfe in Gestalt des jugendlichen Helden Alan Brooks, der ähnliche Vorgänge schon einmal in den Anden untersucht hat. Als dann die nicht nur sym-, sondern auch telepathische Anne mit ihrer Schwester auftaucht und Kontakt mit dem Bösen herzustellen scheint, ist das Trio komplett, das die Welt vor den höllischsten Kreaturen des Universums erretten kann.
Natürlich ist ein Film mit solch einer Inhaltsangabe Trash-SF. Die exzessiv eingesetzten Styroporsettings mit Rückprojektion, das ungelenke Spiel der Darsteller (Forrest Tucker ist, an die Leistungen von The abominable snowman anknüpfend, eine rühmliche Ausnahme, da er im Gegensatz zu den anderen Schauspielern offenbar nicht auf die Führung durch den Regisseur angewiesen ist) sowie die am niedrigen Budget krankenden Spezialeffekte machen den Film nicht gerade zu einem Klassiker. Dennoch ist er eine interessante Entdeckung, die mehr zu bieten hat als das Begaffen der absonderlichen Kreaturen. In seinen besten Momenten entfaltet der Film einen Sog, der die Bedrohung der Filmfiguren unangenehm spürbar werden lässt. Unwillkürlich habe ich mein ungeübtes Auge über die Bilder schweifen lassen, um nach Anzeichen einer Schwarzbelichtung oder Lichtteilung, wie sie Kastell für derartige Effekte eingesetzt hat, zu suchen. Aber vermutlich handelt es sich nur um die konventionellen Mittel, die dieses unangenehme Gefühl hervorrufen: Beleuchtung, Schnitt, Musik. Da hat Quentin Lawrence, der ansonsten auf britische Fernsehserien abonniert war, das Beste aus seinen beschränkten finanziellen Mitteln herausgeholt.
Abteilung Fumetti per adulti
Hentais stellen einen beträchtlichen Sektor der japanischen Comickultur dar, die nicht nur von Otakus konsumiert werden, sondern Einzug in das alltägliche Leben gehalten haben. Das Stereotyp der Monsterbrüste mit angepappter Frau hat mittlerweile seinen Platz gefunden in der Welt des Fumetto. Als 1962 die Schwestern Guissanni die Abenteuer von Diabolik auf Papier bannten, wäre derlei offensichtliches Gestalten von Sexualität natürlich undenkbar gewesen. Dennoch umgibt das rebellische Außenseitertum Diaboliks ein erotisches Prickeln, welches Saubermännern wie Batman oder Superman notwendigerweise abgeht. Schließlich nahmen Diabolik, Satanik und Kriminal Elemente des uramerikanischen Superheldengenres auf, um sie kritisch zu hinterfragen und in ihrer Widersprüchlichkeit auszubauen. In diesem Punkt ähneln sie ihren Companeros Django, Sartana und Co. aus den Italowestern.
Diesem Aspekt trägt Meister Bavas Film Danger: Diabolik natürlich hinreichend Rechnung. Wie Diabolik als gesichtslose, dunkle Bedrohung dem Zuschauer vorgestellt wird, zuerst nur als musikalisches Thema, dann maskiert als schemenhafte Gestalt im wabernden Nebel (dreifarbig!) – da bleibt kein Zweifel, dass wir es hier mit einem schurkischen Einzelgänger zu tun haben. Mit dem Auftauchen von Diaboliks Komplizin Eva ist aber auch dem letzten Zuschauer klar geworden, dass die sexy Gummigestalt mit den lebhaften Augen unser Idol ist. Erfolgreich: Si. Clever: Si. Erfülltes Liebesleben: Si. Teamfähig: No. So will ich auch sein! Diabolik gibt dem Kleine-Jungen-Tagtraum Gestalt, der unser marginalisiertes Ego gegen die böse Welt da draußen gewinnen lässt, die antrainierte Rücksichtnahme gegenüber Mitmenschen und Gesetzen mit Lässigkeit abschüttelnd. Denjenigen soll man mir zeigen, der nicht bei Diaboliks Antwort auf die ausgesetzte Belohnung zumindest innerlich gejubelt hat.
Mit Bava hat sich genau der richtige Regisseur der Comicumsetzung angenommen. Man braucht keine großen Worte zu verlieren, um die visuellen Vorzüge des Filmes zu preisen: die opulenten Studiosettings, die farbliche Extravaganza der Bildkomposition, die symbolhaft aufgeladene Bebilderung von Beziehungen. Besonders erwähnenswert ist aber das tiefe Verständnis Bavas für die Besonderheiten der Comicsprache. Ang Lee hat mit dem allseits ungeliebten Hulk ebenfalls versucht, Ausdrucksmittel des Comics auf die Leinwand zu bringen. Das Sprengen des Bildrahmens, Monologe mit statischem Blickwechsel, Off-Kommentar über detailreichem Bild waren comictypische Elemente, die er in das Medium Film zu transponieren wusste. Nur bei DEM Strukturelement des Comics, dem Panel, war Lee einfallslos. Hier hätte ein Blick in Bavas Film Anregungen liefern können. Spiegel erzeugen Bildeinschübe, Schrankwände, Bettgestelle und Tresorklappen unterteilen die Bildfläche in Panels. Es macht bei derlei gelungener Bildkomposition auch überhaupt nichts, dass solche Tresore und leere Schrankwände gar keinen Sinn in der Realität machen. Bava hält an dem alten Comicgrundsatz fest: Was richtig aussieht, kann nicht falsch sein.
Recht so, Maestro!
#26
Geschrieben 05. März 2006, 16:08
Welch blumig-erdiger Odem einem da aus des Magens Tiefe emporsteigt! Wie herzerfrischend der Dino die Rotze direkt aus seinem Rachen einem ins Gesicht schleudert! Ja welch eine Errungenschaft nicht nur für die Unterhaltungsindustrie, nein, auch ein Durchbruch für die moderne Physik ist diese Novität, wenn dergestalt die bisher vierdimensionale Weltvorstellung so en passant über den Haufen geworfen wird.
Doch Halt! Was ist eigentlich dann aus der guten alten Dimension Zeit geworden? Wird die von den Betreibern nicht mehr berücksichtigt und man sieht nur ein Standbild? Fragen über Fragen, die vor fünfzig Jahren nicht existierten, so dass die Welt noch nicht so kompliziert schien. Da reichte den Filmemachern noch die vierte Dimension aus, um einen Film wie 4D man zu drehen.
In diesem Film entwickeln zwei Brüder ein Verfahren, mit dem Lebewesen in einen vierdimensionalen Status versetzt werden, so dass sie Dinge durchdringen können. Hört sich krude an, ist es auch und ich nehme an, dass die Macher in diesem Nachfolgefilm von The Blob genauso wenig wie wir heutzutage dieses Konstrukt für glaubwürdig hielten. Deshalb wird die Geschichte mit human touch (die Brüder rivalisieren im Labor nicht nur um Ergebnisse, sondern auch um die Assistentin) und Moralfragen (die Zeit in der vierten Dimension nagt an der Lebensenergie, die man sich aber vampirartig von anderen Menschen wiederholen kann) aufgepäppelt. Wenn man das in dürren Worten liest, erscheint es sehr zusammengeschraubt, die Sache funktioniert auf dem Bildschirm aber ganz prächtig, wenn man nicht die Grundannahmen des Filmes infrage stellt. Ich vermute mal, dass der Film auch im Kino gut ankam, denn Roger Corman hat vier Jahre später mit X- The man with the X-ray eyes ein recht unverblümtes Ripoff hergestellt. Die paradox erscheinende Glaubwürdigkeit von 4D man dürfte einerseits in der zu Herzen gehenden Echtheit der Gefühlsvermittlung liegen, andererseits im effektiven Einsatz der Tricktechnik ihre Gründe haben. Ganz offensichtlich ist diese zeittypisch, aber altmodisch, jedoch selbst beim wiederholten Ansehen der ersten Durchdringungsszene erschrecke ich mich genauso wie die Filmfigur über das Ergebnis.
Dies sind mir eh die liebsten Spezialeffekte, die ein Maximum an Wirkung aus ihrer Beschränkung holen. Dass man nicht ein eigenes Kraftwerk für den Computerpark benötigt, wenn man ein bisschen Prosthetik wirkungsvoll zu inszenieren weiß, konnte man auf der diesjährigen Berlinale bei der Nakagawa-Retrospektive sehen. Ein ähnlich gelagertes Beispiel ist der Einsatz der Tricktechnik in Matango von Inoshiro Honda. Eigentlich hatte ich ein weiteres Monsterfilmchen erwartet, bei dem anstelle der Gummiechsen eben Gummipilze über die Bühne hüpfen. Doch weit gefehlt. Honda lässt seine siebenköpfige Gruppe nicht auf einer einsamen Insel stranden, um dann ein Effektgewitter über sie hereinbrechen zu lassen. Stattdessen streift er in stimmungsvollen Bildern schrittweise die Hüllen der Zivilisation ab und entblößt mit schonungsloser Offenheit nicht nur die innere Abscheulichkeit der Charaktere, sondern entwickelt eine Metaphorik, die in ungewohnter Bissigkeit die Segnungen der über Japan hereinbrechenden Moderne anprangert. Das ist zwar einerseits für Honda ungewöhnlich düster, weil hier keinerlei comic relief eingebaut wurde, andererseits entfaltet der Film nie eine unangenehme Verbitterung; dazu ist er zu ästhetisch inszeniert. Auf jeden Fall die interessanteste Toho-Entdeckung seit langem, trotz oder wegen der bedrückenden Grundstimmung.
Wenn Menschen depressiv sind, dann verstärkt sich ihre Einsamkeit, weil jeder sie meidet. Ähnliches scheint auch auf Filme zuzutreffen. Anders kann man sich die Reaktion von Cannes auf The brown bunny nicht erklären. Ein exzellenter Film, auf den man sich aber einlassen muß, weil er nicht will, dass man ihn gern hat. In seiner emotionalen Wucht vergleichbar mit Kolleks Sue, wobei Vincent Gallos Film nach dessen Ende anfängt. Es gibt keinerlei Entwicklung mehr zu beobachten, das amerikanische Hinterland ist als das entseelte Nichts eingefangen, das es nun mal ist, und die Reise dieses Roadmovies führt direkt ins Herz der Hölle. Camus meinte, wir sollten uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen. Er hat aber auch nicht Gallos Film gesehen.
Und Cannes sollte man auf die Fahne schreiben, dass Depressive zwar häufiger in die Klinik eingewiesen werden, aber Maniker deshalb nicht weniger deviant sind. Man erträgt ihre Gesellschaft nur leichter.
#27
Geschrieben 01. April 2006, 11:37
Der nicht ganz so helle Barde Kim, zu dem Georg mit abgewrackter Limousine gebracht wird, stellt sich schnell als psychopathischer Despot heraus, der seine Mitarbeiter als Sklaven mit Option auf Gewinnbeteiligung behandelt. Nun ist seine Musik, eine Art Bayerncountry mit Gebrüll, nicht gerade die Mischung, die sich in die Gehörgänge der Plattenbosse schmeichelt. Doch Kim hat einen Plan: Auffallen um jeden Preis. Dank Nonnen und Nackedeis geht sein Vorhaben tatsächlich auf, bald reißt man sich um ihn und auch der amerikanische Investor steht binnen kurzem auf der Matte. Doch welchen Platz gibt es für unseren blonden Unschuldsengel in dieser Welt der Korruption und des faden Scheins?
Franz-Josef Spiekers erster Spielfilm Wilder Reiter GmbH war, so konnte man dem gewohnt fachkundigen Einführungsvortrag des Z-inemabetreibers entnehmen, neben Zur Sache, Schätzchen der Kassenmagnet (oder wie man im Film gesagt hätte: Knüller) des Jahres 1967. Berechtigt, wie man sehen konnte, denn Spiekers Film ist eine gelungene Mischung aus Monsterkabinett und Gesellschaftssatire. Unterhaltsam werden die Mechanismen der zunehmend ökonomisierten Beziehungen untersucht und ihrer Lächerlichkeit preisgegeben. Gut passt dazu, dass Spieker nicht dem damals so populären Feminismus huldigen wollte. Frauen sind entweder Geschäftsführerfutter, irren opheliaartig durch die Gegend oder artikulieren gleich selbst die Warenförmigkeit der Mann-Frau-Beziehung. Dass in all dem noch ein kleines Glück keimen kann, unterscheidet Wilder Reiter GmbH von den üblichen Weltschmerzfilmen aus hiesigen Landen.
Die Schauspieler, allen voran Herbert Fux, der seiner Rolle eine überkandidelte Grandezza verpasst, werden leider mittlerweile vor allem als TV-Futter verheizt. Doch nicht nur von ihrer Performance lebt Spiekers Film, sondern auch von einer kunstvollen Interaktion zwischen visueller, akustischer und metaphorischer Ebene, die man sehr selten im deutschen Kino antreffen kann. Die Metamorphose des Swimmingpools zum Schlammbad oder die Geschichte des Ostmädchens, dass wegen Erdnussbutter zur Hure wurde, eröffnen spielerisch beschwingt Gedankenräume, wie man es heutzutage nur noch aus Filmen von den Gosejohanns oder von Wenzel Storch kennt.
Es wäre wirklich an der Zeit, dass man dieses vergessene Kleinod endlich angemessen auf einer DVD rausbringt.
#28
Geschrieben 11. April 2006, 22:16
Ich weiß nicht, warum ich immer wieder der irrigen Hoffnung aufsitze, die Oscars für den ausländischen Film würden nicht von denselben Menschen gewählt, die auch für den Besten Film abstimmen. So ist der Film genau die Art erbärmlichen Rührstücks, die der gemeine Amerikaner liebt. Es sollte einen schon hellhörig werden lassen, dass in der imdb-Statistik der Film überdurchschnittlich gut von Frauen unter 18 und über 45 bewertet wird. Um falsche Schlüsse zu vermeiden: Dies liegt am gezielten Tränendrückereinsatz von Tieren, Krüppeln und Kindern. Diese Auflösung der Erzählung in weinerlichem Gutmenschentum ist wirklich schade, denn die Geschichte hätte Potential gehabt. Dass Gavin Hood inszenieren kann, wenn er sich traut, merkt man dem Auftakt an. Die Inszenierung des ersten Überfalls ist dicht und beängstigend, die Begegnung mit den ausgestoßenen Slumkindern ist ehrlich und überzeugend. Doch sobald der Wendepunkt erreicht ist, ahnt man nicht nur, was als Moritat folgen soll, man weiß es. Das dann alles auch noch sehen zu müssen, ist grauenvoll. Als Qualitätsmerkmal will ich noch anführen, dass ich vor Langeweile mir am Ende versucht habe auszumalen, ob es besser wäre, wenn Tsotsi überlebt oder wenn er stirbt. Das Ergebnis meiner Überlegungen war niederschmetternd. Beide Varianten waren desaströs. Muß ich noch erwähnen, dass das vom Film gezeigte Ende armselig für die Figurenentwicklung war? Wohl kaum.
Wenn man nicht umhinkommt, sich den Film anzusehen, sollte man ihn auf jeden Fall in OmU sehen, die Mischung aus Zulu, Xhosa und Afrikaans ist herzallerliebst und mit den eingestreuten Brocken Englisch, Holländisch und Deutsch eine der großen Qualitäten des Films. Interessant ist ebenfalls, dass Leute mit Musikgeschmack wissen, wann der Film ins Unerträgliche abgleitet. Wenn die Musik von mitreißendem Soundsystem auf Ethnogewinsel umschaltet, sollte man spornstreichst das Kino verlassen.
#29
Geschrieben 14. April 2006, 12:38
Gut beobachten konnte man die ubiquitäre Ironisierung der gesellschaftlichen Beziehungen während der Vorführung von Mario Bavas Planet der Vampire, der mit dem schlimmsten Publikum seit meinem Besuch von Dreyers Vampyr geschlagen war. Man war gekommen, um in der Babylon-Reihe „Schräge Filme“ mal ordentlich über alten Schrott abzulachen - und man ließ sich unter keinen Umständen vom Film beirren. Schon bei der Eröffnungssequenz wälzte man sich vor Lachen am Boden, weil die Uniformen nicht aussahen wie in Babylon 5, also antiquiert sein mussten. Warum etwas Historisches wie die feschen Lederanzüge per se lustig sein soll, wird sich mir wohl nie erschließen. Dem gestrigen Publikum vermutlich auch nicht, denn man gefiel sich darin, zuerst darüber abzufeixen, dass man etwas nicht verstand, und dann ein zweites Mal über die eigene Dummheit. Whohaha, der hat *Platonium* gesagt, wie blöde ist das denn. *Atombrenner*, pruuust, so was Beknacktes. Einvernehmliches Grinsen in Richtung Nachbar. Das wäre an sich nur halb so schlimm, wenn nicht dieselben Leute stundenlang auf einer Convention darüber diskutieren könnten, welcher Phaser die stärkste Feuerkraft hat und welche Eigenschaften Kryptonit auszeichnen.
Doch genug Raum den Raab-Adepten gegeben, kehren wir lieber zu Meister Bava zurück. Das Wiedersehen mit Terrore nello spazio auf der großen Leinwand gestaltete sich etwas mühsam, da die Kopie nicht nur verrauscht war, sondern auch einige Risse aufwies, die handlungsrelevante Details unterschlugen. Die Zeit hat eine nicht zu verachtende Trashwirkung. Man kann die Restaurierungsbemühungen der DVD-Ära gar nicht hoch genug schätzen; nun kann man einen Film wieder so erleben, wie er zu seiner Entstehungszeit rezipiert wurde.
So ist auf der DVD-Veröffentlichung natürlich ein schöneres Bild, die opulenten Studiosettings des Planeten Aura wirkten aber auf der Leinwand noch einmal deutlich mysteriöser und hypnotischer als auf dem heimischen Fernseher. Großartig, was Bava aus dem Budget durch ein bisschen Ausleuchtung von Pappmaché und den Einsatz der Nebelmaschine herausgeholt hat.
Am meisten überraschte mich aber, dass sich mein Blick vom spazio aufs terrore verschoben hat. Mit meinen neueren Filmerfahrungen präsentiert sich Planet der Vampire plötzlich weniger als Science Fiction Film, sondern als giallo in space. Dennoch bleibe ich dabei, dass er neben It! The terror from beyond space einer der Stichwortgeber für Ridley Scotts Alien war. Und wer das lustig findet, der kann mir mal in der Schillerstraße begegnen.
Obwohl: nee, lieber doch nicht.
#30
Geschrieben 26. April 2006, 08:47
Natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt. Rag Tale ist eine große Verschwendung von Talent, weil es die Grenze zwischen unansehbar zu unansehnlich überschreitet. Dabei möchte man den Film wirklich mögen. Sein Kamerablick führt uns mitten hinein in die Redaktionssitzungen der Klatschpresse und lässt uns unmittelbar an dem Zynismus der Zeitungsmacher teilhaben. Jennifer Jason Leigh, die ich seit eXistenZ ins Herz geschlossen habe, ist großartig in ihrer Herrschsüchtigkeit aus gekränkter Eitelkeit und gibt den passenden Kontrast zu Malcolm McDowells unnahbarem Despotismus und Rupert Graves Mischung aus Führungsanspruch und Anlehnungsbedürfnis. Aber leider ist der Film in höchstem Maße banal, weil er nichts wissenswert Neues über die Welt der medialen Manipulation vermittelt. Wenn man dann noch dank allzu hektischem Kamerageschwenke und –gezoome mit permanentem Formatwechsel kaum noch auf die Leinwand sehen mag, muß der Film wenigstens auf der Dialogebene überzeugen, um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Das können die improvisierten Gespräche nicht, hier wäre ein ausgefeiltes Drehbuch notwendig gewesen, um das einzulösen, was der Werbetext versprach – dass Rag Tale savagely funny sei.
Das stand zwar nicht in der Ankündigung zu Michael Winterbottoms A cock and bull story, aber schon die ersten Minuten des Filmes erfüllten mehr den Anspruch auf cleveren Witz als das gesamte Lumpenmärchen. Eine Verfilmung von Laurence Sternes „The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman“ galt aufgrund der extrem sprunghaften Erzählweise, die sich beständig selbst ins Wort fällt, eine Seite einfach schwarz überdruckt und es schafft mit der Zeugung des Hauptcharakters anzufangen und Jahre vor diesem Zeitpunkt aufzuhören, als unverfilmbar. Wie kann man also ein Werk, das im Film als „postmodern bevor es eine Moderne gab, die es post-en konnte“ beschrieben wird, umsetzen? Winterbottom und Drehbuchautor Frank Cottrell Boyce machen es exemplarisch vor: Man zeigt die Durchdringung des Werkes mit seiner Umsetzung. Die Schauspieler und ihre Charaktere verschmelzen zu einer Melange, die man kaum noch auseinanderhalten kann. Die Komplexität dieser Fusion aus Erzähltem und Darstellung des Erzählten ist im Vergleich zum wundervollen 24 hour party people noch einmal gesteigert und auch die Komik von Coogan, Brydon & Co. ist in ihrer Karikaturenhaftigkeit so brüllend komisch geworden, dass sich die Cleverness der Konstruktion erst nachträglich erschließt. Jetzt erst ist mir klar geworden, wieviel Winterbottom neben seinem unbestreitbaren Talent auch seinem Haus- und Hofschreiber Boyce verdankt, der auf den Bonustracks von 24 hour party people einen überaus fröhlich-sympathischen Eindruck hinterlässt.
Nicht minder begeistert hat der Trailer zu Aaltra, der in den Festivalkinos ausgestrahlt wurde. Zwei mürrische Rollstuhlfahrer sollen lustig sein? Klar, wenn sie die Frechheit besitzen, das Betteln für einen Überfall auf Passanten zu benutzen, oder versuchen, mit ihren Rollstühlen Autoparkplätze zu blockieren, um diese vermieten zu können. Der Humor der beiden Regisseure/Hauptdarsteller/Drehbuchschreiber ist an der Lakonie von Aki K. geschult, der folgerichtig, man ahnt es schon, den Chef der finnischen Traktorfirma Aaltra gibt. Gar nicht mal so weit hergeholt, stellen Traktoren jenes Fabrikats schließlich ein Gros der Einrichtung von Kaurismäkis Kneipe in Helsinki dar. Außerdem zu bewundern: Benoit Poolevorde, der 2004 nicht nur in alle Filme von Atomik Circus bis The secret adventures of Gustave Klopp involviert war, sondern auch seine Karriere mit dem großartigen Mann beißt Hund begann. Ich kann kaum das erste Beneluxspotting Festival erwarten.
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