Beutelschneider, Zeitschinder, Nervenzerrer
#331
Geschrieben 11. Juni 2006, 16:31
Nach der Beerdigung eines Freundes seines Bruders wird der erst 13jährige Mike Zeuge von allerlei merkwürdigen Ereignissen, die sich auf dem Friedhof Morningside zutragen. Ein großer schwarzgekleideter Mann spielt dabei die zentrale Rolle. In Kutten gekleidete Zwerge schleichen nachts über den Friedhof und durch die Leichenhalle, Silberspheren sausen durch die Gänge auf der Suche nach Opfern, Messermädchen nutzen ihre Verführungskünste zur Beschaffung von Nachschub für den schwarzen Mann.
Zunächst glaubt Jody, Mikes Bruder, den Berichten des Knaben nicht, doch wird er bald eines besseren belehrt. Zusammen mit Jodys Freund Reggie machen sie sich auf, den unheimlichen Dingen in Morningside auf den Grund zu gehen.
DAS BÖSE ist, wie es der Originaltitel PHANTASM weitaus besser vermuten lässt, ein 90minütiges Trugbild, das ganz bewusst die Zwänge von Logik und Rationalität abgeschüttelt hat. Der Film funktioniert wie ein wilder Alptraum, der unbedingt zuende geträumt werden muss. Und wie in einem solchen Traum manchmal unerwartete Wendungen passieren, kippt die zunächst nach Art einer reinrassigen Horrormär konstruierte Geschichte nach einer Stunde auch völlig unvorbereitet komplett in Science Fiction ab. Das ist, wenn man den Film in völliger Unkenntnis über diesen abrupten Richtungswechsel (in Zeiten des Internets ist sowas ja leider nur schwer bis überhaupt nicht mehr möglich) das erste Mal sieht, eine ziemliche Überraschung, die - und da schlägt der Film zwei Fliegen mit einer Klappe - gründlich aufhorchen lässt sowie den Betrachter dazu zwingt, das Gesehene noch einmal unter dem neu ins Rennen gebrachten Aspekt zu verdauen. Nichts ändert das jedoch daran, dass DAS BÖSE gekonnt mit Ängsten spielt, und sowieso Ängste aller Art eine ganz zentrale und immer wieder deutlich in den Vordergrund gestellte Rolle in dem Film spielen. Und natürlich auch nicht daran, dass der Streifen ungemein geschickt darin ist, eine ganz eigene, ungeheuer düstere und den Zuschauer fordernde Welt vorzugaukeln, die in dem Maße im positivsten Sinne die „Bodenhaftung“ verliert wie der Film Ungeheuerlichkeit an Ungeheuerlichkeit reiht.
Nahezu verwegen ist auch, dass DAS BÖSE seine Zuschauer am Ende in Sicherheit und zurück am Boden der Tatsachen wiegt und dies dann ebenfalls zum Konzept der munter weiterschwappenden Phantasmagorie werden lässt, also selbst auf den letzten Metern zwischen allen Möglichkeiten hin- und herpendelt und schließlich völlig offen und erfrischend unverbindlich endet.
DAS BÖSE darf gleichfalls als gelungenes Beispiel dafür gelten, mit welcher Innovationsfreude noch an der Schwelle der 80er Jahre preiswertestes Genrekino kredenzt wurde, das das Publikum jener Tag durchaus dankend annahm. Dass dieser Film zudem die Produktionsgeselltschaft Avco/Embassy 1979 vor der Pleite und dem endgültigen Aus rettete, ist ein ebenfalls offenes Geheimnis. Ein wirklich ziemlich schlechter Witz und ein absolutes Armutszeugnis dagegen, dass so ein erstklassiges Werk bei uns beschlagnahmt und in seiner Erstaufführungsfassung aus dem Verkehr gezogen wurde.
#332
Geschrieben 11. Juni 2006, 16:31
(Mexiko 1964 – Rene Cardona)
Die gemeingefährliche Red Dragon Gang, eine Bande skrupelloser Chinesen, angeführt vom wahnsinnigen Prinzen Mizuyaka, ermordet reihum alle Wissenschaftler, die an einer archäologischen Grabung beteiligt waren. Ziel ist es, ein altes Schriftstück in die Hände zu bekommen, das aus Vorsicht von den Wissenschaftlern in mehrere Teile zerlegt wurde. Die Hälfte haben die Roten Drachen schon zusammen, da wendet sich aus lauter Verzweifelung Dr. Zorba um Hilfe flehend an den Neffen Mike seines ebenfalls noch lebenden Kollegen Dr. Tracy sowie dessen Freundinnen, die Wrestling-Meisterinnen Loretta Venus und Golden Rubi. Dr. Zorba überlebt die Zusammenkunft nicht, weil die Drachen überall ihre Hintermänner haben, und auch das von Dr. Tracy fix ausgetüftelte Sicherheitssystem, nach dem er den letzten verbleibenden Fetzen des Schriftstücks noch einmal auf seinen Neffen und die beiden Ringerinnen verteilt, schlägt fehl. Als den Roten Drachen nur noch ein Teil des Puzzles fehlt, schlägt Mizujaka vor, einen Ringkampf darum zu veranstalten. Loretta Venus und Golden Rubi gegen seine beiden Judo-Schwestern! Nach einem superb choreografierten Kampf muss der Asiate seine Wischs abgeben, wiedersetzt sich jedoch der Verhaftung durch die Polizei. Die Mumie, die wenig später die Szenerie betritt und sich mal in eine Fledermaus, mal in eine Spinne verwandeln kann, sorgt dahingehend für Gerechtigkeit, dass sie die ganze Red Dragon Gang mit Stumpf und Stengel mit einem Schlag vom Erdboden tilgt, während sie der aus der Grabkammer entnommenen goldenen Brustplatte der einstigen Liebsten nachhechelt. Die haben Dr. Tracy, Mike und die beiden Wrestlerinnen nämlich nach der Entschlüsselung des Pergaments endlich aus den Tiefen der Pyramide bergen können, was sich jedoch angesichts der racheschnaubenden Lumpengestalt als keine wirklich gute Idee entpuppte.
Von Rene Cardona ist man so einiges gewöhnt, weshalb dieser Kessel Buntes sich im Grunde nahtlos in sein Œuvre fügt. Seine beiden auch in anderen Werken gern verbratenen Wrestle-Weiber Loretta (vormals Gloria) Venus und Golden Rubi haben in diesem Streifen jedoch bis auf den Eröffnungskampf und dem Duell mit den Judo-Mädchen ziemlich wenig zu tun und sind vornehmlich zur Zierde mit dabei. Wesentlich mehr Raum zur Entfaltung hat da das komische Element des Films, der kalauender Kleinwuchs-Mexikaner Tom, zugesprochen bekommen, der die Zeit zwischen den Attacken der Drachen und der Mumie mit Spaß und Tollereien nach Eddie-Arent-Art versüßt. Das macht zwar Cardonas Film nicht schlecht, nimmt ihm aber viel von seinem ansonsten reichlich vorhandenen spröden Charme eines Billigheimers, der vor allem durch das Servieren von Sensationen zu überzeugen versteht. Immerhin: Wenn die Wrestlerinnen in den Ring steigen, ist bei diesem Film alles im Lot (die Judo-Frauen hampeln sich zusätzlich dermaßen einen ab, dass es einem die Tränen in die Augen treibt), weshalb für die Kämpfe einiges an Spielzeit drauf geht. Und auch, wenn die Roten Drachen ihre sinisteren Pläne aushecken, mundet das Werk ganz besonders gut. Bei der Mumie, die wirklich erstklassig aussieht, sowieso. Dumm nur, dass gegen all die grandiosen Bösewichter die Heldenschar ziemlich blass aussieht. Auf der DVD ist auch noch der zwei Jahre zuvor entstandene DOCTOR OF DOOM von Cardona mit dabei, der insgesamt weitaus mehr überzeugt.
#333
Geschrieben 12. Juni 2006, 00:41
((BR) Deutschland/Spanien 1967 – Jess Franco)
Das Duo mit dem Spitznamen Rote Lippen, Diana und Regina, bekommen einen neuen Auftrag. Auf der Insel mit dem Namen Lobagan sollen sie nach dem verschollenen Professor Bertrand suchen, der sich mit ziemlich riskanten Experimenten beschäftigt hat. Außerdem sind die Formeln des Wissenschaftlers und eine besondere Nährlösung verschwunden. Den Professor finden die beiden, die sich zwischendrin auch als sexelnde Saxophon-Nachtclub-Nummer der Tarnung wegen verdingen, nicht, da sich alle Leute, die ihnen etwas sagen könnten, schleunigst mit einem Messer im Rücken und schwer röchelnd („Ich glaub’, der hat was mit der Atmung“) aus dem Leben verabschieden. Hinter dem Professor und seinen Formeln ist auch eine Sekte mit dem Namen Abilehen (oder so ähnlich) her, Interpol, eine Gruppe eingeborener Amazonen, die das männlichen Geschlecht grundsätzlich verachtet („Alle Männer machen nur groben Unfug!“) und Bertrands ehemaliger Gehilfe, der sich mit einem verschlagenen Subjekt namens Dimitri zusammengetan hat, um den „betriebssicheren Weg der Argenik“ zu entschlüsseln. Und das heißt nichts anderes, als dass er sich künstliche Menschen zusammenbaut, von denen er bereits zwei im Einsatz hat, Andros 1 und Andros 2 getauft, und die zwar über jede Menge Muskelkraft verfügen, es im gleichen Maße aber an Intelligenz vermissen lassen. Nach allerlei Schnitzeljagerei liegt das Geheimnis und der Koffer mit den Formeln in einer Windmühle versteckt, deren Windrad nach dem Vorbild einer Tresorkombination bewegt werden muss, um ihr das Geheimnis zu entlocken. Professor Bertrand taucht irgendwann wieder auf, die Sache mit dem Messermörder indes klärt sich nicht. Am Ende bleibt das Duo auf den Formelkoffer sitzen, weiß damit aber auch schon was anzustellen: „Wir setzen uns eine kleine Nährlösung an, schaffen uns eine Armee für die Liebe und dann stoßen wir zu den Hippies – und das alles im Do-It-Yourself-Verfahren, hahaha!“ Wie auch in SADISTEROTICA zieht der Film natürlich seinen ganzen Reiz aus den Reizen von Frau Reynaud und Frau Yanni, die in jeder Szene aberwitzige Klamottenkreationen zur Schau stellen und ganz in ihrem Dasein als Vollweiber aufgehen, wozu die plapperfreudige deutsche Synchronisation auch ihr Liedchen trällert. Seitens der Geschichte hat man sich deshalb nicht so wirklich den Kopf gemacht, auf Nachvollziehbarkeit wird ebenso gründlich gepfiffen. Dadurch ergeben sich klarerweise einige äußerst belustigende Momente, beispielsweise wenn die selbsternannte „Skandalprinzessin“ von Lobagan die Roten Lippen mit einer neuen Nummer engagieren möchte und sich ihre Lust- und Lasterkneipe am Hafenrand als spießiges Münchner Wirtshaus mit dem Namen Paulusstuben entpuppt. Vielleicht hängt das aber auch damit zusammen, dass zu den Titeln des Films eine ebenso sinnfreie Autofahrt durch München geboten wird. Weiß keiner, spielt auch keine Rolle. Der Film ist trotzdem gut und geht ab wie Lotti. Ganz zu Beginn sagt Janine Reynaud: „Ja, ja, Fernsehen müsste man haben.“ Viel wichtiger wäre es jedoch, dass dieser Film im Fernsehen kommt – und das am besten jeden Abend mindestens einmal.
#334
Geschrieben 12. Juni 2006, 00:41
(Hongkong/Indonesien 1972 Sai King Yang)
Der Vater von Prinzessin Hua wird von Ghostly Face, dem Rächer der Unterdrückten, der beim Volk großes Ansehen genießt, umgebracht. Außerdem klaut Ghostly das Familenschwert. Das bringt Hua natürlich mächtig in Rage, ist sie doch eine schlagefreudige Kung-Fu-Kämpferin der absoluten Spitzenklasse, die sich nichts gefallen lässt. Hua weiß allerdings nicht, dass ihr Vater von einem getürkten Ghostly umgebracht wurde, den ein Schlimmfinger, nämlich der „edle Herr Lung, ausgeschickt hat, um zwischen Hua und Ghostly Streit zu sähen, damit die sich ordentlich bekriegen und ihm nicht immer ins Schmierenhandwerk pfuschen. Bei ihrer Suche nach Ghostly macht Hua Bekanntschaft mit der jungen Ang Li, die ebenfalls nach der Geisterfratze fahndet, um sich bei ihm für kämpferischen Beistand bei einem hinterhältigen Überfall von Piraten auf ihr Dorf zu bedanken. Erste Zweifel keimen in Hua auf, doch kann sie darüber nicht weiter grübeln, denn jetzt tauchen erst einmal weitere 1000 Piraten auf, und um jeden einzelnen kümmert sie sich mit ganzer Hingabe, während Li schnell aus den Puschen kippt. Später: „Wo sind denn die Piraten hin? „Ich hab sie zum Teufel gehauen. Derweil Hua also beschäftigt ist, entführt der „edle Herr Lung noch schnell die Schwester von Ghostly, um ihn in den Palast zu locken, wo er noch einen Versuch unternehmen möchte, dem Geistermann selbst eins auf die Zwölf zu geben. Ghostly taucht auch schnell auf und kann tatsächlich in Ketten gelegt und in die Folterkammer verfrachtet werden. Inszwischen haben Hua und Li den falschen Ghostly entlarvt, können in Lungs Palast den echten Ghostly befreien, der klarerweise völlig außer sich ist und in einem Großaufwasch absolut alles inn Arsch haut, inklusive dem „edlen Herrn Lung und seine Erfüllungsgehilfen. Lung gibt er noch mit auf den Weg: „Dafür wirst du bezahlen! Dir schlag ich dein bißchen Hirn aus dem Schädel! Keine leere Phrase, Ghostly macht das tatsächlich.
DAS GEISTERGESICHT DER ROTEN DSCHUNKE ist ein ziemlich heftig ausgefallener Prügelfilm, der mit grausigeren Bildern nicht knausert und in regelmäßigen Abständen schier übermenschliche Fights bietet. Diese haben zwar nichts von dem künstlerisch wertvollen und balletartigen Gehopse der ungleich besser produzierten Shaw-Filme, dafür passen sie aber in ihrer ruppigen und rohen Art wunderbar zum Rest des Films. Und der hat immerhin den großen Vorteil, dass er außer dem pausenlosen Geholze sich eh nichts zu verkaufen anschickt, was man nicht haben möchte. Beziehungskiste, entflammte, heimliche Liebe, Sehnsüchteleien mit Herz und Schmerz? Alles Fehlanzeige. Nur Geprügel. Und um das zu verpacken, hat man sich eine Geschichte ersonnen, die für das Vorhaben schließlich eh schon kompliziert genug ist. An Gekröse fehlt es beim GEISTERGESICHT nicht, das Auge des Betrachters darf also eine ungemein bemerkenswerte Pfählungsszene schnabulieren, kaputtgeprügelte Hälse sieht man auch nicht alle Tage und überhaupt werden Schwerter und Lanzen gern in Richtung Schluckknorpel gedrückt. Morricones Musik aus TODESMELODIE spielt im GEISTERGESICHT nicht aus Spaß so häufig. Kein Film für alle Tage, wenn er aber mal wieder an der Reihe ist, kann man mit dem Ding notfalls auch den aufgestauten Dampf der letzten fünf Jahre ablassen. GEISTERGESICHT ist doof, aber verdammt gut.
#335
Geschrieben 12. Juni 2006, 12:20
(Italien 1983 – Bruno Corbucci)
Bud Spencer schwer unterwegs als Polizei-Spezialagent Parker, der den betrügerischen Herzensbrecher Tony Roma stellen muss, welcher sich an die Frau des Senators rangemacht hat und dabei allerlei Klunker mitgehen ließ. Unter anderem auch einen Ring, der den Senator als Freund der Mafia entlarvt. Zu allem Überfluss wird Tony auch noch Zeuge eines Mordes, den der Mafia-Boss begeht, weshalb dessen Handlanger ihm fortan zusätzlich auf den Fersen sind. Parker nimmt Roma schließlich in Schutz und räumt am Ende bei der Mafia, einem korrupten Polizisten und dem Senator auf.
Je weiter man bei den Bud-Spencer-Filmen in die 80er vordringt, desto schlechter werden sie, woran auch ein Tomas Milian nichts zu ändern vermag, der hier den schmierigen Betrüger Roma gibt und den man zunächst unter seiner Elvis-Tolle, hinter dem Schnauzbart und seiner dicken Sonnenbrille kaum erkennt. Von heftigeren Synchronbomben wie zu seligen Zeiten der Spencer’schen Teamarbeit mit Terence Hill ist hier auch nichts auszumachen, wobei das ja gerade mindestens die Hälfte des Reizes ausmacht, sich mit derlei Filmkunst überhaupt zu befassen. Geprügelt wird sich auch kaum, und wenn, ist selbst das nur mäßig interessant anzuschauen. Insgesamt also sehr lahm und langweilig auf 96 Minuten ausgewalzt. Zeitverschwendung der grob fahrlässigeren Art.
#336
Geschrieben 12. Juni 2006, 12:21
Carter Wang hat kaum was zu tun, legt nur seltener Handkante an und guckt die meiste Zeit grimmig als Handlanger Seiner Majestät aus der Wäsche. Die Majestät Chu Lung ist ein Ching, obwohl ein geheimes Dokument ihn als direkten Nachfolger der Han ausweist. Zudem ist Chu der Bruder von Chan Chia, einem Han-Rebellen, der die Majestät eines Tages mit dieser für ihn bitteren Wahrheit konfrontiert. Der Kaiser stellt die Bedingung, dass Chan ihm den Beweis für seine Behauptungen binnen drei Tage bringen muss, dann will er die Han-Herrschaft reinstallieren. Der dafür nötige Fleppen liegt in Shaolin, wohin sich Chan auch unverzüglich begibt. Über dem Portal des Klosters hängt eine gewaltige Schrifttafel, die uns Chan noch netterweise ziemlich stockend vorliest und damit durchblicken lässt, dass er es mit dem Lesen nicht so hat: „Alles Kung Fu... kommt... von Shaolin.“ Ach so. Na, vielleicht klappt es mit dem Kämpfen besser. Denn dazu hat Chan jetzt jede Menge Gelegenheit, denn jeder, der den Abt des Klosters sprechen will, hat sich gefälligst erst einmal an ein paar Mönch-Rudeln vorbeizukämpfen. Und um die Ecke in den Bäumen an Lianen hängend warten dann schon die nächsten. Und so geht es dann erst einmal eine Weile. Auf dem großen Platz vor dem Haupthaus kommt dann der Abt hinzu, im Schlepptau seine 18 Bronzekämpfer, die lediglich mit dabei sind, damit der deutsche Titel stimmt. Nur wenn Chan gegen die zwölf Techniken der Shaolin, die der Abt in einem wirklich furiosen Superkampf an ihm ausprobiert, ankommt, darf er das Klostergebäude betreten und den begehrten Fleppen holen. Lernen und zählen: Schlangentechnik, Tigerpranke, Storchentechnik, der Leopard, Gibontechnik, Kranich, Bärentatze, Phoenix, Drachenkopf, Geierflug und die schlimmste von allen: die tödliche Adlerklaue! Das sind zwar nur elf, weil die Wildgans-Schwinge fehlt, aber dafür gibt’s gratis noch Unterricht in Nervenschlag, Atemlähmschlag und Venenschlag.
Chan hält sich wacker und darf durch’s Tor, wo noch drei weitere hübsch choreografierte Prüfungen warten, bei denen Chan unter Beweis stellen darf, dass er „alles verstanden und auch den Sinn begriffen“ hat. Am Ende kriegt er das Dokument und bringt es zu seinem Bruder, der es jedoch verbrennt und auch nur noch daran denkt, Chans Freundin, die Prinzessin Hsing-hsing, zu heiraten. Chan gibt sie zähneknirschend frei. Bei der Verlobungsfeier in einer Kiesgrube mit Baggersee, in den Carter Wang in einer irrsinnig ausgespielten Zeitlupensequenz später noch hineinrollen darf, hat der Kaiser jedoch für einen Hinterhalt gesorgt, in den er die Han-Leute lockt.
Chan muss mit seinen 11einhalb Shaolin-Techniken dafür sorgen, dass endlich mal Ruhe im Puff ist. Am Ende gibt’s noch Versöhnliches und Hsing-hsing kommt auch frei. Aus dem Off ertönt heroischer Gesang und einen schöneren Sonnenuntergang hat man in noch keinem Klopper aus Asien gesehen. Ähnliches gilt auch für die Kämpfe, die – wie in allen Bronzekämpfer-Filmen – superfein sind und wirklich akrobatisches, bis auf den Milimeter genaues Können auf höherem Nieveau als gewöhnlich offerieren. Der englische Titel des Werks lautet THE BEST OF SHAOLIN KUNG FU und beschreibt einmal mehr wesentlich besser, was hier Sache ist. So geballt kriegt man Kampfstil-Wirrwarr nicht alle Tage geboten. Das beste daran ist jedoch, dass sich das derart großartig ansehen lässt (der Film ist trotz offensichtlich preiswertester Machart hübsch fotografiert und flott geschnitten), dass es nicht eine Sekunde langweilig wird, obwohl er sich wirklich kaum Mühe gibt zu verbergen, dass mehr als die Strichaufzählung eines Einkaufszettels hier nicht zu holen ist. Dass der Film trotz des Mangels an Story und damit Substanz eine nicht zu verachtende Wirkung entfalten kann, ist auch dem fantastischen Soundtrack zu verdanken, der das Geschehen zu jeder Zeit wunderbar untermalt und ausnahmsweise mal nicht aus geklauten Stücken besteht. Zwar braucht der Film anfangs ein wenig, bis er in die Pötte kommt, aber das darf man großzügig auch Mittel zum Zweck dafür begreifen, dass sich die Vorfreude auf das, was dann kommt, dadurch natürlich enorm steigert. Es fällt wirklich nicht leicht, über DAS ERBE DER 18 BRONZE-KÄMPFER, der gleichzeitig das Schlussstück der dreiteiligen Serie bei uns bildete, etwas Schlechtes zu schreiben, obwohl das Werk mehr als genug Angriffsfläche dafür bietet. Aber Lieblingsfilme, zumal solche, die über die Jahre nichts an ihrer Faszination eingebüßt haben, genießen ja nicht umsonst besonderen Schutz.
#337
Geschrieben 12. Juni 2006, 19:06
(Philippinen/USA 1969 – Gerry De Leon, Eddie Romero)
Sheila hat ihren Vater nicht mehr gesehen seit sie 12 Jahre alt war. Deshalb reist sie zusammen mit dem Amtsinspektor Dr. Bill Foster auf die Insel, auf der ihr Vater einsam vor sich hinlebt. Bei der Überfahrt treffen sie auf Carlos, der ebenfalls schon länger nicht mehr auf dem Eiland weilte und seiner Mutter einen Besuch abzustatten gedenkt. Noch nicht einmal richtig angekommen, häufen sich auch schon die seltsamen Ereignisse. Sheilas Vater ist dem Alkohol verfallen und überhaupt schlecht beeinander, bei Carlos Mutter im Haus hat der etwas undurchsichtige Dr. Lorca sein Labor aufgeschlagen und Carlos ehemalige Sandkasten-Freundin Marla entpuppt sich als ein mittlerweile ziemlich aufgeblühtes junges Ding, das in jedem Satz mindestens zwei sexuelle Anspielungen unterzubringen versteht. Lorca bezeichnet sie auch nicht umsonst als „whore of love“, ist zudem sowieso recht aufgebracht, weil Marla so dies und das von dem Mediziner weiß, was besser nicht die große Runde macht. Im Busch der Insel tobt sich zudem ein grausames Monster aus, das die Eingeborenen in Angst und Schrecken versetzt und im weiteren Verlauf allerlei Opfer fordert. Ein ziemlich kranker, grünfarbener Mensch taucht erschöpft aus dem Dschungel auf, der sofort von Lorca und Forster behandelt wird. Akute Chlorophyllvergiftung wird ihm von Lorca attestiert, der aber vor der versammelten Schar zu verbergen weiß, dass es sich bei dem Kranken um eines seiner Experimente handelt, das aus seiner „Praxis“ abgehauen ist. Jedenfalls darf der Mann die nächsten Tage kein grünes Gemüse mehr essen, dann wird das schon wieder. Der Zufall will es wenig später, dass Carlos herausfinden muss, dass sein Vater gar nicht gestorben ist. Die Exhumierung bringt es ans grelle Tageslicht einer Nacht Marke Eddie Romero: Das Grab ist leer. Dr. Lorca muss angesichts solcher unleugbaren Fakten mit der zumindest halben Wahrheit heraus, dass Carlos Vater an Leukämie erkrankt war, die er mit einem neuen Mittel zu kurieren versuchte, welches er aus einer Pflanze gewann, die es lediglich auf der Blutinsel gibt. In Wirklichkeit aber ist Dr. Lorca mit Hilfe der Wunderpflanze, die in seinem unterirdischen Labor steht und unentwegt mit ihren Zweigen fröhlich winkt, nur auf der Suche nach ewiger Jugend. Und um dieses Ziel zu erreichen, war und ist ihm jedes Mittel recht. Was dann kommt, ist klar: Das Monster taucht aus dem Dschungel auf, empfiehlt sich als Carlos Vater sowie gleichermaßen als Lorcas völlig aus dem Ruder gelaufenes Experiment und hat furchtbar schlechte Laune, weshalb es sein Mütchen an noch mehr Menschen kühlen muss. Auch Carlos Mutter wird von ihm nicht geschont. Für Bill und Sheila ist mehr als klar: Lorca, sein Geheimlabor und das grüne Glibschmonster müssen schnellsten beseitigt werden, zumal die Eingeborenen auch so langsam anfangen zu rebellieren.
Was ZOMBIES UNTER KANNIBALEN für 1979 ist, ist MAD DOCTOR OF BLOOD ISLAND für 1969. Je genauer man hinschaut, desto mehr (unbeabsichtigte) Gemeinsamkeiten findet man. MAD DOCTOR ist ein enorm sättigender Rausch mit dümmlicher Handlung, Quäkmusik, einem richtig toften Hinkefuß als irren Wissenschaftler, dessen Undurchsichtigkeit durch eine auch nachts getragene dunkle Brille verstärkt wird, haarsträubenden Einfällen mit jeder Menge Pfiff, kirre machenden Bildern und allerlei Gekröse. Arme ab, Bein ab, Kopp ab - auf und um die Opfer herum türmen sich die Schlachtabfälle. Starke Nerven sind da schon mitzubringen, was gleichermaßen auch für das gewöhnungsbedürftige Aufnahmeverfahren gilt, das immer dann Anwendung findet, wenn das Monster auftaucht oder nur in der Nähe weilt. Dann wird im raschen Wechsel hin- und hergezoomt, das Bild pulsiert wie blöd und ab drei Schnäpse und zwei Bier kann man sich das nicht mehr ansehen, ohne das ein Unglück geschieht. Das Monster indes ist eine ziemliche Schau und sieht wirklich gruselig aus. Die sehr hübsche DVD zeigt allein wegen des für einen solchen Gassenhauer überaus ansprechenden Bildes wesentlich detailfreudiger als sämtlichen VHS-Kassetten was hier so alles Sache ist. Doch ist MAD DOCTOR OF BLOOD ISLAND alles andere als nur Monstershow. Von mau im Käfig abhängenden und wild mit den Armen paddelnden Grunz-Eingeborenen, einer gehörigen Portion Sex (mit nackter Haut und Hüpfetitten wird hier ebenfalls nicht gespart) und Dialogen, bei denen man sich im Minutentakt auf die Schenkel haut, ist alles dabei was man braucht, um fantastische 90 Minuten zu erleben. Den ebenfalls sehenswerten Lorca-Erstling BRIDES OF BLOOD schlägt diese Quasi-Fortsetzung jedenfalls noch einmal ein deutliches Stück, und auch die Fortsetzung von MAD DOCTOR OF BLOOD ISLAND, BEAST OF BLOOD, die Lorca und Foster abermals gegeneinander antreten lässt, kommt nicht an das Filetstück der Trilogie heran.
Sensationell ist auch der Kinotrailer des Films, der mit einem Sprecher aufwartet, der sich anhört wie ein grimmig höhnender Nazi-Scherge. Bei der US-Kinoauwertung wurden die Besucher am Eingang mit Reagenzgläsern versorgt, die mit grüngefärbten Wasser gefüllt waren. Das sollte zu Beginn des Films bei einer Art Glaubensbekenntnis, welches gefälligst mitzusprechen war, runtergekippt werden. Mit dem grünen Wasser im Bauch war man dann vor der Chlorophyll-Krankheit geschützt, konnte den Anblick des Monsters ertragen und sich auch nicht selbst in einen grünen Batzen verwandeln.
I, a living, breathing creature of the cosmic entity,
am now ready to enter the realm of those chosen to be allowed
to drink of the Mystic Emerald fluids herein offered.
I join the Order of Green Blood with an open mind and through
this liquid’s powers am now prepared to safely view the unnatural
green-blooded ones without fear of contamination.
#338
Geschrieben 12. Juni 2006, 23:50
Nach den Geschehnissen aus Teil eins sitzt Mike in der Psychatrie von Morningside, wo er zu einem muskulösen Schöni herangewachsen ist, wie er im Horrorfilm seit den 80ern schwer en vogue war und ist. Nach seiner Entlassung buddelt er gleich ein paar vom Großen Mann leergeräuberte Gräber aus und findet somit all das, was man ihn mühevoll hat in der Klapse ausreden wollen, voll bestätigt.
Als nächstes kann er gerade noch verhindern, dass Reggie zusammen mit seinem Haus und Frau und Kindern in die Luft fliegt, dann jagt er schon hinter dem Großen Mann her, der seine Leichenfabrikation mittlerweile wie McDonald’s betreibt - mit großem Mitarbeiterstab und von Ort zu Ort ziehend, wo es was für ihn zu holen gibt. Mike hat zudem mittlerweile auch seine telepathische Seite entdeckt und tauscht sich rege mit einem hübschen unbekannten Ding aus, das in der Ferne in einem Ort hockt, der gerade vom Großen Mann geplündert wird. Ehrensache, dass Mike und Reggie da hinfahren und helfen, nachdem sie sich noch nachts in einem Waffen- und Eisenwarenladen mit allerlei Krims & Krams eingedeckt haben. Und damit keiner der beiden nachher leer ausgeht, hat Coscarelli auch Reggie ein flottes Bienchen ins Drehbuch gehebelt, das am Straßenrand nur darauf wartet mitgenommen zu werden. Gerechtigkeit muss schließlich sein, auch im Horrorfilm. Ungerecht ist allerdings, zu welchem Spottpreis Coscarelli das Konzept von DAS BÖSE zugunsten von billigen Effekthaschereien, die vornehmlich auf die Belange eines noch minderjährigen Publikums zugeschnitten sind, verscherbelt. Vom Tafelsilber des Originals ist jedenfalls kaum mehr etwas auszumachen. Und die spärlichen Ansätze, die noch da sind, werden schnellstmöglich unter dem Effektmatschbombast der ebenfalls für die späten 80er typischen Plastikgrusler untergepflügt, welcher von einem gewissen Mark Shostrom angerichtet wurde, der zur Entstehungszeit von DAS BÖSE II - der geneigte Fangoria-Konsument wird sich sicherlich noch erinnern - mal ebenso schwer in Mode war wie weiße Socken und helle Turnschuhe zu Stone-Washed-Jeans, welche in diesem Werk gern getragen werden und als schwerere Sünde zu werten sind als die dagegen fast neutral wirkenden Klamotten des Spät-70er-Originals.
Von echtem Horror zeigt sich der Film nahezu frei, Schocks stehen im Vordergrund und nebenbei haben jetzt auch ein paar Flapsigkeiten, Balleraction und ein fürchterlicher Kettensägen-Zweikampf Einzug gehalten, was wohl bei Laune halten soll. Wie ein Wein lässt sich DAS BÖSE II mit derlei Tinneff bei ziemlich großer Treffsicherheit auch noch in Hundert Jahren genau auf sein Entstehungsjahr festnageln, ohne das man erst wo nachschlagen muss. Hat ja igendwie auch was. Als reiner Unterhaltungsfilm der seinerzeit wirklich kaum mehr zu ertragenden Freddy-Welle geht DAS BÖSE II gerade noch so mit durch, hat aber über die Jahre deutlich abgebaut. Ein trockener Franchise-Halber-Hahn ohne Beilage und Getränk.
#339
Geschrieben 13. Juni 2006, 14:59
(Frankreich/Spanien 1981 – José Jara)
Überall in Europa, vor allem aber in Frankreich, werden junge knackige Dinger erst mit Drogen vollgestopft und dann kurzerhand an einen Superpuff an der Elfenbeinküste verschachert. So geht es auch zwei Weibsen, die so blöde sind, dass man sich durchaus auch mit den Gedanken anfreunden könnte, dass sie es eh nicht besser verdient haben. Schon bei der Verschiffung auf einem schmierigen Kahn geht’s ihnen schlecht. Sind sie vorher ohnehin schon mehrfach durch die Betten geschleift worden, müssen sie hier die ganze ungeheuer suddelige Besatzung rüberrutschen lassen und dabei jede noch so ausgefallene sexuelle Abartigkeit erfüllen. Im Puff geht’s ihnen dann auch nicht besser, denn da regiert eine gestrenge Frau Aufseherin, die beim kleinsten Vergehen mit der Reitgerte drischt. Die Kundschaft des Nobeletablissements reicht von Industriemagnaten bis hin zu den höchsten politischen Würdenträgern, weshalb dem Treiben polizeilich auch nur schwer beizukommen ist. Ein aus einem anderen Film an die entsprechenden Stellen geklebter Jack Taylor und sein Kollege, der im Profil ein wenig wie Udo Kier aussieht, probieren es trotzdem, müssen sich allerdings regelrecht durchprügeln, was von der Qualität der Action sehr scheiße aussieht. Bis es mit der Befreiung endlich klappt, dauert es also noch ein wenig. Zeit, die die gefangenen Mädchen damit vertrödeln, dass sie dem Zuschauer berichten, wie sie überhaupt in ihre missliche Lage geraten sind, womit der Film immerhin ein wenig in Richtung eines Report-Heulers abdriftet. Dabei erfährt man auch kulturell Interessantes, wie beispielsweise, dass Alicante eine Stadt im marokanischen Stil ist, wozu Bilder von Hochhäusern und Bettenburgen gezeigt werden. Ach so. Die deutsche Synchronisation gibt sich redlich Mühe, dass beste aus diesem Eurocine-Film zu machen, weshalb sie ausschließlich auf den Bereich weit unterhalb der Gürtellinie zielt und von vorn bis hinten mit Menschenverachtungen aller Art angereichert ist. Wenn ich richtig hingehört habe, wird nicht einmal das Wort Frau fallen gelassen, sondern nur von Drecksstücken, Schlampen, dreckigen Säuen und Hühnern gesprochen – jedenfalls für die Europäerinnen. Afrikanerinnen indes werden ausschließlich unter dem Sammelbegriff „Schokoladenbabys“ geführt. Ganz häufig wird auch das Wort Material fallen gelassen, denn nichts anderes sind die Frauen hier, die ihre Existenzberechtigung deshalb haben, weil sie ihre „Muschi sehen lassen“ können und „fröhliche Bumsstunden“ verbringen. Lina Romay ist auch Material und deshalb wert, dass sie einmal ganz kurz durchs Bild stolpern darf, wobei das Gezeigte ebenfalls aus einem anderen Film stammt, davon die spürbaren Qualitätsunterschiede der einzelnen Szenen zeugen. Überhaupt: Einige Szenenfolgen aus diesem Film lassen sich auch noch in DAS SCHIFF DER GEFANGENEN FRAUEN wiederfinden, wobei mir jetzt gerade nicht mehr einfallen will, ob das SCHIFF nicht sogar vor der OASE ins Kino kam. Glaube schon. Und generell ist der Überblick schon lange verloren gegangen, zu wievielen „frischen“ Filmen man bei der Eurocine den Schnappschuss-Berg immer wieder neu zusammengepappt hat.
Wegen der ziemlich harten Synchronfassung ist die deutsche Version durchaus einen Blick wert, obwohl der Film auch den einen oder anderen Hingucker hat. Am besten gefallen hat mir, dass man zwischen den Vergewaltignugs- und sonstigen Nötigungsszenen Naturaufnahmen von Affen gefügt hat, die sich am Arsch rumkratzen. Zum Schluss und nach noch mehr Sex, Gewalt und Affen spielt dann noch ein wenig der Goblin-Soundtrack zu LA VIA DELLA DROGA und rundet das tollkühne Gesamtkonzept formschön ab.
#340
Geschrieben 13. Juni 2006, 14:59
Für Carlo Antonelli ist das Maß voll, als er als Geisel bei einem Postüberfall genommen, übel zusammengeschlagen wird und von der Polizei dafür auch noch Mecker und Vorwürfe zu hören bekommt. Überhaupt scheint die Polizei nicht gerade mit Feuereifer an der Aufklärung des Falls interessiert zu sein. Deshalb plant Carlo, sich selbst um die Sache zu kümmern. Zunächst erpresst er einen Kleinkriminellen mit kompromittierenden Bildern, damit der ihm ein hübsches Waffenarsenal besorgt, dann wird aus dieser Beziehung eine ziemlich enge Freundschaft. Da Carlo völlig allein arbeitet, hat er einen Freund auch dringend nötig. Die Lage spitzt sich dramatisch zu, als er endlich die drei Gestalten, die für den Postüberfall verantwortlich waren, vor sich hat und diese ihn auch gleich wiedererkennen. Am Ende kommt niemand ungeschoren aus der Geschichte, die gekonnt Waage hält zwischen knallharter Action und akribischen, jedoch nie unspannenden Ermittlungs- und Aufspürungspassagen, die dem Film zu einem wirklich wunderbaren Ganzen werden lassen. Stück für Stück setzt Castellari dabei ein gnadenloses Puzzle zusammen, aus dem triefende Gewaltspitzen ragen und der Platz für die Entwicklung der Figuren bestens genutzt wird. Nero macht über eine Stunde lang den immer wieder bös’ getretenen Hund. Jeden Schmerz fängt die Kamera ein, notfalls in Zeitlupe, und lässt am Leid gern teilhaben. Dass trotz aller Erniedrigung kein anderer Ausweg bleibt, als dass Nero seinen Marsch durchs Faust- und Bleigewitter bis zum Ende durchführt, ist von Anfang an mehr als klar. Anders als in dem Selbstjustizknüller EIN MANN SIEHT ROT lässt Castellari seine Rachegeschichte dabei jedoch weitaus plausibler ablaufen. Während Bronson einfach auf irgendwen eindrischt, ist Nero nur daran interessiert, seine Peiniger zu stellen. Der Rest interessiert ihn nicht, obwohl sich mehrfach Gelegenheit dazu bietet, in dem Italien, das, wie es hier geschildert wird, in Verbrechen und Übeltaten jederzeit unterzugehen droht, hemmungslos zuzuschlagen. Bronson muss kotzen, als er den ersten Übeltätet mit einem alten Socken voller Münzen zusammendrischt. Bei Nero völlig unddenkbar, verjackt er sein erstes Opfer doch mit sichtlicher Befriedigung und einer großen Schaufel und hört erst wieder damit auf, als sich Giancarlo Prete beherzt einmischt. Prete spielt den Kleinkriminellen in diesem Stück und wird eigentlich als eher tragische Figur geschildert. Er hat Haare, die aussehen wie ein übergestülpter Helm. Die gleiche Frisur trägt er auch in dem fast 10 Jahre später ebenfalls von Castellari veranstalteten METROPOLIS 2000 – Prete muss also wirklich einen ganz schön beschissenen Friseur haben. Großartig anzuschauen ist auch Barbara Bach in diesem Film. Keine Ahnung, ob die da schon mit Ringo Starr verheiratet war oder nicht. Wahrscheinlich schon, weil spätestens nach FLUSS DER MÖRDERKROKODILE hätte er sich mit der Frau wohl nirgends mehr blicken lassen können.
Nach der deutschen Hackstück-Fassung mit gerade mal knappen 72 Minuten Spielzeit ist die ungekürzte und rund 30 Minuten längere Fassung des Rächerstücks eine absolute Offenbarung. Die auch sonst tolle Scheiblette mit diesem wunderbaren Film möchte ich nicht mehr missen. Die hat der dicke Bill wirklich toll hingkriegt, das muss man ihm schon lassen.
#341
Geschrieben 15. Juni 2006, 16:00
(Italien/Spanien 1969 – Duccio Tessari)
Monty hat jede Menge Spielschulden und mindestens ebenso viele Gläubiger am Hals, weshalb es ihm in einer fast aussichtslosen Situation gerade recht kommt, als eine Erbschaft von nicht weniger als 300.000 Dollar winkt. Einzige Bedingung ist, dass er mit seinem Bruder Ted, mit dem Monty nicht sonderlich viel verbindet, drei Monate lang zusammenlebt. Ted wohnt in einer Bude irgendwo im Hinterland, wo sich Fuchs und Hase noch eine gute Nacht wünschen und jede Menge Tunichtguts herumlaufen, die mit dem Revolver schnell bei der Sache sind. Ted lockt die von Monty schmackhaft gemachte Aussicht auf das viele Geld keine Spur, doch muss er fortan seinen Bruder, der von einer Patsche in die nächste stolpert, bei allerlei illegalen Unternehmungen zur Beschaffung liquider Mittel behilflich sein, damit sie die drei Monate überhaupt überstehen können. Zu guter Letzt entführen sie eine Bankierstochter, die von der ansehnlichen Sydney Rome zwar irgendwie auch gespielt, aber vorrangig derb geblödelt wird. Überhaupt ist der Film durchaus komisch gemeint und richtiges Haudraufkino alter Schule, das von Tessari, der ja vom Western durchaus gehörig was versteht, in schnellen und auch immer wieder sehr hübschen Bildern verpackt wurde. Giuliano Gemma macht viele Faxen und Nino Benvenutti sieht im Profil manchmal Paul Naschy überaus ähnlich. Normalerweise verschwendet man an derlei Westernklamauk nicht unnötig Zeit, gibt es doch wirklich lohnendere Kost. Spaßwestern sind ja sowieso eine überaus riskante Sache. FRISS ODER STIRB bildet gewissermaßen eine Ausnahme. Weniger wegen der durchaus vorhandenen optischen Qualitäten denn auf Grund der Tatsache, dass der Streifen seinen letzten Schliff im Sprachlabor von Studio Brandt bekommen hat. Gemma leitet seine erste Auseinandersetzung nach zweieinhalb Minuten Spielzeit mit einem Reagenzglas Fusel und den Worten „So, dann wird der Vater zunächst mal einen Schluck hinter das verträumte Chemisette laufen lassen, Marke Haudichblau und Schlagdichgrün“ ein, gibt dann ganz gut Gas und öffnet so Tür und Tor für Dusseleien, Dynamit und fromme Sprüche am laufenden Band. Der Gemma ist schon ein ganz drolliger in diesem Stück, in dem mit „Bordkanonen“ auf „Sülznasen“ geschossen wird und Männer auch im Hochsommer dicke Schals tragen. „Was ist das für’n Molli, den du dir um den Hals geschnürt hast? Katholisch Mufflon?“ Über die Bausparkasse wird ebenfalls wieder kräftig gewitzelt, wie man es ja auch aus anderen Brandt-Synchronfeuerwerken kennt (z. B. DIE NEUNSCHWÄNZIGE KATZE) und auch der Lesezirkel wird bedient. Der Film versteht sich zudem auch als Studie darüber, wieviel Satz man in minimalsten Lippenbewegung unterbringen kann. Und wahrlich, da geht jede Menge!
#342
Geschrieben 15. Juni 2006, 16:00
(USA/Deutschland 2001 – Victor Salva)
Zwei Teenager auf den Weg durch die Pampa zu ihren Eltern. Semesterferien und so. Auf der einsamen Straße werden sie irgendwann von einem Kleinlaster bedroht, was schon mal aussieht wie ein besonders schlecht geratenes DUELL-Zitat. Die alte Schüssel überholt dann und ist weg, nur um von den beiden wenig später am Straßenrand bei einem baufälligen Gebäude erneut erblickt zu werden. Der nicht zu erkennende Fahrer schmeißt dort blutige Säcke in einen Schacht, die Teenager grausen sich, fahren vorbei und kehren kurze Zeit später noch einmal zu dem Ort des Geschehens zurück, weil der Sache ja auf den Grund gegangen werden muss. Einen Keller voller Leichen und zahlreiche weitere Morde später stellt sich dann heraus, dass der Fahrer des Kleinlasters ein überirdischer Dämon ist, der alle 23 Jahre auf die Erde zurückkehren darf, um sich mit Menschen vollzufressen. Dabei zeigt er sich durchaus wählerisch in der Wahl seiner Opfer, denn gut riechen müssen diese auch noch. Schweiß, dreckige Unterhosen, alte Socken und vor allem der Geruch von Angst ziehen die Horrorfratze magisch an, der dank Computertechnik auch ein paar ausklappbare Flügel spendiert wurden. Ansonsten kommt einen der ganze Film zu großen Stücken bekannt vor, weil alles – wie ja leider so häufig - irgendwie schon mal da war und das dann zumeist sogar besser aussah und/oder mehr überzeugte. Einzig der nur spärlich beleuchtete Leichenkeller sorgt bei JEEPERS CREEPERS kurzzeitig für ein bißchen Atmosphäre, ansonsten herrschen plumper Schock, Effekthascherei und ein schneller Filmschnitt zu sich fortlaufend selbst überschlagender Filmmusik der schlechterern Art. Der Dämon entpuppt sich, und da geht’s dann völlig den Bach runter, als eine jener Fratzen wie man sie aus zahllosen Horrorbilligheimern der späten 80er und frühen 90er kennt, die von Abgesandten der Unterwelt und ihren latexbespannten Gesichtern erzählen. Das Ende des Films ist wahnsinnig offen und schreit schrill und mit dem Fuße stampfend nach Fortsetzung, die, wenn ich mich recht entsinne, binnen Jahresfrist erledigt wurde. Danke, kein weiterer Bedarf.
#343
Geschrieben 15. Juni 2006, 19:58
Rudy, ein gemeingefährlicher Schmiergangster aus Marseilles, hat eine Gruppe von Totschlägern (und unter diesen gar eine besonders hundsfötterische Totschlägerin) um sich gesammelt, die für ihn aus harmlosen Geschäftsleuten, Restaurantbesitzern und Kioskbetreibern nicht gerade unerkleckliche Sümmchen pressen. Andernfalls gibt’s Saures. („Sie musste zwei Flaschen Parfüm austrinken, weißt du, und zum Nachtisch gab’s Bananen-Schönheitscreme als Zäpfchen!“). Kommissar Palmeri und sein Partner Calimero sind ihnen bereits auf den Fersen, doch für eine Verhaftung brauchen sie unterschriebene Zeugenaussagen. Und die gibt es nicht, weil die Erpressten eine Mordsangst haben. Palmeri geht mit aller Härte vor und lässt auch mal die Fäuste ausrutschen. („Mann, bei dem festen Griff könnt’ ich glatt schwul werden.“) Nachdem man dem Betreiber eines kleinen Restaurants ganz besonders übel mitgespielt und seine minderjährige Tochter brutal vergewaltigt hat, die sich daraufhin wegen der schändlichen Befleckung auch prompt in den Selbstmord verabschiedet, dreht dieser durch und erschießt zwei Männer. Das bringt ihn ins Kittchen. Auch Palmeris Informant, der sabbelige Onkel Pepe, wird vom Racket verladen und wandert hinter Gittern. Und Palmeri selbst gerät ebenfalls in die Klemme, da seine rüpeligen Methoden bei den Vorgesetzten nicht sonderlich großen Anklang finden. Getrieben vom Hass quittiert er den Dienst und sorgt dafür, dass Pepe, der inszwischen im Knast vollends dem Wahnsinn verfallene Restaurantbesitzer und weitere Kriminelle, die ebenfalls noch eine Rechnung mit der Bande offen haben, aus dem Gefängnis entkommen können. Bewaffnet bis an die Zähne warten Palmeri und seine Getreuen in einer verlassenen Lagerhalle auf die große Zusammenkunft der mächtigen Unterwelt-Bosse und ihrer Erfüllungsgehilfen, die die Stadt unter sich aufzuteilen gedenken.
Die bunte Truppe, die Castellari am Ende Fabio Testi zusammentrommeln lässt, erinnert in ihrer Zusammensetzung nicht schlecht an den wilden Haufen, den er bereits in TÖTE ALLE UND KEHR ALLEIN ZURÜCK von Chuck Connors befehligen ließ. Renzo Palmer mimt den irre gewordenen Restaurantbesitzer, der wie immer absolut großartige Romano Puppo in der Rolle des „König des Maschinengewehrs“ Doringo ist eiskalt-berechnend, Orso Maria Guerrini gibt den zurückhaltenden Olympia-Sportschützen Rossetti, der der Polizei beim Kampf gegen die Bande zur Seite sprang und dessen Frau dafür bitter bezahlen musste („Du Hure, dich mach’ ich kaputt!“). Glauco Onorato schließlich ist der schillernde Spielhöllenbesitzer und Drogenhändler Mazzarelli, am Ende allerdings teilweise gelähmt und in einem Metallkorsett steckend (das gleichzeitig als Panzerweste dient) mit von der Partie, wobei er sich trotz seines Handicaps den Humor bewahrt hat. Der Titel von Castellaris Western ließe sich im Grunde auch bei RACKET anbringen, denn am Ende gibt’s jede Menge Kleinholz und Tote. Für Zimperlichkeiten ist in diesem Film kein Platz, grobe Gewalt und jede Menge Action ist Trumpf. Im großen Finale drückt der Film nochmals ordentlich auf die Tube und lässt es fürchterlich krachen. Langweile ist hier ein Fremdwort, obwohl sich RACKET auf fast zwei Stunden auswalzt. Geschickt wird die Handlung immer wieder von Überfällen und interessant-unterhaltsamen Episoden (Olympia-Schütze Rossetti und seine Frau lesen sich beispielsweise völlig blödsinnig klingende Zeitungsmeldungen vom Überfall vor, in denen sie reichlich zitiert werden) durchbrochen, Ermittlungsarbeit und laut gedachte Kombiniererei ist auf ein Minimum beschränkt, alles ergibt sich wie von selbst und mit ein wenig Druck und Grobianerei und läuft stets darauf hinaus, das alle Augenblicke irgendwer schwer was aufs Maul (oder noch Schlimmeres) bekommt. RACKET ziert zudem nicht nur ein ungemein beeindruckender Soundtrack der Gebrüder Zwiebel, sondern auch eine erstklassige deutsche Synchronisation, qualitativ ungemein hochwertig und mit Schroffheiten nur so gespickt. Neben den besseren Merli-Filmen sicherlich einer der besten Vertreter des italienischen 70er-Actionkinos der Stilrichtung Schonungslos.
#344
Geschrieben 16. Juni 2006, 17:43
(Taiwan 2000 – Wisit Sasanatieng)
Schon seit Kindertagen kennen sich der äußerst zurückhaltende Dum und die hübsche Rumpoey. Doch während Rumpoey ihren Weg in der großen Stadt macht und in höchsten Kreisen verkehrt, tritt Dum, Sohn eines Landbauern, auch in späteren Jahren ziemlich auf der Stelle. Viel steckt er ein, verliert wegen einer Schlägerei um Rumpoeys untadeligen Ruf sogar seinen Platz an der Universität (davon Rumpoey allerdings zunächst nichts weiß) und als auch noch sein Vater hinterrücks aus politischen Motiven ermordet wird, findet er sich ziemlich schnell in einer Bande von gnadenlosen Banditen wieder, wo er zum gefürchteten Revolverhelden aufsteigt. Rumpoey völlig aus den Augen verloren, lernt Dum bei einer Polizeioffensive gegen die Banditen ihren Verlobten kennen, den jungen Offizier Kumjorn. Diesem verhilft Dum zur Flucht aus der Gefangenschaft der Banditen und zieht sich damit nicht nur den tödlichen Hass des Bandenchefs Fai auf sich. Fai will auch die Heirat von Rumpoey, die den Offizier im Grunde gar nicht ausstehen kann, und Kumjorn dazu nutzen, zu einem großen Gegenschlag auszuholen. Trotz aller Massaker, bei denen der Film immer wieder in hohem Bogen Computerblut und –gedärm durch die Luft segeln lässt, ist TEARS OF THE BLACK TIGER ein fast schon zurückhaltender, bescheidener Film geworden, der sich für seine Charakterzeichnungen und die Geschichte jede Menge Zeit und lange Szenen gönnt. Die Ruhe der Bilder braucht man jedoch allein schon dazu, um sie genauer betrachten zu können, ist TEARS OF THE BLACK TIGER doch ein ziemlich außergewöhnlicher überstilisierter Farben- und Lichtrausch, der sich auch zeitlich nicht klar einordnen lässt. Westernmotive, Dekadentes aus den 20ern, Kitschigkeiten aus den 50ern und Balleraction der 80er und 90er Jahre stehen nebeneinander, hintereinander und manchmal auch durcheinander, was in dieser lockeren Dreistigkeit schon für allerlei Staunen sorgt, zumal der Film das Kunststück vollführt, sich damit nicht selbst zum Affen zu machen. Wiederholte Sitzungen mit dem Stück sind unvermeidbar, da so viele optische Reize auszumachen sind, dass es unmöglich ist, alles beim ersten Durchgang auch nur ansatzweise aufzunehmen und zuordnen zu können.
Das stille Erdulden ungerechter Bestrafung sowie sämtlicher Facetten von Schmerz und Qual spielen – wie so oft in asiatischen Filmen – große Bedeutung und sind auch für die Geschichte von TEARS OF THE BLACK TIGER von außerordentlicher Wichtigkeit; mindestens ebenso wie die Standesgrenzen, die immer wieder eine undurchdringliche Barriere für die Liebenden bilden. Zu Szenen, die davon handeln wird passenderweise eine ziemliche verschrobenes (aber überaus hörenswertes) Arrangement aus der Oper „Martha“ gereicht. Für die beiden Landknechte in der Oper geht die Sache am Schluss gut aus, für die Rivalen in TEARS OF THE BLACK TIGER indes weniger. Gerade weil der Film nicht so gut ausgeht, wie es die manchmal überbordende Kitschigkeit der Bilder und die unerhörte Schmalzigkeit der (wunderschönen) Gesangsnummern zunächst vorgaukelt, ist er umso ergreifender.
#345
Geschrieben 18. Juni 2006, 20:19
(USA 1963 – Roger Corman)
Zauberer Craven malt sich gerade ein schönes Bild von einem Raben zum Zeitvertreib in die Luft, da pocht auch schon ein echter am Fenster. Der entpuppt sich als von Meister Scarabus verzauberter Magier Bedlo, und der setzt alle Hebel in Bewegung, Craven, dessen Macht nicht gerade gering ist, dazu zu überreden, mit ihm zu Scarabus’ Schloss zurückzukehren. Craven zeigt sich zunächst wenig interessiert, umso mehr allerdings, als Bedlo in dem Bild von Cravens verstorbener Frau die Dame wiedererkennt, die Scarabus noch vor kurzer Weile zur Seite stand. Scarabus zeigt sich bei der Begegnung auf seinem Schloss zunächst überaus freundlich, dann offenbart er allerdings sein wahres Gesicht – und das ist kein schönes. Da Craven sowieso an der Reihe wäre, die Spitze der Bruderschaft der Zauberer anzuführen und Scarabus sich die Herrschaft aus niederem Grund an den Nagel gerissen hat, beseitigt ein großes Zauberduell am Schluss alle Unklarheiten. Und das sieht für 1963 wirklich sensationell gut aus. Fantastische Lichtgewitter und allerlei Hokuspokus sorgen für Kurzweil und Augenschmaus. Der Film ist zwar nicht sonderlich ernst angelegt, lässt einige gruselige Passagen dennoch nicht vermissen. Und die sind durchweg sehr stimmungsvoll und düster angelegt, fügen sich aber durch Witz und Scherzerei bestens ins Gesamtbild. Wie bei Corman so üblich fehlen auch eine leinwandsprengende Farbgestaltung und trotz schmaler Budgetierung großzügig wirkende Sets nicht. Merklich geknausert hat Corman – wie eigentlich immer – lediglich bei der Besetzung, die sich auf wenige Charaktere beschränkt. Dafür gibt es selbst in kleineren Rollen seines Zehn-Personen-Stücks nur erste Wahl. Neben Vincent Price, Boris Karloff, Peter Lorre und Jack Nicholson fehlt auch eine eher bescheiden eingesetzte Hazel Court nicht. Und Olive Sturgess nimmt man natürlich auch gerne mit. DER RABE ist einer der wenigen Poe-Adaptionen, die ich im Kino gesehen und den technicoloren Farbenrausch dummerweise nicht wirklich zu schätzen gewusst habe (obwohl der Streifen dennoch gefiel). Das Wiedersehen mit dem Streifen auf DVD fällt daher jedes Mal besonders schmerzlich aus, weil sich das Gefühl nicht so leicht abstreifen lässt, eine sich nicht alle Tage bietende Chance vertan zu haben. Sei’s drum, DER RABE ist wunderbar!
#346
Geschrieben 18. Juni 2006, 20:19
(Italien 1971 – Damiano Damiani)
Der Architekt Vanzi gerät nach einem Verkehrsunfall in die Mühlen der Justiz und schließlich ins Gefängnis. Der Knast entpuppt sich für Vanzi als das grotesk anmutende Abbild einer nach dem Diktat von Gewalt und Macht regierten Welt. Vanzi als Mann mit gewissen Intellekt wirkt in diesem Kosmos deplatziert und verloren, begehrt auf und muss lernen, sich ein- und unterzuordnen. Inwieweit die Gefängniswelt mit dem „freien“ Leben verbunden ist, zeigt Damiani ganz am Ende, als er Vanzi in einer äußerst erschütternden Szene die Tochter eines Zellenkumpans über die Umstände dessen Ablebens belügt. Wie alle Filme Damianis ist auch DAS VERFAHREN IST EINGESTELLT bis in die Spitzen politisch. Gesellschaftlicher Abschaum kumpaniert mit polizeilicher und politischer Macht zum Zwecke der gemeinsamen Ausbeutung Schwächerer. Das Gefängnis bildet den Schmelztigel, wo sich derlei nicht mehr bis zur Unmerklichkeit verlaufen kann und offen zu Tage tritt. DAS VERFAHREN IST EINGESTELLT ist von Anfang bis Ende ebenso bedrückend wie packend. Im positivsten Sinne schafft Damiani es von der ersten Minute an, dem Zuschauer ob der sich offenbarenden Zustände Unwohlsein einzugeben, was bis zum Ende (und auch darüber hinaus) nicht so leicht abgeschüttelt werden kann. Franco Nero stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass er nicht nur als blauäugiger Strahlemann und DJANGO taugt. Ganz hervorragend auch John Steiner als ein mehrfach lebenslänglich einsitzender Killer, der hier die mit weitem Abstand wohl boshafteste Rolle seiner Karriere spielt. Ennio Morricones Musik ist großartig und ungeheuer schubiduh, weshalb sie aus dem Film komplett verbannt ist und nur gegen Ende aufspielt, wobei die fröhliche Melodie in gleichem Maße Tarnmäntelchen für eine nur dem äußeren Anschein nach geordnete Welt ist wie sich hinter Vanzis Grinsen im Kreise seiner Lieben und Freunde Grauenvolles verbirgt.
#347
Geschrieben 19. Juni 2006, 15:17
(USA 1992 – Pat Alan)
Teng hat in Hongkong bei einem Shootfight-Turnier seinen vorletzten Gegner mit bloßer Hand den Hals von innen nach außen gestülpt, was Tengs vorzeitigen Rausschmiss bedeutete. Gegen seinen größten Konkurrenten Shingo kann er deshalb nicht mehr antreten. Er flüchtet nach Mexiko, wo er eigene Shootfight-Turniere aus dem Boden stampft, in denen nicht nur zum Schluss mit klassischen China-Waffen gekämpft wird, sondern auch nur der als Sieger aus der letzten Runde hervorgehen kann, der seinen Gegner gnadenlos zu Blutmatsch verarbeitet hat. Shingo fungiert derweil in Kalifornien in der Muckibude von Fönwelle Ruben als Kloppe-Meister und lehrt den ehrbaren Weg der Selbstverteidigung. Eines Tages weilt nicht nur Rubens alter Klopp-Kumpel Nick wieder in der Stadt, sondern die beiden kriegen auch von Tengs Leuten ein Angebot zur Teilnahme an den Shootfights unterbreitet, was sie gerne annehmen, da Rubens Muckibude nur Schuldenberge produziert. Während jedoch Nick nach ein paar gewonnenen Kämpfen schnell die Faxen dick von den brutalen Arenengemetzel hat, leckt Ruben Feuer und will unbedingt den Siegertitel und das damit verbundene Sümmchen von 250.000 Dollar nach Hause bringen. Für Teng ist Ruben allerdings nur Mittel zum Zweck, seinen Erzfeind Shingo nach Mexiko zu locken.
SHOOTFIGHTER schwimmt ganz klar auf der Welle von BLOODSPORT & Co. Entgegen vieler anderer Knüppeleien gleicher Machart bringt SHOOTFIGHTER aber zwei entscheidende Vorteile mit sich: 1. Die Kämpfe sehen wirklich sehr gut aus, 2. Der Film ist ziemlich heftig. Wenn schon die Story nichts taugt (und die ist wirklich 100% Schablone und voll für’n Arsch) und die Typen noch so scheiße aussehen, lässt man es im Ring und auch außerhalb anständig krachen. Die beste Szene bringt einen afrikanischen Bud Spencer mit, der seinem Gegenüber, einem dauergrinsenden Hampelmann mit Würgeschlange auf den Schultern, bei lebendigem Leibe das Herz rausreißt. So etwas sieht man ja sonst eher nur in FREITAG DER 13. Sämtliche Kämpfer präsentieren sich als muskelbepackte Knalltüten, die in erster Instanz sich selber spielen und deshalb auch ihre liebe Müh dami haben, die um sie wabernde Aura der Grenzdebilität abzuschütteln. Bemerkenswert einfältig auch, dass Nick und Ruben an jeder Ecke Uschi & Ehre verteidigen müssen – und immer fangen die anderen mit der schiefen Anmache von der Seite an. Fast wie im richtigen Leben also. Na, so lange die Fights passen und zudem noch ein wenig Gesaue gezeigt wird, ja, meine Güte!, warum denn nicht? Für einen schwülwarmen Nachmittag ist das Werk jedenfalls wie geschaffen, will da eh nichts Anspruchsvolleres in den Kopf hinein. Zu allen anderen Zeiten und Gelegenheiten ist der Film jedoch schlicht eine Zumutung.
#348
Geschrieben 19. Juni 2006, 15:17
Der gute König ist tot, England steht unter dem nicht gerade guten Einfluss von König James, für den Strenge eine Tugend ist. Als oberster Richter im Staat fungiert Lord Jeffreys, den es nicht nur im Gedärm zwickt und zwackt, sondern auch ein wenig im Kopfe, da er es mit den Frauen und Fräuleins ziemlich hat – zumindest, wenn er als Vorsitzender Hexenprozesse führt. In einem solchen verurteilt er auch die junge Alicia nach allerlei Gequäle zum Gang auf den Scheiterhaufen, was ihre Schwester Mary nicht gerne sieht. Mary bandelt mit Harry, dem Sohn von Lord Wessex an, der es, obwohl er es aus naheliegenden Gründen nicht zugibt, mit König James nicht so hat. Harry paktiert gar direkt mit den Getreuen Englands im Exil, die von Holland aus König James zu stürzen gedenken. Der erste Diener von Lord Wessex indes zeigt sich eher Lord Jeffreys zugetan, dem er, weil Jeffreys in seinem Inneren nun einmal eine verkommene Sau ist, nach Möglichkeit Mary zuführen soll. Das gelingt zunächst nicht, doch die Wirren jener Zeit wollen es, dass Mary früher als man denkt in Jeffreys Folterkeller landet, aus dem sie nur über den Umweg von des Richters Schlafstätte entkommen kann. Zwar gibt sich Christopher Lee redlich Mühe, den Oberrichter jener Zeit so zu geben, wie es die geschichtliche Genauigkeit erfordern würde, aber dem gegenüber steht natürlich ein Franco, der klar im Visier hat, vor allem seine Produzenten zufrieden zu stellen. DER HEXENTÖTER VON BLACKMOOR ist trotzdem einer der größten und schönsten Cinemascope-Filme, die Franco überhaupt je gedreht hat – allzu viele waren es ja ohnehin nicht. Schade ist jedoch, dass in dem Film alles zusammengewürfelt wird, was der Markt so fordert. Franco zieht zumindest einmal an allen erdenklichen Strippen, ein geradliniges und in sich stimmiges Werk kann da am Ende natürlich nur schwer vom Band fallen. Vom Historienepos (zu Franco hätte allerdings noch gut gepasst, dass er Jeffreys wie im wirklichen Leben durch ein paar Freudenhäuster hätte hüpfen lassen), Horror in der Folterkammer, nackte Weiber, die sich im Stroh räkeln und – damals ja schwer en vogue – Hexenge“hammer“ reicht die Spanne, wobei Franco den Heinrich Kramer nicht wirklich gut gelesen hat und deshalb in erster Linie das liefert, was man sich gemeinhin unter den „hochnotpeinlichen“ Verhören jener Zeit so vorstellt hat. Kaum eine Geige spielt auch das eigentlich für die Dramatik wichtige Verlangen des „Hexentöters“ nach der strammen Mary. Am Ende kommt es sowieso zur Flucht des Königs und zum Sieg der Rebellen, weshalb Mary und ihr Hexer mehr Mittel zum Zweck dafür sind, Maria Rohm vor Ende noch einmal nackt auf einem Laken zu zeigen, während die Hände vom Chistopher Lee Stand-in aufgeregt eine Rohm’sche Oberflächenbetastung vornehmen. Zu wirklicher Größe läuft Howard Vernon als Henker in diesem Film auf, trägt er das mit weitem Abstand beste Kostüm, das je für eine derartige Rolle genäht wurde. Die Schnalle seines breiten Gürtels reicht bis knapp über die Brustwarzen. Totaler Wahnsinn! Maria Schell schielt, weil sie in dem Film eine blinde alte Hexe spielt, die in die Zukunft blicken kann. Wahrscheinlich hat die Schell dabei auch ein Stück weit ihre eigene gesehen, weshalb man ihr manchmal wächsern-starres Gesicht durchaus verstehen kann. Von Francos Filmen ist DER HEXENTÖTER VON BLACKMOOR sicherlich eine seiner besseren Arbeiten, es bleibt jedoch der schale Nachgeschmack, dass man bei Franco eigentlich etwas anderes zu sehen erwartet als man hier geliefert bekommt. Auch und gerade 1970. Der um fast 20 Minuten gegenüber der deutschen Kinofassung erweiterte Schnitt des Films zeigt aber schon ganz gut, dass der Film durchaus ganz anders gemeint war, als es der deutsche Grusel-Cocktail zu weiten Teilen vermuten lässt. Der ähnelt in seiner Kürze und Würze dafür weitaus eher einem Franco wie man ihn kennt.
#349
Geschrieben 20. Juni 2006, 15:13
(USA 2002 – Mark Romanek)
Robin Williams, den ich in seinen Rollen als Spaßkanone nun gar nicht leiden kann und der mir bereits in den 70ern als Mork vom Ork höchst suspekt erschien, versucht sich ja seit geraumer Zeit im ernstzunehmenden Charakterspiel. In ONE HOUR PHOTO spielt er Sy, den verschrullten Angestellten in einem Supermarkt-Fotoladen, der in die Entwicklung der Schmalfilme seiner Kundschaft sein ganzes Herzblut legt, wenn er nicht gerade seinen Agfa-Printer zu Tode justiert oder sich über eine 0,3%-Abweichung im Cyan-Bereich grün und - im wahrsten Sinne - blau ärgert. Neben seiner schrecklichen Kleidung, einer pedantisch aufgeräumten und sehr karg eingerichteten Wohnung ist vor allem seine Beziehungslegastenie auffällig. Über die Familienfotos der Yorkins findet er so etwas wie das Ideal eines Nestes, das er selbst in seinem Leben vermisst. Nur zu gern würde er an einem solchen scheinbar erfüllten Leben teilhaben. Tagträumerei und die Tatsache, dass er unterschlagenderweise massenhaft Abzüge der Bilder der Familie Yorkin für den Eigenbedarf produziert hat, kosten ihm seinen Job. Als Sy bei einem seiner letzten Tage jedoch von einer Kundin Bilder entwickelt, die diese mit Familienvater Will Yorkin beim Liebesspiel zeigen, dringt er massiv in das Familien- und Beziehungsgefüge ein und versucht sich an einer Korrektur, die er notfalls auch mit Gewalt zustande bringen will.
Der Film klebt förmlich an der Figur von Sy fest, während man über die Familie Yorkin nur wenig bis gar nichts erfährt, was auch zum größten Problem des Streifens wird. Dass Sy einen an der Klatsche hat, weiß selbst der uninformierte Zuschauer nach fünf Minuten. Was ihn jedoch genau und ausgerechnet an diese Familie so sehr bindet und austicken lässt, weiß man selbst nach dem Ende des Films nicht wirklich. Sy wird als graue Maus mit ärmlichen Leben präsentiert. Dummerweise aber zuweilen derart überspitzt, dass man sich schier darüber ausschütten möchte, was sicher nicht der Sinn dieser Unternehmung ist. Ernst soll der Film sein und irgendwie auch auf die Tränendrüse drücken. ONE HOUR PHOTO kommt dabei kaum über oberflächliche Gefühlsduselei hinaus. Das größte Manko des Films ist deshalb auch wohl, dass er zwar Tiefe vorgaukelt, jedoch unsäglich platt ist und nichts bietet, womit man sich noch länger beschäftigen könnte.
Seinerzeit spielte ich mit dem Gedanken, mir den Film gar im Kino anzusehen und bin nach der TV-Ausstrahlung froh, das Geld anderweitig ausgegeben zu haben. Überhaupt TV: Schon lange keinen Spielfilm am Stück mehr im Fernsehen gesehen. Deshalb bin ich maßlos erschüttert darüber, dass jetzt sogar beim ZDF Abspänne komplett abgeschnitten werden und nach dem letzten Bild des Films gleich ein lautstarkes Krimi-Trailerbombardement der Sonderklasse durch die Röhre gekippt wird. Schrecklich! Dann bleiben wohl wirklich nur noch die Dritten, arte und 3Sat als hin und wieder brauchbare Spielfilmkanäle übrig.
#350
Geschrieben 21. Juni 2006, 21:11
(Großbritannien/Holland 1974 – Alexander Whitelaw)
Auf Einladung seines Kollegen Dr. Linden reist der amerikanische Arzt Benjamin Land zu einem Kongress nach Amsterdam. Während über Alterungsprozess und biologischer Uhr räsoniert wird, merkt Land, dass Dr. Linden ziemlich abwesend wirkt. Tags darauf findet er Linden von der Zimmerdecke seines Arbeitszimmers baumelnd vor und stürzt sich augenblicks in die Aufbereitung seiner geheimen Forschungen. Dabei macht er die Entdeckung, dass Linden an einer Art Jungbrunnen gearbeitet hat, einem intravenös zu verabreichenden Mittelchen, das eine sichernde Membran um die Zellen aufbaut. Lindens Labormäuse freuen sich ihres sehr langen Lebens, einige Menschen, an denen er sein Mittel ausprobierte, jedoch weniger. Neun sind bereits tot. Linden ist es scheinbar nicht gelungen, die richtige Dosierung für sein Lebenselexier herauszufinden. Dr. Land versinkt nicht nur deshalb immer tiefer in die Forschungen von Linden und schreckt auch vor illegaler Exhumierung nicht zurück. Zudem zeigt sich an Lindens Forschungsarbeit auch sehr bald der dreiste und rücksichtslose Industrielle Ulrich aus der Schweiz interessiert, zu dem Lindens Liebschaft, ein knackiges Ding namens Anna, ebenfalls Beziehungen unterhält. Land, der mit Anna bei seinen Recherchen anbandelt, vermutet einen Zusammenhang zwischen Ulrich und den Selbstmord seines Kollegen. Ulrich indes lockt Land mit ihm unbekannten Erkenntnissen aus Lindens Forschung, einer Versuchung also, der er immer weniger widerstehen kann, zumal man ihn seitens der Fachschaft in Holland langsam für wahnsinnig hält.
Klaus Kinski spielt den wohlhabenden Industriellen Ulrich natürlich absolut gekonnt, wobei man ihm diesen unentwegt geheimnisvollen und verführerischen Mephisto auch abkauft, ohne dass er – wie in einer trotzdem besonders schönen Szene der Fall – mit einer alten Theatermaske aus den 30ern aus eben Goethes Stück auf dem Kopf der die Anna darstellenden Tina Aumont mit seiner lang daraus hervorlugender Zunge den Körper abschleckt. LIFESPAN ist fast ausschließlich um seine wenigen Charaktere herum gestrickt, Aktion gibt es nur wenig und will man sich den Film einigermaßen erschöpfend erschließen, ist gutes Zuhören unabdingbar. Diese Voraussetzung erfüllend wird LIFESPAN zu einem ziemlich packenden Erlebnis. Legt man außerdem den Goethe mal beiseite, ist LIFESPAN als solches ein unheimliches Medizinerstück von kalter, fast klinischer Atmosphäre, wobei sich hin und wieder auch stilistische Parallelen zu Cronenbergs RABID – DER BRÜLLENDE TOD auftun. Kalt und klinisch auch der Soundtrack von Terry Riley, der zu den ungewöhnlichsten und eindringlichsten Arbeiten gehört, die ich seit langem gehört habe. Ebenso „shocking“ wie ein plötzlich mitten im Film auftauchender deutscher Schlager von – wenn das Ohr sich nicht verhört hat - Freddy Breck ist auch der ziemlich lockere Umgang mit Bondage und eine ungemein freche und trotz aller Schlichtheit ziemlich ekelige Exhumierung inklusive Leichenschnibbelei. LIFESPAN kannte ich bislang nur als x-beliebigen Titel in Kinskis Filmografie. Die Überraschung, dass sich dahinter ein wirklich toller kleiner Streifen dahinter verbirgt, hätte keine größere sein können. Alle Achtung!
#351
Geschrieben 27. Juni 2006, 13:15
((BR) Deutschland 1963 – Edwin Zbonek)
Eine Gruppe von Kapuzenmännern richten in einem alten Kellergewölbe Schwerverbrecher ab, die Scotland Yard, Staatsanwalt und Henker bislang durch die Maschen schlüpfen konnten. Den zudem immer und immer wieder aus dem Kriminalmuseum gestohlenen historischen Strick findet man mitsamt daran baumelndem Delinquenten an hintersinnigen Orten. Die Polizei sieht das natürlich nicht so gern und sieht Ruf, Moral und Ordnung in Gefahr. Inspektor Hillier soll den Fall lösen. Der aber beschäftigt sich viel lieber mit einem irren Mädchenmörder, der gleichzeitig für Schrecken sorgt und bereits zahlreiche junge Dinger kopflos am Straßenrand hinterlassen hat – darunter auch Hilliers Schwester, was zusätzlich für Spannung sorgt. Beide Fälle zeigen sich am Ende lose miteinander verknüpft, was zwar reichlich bescheuert und wie eine riesige Räuberpistole wirkt, dennoch ordentlich für Nägelgeknabber sorgt, da der Film ziemlich flott von einem Fall in den nächsten wechselt. Langweilig ist der Quatsch nämlich so absolut gar nicht. Und der Mädchenmörder entpuppt sich - man glaubt es kaum - am Ende gar als waschechter Mad Scientist! Seine Jungfrauen-Abschleppmasche ist stellvertretend für den ganzen Film: völlig unglaubwürdig, aber ungemein effektiv und effektgeladen. Der blöde Chris Howland, der im allerersten Bryan-Wallazen bereits als Geräuschesammler unterwegs war, ist abermals als Komiker mit dabei. Hier zeigt er Talent als „Mann der 1000 Masken“ – vom Tatter-Opa über den Zigarre schmauchenden Barpianisten bis zur schmierigen Bordsteinschwalbe reicht sein Repertoire. Zwischendurch singt er auch noch. Jedoch nicht nur einmal, denn der Song, ein richtig fürchterliches Schlager-Machwerk, muss sich schließlich im Hirn festfressen, damit der Plattenverkauf auch eine Woche später noch reibungslos funktioniert. Hansjörg Felmy ist in DER HENKER VON LONDON ein ungemein blasser Inspektor, ihn nahezu überstrahlend dagegen die noch recht junge Maria Perschy, die hier wirklich ein tolles Früchtchen gibt. Über Wolfgang Preiss und vor allem auch Dieter Borsche – hier in einer seiner wirklich schönsten Rollen zu sehen! - ist sowieso jeder Zweifel erhaben. Und das mit dem HENKER auch bei den Bryan-Wallazen das Scope-Format Einzug erhalten hat, ist natürlich auch sehr schön und immer eine Erwähnung wert.
#352
Geschrieben 01. Juli 2006, 16:21
(Australien 1981 – Brian Trenchard-Smith)
Als Actionheld taugt Steve Railsback, der zuvor neben Peter O’Toole im egotripigen DER LANGE TOD DES STUNTMAN CAMERON zu sehen war, allein schon wegen seiner Optik eher wenig. Seinen Charles Manson fand ich überaus groß, und man nimmt ihm in INSEL DER VERDAMMTEN auch den politisch verfolgten Paul Anders durchaus ab. Wenn er sich als Konzentrationslager-Fluchtkönig und mit dem MG herumfuchtelnden Rebellenführer präsentiert, kriegt das Bild allerdings einen kleinen Knacks. An seiner Seite tummeln sich auf dem Eiland noch Olivia Hussey als Chris, die in JESSY – DIE TREPPE IN DEN TOD zwar nicht ihre Titten zeigte, aber in dem pfiffigen Thriller weitaus besser aufgehoben schien und die eher unbekannte Lynda Stoner als Rita. Zu dritt werden sie ins Camp 97 – also eine Art Zusammenschluss aus Francos ZELLENBLOCK 9 und Frosts LOVE CAMP 7 - verbracht, das unter der Führung des sadistischen Kommandanten Thatcher steht und wo aus ihnen bessere Menschen für eine nicht näher beschriebene Zukunftsgesellschaft gemacht werden sollen. Thatcher hat jedoch nicht nur eine besonders gemeingefährliche Horde Aufseher unter sich versammelt, die keine Gelegenheit ungenutzt lässt, den Häftlingen besonders schlimm mitzuspielen, sondern paktiert auch mit den politisch höheren Ebenen zum Zwecke eines spaßigen Zeitvertreibs: der Jagd auf Menschen. Paul, seine beiden Trullas und zwei weitere für das Regime unangenehme Subjekte werden auserwählt, bei einer Hatz das Wild zu stellen. Bevor Paul & Co. den Spies allerdings umdrehen, fliegt jede Menge Blut und Gedärm durch die Luft. Zwischendrin tobt sich auch noch ein höchst unterhaltsamer ganzkörperbehaarter Mann vom Planet der Affen als williger Erfüllungsgehilfe der politischen Elite aus, für den das Drehbuch einen ganz besonders schmackofatzen Abgang bereit hält. Auch Thatcher – und mit ihm das verfluchte Regime – zerbersten äußerst ansehnlich im Kugelhagel. Neben Roger Ward, den man ja seit seiner Gutmenschen-Fifi-Rolle in MAD MAX (und auch dem unterschätzten Atom-Science-Fictioner DIE KETTENREAKTION) in bester Erinnerung hat und der hier als Oberaufseher Ritter – welch herber Kontrast! – völlig grundlos ein kleines Mädchen totprügeln darf, fehlt auch ein erstklassiger Bombast-Soundtrack von Brian May nicht.
INSEL DER VERDAMMTEN hat - obwohl leider in sehr unterschiedlicher Gewichtung vorhanden - durchaus Qualitäten als Actionstreifen und Endzeitler, wobei es ähnlich wie bei DIE KLAPPERSCHLANGE von Carpenter ein wenig schade ist, dass die Vorgeschichte der Charaktere aus dem Film fiel. Nur wenig Hintergrund ist vorhanden und wird in erster Linie durch die Rückblenden der Verhaftung der beiden Hauptcharaktere gespeist. Das hätte mit wenig Mühe auch alles weniger platt sein können und dem Streifen neben seinem untadeligen Ruf als Aussie-Splattergranate einen ganz anderen Schliff gegeben. Am Ende doniniert in INSEL ganz der Graf Zaroff, wobei Trenchard-Smiths Film - im Pfad des Klassikers bleibend - die Menschenjagd als Herrenmenschen-Amüsement beschreibt und dies gleichermaßen als eindruchsvolle Kulisse dafür nutzt, ordentlich auf die Pauke zu hauen. Obwohl die Jagd ganz klar das Highlight des Films darstellt, täuscht dies wenig darüber hinweg, dass die Macher sich im Exploitation-Kino der späten 70er gut ausgekannt haben und die Essenzen dessen, was gerade angesagt war, auf ihrer INSEL zusammenkippten. Folter und Nacktweiberduschereien, Lesbelei im zensorfreudigen Ansatz, notgeile Sado-Schergen mit schmierigen Haaren und ungepflegten Bärten, Geballer und Explosionen ohne viel Sinn und Verstand und gar Jagdflieger, die ein großflächiges Feuerbombardement wie bei APOCALYPSE NOW anrichten, geben den Takt vor, nachdem auf der INSEL getanzt wird. Krach und Gekröse geben manchmal in solch aberwitziger und überraschender Weise die Klinke in die Hand, dass einem schier die Spuke wegbleibt und auf guten Gechmack wird sowieso durchwegs gründlich gepfiffen. All das macht den Film zu einem überaus beachtenswerten Juwel, bei dem man gerne darüber hinweg sieht, dass drei Wellblechhütten und ein an Dachlatten befestigter Drahtzaun nicht wirklich dazu geeignet sind, den Eindruck eines ausbruchssicheren Geheimlagers glaubhaft zu vermitteln. Trotz aller Brutalitäten zeigt sich die deutsche Version des Films verhältnismäßig gut beieinander (und auch äußerst ansprechend synchronisiert), jedoch nur die ungeschnittene Version offenbart das Inferno in seiner ganzen niederträchtigen Pracht. Dass der Film äußerst wichtig ist und in jeden guten Haushalt gehört zeigt sich für mich auch daran, dass ich niemanden aus meinem Freundes- oder Bekanntenkreis benennen könnte, wo die INSEL nicht in irgendeiner Form im Schrank zu finden ist.
Bearbeitet von Funxton, 26. Februar 2009, 13:17.
#353
Geschrieben 04. Juli 2006, 14:10
((BR) Deutschland/Frankreich 1965 - Harald Philipp)
In New York treibt ein Racket sein Unwesen. Die sogenannte „100-Dollar-Bande“ lässt sich schwer etwas einfallen, um aus den eh um ihre Existenz kämpfenden Ladenbesitzern Moos zu pressen. Das geht so weit, dass ein Restaurantbesitzer gar vor Gästen und Kind zusammengeschlagen und die Einrichtung zertrümmert wird. Das FBI kann kaum etwas ausrichten, weil die eingeschüchterten Opfer das Maul nicht aufkriegen. Als jedoch bei einer Erpressung ein Mord geschieht und ein kleiner Junge als einziger den Mörder gesehen hat, wird Jerry Cotton auf den Fall angesetzt. Jerry und sein Kollege Phil nehmen sich nur nicht der Erpresserbande an, sondern müssen auch den Jungen schützen, auf den es das Racket selbstverständlich abgesehen hat. Dabei fährt der überaus sauber und in schön dramatischem Schwarzweiß gefertigte Film auch einige tolle Stunts auf und richtig knallige Großstadtaction inklusive einem Handgranatenattentat auf offener Straße. Gegen die späteren Cottons von Reinl wirkt MORDNACHT IN MANHATTAN trotz Kind und Kegel überaus roh und nur selten durchschlagend deutschdümmelig und piefig. Zumeist immer dann, wenn sich der Film sehr aufklärerisch gibt, wozu Archivaufnahmen von FBI-Schreibtischtätern gereicht werden, die sich in den körnigeren Bildern darin gefallen, aus Akten etwas herauszusuchen, Fingerabdrücke zu vergleichen, Telexe zu empfangen oder einfach nur zu telefonieren. Aus dem Off wird zu diesen Bildern ein Sprecher gereicht, der nicht müde wird, das FBI entweder als der Welt tollsten Laden anzupreisen oder zumindest dem uninformierten Zuschauer zu erklären, was überhaupt das FBI ist. Erinngerungen an das Erklärbärkino von Helga und Kolle rutschen angesichts dessen automatisch im Kopf herum. Immerhin: Unterhaltungswert hat das trotzdem nicht gerade wenig. Und weil der Film auch sonst ungemein rasant zur Sache geht, mit einigen für die Cottons sehr typischen Flapsigkeiten - vor allem auch in Richtung des weiblichen Geschlechts - nicht spart und alle Augenblicke ordentlich was passiert, macht man nicht viel falsch. Es ist sowieso immer wieder erstaunlich, warum die manchmal eher drög anmutenden Wallazen nach wie vor viele Fans haben, die überaus gelungenen und zuweilen auch nicht gerade zimperlichen Rappelkisten mit dem Schmalschlips-Agenten jedoch vergleichsweise eher wenig.
#354
Geschrieben 04. Juli 2006, 14:14
(USA 1977 - John Flynn)
Gerade zu Beginn nervt es ja nicht gerade wenig, wie sehr der Film Konvetti auf den stahlharten Vietnamheimkehrer Major Rane wirft, der nach sieben Jahren Kriegsgefangenenlager bei „Charly“ endlich wieder Frau und Kind in die Arme schließen kann. Für ihn hagelt es reichlich Orden, Geschenke und feierliche Ansprachen. Wenig später wird allerdings ziemlich deutlich, was für ein sagenhafter Krüpel aus dem Durchschnittsmann geworden ist. Zu seinem Sohn trennen ihn wegen der langen Abwesenheit Welten, seine Frau hat einen anderen, was ihn oberflächlich kaum berührt, die Zähne kriegt er kaum mehr auseinander und Schmerzen empfindet er sowieso schon längst nicht mehr. Deshalb macht es Major Rane auch nichts aus, als ein paar schmierige Gangster ihm seine Hand in den Müllzerkleinerer stopfen und ohne viel Tammtamm zerhäckseln als er partout nicht damit rausrücken will, wo er die Kiste mit Silberdollar versteckt hat, die ihm nach seiner Rückkehr eine Supermarktkette verehrt hat. Überraschenderweise stolpern Sohn und Frau in diese Szene und geben den von Rane mühsam gehüteten Schatz preis. Die Banditen danken es damit, dass sie die ganze Familie mit Blei füllen. Einzig der nun auch noch physisch verkrüppelte Rane überlebt den Überfall und sinnt auf Rache der Marke Eigenbau. Nachdem er sich mit seiner Handprothese, der „Stahlkralle“ aus dem deutschen Titel, vertraut gemacht hat, jagt er gnadenlos hinter den Gangstern her. Zum großen Showdown in einem äußerst schmierigen Puff zieht er nicht nur seinem ihm treu ergebenen Vietnamkameraden Johnny (Tommy Lee Jones als Salzsäule) zu Rate, sondern auch einen Kofferraum voller Waffen, aus dem sich die beiden kräftig bedienen. Beeindruckend bei DER MANN MIT DER STAHLKRALLE ist allerdings weniger die Rachegeschichte, die sich natürlich trotzdem hinter den großen Vorbildern nicht zu verstecken braucht, sondern vor allem der völlig kaputte Rane, den William Devane ziemlich überzeugend spielt. Ähnlich wie in dem ebenfalls grandiosen BILLY JACK versucht Flynn zwar irgendwie auch Charakterstudien abzuliefern und durch die Hintertür Anklage gegen Krieg und sonstige Schieflagen zu betreiben, das alles muss sich aber dem Actionfeuerwerk zum Mitfiebern unterordnen. In DER MANN MIT DER STAHLKRALLE wirkt vieles recht schwammig und nicht so wirklich ausgereift und auf den Punkt gebracht. Mal gibt sich der Film überaus ernst, dann wiederum wie ein etwas platter Ballerblödi, dem man seine manchmal überlebensgroße Erscheinung nicht so richtig abkaufen kann. Insbesondere immer dann, wenn Major Rane wie ein in dunklen Armeeklamotten gewandeter SARTANA aus dem Dunkel die Szene betritt, kurz sein blutiges Geschäft verrichtet und dann wieder ebenso schnell verschwindet, wie er aufgetaucht ist. DER MANN MIT DER STAHLKRALLE ist dennoch sehr schön anzuschauen, wenn man auch Gefühl nicht los wird, mit dem Film eine noch etwas rohe und ungeschliffene Version von DER EXTERMINATOR anzusehen, der jedoch all die Elemente, die auch die STAHLKRALLE auszeichnen, weitaus besser unter einen Hut bekommt. Wieviel sowohl DER MANN MIT DER STAHLKRALLE als natürlich und sowieso auch DER EXTERMINATOR (oder gleichwertiges) wert ist, erkennt man aber eh erst, wenn man diese Filme in einem Rutsch mit gefühlsduseligen Unfug wie COMING HOME ansieht.
#355
Geschrieben 05. Juli 2006, 08:56
(USA 1979 – Sydney Pollack)
Robert Redford ist ein gestrandeter Rodeoreiter, den der Suff eingeholt hat und der sich in seinen zwei lichten Momenten mit Reklame für Frühstücksflocken über Wasser hält. Seine Firma holt sich irgendwann einen 12-Millionen-Dollar-Rennhengst und stopft ihn mit Drogen voll, damit er in der TV-Reklame nicht wild durch die Gegend springt. Das lässt das Redford’sche Promilleherz schlagartig erwachen, weshalb er den Gaul kurzerhand entführt und irgendwo ganz geheim in der Pampa der Freiheit zuführen will. Jane Fonda ist eine knallharte Reporterin, die ihm auf den Fersen ist und über das von Redford an den Tag gelegte Gutmenschentum schlussendlich in solche Verzückung gerät, dass sie ihm bei seinem Ansinnen kräftig unterstützt und ihn auch mal rüberlässt. In die Röhre guckt John Saxon als Frühstücksflocken-Mogul und seine Bande von skrupellosen Rechtsverdrehern und Managern. So beschissen kann Hollywood-Kino sein. Absoluter Bodensatz und verlogen bis zum Dorthinaus. Überhaut ist es eine Schande zu sehen, dass aus der knackigen BARBARELLA-Fonda binnen einer Dekade so ein biederes Hausmütterchen geworden ist. Zu Redfords Darstellungskünsten fällt mir angesichts dieses Trauerspiels sowieso nichts mehr ein. Spätestens, wenn das Pferd froh und frei durch die Lande hoppelt, gibt sich der möglicherweise sogar überaus gutgemeinte Quatsch vollends der Lächerlichkeit preis. Die Regel, dass alle Pferdefilme mit Ausnahme des Westerns grober Unfug sind, findet hier zudem jede nur erdenkliche Bestätigung, was den Film zusätzlich zu einem noch größeren Haufen Scheiße werden lässt, als er ohnehin schon ist.
#356
Geschrieben 05. Juli 2006, 08:56
(Frankreich 1970 - Joël Séria)
Anne und Lore genießen in einem katholischen Mädcheninternat eine strenge Erziehung. Angestachelt durch verbotene Schriften, allesamt Fundstücke aus der hintersten Ecke des Dachbodens, und einer nicht zu verachtenden Fantasie, beschließen sie, dem rechten Glauben Lebewohl zu sagen und sich ganz Satan zu verschreiben. Ihre Dienste im Gedenken an den Höllenfürsten sind klein, aber nicht ohne Wirkung. So erzählen sie dem Pfaffen während der Beichte Räuberpistolen oder üben sich in der Denunziation lesbischer Ordensschwestern. Während der Sommerferien, die die beiden zusammen verbringen, perfektionieren sie gekonnt die Sticheleien auf Kosten ihrer Mitmenschen. Einen armen Bauern fordern sie mit ihrenden sprießenden Reizen bis aufs Blut heraus und zünden ihm des Nachts seine Heuschober an, mit einem Dienstboten von Annes Eltern wird ganz ähnlich verfahren, doch darf der zumindest noch einer Art satanistischem Initiationsritus als Priestersklave beiwohnen. Das Fass läuft über, als sie einen Mann vom Wegrand auflesen, dem seine Karre verreckt ist. In ihrer eher als Scherz gemeinten Aufstachelei des Opfers geschieht ein tödlicher Unfall, den die beiden Freundinnen um jeden Preis vertuschen wollen. Doch natürlich holt auch die Wirklichkeit Anne und Lore schneller ein als ihnen lieb ist. Erlösung verspricht für beide nur eine noch größere Wahnsinnstat, die auch den Zuschauer mächtig aus dem Sitz hebt. Je weiter sich der Film mit der Gedankenwelt der beiden Mädchen befasst, desto wirklichkeitsfremder wird er. Die letzte Szene des Films ist absolut atemberaubend, nicht gerade wenig surreal und trotz der Tatsache, dass Séria keinen Milimeter von seiner überaus bedächtigen Erzählweise abweicht (die dem Film jedoch überaus gut tut), ein ganz schöner Schlag. Fast schon sensationell ist dabei, wieviel Kapital der Streifen allein aus seinen beiden (unbekannten) Hauptdarstellerinnen schlägt und sich – trotz mehrfacher Gelegenheit dazu – nicht zuschauerwirksam in Richtung eines Muschijodlers verbiegt. Ohne großartig tiefer in die Materie einsteigen zu müssen, ist überaus augenfällig, dass es sich bei diesem Erstlingswerk um eine recht frühe Variation des Parker-Hulme-Falls handelt, den Peter Jackson mit HEAVENLY CREATURES in den 90ern weitaus faktenverhafteter aufgearbeitet hat. Obwohl Séria sehr viel eigenes in sein Werk eingebaut hat, die es offensichtlich weniger phantastisch machen als Jacksons Film (das Luftschloss vom Vierten Königreich weicht „bodenständigerer“ Satansdienerei und Mario Lanza wird hier auch nicht angehimmelt), kriegt der Film locker in fast jeder Szene die Kurve zum märchenhaft-verträumten mit Leichtigkeit. Der Schock, den der unbeabsichtigte Mord auslöst, schleudert nicht nur die Mädchen aus ihrem Spiel, sondern ziemlich massiv auch den Zuschauer aus dem ansonsten ziemlich wohligen Konstrukt des Films, in das man sich - zusätzlich eingelullt von wunderschöner Musik mit zarter Melodie - nur zu gerne von Beginn an hat fallen lassen. DON’T DELIVER US FROM EVIL ist eine kleine und unendlich feine Bereicherung für das Regal und eine Entdeckung, die sich definitiv zu machen lohnt. Die DVD-Veröffentlichung dieses Films zählt jedenfalls für mich bereits zu den absoluten Highlights des noch laufenden Jahres.
#357
Geschrieben 05. Juli 2006, 08:57
(USA 1988 - Paul Ziller)
Teenager Bonner und seine Freunde wollen einer Studentenverbindung beitreiten, wobei ihnen während der „Hell Week“ allerdings allerlei Prüfungen abverlangt werden. Als Zuschauer hat man dabei reichlich Gelegenheit, sich vor Schadenfreude auf die Schenkel zu hauen. Beispielsweise, wenn einer der Anwärter eine künstliche Scheißwurst mit dem Mund aus dem Klo fischen muss. Aus dem Klo steigt auch alsbald der racheschnaubende Geist von Sid Snyder, der Ende der 60er Jahre bei einem Streich der Verbindung in einem Bottich voller Säure ein jähes Ende fand. Snyder latscht fortan durch das Haus und bringt einen Studenten nach dem anderen um, alledings nicht, ohne sich vorher noch netterweise nach dem Namen seines jeweiligen Opfessr zu erkundigen. Als er bei Aspirant Bonner angekommen ist, stellt sich heraus, dass dieser sein Sohn ist. Snyder bedankt sich schön für die Auskunft und verschwindet wieder. Ja, auch sowas muss es wohl geben. Zwischendrin lärmt noch Schrabbel-Musik von Anthrax, weil die wohl zur Entstehungszeit des Films schwer en vogue waren und Horrorfilme der End-80er es sowieso schwer hatten, ohne Krawall-Musik der unteren Ränge auszukommen. Keine Ahnung, ob es Anthrax noch gibt, ebenfalls keine Ahnung, ob Paul Ziller jemals die Möglichkeit hatte, noch weitere Zeitverschwender zu drehen. Beides lohnt der Recherche nicht wirklich. Egal, der Film kam seinerzeit sowieso nur ins Haus, weil bei uns verboten ist und daher per se schon mal eines Blickes wert. Schauwerte der Marke rot & ruppig sind nur wenige vorhanden und zudem auch noch überaus schlecht inszeniert - wie sowieso der ganze sinnleere Quark. Die zweite Sichtung nach über zehn Jahren - Zeit genug also alles zu vergessen, was einen schon dereinst bei PLEDGE NIGHT schwer aufregte - machte klar, dass die Kassette nun endgültig über den Umweg der Rundablage dem Entsorger zugeführt werden kann. Und ab damit...
#358
Geschrieben 06. Juli 2006, 15:06
(Japan 1969 – Yasuzo Masumura)
Der blinde Bildhauer Michio ist besessen von seinem Tastsinn. Wie Tentakel benutzt er seine Finger, um Objekte zu erfassen und zu registrieren. Dabei scheint er – ähnlich wie später der sich die Welt erschnüffelnde 1000-Nasen-Butzemann in Süskinds DAS PARFÜM – mit solch sensiblen Fingerkuppen ausgestattet zu sein, dass er selbst kleinste Unterschiede und Nuancen erkennen und einordnen kann. Völlig hin und weg ist er von der menschlichen Haut – vor allem der der weiblichen Artgenossen. Deshalb erscheint es nur logisch, dass er sich nebenher als Masseur verdingt. Durch eine Kunstausstellung gelangt Michio an das Model Aki, die seinem Ideal in Gestalt und „Griffigkeit“ nach jahrelanger vergeblicher Suche vollends entspricht. Zusammen mit seiner degenerierten Mutter entführt er die schöne Aki und sperrt sie in sein riesiges Studio, dessen Wände über und über mit Nachbildungen von menschlichen Gliedmaßen und sonstigen Körperteilen bedeckt sind. Michios Ziel ist es, eine Skulptur von Aki anzufertigen. Aki ist zunächst nicht sonderlich angetan von dieser Idee, doch lässt sie ihn gewähren und erschleicht sich so Vertrauen von Michio. Dies nutzt sie für mehrere ergebnislose Fluchtversuche aus dem abgelegen liegenden Studio. Als sie keine Chance mehr für ein Entkommen sieht, sät sie Zwietracht zwischen Michio und seiner Mutter. Bei einer Auseinandersetzung verünglückt die Mutter tödlich. Michio, der damit gleichermaßen eine wichtige Lebensstütze wie auch den argusäugigen Wächter verliert, stürzt sich in sexuelle Raserei, der auch Aki anheim fällt, nachdem sie von Michio vergewaltigt und ihrer gehüteten Jungfernschaft beraubt wurde. Jeder Widerstand fällt, zusammen gleiten sie in eine sich binnen kürzester Zeit überschlagende Welt sexueller Obsessionen in deren Mittelpunkt Schmerz, Gewalt und die Selbstaufgabe des eigenen Körpers stehen. Funktioniert die erste Hälfte des Films noch ziemlich gerade heraus wie eine Terrorstück für drei Personen, weicht dieser Eindruck mit dem Tod von Michios Mutter komplett aus dem Film. Es regiert eine fast theaterhafte Bühnenstimmung mit leicht übertriebener Gestik und abgehoben-hölzernen Dialogen. Obwohl sehr aufgesetzt wirkend, tut dies dem Film überaus gut und lässt ihn trotz seiner nicht gerade wenig verwirrenden und gegen Ende absolut die Bodenhaftung verlierenden Geschichte, in der nur oberflächlich Fesseleien und Blutspiele dominieren, den Rand vom Folterkino eines Teruo Ishii geschickt umschiffen. Dass der Streifen in eine andere Richtung geht, davon zeugen auch die trotz schmalstem Budget hingeklotzten Sets mit riesigen Sulpturen und besagten Wandverkleidungen und die Tatsache, dass BLIND BEAST auch fotografisch ungemein ästhetisch ist und sich gar nicht erst anschickt, überhaupt in die Nähe der Grenzen dessen herumzustochern, was die japanische Zensur in Bezug auf nackte Leiber zulässt. Das Kammerspiel zeigt sich hochkonzentriert und verwöhnt mit tollen Bildern auf engstem Raum, was an sich schon eine Leistung darstellt. Und der abrupte Richtungswechsel des Films ist allein schon deshalb schön, weil er dazu einlädt (oder gar auffordert), BLIND BEAST mehr als einmal anzusehen. Immer wieder absolut beeindruckend.
#359
Geschrieben 06. Juli 2006, 15:06
(Frankreich 1968 – Maurice Pialat)
Nach einer Tour durch Kinderheime und einigen Gastfamilien landet der kleine und als schwer erziehbar geltende Francoise schließlich bei den Thierrys, die sich rührend um ihn kümmern, wenngleich im Haus der Familie eine ziemlich durchorganisierte Strenge herrscht. Francoise dankt die gute Aufnahme mit Brutalitäten, Klauereien und einer eingetretenen Zimmertür. Noch schlimmer wird es, als die hochbetagte Oma Thierry eines Tages stirbt, die Francoise zwar sehr liebgewonnen hat, dennoch aber gerne um den einen oder anderen Francs erleichterte. Nach dem Tod der Frau rastet Francoise total aus und bewirft von einer Brücke aus Autos mit schweren Metallteilen. Ein Unfall lässt da nicht lange auf sich warten. Der Junge kommt abermals in ein Heim und der Film endet mit der Ungewissheit, ob er noch einmal zu den Thierrys zurückkehren kann, oder aber bis zur Vollendung der Volljährigkeit dort verweilen muss.
Ganz davon abgesehen, dass die Franzosen es glänzend verstehen, zerrüttete Kindheiten zu inszenieren, wobei die Bilder unendlich trister französischer Vororte und Kleinstädte ihr Scherflein dazu beitragen, alles noch viel schlimmer aussehen zu lassen als es ohnehin schon ist, versteht sich der Film trotz seines sicherlich nicht gerade leichten Themas nicht als moralinsaure Anklageschrift mit gerecktem Zeigefinger. Ebenso wie der Zuschauer zeigt sich der Film zum Schluss durchaus ratlos im Umgang mit schwer erziehbaren Kindern. Patentrezepte nach dem Strickmuster einer Super Nanny werden keine gereicht – und man hat auch nicht den Eindruck, als würde solcherlei auch nur ansatzweise auf fruchtbaren Boden fallen. Denkanstöße werden dennoch gelegentlich und sehr behutsam ausgeteilt, ob sie jedoch nachhaltigen Erfolg bringen, wird nicht weiter untersucht. Trotz der Tatsache, dass DIE NACKTE KINDHEIT ein Spielfilm ist, verwischt die Grenze zum Dokumentarischen so geschickt, wie ich es sonst noch nirgends zu sehen bekommen habe. Ganz fantastisch sind auch die Leistungen sämtlicher Darsteller in diesem Werk, die sich redlich Mühe geben, das Bild eines stinknormales Alltags zu entwerfen, ohne dabei sonderlich angestrengt zu wirken. Allein wegen der Qualität von Darstellung und Stil des Films ist DIE NACKTE KINDHEIT mehr als eines Blickes wert. Und wegen seiner überaus zurückhaltenden und beobachtenden Art ist der Film streckenweise gar weitaus eindringlicher und überzeugender als SIE KÜSSTEN UND SIE SCHLUGEN IHN. Schön, dass DIE NACKTE KINDHEIT nach ziemlich langer Zeit mal wieder im Fernsehen lief.
#360
Geschrieben 06. Juli 2006, 15:07
((BR) Deutschland/Frankreich 1966 – Helmuth Ashley)
Jerry Cotton gönnt sich am „Donnerstag, den 11. Mai, um 21.00 Uhr“ in einer Bar einen Whiskey und stolpert dabei in die Auseinandersetzung eines jungen Mannes mit dubiosen Gestalten, die – was Cotton ja nicht wissen kann – den Überfall auf einen Geldtransporter des Schatzamtes planen und dazu die Fähigkeiten des Jungen als Chemiker benötigen. Weil es der Bande mit dem Knaben allerdings zu heiß wird, wird der Junge bald kaltgestellt, und der mit ziemlichen Aufwand betriebene Überfall findet ohne ihn statt. Durch die Freundin des Jungen gerät Cotton, der die Verantwortung für die mangelnde Sicherheit beim Transport des Schatzamtes auf sich nimmt, da sich der Amtsleiter mit Selbstmordabsichten herumschlägt, und daraufhin vom FBI beurlaubt wird, an den Kopf der Bande, Horst Tappert nämlich, der nebenher noch Catch-Veranstaltungen organisiert. Weil die erbeutete Summe ziemlich enorm ist und die 30-Millionen-Dollar-Marke durchbricht, mischt im Hintergrund auch noch eine weitaus kriminellere Gestalt mit, die Tappert und seiner Bande die Geldkoffer streitig macht und bis zum Ende im Verborgenen operiert. Logischerweise kriegt Cotton sie alle und am Ende gar auch noch als zusätzliches Bonbon die knackige Freundin des Jungen. Zwar ist auch dieses G-Man-Movie wieder relativ flott, kontinuierliche Action und eine treibende Geschichte mit wenigstens ein paar kleinen Überraschungen sind jedoch aber leider nicht auszumachen. Selbst die Gangster wollen – Tappert mal ausgenommen – nicht so richtig Freude bringen, sind sie doch allesamt relativ blass ausgefallen und wuseln eher als namenlose Erfüllungsgehilfen durchs Bild. Mit witzigen und gleichermaßen „Härte“ in den Film pflanzenden Schnodderigkeiten wird ebenfalls gespart, was DIE RECHNUNG – EISKALT SERVIERT noch stromlinienförmiger macht und viel vom rohen Charme eines „echten“ Cotton nimmt. Und selbst die in den Film geklecksten Stunts wirken eher beschwichtigend denn im Zusammenspiel mit dem Rest überhaupt noch nötig. Das zeigt sich auch bei der Musik, denn der Jerry-Cotton-Marsch von Peter Thomas findet in RECHNUNG nur sparsame Verwendung - wohin auch mit der pumpenden Musik, wenn die meisten Bilder dazu einfach nicht passen wollen? Schlecht ist der Streifen gewiss nicht, unterhalten kann man sich damit auch ganz gut, aber der richtige Pfeffer fehlt fast durchgängig.
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