Beutelschneider, Zeitschinder, Nervenzerrer
#481
Geschrieben 16. Oktober 2006, 20:19
((BR) Deutschland 1970 – Hans Heinrich)
Als Halbwaise muss Heintje ganz ohne Muttchen bei seinem Vater Klaus aufwachsen. Eines Tages jedoch stimmt in Klaus’ Rechnungsbüchern auf der Arbeit was nicht und er wandert in U-Haft. Heintje kommt zu seinem Opa, dem reichen Industriellen Berthold, der jedoch nichts von ihm und Klaus wissen will, weil Opa Berthold nunmal einst gegen die Verbindung seiner Tochter mit Klaus war. Heintje biegt sich den Opa hübsch zurecht, kann gar auf eigene Faust ermitteln, wer hinter den Unstimmigkeiten in Vaters Rechnungsbüchern steckt, kurzerhand noch eine Medikamenten-Schieberbande aufdecken und seinen geliebten Vater gar mit einer neuen Frau versorgen. Heintje ist der Inbegriff von Ehrlichkeit, hat eine Stimme aus Gold und lässt selbst in den vertracktesten Situationen herrliche Melodien aus seinem Kehlchen tropfen, die sich auch fast allesamt auf der einzigen Heintje-Langspielplatte finden, die ich besitze (immerhin eine Erstpressung in tadellosen Zustand, trotzdem wohl nix wert). Und ich gebe zu, dass ich mich dabei ertappt habe, dass ich Heintje-Filme mit all ihren Stars des deutschen Unterhaltungsfilms der 70er Jahre mit zunehmenden Alter immer besser zu finden gelernt habe. Heintje klaut nicht, Heintje kokst nicht heimlich hinter der Schulhofmauer, auf Heintje ist Verlass. Der bringt die ganze Wohnung gleich am ersten Ferientag auf Vordermann, statt den ganzen Tag vor der Spielkonsole zu vergammeln, er kocht und kümmert sich, ist unbestechlich, erschreckend ehrlich, hat zum Geburtstag seines Vaters gar einen tolle Torte organisiert und es an reichlich Geschenken auch nicht fehlen lassen! Und dazu singt und klingt er immerdar wie ein Radio auf voller Lautstärke, überschüttet so die Welt mit seinen Botschaften von Treue und Liebe und Herz. Letzteres macht man so einem Jungen gerne auf, wenn Heintje in späteren Jahren auch nicht unbedingt seiner schönen Lieder wegen in die Schlagzeilen kam, sondern eher durch die Verstrickung in einen Raubkopierskandal um seine in den 80er Jahren aus dem Boden gestampfte Videothekenkette. Mag man doch unken, was man will, mit dem Patex, der aus EINMAL WIRD DIE SONNE WIEDER SCHEINEN tropft, lass ich mir das Hirn sehr gern verkleben. Bunt und gesund ist der Film, progressiv, mutig, schön! Und das darf man auch ein Vierteljahrhundert später gern noch einmal besonders herausstreichen, ohne sich dafür schämen zu müssen.
#482
Geschrieben 17. Oktober 2006, 10:11
Von einem fernen Planeten kommt ein Notsignal. Schnell hat der Master ein Rettungsschiff in der Luft gebracht, angeführt von einem gestrengen Captain und eines bereits tüchtig ergrauten Commanders. Nach einem kunterbunten Hyperjump, den Corman später in MUTANT – DAS GRAUEN IM ALL gleich in doppelter Ausführung wiederverwenden ließ (wie auch viele Dekors aus diesem Film), landet man schließlich nach nicht einmal 10 Minuten Spielzeit des Films auf Morganthus, einer unwirtlichen Welt, die aussieht wie der Schrottplatz des Weltalls. Schnell hat man mit dem Planetenscanner eine Stelle von unglaublich dunkler Macht auf der Oberfläche von Morganthus ausgemacht und findet bei einer waghalsigen Erkundung eine gewaltige Pyramide vor, deren Erforschung keinen weiteren Aufschub duldet. Im Inneren warten jedoch ausnahmslos böse Überraschungen auf die Mannschaft, denn das Gebilde entpuppt sich als das Spielzimmer des Herrschers von Morganthus, dessen größter Spaß es ist, seine Gefangenen mit ihren eigenen Ängsten zu konfrontieren.
Nur wer stark genug ist, diese zu besiegen, kann das Geheimnis der Pyramide lüften. Schafft natürlich erstmal keiner, sondern am Ende nur Edward Albert, der ja mittlerweile in der Tat nach Morganthus abberufen wurde. Allzu viele Gedanken darf man sich bei PLANET DES SCHRECKENS zunächst einmal nicht machen, denn spätestens damit beginnt die Verwunderung darüber, was für sonderbare Ängste die Planetenforscher doch so mit sich herumtragen. Sid Haig macht eine herrliche Figur dabei, sich vor einem Kristallsplitter zu grausen und seinen abgehackten Arm zum Feind zu bekommen, Zalman King, der kurioserweise sein leicht unterkühltes Spiel aus BLUE SUNSHINE hier fortzusetzen scheint, bekommt es mit einem Gummimonster zu tun, dass selbst für 1981 nicht sonderlich dolle aussieht, und dem wahrscheinlich nicht ohne Grund nur wenig Präsenz auf der Leinwand zugebilligt wurde.
Den schönsten Abgang hat allerdings Taaffe O’Connell, die von einer Riesenmade unter allerlei Geschmatze zu Tode gesabbert wird, nachdem das Untier ihr vorher noch alle Kleider vom Leibe gerissen hat. Mit Effekten geht der Film alles andere als knauserig um, wenn die Viecherei und das Gekröse auch der tollen Atmosphäre auf Morganthus und den technisch ebenfalls alles andere als übel geratenen Weltraum-Szenen nicht so ganz das Wasser reichen. James Cameron hat hier mit wenig Geld wirklich tolles geleistet, das muss man ihm schon lassen. Und doof ist der Film trotz allerlei oberflächigem Geschlonze auch nicht, vielmehr nimmt er sich mit seinen Alpträumen, die nicht wirklich in der fremden Welt zu suchen sind, sondern in jedem selbst, intellektuell weitaus anspruchsvoller aus als das große Vorbild ALIEN, welchem die Corman-Produktion trotz allem schlimm nacheifert. Interessant zudem, wie klassisch sich der Film doch gibt. Trotz modernster Technik schleppt das Rettungskommando einen alten Schiffskoch mit, der, wenn er nicht gerade am Herd steht, alte Bücher liest. Dann wiederum wird der Film hochmodern, in dem er sein Ende des Films als groteske Version einer seiner Zeit vorauseilenden Videospiel-Verfilmung aufbereitet, bei dem Edward Albert noch einmal gegen alle Alpträume seiner Kameraden bestehen muss, bevor er den Herrscher von Morganthus im letzten Level, dem Zentrum der Pyramide, herausfordern kann. Außerdem ist der Film für einen Film, der seinerzeit mit einer Freigabe ab 16 Jahren durch die Kinos getreten wurde, ebenso brutal wie auf den ersten Blick verstörend. Gebe zu, dass ich mich damals im Kino trotz des ganzen Gummigeplunders in PLANET DES SCHRECKENS leicht unwohl gefühlt habe. Von den Nachzüglern, die nach ALIEN kamen, ist PLANET DES SCHRECKENS ganz sicher einer der herausragendsten Vertreter, und zwar von solch hoher Qualität, dass er es im Grunde gar nicht nötig hat, sich ans bekannte Original zu klammern.
#483
Geschrieben 17. Oktober 2006, 10:11
(USA 1968 – Maury Dexter)
Vom Leben als marodierender Rocker hat sich Jeff verabschiedet und Hals über Kopf die knackige Bankangestellte Conny geehelicht. Das nimmt ihn seine ehemalige Flamme Shayne, die Anführerin vom Motorradclub „The Mini-Skirts“ übel und stellt dem Paar mit ihr treu ergebenen Gesocks im Schlepptau nach (darunter auch Harry Dean Stanton, der einen tollen Dummerle abgibt), das sich gerade in den Flitterwochen befindet, die sie in der Wüste von Nevada verbringen. Bald schon passiert ein Unfall, bei dem einer von Jeffs ehemaligen Kumpels das Leben lassen muss. Das nimmt Shayne ziemlich persönlich und immer verstiegener wird ihre Rachsüchtelei. Mit nur wenig Personen kommt das Wüstenstück über die Runden und verlässt dabei, und das ist ziemlich erfrischend anzusehen, das Terrain eines seinerzeit topmodernen Bikerfilms mit Voranschreiten der Geschichte immer mehr. Mehr und mehr wird der Streifen zu einem sich vornehmlich von Sadismen aller Art nährenden Unterfangen, wie man es sonst eher in einschlägigen Filmwerken der frühen 70ern vermuten würde. Seiner Zeit also durchaus voraus, wobei hier wirklich entscheidend ist, dass DIE SATANSENGEL VON NEVADA (toller Titel übrigens, wenn es eigentlich auch nur einen wirklichen Satansengel gibt) gerade in der zweiten Hälfte des Films alle Schranken fallen lässt und es nur noch auf ein ungemein rücksichtsloses Hauen und Stechen ankommt. Ja, das sieht man wirklich gerne, zumal die deutsche Synchronisation dazu ganz schöne Klopfer und Verbalattraktionen bereit hält, zudem mit Audrücken und Sprüchen nicht geizt, die mir bislang auch noch gänzlich unbekannt waren. Horizonterweiterung mit Aha!-Effekt, auf jeden Fall! Und damit mehr also als beim Einlegen von DIE SATANSENGEL VON NEVADA überhaupt zu erwarten stand. Bin angenehmst überrascht. Die anderen AIP-Filme von Maury Dexter stehen jetzt auch schon auf dem Wunschzettel, vor allem der überaus ernste und ebenfalls mit Asozialitäten aller Art nicht gerade sparsam bemessene MARYJANE.
#484
Geschrieben 18. Oktober 2006, 12:58
(USA 1989 - Mark L. Lester)
An der Lincoln High School mitten in Seattle ist es im Jahre 1999 nicht viel anders als auf Manhattan Island in Carpenters DIE KLAPPERSCHLANGE. Um die Schule gibt es einen großen Zaun, niemand darf ohne Kontrolle hinein. Außerhalb des Zauns ist Gangland, eine „Free-Fire Zone“, wo sich die Polizei nicht mehr blicken lässt und randalierende, schwer bewaffnete Jugendliche machen, was sie wollen. Dabei liegt ihr Hauptaugenmerk vor allem darauf, sich gegenseitig an die Gurgel zu springen oder mit Raketenwerfern und Maschinenpistolen herumzuballern. Aus dem Knast an die Lincoln High School wird das Jüngelchen Cody geschickt, der schon einiges auf dem Kerbholz hat und nun ausgerechnet in diesem Sumpf ein besserer Mensch mit geordnetem Lebensverhältnissen werden soll. An der Schule operiert aber auch Stacy Keach im Geheimauftrag des Ministeriums mit Roboterlehrern herum, die, eigentlich für militärische Belange ersonnen, äußerlich nicht von normalen Menschen zu unterscheiden sind. Und die rasten dann ziemlich schnell ziemlich gehörig aus und sehen ihren Lehrauftrag erst dann zur Genüge erfüllt, wenn die von ihnen zu erziehenden Schüler mausetot und zuweilen recht zerpflückt in der Ecke liegen. Am Ende müssen Cody und seine neue Flamme, die Tochter des Schulrektors, welcher von einem ziemlich abgetakelten Malcolm McDowell gespielt wird, im Alleingang gegen die Roboter antreten, was durchaus sehr hübsch anzusehen ist, wenngleich spätestens hier der Rest von Logik und Menschenverstand im angerichteten Feuerwerk gleich mit zum Teufel geht. Neben dem Schlachtgetümmel und all den wirklich knalligen Explosionen wird noch der Teenager-Liebe Pflege angetan, was mir persönlich immer einen kleinen Unterhaltungsdämpfer verpasst, weil derartiges einfach schon zu oft Gegenstand in solcherlei Spektakeln der 80er Jahre war. Zudem läuft mir das Wohl oder Übel der als Helden positionierten Figürchen zugegebenermaßen sowieso meilenweit am Rektum vorbei, weil ich nie ein Alter erreicht habe, in dem mir solch ein im Grunde hundskrüppeliges Gesocks wie hier je als Identifikationsmodell entsprochen hätte. Und trotz dieses Umstands hat DIE KLASSE VON 1999 doch seine Qualitäten, die sich mir aber auch erst jetzt wirklich offenbart haben, wie zuzugeben wäre. An der Schwelle zu den 90er Jahren habe ich mit dieser Fortsetzung durchaus meine Probleme. Zuviel Wumm wird aufgefahren, zu blöd ist im Grunde die Geschichte des Films, die ja nicht nur John Carpenters Endzeit-Spektakel gnadenlos ausbeutet, sondern den TERMINATOR gleich noch dazu, wenn auch recht plump. Und auf coole Kids in brenzligen Situationen war mir die Lust doch sowieso schon gänzlich abhanden gekommen. Die Stärken von DIE KLASSE VON 1999 liegen jedoch kurioserweise gerade in seinem herrlichen Zusammenklau von allem, was nicht niet- und nagelfest ist, den überaus zynisch agierenden Roboter-Paukern, unter denen sich auch eine kräftig austeilende Pam Grier befindet, all dem kurzweiligen und besonders herzerfrischend hirnlosen Pengpeng und Geknalle am Wegesrand und einer nicht zu unterschätzenden Härte des Films, die sich seines Vorgängers durchaus würdig erweist. Kurzum: Die Oberfläche macht’s. Die vergleichsweise hohe Qualität von DIE KLASSE VON 1984 wird zwar nicht einmal im Ansatz erreicht, denn statt der ohnehin eh schon eingeschränkten Wirklichkeitsverhaftung des Originals zeigt sich DIE KLASSE VON 1999 völlig dem Boden der Tatsachen entrissen, wozu ich auch zähle, dass Stacy Keach mit seinen grauweißen Kontaktlinsen in den Augen und seiner merkwürdigen Frisur ganz auf Banane und Milch umgestiegen ist, während er kurz zuvor entstandene Meisterwerke der Filmgeschichte noch vornehmlich mit einem im Auge, also leicht bis mittelschwer angetüdelt und stets lallend bestritten hat. Mittlerweile nehme ich das gerne hin, weil der Zahn der Zeit gezeigt hat, dass ein nüchterner Stacy Keach auch sein Geld wert ist. Und DIE KLASSE VON 1999 irgendwie auch.
#485
Geschrieben 23. Oktober 2006, 09:37
(Italien 1975 – Luigi Bazzoni, Mario Fanelli)
Die Simultanübersetzerin Alice steht eines Tages vor einem riesigen Problem. Drei Tage sind scheinbar spurlos aus ihrem Gedächtnis verschwunden. Das bringt nicht nur unschöne Fragen der Vorgesetzten mit sich, weitaus eher ist der Klärungsbedarf dahingehend vonnöten, was es mit der zerrissenen Postkarte mit einem Grandhotel in ihrer Küche, dem blutbesudelten Kleid im Schrank und dem Traum auf sich hat, der Alice fortan verfolgt. Der handelt davon, dass sie sieht, wie bei einer Mondlandung ein Astronaut aus purer Absicht auf der Mondoberfläche „vergessen“ wird. Kurzentschlossen macht sich Alice auf Spurensuche nach ihren verlorenen drei Tagen, wobei ihr allerlei seltsam agierende Zeitgenossen über den Weg laufen, darunter Nicoletta Elmi, die mir auch in allen ihren Filmen überaus unheimlich ist. Der größte Teil von SPUREN AUF DEM MOND spielt in und um das auf Alices zerrissener Postkarte abgebildete Grand Hotel, das sich ähnlich gespenstisch ausnimmt wie die nicht minder noble Herberge in Kümels BLUT AN DEN LIPPEN. SPUREN AUF DEM MOND geht zudem streckenweise mit Unheimlichkeiten und Horror spazieren, was der Geschichte, die einen bis zum Ende im Unklaren darüber lässt, ob Alice Teil einer gigantischen Verschwörung geworden ist oder einfach nur einen schweren Dachschaden hat, zusätzlichen Pfiff gibt. Geradezu herrlich ist Florinda Bolkan in der Titelrolle anzusehen, und ganz benommen macht ihr schönes Spiel. Höchstes Charakterfach und ganz sicher die beste Leistung ihrer Karriere, wenngleich ich sie in JUNGE MÄDCHEN ZUR LIEBE GEZWUNGEN und CASTIGATA – DIE GEZÜCHTIGTE auch immer wieder sehr gerne sehe. Nicola Piovanis wunderschöner Soundtrack macht den Film zudem zu einer ziemlich runden Sache – ja, die Musik brauche ich noch dringend auf CD! SPUREN AUF DEM MOND hat mich also bestens bedient. Als Thriller, zeitweilig als mit Übernatürlichkeiten durchwehter Spuk, als Science-Fiction-Gerippe. Alles drin, alles dran. Klaus Kinski gibt einen seiner berühmten Zwei-Minuten-Auftritte und babbelt in Englisch wütende Kommandos. Ich bin begeistert.
#486
Geschrieben 23. Oktober 2006, 09:37
(Türkei 2004 – Orhan Oguz)
Eine Gruppe von jungen Archäologen unter der Führung eines alten, weißbärtigen Professors macht sich zu einem menschenleeren, angeblich verfluchten Dorf in der schlimmsten Ecke der Türkei auf, um dort Ausgrabungen vorzunehmen. Die Warnungen eines alten Müllers auf den Weg dorthin schlagen sie in den Wind. In dem Örtchen angekommen warten statt Tonscherben und alte Knochen vor allem Unheimlichkeiten und unerklärliche, brutale Morde auf die Expeditionsteilnehmer. Ist der alte, einst ausgesprochene Fluch einer Zauberin, die alle neugeborenen Mädchen bei lebendigem Leibe verscharren ließ (die grausigste Szene des Films), noch aktiv, oder der gegen die Buddelbuben ausgesprochener Fluch einer eifersüchtigen jungen Frau der Grund allen Übels? Darüber lässt sich BÜYÜ nicht großartig aus. Und wenn er auch kaum das Niveau einer x-beliebigen Dezimierungsveranstaltung hinauszuragen vermag, immerhin gibt sich der Film doch unendlich Mühe, seine Geschichte mit großem Ernst und angereichert mit einigen Unappetitlichkeiten vorzutragen. Dabei dürfte den Machern wohl vor allem vorgeschwebt haben, die Qualität asiatischer Gruselstücke zu erreichen. Ein Ansinnen, das etwas größenwahnsinnig scheint, weil dazu im türkischen Horrorkino nach wie vor Routine und Hintergrund völlig fehlt. Jedenfalls waren die bislang von mir gesichteten Türken-Grusler durchaus gruselig, aber weniger wegen der Handlung, sondern der unzureichenden Formalien. Immerhin mag man BÜYÜ zugute halten, dass er sich durchaus überaus bemüht zeigt und damit ganz gut im weiten Feld der Durchschnittlichkeit mitschwimmen kann. Der ganz große Wurf indes, von dem so oft im Zusammenhang mit BÜYÜ gesprochen wurde, ist der Streifen dann leider doch nicht. Aber für einen türkischen Horrorfilm ist das Resultat mehr als ansehnlich.
#487
Geschrieben 24. Oktober 2006, 10:38
Koralle
„Mach dir ein paar schöne Stunden, geh’ ins Kino“ war damals der Slogan, der auch auf runden Aufklebern zu finden war, die gerne an den Eingangstüren von Kinos klebten und auf denen ein gezeichnetes Blondchen lächelnd und überaus einladend die Hand nach einem ausstreckte. Eine Einladung, die man nicht gerne ausschlägt. Doch wohin mittlerweile? In den 90ern gruben immer mehr Multiplexe den kleinen Theatern das Wasser ab, Kinosterben wie zu Zeiten des Fernseh- und Video-Booms. Dazu kam oftmals noch eine nahezu unverschämte Großmannssucht der Grundstückseigner, die statt eines Kinos viel lieber eine einträglichere Flanier- und Shoppingmeile auf ihrem Besitz wussten. Die kleinen Stadtteil- und Bezirkskinos erwischte es wieder einmal am ehesten. Solche wie die Koralle in Hamburg, ein Programm- und Filmkunsttheater durch und durch, in dem Ende Oktober 1999 endgültig die Lichter ausgingen.
Da nütze auch der Sturm der erbosten Anwohner nichts, die ihr Kino nicht missen wollten und denen der Weg in den nächsten Palast aus Glas und Stahl sowieso zu mühselig war. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass dort zumeist eh nicht die Filme gespielt wurden, die man gerne sehen wollte; die kleinen und feinen Filme, für die Kinos wie die Koralle nun einmal der beste denkbare Ort waren und sind. Licht aus, Klappe zu also. Und das bitte endgültig! Deshalb konnte es auch gar nicht schnell genug gehen, bis die Abrißbirne ihr Übriges zum Gelingen des perfiden Planes beitragen konnte. Schnell standen danach die Fertigbau-Mauern für die Halle einer ganz neuen Unternehmung. Wenn ich mich recht entsinne, kann man da, wo damals der kuschelige, mit 70er-Plüsch-Sitzen bestückte Saal der Koralle war, heute Billig-Schuhe kaufen.
Nachfolgender Film nicht nur als Rolle rückwärts ins Jahr 1981, sondern vor allem in Erinnerung an die schöne Zeit mit und in der Koralle, die mir auf immer unvergessen bleiben wird.
(USA 1981 – John Waters)
Zum ersten Mal in einem Waters-Film spielt Divine sich nicht selbst, sondern eine fiktive Figur, die gefrustete Hausfrau Francine Fishpaw, deren Mann Elmer, der Besitzer des örtlichen Pornokinos, sich hinter ihrem Rücken mit seiner Sekrätöse vergnügt. Als wäre das alles nicht bereits schlimm genug, sind ihre beiden Kinder auch nicht gerade gut geraten. Während ihre Tochter lügt, dass sich die Balken biegen und sich mit den allerschlimmsten Unterschicht-Jugendlichen herumtreibt, entpuppt sich der drogensüchtige Sohn als der gefürchtete „Baltimore Foot Stomper“, ein von Polizei und Presse gleichermaßen gejagter Fußfetischist. Francines einziger Halt ist ihre ehemalige Putzfrau Cuddles, die zu unerwartetem Reichtum gekommen ist. Als schillernde Nebenfigur taucht dann noch der smarte Todd Tomorrow auf, ein Gigolo, der von Tab Hunter gespielt wird. Francine ist zudem mit einer überaus feinen Nase ausgestattet, was allerlei Anlass für den Einsatz der auch der DVD von POLYESTER mitgereichten Odorama-Karte bietet. Ein herrlicher und gar nicht genug zu preisender Gimmick, der eines William Castle in der Tat mehr als würdig ist. Statt die der DVD beigelegte Karte zu vergeuden, habe ich eine alte Odorama-Karte aus der deutschen Kinoauswertung von 1981 (Schlagzeile damals hierzu: „Die verrückteste Erfindung seit 3D!“) geopfert und beim Aufleuchten der Nummern auf dem Bildschirm also fleißig gekratzt und geschnüffelt.
Neben dem Mief von 20 Jahren Kellerlagerung schlugen mir in der Tat noch allerlei Parfüme in die Nase, die die Bezeichnung Gestank mehr als verdient haben. Duft Nr. 2 auf meiner Karte hat über die Jahre allerdings wohl einige chemische Veränderungen durchlaufen, weshalb mir statt Divines Furz der Duft von etwas in die Nase wehte, das eher an Pfefferminztee erinnerte. Nicht weiter schlimm. Obwohl POLYESTER bereits wesentlich harmloser zur Sache geht als Waters’ wilde, unbehauene 16mm-Stücke aus den 70ern, ist doch das ganze Werk nach wie vor am absolut äußersten Tellerrand der Geschmacksgrenzen angesiedelt und mindestens ebenso hysterisch wie die früheren Streifen. Mehr als deutlich wird auch noch einmal, wie kostbar allein Divine, Edith Massey und Mink Stole für einem Waters-Film sind. Schön anzusehen sind auch die vielen gesellschaftlichen und modischen Seitenhiebe, die Waters in POLYESTER austeilt. Die wütenden Anti-Porno-Protestler oder die Verunstaltung des Hauses mit den selbst im kleinsten Eck aufgestellten, modischen Wackelpudding-Raumlufterfrischern jener frühen 80er Jahre, wobei, was anzumerken ist, ein nochmaliges Wiedersehen mit dem Film allein aus dem Grund stattzufinden müsste, um sich einen Spaß daraus zu machen, zu zählen, wieviele dieser Abscheulichkeiten Waters in POLYESTER tatsächlich ins Bild postiert hat. Es sind Unmengen. POLYESTER sehe ich immer wieder sehr gerne, und immer wieder mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Lachend, weil der Film nach wie vor in allen Belangen absolut großartig ist und der Witz des Films mit meinem Humorverständnis absolut konform geht, weinend, weil Waters spätere Filme leider weder weiter an den Ecken der Geschmacksgrenze feilten noch eine solche Aufwartung eigenartiger Figuren bieten konnte.
#488
Geschrieben 25. Oktober 2006, 10:47
(Deutschland 2006 – Buddy Giovinazzo)
Krimis im TV – eigentlich gar nicht mein Ding. Weil es einer von Giovinazzo ist (und der ja anscheinend bis auf hiesige TV-Arbeiten leider keine Chancen mehr bekommt), durfte der bei mir trotzdem mal spielen. Geboten wurde eine Schauermär von einem Serienmörder, der in München sein Unwesen treibt und es vornehmlich auf Frauen abgesehen hat, die eine leichte Behinderung haben. Säuferleber, Klumpfuß und solche Sachen. Die Kriminaler in Deutschlands größtem Dorf zeigten sich leicht überfordert, weshalb ein Profiler zu Rate gezogen wird, den der im Gesicht leicht aufgedunsener Udo Kier spielt, und zwar möglichst undurchsichtig, was heißt, dass nicht so ganz klar wird, ob er nun tatsächlich hellsichtig ist, oder nur dammich gut treffsichere Schlüsse zu ziehen vermag. Profiler Kier, der in einem schäbigen Wohnmobil gleich neben der Wache logiert, brilliert mit immer neuen und sehr überraschenden Ergebnissen, gezogen aus hektischen Bilderfolgen düsterer Visionen, die ihn attackenartig überfallen. Eine schöne Rolle für den Udo also, dagegen der einarmige Kommissar (gespielt von Edgar Selge, der in der Tat so aussieht, wie man sich einen Beamten vorstellt) sich doch sehr blaß und muffig ausnimmt. Und der Film macht ganz auf Ernst und Schock, weshalb auch einige grausige Szenen nicht fehlen und der Humor möglichst im Keller zu bleiben hat. Der tritt natürlich bei genauerem Hinsehen aber doch zu Tage, allein schon weil Kiers Rolle bis in die Details aus Stephen Kings DEAD ZONE entliehen ist und sich die Drehbuchautoren wohl auch mehr als einmal die dazugehörige Verfilmung von David Cronenberg angesehen haben. Ein gewisser Schundfaktor lässt sich allein deshalb schon nicht absprechen, womit einhergeht, dass von der Handschrift Giovinazzos irgendwie nicht viel zu merken ist, zumal, wie es scheint, die TV-Krimiware wohl auch wie über den Kamm geschoren auszusehen hat, um die Zuschauerschaft in ihrer festgesteckten Erwartungshaltung nicht eins vor den Baffi zu klotzen. Wäre MIT ANDEREN AUGEN keine Produktion für die sonntägliche Prime Time der ARD, hätte man den Krimi auch ganz gut ins Programm von RTL oder Sat.1 stecken können, wo er als FilmFilm, TV-Event oder Weltpremiere und mit Titeländerung in Richtung Der Behindi-Killer von der Isar immerhin noch an der Niveau-Schraube hätte zerren können. Von Giovinazzo zukünftig aber lieber in Wiederholung noch einmal seine „echten“ Spielfilme.
#489
Geschrieben 25. Oktober 2006, 10:47
(Italien/(BR) Deutschland 1972 – Emilio P. Miraglia)
Rudolf Schündler, den ich neben Klaus Kinski und Mario Adorf für den größten (männlichen) Exportschlager des deutschen Films in den 70ern halte, erklärt noch schnell seinen Enkelinnen die grausige Bedeutung eines alten Ölgemäldes bei ihm im Schloss in der Nähe von Karlsruhe, dann hopst der Film mal kurzerhand 20 Jahre in die Zukunft und Schündler wird das erste Opfer der „roten Königin“. Der Legende nach kommt die nämlich alle 100 Jahre aus dem Grab, um sich für den an ihr begangenen heimtückischen Eifersuchtsmord mit sieben Leichen zu bedanken. Immer enger zieht sich der Kreis aus Verbrechen und Bluttaten, Eifersüchteleien und sexuellen Obsessionen, Verkauf und Verrat um Schündlers drei Enkelinnen zusammen, wovon eine, und das ist neben der Frage nach der Identität der „roten Königin“ das zweite große Geheimnis in Miraglias Film, allerdings vor Jahren tödlich durch Schwesternhand verunfallt ist. Entsprechende Schlüsse zu ziehen, liegt da nahe, aber ohne sein Überraschungsbonbon bekommen zu haben wird man natürlich nicht aus dem Film entlassen. Ganz hervorragend ist auch wieder einmal der Umstand, dass Miraglia es grandios hinbekommt, seinen Film mit Horror- und Gruselsachen zu spicken (der Titel von Miraglias zuvor gedrehten Film, THE NIGHT EVELYN CAME OUT OF THE GRAVE, würde auch diesen Streifen überaus gut zieren) und somit über weite Teile gründlich zu verwischen, dass man es im Grunde ausschließlich mit einem tiptoppen Giallo zu tun hat. Da dürfen wehende Gardine, flackernde Fackel und ein Geheimraum im Schloss nicht fehlen, welcher am Ende gar in einer hochdramatischen Sequenz mit der Barbara Bouchet darin von der stets diabolisch lachenden „roten Königin“ geflutet wird. Und das es generell Spaß macht, die Bouchet zusammen mit Marina Malfatti und Sybil Danning zusammen in einem Film spielen zu sehen – und das nicht nur in den Momenten, wo diese das Soll an Nackedeiereien abarbeiten -, muss man eigentlich auch nicht extra erwähnen. Marino Masé ist auch mit dabei, noch gar nicht ahnend, dass ihn später einmal der Astaron fressen wird. Die tollen Früh-70er-Designerklamotten und Raumaustattungen (darauf achte ich komischerweise bei derlei Filmwerken immer mehr, wie ich mit nicht wenig Schrecken feststelle) und abermals ein wirklich exzellenter musikalischer Rahmen aus der Feder Bruno Nicolais machen den Film zudem zu einem Genuss. Super!
#490
Geschrieben 25. Oktober 2006, 10:48
(USA 1968 – Ted V. Mikels)
Wegen dubioser Mordgeschichten hat man den ebenso intelligenten wie wahnsinnigen Wissenschaftler Dr. DeMarco aus den öffentlichen Forschungslabors geworfen. DeMarco wurstelt seitdem im Untergrund an Hochleistungs-Stahlherzen und Robotermenschen zum Wohle der Menschheit herum. Sein Appetit nach Leichen zu Forschungszwecken ist entsprechend groß, seine Resultate sind es aber nicht minder. So hat Marco einen sogenannten Quasi-Menschen zusammengebastelt, den man ins All schicken und zudem durch eine höchst komplizierte Apparatur von der Bodenstation aus mit den kombinierten Gedankenwellen namhafter Forscher Raketen zielgenau lenken lassen könnte. Und weil bei Außeneinsätzen im All die Haut des Menschen schnell von Mini-Asteroiden durchlöchert wird, wie ASTRO ZOMBIES seinen unentwegt staunenden Zuschauer belehrt, hat DeMarco den nicht ganz echten Mann sogar mit einer neuen Silikonhaut ausgestattet. Vorerst benutzt DeMarco seine beiden Supermänner aber dazu, ihm sowohl Leibwächter zu sein als auch mit Menschenmaterial zu versorgen. Gleichzeitig sind DeMarco aber der amerikanische Geheimdienst und die böse mexikanische Spionin Satana auf den Fersen. Astro-Zombies kann man schließlich immer für irgendwas brauchen. Am Ende geht es in Mikels Film, der mit fast 92 Minuten fast schon eine Idee zu lang geraten ist, kunterbunt durcheinander und ziemlich drunter und drüber. Auch ein paar Schockeffekte (abgehackter Kopp, Machete im Schädel) fehlen nicht, weitaus mehr wert sind allerdings John Carradines gleichwohl bierernst vorgetragende wie absolut hochalberne Erklärungen und Kommentare zu seinen Experimentiervorhaben, die heftigst zum Lachen und durch den Raum kugeln anregen. Ihm zur Seite gestellt ist das stumme, buckelnde Faktotum Franchot, das die schmutzige Arbeit macht: Leuten mit Quatsch-Apparaturen Blut abzapfen und zur Hirn-Betrahlung einen alten Lampenschirm auf den Kopf setzen. In Carradines Gruselkeller werden aber auch mal Bikini-Mädchen auf die Streckbank gelegt, zwischendurch will ich schließlich auch mal was zu Sabbern haben. Tura Satana trägt zudem einen spitzenmäßigen 60er-Jahre-Fetzen und räkelt sich beim Telefonieren ansehnlich auf der Chaiselongue. ASTRO ZOMBIES ist ein Gewinner! Und sowieso kenne ich von Mikels nicht einen Film, der mich je enttäuscht hätte, wenngleich dieses Exemplar schon von allen Meilensteinen aus der Mikels-Manufaktur deshalb die Wurst vom Teller zieht, weil er zur Titelseuqenz eindrucksvoll Spielzeugroboter und ferngesteuerte Plastikpanzer durchs Bild purzeln lässt.
#491
Geschrieben 26. Oktober 2006, 10:24
(Japan 1966 – Tokuzo Tanaka)
Die Schwertkampfschule von Meister Yaichiro Issaka bekommt eines Tages ungebetenen Besuch von einem Kämpfer des übermächtigen Kageyu-Clans, der ziemlich frech den gerade nicht anwesenden Meister herausfordert. Schließlich zieht er unverrichteter Dinge wieder von dannen, wird aber wegen seiner kessen Lippe von zwei Männern aus Issakas Schule hinterrücks ermordet. Das hat ziemliche Probleme zur Folge, zumal sich als Mörder der einzig legitime Nachfolger von Issakas Clan entpuppt. Meister Yaichiro spinnt daraufhin die Idee, seine rechte Hand und gleichwohl den zukünftige Mann seiner Tochter Namie, Takuma, als Bauernopfer ins Feld zu führen und alle Verdachtsmomente auf ihn zu lenken. Ein Jahr soll er sich aus der Gegend verziehen, derweil Issaka die Wogen um den feigen Mord zu glätten gedenkt. Takuma verdrückt sich also, der Plan des Alten geht auf. Nach einem Jahr voller Entbehrungen und Schinderei kehrt Takuma zurück, muss dabei allerdings erfahren, dass der Alte inzwischen gestorben ist, gar nix geklärt ist und er nach wie vor unter Anklage steht. Am Ende ist ihm nicht nur der gesamte Kageyu-Clan auf den Fersen, sondern auch die ehemaligen Freunde und Mitstreiter aus den eigenen Reihen. Einzig die Tatsache, dass ihm Issaka in die allerhöchsten Künste des Schwertkampfes eingeweiht hat, lässt Takuma gegen eine völlig wahnsinnige Übermacht an Gegnern bestehen. Wenn während des furiosen Schlussspektakels, dass in THE BETRAYAL nicht weniger als beinahe 20 Minuten in Anspruch nimmt, Takuma Gegner um Gegner auf dem großen Platz der Stadt schlägt und das Bild in die Totale aufgezogen wird, kann man in einer atemberaubenden Szene sowohl den Platz als auch die Nebenstraßen vollgstopft mit Kämpfern sehen, die nur darauf lauern, Takuma mit der Klinge zu bearbeiten. Wie viele mögen es sein? 1000? 2000? So viele wie in Chehs DIE UNSCHLAGBAREN SIEBEN ein lockeres Jahrzehnt später? Keine Ahnung. Fertig ist jedenfalls erst, wenn Takuma auch noch den letzten entzweigeschlagen hat und sich überall die Leichen türmen. Und trotz der Tatsache, dass THE BETRAYAL dabei sehr unblutig zu Werke geht und sich die ganze Kämpferei im Grunde endlos zieht, kommt keine Langeweile auf, da der Film während des ganzen Säbelgerassels auch noch den falschen Verdacht gegen Takuma aus dem Weg räumt und er auch wieder mit seiner einstigen Flamme Namie zusammengeführt wird. Kurzum: Unendlich viel los. Davor gibt es in THE BETRAYAL fast nur Boshaftigkeit, Beschiss und grimmig aus der Wäsche schauende Menschen, weshalb es allein aus diesem Grund schon sehr gut passt, dass der Film in Schwarzweiß gedreht wurde. Takuma kriegt bei jeder Gelegenheit ordentlich die Hucke voll, bevor er zu einem „längst gestorbenen“ Krieger zum Wohle seiner Ehre wird und mit den üblen Bürschchen in den eigenen Reihen seine Rechnung aufmacht. Der Schluss ist übermenschlich, aber ohne blöd zu wirken, Takuma ein mit Schwert und ungebrochenen Gerechtigkeitssinn ausgestattetes Schnetzelmonster. Wahrscheinlich klingt deshalb auch Akira Ifukubes Musik in den stärksten Momenten so, als käme gleich Supermonster Barugon über den nächsten Hügel geschissen. THE BETRAYAL ist ernst, zuweilen erschreckend böse, in allen Belangen überlebensgroß und eine ziemliche Wucht.
#492
Geschrieben 27. Oktober 2006, 09:02
In Chicago hat die Mafia das Sagen. Die Polizei kriegt es nicht hin, den in großem Stil agierenden Drogenschiebern und Geldpressern das Handwerk zu legen. Eines Tages kommt zudem bei einem Massaker eines sich im Zeugenschutzprogramm befindlichen Aussteigers der Sohn des örtlichen FBI-Chefs ums Leben, welcher nun auf Rache sinnt und einen eigenen Feldzug gegen die Mafia finanziert. Dafür holt er seinen alten Kumpel zurück nach Chicago, den stahlharten, ehemaligen FBI-Agenten Kaminsky. Der lässt fix allerlei harte Taten für sich sprechen und sich in die Verbrecherorganisation einschleusen. Ein Spiel mit dem Feuer und weit hinter der Grenze der Legalität, alles also sehr gefährlich. Bevor der Film dann so langsam aber sicher seinem Höhepunkt zusteuert, gibt es noch eine Liebesepisödchen mit einer dauerhaft abgebrannten Spielerin, die ebenfalls auf der Lohnliste der Unterweltler steht, und immer wieder jede Menge Rambazamba, der Kitt in diesem Werk, der fast schon in periodischen Abständen zwischen die schmalen Handlungsszenen geklebt wurde, was hin und wieder auch sehr peinlich wirkt. Zudem wirkt vieles in DER CITY HAI ziemlich antiquiert und schlecht gealtert, wenn der Film dergleichen mit Geballer, Geknalle und Mord- und Totschlag zu kaschieren versucht. Geradezu anstrengend ist in diesem Routine-Actioner aber vor allem der dünne Handlungsfaden, der eine wirkliche Bedrohung für den österreichischen Fleischberg nicht aufzubauen vermag. Man weiß von Anfang an und selbst wenn man den Film nicht eh schon kennen würde, dass Arnie immer und jederzeit Herr über alle noch so brenzligen Situationen ist. Und nicht nur das nimmt dem Streifen gehörig Schwung, sondern in Verbund damit auch die ziemlich schwachen Charakterzeichnungen in diesem hin und wieder in der Tat etwas sehr langweilig geratenen Quark. Die deutsche Synchronisation hat zudem nur wenige Highlights zu bieten – ziemlich ungewöhnlich eigentlich für einen Arnie-Film jener Zeit. DER CITY HAI lief damals in direkter Konkurrenz zu Stallones CITY COBRA, wenn ich mich noch recht entsinne. Deshalb wurde von einschlägigen Fach- und Sternchenvermarktungsorganen wie der Cinema seinerzeit auch von einem entscheidenden Duell der Klöpse um Gunst und Kasse gefaselt. Künstliches Gebausche, nicht minder peinlich wie die Tatsache, dass Arnie „I Can Get No Satisfaction“ von den Stones im Kassettenrekorder spielen lässt, während er in einer Kiesgrube als Zielscheiben etwas zu offensichtlich postierte Mafiosi von den Förderanlagen pustet. Im Grunde sind HAI und COBRA gleichermaßen ein ziemlicher Scheiß, Herr Cobretti hat dennoch in allen Belangen himmelhoch gewonnen.
#493
Geschrieben 27. Oktober 2006, 14:02
(USA 1959 – Roy Del Ruth)
Bis in die tiefsten Sümpfe Lousianas muss Joyce Hatten reisen, um ihren Mann zu suchen, der am Tage ihrer Hochzeit urplötzlich aus dem Zug verschwand, der sie in die Flitterwochen bringen sollte. Am Ende der Welt ist das Anwesen der strengen Mrs Hawthorne, und das ist auch die letzte ermittelbare Adresse ihres Göttergatten. Freundlich empfangen wird Joyce nicht, und auch von ihrem Mann hat man auf der alten Plantage angeblich noch nie etwas gehört. Nachts ballert der daueralkoholisierte Mr Manon mit seinem Colt auf die sich um das villenartige Gebäude scharrenden Alligatoren, auch sonst stimmt so einiges nicht, Unheil kündigt sich an. Unweit des Hauses hat der findige Wissenschaftler Dr. Sinclair sein Labor. Und der experimentiert mit Hydrocortison herum, welches in rauen Mengen besonders in Echsenwesen vorkommt. Den glücklichen Umstand, dass einer Eidechse selbst ein abgehackter Schwanz wieder nachwächst, will er auf den Menschen übertragen, wozu ihm, wie sich herausstellt, auch der Mann von Joyce als Experiment anbot, nachdem dieser nach einem Flugzeugabsturz nur knapp mit dem Leben davongekommen ist. Blöder Nebeneffekt von Dr. Sinclairs Experimenten: Seine Versuchsobjekte verwandeln sich nach gewisser Zeit in Alligator-Menschen, kriegen Panzerhäute und sind auch sonst in einem bejammernswerten Zustand. Auch den Mann von Joyce, der, was sich ebenfalls erweist, sehr wohl in den Sümpfen aufhält und jede Nacht um das Anwesen schleicht, will Dr. Sinclair mit einer Mischung aus 100.000 Volt, extrem starken Röntgenstrahlen und ganz viel radioaktiven Cobalt 60 wieder zu einem normalen Menschen machen. Das Ende von THE ALLIGATOR PEOPLE ist furchtbar tragisch, bietet aber aus heutiger Sicht auch einen absoluten Riesenlacher. Schön sind auch die ziemlich kompliziert ausschauenden Apparaturen des Wunderdoktors, die während ihres Betriebs Geräusche absondern, die sich mehr nach Gummibandgitarre anhören denn nach medizinisch-technischem Gerät. Neben einer durchaus sehr hübschen und selbst in schleimigsten Dickicht stets adrett gekleideten Beverly Garland zieht vor allem Lon Chaney eine schöne Schau ab. Er gibt die Sumpfsaufnase, die nach dem Verlust einer Hand (ein Haken ziert den Stumpen) eine unbändige Wut auf Alligatoren und vor allem auch Alligatoren-Männer hat, denen er zum Ende hin furchtbar auf die Pelle rückt. Dazu sondert er ein paar Dialog-Ungeheuerlichkeiten ab, die durchaus zum Schmuck dieses schönen Films gezählt werden dürfen. Und weil der Film sowieso ganz großartig Mad-Scientist-Motive, Monsterkiste und Gruselbude unter einen Hut von strammen 74 Minuten Länge bekommt, macht das ganze, zudem im letzten technischen Schrei, CinemaScope, gedreht, ordentlich Spaß – und zwar wieder und immer wieder.
#494
Geschrieben 31. Oktober 2006, 15:30
(USA 1988 – John McTiernan)
Es hätte mir von vornherein klar sein sollen, dass man heutigen Jugendlichen nicht mit klassischem Filmgut kommen kann. Was habe ich mir doch den Kopf darüber zerbrochen, was ich meinem übers Wochenende weilenden Neffen überhaupt aus meinen Regalen vorsetzen kann. Viel Brauchbares ist da nicht zusammengekommen – jedenfalls nicht für seinen Geschmack. Denn statt der paar Filmklassiker und der für meine Begriffe sehr feinen Auswahl an Nischenprodukten, von denen ich ernsthaft meinte, dass sie auch heute noch die Jugend begeistern könnten, wurde rundheraus und ohne viel Umschweife „was mit Action“ verlangt. Ein Stichwort, bei dem mir in erster Linie vielleicht Filme wie BULLIT, DER TIGER HETZT DIE MEUTE oder SLAUGHTER einfallen, weniger allerdings Werke mit Bruce Willis oder sonstigen kernigen Typen der 80er und 90er Jahre. Meine Helden aus den 60ern und 70ern waren trotz Hervorhebung aller nur denkbaren und immer ungemein positiv herausgekehrten Eigenschaften nicht beschlussfähig. „Richtige Action“ wurde verlangt, und da greift man dann einfach resignierend ins Regal zum Willis-Film, weil der eigentlich immer geht. Trotz aller Kurzweil, die der Film ganz sicher bietet, hat bei mit das Interesse an dem Streifen doch ziemlich schnell nachgelassen. Schön ist all das Geknalle und das Gewitter großer Explosionen im und auf dem Gebäude, das sich die Terroristen unter den Nagel gerissen haben, weniger schön allerdings der mich mittlerweile nicht gerade gering annervende Pathos, der dabei transportiert wird, die sehr aufgesetzt wirkende Verteidigung der amerikanischen Flagge (und der damit verknüpften Grundwerte noch gleich dazu) gegen Ende und natürlich die völlig überzogene Einzelkämpfer-Romantik des ganzen Werks. Sieht man mal von ein paar Eheproblemen ab, hat Willis’ Charakter keinerlei Ecken und Kanten – die sind scheinbar von vornherein so augenfällig ausgemerzt worden, dass man sich nicht schlecht fragt, warum er eigentlich so einen gnadenlos glatten Burschen spielen muss. Außer einfach nur „cool“ war da nicht viel in dem Film drin. Irgendwann habe ich innerlich abgeschaltet und das alles mehr oder minder über mich ergehen lassen, wobei die erstaunliche Feststellung Einzug hielt, dass sich STIRB LANGSAM in einem Alles-egal-Zustand noch am besten aushalten lässt und, ja, dann sogar richtig Spaß machen kann, wenngleich das ungute Gefühl sich auch dabei nicht gänzlich abschalten ließ, dass der ganze Kram immer eine Spur zu sauber über den Teller kommt. Selbst die zerrüttete Beziehung von Willis’ Charakter ist uninteressant bis sterbenslangweilig, von dem ganzen blöden Gekumpel mal ganz zu schweigen. Der Neffe war nach knapp 130 Minuten des langsamen Sterbens jedoch ganz selig und meldete sogleich großes Interesse an den Fortsetzungen an. Ich war nach STIRB LANGSAM einfach nur geschafft und unendlich müde.
(USA 1981 – John Carpenter)
Gegen STIRB LANGSAM nimmt sich Carpenters DIE KLAPPERSCHLANGE fast schon aus wie ein Stückchen Filmkunst. Nachdem ich das letzte Mal den Film in der Originalfassung angesehen habe, gab es nun noch einmal die deutsche Synchronfassung, die wirklich alles andere als schlecht ist. Immer wieder auffällig sind die fabelhaften Miniatursets, in denen Kurt Russel seinen Segelflieger lenkt. Mittlerweile mit weitem Abstand meine Lieblingsszenen in dem Streifen, die selbst in der etwas lumpigeren deutschen DVD noch ungemein toll aussehen.
Und während ich mich an diesen schönen Details erfreute und sich der Neffe ganz von dem Streifen packen und vereinnahmen ließ, kamen auch wieder die allerwärmsten Erinnerungen an die eigenen „grünen Jahre“ und in dessen Gefolge irgendwie auch der ziemlich dumme Neid darauf, dass das Bürschchen neben einem sich mit DIE KLAPPERSCHLANGE ein bislang unbekanntes Terrain erschließen kann, während man selbst durch ungezählte Überdosen des Films gar die allernichtigsten Details aus den Bildern gesaugt hat.
Für große Augen und allerlei Gegrinse sorgte die mit Kronleuchtern verzierten Limo des Dukes, und die stampfend-pulsierende Musik ist, glaube ich, auch sehr, sehr gut angekommen. Ebenso klarerweise die ziemlich erschütternde Zukunftsvision, die Carpenter ausschließlich „zwischen den Zeilen“ seines Spektakels reicht. Ich finde es nicht wenig erstaunlich, wie gut dieser im Grunde ja überaus billige Film neben dem ganzen größenwahnsinnigen Krawall eines STIRB LANGSAM bestehen kann und diesen gar allein mit seinen grimmigen Charakteren noch bei weitem übertrifft. Nichts gegen die gemeinen Terroristen aus dem Willis-Film, aber wie blaß sehen die geschniegelten Ostdeutschen doch gegen die rechte Hand des Dukes, Romero, aus, der aus seinem Wams einen abgeschnittenen Finger zieht und dann einen Countdown abzählend den ganzen Staatsapparat in die Knie zwingt. Hintereinander angeschaut wirkt es fast so, als biegt Carpenters Film all das wieder zurecht, was in STIRB LANGSAM in Sachen Glaubwürdigkeit und Gemacker verbockt hat. Das Geheimnis von Carpenters Films ist, dass er mir nicht langweilig wird, wenngleich ich auch nicht klar sagen könnte, woran das eigentlich genau liegt.
#495
Geschrieben 01. November 2006, 18:26
Kurt Russel ist Jack Burton, ein ständig ins Mikro seiner Funke vor sich hin stussender Trucker. Nun will es der Zufall, dass er bei einer Verladeaktion in Chinatown mitten in den Kampf zweier revalisierender Glaubensgemeinschaften gerät und dabei gar sein LKW abhanden kommt, nach dem er auch zumindest eine Minute lang im Stile von THEO GEGEN DEN REST DER WELT ernsthaft sucht. Dann pellt sich aus dem Ei der rasant voranschreitenden Handlung, dass Chinatown-Obermotz Lo Pan hinter allerlei Gemeinheiten und ziemlich viel Glaubensgerangel in Chinatown steckt, und zudem will er sich auch noch mit der Freundin von Burtons besten Kumpel verheiraten, um eine alte Prophezeiung zu erfüllen. Lo Pan entpuppt sich als mächtiger Dämon aus Chinas Höllenallerlei, hat stets schlechte Laune und befehligt ein Heer von durch die Luft segelnden Gummikobolden, Schwertschwingern und den sogenannten „drei Stürmen“, einer Eliteeinheit von Superfightern, die zum Anlass besonders tolldreister Eskapaden kurzerhand aus der Rosette einer Gewitterwolke gehopst kommt.
1986 hat mir der Film so gut wie gar keinen Spaß gemacht, zu groß war die Gier nach „harter“ Action, zu wirr der chinesische Hokuspokus in Carpenters Film und außerdem erwartete ich von dem Mann nach dem elendig popeligen STARMAN auch einfach mal wieder einen vernünftigen Film. Damals wurde er ja in „Fankreisen“ quasi noch als Wunderkind gehandelt – trotz der Pleite mit dem Sternenmann. Jedenfalls war ich nach BIG TROUBLE IN LITTLE CHINA ganz schön bedient. Und da ich seitdem den Film auch nicht mehr wiedergesehen habe, war die Begeisterung nun doch umso größer, dass der Streifen so hundsmiserabel gar nicht ist. Die Action geht flott von der Hand, den blöden Glotz-Flugschädel fand ich eigentlich ganz passabel und ziemlich überrascht war ich nun angesichts der Tatsache, wie gut doch all das Säbelgerassel und Gekloppe in BIG TROUBLE inszeniert ist. Manchmal könnte man wirklich meinen, man sitzt tatsächlich in einem quietschbunten Fantasy-Müll aus Asien. Und darin offenbart sich die wirkliche Stärke des Films, nämlich auf welch spielerische Weise Carpenter doch die Zutaten asiatischen und amerikanischen Actionkinos durcheinander wirbelt, wobei dies bei ihm auch noch weitaus unverkrampfter vonstatten geht als beispielsweise in den sich dahingehend in allerlei ungelenken Verrenkungen ergehenden MATRIX-Werken. Einzig die Witzeleien wollten nach wie vor nicht so richtig zünden, und das kann man ja schließlich auch einer womöglich eher mittelprächtigen Synchronistation anlasten. Dafür, dass wertvolle Minuten dabei geopfert werden, wenn Russel endlos durch die Quatsche seines Trucks die Welt dermaßen vollsabbelt, dass einem schon das Blut aus den Ohren läuft, kann die allerdings auch nichts.
STIRB LANGSAM 2
(USA 1990 – Renny Harlin)
Am Washingtoner Dulles Airport übernehmen Terroristen die Kontrolle und wollen den Diktator General Esperanza befreien, der sich gerade auf einem Auslieferungsflug in die USA befindet. Gut, dass auch gerade John McClane am Flughafen ist und auf die Ankunft seiner Frau wartet. Nicht zuletzt mit Hilfe eines im Flughafen-Keller werkelnden Hausmeisters, der anscheinend gleich neben dem Heizungsrohr auch sein Zuhause hat, kann er die Terroristen unschädlich machen, den Diktator seiner gerechten Strafe zuführen, unzählige Passagiermaschinen und nicht zuletzt seine Frau retten, Verräter in den eigenen Reihen enttarnen und abknallen und zwischendrin sogar noch die Angestellte einer Autovermietung abblitzen lassen, die am liebsten gleich und sofort mit ihm in die Kissen geklettert wäre. Geschmuddelt wird in den Filmen nur mit Schusswaffen – und nicht zuletzt deshalb ist der ganze Film auch schnell damit bei der Sache und geizt auch mit einigen Gewaltspitzen nicht, die dereinst die Schere der Zensoren zugunsten einer Freigabe ab 16 Jahren gehörig klappern ließen. Von den auch in der deutschen Fassung mittlerweile reinstallierten Szenen ist vor allem die mit dem Eiszapfen überaus unangenehm anzuschauen – da habe ich auch mal kurz schlucken müssen, weil sie mir doch über die Jahre gänzlich entfallen war. STIRB LANGSAM 2 ist mir in der mittlerweile dritten Wiederholung eine ganze Spur zu hektisch, was weniger am Tempo des Films liegt, sondern vornehmlich daran, dass unentwegt zwischen den drei Handlungsebenen (Diktator, Terroristen-Lager, McClane) rastlos herumgesprungen wird. Dabei bleibt vor allem unangenehm hängen, dass die Präsenz von Franco Neros als Diktator (und demnach Oberbösewicht) weit hinter der seiner finsteren Helfer zurücksteht. Weil Harlin sich wohl nicht zuletzt dank BORN AMERICAN mit Szenen, die im Schnee(sturm) spielen, bestens auskennt, haben mir diese auch nach wie vor am besten gefallen, wenn sie auch nicht darüber hinwegtrösten, dass der ganze Film eine ziemlich dumme Nuss ist, der man lediglich ein schönes Kleidchen angezogen hat. Und der ganze übertriebene und wirklich bis auf die Spitze getriebene Aufopferungszirkus ging mir auch reichlich auf die Nerven.
#496
Geschrieben 02. November 2006, 11:25
Aus dem Kriegsschauplatz der Zukunft, der durchaus an Camerons eigener mit Ramsch und Gerümpel trefflichst angerichteten Oberfläche von Morganthus erinnert, lassen sich Maschinenmann und Weltretter in die Gegenwart des Jahres 1984 katapultieren. Dass ausgerechnet eine schlecht gekleidete (Karotten-Jeans) und mies frisierte (Dauerwelle) Linda Hamilton den Heerführer der Zukunft gebähren soll, mag durchaus auch als eine Art Erfüllung des „American Dream“ lesbar sein, wonach also selbst aus der unauffälligsten Unterdurchschnitts-Trine noch etwas von Bedeutung erwachsen kann. Da sei bitte der Terminator vor! Und den spielt Arnold in seiner mit weitem Abstand bedeutsamsten Rolle gleich nach CONAN mit solcher Bravour, dass es auch noch 22 Jahre nach der Entstehung des Films erheblichen Spaß macht, ihn als Computer-Fleischklops den Rambazamba dieses Werks fast im Alleingang bestreiten zu sehen. Viel sagen muss er nicht, dafür kann er dammich grimmig aus seiner beuteligen Punkerjacke schauen und killt in der einzigen Szene gar Dick Miller, was ich ja nun gar nicht gut verknusen kann. Aber der Film wäre wohl nicht so gut, wenn Miller und Schwarzenegger ihre Rollen getauscht hätten, das sehe ich durchaus ein. Die Zeit hat etwas schwer an den Disco-Songs des Films geknabbert, die mir mittlerweile noch weitaus nerviger erscheinen als dünnemals (machten aber auch seinerzeit schon die B-Seite der alten Soundtrack-LP ziemlich ungenießbar). Auch der ganze zwischenmenschliche Hokuspokus mitsamt WG-Leben und Narbenbeschau bei Retter Reese drücken schon arg aufs Bremspedal und sind wahrlich keine Zierde mehr für diesen Film, den ich aber trotzdem überaus gerne wiedergesehen habe.
STIRB LANGSAM – JETZT ERST RECHT
(USA 1995 – John McTiernan)
Den trotzigen deutschen Titel habe ich nie so richtig kapiert, aber wahrscheinlich bin ich dazu einfach nur zu dulle, zumal es mir auch nie gelungen ist, in der kurzen Zeit, die Simon den beiden durch New York hetzenden Buddys wider Willen lässt, eines seiner Rätsel zu lösen. Den Fehler, den für mein Dafürhalten Teil 2 gemacht hat, wird im dritten Stück der Serie gründlich ausgemerzt. Jeremy Irons spielt den Bruder von Hans Gruber aus Teil 1 glaubhaft und hat ordentlich Präsenz auf der Leinwand. Es macht eigentlich weitaus mehr Spaß, ihm bei der Ausrichtung von Gemeinheiten, Erpressungen und Räubereien zuzusehen als dem Gespann Bruce Willis und Samuel L. Jackson, zumal der den beiden mit auf den Weg gegebene Auftrag zur Lösung von Rasseproblemen einfach nur sensationell auf den Keks geht. Politisch-gesellschaftlich korrekte Botschaft im Actionfilm – jetzt erst recht! Wahrscheinlich muss man den deutschen Titel einfach in diesen Kontext setzen und als Schlachtruf für eine neue Denke im US-Actionfilm der 90er begreifen. Sehr grottig. Und was der Hausmeister in Teil 2 war, ist diesmal ein schmuddeliger LKW-Fahrer, der sich kurzerhand als ein wahres Bildungsgenie entpuppt, dem sein Wissen schier aus dem Arsch tropft. Immerhin: Sämtliche Actionszenen sind wirklich exzellent in diesem Streifen, der dank der Auslassung von bremsenden Liebes- und Beziehungsgeflechten auf der Heldenseite sowieso fast unentwegt mit voller Fahrt durch zwei Stunden brettert. Ja, hat nach wie vor durchaus Spaß gemacht.
#497
Geschrieben 02. November 2006, 11:27
Eine alte Prophezeiung besagt, dass Jason dazu auserkohren ist, die grausame Herrschaft von Pelias von Thessalien zu brechen. Um seinen Volk Wohlstand und Frieden zu bringen und nachaltig zu sichern, scheint der Erwerb des sagenumwobenen Goldenen Vlies, welches in Kolchis an einem Baum auf Mitnahme wartet, das sicherste Mittel. Mit seinen handverlesenen Argonauten und gelenkt durch Göttin Hera macht sich Jason auf einen beschwerlichen Weg, vollgestellt mit sensationellen Trickgeschöpfen aus der Hand von Ray Harryhausen. Im probaten Stop-Motion-Verfahren lässt Harryhausen den Titan Talos, die Harpien und am Ende die von Aeetes befehligte Armee von Skeletten auferstehen, wobei nicht nur die extrem hohe Qualität der Animationen Wonne und Augenschmaus zugleich ist, sondern auch der Umstand, mit welcher Hingabe und Detailverliebtheit diese in die sowieso schon außerordentlichen Bilder des Films eingefügt sind und mit Leben füllen – mehr noch, da Harryhausen es wie kaum ein zweiter versteht, seinen Modellen allein durch beiläufige Bewegungen und Gesten einen eigenen Charakter zukommen zu lassen. Eine Kunst, die leider viele andere Filmen, die sich vornehmlich vom Bombast ihrer Effekte und Kreaturen nähren, sehr vermissen lassen.
Gibt es in JASON gerade mal keine Monster und Riesen zu bewältigen, bietet der Film mit Ausflügen zu den Ränkespielen auf dem Götterberg, Olympischen Spielen, bei denen Jasons Argonauten ausgelost werden, und wirklich hübschen Lager- und Tempeltänzen zu Beginn und gegen Ende Unterhaltung ohne jeden Durchhänger. Und das alles stets eingerahmt von überwältigend bombastischer Musik aus der Feder Bernard Herrmanns, die ich persönlich zu den zehn Filmsoundtracks zähle, die ich kenne. JASON UND DIE ARGONAUTEN halte ich auch abgesehen von der Tatsache, dass sich darin die mit weitem Abstand besten und eindrucksvollsten Harryhausen-Effekte finden lassen, und selbst trotz der sehr gerafften Darstellung der Geschichte für eine absolut erstklassige und überaus werkgetreue Verfilmung der Argonauten-Sage, die nicht nur allein dafür zu rühmen ist, ein wichtiges Stück griechischer Mythologie in fantastische Bilder gegossen zu haben, sondern auch in allen sonstigen Belangen eine gleichwohl technische wie künstlerische Meisterleistung ist.
#498
Geschrieben 02. November 2006, 15:22
(Deutschland 2004 – Marcus Mittermeier)
Herr Mux ist ein richtiges Hemd, blaß, spießig gekleidet und hat vielleicht die Grenze des 30. Lebensjahres gerade so durchbrochen. Jeden Tag ist er zum Wohle der Gesellschaft mit High-Tech-Detektiv-Spielkrams und mächtiger Wumme in Berlin unterwegs und stellt Ladendiebe, Schwarzfahrer, Exhibitionisten und sogar Konsumenten von Kinderpornographie. Und er expandiert, weshalb er sich zunächst den Langzeitarbeitslosen Gerd ins Boot holt und bald darauf sogar dazu ansetzt, mit einer ganzen Mannschaft deutschlandweit aktiv zu werden. Die Liebe bzw. die enttäuschte Liebe, die sich alsbald mit seinen Allmachtsphantasien paart, wird ihm schlussendlich zum Verhängnis – und reißt auch den sich eigentlich mit interessanten Aspekten herumschlagenden Film etwas in den Keller, denn irgendwie scheint jemand irgendwo im Zuge des kreativen Entstehungsprozess des Werks dem Irrglauben anheim gefallen zu sein, dass auch ein MUXMÄUSCHENSTILL nicht ohne ein obligatorisches Beziehungsgeflecht über die Runden kommt. Die ziemlich harte Wendung, die das eher lustige Werk dabei gegen Ende vollführt, will zumindest bei mir deshalb auch nicht so ganz ankommen. Ganz grandios sind aber die ungemein dokumentarischen und echt wirkenden Episoden von MUXMÄUSCHENSTILL, in denen Mux in der Öffentlichkeit in Aktion tritt. Die sind in der Tat so gut, dass man sich gerne von ihnen aufs Glatteis einer womöglichen Echtheit führen lässt. Schön wäre es gewesen, wenn sich der Film von Anfang bis Ende diesen Kniff zunutze gemacht hätte, obwohl MUXMÄUSCHENSTILL dann wohl gänzlich in Richtung einer Piefkevariante von MAN BITES DOG abzurutschen gedroht hätte.
#499
Geschrieben 04. November 2006, 10:08
(USA 1980 – Nancy Walker)
Steve Guttenberg fährt tänzelnd auf seinen Rollerskates den Broadway entlang, lässt sich vor Freude darüber, dass er gerade seinen Job in einem Plattenladen hingeschmissen hat, kräftig die Sonne aus dem Arsch scheinen und sieht voller Freude dem Abend entgegen. Da soll er nämlich in einer angesagten Disko mit seinen selbstkomponierten Popsongs dem Publikum ordentlich einheizen. Vorher geht er noch nach Hause in seine WG. Dort lebt er mit einem ehemaligen Fotomodell (eine unendlich alt aussehende Valerie Perrine), die sich nach ihrer Karriere als Anziehpuppe ganz der Botanik verschrieben hat. In der Bude tänzelt auch die ganze Zeit - man weiß nicht, woher er kommt – der Freund des Hauses herum, der allseits bekannte Village-People-Indianer, stets bekleidet in vollem Kriegsschmuck seines Stammes. Die Songs kommen in der Disse phänomenal an, weshalb Guttenberg, der unentwegt hysterisch ist, also eine ständig mit der Hyperventilation kämpfende Stimmung verbreitet, die in der Tat bis zum Ende des Films anhalten soll, sich sogleich ans Werk macht, zu seinen tollen Kompositionen auch die geeigneten Stimmen zu finden. Seine Freundin trommelt schließlich in der Nachbarschaft eine bunte Truppe zusammen. Bauarbeiter, Ledermann, Polizist, G.I. und so weiter, der Indianer macht auch noch mit, fertig sind die Village People. Nach einigen völlig blöden Witzeleien (die deutsche Synchronfassung macht mal wieder ordentllich Dampf), Beziehungskisteleien und vielen Auftritten, die in superbunten Glitzerbildern gerahmt sind, wie man sie zuvor auf der Leinwand noch nie sah, schaffen Guttenberg und seine Jungs den phänomenalen Durchbruch. Natürlich. Mit einer Spielzeit von rund 110 Minuten ist der Film überaus lang geraten, und die Zeit ist nicht nur mit der Musik der Village People, mit denen ich eigentlich noch nie was anfangen konnte, zugemüllt, sondern vor allem mit dauergrinsenden, sich ständig freuenden Menschen, wie man sie sonst nur aus Volksmusiksendungen im Fernsehen her kennt. Keineswegs steckt diese Dauerbefeuerung in CAN’T STOP THE MUSIC mit guter Laune an, sondern ist weitaus eher dazu angetan, einem den Bregen ganz gewaltig weichzukochen. Und was die Grinsemenschen in dem Streifen nicht vermögen, die Village People besorgen den Rest mit der Darbietung ihrer Lieder, deren formale wie inhaltliche Tiefe eine nahezu teuflisch-bizarre Ehe mit den Untiefen der Handlung eingehen. „YMCA“ fehlt klarerweise ebenso wenig wie der titelgebende Knaller „Can’t Stop the Music“, der sich in einer Art Maxi-Version bis über den Abspann erstreckt, weshalb er sich derart in den Schädel brennt, dass Spätwirkungen nicht auszuschließen sind. Mir ist jedenfalls am nächsten Morgen gleich nach dem Aufstehen als erstes die Melodie von „Can’t Stop the Music“ eingefallen, noch vor der ersten Tasse Kaffee, noch vor dem Gang aufs Klo, das kann doch nicht gesund sein! Und auch das von mir bereits in über zwei Jahrzehnten mühseliger Arbeit vollständig verdrängte Lied „Milkshake“ („A milkshake goes with your sandwich too! Yeah-yeah-yeah-eah! Just have yourself (have yourself) a feast (a feast), See what a milkshake can do for you! Yeah-eah-yeah-yeah-eah!“) ist im Film enhalten und sorgte für schlimme Flashbacks.
Dass der Film von einer Frau inszeniert wurde, lässt immerhin erklären, warum die Boys in knappen Kostümen, mit gleich unter dem Arschloch abgeschnittenen Jeans, schwer zu verknusender Fönfrisur und Pilotenbrille sowie stets offensiv zur Schau gestellter Brustbehaarung durch die Szenen tanzen – auch und gerade wenn keine Musik spielt. Ein unglaublicher Gay-Glamour ist allgegenwärtig und findet seine Krönung in den durchweg rosafarbenen Kostümen, mit denen dann „Can’t Stop the Music“ gereicht wird, seinen Höhepunkt. Der G.I. ist ganz rosa, der Polizist, der Bauarbeiter, die Lederschwuchtel und auch der Indianer hat rosa Federschmuck auf dem Kopf. Überall im Bild flittert es, explodieren Sterne ergießen sich über die Leinwand in blendenden Silberregen, es kreisen die bunt bekleideten Hüften, es wackelt der Bauarbeiter-Arsch im Takt und der Indianer macht dazu immer wieder Kriegsgeheuel wie beim Karl-May-Festspiel. CAN’T STOP THE MUSIC ist ein Drogenfilm ganz ohne Drogen, bei dem allein Musik und Bilder und unbeirrbar dauerfröhliche Menschen besoffen und high machen. Kubricks Farbenräusche in 2001 sind ein Dreck gegen die Geschütze, die hier aufgefahren werden. Und vor den schlimmen Langzeitschäden kann man wirklich nur noch einmal dringend warnen. Neben dem Kinofilm mit den Teens („Gimme gimme gimme your love" )der bislang schlimmste Musik-Film, der mir untergekommen ist. Anno 1980 hätte ich den gar nicht geschafft. Ein gewisses Maß an seelischer Reife und sozialer Festigung sind unablässige Grundvoraussetzungen für ein solches Werk.
#500
Geschrieben 04. November 2006, 18:54
(Italien 2004 – Eros Puglielli)
Kommissar Amaldi sieht aus wie Hungerhaken, verfügt vor allem über ein Frustgesicht und zeigt seine Gefühlsregungen nur selten. Wenn es allerdings darauf ankommt, kann er in seinem Job aber eine ungeahnte Härte und Brutalität an den Tag legen, die weit über das Erlaubte hinaus geht. Ein Frauenmörder geht um, der seinen Opfern Gliedmaßen entfernt. Amaldi schlägt sich derweil mit dem Fall einer Studentin herum, die von einem Unbekannten belästigt wird. Außerdem liegt einer seiner engsten Kollegen mit einem Gehirntumor im Krankenhaus und fristet seine letzten Tage. Sehr geschickt ist nun, wie der Film diese ganzen Einzelpositionen miteinander verwebt und zu einem großen Ganzen werden lässt. Alles in EYES OF CRYSTAL ist von Wichtigkeit und hat miteinander zu tun, keine Episode läuft ins Leere, obwohl dies zunächst durchaus den Anschein macht. Auch das Überraschungsbonbon am Ende fehlt nicht, obwohl man die Identität des Killers weitaus eher zu erraten in der Lage ist als in den meisten Vergleichsfilmen aus den 70ern. Und auch die obligatorischen falschen Fährten, ohne die der Film natürlich nicht bestehen könnte, sind etwas unausgegoren und wenig glaubhaft ausgefallen, was aber in der Summe nichts macht. Eventuell ist das sogar gewollt. EYES OF CRYSTAL bietet den großen Vorzug, dauerhaft sehr ernst und mitunter etwas unterkühlt vor sich hinzuplätschern, was den Film zu einem weitaus glaubhafteren Anliegen werden lässt als die letzten von Argento in den Sand gesetzten Italo-Krimis. Überhaupt zeigt EYES OF CRYSTAL sehr gut, wie ein erstklassiger Giallo, der er ohne Zweifel ist, im neuen Jahrtausend auszusehen hat und macht also genau da weiter, wo Argento irgendwann in den 80ern versagte. Mit großartigen visuellen Ideen geht EYES OF CRYSTAL dabei sehr sparsam um, statt buntem Bombast in Scope gibt es allenfalls leicht distanziert wirkende und mitunter sehr düstere Bilder eher klinischen Charakters, die dem Streifen aber überaus gut stehen und ihm zusätzliche Grausamkeit verleihen. Volle Punktzahl auch wieder für die erstklassige Musik, die, wie man es von den meisten Italienern kennt, viel zum Gelingen des Films beiträgt.
#501
Geschrieben 04. November 2006, 18:57
(Japan 1972 - Masahiro Makino)
Die junge Tsuruji ist nicht nur eine überaus angesehene Geisha, sondern auch Meisterin einhändig ausgeführter Schwertkampfkünste. Deshalb genießt sie höchstes Ansehen innerhalb ihres eigenen Klans wie auch den Respekt feindlicher Yakuzas. Lediglich der Emporkömmling Onitetsu, der im Wirkungsbereich von Tsurujis „Familie“ eine illegale Spielhölle betreibt, sich nebenbei als Wucherer profiliert und in dieser Position auch nicht davor zurückschreckt, wegen einer Schuld von 200 Yen eine junge Mutter zur Prostitution zu zwingen, ist wie ein ständig wachsender Schimmelfleck in dem ansonsten blitzsauberen Eck aus Ehre und Anstand. Die Dinge werden ernster, als Onitetsu den Anführer von Tsurujis Clan umbringt, weshalb Tsuruji in eine entscheidende Position vorrückt. Sie nimmt es mit Onitetsu auf, verstärkt durch den durch die Lande ziehenden Spieler Tabise und den abtrünnigen und zu einem Yakuza verkommenen Shinzo, der einst Tsurujis Freund war. Liebe spielt in THE RED CHERRY BLOSSOM FAMILY OF KANTO nur eine überaus untergeordnete Rolle, weitaus wichtiger sind Makino die verzweigten Strukturen innerhalb der Clans, Ehre und Aufopferung, weshalb diesen Aspekten auch weit über Gebühr Bedeutung beigemessen wird. Das macht den Film nicht gerade einfach zu verstehen, da stete Wachsamkeit gefragt ist, wenn man den roten Faden nicht verlieren möchte, aber die Mühe lohnt sich. Neben der wunderbaren Junko Fuji sind noch weitere Mimen aus der RED PEONY GAMBLER Reihe vertreten, weshalb sich der Film nicht nur seitens der zuweilen sehr ähnlich aufgezogenen Handlung dem großen Vorbild eng verbunden zeigt. Doch während in den RED PEONYs neben einigen humorvollen Szenen vor allem auch eine gewissen Leichtigkeit in der Inszenierung auszumachen ist, regieren bei der RED CHERRY BLOSSOM FAMILY OF KANTO Tragik, Ernst und der dringende Wunsch, alles noch eine ganzeNummer größer und (ge)wichtiger erscheinen zu lassen. Und das gelingt dem Film dann leider nicht immer, zumal er auch fotografisch wenig Eindrucksvolles liefert und sich manchmal fast schon verkrampft abmüht, seine zugegebenermaßen wenigen Spannungsmomente möglichst effektiv auszukosten. Der ganz große Knaller ist THE RED CHERRY BLOSSOM FAMILY OF KANTO nicht, allerdings ist er auch ganz weit davon entfernt, schlecht zu sein. Nur gibt es aus Japan eben Besseres. Wiederholtes Ansehen ist allein deshalb schon erforderlich, um das wirklich ordentlich verzwirbelte Durcheinander innerhalb der rivalisierenden Gruppen ganz nach Bedarf noch einmal gründlicher auseinanderzuklamüsern.
#502
Geschrieben 06. November 2006, 15:03
(USA 2004 – Mike Johnson, Tim Burton)
Der junge Victor Van Dort soll eine Zwangs- und gleichermaßen Vernunftehe mit Victoria Everglot eingehen, stellt sich aber bei den Proben zur Vermählung so dumm an, dass er bei einem Spaziergang den Trauring versehentlich auf einen Zweig bei dem Grab einer jungen Dame steckt, ins Totenreich gezogen wird und sich fortan mit einer Leiche verheiratet sieht. Das geht natürlich so nicht, weshalb allerlei schabernackige und die glückliche Auflösung der Angelegenheit verzögernde Episoden und Gesangseinlagen später sich alles doch noch zum Guten wendet. Sogar der Mörder der Leichenbraut kann gefasst und seiner Bestrafung zugeführt werden. Daneben übt sich CORPSE BRIDE vor allem in der bildbombastischen Aufbereitung märchenhafter Kitschigkeit ohne Pardon, wobei sich die Nähe zu dem seinerzeit ungleich innovativeren THE NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS nicht abschütteln lässt und zuweilen betrüblich schwer auf CORPSE BRIDE lastet. Ganz hervorragend verschmelzen in CORPSE BRIDE aber Stop-Motion-Animation und Computerschnickschnack, wenn der ganze Film auch immer dazu neigt, in der Summe so auszusehen wie komplett dem Elektronengehirn entsprungen. Somit kann man die ohne Frage vorhandenen handwerklichen Leistungen erst dann wirklich schätzen, wenn man sich auch noch das Making Of zum Film anschaut, was etwas schade ist, weil ich mich am Können der Macher auch gern schon dann erfreue, während ich den Film anschaue. Und trotz aller Finesse in den Animationen lässt sich auch kaum verhehlen, dass es den Figuren an charakterlicher Tiefe einmal mehr ziemlich mangelt. Außer Spaß, Faxen und dumme Gesichter ist da kaum etwas auszumachen, der klägliche Rest wird von bis in die letzte Ecke vollgestellten Bildern kaschiert oder erschlagen. Selbst Harryhausens lediglich sechsarmiger Krake aus IT CAME FROM BENEATH THE SEA hat mehr Charakter im Angebot als jede noch so sorgfältig hampelnde Puppe in CORPSE BRIDE. Leider. Inhaltlich hat mich der Film auch nicht gerade vom Hocker gehauen. Mit den Gesangsnummern wusste ich auch nichts anzufangen, für mein Ohr waren die jedenfalls mal so rein gar nüscht.
#503
Geschrieben 06. November 2006, 15:04
(USA 1971 – Robert Wise)
In einem kleinen Dorf in New Mexico sind nach der Rückkehr einer Raumsonde alle Bewohner plötzlich tot aus den Latschen gekippt. Ihr Blut hat sich in nur ein paar Stunden zu Staub verwandelt. Nur ein sechs Monate altes Kind und ein unheilbarer Säufer leben noch. Alarmstufe Rot für die neue Superforschungsstation im Keller von Nevadas Wüsten, wo man den Grund für das rätselhafte Massensterben nun erforschen will. Eine zusammengetrommelte Brigade von Spitzenwissenschaftlern findet schnell heraus, dass ein in die Sonde eingeschlagenes Sandkorn und ein sich darauf befindlicher grüner Bakterienglibsch für das Unheil verantwortlich zu machen sind. Ein Wettlauf mit der Zeit entbrennt, da das Andromeda-Zellengehäuf die Angewohnheit hat, sich rasend schnell zu vermehren und auszubreiten. Am Ende, und das darf man ruhig vorwegnehmen, siegen Technikglaube und menschliche Genialität, denn wie der Bakterie in ihrer aggresivsten Form beizukommen ist, das finden die Wissenschaftler ebenso heraus wie die im Grunde ziemlich ernüchternde Tatsache, dass sich der Killerglibsch auf der Erde nach gewisser Zeit einfach in ungefährlichen Sabsch verwandelt. In den 70ern konnte mich ANDROMEDA mindestens so schwer begeistern wie der weitaus intelligentere PHASE IV. Mittlerweile ist beim Glotzen von ANDROMEDA spätestens nach einer halben Stunde das merkliche Aufkeimen von Langweile zu verspüren, denn überall ist vornehmlich fröhliche Leistungsschau auszumachen, deren Hauptpfeiler die ganz baff machende unterirdische Forschungsstation auf der einen und die Unfehlbarkeit amerikanischer Wissenschaftler auf der anderen Seite sind. Wie später auch in STAR TREK – DER FILM verfällt Wise dabei in mittelschwer ermüdende Schwärmerei. Waren es bei STAR TREK die verträumten, fast schon gar nicht mehr enden wollenden Umrundungen des Strahlemann-Raumschiffs Enterprise mit der Kamera, begleitet von Jerry Goldsmith von Tusch zu Tusch eilenden Musik, lässt Wise in ANDROMEDA den Zuschauer einen nicht gerade hochspannenden Dekontaminierungsprozess in Echtzeit begleiten, rückt Computeranlagen mit Magnetband, surrende Roboterarme zentral ins Bild, womit das Staunen des Publikums angesichts all des technischen Unfugs nicht nur erbeten, sondern geradezu erbettelt wird. ANDROMEDA – TÖDLICHER STAUB AUS DEM ALL ist ein Krieg, die nur eine Seite mit sich unter ihrer Technik ausficht. Ziemlich kläglich fallen dabei die bis hinab ins Leere laufenden Bemühungen aus, den grünen Weltall-Popel zu einem gleichwertigen Gegner für Mensch und Technik aufzubauen. Darüber kann man nur hinweg sehen, wenn man jung ist oder den Film noch nicht kennt. Am besten aber wohl beides.
#504
Geschrieben 08. November 2006, 14:01
Von einem für die Menschheit nicht erfassbaren Planetenbrocken irgendwo zwischen Mars und Jupiter kommen die Kilaaks, ein ausschließlich weibliches Volk, auf die Erde und lassen als erstes die auf der Monsterinsel hockenden Toho-Riesenviecher auf die Metropolen der Welt los. Denn zur Errichtung einer neuen, „wissenschaftlichen Zivilisation, die für alle neue Maßstäbe setzt“ braucht man nach Meinung der Kilaaks gar keine Hauptstädte mehr. Also weg damit. Ebenso wie Godzilla und die ganze Monsterschar wird das Wissenschaftlerteam von der Monsterinsel von den Kilaaks mittels Minisendern und geheimen Funkwellen zu willigen Sklaven umfunktioniert. Die Japaner sind natürlich nicht doof und finden heraus, wie die Sender funktionieren. Zur Bekämpfung der Invasoren kommt zudem von der Mondstation die Superrakete Moonlight SY-3 angesaust und das in ihr hockende Forscherteam findet fix heraus, dass die Kilaakiken nur bei einer Hitze von mindestens 100000 Grad Celsius existieren können, weshalb einzig der Fujiyama, in dessen Inneren solche Temperaturen herschen, als mögliche Erdbasis der feindlichen Fräuleins in Frage kommt. Die Monster trampeln, mittlerweile wieder von den Menschen gesteuert, am Fujiyama alles in Dutt und legen die geheime Basis frei. Doch damit geben sich die Kilaak-Weiber noch lange nicht geschlagen. Hinter all den Erderberungsplänen steckt nämlich Frankenstein (dt. Fassung), der sich über die Vereitelung seiner gewissenlosen Pläne dermaßen ärgert, dass er den Erd-Monstern kurzerhand das Weltraum-Supermonster King Ghidorah in den Weg stellt. Nachdem Godzilla, Angilas, Barugon und Gefolge das dreiköpfige Schuppentier erledigt haben, die Marsianerinnen sich in Steine verwandelt haben und auf der Monsterinsel wieder Ordnung herrscht, kann man außerordentlich zufrieden nach Hause gehen. War BEFEHL AUS DEM DUNKEL schon ein ziemlicher Meilenstein, FRANKENSTEIN UND DIE MONSTER AUS DEM ALL ist der absolute Oberknaller der Godzilla-Filme der 60er Jahre. Sehr ausgewogen ist das Verhältnis zwischen dem Aufmarsch der Monster, der Invasionsthematik und der Vorführung von technischen Schnickschnack, die hier wie selten zuvor mit einer kindlichen Begeisterung vonstatten geht, das man gar nicht umhin kann, sich von ihr anstecken zu lassen. Für Auge und Ohr bekommt man damals wie heute richtig was für seine Mark, wobei die deutsche Synchronisation technisch überaus ordentlich ist, dabei aber mit größtem Ernst und Eifer fast nur dummes Zeug vom Stapel lässt. Damals in der Jugendvorstellung (der letzten im Kino Bali) nur eine Woche nach DER PLANET SATURN LÄSST SCHÖN GRÜSSEN habe ich derlei aber – naiv wie ich war und bin – für absolut bare Münze genommen. Heute muss man sich schon etwas weiter fallen lassen können, um den Spaß, den die Monster aus dem All machen, noch zu greifen und zu begreifen. Vor allem auch, weil einem zumeist die ebenfalls Vorbehaltslos ins Reich der Japan-Monster eintauchenden Mitgucker fehlen, wie es sie damals im Kino noch gab, und die einen Film wie diesen erst zu einem echten Spektakel werden lassen, über das man sich noch Jahre später angeregt unterhalten kann. Selbst das Wiedersehen mit FRANKENSTEIN UND DIE MONSTER AUS DEM ALL im Kino in den 90ern (im Zuge des Emmerich-Godzillas und dank der Archiv-Kopien vom Pranke Filmverleih) taugte nicht einmal als schwacher Aufguß dessen, was angesichts der Monsterprügeleien im Saal bei der Jugendvorstellung für 2 Mark 50 Eintritt los war. Statt mit Godzilla zu fiebern, lachten sich die Leute über die Monster schier kaputt, und manche schienen sich angesichts des Dauergekloppes – vor allem gegen Ende – gar mittelschwer zu langeweilen, weshalb mancher lieber mit dem Sitznachbarn in den Film übertönender Weise herumblödelte. Sowas hätte es in der „Juge“ niemals gegeben, völlig undenkbar.
#505
Geschrieben 09. November 2006, 09:14
(USA 1976 – Paul Kyriazi)
Eine Chinesin, die sich gern Rotwein schlürfend und dazu in passend farbigen Fummeln zeigt, hat den ultimativen Unterwelt-Plan: Mit drei Superfightern, die sie mittels irgendwelcher Drogen zu willenlosen Zombies gemacht hat, reißt sie sich das blühende Geschäft rund um den Auftragsmord unter den Nagel. Gangsterboss Mr G wird, nachdem er zwei seiner Auftragskiller verloren hat (einer wird vom Dach eines Hochhauses geschmissen, der andere mit der Bazooka pulverisiert), ihr erster Kunde. Die drei Kampfmaschinen - ein blonder Ami mit Hackfresse, ein Kampfneger und ein Bruce Lee – sollen Lo (Besitzer einer Karateschule) und Mr Adams (Bankdirektor) umbringen, mit denen Mr G noch eine Rechnung offen hat. Bei dem Überfall auf Los Schule überlebt jedoch Frank, der bei dem Scharmützel lediglich eine Hand eingebüßt hat, und sinnt auf Blutrache. Zusammen mit der Krankenschwester Florentine, in die er sich verliebt, will er die Killer im Alleingang aufspüren und nach allen Regeln der Kunst kaputtschlagen. Immerhin: Soweit kommt es nicht, denn die drei Schläger der Chinesin sind in der Tat unbesiegbar. Deshalb besorgt am Ende die hauptsächliche Arbeit die Polizei, während Frank bei seinen vergeblichen Bemühungen ordentlich welche eingeschenkt bekommt. Die Selbstjustiz-Pointe läuft also gehörig ins Leere. DIE TODESMASCHINE gibt trotzdem ordentlich Gas und durchsetzt hirnverbrannt-geniale Actionszenen mit einigen hübschen Brutalitäten. Einer der absoluten Höhepunkte des Films ist die Gefangennahme eines der Killerbatzen durch die Polizei irgendwann in der Mitte dieser Unternehmung, der bei der anschließenden Flucht aus der Wache ein Massaker wie beim TERMINATOR anrichtet. Sowieso wird gekloppt und geschossen, was das Zeug hält, wozu die deutsche Synchronisation einerseits mit Dusseligkeiten und harten Sprüchen auch nicht sonderlich sparsam umgeht, andererseits dann aber wieder ausgesprochenen Anstand beweist: Selbst nachdem Frank und Florentine eine Nacht lang gevögelt haben, siezen sie sich in der deutschen Fassung brav weiter. Alle Achtung! DIE TODESMASCHIEN wird auf der Marketing-DVD „präsentiert in Dolby Digital“, in der Tat stammt der Ton dann von einer alten Spectrum-VHS, ist extrem dumpf und wird begleitet von ständigem Rauschen und allerlei Geraschel. Eine tolle Leistung also, die den dieses Werk vorangestellten Angeber-Trailer aus den Dolby-Studios mehr als verdient hat. Beibehalten wurde immerhin das Original-Artwork zum Film. DIE TODESMASCHINE wurde damals als knüppeldickes SF-Endzeit-Spektakel verkauft, was sich nicht nur im Kinotrailer niederschlägt, sondern auch auf dem Filmplakat, welches einen gefräßigen Riesen-Metallklotz mit spitzen Hauern zeigt, in dessen Schlund die Körper von Männern und Frauen aufs trefflichste zermanscht und zermahlen werden. Zerbröselte Körper lassen sich in DIE TODESMASCHINE ausmachen, von der tollen Riesenapparatur fehlt leider jede Spur, was ich immer schon endlos bedauert habe.
#506
Geschrieben 09. November 2006, 15:11
(Türkei 1983 – Çetin Inanç)
Ob sich die Gangster, die der Superbulle Murat in EN BÜYÜK YUMRUK jagt, nun in Ankara, Istanbul, Rom, Mailand oder gar Las Vegas herumtreiben, lässt sich nicht eindeutig sagen. Sowohl aus amerikanischen wie auch italienischen Actionfeuerwerken der 70er Jahre sind zahllose Autoverfolgungen und Schießereien mehr schlecht als recht in EN BÜYÜK YUMRUK eingeklebt, zudem verfeinert mit ganz und gar keinen Sinn mehr machenden Filmschnitten sowie fürchterlich fiesen Kampfszenen ohne Anfang und Ende. Cüneyt Arkin erweist sich trotz mittlerweile heftig ergrauter Betonfrisur als ungeheuer drahtiger Handkantenschwinger und stellt mit jedem Fight, und davon gibt es in EN BÜYÜK YUMRUK nun wirklich jede nur erdenkliche Menge, eindrucksvoll unter Beweis, dass er der einzig legitime Nachfolger von Bruce Lee auf Erden ist – mindestens! Der Chef der Drogen- und Geldpresser-Mafia weiß von Murats Schlagkraft und verhält sich ihm gegenüber deshalb wohl auch nicht ohne Grund ausnahmslos freundlich. Vor seiner gerechten Strafe bewahrt ihn das natürlich nicht. Die lässt Arkin ohne Wenn und Aber einfach allen angedeien, die Recht und Ordnung mißachten, und das immerhin mit einer in kein Verhältnis mehr zu setzenden Brutalität. Ein bis ins geht-nicht-mehr potentierter Gerechtigkeitssinn, von dem sich selbst noch seine fürchterlich rücksichtslosen italienischen Kollegen eine Scheibe abschneiden können, ist ihm zueigen. Je schlimmer das Verbrechen, desto heftiger die Strafe, weshalb die beiden schärfsten Killer des Syndikats - ein angefetteter und dauernd Äpfel fressender Batz sowie die türkische Ausgabe vom Beißer aus dem Bond-Universum, der nicht nur aussieht, als wäre er bei DEPARTMENT S rausgeflogen, sondern vor allem dadurch glänzt, dass seine Hauer blau funkeln – am Ende auch besonders eindrucksvoll die Kurve kratzen müssen. Selbstverständlich kann Murat auch die pralle Tasche voller Drogen sicherstellen, was jedoch zusätzlichen Zoff mit der Organisation und ihren Häschern bedeutet. Erstaunlich, wie viele niedrige Schergen dabei in weißen Outfit und stets mit schwarzer Skimütze über dem Schädel angelaufen kommen und um eine Tracht Prügel betteln. Arkin bedient sie derart ordentlich, dass der Tonmeister Mühe hatte, die Schlaggeräusche auf der immer möglichst synchron zu setzen. Und wenn da nichts mehr geht, wird auch mal alles großräumig mit Musik aus DIE KLAPPERSCHLANGE und dem Bond-Film IN TÖDLICHER MISSION zugekleistert. Bevor einen das aber überhaupt juckt, gibt es schon wieder neue Szenen mit Prügel, Schlägen, Tritten, Zuckis und ganz viel Dresche. Gar nicht müde wird EN BÜYÜK YUMRUK dabei, wirklich extrem unterhaltsame Fights anzurühren, die sich wirklich sehen lassen können. Und nach jedem überstandenen Handkantengewitter steht Arkins kecke Freundin in den schlimmsten Modesünden der frühen 80er Jahre auf der Matte und holt sich von ihrem Helden, weder Schweißperlen noch eine unordentliche Frisur verunzieren sein Anlitz, ein Lächeln ab. Zum großen Showdown rüstet sich Arkin wie Travis in TAXI DRIVER mit einem ganzen Waffenarsenal aus, kann selbst mit dem rechten Fuß noch einen Trommelrevolver zum Einsatz bringen und schnallt sich wie ein Gotteskrieger einen dicken Sprengstoffgürtel mit vielen roten Dynamitstangen um. Man merkt: Dem geht es nicht mehr nur um die Erfüllung eines Auftrags, der Mann ist in höherer Mission unterwegs. Schwarzenegger, Diesel, Stallone, Willis, Chan – alle ganz sicher große Namen im Actionkino. Einen übermenschlichen Action-Gott gibt es indes nur in der Türkei. Und das beweisen die Action-Fetzer mit Cüneyt Arkin immer wieder höchst eindrucksvoll.
#507
Geschrieben 10. November 2006, 11:16
(Italien 1968 – Anthony Dawson (Antonio Margheriti))
Ein verpatzter Goldraub und die brutale Fünfteilung (!) seines Kumpels Ricky lassen Rocco zu einem Rache schnaubenden Einzelgänger werden. Das ihm von seinen Ex-Kumpels vorenthaltene Geld spielt für ihn keine Rolle mehr, nur noch der Tod der fünf Mörder Rickys interessiert ihn. Dafür zieht er von Ort zu Ort, einer schlimmer und gesetzloser als der andere, und überzeugt nicht nur vollends in der Beherrschung unglaublich schneller Revolver- und Messertricks, sondern auch durch seine Scharfsinnigkeit und der unglaublichen Härte und Kaltblütigkeit, mit der bei der Erledigung seines Auftrags zu Werke geht und die Leichen mit Abschnitten von den Stricken ziert, die seinem Freund das Leben kosteten. Im gleichen Maße, wie Rocco, den Richard Harrison wirklich toll spielt, trotz mieser Vergangenheit und im Grunde nicht zu billigenden Verhaltens alle Sympathien ohne Wenn und Aber auf sich zu vereinen weiß, zeigen sich die Opponenten ausschließlich von ihrer niederträchtigen und bösen Seite, was dazu angetan ist, auch beim Zuschauer nichts anderes als Ablehnung hervorzurufen. Echtes Gefühlskino also, da fiebert man gerne mit. Werner Pochath, der beste deutsche Export-Bösewicht der 60er und 70er neben Klaus Kinski und Horst Frank, und ein schier unglaublich agierender Claudio Volonté, der den totgeglaubten Kopf der Bande spielt und der sich in einer stillgelegten Schwefelmine versteckt hält, die für den wirklich ungemein packenden Showdown den passenden Rahmen liefert, sind in FÜNF BLUTIGE STRICKE schon allein absolute Erfolgsgaranten und spielen für meine Begriffe selbst in ihren Nebenrollen jederzeit Harrison an die Wand. Margheritis Film ist zudem nicht nur von seiner Thematik her unglaublich düster, sondern überrascht in ähnlicher Weise wie sein SATAN DER RACHE immer wieder mit erstklassigen Duellen im Halbdunkel, womit Tür und Tor für wirklich ungemein stimmungsvolle Bilder offen stehen, was Margheriti auch zu nutzen weiß. Gerade die Mine mit all den Fackeln und hallenden Gängen wäre auch als Schauplatz für einen Grusler ohne jeden Abstrich vorstellbar. Wenn Rocco einmal gerade nicht tötet, sondern auf Spurensuche geht, erinnert Carlo Savinas exzellenter Soundtrack mit einer Gesangsnummer, bei der ein Männerchor aus tiefster Kehle immer wieder „Vengeance!“ hervorkeucht, daran, worum es in dem Film geht. Und da hat man auch als Zuschauer schon keine andere Wahl mehr, als voll und ganz bei der Sache zu sein. Feiner Film!
#508
Geschrieben 11. November 2006, 14:44
(Großbritannien/USA 2005 – Mike Newell)
In der Zauberschule wird das Trimagische Turnier ausgerichtet. Obwohl Harry Potter daran bedingt durch die verschärfte Jugendschutzbestimmungen (oho!) des Ministeriums eigentlich nicht teilnehmen darf, gerät er doch in die Auslosung. Als Gegner sind Jungmädchenzauberinnen aus Frankreich und Vertreter der Zauberschule von Inkasso Moskau angereist. Nach dem Kampf gegen einen in der Tat recht ansehnlichen Drachen und einer Unterwasserprüfung steht noch ein Gang in ein Labyrinth an, wobei sich allerdings herausstellt, dass Potter nicht durch Zufall ausgelost wurde, sondern ein finsterer Plan dahinter steckt, der sich mir allerdings nicht so ganz offenbart hat, zum einen, weil ich die Bücher nicht kenne, zum anderen, weil ich die Vorkommnisse aus den drei anderen Potter-Filmen fast schon wieder vergessen habe. Sehr schade ist, das dass, was an düsteren Bildern in dem Streifen vorhanden ist, durch erblühende Teenagerliebeleien, die sicherlich für einen Zwölfjährigen in der Verflechtung mit dem sonstigen Hokuspokus des Werkes einen nicht zu unterschätzenden Mehrwert darstellen, abgemildert wird. Ansonsten alles wie gehabt, wobei mich oftmals - und weit mehr noch als in den anderen Pottern – das unangenehme Gefühl beschlich, dass sehr viele Dinge in den Film eingeflossen sind, die man nur versteht, wenn man die Bücher auswendig runterbeten kann. Und das bei einem Film, der eh schon 151 Minuten verschlingt! Viel zu lang also und in der Summe auch nicht wirklich spannend, selbst beim Finale nicht, bei dem ich dann trotz Zuführung von Coca Cola kurz vor Ende weggepennt bin. Ein über den Abspann gejammertes Pop-Stückchen besorgte das Wecken, und nichts hasse ich mehr, als dann gerädert und schlaftrunken noch einmal zwei oder drei Kapitel zurückspringen zu müssen, weil man den Streifen ja sonst nicht wirklich gesehen hat. Bevor noch einmal die Pop-Nummer aus den Lautsprechern gejammert kam, habe ich aber abgeschaltet und bin mit der Gewissheit ins Bett, dass das Wochenende nach so einem Stück zumindest seitens der Filmauswahl eigentlich nur noch besser werden kann.
#509
Geschrieben 13. November 2006, 10:56
(Neuseeland/USA 1996 – Peter Jackson)
Nach einem Unfall hat Frank Bannister die Gabe, mit Geistern in regem Kontakt zu stehen, weshalb er sich eine eher schwindelige Existenz als Medium und Ghostbuster aufgebaut hat. Eines Tages aber durchweht ein in Serie killendes Gespenst das kleine Städtchen, in dem Bannister wohnt. Zusammen mit einer jungen Ärztin obliegt es Frank, dem bösen Treiben Einhalt zu gebieten, zumal er selbst als Hauptverdächtiger ins Visier der Polizei rutscht.
Ziemlich clever verwebt THE FRIGHTENERS Motive der Serienmörder-Filmwelle der 90er mit klassischen Gruseleien, einer mächtigen Portion Humor (die natürlich in der deutschen Synchronfassung nie so wirklich zu zünden vermochte) und einigen durchaus sehr garstigen Szenen, die auch Jacksons filmischen Wurzeln Rechnung tragen und die Erwartungen der gorebäuerlichen Knappschaft landauf, landab zumindest im Ansatz erfüllen. Interessanter als das sind aber die Filmzitate, die Jackson in seinen Streifen eingebastelt hat, die Persiflage von NATURAL BORN KILLERS und eine wirklich brillante Dee Wallace, die hier ihre zweitbeste Rolle nach ihrem Auftritt als Plüschtier in DAS TIER bestreitet und gleichwohl ihre schlimmste Entgleisung als E.T.-Mama aus dem Knitterjäckchen ihrer Karriere bügelt. Ja, selbst das Brechmittel der 80er, Michael J. Fox, gefällt mir in diesem Ding, wie ich zugeben muss. Was am Director’s Cut länger ist, hat sich mir nicht wirklich eröffnet, da die letzte Begegnung mit THE FRIGHTENERS dafür auch schon zu lange her ist. Jedoch muss ich zugeben, dass der Film absolut solide unterhält, sich weitaus weniger abnutzt als Jacksons nur auf Gekröse und Ekeleien statt Handlung setzenden Frühwerke und, ganz im Gegensatz dazu, sogar noch hier und da Punkte dazugewinnen kann. Komisch nur, dass der Director’s Cut von THE FRIGHTENERS eine Freigabe ab 16 Jahren trägt, während die kürzere Kinofassung des Films in Deutschland immer noch mit einem strengen ab 18 belegt ist. Warum das so ist, ist wahrscheinlich ähnlich rätselhaft wie die Frage, warum der wirklich alles andere als schlechte Film nie eine würdige Kinoauswertung erfuhr.
#510
Geschrieben 13. November 2006, 10:58
(Italien/Spanien 1962 – Pedro Lazaga)
Erst muss sich Dario im Circus Maximus mit Gallier und einer Pretorianergarde kloppen, dann wird er begnadigt und kehrt nach Sparta zurück, wo bereits seine Angebetete Aglaia auf ihn wartet. Weniger allerdings Hierba, der tyrannisch über den Staat herrscht, Darios Vater auf dem Gewissen hat und fix auch noch den Alten von Aglaia tötet, wobei er den Mord gekonnt Dario in die Schuhe schiebt. Knapp kann Dario den Häschern von Hierba entkommen, tingelt durch die Lande und trommelt sechs alte Freunde zusammen, alle natürlich gestandene Gladiatoren und ruhmreiche Kämpfer. Ein paar blöde Kämpfe und Kraftmeiereien weiter setzt Dario mit seinen unbesiegbaren Freunden zum Sturm auf Hierbas Festung an. Vorher werden noch ein paar Bretterbuden geplättet und Darios Unschuld bewiesen. Einen schönen Stierkampf wie den mit Muskelmann Ursus in QUO VADIS? gibt es zudem, ebenso scheint man für diesen Billigheimer auch die überaus pompösen Sets anderer, mit weitaus großzügigeren Geldmitteln versehenen Sandalinskis hat mitbenutzen dürfen. Denn ausstattungsmäßig wird hin und wieder absolut Gewaltiges geboten. Die Story ist das genaue Gegenteil dieser Bilder, unendlich platt und will deshalb auch zuweilen gar nicht so recht zu den überdimensionierten Scope-Bildern passen. Auch Richard Harrison kommt als strahlender Held nicht so wirklich glaubhaft beim Zuschauer an. Den habe ich in dem Western neulich viel lieber gesehen. Außer viel Säbelgerassel und der Tatsache, dass DIE SIEBEN SAMURAI nun ihre Sandalen angeschnallt haben, gibt’s hier kaum was zu holen. Obwohl: Bei genauerer Überlegung werden wohl weniger die Recken aus dem Kurosawa bemüht, sondern eher die aus dem amerikanischen Western-Nachklapp. Nicht umsonst reiten bei Lazaga die sieben Streiter in manchen Szenen fast bildidentisch durchs wilde Kurdistan, während Marcello Giombinis Musik (noch mit weitem Abstand das beste am Film) dazu ähnlich glorreich vor sich hinscheppert. Einer der wenigen Momente in diesem Stück, die in der Tat durchaus lustig anzuschauen sind.
Das endgültige Verreckerchen besorgt aber die ziemlich aktuelle Synchronisation, die zum größten Teil von Leuten verbrochen wurde, die definitiv den falschen Beruf ergriffen haben. Und auf O-Ton und Untertitel umschalten is’ bei der DVD leider nicht.
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