Beutelschneider, Zeitschinder, Nervenzerrer
#151
Geschrieben 15. November 2005, 15:50
(USA 2001 – Bill Plympton)
Nach zwanzig Jahren kehrt der als verschollen abgestempelte Raumfahrer Earl Jensen auf die Erde zurück. Mit im Gepäck hat er zwar keine Grüße vom Planeten Saturn, aber einige Aliens, mit deren Hilfe er sich für die einstige Sabotage an seiner Raumkapsel bei den Verantwortlichen bedanken geht. Und da kracht’s trotz ziemlich grober Animation gehörig im Karton, wobei Geschmacksentgleisungen aller Art den Weg säumen. Nicht nur Splatter steht auf der Tagesordnung (wenngleich sich sowas wohl auch beim Zeichentrick gut verkauft, womit dann die Anpreisung von MUTANT ALIENS als „Splattervergnügen“ entschuldigt wäre), sondern manchmal auch ganz arg Befremdliches. Wenn Jensen rückblickend eine Mär von einer Außerirdischen in Form einer Nase erfindet, die er irgendwo da oben mal gehörig durchgebockt hat, dann ist das natürlich herrlich und kranksinnig zugleich – also herrlich kranksinnig. Und überhaupt findet sich der Film mit seinen ganzen sexuellen Anspielungen, Gewaltexzessen und Unsinnigkeiten noch am ehesten in der Nähe eines HEAVY TRAFFIC aus den 70ern wohl. MUTANT ALIENS erzählt zwar eine Geschichte, aber die ist in erster Linie Mittel zum Zweck für zahllose Ungeheuerlichkeiten. Dennoch springt der ganz große Funke bei MUTANT ALIENS nicht so ganz über, was daran liegen mag, dass die Trickfilmspelunken der 70er Jahre unlängst weitaus subversivere und rüdere Filme zu Wege gebracht haben. Als einen vom neuen Jahrtausend aus dahingehend eingestellten Rückspiegel nimmt man MUTANT ALIENS aber gerne mit. Immerhin fällt der Streifen im Einerlei der eher handzahmen Trickfilme der letzten Dekaden schon gehörig aus dem Rahmen. Animes dabei einmal ausgenommen.
MILLER’S CROSSING
(USA 1990 – Joel Coen)
Die Coen-Filme sind entweder immer über Gebühr gut, oder aber absolut gnadenlos schlecht. Dazwischen scheint es nichts zu geben. Mittelmäßigkeit ist mir bei den Coens noch nicht untergekommen. Mit ARIZONA JUNIOR und dem Scheidungsfilmchen, dessen Titel mir unlängst wieder entfallen ist und der mir vor allem noch deshalb in Erinnerung klebt, weil mich dabei trotz des nervigen Gekreischs und der pausenlosen Hektik nach einer halben Stunde wohliger Schlummer umhüllte, kann ich so rein gar nichts anfangen. Nicoals Cage mag ich auch nicht besonders. Noch ein Grund mehr, ARIZONA JUNIOR blöd zu finden, der sich als typisches und recht blütenweißes 80er-Produkt sowieso unlängst abgenutzt hat. Ganz anders die Coen-Filme, die vertrackte Geschichten um gescheiterte und gestrandete Existenzen zum Inhalt haben. Nicht umsonst haben die Coens schon seit den seligen Zeiten von BLOOD SIMPLE, dessen eingekürzten Director’s Cut ich aber auch noch immer nicht gesehen habe, einen dicken Stein im Brett, was gleichfalls als Erklärung dafür genügt, weshalb ich mir sogar die richtig stinkenden Fische der Brüder anschaue. MILLER’S CROSSING ist neben BLOOD SIMPLE, THE MAN WHO WASN’T THERE und FARGO ganz klar ein Lieblingsfilm des Gespanns. Und dabei ist natürlich insbesondere interessant, wie weit die Coens den Film Noir verbogen bekommen, um ihn mit ihrer eigenen Handschrift neu schreiben zu können. Das ist vielleicht das größte Verdienst des Films. Die tollen Darsteller (vor allem Albert Finney) tun ihr übriges. Die Musik lehnt sich in den ersten Takten beabsichtigt oder unbeabsichtigt an die Oper Martha von von Flotow an. Keine Ahnung, ob das tiefere Bedeutung hat. Der Soundtrack ist jedenfalls einer der schönsten aus der Feder Carter Burwells und musste Anfang der 90er gleich nach Filmstart in die Sammlung. Als kompakter Gangsterfilm ist mir MILLER’S CROSSING zudem in fast jeder Hinsicht weitaus lieber als ein vor allem durch Geschwätzigkeit und Längen auffallender sowie himmelhoch überschätzter GOODFELLAS. Und der war ja trotzdem auch nicht wirklich schlecht.
#152
Geschrieben 17. November 2005, 01:53
(Italien/(BR) Deutschland 1972 – Mario Bava)
Rein optisch ist der Blutbaron natürlich schon mal die Wucht in Tüten, und zwar in jeder Beziehung. Auf der DVD von e-m-s, die bis auf den geringfügig schlechteren Ton vollkommen identisch mit der italienischen Ausgabe ist, gibt’s gleich nach dem Einlegen und ohne, dass man überhaupt auf einen Knopf gedrückt hat, Blutbaronin Elke Sommer zu sehen, die viel Spaß beim Gruseln wünscht. Am ehesten vielleicht über ihre seit Dekaden dahingewelkte Jugend, denn anders als das Gespenst von Otto von Kleist im Film hat sie keinen Gesichtschirugen zu Rate gezogen, bevor sie sich für die Ansage der DVD der Öffentlichkeit präsentierte. Und ihr mattscheibenfüllender Anblick ist schaurig. Von Kleist dagegen sieht im Film nach eingehender Behandlung aus wie Joseph Cotten, was ganz in Ordnung geht, wenn man des Weiteren Cottens selbstherrliches Auftreten ein wenig beiseite schiebt, mit der er auch in den allerschönsten Momenten für Ishiro Honda U 4000 durch die Panik unter dem Ozean steuerte. Der Cotten halt. Elke Sommer hat in dem BARON BLOOD stehenden Fußes folgenden LISA AND THE DEVIL die weitaus schöneren Szenen, wenn Belzebub ihren Leib durchpeitscht, den auch dort vornehmlich Miniröcke und dünne Blusen umschmeicheln. Außerdem muss sie da nicht nur kreischen, sondern darf auch einen Frosch kotzen – und das ist gleichermaßen ekelig wie großartig. BARON BLOOD ist ein ungemein stimmungsvoller Film mit vielen wirklich wunderschönen und auch grotesken Bildern, wie beispielsweise Cottens stolze Präsentation der Gepfählten am Burgturm. Umrahmt wird der Film von richtig tofter Musik aus der Feder Cirpianis, an der es nichts zu meckern gibt und die mächtig Stimmung macht. BARON BLOOD ist nicht Bavas bestes Werk, es nutzt sich sehr viel schneller ab als seine anderen Horrorfilme, und die holterdipolterhafte TV-Synchronisation steht noch als zusätzlicher Spannungskiller Gewehr bei Fuß. Der gelungene LISA AND THE DEVIL soll in der deutschen Bava-Reihe ja noch folgen. Das Augenleckerli FIVE DOLLS FOR AN AUGUST MOON wäre aber auch nicht schlecht.
MONSTERS CRASH THE PAJAMA PARTY
(USA 1965 – David L. Hewitt)
Wat is ejentlich een Spukshow? Per Definition auf der DVD ein Phänomen amerikanischer Unterhaltungstradition, das zuerst in den 20ern des letzten Jahrhunderts in Form von Magierdarbietungen, dann in der weiteren Entwicklung vor allem in reinen Horror- und Splattershows, die zusätzlich zum Filmangebot in den US-Kinos abgehalten wurden, die Massen in seinen Bann schlug. Die Entwicklung dieser Gruselkasperaden ging so weit, dass von den Machern eigene (Kurz-)Filme und Einspieler produziert, manchmal aber auch existente Filme aufgekauft und auf das Showkonzept umgebogen wurden. MONSTERS CRASH THE PAJAMA PARTY ist eines der bekanntesten Werke jener Zeit, in dem eine Gruppe Jugendlicher in einem angeblichen Spukhaus eine Beat-Party feiern will, aber nichts davon weiß, dass im Keller ein irrer Wissenschaftler samt emsigem Gorilla und lotteriger Vampirfrau hockt. Der Doktor braucht für seine Experimente dringend junge Weiber. Diese werden aus der oberen Etage vom Gorilla ins Untergeschoss entführt und in einem Fall gar augenblicklich auf dem OP-Tisch mittels Zugabe von viel Strom in eine Gorillafrau verwandelt. Dann taucht auch noch der Werwolf auf, die Twens kriegen mit, dass sie nicht allein im Haus sind und alle haben mächtig Spaß. Vor allem, weil natürlich der ganze Film überhaupt nicht ernst gemeint ist. Bei besonders „gelungenen“ Szenen muss der Gorilla sogar Pappkarten mit Aufschriften wie „Sensational!“ oder „Spectacular!“ in die Kamera halten. Ganz viel Kopfschütteln also. Something Weird bietet auf der DVD, und das ist der eigentliche Clou, ein Rundum-Sorglos-Paket zum Selbststudium der Kino-Spukshows. Die Menüführung ist dementsprechend verwirrend und manchmal sonderbar und geheimnisvoll, offenbart mit einem gewissen Maß an Geduld aber Schätze wie tanzende Skelette, Anleitungen zum zweitägigen Einfrieren von Jungfrauen in 5000 Pfund Eis, eine Trailerrolle mit rarer Spukshow-Werbung, ein altes, fürchterlich profanes Schwarzweiß-Educational von der Encyclopedia Britannica (!), warum man sich nicht im Dunkeln zu fürchten braucht, und selbst die mitgefilmte Fahrt in einer alten Geisterbahn aus den 50ern fehlt nicht.
Ohne das gelungene und sehr informative Booklet steht man dem Wust an Material zuerst etwas hilflos gegenüber. Nach dem Lesegenuss fällt die Zuordnung jedoch schon wesentlich leichter.
Richtig witzig ist vor allem, dass sich auf der DVD auch 3D-Aufnahmen finden lassen, die seinerzeit exklusiv für Spukshow-Aufführungen in einige als ASYLUM OF THE INSANE umgetitelte Prints von David Friedmans SHE-FREAK eingeklebt wurden (3D-Brillen liegen der Scheibe bei, der Effekt funktioniert aber leider nicht), und auch ein (versteckter) Kinospot, in dem vor dem Free-TV-fressenden Monster Pay-TV gewarnt wird, ist nicht von schlechten Eltern. Eine in allen Belangen sehr ungewöhnliche DVD, mit der man sich viele Stunden beschäftigen kann. Formidabel sowieso.
#153
Geschrieben 20. November 2005, 00:10
Susan Strasberg leidet an einem Geschwür am Buckel, das rasend schnell wächst. In der Beule steckt allerdings kein Tumor, wie man zuerst vermutet, sondern ein menschlicher Fötus. Wie kommt das zustande? Ganz automatisch erinnere ich mich da an die schönen Schwänke, die die Filmvorführer von Pornokinos zu erzählen wissen, und wovon einer davon handelte, dass ein Besucher kurz nach Filmstart aus dem Saal gerannt kam und wütend in der Lobby tobte: „Die Sau hat mir ins Genick gespritzt!“ Susan Strasberg hätte darüber wohl nur schlecht lachen, erwartet sie in ihrem Buckelsack doch die Inkarnation des bereits seit über 400 Jahren toten Medizinmannes Misquamacus. Das mag die moderne Medizin zunächst gar nicht glauben, aber Tony Curtis hat als tarotkundiger und alte Vetteln ausnehmender Wahrsager schnell den Durchblick. Für ein Päckchen Tabak engagiert er den Medizinmann Singing Rock, der Misquamacus wieder zurück in die Hölle schicken soll. Im Krankenhaus schält sich Misquamacus auch alsbaldig aus Strasbergs Buckel und hat fürchterlich schlechte Laune, weil ihm die Ärzte wider besseren Wissens mit Laserstrahlen zu Leibe rückten, die ihm seinen Körper im Leib der Wirtin heftig verkrüppelten. Stehenden Fußes murmelt er daher sämtliche bösen Manitous herbei, die die ganze moderne Welt in Schutt und Asche legen sollen. Der ganze Krankenhaustrakt verwandelt sich in eine Eiswüste, Pfleger und Ärzte dürfen ihre kargen Leben lassen. Jon Cedar platzt dabei nicht nur der Kragen, sondern in einem besonders wuchtigen Augenblick der ganze Körper. Teufelskreis Alpha ist überall. Tony Curtis wird es bald zu dumm mit dem Schrecken aus der Vergangenheit, weshalb er Misquamacus kurzerhand mit einer elektrischen Schreibmaschine beschmeißt. Das sorgt zwar kurz für Irritationen, bringt Misquamacus dann aber dermaßen in Rage, dass er den „großen Alten“, also Luzifer selbst, beschwört. Der wabert sogleich als Farbklecks durch Strasbergs Zimmer, welches mittlerweile aussieht wie das Weltall aus einem preiswerten SF-Streifen. Da sind natürlich die kaleidoskopartigen Lichteffekte aus 2001 nicht mehr weit. Und das Auge kriegt mit den durchs Krankenzimmer sausenden Asteroiden und Laserstrahlen, die danach noch kommen, gar einen Nachschlag serviert. DER MANITOU ist eine Großtat in B-Gewand mit absoluter Superstar-Besetzung, die man dem vor allem auf schnellen (aber durchaus guten) Schund spezialisierten William Girdler so nicht unbedingt zugetraut hätte. Wenn am Ende Curtis & Co. mit Computer- und Maschinen-Manitous den Teufel besiegen, sagt das auch etwas über Technikglauben und Fortschrittsdenken aus - und natürlich auch darüber, dass Girdler in DER MANITOU einige Zentimeter tiefer schürft als in seinen Werken zuvor. Girdler beugt sich da ganz dem Diktat von Mastertons Buchvorlage aus dem Bastei-Lübbe-Verlag; der ersten Adresse also, wenn es um Tiefsinnigkeiten in Form schnell verzehrbarer Imbisse geht. Daneben gibt es aber auch echten, reinrassigen Girdler zu sehen: Wenn sich Susan Strasberg von Misquamacus besessen auf ihrem Lager räkelt, erinnert das gehörig an seinen Exorzisten-Blaxploiter ABBY, was durchaus als Zugewinn zu verstehen ist. DER MANITOU hat über die Jahre so gut wie gar nicht gelitten. Die Geburtsszene des ausgewachsenen Indianers ist noch immer ein absoluter Spannungshöhepunkt und ähnlich grausig ausgefallen wie in dem erst sechs Jahre später entstandenen X-TRO von Harry Bromley Davenport. DER MANITOU hat alles, was man zum Glücklichsein braucht: Pfeffer, Pfiff und Piff und Paff. Dazu ist er noch sehr unterhaltsam und - zumindest in der deutschen Fassung - nicht immer ganz bierernst. Einen besseren letzten Film von William Girdler hätte man sich kaum wünschen können, ist er erstaunend fern seiner durchaus auch zu Tage geförderten Mittelmäßigkeiten. Kurzum: Meisterwerkalarm.
DANGEROUS SEDUCTRESS
(Indonesien 1992 – John Miller (H. Tjut Djalil))
Keine Ahnung, wie die Zensurbestimmungen in Indonesien sind, aber irgendwie haben die Moralwächter dort was gegen nackte Titten. Das würde zumindest erklären, warum aus den Nippeln der Queen of Darkness in DANGEROUS SEDUCTRESS stets Funken sprühen, sodass man nicht mehr viel von ihrer Pracht zu sehen kriegt. Auch sonst ist in Sachen Fleischbeschau eher Dunkeltuten angesagt, Wäschefetischisten kommen dennoch auf ihre Kosten, steht die Präsentation von aufreizenden Dessous hier doch ziemlich weit oben auf der Zutatenliste. Wichtig zudem zu wissen, dass in Indonesien alle Frauen ausschließlich in Fick-mich-Klamöttchen herumlaufen und sich zudem stets ganz besonders willig präsentieren. So läuft das da. Kein Wunder also, dass der Film eine der Hauptaktrösen als Opfer eines mit Brutalitäten nicht geizenden Vergewaltigerfreundes zeigt, vor dem sie schließlich mit Haumiblau-Gesicht flüchtet. Bei allen Gelegenheiten wird fleißig kreuz und quer durch die Wäscheschichten gepimpert. Sowas hatten wir doch schon längst hinter uns. Keine nackte Mu-Mu weit und breit. Das machte mich dahingehend Überlegungen anstellen, ob ich überhaupt schon mal über einen indonesischen Film gestolpert bin, in dem es derlei zu sehen gab. Sozusagen einen indonesischen Michael Thomas. Vermutlich nicht. Sei’s drum, egal.
Die Story von DANGEROUS SEDUCTRESS ist, wenn man dem Film schmeicheln möchte, höchstens profan zu nennen: Zwei US-Mädchen leben in Jakarta in Saus und Braus (Fotomodelle, pah!), bis eine der beiden (eben jenes Vergewaltigungsopfer) eine Beschwörungsformel aus einem alten Buch runterbetet, sodass der Geist einer vampirartigen Unholdin von ihr alsbaldig Besitz ergreift. Zu Beginn gibt es eine gleichwohl ungeheuer ansehnliche wie aber auch selten bescheuerte Autoverfolgungsjagd, die der Queen of Darkness das erste Blutopfer bringt und somit den Stein ins rollen. DANGEROUS SEDUCTRESS schielt ganz gewaltig auf westliche Märkte und ist dementsprechend frei von jeglichem Sinn und Verstand. Auf gewohnte indonesische Eigenartigkeiten muss man demzufolge leider komplett verzichten. Da sind THE WARRIOR und SPECIAL SILENCERS aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Und das tut DANGEROUS SEDUCTRESS nicht sonderlich gut mit seiner amerikanisierten und ziemllich glattpolierten Oberfläche. Der Spaß, gerade im Vergleich mit den wilden Werken von Rapi-Film aus den 70ern, bleibt manchmal gewaltig auf der Strecke. Großartig aufspielen kann SEDUCTRESS immer nur dann, wenn er in den Momenten, wo er Schrecken, Lähmung und Entsetzen zeigen will, unfreiwillig komisch wird. DANGEROUS SEDUCTRESS ist nicht ohne Unterhaltungswert, bietet einige gar saftige Effekte und ist ansonsten durch und durch ganz schlimm blöd und immer fürchterlich nah an der Grenze zur vorsätzlichen Volksverdummung. Der bislang schlechteste der vier Filme von H. Tjut Djalil, die mir bislang untergekommen sind. Vor weiteren Eskapaden dieses Herrn würde ich trotzdem nicht schrecken wollen, so sie sich irgendwann einmal zeigen sollten.
#154
Geschrieben 20. November 2005, 14:11
(Frankreich/Schweiz/Deutschland 2004 – Christophe Barratier)
Noch bevor das Menü kommt, kaut Produzent Arthur Cohn einem fast endlos das Ohr ab, was er und seine Mitstreiter mit MONSIEUR MATHIEU überhaupt erreichen wollten. Die Kindheit in uns wecken, nicht Profite machen. Da fragt man sich schon, warum man beim Einlegen der DVD überhaupt erst mit einem Anti-Raubkopierer-Spot belästigt wird, wenn der Film einzig aus hochgesteckt heerem Ziel Daseinsberechtigung genießt. Inhalt gibt’s wenig – nur die auf die eine oder andere Art unlängst verbackene Posse des Lehreraussenseiters, der eine Horde wilder junger Bengel durch die Kraft der Musik bändigt. Es wird viel (und, zugegeben, mitunter recht schön) gesungen, was durch die Menge der Darbietungen jedoch auch zur Tortur werden kann. Nichts lässt MONSIEUR MATHIEU zudem unversucht, dem Zuschauer mit den billigen Taschenspielertricks der Filmindustrie irgendeine Gefühlswallung zu entlocken und gibt sich auf stets auffällig verkrampfte Weise sehr emotionsbetont, was immer eine zweischneidige Angelegenheit ist. Überraschend nur das etwas untypische Ende, das fast alle Existenzen etwas verkracht und bisweilen gescheitert zurücklässt. Kein typisches Happy End also, was aber auch nicht wirklich nötig ist, verteilt der Streifen doch auf eine weitaus schlimmere Weise den Hieb in die Magengrube, indem er zu guter Letzt gehörig mit dem Trauerklos um sich schwingt. Man kann es auch übertreiben.
RED PEONY GAMBLER 3: THE FLOWER CARDS GAME
(Japan 1969 – Tai Kato)
Oryu ist wieder auf Reisen. Diesmal verschlägt es sie in den Machtbereich von Yakuzaboss Nishinomaru, dem sie sich sogleich unterstellt. Nicht aber, ohne noch vorher eine Falschspielerin entlarven zu können, die sich für Oryu ausgibt und zunächst für Verwirrung bei den Yakuzas sorgt. Im Nishinomaru-Clan gibt es auch so gehörige Spannungen, ist doch nicht nur ein wichtiges Kartenturnier auszurichten, sondern auch noch der Streit mit dem überaus korrupten und größenwahnsinnigen Yakuza Kimbara zu schlichten. Nishinomarus Sohn Jiro ist in Kimbaras Stieftochter Yae verliebt, die allerdings gegen ihren Willen mit einem wichtigen Kongressabgeordneten verheiratet werden soll, damit Kimbara Kontrolle über die Einnahmen des geplanten neuen Hafens erlangen kann. Nach einem Würfelduell auf Leben und Tod, das Jiro allerdings verliert, flüchtet er mit Yae, obwohl Oryu sich um seine Freilassung unlängst gekümmert hat. Die Ehre ist auch nach der Zahlung von 2000 Yen nicht wieder hergestellt, weshalb sich Kimbaras Zorn auch auf Oryu und vor allem Nishinomaru selbst ausweitet, den er, um zudem Einfluss auf das Kartenturnier auszuüben, am liebsten meucheln lassen würde. Oryu kann in einem Kartenspiel mit Müh und Not und dem beherzten Eingreifen des angereisten Yakuzas Kumatora (wie immer sehr schön trottelig dargestellt von Tomisabaru Wakayama) das Leben von Jiro und Yae freikaufen, Nishinomaru indes wird von dem wandernden Spieler Shugo auf Geheiß von Kimbara mit dem Schwert bedrängt und erliegt später seinen Verletzungen. Shugo läuft im weiteren Verlauf auf die Seite von Oryu über, ist ihm das Gebaren seines Gastgebers Kimbara doch zunehmend unangenehm, da er die Ehre der Yakuzas mehr und mehr mit Füßen tritt. Nachdem Kimbara auch noch die Einnahmen des Kartenturniers unterschlägt, ist das Maß endgültig voll und es sprechen Messer, Schwert und Revolver.
Der dritte Teil der Serie bietet eine ungemein engmaschige Geschichte mit zahlreichen Verstrickungen der Charaktere in den einzelnen Episoden und benötigt dennoch noch nicht einmal 100 Minuten, um alle Erzählstränge zu Ende zu bringen. Es wird dabei nichts ausgelassen, was für den Zuschauer von Wichtigkeit ist. Ganz einzigartig ist, dass der ganze Film trotz seiner vielen kleinen Randgeschichten völlige Überschaubarkeit bietet, sehr geordnet verläuft, auch Action nicht vermissen lässt und alles zudem in ungemein schöne Bilder rahmt. Nach dem ziemlich ruppigen zweiten Teil setzt PEONY 3 in erster Instanz auf Charaktere und Dialoge, was eine durchaus willkommene Abwechslung darstellt und nicht eine Sekunde langweilig ausgefallen ist. Wie schon bei Teil 2 muss man die Vorgänger einigermaßen kennen, um mit dem Hintergrund der Geschichte und einigen Charakteren überhaupt etwas anfangen zu können. Ohne dieses Wissen vermag sich der Film kaum in seinen ganzen Vielfalt zu erschließen. Hat man sich aber etwas Mühe gegeben, wird man mit einem absolut großartigen Werk belohnt, das wirklich zur Spitzenklasse dessen zählt, was das japanische Kino aufzufahren in der Lage ist. Es ist eine ganz große Schande, dass die RED PEONY-Reihe außerhalb Japans kaum Beachtung gefunden hat und sich lediglich die Schwertschwinger (die ich aber auch ungemein mag) den Weg nach draußen gekämpft haben.
Teil 3 macht einmal mehr deutlich, dass die RED PEONY-Reihe definitiv zu den Werken gehört, die man unbedingt einmal gesehen haben muss.
#155
Geschrieben 20. November 2005, 17:09
(Italien/Spanien 1972 – Luciano Ercoli)
Das Fotomodell Valentina nimmt aus Liebe zu ihrem Freund, einem Reporter der schlimmsten Revolverpostille Mailands, an einem kontrollierten Drogenexperiment teil. Dabei bricht sie nicht nur in allerlei Gegacker aus, sondern halluziniert sich scheinbar auch einen Mord zusammen, den sie meint im Nachbarhaus zu sehen. Ein irrer Killer schlägt dort eine junge Frau mit einem mit Eisendornen bewehrten Handschuh brutal nieder. Als die Geschichte erscheint, häufen sich sogleich allerlei Merkwürdigkeiten. Valentina wird von dem Killer, den sie meint gesehen zu haben, verfolgt. Es stellt sich zudem heraus, dass ein wie von ihr beschriebener Mord geschehen ist – allerdings bereits vor sechs Monaten. Nichts ist mehr, wie es war. Neue Bedrohlichkeiten lauern hinter jeder Ecke. Natürlich wird der Fall am Ende unter Hochspannung gelöst und alle Puzzleteile an ihren Platz gerückt. LA MORTE ACCAREZZA A MEZZANOTTE ist herrlich verschachtelt und lässt seinen Zuschauer bis zum Schluss in Unklarheiten ertrinken, was aber rein gar nichts macht. Der Film hat Tempo und sorgt für gehörigen Spaß, an dem auch Gianni Ferrios Musik erstklassige Musik nicht geringen Anteil hat. Das Gespann Susan Scott und Peter Martell, der hier einen höchst dubiosen Charakter zum besten gibt, versorgt den Film zudem mit den nötigen Schliff wie die beiden unendlich schmierigen Gangster, die sich gegen Ende zeigen und mit der Scott „aufräumen“ wollen. Das Finale über den Dächern von Mailand ist sowieso eine Schau und immer wieder gern gesehen.
Bearbeitet von Funxton, 26. Februar 2009, 13:13.
#156
Geschrieben 20. November 2005, 19:58
Nach einem tragischen Experiment treffen sich in den leeren Straßen vor sich hinrottender neuseeländischer Städte die letzten drei Überlebenden. Und doch ist noch alles da, was in der einst überbevölkerten Welt Unruhe ins Leben brachte: Beziehungs- und Sinnkrise, Rassenkonflikt, Angst vor der Zukunft. Damit verbringt man in Murphys Film einen Großteil der sinnvoll investierten Zeit. Der andere Teil wird ganz mit wissenschaftlicher Problemlösung bestritten, wie man sie in ernstzunehmenden SF-Kandidaten gerne sieht. Seine Stärke spielt der Film allerdings vor allem dann aus, wenn er die psychischen Stationen von Bruno Lawrence brillant dargestellter Einsamkeit in den Mittelpunkt rückt. Der schmale Grat des Wahnsinns wird in dem Maße beschritten, wie die innere und äußere Leere immer bedrohlichere Züge annimmt. Selten hat es einen Film gegeben, der so glaubhaft eine Welt ohne jegliches Anzeichen von Leben vermittelt. Die bedrückende Stimmung des Films gerade in der ersten Hälfte schlägt ungeheuer aufs Gemüt. Die letzten Bilder des Films dagegen lassen gerade im Kino den Mund weit offen stehen. Und wenn die Presse QUIET EARTH als besten SF-Film der 80er gefeiert hat, dann gewiss zurecht, gab es in der Dekade doch wirklich kaum bemerkenswerte Genrefilme mit halbwegs brauchbarer Substanz.
#157
Geschrieben 24. November 2005, 14:45
(USA 1972 – Benjamin Clark)
Mit der Absicht, eine echte Leiche auszubuddeln, macht sich eine Theatergruppe unter Leitung ihres exzentrischen Regisseurs Alan auf den Weg zu einem kleinen Eiland vor der Küste, wo man ungestört auf den noch regen Zuspruch findenden und stets von dichtem Nebel durchwaberten Friedhof graben kann. Das Unternehmen stellt sich zur Hälfte zwar als Jux heraus, aber eine Leiche hat man dennoch am Hals, die man munter durch die Gegend bugisert. Und weil es Regisseur Alan kräftig übertreibt, wahllos die Gräber der Dahingeschiedenen mit dem getrockneten Blut ungeborener Kinder bestreut und allerlei Zaubergemurmel absondert, erheben sich zur Überraschung aller dann doch tatsächlich irgendwann nach Mitternacht die nach Blut gierenden Toten gleich rudelweise. Was als herber Spaß beginnt, und der Film nimmt sich gerade in der ersten Hälfte überaus gelungen komödiantisch aus, wird im weiteren Verlauf bitterer Ernst. CHILDREN SHOULDN’T PLAY WITH DEAD THINGS persifliert dabei auf ganz wunderbare Weise NIGHT OF THE LIVING DEAD und klassisches Zombiekino aus den 40ern, ohne allerdings dabei den Bogen zu überspannen und in Richtung Peinlichkeit abzukippen. Großen Spaß machen auch die Darsteller, allen voran Alan Ormsby (hier in Klamotten gesteckt, die schlimmen Augenkrebs machen), der sich später seine Brötchen mit den Drehbüchern zu dem Remake von CAT PEOPLE und dem dritten Aufguss von KARATE KID verdienen ging. Für einen extrem billigen Film aus den frühen 70ern sehen die Zombies aus der Hand von Ormsby verdammich „gut“ aus. CHILDREN lässt sein Pendel weit schwingen – von Geschmacklosigkeit bis Blutrunst, weshalb die moderate US-Freigabe ‚PG’ immer wieder verwundert, behandelt der Film doch am Rande auch Homosexualität und Nekrophilie. Und die Atmosphäre in dem Film (die durch Carl Zittrers musikalischer Geräuschkulisse tatkräftige Unterstützung erfährt) ist trotz aller Witzeleien durchweg düster bis rabenschwarz. Bestes 70er-Jahre-Kino also, weshalb man dem geplanten Remake wieder einmal nur mit allergrößter Skepsis begegnen kann. Ist schon schlimm, wie schonungslos man so langsam eine ganze Dekade ausräubern geht.
#158
Geschrieben 25. November 2005, 09:07
(Philippinen 1979 – Eddie Nicart)
Weng Weng ist Weng, seines Zeichens Doppel-0-Spezialagent des Geheimdienstes. Schreibt man seinen Namen in MS Word, macht die automatische Korrektur daraus Wenig, weshalb man mit dem Cursor noch einmal händisch zur Verbesserung schreiten muss. Wenn ein Weng Weng ist Wenig übrig bleibt, ist das im Grunde auch schon richtig, denn Weng Weng ist nur ein klein wenig Mensch mit einer Körpergröße von vielleicht etwas über einen halben Meter. Weng hat den Auftrag, den größenwahnsinnigen Mr. Giant ausfindig zu machen, der, was aber noch keiner weiß, auf Hidden Island hockt. Mr. Giant hat den Wissenschaftler Dr. Van Kohler entführt, der eine neuartige Bombe entwickelt hat, die die ganze Welt zerstören kann. Um Geld für seine Herrschaftsphantastereien zu raffen, ist Mr. Giant mittels seiner treuen Helfer Cobra und Mr. Kaiser auch in Drogenhandel und Goldraub verwickelt. All diese dunklen Machenschaften muss Weng im James-Bond-Alleingang aufdecken und den Drahtziehern samt armeestarker Helferschar eins auf die Lampe geben. Dazu hat er nicht nur umfangreiche Kenntnisse in Selbstverteidigung, sondern auch ein ganzes Arsenal an Wunderwaffen. Wenn Tritte in die Kronjuwelen seiner Gegner nichts mehr nützen, kommen ein fernsteuerbarer Hut mit Messerkranz, sein Giftalarmring, Knöpfe mit Sprengstoffeinsatz, das protable Schweißgerät in der Gürtelschnalle und der Raketenrucksack zum Einsatz. Wie das britische Vorbild wird Weng von Frauen umschwärmt wie sonst keiner. Für ein Techtelmechtel ist immer Zeit – selbst auf der Flucht vor Horden von Gegnern. Erst noch die Alte im Hotelzimmer flachlegen, dann mutig an einem Regenschirm aus dem 25. Stock gen Boden segeln. Sowas kann nur Weng. FOR Y’UR HEIGHT ONLY ist ebenso Parodie wie knalliges Actionflick in bester Cirio-H.-Santiago-Tradition. An jeder Ecke warten neue Sensationen, die für gerade eben so viel Geld realisiert wurden, wie ein Martini in den Luxusbars kostet, in denen sich Herr Bond herumtreibt. Weng begnügt sich dagegen in ausnahmslos schäbigen Kaschemmen mit Cola und Kaffee aus Gläsern und Tassen, die fast so groß sind wie er selbst. Das gibt ordentlich Tinte auf den Füller. Es lässt sich natürlich vortrefflich darüber streiten, ob es moralisch nicht sehr bedenklich ist, gerade einen ungemein kleinwüchsigen Menschen zu einer Agenten-Witzfigur zu machen, aber ebenso wie klarerweise Nutzen aus diesem Umstand gezogen wird, so liebevoll und überlebensgroß ist dann die Präsentation geraten. Vielleicht erinnert er darin auch ein wenig an CRIPPLED MASTERS – KILLER OHNE HÄNDE, der damals in keinem gutsortierten Bahnhofskinoprogramm fehlen durfte und entsprechend für Begeisterung sorgte. FOR Y’UR HEIGHT ONLY hatte es da bei uns leider etwas schwerer.
#159
Geschrieben 25. November 2005, 16:22
Der Versuch einer Geschichtsstunde. Mit 7-MAN ARMY unternahmen die Shaws den Versuch, die Geschehnisse bei der Verteidigung eines strategisch ungemein wichtigen Forts der Chinesischen Mauer nahe Pa Tou Lou Tzu im April 1933 zu rekonstruieren. Dabei haben, so die Legende, sieben Mann fünf Tage und fünf Nächte die japanischen Invasoren im Alleingang und mit nur spärlichen Waffen in Schach gehalten. Bei Chang Cheh und seinem Co-Autoren I Kuang steht natürlich Verklärung im Shaw-Stil auf dem Programm. Die Männer, die sich als einzige Überlebende einer Großoffensive am Fort einfinden, sind mit reichlich Kung-Fu-Künsten beschlagen und haben sich unbeirrbare Ehre statt Schiß auf die Fahne gemalt. Die Hintergründe der einzelnen Personen offenbart Cheh gleich mit und beleuchtet so auch die jeweiligen Intentionen. Persönliche Rache, Läuterung, Ehrendenken – alles vorhanden und alles natürlich im Grunde sehr nobel. Zur Völkerverständigung wird Chehs Film dennoch nicht beitragen, ist er gnadenlos in Schwarz und Weiß unterteilt. Auf der einen Seite die ehrenvollen Chinesen, auf der anderen Seite die ruchlosen Japaner, die vergewaltigen, brandschatzen und sich noch mit angeheuerten mongolischen Räuberpack Verstärkung im Kampf gegen die sieben Supermänner holen müssen. Mehr als klar, wo die Grenzlinie in diesem Film verläuft und wer auf der richtigen Seite steht. Mitfiebern darf man dennoch reichlich und schiebt dafür auch gern das Kitschgerümpel beiseite, das Cheh in einigen Szenen sperrig in den Weg gestellt hat. Von diesen waren die alten deutschen Fassungen mit Einbußen von über einer halben Stunde Spielzeit zwar weitestgehend bereinigt, DIE UNSCHLAGBAREN SIEBEN damit aber auch zu einer reinen Nummernrevue verkommen.
Der Aufwand, der für diesen ungemein epischen Film betrieben wurde, ist legendär und übertrifft sogar noch Ausstattungsorgien wie Chehs eigenen THE WATER MARGIN. Wenn der Film davon spricht, dass 20000 Mann von den unschlagbaren Sieben aufgehalten wurden, dann möchte man meinen, Cheh hätte ein gleichstarkes Kontingent an Darstellern zusammengetrommelt und jeden einzelnen von ihnen mindestens einmal an der Kamera vorbeilaufen lassen. Dazu gibt es mit dem zu verteidigenden Fort ein gehörig protziges Bau- und Bollwerk, das gegen Ende teilweise gar gesprengt wird, die Luftwaffe kreist am Himmel, Panzerverbände fahren in dem Film herum, als koste es nix und an allen Ecken und Enden wird gekämpft, geschossen, geblutet und natürlich wacker Ehre und Vaterland verteidigt. Das furiose Finale ist ähnlich John Woos HARD BOILED ein Action- und Schützenfest sondergleichen, bei dem man auch als Zuschauer nicht mehr zur Ruhe kommt. Chehs japanischer Kameramann hat wieder einmal ganze Arbeit geleistet und übertrifft in Sachen Bilderwucht vieles von dem, was einen bereist zuvor in den Shaw-Filmen immer wieder in helle Begeisterung versetzte. Eine Wonne ist es natürlich auch, dass Cheh für den Film mit Ti Lung, David Chiang, Alexander Fu Sheng, Chen Kuan-tai, Li Yi Min, Pai Ying und Chi Kuan Chun eine überaus handverlesene Riege verpflichten konnte. Und das lässt dann sogar den Werbeslogan verschmerzen, den die Shaws in ihrem Trailer eingebaut haben: „Super War – Super Production!“
#160
Geschrieben 26. November 2005, 19:18
(Italien 1976 – Sergio Garrone)
Bei Sergio Garrone versammelt sich eine krude Horde Männlein und Weiblein zur Schaffung einer arischen Superrasse. Dazu ist jedes Mittel recht. Wer nicht mitmacht, wandert nach Folter, Giftspritze und Erschießung in den ewig auf Hochtouren laufenden Verbrennungsofen, während es sich die Führung des Experimentierlagers nebenan am Kamin mit willigen Weibern und herumgereichten Kekstellern gemütlich macht. Der Hauptmann des Lagers plagt sich in diesem Füllhorn teilerzwungener Sinnesfreuden mit dem Problem vollständiger Impotenz, hat ihm doch einst ein junges Mädchen bei einer Vergewaltigung kurzerhand die Eier abgeschnitten. Angesichts der Supersoldaten, die ihm für die anstehenden Versuchsreihen von Hitler persönlich zugeteilt wurden, wächst in ihm die Idee, sich bei einer geheimen OP das muntere Säckchen von Immerkönner Helmut anzueignen. Doch das hätte er besser nicht gemacht, denn Helmut ist nach der Transplantation, von der er ja nicht einmal ahnte, gar nicht gut auf seinen Vorgesetzten zu sprechen, rauft sich mit den Lagerfrauen zusammen und lässt die Revoluzzerfaust kreisen. Sergio Garrone ist neben seinen Ausflügen in die Abgründe des Nazi-Exploiters vor allem wegen seinen Western bekannt. In beiden Genres brachte er allenfalls Mittelmaß zustande - und meistens nicht einmal das. Um ein gewisses Unvermögen zu kaschieren, schillert SS EXPERIMENT LOVE CAMP deshalb sowohl im zweifelhaften Licht von Frauenfolter wie grausamster Blutwurstigkeit. Die Eier-Transplantation ist sehr lang und unappetitlich ausgefallen, gleichwohl sie mit Lächerlichkeit nicht geizt, verstecken sich nach Meinung der Macher die männlichen Klöten doch gleich hinter dem Bauchnabel. Noch weitaus unschöner jedoch ist der Umgang mit dem Frauenvolk in diesem Film. Obwohl sicherlich angestrebt, sind die Liebes- und Experimentierbefruchtungen ganz und gar nicht sexploitativ ausgefallen, sondern zumeist einfach eine Schweinerei und in weiter Ferne zur unterhaltsamen Schmierigkeit eines Jess Franco, der zu fast gleicher Zeit vergleichsweise wahre WIP-Meilensteine hervorzubringen vermochte. Die Nazi-Elemente blockieren den Film zusätzlich, obwohl sie nur fadenscheinige Kulisse sind. Gerne wird nach LOVE CAMP 7 und ILSA geschielt, ohne allerdings wie im amerikanischen Vorbild eine saloppe Selbstironie über den angerichteten Schwachsinn mitzuliefern. Und von einem IL PORTIERE DI NOTTE oder SALON KITTY ist Garrone sowieso so weit entfernt, das sich selbst derAnsatz eines Vergleiches schon nicht mehr lohnt. Dass SS EXPERIMENT LOVE CAMP gerade wegen seiner ziemlich harschen Mixtur aus Folter, Mord, Faschismus, Frauenhass, Splatter und Mad-Doctor-Thematik im Kreuzfeuer der Zensoren stand und immer noch steht, verwundert jedenfalls nicht.
#161
Geschrieben 28. November 2005, 09:45
((BR) Deutschland/Spanien 1971 - Frank Hollmann (Jesus Franco Manera))
Nachdem der mit der Kreuzung von tierischen und menschlichen Zellen in Embryonen experimentierende Dr. Johnson von seinen Kollegen arg gescholten wird und gar seine Zulassung aberkannt bekommt, siehr er nur noch einen Ausweg für sich: Selbstmord. Frau Johnson trauert jedoch nicht lange über ihren Mann, dessen Leiche sie zu Hause im Schlafzimmer aus aufbewahrt. In ihr reift ein Racheplan gegen die Ärzte, die den Selbstmord ihres Mannes auf den Gewissen haben. Mit ihren enormen sexuellen Reizen raubt sie Mann und Frau Verstand und Leben. Die Polizei tappert lange im Dunkeln.
Soledad Miranda ist in jeder Szene ganz Verführung pur und jede Sünde wert. Franco setzt sie trotz gehörig angeknacksten Geisteszustand sehr hübsch in Szene, wofür er sich ja schließlich nicht umsonst einen Namen gemacht hat. SIE TÖTETE IN EKSTASE profitiert natürlich auch von seinen zuweilen spektakulären Sets. Soledad und ein großartiger Fred Williams leben und lieben sich in einem hinreißenden Designerhaus auf einer einsamen Insel hinter Thermopenfenster und Ado-Gardine, verlassene und nicht minder grandios inszenierte Hotels am Meer laden zum Verweilen ein und sündige Nachtclubs gehören bei Franco eh zum Standard. Zu ganz gehörigen Stücken zieht der Film zudem viel von seiner einzigartigen Magie aus dem Soundtrack von Schwab und Hübler, die mit EKSTASE ihre neben VAMPYOS LESBOS beste Arbeit ablieferten. Über allem stehen bei Franco aber immer seine scheinbar handverlesenen Schaupspieler, ohne die seine Filme nicht zu den funkelnden Juwelen werden, die sie ohne Frage sind. Horst Tappert gibt sich als Kommissar die Ehre. Eine Rolle, die ihm natürlich sehr gut steht. Bei Franco darf er jedoch mehr Coolness beweisen als in jeder Folge Derrick. Immerhin würde er sich dort nicht erdreisten, mitten im Vortrag bei einem Ärztekongress ungeniert danach zu fragen, ob er sich vielleicht eine Kippe anstecken dürfe. In dem Umfeld seiner Ermittlungen warten bekannte Gesichter an allen Ecken und Enden. Bei den schicksalsentscheidenden Ärzten Ewa Stroemberg, Paul Müller, Howard Vernon, der in diesem Film so spitz wie Nachbars Lumpi seinen Dödel durchs Bild schaukeln lässt, und natürlich Franco selbst würde man sich natürlich auch gern mal in die Praxis setzen – und sei’s nur wegen eines Schnupfens. SIE TÖTETE IN EKSTASE ist richtig großes und absolut hinreißendes Starkino mit allem, was dazugehört.
DER KRIEGER UND DIE KAISERIN
(Deutschland 2000 – Tom Tykwer)
130 Minuten bedeutungsschwangere Leere und grober Unfug.
#162
Geschrieben 28. November 2005, 15:20
(Hongkong/USA 1980 – Bruce Le (Huan Kin-lung))
Die beiden CIA-Agenten Bruce Le und Richard Harrison jagen einer gestohlenen Formel hinterher, mit der sich die ganze Menschheit erpressen ließe, macht sie doch alle Männer unfruchtbar. Besonders schlimm wäre dies für Harrison, tummeln sich bei ihm im Garten doch mindestens 20 Frauen, die entweder in Zeitlupe barbusig Tennis spielen, nackig in der Sonne liegen oder ihren Po in den Pool tunken. Eine zur Zeit darf sich mit Harrison nachmittags auf der Hollywoodschaukel im Fummeln üben. Auch sonst lässt er im Film kaum etwas anbrennen. Bruce Le ist für die packende Action zuständig und lässt keinen Kiefer ungebrochen. Irgendwann verschlägt es beide ins Camp des Oberschurken auf eine einsame Insel, in dem wie bei DER MANN MIT DER TODESKRALLE Ausbildungsschinderei betrieben wird zur Schaffung einer Legion Superkämpfer, die den bösen Absichten unterstützende Schlagkraft verleihen. Wie genau die geheime Formel beschaffen ist, weiß man als Zuschauer leider nicht (spielt auch nicht wirklich eine Geige), aber man braucht jede Menge Säcke „Nabs“ und „Denk A Styroll“ sowie kistenweise Filterzigaretten der Marken Camel und Winston dazu – Zeugs, das gleich neben der aus Europa importierten Fertigungsanlage herumsteht, durch die der Schurke seine Mitstreiter mit den Worten führt, das alles bereit ist und man sofort loslegen könne, sobald die Formel erst einmal auf dem Tisch läge. Co-Produzent Dick Randall sitzt mit in der bösen Runde, die auf gutes Gelingen aufspringt und so zackig und den Arm reckt wie seit nationalsozialistischen Zeiten nicht mehr. Der kurze Ausflug in die absonderlichen Mischwelten von Bruce Lee und James Bond ist durchweg sehr kurzweilig ausgefallen, ohne jeglichen Sinn und Verstand, macht aber natürlich gerade deshalb gewaltig Spaß. Prügel wird in großen Portionen verteilt und der Erdball hierfür emsig bereist. Bösewichter gibt es in Europa wie Asien en masse – und allen muss Bruce eins auf die Glocke geben, keiner darf entkommen. In einer denkwürdigen Szene wirft er sich schützend über Richard Harrison und lässt sich bereitwillig von Motorrädern überfahren, in einer anderen kämpft er in einer Arena gegen einen Stier und zertrümmert ihm nach wackeren Kung-Fu-Attacken den Schädel, wobei der Film wie beim STREET FIGHTER mit Sonny Chiba eine Art Röntgenbild zeigt, auf dem zu sehen ist, wie der Schädel des Tieres ganz fürchterlich zerbröselt. Durch allen Szenen weht noch ganz kräftig der Charme der 70er. Selbst Harrison hat noch denselben Bart im immer gleichen Gesicht kleben wie bereits Jahre zuvor bei Chang Chehs MARCO POLO. Ein Film als Fest, das gefeiert werden will wie es fällt.
#163
Geschrieben 30. November 2005, 10:12
Natürlich bedient sich Carpenter ganz ungeniert bei RIO BRAVO, was aber rein gar nichts macht, huldigt er den großen US-Western doch im Grunde in seiner Gesamtheit. Knarrende Dialoge gehören selbstverständlich dazu, eine gewisse Realitätsferne sowieso. Der besondere Spaß liegt aber vor allem auch darin, wie Carpenter Elemente des Horrorkinos in seinen Film eingebaut hat. Wenn er Jahre später in THE FOG den untoten Seemann Blake mitsamt Mannschaft in die verrammelte Kirche eindringen lässt, schwingt darin sehr viel ASSAULT mit. Und das er, wie er selbst sagt, auch eine Art Actionversion von NIGHT OF THE LIVING DEAD im Kopf hatte, erklärt sich nicht nur allein wegen des sehr ähnlich zusammengebastelten Grundgerüsts, sondern auch in der Wahl seines Sympathieträgers.
ASSAULT ist noch sehr pures Kino mit vielen kleinen Höhepunkten und toller Spannung, das seine Stärke vor allem auch aus seiner Langsamkeit zieht, die mehr mit einem europäischen Kunstfilm denn mit dem amerikanischen Thrillerkino der 70ern gemein hat. Vielleicht erklärt das auch, warum der Film in den USA zunächst durchfiel, in Europa aber gut aufgenommen wurde.
In Deutschland startete der Streifen ja vor allem noch einmal ganz enorm durch, nachdem DIE KLAPPERSCHLANGE für großen Erfolg sorgte, die Welle endzeitiger Filmkost initiierte und man ASSAULT verleihseitig dementsprechend ebenfalls ein wenig auf Weltuntergang ummünzte. Gerne erinnere ich mich an Ankündigungen von Programmkinos, die nächtens ASSAULT, ZOMBIE und MAD MAX in einem Rutsch mit nur kurzer Pause für Pipi und Piffpaff hintereinander spielten. Und wenn man das Booklet der neuen DVD aufschlägt, lächelt einen in der Mitte das scheußliche Plattencover der Scratch-Mix-Maxi aus dem Hause ZYX gleich vierfach in Warhol’schem Schliff an, was ebenfalls mit nicht wenigen Erinnerungen behaftet ist. Eine wirkliche Überraschung, hat man doch unlängst erfolgreich verdrängt, dass es solche Todsünden Mitte der 80er tatsächlich einmal gegeben hat.
Gleich nach dem Streifen hätte ich gern noch einmal den Dokumentarfilm über das spurlose Verschwinden von ASSAULT-Heroine Laurie Zimmer gesehen. Leider findet sich diese nicht auf der DVD, obwohl das vielleicht das beste vorstellbare Extra für diesen Film gewesen wäre.
#164
Geschrieben 01. Dezember 2005, 10:43
(USA 1988 – Andrew Fleming)
Nach 13 Jahren im Koma wacht die junge Cynthia im Krankenhaus auf und hat – wie es scheint – einen gewaltigen Knacks im Gebälk, war sie doch Mitglied in der Sekte Unity Fields des wahnsinnigen Gurus Harris. Alle Mitglieder der Sekte sind vor 13 Jahren in einer Feuersbrunst ums Leben gekommen, Cynthia die einzige Überlebende. Die Schatten der Vergangenheit holen sie fast augenblicklich gnadenlos ein. Ein bis zur Unkenntlichkeit verbrannter Geister-Harris fordert ihren nachträglichen Tod, damit sie zusammen mit den anderen gemütlich in der Hölle brutzelt. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, knipst Harris die Mitglieder von Cynthias Psycho-Gruppe nacheinander aus. Neben Gespensterspuk und Teufelei sagt gegen Ende auch noch ein Mad Scientist kurz hallo.
Richard Lynch als Sektenguru, der seine Mitglieder mit Benzin tauft, ist gewohnt gut und hat die mit weitem Abstand besten Szenen. Bruce Abbott rekapituliert ein wenig seine Rolle aus dem in allen Belangen ungleich besseren RE-ANIMATOR. Der Rest ist eher dröges Programm der späten 80er – so richtig mit viel Freddy Krueger drin, einigen Grausamkeiten, die dem Film über die Runden helfen und duller Rockmusik von Guns n' Roses im Abspann. Bleibenden Eindruck macht da wenig. Als Krankenhaus-Schocker, als der sich der Film dann tatsächlich herausstellt, hat der Streifen weder den Drive eines HORROR-HOSPITAL noch die leichtfüßige Lumpigkeit von THE DEAD PIT, wobei letzterer ja vor allem den großen Vorzug bietet, dass die Hauptdarstellerin fast den ganzen Film in Unterwäsche bestreitet. Immerhin. BAD DREAMS ist von allem relativ frei und die Anleihen bei Jim Jones ohne jegliche Tiefe. Am beeindruckendsten ist vielleicht noch die Szene geraten, in der Abbott eine Pille schmeißt und dann phantasiert, wie er seinen Vorgesetzten mit seinem Auto zu Mus verarbeitet – vielleicht auch, weil sie den Selbstzweck der ganzen Unternehmung am deutlichsten entlarvt.
#165
Geschrieben 04. Dezember 2005, 19:50
(Kanada 1980 - J. Lee Thompson)
Virgina ist nicht wie andere Kinder, hat sie doch einen schlimmen Unfall erlebt, der ihrer Mutter das Leben kostete und bei ihr eine komplizierte Gehirnbehandlung nötig machte, die zuvor noch nie an einem Menschen erprobt wurde. In ihrer Highschool ist sie Mitglied der Top 10, einer selten blöden Gruppe von Jugendlichen, die zur Notenelite gehören. Einer nach dem anderen dieser Clique scheidet unter mysteriösen Umständen aus dem Leben. War es Virgina? Weiß Glenn Ford in der Rolle ihres Püsikaters mehr, als er zuzugeben bereit wäre? Alles nur Einbildung? Gegen Ende wartet der Film mit wirklich überraschenden Wendungen auf, installiert Virginas Mutter in einer Rückblende als Dorfschlampe, mit der jeder schon mal was hatte und macht zumindest kurzzeitig mächtig auf Rache. Angeblich wurde der Film mit offenem Ende gedreht. Der Schluss ist deshalb auch nicht so ganz die Krönung dessen, was der Film zuvor an Erwartungen sich mühte aufzubauen. Eher genretypischer Kurzschluss will unbedingt gefallen.
Und der gibt sich schon redlich Mühe, auch hartgesottene Slasherfreunde zufrieden zu stellen, obwohl man J. Lee Thompson, den man vor allem wegen seiner Bronsons, den KANONEN VON NAVARONE und CAPE FEAR zu schätzen weiß, mit HAPPY BIRTHDAY TO ME in erster Linie einen wohlkonstruierten Thriller zutrauen mag. Diese Erwartung wird durchaus zu kleinen Teilen erfüllt, wenn man sich seinen Weg durch den mit fast 110 Minuten elendig zu lang geratenen Streifen zu bahnen bereit ist. Links und rechts der Spur liegen noch typische Motocross-Rennereien der Früh-80er, dumme Pennälerscherze (Ratte im Bierglas, hohoho!) und völlig uninteressantes Sinnieren darüber, wer mit wem knattert. Die Morde spiegeln die Zeit wider, in die der Film hineingeboren wurde und lassen Grausamkeit nicht missen. Neben der legendären Schaschlik-Szene ist es vor allem die reichlich matschig geratene Gehirn-OP, die den Atem stocken lässt. Vieles von HAPPY BIRTHDAY TO ME wirkt heute trotzdem recht altbacken, wenn auch nicht gänzlich unsympathisch oder zuweilen gar erheiternd - natürlich nur unter der Voraussetzung, dass einen Thompsons Film erwischt, während man auf der dafür richtigen Arschbacke sitzt.
Bearbeitet von Funxton, 26. Februar 2009, 13:14.
#166
Geschrieben 05. Dezember 2005, 16:14
(USA 1957 – Nathan Juran)
Auf dem Rückflug von der Venus zur Erde kracht die neue Superrakete der Amerikaner mit einem Meteor zusammen und geht in der Nähe eines sizilianischen Fischerdorfes unter. Nur Colonel Calder überlebt – und auch eine armdicke Larve in einem Zylinder, die an Land gespült und von dem kleinen Pepe gefunden wird. Der verscheuert den Fund sogleich an einen Doktor der Zoologie, der sich nicht schlecht darüber wundert, dass aus der Larve ein kleines, echsenhaftes Wesen schlüpft. Das Biest allerdings wächst durch die günstigen Bedingungen auf der Erde Stunde um Stunde ganz beträchtlich und hat einen enormen Appetit auf Schwefel. Die Amerikaner schicken die besten Leute, um das Venusmonster einzufangen. Doch nachdem man es endlich betäubt und nach Rom zur näheren Untersuchung geschafft hat, weckt ein blöder Unfall das Biest wieder auf, das augenblicks auf Roms Straßen für allerlei Schrecken sorgt. Das Finale findet ganz klassisch auf der Außenmauer des Colosseums statt, was keine schlechtere Wahl ist als das Empire State Building bei KING KONG. Das amerikanische Militär richtet im Kampf gegen das Ungetüm mit unkontrollierten Granatbeschuss mehr Unheil an dem Weltkulturerbe an als das Ungeheuer selbst. Was 2000 Jahre und mehrere Kriege überdauerte – die Amis kriegen’s trotzdem in ein paar Sekunden kurz & klein und präsentieren sich als richtige Haudraufs. 20 MILLION MILES TO EARTH lebt natürlich voll und ganz von seinem Viech, das Ray Harryhausen gewohnt brillant agieren lässt. Ganz herausragend ist vor allem der Kampf des Monsters gegen einen ausgewachsenen Elefanten sowie die fast schon rührende Begegnung mit einem kleinen Schaf. Es ist immer wieder eine Wonne, wieviel Leben Harryhausen seinen Trickfiguren einzuhauchen vermag und wieviel Charakter er ihnen verleiht. Und weil das Monster den ganzen Film so dominiert, sieht man auch gerne darüber hinweg, dass der ganze Streifen ziemliche Hausmannskost mitsamt reichlich bescheuerter Romanze ist. Würde man Harryhausens Leistung aus dem Film tilgen, ist selbst Jurans herrlich billiger THE BRAIN FROM PLANET AROUS mit dem unvergleichlichen John Agar und den fadenscheinigen Wabbelhirnen die bessere Alternative. So jedoch nicht.
MÄDCHEN, DIE NACH LIEBE SCHREIEN
(Schweiz 1973 – Michael Thomas (Erwin C. Dietrich))
Eines Tages steht die dauerheiße Fleur im Studio des jungen Fotografen Mick, der nichts anbrennen lässt und es deshalb auch ständig mit seiner Gehilfin Olga treibt. Von den optischen Qualitäten von Fleur ist er augenblicklich überzeugt: „Von dir kann man 'ne Linse voll nehmen!“ Nach einer kleinen Fotosession geht's auch zwischenmenschlich voll zur Sache. „Jetzt nimmt sich Mick erstmal 'n Arm voll von dieser Götterspeise.“ Beide finden schnell heraus, dass sie sexuell bestens zueinander passen, weshalb Fleur dem Mick auch fix ihr bisheriges Lotterleben anvertraut, das vor allem Schattenseiten aufzuweisen hat. „Immer wenn es mir unheimlich dreckig geht im Leben, dann mach' ich mir 'ne Privatparty.“ An Fleurs Gestöhne hatten allerdings die Nachbarn wenig Freude, und ein Ersatz für einen potenten Deckhengst ist die Handarbeit schließlich auch nicht, weshalb sie über einen schmierigen Sex-Fotografen („Mehr Unterleib in die Blicke, du Rabenaas! Sooo, und nun noch 'n zweiten Strahl auf die Manege.“), einen Rudelbums im englischen Landhaus und einer durchgeknallten Hippie-Kommune („Denk nicht immer an die Leute, die dir mit Ajax die Unschuld polieren. Die revolutionären Palastschweine kiffen doch selber viel zu gerne.“) Mick nun als wahren Glücksfall sieht. Trotz zahlreicher Pimperorgien und Huldigung der Sexhygiene bis zur Selbsterniedrigung („Jetzt will ich mal den Sonnyboy vom Sonnyboy schrubben!“), hat Mick noch immer was mit Olga laufen, was Fleur allerdings nicht weiß. Da verspätet er sich öfter und Fleur verdurstet sexuell. Als auch Pornoheft und bereits bekannte Fingerfertigkeit ihr nicht mehr helfen wollen, ruft sich sie in größter Not einen Elektriker. „Ich hab 'n Kurzen in der Leitung und keiner da, der es mir macht.“ Dummerweise erwischt Mick Fleur bei dieser Nummer, verschwindet und findet in der zwischenzeitlich von ihm an die Luft gesetzten Olga doch die Frau, nach der er schon immer suchte.
Der Film ist extrem handlungsintensiv, will heißen, dass er fast vollständig von seinen dünnbrettbohrenden Dialogen lebt, die zu 95% aus dem Off geplappert werden. Das lässt die Vermutung zu, dass man bei der Herrstellung des Films gar nicht recht wusste, was man sich da überhaupt für einen Stuss zusammenzimmerte und die Veredelung des Filmabfalls erst viel später vonstatten ging. Viele Teile des Films sind ohne Frage zusammenhangloses Stück- und Fragmentwerk bester Schweizer Schule. Und voll in Ordnung geht daher auch, wenn hin und wieder Frauen auftauchen, fix ihren Körper präsentieren und dann mit dem Rest des Streifens nichts zu tun haben. Ganz neumodisch könnte man LIEBE SCHREIEN als einen Patchwork-Film abtun, was aber vielleicht zu positiv klingt. Und Dietrich wird ja nicht müde, seinen Kollegen Jess Franco als einen der ersten Dogma-Filmer zu stilisieren. Eine Auszeichnung, die er sich selbst natürlich auch gern ans Revers heften kann. Ganz nüchtern betrachtet ist MÄDCHEN, DIE NACH LIEBE SCHREIEN vor allem aber purer Dilettantismus. Schönere Bilder indes hätten natürlich den Nachteil, dass sie von der Tonspur ablenken würden, die wie bei den meisten Dietrich-Filmen so salopp 70er ist, dass es im Grunde von Vorteil ist, wenn man das Werk mit geschlossenen Augen durchsteht. Damit wäre dann auch vermieden, bierbäuchige Schnauzbartmänner ertragen zu müssen, die sich mit einem peinlichen Hänger über schreiend häßliche Frauen in kreischendbunter Gesichtsbemalung wuchten, wobei diese darüber so vergnügt quieken wie die Sau im Stall. Nur hin und wieder lohnt ein näherer Blick. Wenn Fleur beispielsweise vom Zirkus phantasiert, wo sie als Nummerngirl von zwei Clowns „vergötterspeist“ wird und der eine sie mit seiner angeklebten Langnase befriedigt. Auf eine ganz irre Art wird damit bereits unbewusst ein Teil der Geschichte geschrieben, die den erst viele Jahre später entstandenen NIGHTDREAMS zu einer Art Eraserhead des Pornofilms machen sollte.
#167
Geschrieben 07. Dezember 2005, 15:50
(USA 1979 – Charles McCrann)
Im schlimmsten Hinterland der USA bauen ein paar Hippies felderweise Marihuana an, was natürlich nicht lange unentdeckt bleiben kann. Zwei US-Marshalls, die aussehen wie Wochenendjäger, kommen ihnen auf die Schliche, werden aber von den Hippies gemeuchelt. Das lässt sich das Innenministerum nicht gefallen. Weil jedoch die Behörden nicht genau wissen, wo sich die Hippies im weitläufigen Gebiet versteckt halten, machen zwei eifrige Beamten kurzen Prozess und schicken ein Sprühflugzeug mit einem bislang unerprobten Pfanzenvernichtungsmittel los. Davon kriegen die Hippies gehörig auf den Pelz gekippt und verwandeln sich ruckizucki in fleischfressende Zombies, die fortan die Gegend unsicher machen. Mit einem Förster, seiner Frau und dessen Bruder sowie einer Familie auf Campingtour treibt sich bald ein ausreichend Fresschen im Wald herum.
Sind die Wiesenzombies an sich schon eine Qual, der Rest der Laiengruppe ist es noch viel mehr. Welcher Teufel mag die Macher geritten haben, als sie den dauerbesoffenen Flieger, seine schmuddelige Alte und zu allem Übel auch noch einen geistig zurückgebliebenen Jungen in den Film geflickt haben, der fast die ganze Zeit mit einem schwarzen Stoffelefanten mit weißem Rüssel durch die Gegend zottelt und „Will Hause gehen, will Hause gehen“ absondert. Vom Bruder des Försters wird er mit einem saloppen „Alles klar, Keule?“ begrüßt, gleich danach wird sich kräftig über die ins Drehbuch (?) gekritzelte Behinderung lustig gemacht. Nichts gegen geschmackliche Totalentgleisungen, aber es ist schon ärmlich, wenn ein in allen Belangen bodenlos grottiger Film zu einem solch billigen Kniff greift, um sich irgendwie über die Zeitlöcher zwischen den einzelnen (und ebenfalls nicht gut gelungenen) Bluttaten zu wuppen und... ja, was eigentlich? Zu unterhalten gar?
Irgendwo in dem ganzen Graus hockt dann noch John Amplas als Diener eines wohl reichlich bankrotten Staates herum, denn als schmucker Dienstwagen muss ein uralter Peugot reichen, dessen Auseinanderfall nur noch eine Sache von Stunden ist. John Amplas unterrichtet ja bereits seit Jahrzehnten recht erfolgreich Schauspiel. Da würde es natürlich schon interessieren, ob er seinen Studenten neben seinem ganz sicher über jeden Zweifel erhabenen MARTIN auch diesen Stuss zeigt. Irgendwie kann man sich das gar nicht vorstellen.
DER SCHWARZE ABT
((BR) Deutschland 1963 – Franz Josef Gottlieb)
Fix was los bei Lord Chelford, der in seinem Schloss nach dem versteckten Goldschatz seiner Ahnen forscht, der allerdings auch bei allerlei dubiose Gestalten für reichlich Gehechel sorgt. Um das alte Gemäuer soll überdies das Phantom eines in schwarz gewandeten Abtes sein Unwesen treiben. Als ein Mord geschieht, nisten sich Inspektor Puddler und dessen trotteliger Adlatus Horatio von Scotland Yard im Schloss ein und halten in gebührlicher Weise stets ein Auge auf alles. Unterstützung bekommen sie vom nach Leibeskräften fuchsbergernden Verwalter Dick Alford, der am Ende emsig bei der Aufklärung aller Verstrickungen hilft und als Belohnung Grit Böttcher mit nach Hause nehmen darf. Mittendrin gibt es dann noch Klaus Kinski in einer gnadenlos guten und demzufolge auch größeren Rolle als zwielichten Butler Thomas Fortuna, der aber eigentlich Mr. Slicer heißt, ein paar Jahre im Knast von Dartmoor abgesessen hat und sich als schmieriges Ekelpaket beweisen darf. Von F. J. Gottlieb kennt man vor allem seichtestes Heimat- und Komödienkino, weshalb es nicht schlecht überrascht, wie überaus sicher er doch Grusel in seinen Film gepumpt bekommt – und das, obwohl Eddie Arent bei ihm üppigst schlimme Witze herunterdreschen darf. Die Katakomben, das Moor, die alte Abtei, alles wirklich ausgesprochen stimmungsvoll inszeniert. Da kann man nicht meckern. Und auch sonst verheddert sich der ABT weitaus weniger in belanglosen Nebenplots, an denen die anderen Wallacen oftmals über Gebühr kranken. Eine schöne runde Sache also, die bei wiederholter Sichtung sogar noch an Gefallen zulegen konnte, obwohl die Auflösung klarerweise keine Überraschung mehr darstellte.
#168
Geschrieben 09. Dezember 2005, 18:36
(Italien 1971 – William Redford (Pasquale Squitieri))
Die Synchro gibt streckenweise gehörig Vollgas, bekannte Sprecher tummeln sich da in mindestens ähnlicher Stärke wie die überaus gern gesehenen Darsteller im Film selbst. Und da geben Klaus Kinski und Ivan Rassimov ein tolles Gespann finsterer Ganoven, die, um an Wasserquellen zu kommen, den armen Farmern ihr Land mit getürkten Indianerüberfällen abjagen. Bei einem solchen kamen auch die überaus indianerfreundlichen Eltern des jungen Jerry ums Leben. Und als der nun alt genug und fix unterwegs mit Colt und Wurfmesser ist, treibt ihn falscher Hass dazu, alle „Rothäute“ zu meucheln. Aber eben nur so lange, bis eine schmucke, im typischen Indianer-Deutsch der Synchronisationsmühlen plappernde Squaw sein Herz erobert, er sie aus Rassimovs Fängen retten muss und gleichzeitig dessen böses Spiel durchschaut.
Leonard Mann, der doch in DJANGO - DIE NACHT DER LANGEN MESSER so erstklassig agierte, mag man zunächst den wortkargen Rächertypen allein schon wegen seines jugendlichen Gesichts kaum abnehmen. Das ändert sich im Verlauf des Streifens allerdings gehörig – und spätestens dann, wenn er dazu ansetzt, irgendwelchen Tunichtguts nach Sitte der Indianer das Büschel Haare vom Kopf zu wetzen, ist alles wieder im Lot. Wenn Kinski zudem am Ende von den Indianern massakriert wird, erinnert das in aller unbarmherzigen Räudigkeit gar nicht mal schlecht an den Überfall der Eingeborenen auf Dr. Obreros Praxis bei ZOMBIES UNTER KANNIBALEN. Die Konstellation könnte kaum ähnlicher sein. Und was ZOMBIES UNTER KANNIBALEN für den Horrorfilm ist, ist DREI AMEN FÜR DEN SATAN in gewisser Weise für den Italo-Western – ein ziemlich unausgegorener Quatsch mit Soße, der aber trotz aller offensichtlichen Mängel anständig bei Laune hält. Filmgeschichte wird hier definitiv keine geschrieben; und wenn, dann höchstens ein Stück des vor sich hindröppelnden Mittelteils, der gefälligst ohne großartige Highlights auszukommen und die Zeit bis zu einem Spätwerk wie KEOMA halbwegs sauber zu überbrücken hat. Noch etwas mehr Niedertracht hätte DREI AMEN FÜR DEN SATAN gewiss nicht geschadet. Und ein paar mehr nicht nur augenschmausige, an die Hochglanz-Western der 60er erinnernden Bilder sowie ein etwas wuchtigerer Soundtrack vom ansonsten großartigen Piero Umiliani ganz sicher auch nicht.
#169
Geschrieben 13. Dezember 2005, 09:10
(Tschecheslovakei 1977 - Václav Vorlícek)
Nur schwach erhalten sind die meisten Bilder zuckersüßer tschechischer Märchenfilme. Auf DREI HASELNÜSSE FÜR ASCHENBRÖDEL lässt man trotz allem nichts kommen, obwohl sich der Film ebenso schnell wieder aus dem Geiste verflüchtigt, wie er von diesem aufgeschlürft wurde. In der tschechischen Dornröschen-Adaption hat sich Prinzessin Rosa unsterblich in Prinz Jaroslav verschossen, allerdings soll sein Bruder, der eitle und angeberische Prinz Georg ihr Mann werden. Das sieht die Holde nicht ein, ein alter Fluch wird sich deshalb erfüllen und nur Jaroslav hat genug Schneid, der gemeinen Schwester der Frau Königinmutter die Stirn zu bieten. Alles schon mal gesehen und gehört. Im Film gibt’s die selbe fellbehangene Kutsche zu bewundern, in der auch schon der Prinz in DREI HASELNÜSSE FÜR ASCHENBRÖDEL unterwegs ist. Wahrscheinlich hatte man nur die eine im sozialistisch geprägten Mangelstaat. Und der fette Lehrling vom Koch ist auch immer noch als solcher unterwegs und kriegt wie immer eine gescheuert. Überzuckert ist alles mit stets wunderschöner und sehr klebriger Musik von Karel Svoboda, die man noch stundenlang mit sich spazieren trägt, was aber nicht unbedingt stört. Da nervt schon eher das von dichter, schwarzer Matte umrahmte Teiggesicht von Prinz Jaroslav, der als Heroe mit Herz und Hand nicht viel hergibt, weil er meist übermäßig dumm aus der Wäsche schaut. Oder auch die Tatsache, dass Marie Horáková nicht so hübsch aussieht wie Libuse Safránková aus dem ASCHENBRÖDEL und gar manchmal etwas arg debil glotzt. Eventuell passen deshalb beide Charaktere so wunderbar zusammen und haben sich unweigerlich zu finden. Und da macht es dann auch nichts mehr, wenn der Film über Gebühr komische Elemente liefert, wovon Vladimír Mensíks Darstellung als verfressener Tschechen-Spencer zeugt. Trotzdem lässt man sich das vorweihnachtliche Märchen durch seine Unzulänglichkeiten nicht vermiesen – und sei’s nur deshalb, weil man sich dabei so wunderbar an die wohligen Weihnachts-Kindervorstellungen im Kino erinnern kann, deren Zeit unlängst abgelaufen ist, weil es beim Großfrittierer MADAGASCAR-Colabecher gratis gibt und zu FRAU HOLLE aus den 50ern leider nix.
FANTASIA
(USA 1940 – diverse)
Bis auf ganz, ganz wenige Ausnahmen kann ich die Filme aus der Disney-Fabrik nicht ausstehen. Erinnerungen an endlos erscheinende Sitzungen in vollgestopften Kinos, in denen Eltern, die immer alles richtig machen wollen, im vorweihnachtlichen Taumel ihre missratenen Blagen wie unter Zwang zum Aufsaugen überdosierter Kuschelkultur zerren, haben auch nach Jahrzehnten ihren Schrecken nicht verloren. FANTASIA ist ein Bilderbogen, in dem, angeheizt durch bekannte klassische Kompositionen, Mäuserich und technicolorer Farbenrausch in fast zweistündiger Unsinnigkeit über die Leinwand spritzen. Und wenn man eingangs noch den Eindruck hatte, Disney weiche dem ärmlichen und einzig auf Wonnigkeit setzenden Klischee seiner Figuren gründlich aus, wenn er Wolken- und Wasserwirbel, Noten im Sternengewand und majestätische Kraniche zu Bachs Toccata und dem gern genommenen Nussknacker von Tchaikovsky auftanzen lässt, dann führt das unweigerlich in die Irre. Am Ende tanzen Nilpferd und Krokodil miteinander, die Maus verhunzt den Goethe und ein paar drollige Pilze machen den Ringelreigen. Ganz aus ist es dann bei der Pastorale, zu der Disney die griechische Mythologie durch den Wolf dreht. Kreischend bunte Einhörner hüpfen durchs Immergrün und männliche wie weibliche (!) Zentauren knüpfen zarte Bande. Dazu wirbeln dicke, wie aus barocken Gemälden entliehene Engelskinder durch die Lüfte und recken keck ihre feisten Ärsche. Nur Zentaurenmann und –frau gleicher Buntfärbung finden auf satter Wiese unterm Apfelbaum zusammen – das hat schon was Rassendiskriminierendes, da mögen Englein und Einhörner noch so lustig tollen. Immerhin weiß man dank FANTASIA wenigstens, woher die Ideen für die grausigen Tierwesen aus den Barbie- und My little Pony-Spielzeugserien kommen. Und die sind alle Jahre wieder ebenso häßlich wie dieser scheußliche Film, der, was wohl sein größtes Verdienst ist, hinten und vorne nicht für Kinder taugt – es sei denn, man hält sie auf Droge.
#170
Geschrieben 14. Dezember 2005, 15:26
(Japan 2003 – Katsuhiro Ôtomo)
Schlichtweg begeistern konnte Ende der 80er AKIRA – vor allem, wenn im Kino genossen. Angesichts der Detailfülle und der gigantomanen Ideenvielfalt putzte der Film gründlich all das aus den westlichen Augen, was sich dort zuvor über Jahre an Zeichentrickdreck angesammelt hatte. Ganz ohne Frage hat AKIRA beträchtlich zum Sinneswandel beigetragen, dass ein Erwachsenentrickfilm auch ohne Titten-Uschi funktioniert. Und irgendwie nur Folgerichtig wagte der deutsche Verleih sogar einen Vergleich mit BLADE RUNNER. Mit STEAMBOY hängt sich Ôtomo vor allem an die Bilderfluten seines revolutionären Werkes, schippert aber ansonsten gewaltig an der Oberfläche. Wie sehr müht sich AKIRA zu erklären, was genau die Macht ist, nach der alle gieren, und mit wie wenig Tiefsinnigkeit kommt dann ein STEAMBOY daher, der zwar mit allerlei dampfenden Wunderwerken zu glänzen versteht, im Grunde seines Herzens aber ein ziemlicher Kinderfilm bleibt. Da hätte man sich doch etwas mehr erhofft. Alle weiteren Zweifel walzt der Film mit seinen Bilderräuschen platt, an denen es nichts zu bekritteln gibt, feiert fröhlichen Maschinenfetischismus und was die Japaner immer mit ihren fliegenden Burgen/Schlössern/Bergen haben, ist mir sowieso schleierhaft, obwohl sich schwer leugnen lässt, dass solche Bilder eine nur schwer zu übertreffende Wucht besitzen und der gemeine Japaner über ein zusätzliches Gen zu verfügen scheint, das ihn dazu befähigt, Kolosse aller Art inszenieren können wie sonst keiner auf der Welt. Sehen, staunen, vergessen.
#171
Geschrieben 15. Dezember 2005, 14:53
Jedes Wiedersehen mit LA MASCHERA macht klar, was den italienischen Horrorfilm so von seinen US-Kollegen unterscheidet und einzigartig macht. Wie auch später in vielen Werken bekannter Regisseure wie Argento und Fulci zu entdecken ist, dominiert bei den Italienern Stil über Inhalt. Bei LA MASCHERA kommt hinzu, dass sich über Gebühr viele von den einzigartigen und stets ungemein atmosphärischen Bildern unauslöschlich in den Kopf brennen (vor allem dann, wenn man den Streifen in relativ jungen Jahren erstmals sah) – und dabei noch gar nicht mal vorrangig die für die damalige Zeit unerhört grausige Eröffnung des Films mit der Hinrichtung von Hexe Asa, sondern vielmehr solche Bilder wie die von Wirtstochter Sonya beobachtete Slo-Mo-Kutschenfahrt, das vom Wind betriebene Orgelspiel in der unheimlichen Krypta oder Katias Alterungsprozess. Die vortrefflichen Darsteller tragen viel zum Gelingen des Films bei, mindestens ebenso das wunderbare Spiel mit Nebel, Schatten und Dunkelheit, wovon es in Bavas Film reichlich zu sehen gibt. Ihm gelingt es, große Teile der Aufnahmen, die bei Tag spielen, mit unheimlicher Schummrigkeit zu besetzen. Demzufolge ist Bavas Spielfilm-Erstling einer der Filme, die man sich in Farbe überhaupt nicht vorstellen kann – zweifelsohne würde dann wohl manches profan und lächerlich wirken. So aber ist LA MASCHERA ein enorm packender Horrorfilm voller morbider Momente und bis dahin ungekannter Grausigkeit. Und ein ausgesprochen wichtiges Filmkunstwerk und einer der besten europäischen Horrorfilme ja sowieso. Wie bedeutend vieles von LA MASCHERA ist, zeigt sich auch darin, dass sich Bava in PLANET DER VAMPIRE selbst zitiert. Wenn er in einer der besten Schockmomente seinen Raumfahrer mit zerfetztem Brustkorb unter dem tadellosen Anzug präsentiert, dann lugt Asa ordentlich um die Ecke.
Ein Film für die Ewigkeit – nicht mehr, nicht weniger.
#172
Geschrieben 17. Dezember 2005, 19:42
(Hongkong 1980 – Chang Cheh)
Die Chings herrschen über das Land. Der einstige Führer des Aufstandes gegen das Regime, Tsai Chi-yung, muss flüchten und findet Unterschlupf beim Patrioten Chi Jen, der, um sich gegen die Chings und deren Spitzelbande zu wehren, neun der besten Kämpfer aus der Region von Kwantung um sich versammelt, die allesamt über einzigartige Techniken verfügen. Jede dieser Techniken würde an sich schon reichen, um einen gängen Shaw-Film zu füllen. Cheh ist jedoch nicht geizig und rückt ungemein spektakuläre Kämpfe in den Mittelpunkt seines ungeheuer rasanten Films, der mit wirklich tollen Darstellern glänzt. Dabei spielt Ti Lung als Chi Jen zwar eine recht gewichtige Rolle, die hauptsächliche Kampfarbeit wird aber von Alexander Fu Sheng und der bekannten Five Venom-Truppe übernommen. Immerhin ein überaus sensationeller Kampf gegen den Ching-Herrscher Szu Kuei ist ihm vergönnt, der sich zunächst mit einem mächtigen Säbel (wird von Ti Lung mit bloßen Händen kaputtgebrochen), dann mit einem Kampfgerät in Form einer goldenen Statue (Wow!) vergebens wehrt. In DIE TIGER VON KWANTUNG wird viel Blut nach japanischem Vorbild vergossen bzw. versprüht, was den Streifen verhältnismäßig grausig macht, zumal es – wie bei Cheh üblich – nur wenige komödiantische Einlagen gibt, die solche Bilder abzumildern in der Lage wären. Auch die Erzählweise ist recht interessant, setzt sich der Großteil des Films aus verschiedenen Rückblenden zusammen. Einer der besseren Filme der Shaws der bereits nach anderen Inhalten verlangenen 80ern. Vielleicht weckten DIE TIGER VON KWANTUNG auch deshalb viele persönliche Erinnerungen an das Programm des Cinema in Hamburg. Das Cinema spielte irgendwann in den 70ern bis Anfang der 80er hinein ausschließlich Eastern und war damit sozusagen das Pornokino fernöstlicher Filmweisheiten. Da machte freitags sogar das Studium der BILD-Zeitung besonders großen Spaß, waren darin doch regelmäßig die Anzeigen des Cinema zu entdecken, die mit allerwildestem Kung-Fu-Geknüppel der Annonce mit Henry Fonda drauf, der ruhig Am goldenen See in seinem Boot beim Fischen saß, den Arsch versohlte. Das konnte natürlich nicht dauerhaft gut gehen, weshalb das Kino schließlich zur Kunstfilmbude der UFA-Filmtheaterkette verkam und beim letzten großen Kinosterben eines der Opferlämmer spielte. Für den Stadtteil St. Georg, wo das Kino beheimatet war und ein entsprechend großer Ausländeranteil weitaus mehr Interesse an Chang Cheh und Bruce Lee als Louis Malle und Jean-Luc Godard hat, war der krasse Imagewechsel eine sicher schlechte Entscheidung seitens der Betreiber, wie man heute mutmaßen könnte. Meine Güte! Man darf sich eigentlich gar nicht so genau daran erinnern, was da manchmal für windschiefe Gestalten den Eingang des Kinos säumten, wenn billige Brachialitäten wie BRUCE LAI – DER KILLERHAI oder DER HENKER DER SHAOLIN aufspielten. Jeder Zuschauer ein potentieller Totschläger oder entflohener Kettensträfling – mindestens! Bei DIE TIGER VON KWANTUNG waren die sicher auch alle zu Gast, denn der wurde logischerweise auch eine Woche lang durch die Abspielhölle geschleift. Und einjeder der wollte, kam danach doppelt gestählt aus dem Saal und war ein Held durch und durch, den man für die Dauer der nächsten zwei Stunden besser nicht mehr dumm von der Seite anquatschte.
Immerhin: Aus dem Cinema wurde wenigenstens kein Lidl, sondern die Kleinkunstbühne Polittbüro.
Damit lässt sich leben. Die alten und ungemein dreckigen Kino-Schilder an der Hausfassade hängen noch heute und erinnern an gefährliche Zeiten mit Lederrockern und Trümmerfressen aus der Kampfschule schräg gegenüber - und natürlich an Filme, die noch Wirkung hatten wie EIN DAMPFHAMMER UNTER 1000 NIETEN.
Bearbeitet von Funxton, 26. Februar 2009, 13:14.
#173
Geschrieben 20. Dezember 2005, 15:01
(Großbritannien 1965 – Sidney J. Furie)
Nachdem zahlreiche Wissenschaftler des britischen Königreichs unter mysteriösen Umständen spurlos verschwunden sind, setzt der Secret Service eine Spezialeinheit auf den Fall an. Dank seiner unkonventionellen Methoden kann Agent Harry Palmer schon bald erste Erfolge verbuchen, muss dann allerdings feststellen, dass er nicht nur die Kidnapper ausfindig zu machen hat, sondern auch hinter die Bedeutung des Wortes Ipcress kommen muss und gegen Doppelagenten in eigenen Reihen zu kämpfen hat. Anders als beim Kollegen Bond, der gegen Harry Palmer (der Frauenherzen mit Kochkünsten gewinnt, noch selbst im Supermarkt einkaufen geht und bei weitem nicht so ein Prahlhans ist) auch gehörig lebensfremd wirkt, schlagen sich die Agenten in Furies Film mit Papierkram und Formularen herum, haben keine Wunderwaffen zur Hand und dürfen sich nur auf sich selbst verlassen. Das ist zwar alles eine ganze Spur unspektakulärer in der Ansicht, dafür aber wesentlich packender. Wenn Harry Palmer entführt, nach „Albanien“ verschleppt und auf grausame Weise gefoltert wird, beweist er sich dennoch als tough guy in Formvollendung. Das Grelle und Bunte der Bonds geht IPCRESS schwer ab, dafür dominiert das etwas muffig-staubige Bild eines Staatsdieners bei seiner Dienstverrichtung, die zu einem Großteil in der Amtsstube stattfindet. Passend dazu lieferte John Barry einen recht verhaltenen, aber rundum tollen Soundtrack mit nicht einer schmetternden Trompete und nur wenig Tschingderassabumm.
#174
Geschrieben 22. Dezember 2005, 15:11
(USA 1957 – Nathan Juran)
Jede Aktion birgt die Gefahr einer ungewollten Gegenreaktion. Auf diesen Fuß steht Jurans Film. Deshalb braucht er auch keine Atombombe, um sein herrliches Monster auf dem Schlaf zu reißen, sondern lediglich einen Vulkanausbruch auf einer gottverlassenen Insel knapp oberhalb des südlichen Polarkreises. Die Gegenreaktion dazu sieht so aus, dass am nördlichen Pol daraufhin die Eisscholle knackt und eine gewaltig große Gottesanbeterin freisetzt. Just haben die Amerikaner damit begonnen, mehrere große Radargürtel im hohen Norden zu installieren, die die freie Welt schützen sollen. Doch es ist kein menschenfressender Kommunist in einer fliegenden Kiste, was da bald den vorderste Radarfront druchbricht, eine Hütte zertrümmert und die ahnungslosen Armeeangehörige verspeist. Danach muss ein Flugzeug dran glauben, ein Eskimodorf wird überfallen und große Ratlosigkeit macht die Runde. Nachdem man allerdings ein Stück des Tieres gefunden und zur näheren Untersuchung ins Hauptquartiert geschickt hat, an dem sich zunächst die Forscherelite der USA gehörig die Zähne ausbeißt, hebt sich langsam der Vorhang. William Hopper macht die Sache klar und hat zudem noch die schicke Assistenten Alix Talton an seiner Seite, was für allerlei Gepfeife und O-la-la bei den Truppen sorgt. Derweil dringt die Gottesanbeterin bei ihrem Weg zu mittelamerikanischer Schwüle weiter in den US-Luftraum vor, schmeißt einen Bus um, lässt einen Zug entgleisen und verkriecht sich nach der Kollision mit einem Jet der Air Force in einem Tunnel. In seinen letzten Zuckungen wühlt es noch ein wenig die darin befindlichen Autos durcheinander und kriegt dann ein paar Gasgranaten auf die Zwölf geschmissen. Das Monster ist natürlich eine Schau, weshalb es überaus schade ist, dass man bei THE DEADLY MANTIS vergleichsweise wenig von dem Viech zu sehen bekommt. Meistens fliegt es durch die Lüfte und weicht Granatenbeschuss aus. In einer der besten Szenen fliegt es quer über das Weiße Haus und krabbelt dann am Ende der Allee auf dem großen, begehbaren Monolithen herum. Wäre THE DEADLY MANTIS ein japanischer Film, in ganz Washington wäre binnen Minuten kein Stein mehr auf dem anderen. THE DEADLY MANTIS bietet jedoch keine so gewaltigen Monstermodelle wie FORMICULA! oder Trickaufmärsche wie in THE BLACK SCORPION, ist also wesentlich bescheidener ausgefallen. Alles eine Nummer kleiner sozusagen, dem schmaleren Budget angepasst. Die nicht immer sorgfältig einkopierten Bilder wollen demzufolge auch nicht durchweg überzeugen, was zwar der grandiosen Stimmung des Films keinen Abbruch tut, aber durchaus in Erinnerung ruft, dass man es anderweitig ungleich besser gesehen hat. Jedoch kassiert der Streifen absolut volle Punktzahl für das Monster und die vortreffliche Geräuschkulisse bei dessen Angriffsflügen. Außerdem ist natürlich nicht zu vergessen, dass der Film extrem flott erzählt und hochspannend ist. THE DEADLY MANTIS ist vielleicht nicht technisch auf der Höhe seiner Zeit, alles andere stimmt aber, weshalb der Streifen ohne Frage zu den besseren Vertretern seiner Zunft gehört und überaus lecker anzusehen ist.
#175
Geschrieben 29. Dezember 2005, 18:09
(Japan 2000 – Takashi Shimizu)
Gern denke ich an die Zeiten zurück, als es am Heiligabend um 22.00 Uhr im Alabama in Hamburg für die Feierfaulen Flaschenbier und Dario Argentos HORROR INFERNAL auf Leinwand gab. Dafür hat man sich doppelt gern mit vollgefressener Plauze zeitig vom Familienfest geschlichen. Vorbei die Zeit. Und im Fernsehen gibt es nicht einmal mehr nachmittags „Wir warten aufs Christkind“, weshalb der Griff zur Konserve noch wesentlich leichter fällt als ohnehin schon. JU-ON war eine ziemlich gute Wahl, um Heiligabend mit einem gebührenden Abschluss zu krönen. Und obwohl der Film seinen größten Schauder unlängst eingebüßt hat, funktionierte er auch bei wiederholter Betrachtung noch glänzend. Ganz beträchtlich trägt dazu nicht nur die wunderbare Soundkulisse bei, sondern auch die herrlich fragmentarisch aufgedröselte Geschichte, die man sich zur Gänze quasi selbst zusammenzimmern muss. Am Ende bleibt ein durchweg stimmiger Schauerfilm, dessen größter Vorteil vielleicht der ist, dass er bis auf die Ausnahmen, die man locker an einer Hand abzählen kann, ohne Spezialeffekte auskommt. Von RINGU haben die Macher von JU-ON verdammt gut abgeguckt. Und das ist ja allemal besser als schlecht neu erfunden.
STERNENKIND
(Indien 2003 – Rakesh Roshan)
Definitiv der Film, den man Weihnachten im TV nicht versäumen durfte, obwohl gerade Bollywood-Heuler ob ihrer Länge und der damit verbundenen Anzahl von Werbeunterbrechungen schon zur Qual werden können. Im Fall von STERNENKIND braucht man die Werbepausen, um das Gesehene portionsweise verdauen zu können und seinem Hirn immer mal wieder ein paar Minuten Ruhe angedeihen zu lassen. STERNENKIND ist ein bunter Teller, an dem man sich fast drei Stunden lang überfrißt. Zuckersüß sowieso und völlig bar geistigen Nährwerts. Der Außerirdische, der in der Tradition eines E.T. mal lieb, mal traurig aus seinen großen Augen guckt und natürlich nur Gutes will, ist mindestens ein ebenso großer Nerd wie der Hauptcharakter Rohit, der an geistiger Schwäche leidet, jedoch das Glück hat, als erster über den Blaumann vom anderen Stern zu stolpern. Als Wiedergutmachung dafür, dass Aliens dafür verantwortlich waren, dass seine Eltern ums Leben kamen, wird Rohit mit einem IQ von Zehntausend und zahlreichen übermenschlichen Superfähigkeiten ausgestattet. Da klappt’s dann auch mit der Angebeteten Nisha, die eigentlich nichts von ihm wissen wollte, sich aber nach allerlei Musik- und Tanzeinlagen sowie eines Basketballspiel nach dem Muster von SHAOLIN SOCCER unsterblich in ihn verliebt und all seine guten Seiten entdeckt. Das Alien muss jedoch irgendwann schleunigst zurück auf seinen Planeten, weil – siehe abermals E.T. – die US-Regierung und das indische Militär hinter ihm her sind. Und damit ist das Ringen um den Zwerg aus dem All eröffnet. In einer besonders bekloppten Szene gibt’s sogar einen Flug auf Zweirädern gleich dem im US-Vorbild. Doch was in E.T. noch seinerzeit topmoderne BMX-Räder waren, ist bei den Indern halt ein schnöder Tretroller. Auch bestreitet das Alien seine Ausflüge nicht in einem geräumigen Weidenkorb, sondern in einem alten und recht schmuddeligen Sack. Das darf man wohl auch als kleinen Seitenhieb verstehen. Ganz interessant ist außerdem, wie der Film dahingehend die Kurve kriegt, in aufeinanderfolgenden Szenen atemberaubende Alpen-Panoramen und ödes Dorfleben gleich links neben Kalkutta zu präsentieren. In der Tat, das hat schon was. Für ein Remake eines eh schon ziemlich überflüssigen US-Films driftet der Film hin und wieder etwas zu sehr ab. Das indische Remake von beispielsweise SUPERMAN war da um Klassen besser, weil nicht nur einfach ziemlich dreist sämtliche Spezialeffekte aus dem US-Streifen ins Werk geschnitten wurden, sondern Superman im Jugendalter anlässliche seiner Geburtstagsfeier auch noch einen flotten Breakdance zu Michael Jacksons Beat It hinlegt. Da darf man herzhaft lachen. Bei STERNENKIND überwiegen hingegen zu oft Kopfschütteln und peinliche Berührung.
#176
Geschrieben 02. Januar 2006, 16:08
(Japan 2003 – Hirokazu Kore-eda)
Das ganze Drama kann man sich problemlos auch in einer deutschen Großstadt vorstellen. Mutter Keiko zieht mit ihren fünf Kindern in ein neues Appartment. Um dieses im überfüllten Japan überhaupt angemietet zu bekommen, verheimlicht sie dem Vermieter vier ihrer Kinder, die – gut verpackt in großen Koffern – per Umzugsunternehmen in die neue Wohnung gelangen. Lediglich ihr ältester Sohn Akira darf sich frei bewegen, nicht jedoch zur Schule gehen. Während Keiko arbeiten geht, hütet er die Kinder, besorgt die Einkäufe und organisiert die Tagesabläufe, die sich sehr trist gestalten, weil keines der anderen Kinder vor die Tür treten oder mit etwas größerem Geräuschpegel spielen darf. Eines Tages lernt Keiko einen neuen Mann kennen. Immer länger dauern ihre Außendienste. Irgendwann kommt sie gar nicht mehr nach Hause, was die Kinder gleichwohl vor ungeahnte Probleme wie auch ganz neue Herausforderungen stellt. Die trostlosen Tage der Kinder sind mit gehöriger Akribie auf Film gebannt, weshalb sie schwer aufs Gemüt drücken. Wie befreiend ist es da, wenn Akira und seine Geschwister endlich die Wohnung verlassen und in der Nachbarschaft herumtollen. Dann folgen ganz schnell Verwahrlosung, Hunger, mit der Steigerung der bedrohlichen Situationen auch die große Angst vor Entdeckung und natürlich die hoffnungslose und quälende Warterei auf die Mutter, die erst dann wieder von sich hören lässt, als bereits schon alles zu spät und ein Kind tot ist. Erstaunlich ist vor allem, dass der Film trotz erschütternder Momente nur wenig Platz für rührseliges Tränendrücken lässt, sondern die meiste Zeit beobachtende, dokumentarische Bilder zeigt. Weitaus mehr unter die Haut ginge NOBODY KNOWS wohl auch, wenn die Präsentation eine etwas bessere gewesen wäre. Die deutsche Synchronfassung ist billig, der O-Ton viel zu leise und recht dumpf auf die Scheibe gespielt. Das wird dem wirklich superben Film nicht gerecht. Was nützt da noch die mit Extras bespielte Bonus-DVD, wenn man noch nicht einmal den Hauptfilm halbwegs brauchbar vorgelegt bekommt?
#177
Geschrieben 04. Januar 2006, 16:12
((BR) Deutschland 1964 – Franz-Josef Gottlieb)
Wegen einer Erbschaftsangelegenheit reist Kathleen zusammen mit dem australische Gesetzgebung herunterbetenden Eddi Arent nach London. Dort will der alte Real, der einst Kathleens Vater bei krummen Glücksspiel die Moneten aus der Tasche gezogen und ihn somit in den Selbstmord getrieben hat, Wiedergutmachung dafür leisten, dass die damals kleine Kathleen Mittellos zurückblieb. An dem erklecklichen Sümmchen ist jedoch auch eine Bande skrupelloser Croupiers interessiert, die Kathleen zunächst entführen und zur Zusammenarbeit überreden, dann aber nacheinander ausgetrickst oder abgemurkst werden. Das Finale findet ziemlich stilsicher in einer alten Mühle statt, in der Klaus Kinski nicht nur Körner drischt, sondern auch für einige Grausamkeiten sorgt. Ein weiterer Höhepunkt ist natürlich auch der ausgeklügelte Tresor, in dem das Geld und reichlich Geschmeide lagert. Bewacht wird er von vertrackten Fallen, Giftnadeln und flackernden Lichtern, die hübsch kirre im Brägen machen. Wie auch schon in vielen Wallacen zuvor ist Eddi Arent das Element, das die Spannung gehörig in den Keller zieht und dessen komische Szenen hauptsächlich unsympathisch ausgefallen sind. Hat man sich über derlei wirklich anno '64 lachend auf die Schenkel gehauen? Gottlieb jedenfalls zeigt, dass er durchaus Spannung und Schauder inszenieren kann – wenn er auch später dazu kaum mehr Gelegenheit gehabt hat, schaut man sich einmal seine vornehmlich von betulichen Schwänken und krachenden Lustspielen durchzogene Filmografie an. DIE GRUFT MIT DEM RÄTSELSCHLOSS ist kein Safeknacker wie TOP JOB oder gar ein prächtiges Gruselstück wie DIE MÜHLE DER VERSTEINERTEN FRAUEN, aber irgendwie irgendwo dazwischen im Niemandsland bundesdeutscher Gruselkriminalistik, die trotz aller Schauerstärke bequem zwischen zwei staubigen Aktendeckeln Platz hat.
#178
Geschrieben 11. Januar 2006, 19:29
(USA 1978 – Gordon Hessler)
Man erinnere sich, dass es in den späten 70ern so war, dass die Mädchen entweder ABBA oder Boney M. hörten, die Jungs dagegen auf AC/DC oder KISS schworen. Gerade rückblickend betrachtet eine musikalisch sehr einfache Welt – und so ganz ohne einheitliche Formatradiosender mit geplärrtem Wischiwaschi und morgendlicher gute Laune auf Krampf.
AC/DC hatten mit ihrem Konzertfilm LET THERE BE ROCK im Kino bereits getrumpft, ABBA – THE MOVIE war auch mal dran, von Boney M. gibt’s leider nichts (was ich sehr bedaure, könnte mich ein halbwegs gescheiter Blaxploiter aus deutschen Landen mit „Ma Baker“ als Titelsong doch mittlerweile förmlich in Ekstase versetzen) und KISS haben es, als ihr Stern unlängst zu sinken begann, mit diesem Dingens probiert. Da weiß man angesichts des Entstehungsjahres natürlich nicht genau, ob der Film noch eher auf der Musikfilmschwemme mitschippern sollte, oder doch gleich der Horrorfilmwelle Rechnung trägt bzw. diese zu persiflieren gedenkt. Wahrscheinlich alles. ATTACK OF THE PHANTOMS präsentiert sich jedenfalls ganz auf der Höhe seiner Zeit – zumindest in der deutschen Synchronfassung, die gespickt ist mit vielen zeitgenössischen Sprüchen. Aber auch sonst wird jede Menge geboten: Die Finanzjongleure des kräftig rote Zahlen schreibenden Freizeitparks Magic Mountain haben sich einen ganz besonderen Clou einfallen lassen: An drei aufeinanderfolgenden Abenden treten KISS auf dem Parkplatz gleich hinter der Achterbahn auf und lassen die Luft brennen. Dafür streicht man dem klugen Kopf und Erfinder des ganzen Parks, Devereaux, die Gelder für die Schaffung neuer Gimmicks und Attraktionen. Devereaux, darüber mächtig sauer, entpuppt sich als regelrechter Mad Scientist, der just zur selben Zeit den Durchbruch bei der Entwicklung eines neuen Robotertyps feiert. Seine Idee, die er auch schleunigst umsetzt, ist angesichts seiner prekären Situation nun die, KISS ihre magischen Talismänner abzuluchsen, die der Gruppe übermenschliche Fähigkeiten verleihen (Gene Simmons spricht mit verzerrter Stimme, spuckt Feuer wie Grisu, der kleine Drache, Ace Frehley schießt mit Laserstrahlen aus dem linken Auge und lauter so Zeugs), sie einzusperren und durch Roboter-Doubles zu ersetzen, die die Fans mit liederlichem Liedgut („Rip and Destroy“) ordentlich aufmischen, seine Geschäftspartner in einen schlechten Licht dastehen lassen und den Vergnügungspark Geschichte werden lassen („Keiner kann mich aufhalten! Ich werde alles zerstören! Auch euch, ihr... ihr KISS-Typen!“). Am Ende prügeln sich KISS auf der Bühne mit ihren Robotern herum, dass die Heide wackelt. ATTACK OF THE PHANTOMS hat über die Jahre kaum gelitten, hat ein paar tolle 70er-Mackersprüche („Hey Opa, du leere Hose!“), ist also nach wie vor hochmodern und irgendwie ein Angrief der Klonkrieger der Siebziger, jedoch einer, der einen runzeligen Joda gar nicht nötig hat, weil Gene Simmons mal herumschlackernde, mal herumzuckende Zunge mindestens ebenso lang und spitz ist wie dessen Ohren. Und die Spezialeffekte, das ganze Laser- und Explosionsgewitter, ist mindestens ebenso gut bzw. schlecht und in vorliegendem Fall wenigstens noch von Hand gemacht. Voll abkassieren kann der KISS-Film aber vor allem wegen seiner illustren Darsteller, die sich für so einen Schabernack blauäugig hergegeben haben. Anthony Zerbe gibt einen guten Irren, Don Steele spielt sich mal wieder selbst und Brion James nimmt man auch in einer kleineren Rolle als dämlich guckenden Parkwächter gerne mal mit. Da stört es denn auch nicht so wahnsinnig, dass ATTACK OF THE PHANTOMS von allen Musikfilmen bei den Konzerteinlagen den wahrscheinlich miserabelsten Ton aller Zeiten hat.
HANS CHRISTIAN ANDERSEN UND DIE TÄNZERIN
(USA 1952 – Charles Vidor)
Weil der Schuhmacher und Märchenonkel Andersen in seiner Heimat Odense die Kinder durch seine Geschichten von der Schule fernhält, will der Bürgermeister ihn nach zahlreichen Beschwerden des Schulmeisters aus dem Ort schmeißen. Um dem Rausschmiss vorzubeugen, überredet sein junger Freund und Lehrling Niels ihn, nach Kopenhagen zu gehen, wohin es noch nie ein Bürger Odenses hingeschafft hat. In Kopenhagen angelangt, will es der Zufall, dass er die Schuhe einer wunderschönen Ballettänzerin richtet und sich fürchterlich in sie verknallt, obwohl diese bereits mit ihrem Regisseur liiert ist. Zwischendrin gibt’s ebenso viel Musik wie Märchen, wobei auch diese gern in Form anrührender Lieder vorgetragen werden. Danny Kaye trällert schon in aller Herrgottsfrüh seinen Sermon, alle Kinder scharen sich, FSK ab 6, alles klar. Und wozu das alles? Die kitschigen Sets in kunterbuntem Technicolor und das ganze Sing und Sang sind doch höchstens schmierige Fassade des eigentlichen Treibens und dazu da, zu kaschieren, wie sexistisch das ganze Ding doch ausgefallen ist. Wo sonst gab’s in den 50ern schon so ausufernd hüpfende Frauen in Strumpfhosen und kurzen Röcken zu sehen? Da möchte man sich gerne dem Glauben hingeben, dass ein Werk wie HANS CHRISTIAN ANDERSEN UND DIE TÄNZERIN wohl die gleichen Herrschaften im Lodenmantel angesprochen haben könnte, die sich nur zwei Dekaden später auch bei DEEP THROAT glänzend amüsierten. Kurzum: Ein ganz schön verlogener Grottenolm, dieses Teil. Farley Granger habe ich in DER TOD TRÄGT SCHWARZES LEDER, SCHÖN, NACKT UND LIEBESTOLL und DIE FORKE DES TODES wesentlich lieber gesehen. Danny Kaye war mir vor Jahrzehnten schon unsympathisch und irgendwie verdächtig. Die Erkenntnis triumphiert, dass sich daran im Grunde bis heute nichts geändert hat.
#179
Geschrieben 12. Januar 2006, 08:06
((BR) Deutschland 1964 - Alfred Vohrer)
Eddi Arent macht zwar wieder einmal mit, ist aber so dezent in den Hintergrund gestellt, dass er den durchweg spannenden Film nicht ruiniert. Aus der Tatsache, dass Spannung nötiger ist als Komik und Klamauk hätte man durchaus für die ganze Serie lernen können, ebenso aus der Tatsache, dass weniger Nebensächlichkeiten, die viele der früheren Wallace-Filme zu gehörigen Zettelwirtschaften werden lassen, ebenfalls nicht zwingend erforderlich sind. DER HEXER ist vollends gelungen und stellt sicherlich eines der Highlights der Serie dar, wozu natürlich auch beiträgt, dass mit Drache, Fuchsberger und Lowitz gleich drei absolute Schwergewichte zur Stelle sind, wenn’s irgendwo brennt. Wie bei fast allen anderen Wallace ist es mir nicht möglich, die Auflösung der Mär länger als zwei Woche spazieren zu tragen, weshalb die wiederholte Sichtung zwar nicht mehr für ein Aha! sorgt, so aber doch noch für ein kleines Ach so! Und das ist dann immer noch besser als irgendwelche Stangenware, deren Ausgang man nach den ersten fünf Minuten bereits zielsicher erahnt. Außerdem ist Peter Thomas Musik zum HEXER so erstklassig gelungen, dass man von diesem Film auch einfach nur gern den wirklich toll gemachten Vorspann guckt, wenn man die CD mit seiner Kriminalfilmmusik gerade mal wieder nicht findet.
#180
Geschrieben 12. Januar 2006, 15:19
(USA 1963 – Herschell Gordon Lewis)
Warum genau man BLOOD FEAST vor gar nicht allzu langer Zeit mit einem Verbot belegt hat, bleibt wohl immer ein Geheimnis – insbesondere auch eingedenk der Tatsache, dass selbst ein ultrabrutales und inhaltlich nicht weniger minderbemitteltes Splattergewitter wie FINAL DESTINATION 2 für 16jährige ohne jegliche Kürzung goutierbar ist. Möglicherweise liegt es ja auch gar nicht so sehr an den haarsträubenden Spezialeffekten, die im Grunde keine sind, sondern vielleicht eher daran, dass Fuad Ramses in einer Szene einem Mädchen kräftig den Rücken blutig peitscht. Man weiß ja, wie sich die Moralisten über solche Details erbosen können. Im Grunde kann man aber selbst das kaum ernst nehmen, nachdem man Hinkefuß Ramses mit seinen schwarzlackierten Augenbrauen dabei zusehen musste, wie er im sich ziehenden Englisch einer Langenscheid-Sprachlernkassette über die Einzigartigkeit ägyptischer Festivitäten fabulierte. Und ein Klassiker bleibt der hirnlose Blutrausch natürlich auch dann noch, wenn man ihn mit Einsatz von Geld, Zeit und des Strafgesetzbuches seinen Anspruch als eigentlich schützenswertes Filmkunstwerk aberkennen möchte. Viel wichtiger ist sowieso, für welchen radikalen Wandel der Film steht. Die Modernisierung des Horrorfilms ohne BLOOD FEAST ist kaum vorstellbar; auch dann nicht, wenn man bedenkt, dass es blutende Stümpfe und eimerweise rote Farbe in anderen aufgeschlossenen Ländern auch schon vorher gegeben hat. BLOOD FEAST ist trotz seiner stümperhaften Machart (oder vielleicht gerade deswegen) ungeheuer charmant, kommt immer furchtbar schnell zur Sache, pfeift auf sämtliche Gesetze der Logik, den normalen Menschenverstand sowieso und schrammt solchermaßen immer ganz haarscharf an der vorsätzlichen Volksverdummung vorbei, die man sie sonst nur in Werken wie SUNSHINE REAGGE AUF IBIZA findet. Wie Friedman und Lewis ihr krummes Ding in nur 67 Filmminuten durchziehen, ist jedenfalls schlichtweg atemberaubend und immer wieder wärmstens zu empfehlen – ebenso der sehr nette Audiokommentar der beiden auf der DVD.
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