Beutelschneider, Zeitschinder, Nervenzerrer
#391
Geschrieben 31. Juli 2006, 00:35
(Italien/USA 1979 – Tinto Brass (Inserts: Giancarlo Lui, Bob Guccione))
Der Film lässt die Jugend des Caligula aus und steigt ein, während Kaiser Tiberius bereits in den letzten Zügen liegt. Nach schwerer Krankheit wählt der Film eine der Legenden und lässt Marcos, inzwischen Caligulas engster Vertrauter und Chef der Prätorianer mit erheblichen Machtbefugnissen, den abnippelnden Kaiser mit einem Schal ersticken. Caligula wird zum neuen Kaiser ausgerufen und der unterhaltsame Unfug nimmt damit seinen Lauf. Zwar stimmen die Eckpunkte noch, der Tod von Caligulas Schwester Drussila, die Ausrufung von Caligulas Lieblingspferd zum Senator, seine Ermordung auf dem Palatin, dazwischen wird jedoch ausnahmslos gemordet und gevögelt, was das Zeug hält.
Das ist durchaus sehr dazu angetan, einen prächtigen Unterhaltungsfilm abzugeben. Einen enorm pornösen dazu, wenn man die erweiterte Schnittfassung von Lui und Guccione ansieht, die so gar kein Blatt vor den Mund nehmen mag, dafür die Münder von Männlein und Weiblein auf der Leinwand reichlichst mit triefenden oder erregierten Sexualorganen zu stopfen versteht. Der gemeine Porneur kommt also kräftig auf seine Kosten und reibt sich die kaltnassen Hände. CALIGULA dürfte sowieso der einzige Porno sein, der solch eine hochkarätige Starbesetzung mitbringt. Malcolm McDowell und vor allem auch Peter O’Toole, der den kränkelnden Tiberius sehr überzeugend spielt, sollen ja angesichts der ganzen nachträglich einmontierten Pricklichkeiten schwer geschäumt haben, was jedoch nichts an der Tatsache ändert, dass der Film gerade durch die ausschweifenden Inserts überhaupt erst interessant wird. Und mit Caligulas zuweilen desaströsem Herrschaftsstil allein lässt sich auch nur schwerlich ein brauchbarer Film machen, da sich nun einmal Steuersenkung auf einen halben Prozentpunkt oder seine Änderungen im Wahlrecht kaum spielfilmtauglich verpacken lassen. Titten, Ärsche und durchgeschnittene Hälse – letztere werden im Film von einer monströsen Apparatur besorgt, der auch Marcos Rübe anempfohlen wird – sind da schon eine weitaus sichere Bank. Mit den Fakten und überhaupt der Legendenbildung um den wahnsinnigen Kaiser nimmt es der Film weder genau noch aufklärerisch. Lieber folgt man den fast schon hetzenden Schriften Suetons als den Aufzeichnungen von Seneca, Philo und Tacitus. Sueton bezichtigt Caligula munterer Schwesternfickerei (statt alle drei Schwestern von Caligula besteigen zu lassen, konzentriert sich der Film jedoch einzig auf Drussila), was das Bild des Irren aus Rom natürlich auf der Leinwand glänzend abrundet.
Ganz elendig schlecht kommt der bereits ausreichend erforschte Claudius, Nachfolger des Caligula, in der Filmversion weg und wird einzig als vollgefressener Dummkopf dargestellt, gegen den der alles ruinierende Caligula fast wie ein sachlich denkender Gönner erscheint. John Steiner ist als Konsul Longinus eingeflochten und gibt eine bemerkenswerte Darstellung mit lustiger Glatze, aber ohne jede weitere Funktion. Für den Werdegang des Caligula wichtige Kapital indes, der Aufenthalt in Germanien, die Reisen nach Griechenland und den Orient sowie vor allem die Führungsstile seines Adoptivvaters Germanicus und des Kaisers Augustus fallen allein schon wegen des engen zeitlichen Rahmens aus dem Konzept und werden mit keiner Silbe erwähnt. Der Film setzt voll auf die Dekadenz jener Zeit und suhlt sich wie die Sau darin herum. Das sieht in all den extravaganten Bauten und mit den gewaltigen Ausstattungsstücken in der Tat auf der Leinwand alles andere als schlecht aus, gegen Ende ersäuft die Geschichte jedoch mangels tieferer Substanz gehörig im Pomp. Die Abartigkeiten kommen dazu wie vom Fließband und zwischendrin gibt es als einsamen Höhepunkt noch eine Riesenorgie, dessen kunterbuntes Gerammel in Großaufnahme zwischen den völlig im Irrsinn aufgegangenen, dumm durchs Bild latschenden Kaiser geschnitten ist. Man ist nicht wenig froh, wenn der Film nach zweieinhalb Stunden dann auch mal irgendwie mit Caligulas Ermordung ein Ende findet.
Die Kinofassung lief lediglich etwas über zwei Stunden, war voll mit Blut, während die Privatangelegenheiten fast vollständig in der Unterhose verstaut blieben. Immerhin: Anno 1982 war CALIGULA der Auftaktfilm für das Dauerbrenner-Festival und gab damit schon recht gut vor, womit man es die nächsten sechs Wochen immer wieder auf der Leinwand zu tun bekam: Muschi, Blut und Tolldreistigkeiten.
#392
Geschrieben 02. August 2006, 14:22
DAS KROKODIL UND SEIN NILPFERD
(Italien 1979 – Italo Zingarelli)
Ist Bud Spencer sowieso in keinem seiner Filme eine Bohnenstange, für diesen Streifen, so scheint’s, hat er extra noch ein paar Kilo zugelegt. Zuschlagen kann Ich bin zwei Öltanks trotz Hängekiepe so kräftig, dass die Bösewichte Engelstrompeten erschallen hören. Eine Fettschürze für ein Halleluja. Wenig zieht allerdings der richtig affige Schnuller, den der Spencer um seinen Hals spazieren trägt – die damit angespielte Nummer mit dem Babyspeck kauft ihm kein Mensch ab. Zusammen mit Terence Hill hat es ihn jedenfalls nach Afrika verschlagen, wo der skrupellose Geschäftsmann und Haudrauf Ormond alle wilden Tiere einfangen und kreuz und quer in der Welt verschachern will. Für die ganzen damit verbundenen Verladetätigkeiten braucht er einen großen Hafen, der genau da gebaut werden soll, wo die Strohhütten friedlicher Neger stehen, die Ormond und seine Schergen mit allerlei Drangsaliereien zu vertreiben gedenken. Es ist Ehrensache, dass Spencer und Hill ordentlich dazwischen funken und sich als italienische Gutmenschen beweisen. „Alles einsteigen, was hunger hat!“ brüllt Spencer, wenn er mit seinem Klapperbus durch die Laubenkolonie gondelt. Sofort springen dauergrinsende Afrikanerkinder aufs Gefährt, auf das man gar nicht mehr weiß, ob das alles nun eine Anspielung auf die soziale Schieflage des schwarzen Kontinents sein soll, oder der Dicke mehr den Spaghetti-Rattenfänger raushängen lässt. Jedenfalls traktiert er die Blagen nur Augenblicke später mit brutal schlechtem Gesang, was die Kinder mit noch mehr Grinsen honorieren. „Grau, Grau, Grau“ heißt der Singlehit, der daraus wurde. Leider geht der nicht mit „...sind alle meine Kleider“ weiter, sondern mit sprechgesungenem Unfug wie „I like the lion“ und dergleichen. Wirklich nur bemerkenswert deshalb, weil in der Tat von Bud Spencer gesungen. Überhaupt ist DAS KROKODIL UND SEIN NILPFERD eine ziemlich dusselige Unternehmung, bei der man froh ist, dass die mit Sicherheit ziemlich abtörnende Originalfassung gar nicht erst auf der DVD inkludiert wurde. Die deutsche Synchronisation holt mit allerlei Dampfgefasel raus, was aus DAS KROKODIL UND SEIN NILPFERD wohl rauszuholen ist. Und abgesehen davon bleibt einzig das Fressgelage im Lager von Ormond in Erinnerung, wobei Spencer und Hill jedoch kaum in ihre üblichen Stopf-, Rülps- und Furzferkeleien anderer Filme verfallen, was sehr schade ist. Die an den Tag gelegte Sauberkeit dieser Szene lässt sich ohne weitere Abstriche auf den ganzen Film übertragen. Insgesamt also etwas dröge, der Zossen.
#393
Geschrieben 02. August 2006, 14:23
(USA 1952 – Robert Siodmak)
Mit ordentlich „Ho! Ho! Ho!“ und “Ha! Ha! Ha!” gestrickt, beweist sich DER ROTE KORSAR weniger als ernstzunehmender Seefahrerfilm, denn als bunte und überaus spaßige Freßtafel für Aug’ und Ohr. Burt Lancaster macht den Vallo und verliebt sich entgegen der Piratengepflogenheit in die schöne Tochter des Rebellenführers El Libre, der von den Engländern in den Kerker geworfen wurde und dort auf seine Hinrichtung wartet. Dem Vallo seine Piratenbrüder nehmen es unterwegs zwar mal krumm, dass ihr Anführer die Mehrung von Gold und Geschmeide so sträflich aus den Augen verloren hat, am Ende aber wird alles gut, alles verziehen und alles Übel von der Insel getilgt. Neben Lancaster, der so flott und drahtig durch die Szenen springt als hätte er vier Kannen Mocca intus, brilliert Nick Cravat als des Piratenkapitäns rechte Hand und engster Vertrauter. Er ist sozusagen der Piraten-Eddie-Arent und für die schlechten Scherze zuständig, mit denen DER ROTE KORSAR bis Oberkante Unterlippe voll ist, angesichts derer sich aber nach über 50 Jahren und dementsprechenden Bart beim Betrachter nicht schlecht das „Hirn zur Faust“ ballt. Aus Dänemark kamen in den frühen 70ern unendlich viele Super-8-Rollen mit 30 bis 60 Metern länge und eindeutig pornösen Inhalt, im Fachjargon „Dänische Western“ genannt, auf deren Verpackungsrücken in großen Buchstaben „Color-Orgie“ stand. DER ROTE KORSAR ist entgegen dem mittlerweile komplett ins Rot umgekippten Schmalfilmgebrösel wirklich eine und geizt auch nicht mit tollen Bildern, wobei jeder Frame in die Welt schreit, dass er viel gekostet hat. Immerhin fahren wirkliche große Segelschiffe herum und nicht – wie bei vielen italienischen oder spanischen Seefahrer-Filmen der Fall – Klebemodelle aus dem Revell-Trickstudio. Toll besetzt ist der Film außerdem. Dass Christopher Lee einen gemeinen Briten-Offizier spielt, habe ich über die Jahre völlig vergessen gehabt. Die Hauptlast des Films liegt aber auf Burt Lancaster – und der gibt mit seiner weiß-rot gestreiften Hose und seiner David-Bowie-Frisur so etwas wie einen Vorläufer der Punkerbewegung ab. Und Filme mit Piraten-Punkern können gar nicht schlecht sein.
#394
Geschrieben 02. August 2006, 18:44
(Großbritannien 1971 – Stanley Kubrick)
Die deutsche Fassung des Films profitiert eindeutig davon, dass sie sich eng an die Übersetzung von Anthony Burgess’ Roman aus der Feder Walter Brumms hält. Überhaupt kann man attestieren, dass sich der Film sehr eng mit dem knapp zehn Jahre zuvor erschienen Buch umschlungen zeigt und weit weg ist von eigenwilligen Interpretationen, wie sie Kubrick mit THE SHINING anstellte. Das zeigt nicht gerade wenig, wie gut und zeitlos Burgess’ Roman ist, der neben der Tatsache, dass er sich trotz Gewalt und Ausschweifungen ganz für freien Willen und freie Entscheidungsfindungen einsetzt, auch eine nicht zu unterschätzende Zukunftsvision bietet. Ähnlich wie in Dicks Vorlage zu BLADE RUNNER bedient sich die gemeine Welt einer aus allen Kontinenten zusammengeklaubten Weltsprache, hier Nadsat genannt (die Globalisierung auf allen Ebenen ist also scheinbar wieder einmal schon längst gelaufen), Sex wird – in der Filmfassung noch weitaus deutlicher als im Buch - als eine ziemlich enttabuisierte und mit größter Selbstverständlichkeit ausgelebte Angelegenheit beschrieben und die Jugend, um die sich der Film schließlich auch dreht, vegetiert in zugespitzter Weise ohne Ziel und wirklicher Perspektive durch den Tag, ergeht sich in Oberflächlichkeiten und schnellen Sinnesräuschen mit Gewalttaten als ultimativer Kick.
Gerade die drastische und völlig rücksichtslose Gewalt, die eigenwillige Jugendsprache, die sich erst bei mehrmaligen zuhören halbwegs erschließt (das Buch kriegt das weitaus besser in den Griff) und die Tatsache, dass der größte Teil der Zukunftsvision sich in jedes beliebige Jahrzehnt transportieren lässt, macht UHRWERK ORANGE zu etwas, was man Kultfilm nennt oder zumindest seinerzeit mit Fug und Recht nennen konnte. Kein Programmkino kam in den 70ern umhin, UHRWERK ORANGE nicht mindestens jeden zweiten Monat ins Programm zu nehmen. Der Hintersinn der Geschichte dürfte dabei an den meisten Besuchern gründlich vorbei gegangen sein, aber richtig großes Kino zeichnete sich ja noch mehr als heute dadurch aus, dass es auch ohne mitgereichte Holzhammer-Botschaft bestens über die Runden kam und man auch die Bildsprache nicht zwingend verstehen muss. Übersehbar ist der Umstand und der tiefere Sinn, warum und weshalb Patrick Magee einmal mit einer blauen, einmal mit einer roten Schreibmaschine arbeitet, weniger übersehbar ist das krachende Design des ganzen Films, dass trotz aller Verbundenheit mit den 70ern doch ungemein futuristisch ausnimmt und in dem sich die durch die Bank sehr misanthropisch angelegten Charaktere in fast jeder Szene bewegen. Nach über zwei Stunden Filmgenuss ist man allein deswegen mindestens ebenso berauscht wie erledigt und möchte sich wie Film“held“ Alex von Darth Vader ins Bett tragen lassen, wo dann vielleicht auch der bei näherer Betrachtung sehr mitnehmende Inhalt gut zu verdauen ist.
#395
Geschrieben 11. August 2006, 10:25
(Italien 1979 – Lucio Fulci)
Im Hafen von New York treibt ein herrenloses Schiff mit lediglich einem Fettsackzombie an Bord, der sich so lange im Wandschrank versteckt hält, bis sich ihm ein dummer Polizist als williges Opfer anbietet. Der Ordnungshüter endet mit einer Blutblubberwunde am Hals, macht sein Sterbchen, um wenig später auf dem Seziertisch der Gerichtsmedizin ein neues Leben zu beginnen. Da sind die junge Anne Bowles und der Reporter Peter West schon auf dem Weg zur Insel Matul, von wo das Schiff lossegelte. Außerdem ist das Eiland die Wahlheimat von Annes Vater, der seit Monaten als vermisst gilt. Auf Matul hauen die Zombies ordentlich auf die Pauke, es wabert Tag und Nacht und unentwegt fürchterliches Woodoo-Getrommel durch den Palmenhain und zerrt im Verbund mit dem klagenden Gejammer, das ebenfalls in fast jeder Szene vom Soundtrack schallt, ordentlich an den Nerven. Tumble Weed und Wolken aus Staub peitschen durch die verlassenen Dörfer, der Eingeborenenmediziner Dr. Menard (Richard Johnson in seiner ungeschlagen größten Rolle) zeigt sich ratlos, genervt und überfordert, seinem Knecht Lucas (Dakar in seiner ungeschlagen größten Rolle gleich nach ZOMBIES UNTER KANNIBALEN) merkt man an, dass er am liebsten mit dem nächsten Fischerboot den Schuh machen würde, um seinem Schicksal, dem sicheren Tod, zu entgehen.
Am Ende wagt WOODOO mit der Verschanzung der letzten Überlebenden in der verlotterten Mission eine kleine Anleihe bei DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN zu nehmen, ist ansonsten aber vor allem von Zombiefilm-Klassikern des Schwarzweiß-Kinos beatmet. An den Ecken von WOODOO grüßen vor allem Herr Halperin und die Zombies von Mora-Tau. Allein deshalb lässt sich über WOODOO viel Gutes sagen. Vor allem aber auch, dass der Film trotz aller Unsinnigkeiten (vor allem in der von Nick Alexander stellenweise gehörig verbockten englischsprachigen Version) von Fulcis Gruselszenarien jener Tage noch am besten Angst und Schrecken zu transportieren versteht. Der Film ist ein (Alp-)Traum in bräunlichen Farbengemoder, sobald der Inseltanz erst einmal seinen Lauf nimmt. Alles wirkt verkommen, abgerissen und wie dem Untergang geweiht. Dass Tod und Verderben das einzige sind, was Matul zu bieten hat, ist vom ersten Moment an sonnenklar.
WOODOO – DIE SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES war der erste „echte“ Zombiefilm, den ich je im Kino gesehen habe. Romeros bahnbrechenden Film von '78 bekam ich erst ungefähr ein halbes Jahr später während eines Dauerbrenner-Festivals im Sommer zu Gesicht, die Zeit bis dahin überbrückte der nicht minder baff machende ZOMBIES UNTER KANNIBALEN im Frühjahr. WOODOO startete am letzten November-Wochenende des Jahres 1979, lief jedoch wegen der üblichen Weihnachtsnummernrevue mit BERNHARD UND BIANCA (oder war es ein anderer Disney?) und den damals noch alle Jahre wieder abgedudelten deutschen Märchenfilmen der 50er Jahre in der Adventszeit im schönen Kino Bali erst im Januar 1980.
Weil damals Zombies ein ziemlich großes Thema waren, war der Drang, all die Schauergeschichten, die man bis dahin nur vom Hörensagen kannte, einer Überprüfung zu unterziehen, sehr groß. Gut kann ich mich noch erinnern, dass der Film im Hamburger Stadtzentrum in renommierten Häusern im Einsatz war und nicht nur in den Schmuddellöchern rund um Steindamm und Kiez. Selbst die Bild-Zeitung hatte am Start-Freitag einen üppigen Artikel zum Film zu bieten und das Plakat schindete rechtzeitig Eindruck im Schaukasten, gleich neben den Ankündigen für die allwöchentlichen Jugendvorstellungen am Sonntag, in denen noch abwechselnd Bud Spencer, Louis de Funes die GIGANTEN DER VORZEIT und auch der im Zuge von all dem Gekröse jener Tage gern eingesetzte „Zombie aus dem Weltall“ gastierten. Einen Besuch der Insel Matul schenkte ich – nicht gerade wenig uneigennützig, wie ich zugeben muss - meinem alten Herrn zum Geburtstag, weshalb wir am Nachmittag des ziemlich frischen 4. Januar zum Kino fuhren, um nach vorgezogenem Kaffee und Kuchen noch rechtzeitig zur Vorstellung um 15 Uhr 45 im Foyer aufzuschlagen, wo es jedoch das Ende der vorherigen Darbietung erst einmal abzuwarten galt. Die alte Glastür mit dem Riesengriff aus den 50ern am Eingang klapperte laut und unaufhörlich, als sich der Saal leerte, am Süßigkeitenstand herrschte Andrang. Cola gab es in kleinen Flaschen mit jeweils zwei eingesteckten, bunten Strohhalmen, Fanta wurde noch in der braunen Flasche mit dem geriffelten Hals verkauft und manch einer brachte sich einfach billiges Sunkist vom Bahnhofskiosk schräg gegenüber mit, das in Kartons in Pyramidenform verkauft wurde. Erdnüsse konnte man für eine Mark mitnehmen und sich an der harten Vakuumfolie der 50-Gramm-Portion schier die Zähne ausbeißen, Katjes Kinder und Goldbären wechselten die Seiten des Verkaufstresens. Das Gezerre an den kleinen Tüten nahm immer bereits im Foyer seinen Lauf. Gefressen und gesoffen wurde zu Beginn der Reise noch viel, je weiter ins Dickickt von Matul vorgedrungen wurde, desto mehr nahm das Geraschel, Geknister und Geschlürf ab, und ich meine mich zu erinnern, dass wir das letzte Viertel des Films in einem totenstillen Kino sahen. Das Kino Bali schloss im Spätsommer 1980 endgültig seine Pforten und wich – zusammen mit einer angrenzenden Gärtnerei – einem Riesensupermarkt, einer jener Bausünden der frühen 80er aus protzig viel Beton. Das Bali war in seinen letzten Tagen verraucht, abgeramscht, die Deckenverkleidung hatte bereits Löcher, die Saalbeleuchtung etliche Aussetzer und der Wind pfiff durchaus beachtlich durch die Türen der Ausgänge, die die Zuschauer nach Vorstellungsende direkt auf den Parkplatz spülten, weshalb die Heizung immer volle Pulle lief und den Saal tropisch aufheizte – zumindest oberhalb der Knie. Erst viel später kam mir der Gedanke, dass das Kino nicht weniger suddelig und schmuddelig aussah als Dr. Menards Inselklinik, die am Ende des Films in Flammen aufgeht.
Vom Tabakqualm ebenso schrecklich scheckig bis braun wie die dominierende Farbe von Fulcis Film, schiefe Leinwandvorhänge statt von der Decke von Menards Klinik baumelnde Schmuddellaken, Wolken aus Staub und Dreck statt Tumble Weed und verwehter Sand, eingetrocknete bis versteinerte Essensreste statt Blutmatschereien auf dem Boden. All das, was auf der Leinwand vorzufinden war, korrespondierte nur zu gut mit dem schmuddeligen Flair in dem alten wurmstichigen Saal, in den man sich beim besten Willen nicht mehr gefahrenlos in schönerer Kleidung setzen konnte. Die Stimmung des Films färbt da natürlich weitaus besser ab, als wenn man Fulcis Film an einem blitzsauberen Ort sieht, und allein die Kraft der Bilder für die Stimmung zuständig ist.
Ein Wiedersehen mit WOODOO gab es zunächst im Sommer 1982 während des Dauerbrenner-Festivals. Kurz darauf soll ja der deutsche Verleih Jugendfilm dazu übergegangen sein, im Zuge des Videowahnsinns der frühen 80er die restlichen im Einsatz befindlichen Kopien von WOODOO um all die Szenen zu erleichtern, die den ganz großen Kick des Films ausmachen. Im Kino habe ich WOODOO immer vollständig zu sehen bekommen, und zumindest anno '80 sogar, wenn mich meine Erinnerung nicht völlig täuscht, mit der aus der deutschen Videofassung entfernten Szene, in der Fulci höchstselbst Ian McCullochs Chefredakteur spielt. Statt eines Publikums, dass sich von dem Schrecken gefangen nehmen ließ, war das Kino im Sommer '82 gefüllt mit tosenden Teenagern, die sich einen großen Spaß mit WOODOO machten, juxten und feixten, was das Zeug hielt. Vielleicht war und ist das die gesündere und bessere Reaktion auf Fulcis Film, die beeindruckendere und weitaus angsteinflößendere gab es nur im alten Kino Bali, an das mittlerweile bis auf ein paar Bilder und Zeitungsschnipsel nichts mehr erinnert.
#396
Geschrieben 11. August 2006, 10:27
(Tschecheslowakei 1996 – Jan Sverak)
Kolya klingt irgendwie gewichtig, wie ein Schlachtruf des Arbeiteraufstandes, ein Geheimwort des gemeinen Malochers, der hinter vorgehaltener Hand in den Tiefen des Bergbaus damit die Parole des Aufbegehrens an die nächste Schicht weitergibt. In der Tat ist Kolya aber lediglich der Name eines ziemlich kleinen Jungen, an den der eher als Junggeselle verschriene und bereits sichtlich angegraute Musikus Louka gerät, nachdem er sich für ein Büschel Bares zu einer Scheinehe mit einer jungen Russin hat überreden lassen. Die jedoch haut schnell und im Alleingang Richtung Deutschland ab, statt im Prag des Jahres 1988 zu weilen, sich um ihr Blag zu kümmern und auf Änderung der Zeiten zum Besseren zu hoffen. Nachdem diese Faktenlage geschaffen ist, kommt der herzschmerzige zweite Teil, in dem sich der alternde Mann auf das Kind einlässt, sich ganz rührend zu kümmern lernt und schließlich das Mütterchen aufspüren und Kolya retournieren kann.
Man kann dem Film zugute halten, dass er dabei immerhin weniger auf Tränendrüse setzt als dies ein US-Film vergleichbarer Machart veranstalten würde. Vielleicht das größte Verdienst des Streifens. Zwischendrin taucht noch eine Sängerin auf, die sich Louka ab und an als Betthäschen zur Verfügung stellt und die sich als das kaum mehr wieder zu erkennende Puttelchen aus DREI HASELNÜSSE FÜR ASCHENBRÖDEL, dem vielleicht besten tschechischen Märchenfilm aller Zeiten, herausstellt. So hübsch und appetitlich sie in dem alten Film zur Musik von Karel Svoboda mit trippelnden Füßchen über die harten Bohlen der schmutzigen Gesindestube huscht, so vergleichsweise elefantös trampelt sie als mittlerweile schwer in die Jahre gekommene Fregatte in KOLYA durch die Szenerie und lässt sich am Ende gar von Louka dick machen, wobei dieser Umstand durchaus als Aschenbrödels größte Wunschnuss durchgeht, müsste das Kindgesicht von einst doch mittlerweile unlängst die Schallmauer ihres 50. Geburtstags und der sich damit langsam aber sicher einstellenden Unfruchtbarkeit durchbrochen haben. Wenn man DVDs im Internet kauft, kann man nicht sehen, dass blödes Oscar- und Golden-Globe-Gedröhn mit ebensolcher Selbstverständlichkeit aufs Cover gedruckt wird wie eine Kritik aus dem Fachorgan Fernsehwoche. Im Laden hätten da unlängst sämtliche Alarmglocken geschrillt. Jetzt liegt der Film im Regal und keine Ahnung, wie es mit ihm weitergehen soll.
#397
Geschrieben 11. August 2006, 13:32
(Großbritannien/Schweiz 1978 – Andrew V. McLaglen)
Die Sicherung von Kupfergeschäften in beachtlichem Ausmaße veranlassen einen gerissenen Bankier dazu, eine Privatarmee aufzustellen, die in einem nicht näher benannten Staat in Afrika den von den Unterdrückern ungeliebten Präsidentschaftsanwärter aus einem streng bewachten Lager irgendwo im Busch zu befreien haben. Da läuft natürlich nicht alles so glatt, wie man sich es zunächst gedacht hat, da sich der Bankier zusätzlich zu allen Strapazen und aller Mühsal als ein ziemlich menschenverachtender Geldkotz entpuppt. WILDÄNSE ist ganz großes Starkino in der Tradition von DAS DRECKIGE DUTZEND und sonstigen Mackerfilmen, mit dem Unterschied freilich, dass auf dem extrabreiten Produzentenstuhl neben dem Briten Euan Lloyd auch der Schweizer Meister des drösigen Sexklamauks, Erwin C. Dietrich, Platz nahm. DIE WILDGÄNSE KOMMEN ist kein Ausbund an Originalität und auch bei weitem nicht durchgehend so packend wie die Vorbilder, die zu fleddern sich der Film anschickt. Originell ist höchstens, dass WILDGÄNSE mit einem besonders jammernden Popsong eröffnet wird statt mit trompetender Fanfare, wozu, und das ist vielleicht auch der Teil, der am deutlichsten hängen bleibt, bunte, übereinandergeschnittene Bilder zu den Credits ablaufen, was für sich zusammen genommen einen Auftakt bildet, der mehr an einen smarten James Bond erinnert denn an ein Söldnerdrama. Roger Moore ist immerhin auch hier mit von der Partie, und zwar in einer nicht zu verachtenden Rolle von mindestens ebenso großer trockenhumoriger Gewichtigkeit wie in den Broccoli-Filmen. Das Klischee des kessen Playboys erfüllt Moore jedenfalls auch hier mit Bravour. Was in anderen Filmwerken rund um tödliche Missionen hartgesottene Kerle mit zum Teil lebensverneinender, nihilistischer Weltsicht sind, sind in WILDGÄNSE mittlerweile ergraute Herrschaften, die entweder dauernd pleite, am sozialen Tellerrand vegetierend für einen Teller Suppe alles machen, oder sorgende Familienväter und Ehemänner sind, deren größtes Vergnügen es darstellt, samstags im Vorgarten die Hecke zu stutzen. Natürlich hat jeder von ihnen im weiteren Verlauf ausreichend die Möglichkeit, Härte und Kampfesmut unter Beweis zu stellen. Ganz toll gefällt Hardy Krüger in WILDGÄNSE, weil der Astra-Hardy zunächst den rassistischen, ständig „Kaffer“ zischenden Südafrikaner gibt und rechtzeitig in dem Kugelhagel, in dessen Verlauf er auch alle Viere von sich streckt, noch Verständnis und Menschlichkeit durchblicken lässt, wovon sich die anderen Charaktere durchweg so gänzlich befreit zeigen. Sind die Schalter bei den Söldnern erst einmal umgelegt, steht die Erfüllung des Himmelfahrtskommandos an oberster Stelle, Kameradschaft bis zur Selbstaufgabe folgt sogleich, woran sich auch nichts ändert, als der Bankier, den Stuart Granger in seiner ganzen emotionslosen Schmierigkeit sehr hübsch gibt, seine Absichten ändert, einen faulen Kompromiss mit der korrupten Regierung schließt und seine Söldner in Afrika zwecks Sparmaßnahme von der blutgierigen Miliz in Grund und Boden ballern zu lassen gedenkt. Manchmal macht derlei den Film sehr kaltschnäuzig und auch wesentlich ruppiger als die Filme von Hutton, Sturges und Aldrich, die man zu einem Vergleich heranziehen könnte. Möglicherweise geschah dies unbeabsichtigt, möglicherweise auch aus dem Grund, sich dem durchaus nach Unbarmherzigkeiten verlangendem Publikumsgeschmack der ausgehenden 70er Jahre anzupassen. Jedenfalls waren die WILDGÄNSE schon ein wichtiges Thema damals und auch bis weit in die 80er Jahre hinein, was nicht zuletzt den Dietrich dazu animierte, jahrelang teilweise strunzblöde, jedoch immer kunterbunte Actionkracher mit Piff und Paff und Paukenschlag in die Kinos zu bomben. Was Django für den Italo-Western der 60er und 70er war, sind die Wildgänse für den Söldnerfilm der 80er in den Verleihprospekten. Überall stehen sie drauf, nirgends sind welche drin.
#398
Geschrieben 11. August 2006, 13:33
(USA 1945 – Elia Kazan)
Im völlig verlotterten Stadtteil Brooklyn wächst die junge Francie in ihrer äußert ärmlichen Familie heran, zeigt sich schulisch überaus begabt, steht aber in gewisser Weise auch zwischen ihren Elternteilen. Während ihr Vater als singender Kellner mit Engagements und Alkoholproblemen kämpft und sich in rosaroten Tagträumereien versteigt, setzt ihre Mutter alles daran, die Familie über die Runden zu bringen und nach außen trotz der äußerst bescheidenen Verhältnisse den Schein von Bürgerlichkeit und Anstand zu bewahren, was ihr jedoch nicht immer einwandfrei gelingt. Die Ereignisse überschlagen sich, als noch einmal Nachwuchs ins Haus steht und Francies Vater nach dem Zusammenbruch seiner Träume ums Leben kommt. Der Film klärt in diesem Zusammenhang nicht einwandfrei, ob ein Selbstmord vorliegt oder nicht. Überhaupt hält sich der Film äußerst zurück, und versucht sich mehr in der Beschreibung denn Wertung der Zeiten und Umstände, in denen das Schauspiel stattfindet. Das schafft EIN BAUM WÄCHST IN BROOKLYN, ohne an Durchhängern zu leiden oder über Gebühr tränenfordernde Sentimentalitäten abzufeuern, obwohl der Film mehr als einmal den Nährboden dafür bereithält. Am Ende wird hollywoodgerecht alles gut, was jedoch wenig stört, weil die ganz großen Katastrophen ordentlich nachhallen und tiefe Spuren gezogen haben. Ein Happy End schadet ja nichts, wenn es ordentlich angerichtet ist und nicht – wie so häufig – mit der Brechstange vor den Abspann gehebelt wird. Dann klappt’s auch mit der Glaubwürdigkeit des Ganzen.
#399
Geschrieben 11. August 2006, 17:22
(USA 1993 – Tony Randel)
Im Hinterwald überdüngt irgendein Typ seine illegal angepflanzten Canabis-Gewächse mit irgendeinem Zeugs. Es tropft und kleckert, Gesuddel überall, die Zecken kriegen es ab und wachsen zu enormer Größe. Eine Truppe völlig bescheuerter Teenagern, die sich auf einer Fahrt in die Wildnis begeben, um ihre Zivilisationsprobleme (Drogen, Gewalt, Ängstlichkeit) in den Griff zu kriegen und angesichts dieses Nachwuchses man sich wirklich die Frage stellt, ob die Welt nicht unlängst verloren ist, müssen sich mit den Biestern plagen. Hinzu kommen noch ein paar schräge Gestalten, die die Rasselbande nicht im Dunstkreis ihrer Haschplantage haben möchten. Die Kinder dürfen über sich und die Größe ihrer Pubertätspickel hinauswachsen, sofern sie nicht als Kanonenfutter für die Krabbelviecher dienen, fertig ist die Laube. Tony Randel hat zuvor den noch ganz ansehnlichen und dennoch bereits ordentlich angedusselten HELLBOUND – HELLRAISER II gemacht, C2 ist davon meilenweit entfernt und bedient mit seinem Kinderquatsch ohne Michael, ein paar Ekeleien und technisch sauberen Monstergedöns ganz den Mainstream der Horrormode der frühen 90er. Abseits der Attacken der Monster, die auch wirklich nur dann ziehen, wenn man sich vor den Blutsaugern ernsthaft fürchtet, gibt es peinliches Gemacker, Langeweile sowie Bilder voller Unfug und Unsäglichkeiten, kurzum: JASON TAKES MANHATTAN sieht dagegen aus wie ein Grübelfilm der Margarethe von Trotta. Erschwerend bei C2 ist, dass all dieser Krams zu allem Überfluss in einer Dosierung vorhanden ist, wie man sie mittlerweile eigentlich gar nicht mehr ertragen möchte – nicht einmal spärliche 82 Minuten lang und schon gar nicht, ohne dafür etwas bezahlt zu bekommen. In aller Munde war C2 – KILLERINSECT (wer denkt sich bloß solche Titel aus?) seinerzeit eh nur, weil der Film mit seinen paar Härten ungekürzt auf VHS im schnippelfreudigen Deutschland zur Verfügung stand. Und das ist schon das einzige, was sich positiv zu C2 vermelden lässt. War damals schon scheiße und ist’s, welch Wunder!, immer noch. Tonne.
#400
Geschrieben 12. August 2006, 09:43
(Australien 1979 – George Miller)
Die Biker kommen in George Millers Film denkbar schlecht weg, sind keine Aussteigertypen mit ausgeprägtem Freiheitsdrang und eigener Lebensphilosophie, sondern streifen einzig aus dem Grund durch die Lande, völlig grundlos möglichst viel Gewalt und Entsetzen zu streuen. Nachdem die Highway-Polizei eine ihrer schillerndsten Figuren nach einer spektakulären Verfolgungsjagd zur Strecke gebracht und zudem den unendich einfach gestrickten und gern zugedrönten Spaßvogel der Bande Jimmy zumindest für kurze Zeit ins Gefängnis hat verfrachten können, sinnen die Rocker um Anführer Toecutter auf Blutrache. Die gestaltet sich recht böse nimmt auch die meiste Spielzeit in MAD MAX in Beschlag. Wenn der in allen Belangen bis aufs Blut gereizte Polizist Max Rockatansky dann endlich den V8 aus der Garage holt und zum Gegenschlag auf eigene Faust ansetzt, ist der Film zu guten Stücken bereits vorbei und hat auch sein eigentliches Feuer unlängst verschossen. Das nämlich findet sich weitaus eher in den für seine Zeit unglaublichen Stunts und spektakulären Verfolgungen rund um die im Werk bedeutsame Anarchy Road. Der Straßenname ist das Programm für den ganzen Film, der in einer nahen Zukunft angesiedelt ist und spürbar Verfalls- und Untergangsstimmung verbreitet.
Auf den Gesichtern seiner Schauspieler klebt Millers Kamera nur, wenn es gerade keine Motorteile in Großaufnahme abzuschwenken gibt oder die Linse mit Hochgeschwindigkeit über den Asphalt huscht. Überhaupt lohnt sich die Untersuchung, wie verliebt sich der Film in Straßen zeigt, die sich in MAD MAX – obwohl kaum besser ausgebaut wie durchschnittliche deutsche Dorfstraßen – durch die endlose Landschaft fressen. Der Hauptteil des Films spielt auf der Straße und hat bis auf wenige andere Locations und natürlich die sehr übersichtlich gehaltene Anzahl von Innenaufnahmen überverhältnismäßig oft welche im Bild. Und demzufolge hat sich in MAD MAX auch alles der Straße unterzuordnen. Vor allem die Charaktere, so grandios sie mit Mel Gibson, Steve Bisley, Roger Ward und Hugh Keays-Byrne auch besetzt sein mögen. Nichts sind sie im Vergleich zur Straße und dem, was sich darauf abspielt. Das Gebrüll, Geblubber und Gedröhn der Maschinen ist wichtiger als jeder Dialog, die flirrende Hitze auf dem Asphalt von entscheidender Wichtigkeit. Der Film wirkt eher als das er erzählt. Die Rachegeschichte ist weder neu noch sonderlich originell, doch gerade durch die Verlagerung des Schwerpunktes auf fast schon monströse Bilder von Maschinen und Mittelstreifen, Auspuff und Reifen bis dahin einzigartig. MAD MAX ist Detailwut, die oftmals so weit geht, den Betrachter angesichts der manchmal schier wahnsinnigen Stunts in die unschöne Rolle eines Unfallgaffers zu drängen.
Der Film ist Actionbombast, der mit klugen Mitteln einfach Gestricktes pompös zu verpacken versteht. Eine Art australischer Western mit SciFi-Anstrich, unübersehbaren Anleihen beim Biker-Film der 60er, Motorengewichse satt und einer der Grundsteine apokalyptischer Weltbetrachtungen im Kino der 80er. MAD MAX und die Crashorgien von H. B. Halicki sind zudem das Nitroglyzerin des Stuntkinos der 70er, woran sich die meisten in diesem Fahrwasser schwappenden Filme bis in die Gegenwart zu messen haben. Wie unerreicht diese Filme sind, wird spätestens klar, wenn man sie den Werken voller computergenerierter Kutschen gegenüberstellt, die ein gewisser Herr Diesel, den man allein wegen seines Namens ausschließlich und wenn überhaupt in Trucker- oder Baumaschinenfilme stecken sollte, durch die Stadt manövriert, während dazu überlautes Rap-Gedödel aus dem Lautsprecher quillt. Brian Mays Musik zu MAD MAX lärmt zwar auch mit schief anmutenden Tönen nicht gerade schlecht, ist aber in jeder Szene von so wunderschöner und unschlagbarer Wuchtigkeit, dass sie allein den Film zusätzlich weit aus dem Actioneinerlei heraushebt. Gehört defintiv in jede gutsortierte Filmmusik-Sammlung. MAD MAX ohne Brian Mays Musik geht überhaupt nicht.
Insgesamt ist MAD MAX sicherlich der wichtigste Genrebeitrag des Jahres 1980 gleich neben DER EXTERMINATOR. Zugleich ist MAD MAX einer der ganz wenigen Filme, die selbst bei x-undneunzigster Betrachtung keine Abnutzungserscheinugen erkennen lassen.
#401
Geschrieben 12. August 2006, 09:44
(Frankreich 1981 – Georges Lautner)
Bebel ist Baumont, eine Art Rambo-Vorläufer, für den sein Ausbilder und Vorgesetzter nur staunende Bewunderung und Lobeshymnen übrig hat. Baumont ist mit allen Wassern gewaschen, hat härtestes Training hinter sich, kommt mit jeder Situation klar und kann sich MacGuyver-mäßig aus allen Klemmen befreien. So einen Stehaufman wie ihn lässt die französische Regierung jedoch einfach in Afrika hängen, wo er ursprünglich einen ebenso miesen wie korrupten Präsidenten hat ausschalten sollen. Während seine Mission bereits lief, hat man es sich daheim in Paris schnell noch anders überlegt und Baumont ans Messer der afrikanischen Brutalo-Justiz geliefert, bevor Schlimmes passiert. Nach zwei Jahren in knochenmahlender Strafgefangenschaft gelingt ihm die Flucht und die Rückkehr nach Paris. Dort will er nicht nur während eines Staatsbesuchs seines ehemaligen Opfers den in grauer Vorzeit erteilten Auftrag erfüllen, sondern auch mit den feinen Herren von Polizei und Geheimdienst einmal gründlich abrechnen. Belmondo trickst sich wunderschön durch den Film und kriegt mit Robert Hossein einen ebenbürtigen und ungemein harten Gegenspieler serviert. Obwohl Hossein natürlich nicht mehr so frisch aussieht wie dereinst in dem grandiosen FRIEDHOF OHNE KREUZE, kriegt er den eiskalt und nur nach eigener Schnauze operierenden Superbullen trefflich hin. Viele Worte macht er weder auf dem FRIEDHOF noch im PROFI, und wenn, dann klingt aus seinem Mund alles ungemein zynisch bis menschenverachtend. Das mag vielleicht auch an der deutschen Synchronisation liegen, die einmal mehr knallhartes Ohrenfutter aus dem Mackermaul liefert und um wirklich tolle Sprüche gar nicht verlegen ist. Formal gibt es wenig zu meckern, der Film saust und braust dahin und das Tauziehen, das alte Katz-und-Maus-Spiel und auch die Action machen wirklich Spaß. Der Trailer zu DER PROFI sah und sieht mit all dem Faustgeschwinge und Fußtretereien aus wie ein echter Chuck Norris. Die „Ernüchterung“ kommt spätestens nach dem Auftakt des Films, der mundet wie MISSING IN ACTION und DIE WILDGÄNSE KOMMEN in einem Rutsch. Statt Kloppe und Knarrengefuchtel ist mehr Taktik und Tücke gefragt, was dem PROFI aber überaus gut steht – und das Belmondo unbesiegbar ist, das weiß man sowieso. Dennoch: PROFI hatte ich spannender in Erinnerung als er sich dann beim Wiedersehen präsentierte, was allerdings zu guten Teilen auch der überaus melancholischen Musik des Herrn Morricone zuzurechnen ist. Sein bereits 1971 für MADDALENA abgeliefertes „Chi Mai“ tönt über Gebühr oft und zu jeder Gelegenheit aus dem Lautsprecher und wird trotz der Tatsache, dass es für sich genommen ein erstklassiges Stück ist, auf Dauer eine doch etwas zu exzessiv ausgereizte Nummer. Gegen die ganz großen Belmondos DIE ANGST ÜBER DER STADT und DER GREIFER kommt DER PROFI nicht so ganz heran, rangiert auf meiner persönlichen Belmondo-Rangliste dennoch sehr weit oben.
#402
Geschrieben 12. August 2006, 19:19
THEO GEGEN DEN REST DER WELT
((BR) Deutschland 1980 – Peter F. Bringmann)
Filme, in denen deutsche Musiker die Hauptrolle spielen finde ich per se schon mal scheiße. Die Musik von Westernhagen konnte ich noch nie leiden und auf der Leinwand (oder der Mattscheibe) wirkt er äußerst ungesund und so, als hätte er mal dringend was zu fressen nötig. THEO habe ich das erste mal in der Glotze gesehen, wo mir die Hatz nach dem verschwundenen Lastwagen, die Westernhagen zusammen mit seinem italienischen Kompagnon und einem schweizer Mädel veranstaltet, gleichermaßen nervig wie öde vorkam. Den Hype um den Film seinerzeit im Kino habe ich nie so ganz verstanden, der Witz des Films ist mir auch gründlich abgegangen und dann sind da ja auch noch reichlich Elemente zu verzeichnen gewesen, wie es sie sonst nur in üblen deutschen Komödien gibt. Zum Beispiel die lustigen Kartenspiele, allerlei Geschmachte und natürlich die Sache mit dem Geldeintreiber, der wie ein unheilvoller Geist an all den Orten zugegen ist, an die es Theo und sein Gefolge verschlagen hat. Immerhin taugt er in einer prekären Situation als rettender deus ex machina, aber ansonsten ist die Figur nur dazu gut, mächtig unnötigen Dampf zu produzieren, wo doch der Film eh schon am Rande der Erträglichkeit hyperventiliert, was auf Dauer überaus anstrengend ist. Ganz schlimm und fürchterlich auf den Wecker fallend: Die ebenfalls immer wieder auftauchende Familie mit ihrem Wohnwagen. Was bei Polt gut funktioniert, muss sich hier versagen. Eine richtige Pott-Milieustudie mit Theo als armen Stückgutschlucker, der vom Kistenheben schon lange Arme hat und wie ein Schlot Gitanes raucht, wäre mir deutlich lieber gewesen als dieser hektische Reisefirlefanz. Einzig die Tatsache, dass es deutsche Roadmovies nicht gerade wie Sand am Meer gibt, hebt THEO noch etwas. Stellt sich nur die Frage, warum diese eh schon seltenen Beiträge dann auch noch mit komödiantischen Anteilen verdummblödelt werden müssen. So lustig ist es ja nun wirklich nicht, Hunderte oder Tausende von Kilometern durch die Landschaft zu gurken.
#403
Geschrieben 12. August 2006, 19:21
(Großbritannien 1959 – J. Lee Thompson)
Noch schnell 95 Kröten Heuer vom Zahlmeister abholen, schon ist der polnische Seemann Kurczinsky auf dem Weg zum heruntergekommenen Haus seiner Freundin. Die jedoch hat sich unlängst nach einer neuen Bleibe und einer neuen Bekanntschaft umgetan. Was Kurczinsky bleibt sind Mietschulden und viele schlechte Gefühle, die ihren erruptiven Ausbruch erleben, als er von der von ihm aufgespürten Dame seines Herzens einen Revolver unter die Nase gehalten bekommt. Schüsse fallen, die Frau sinkt zu Boden. Das kleine Mädchen Gillie hat die Szene heimlich vom Briefschlitz aus mitverfolgt. Nach anfänglicher Flucht und Panik freundet sie sich mit Kurczinsky an, lernt seine Motive zu verstehen und will gar mit dem viel älteren Mann auf dem nächstbesten Frachter durchbrennen. Doch die Polizei ist investigativ ordentlich unterwegs und betreibt mit Hochdruck die Aufklärung des Falles, wobei neben der Tatsache, dass es Gillie aus freundschaftlicher Verbundenheit fast gelingt, den falschen Verdächtigen ans Messer zu liefern vor allem das dramatische Finale in und um die Dreimeilenzone auf hoher See in Erinnerung bleiben. Neben Horst Buchholz, der so gut spielt, dass man bei jeder Szene mit ihm schier in Verzückung geraten möchte, ist vor allem die kleine Hayley Mills außerordentlich bemerkenswert in der Rolle der Gillis. Und gute Kinderdarsteller sind ja sowieso überaus selten, weil man ständig die Hasenzähne aus den USA der 80er und 90er vor Augen hat, die man einfach zu häufig hat ertragen müssen.
Neben seiner Funktion als packender und in der Tat äußerst stimmungsvoller Thriller schlägt der Film dank seiner Gewichtung auf das kleine Mädchen auch in geringerer Dosierung sozialdramatische Töne an und verdeutlicht auch etwas von dem Reifungsprozess, den die kleine Gillis durchläuft. Schade ist, dass man in der Wühlkiste tief Richtung Grund buddeln muss, um so einen wirklich tollen Film auszugraben. Werde auf jeden Fall wieder bedenkenlos zuschlagen, wenn sich der nächste J. Lee Thompson darin zeigen sollte.
#404
Geschrieben 13. August 2006, 09:34
MEIN NAME IST NOBODY
(Italien/Frankreich/(BR) Deutschland 1973 – Tonino Valerii)
Der alternde Revolverheld Jack Beauregard will sich aus dem blutigen Geschäft zurückziehen und nach Europa absetzen. Ihm in den Weg stellt sich der aus dem Nichts auftauchende Spaßvogel Nobody, der sich den Abgang seines Helden jedoch ganz anders vorstellt, zumal Beauregard noch eine offene Rechnung mit dem äußerst skrupellosen und betrügerischen Besitzer einer wertlosen Goldmine hat.
Dass Valerii bei Leone gut abzuschauen gelernt hat, sieht man schon bei der erstklassigen Eröffnungsszene des Films, ein witziger Verhau der ersten Minuten von SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD. Überhaupt ist NOBODY voll mit Zitaten und Anspielungen, die die Funktion eines Resümees des amerikanischen und europäischen Westernkinos der 60er Jahre erfüllen und an dessen Ende der Film das Genre durchaus mit ein wenig Wehmut zu Grabe trägt: Der Revolverheld ist tot, es lebe der Revolverheld. Das ist natürlich nur bedingt ernstzunehmen, auch wenn auf einem Friedhof im Film Sam Peckinpah schon lange in der Erde fault und die „wilde Horde“ während des Verlaufs von NOBODY endgültig der Dezimierung auf Null anheim fällt. In MEIN NAME IST NOBODY vermischen sich ziemlich geglückt Kalauereien mit todernsten Szenen zu einem unterhaltsamen Gemisch aus stellenweise handlungsfernen Episoden, die jedoch nicht wenig den großen Reiz des Films ausmachen und MEIN NAME IST NOBODY zu einer sehr luftig zusammenmontierten Nummer werden lassen. Zwei Stunden Spielzeit merkt man dem Film nicht an, der auch allein der schönen Bilder wegen immer wieder sehr hübsch anzuschauen ist, zumal die deutsche DVD-Veröffentlichung in der allerhöchsten Liga mitspielen kann. (Die deutsche Synchronfassung von Herrn Brandt, der sich deshalb auch gleich genötigt sah, einen Credit in den deutschen Vorspann schreiben zu lassen, sowieso.)
#405
Geschrieben 13. August 2006, 15:22
((BR)Deutschland/Frankreich 1965 – Fritz Umgelter)
Gangster rauben brutal und rücksichtslos wertvolle Dinge, von deren Existenz sie eigentlich gar nichts wissen können und hinterlassen außer niedergeballerten Leichen keine weiteren Spuren. Beim FBI kratzt man sich noch verwundert die Birne, da schleust sich Jerry Cotton beim Hauptverdächtigen, dem schmierigen Geschäftsmann Cristallo, in die Organisation und muss feststellen, dass da wesentlich angeseheneres Volk die Strippen zieht. Das Finale findet auf hoher See statt, vorher dürfen sich noch allerlei Ereignisse zur Spannungsbildung überschlagen, damit dem Werk nicht vorzeitig die Puste ausgeht.
Überaus witzig ist der kurze Moment im FBI-Ausbildungslager, das mehr aussieht wie ein Trimm-dich-Pfad im niederrheinischen Forst denn eine behördliche Anstalt zur Stählung von Agenten. Auch schöne Archivaufnahmen von Telefonfräulein und Angestellten, die mit dem Zeigefinger über Kartenmaterial fahren, sind an den entscheidenden Stellen eingeklebt und helfen bei der Unterfütterung der Polizeigeschichte mit dokumentarisch angestrichenen Alltags-Glaubwürdigkeiten. Dafür sehen die einkopierten Holper-Aufnahmen New Yorks alles andere als überzeugend aus. SCHÜSSE AUS DEM GEIGENKASTEN ist solide, lässt die kraftmeiernden Gewalttätigkeiten und auch das gewisse Maß an Schnelligkeit noch vermissen, was die späteren Werke der Serie erst zu halbwegs ernstzunehmenden Actiongranaten deutscher Filmkunst werden ließ. Man nimmt den GEIGENKASTEN auch ohne derlei mit und ist trotzdem zufrieden.
#406
Geschrieben 13. August 2006, 15:23
(Großbritannien/USA 2001 – Chris Columbus)
junge wächst als vollwaise bei seinen bösen verwandten auf +++ stop +++ kommt dann wider deren willen in eine hexenschule +++ stop +++ muss zusammen mit schulkameraden wertvollen zauberstein vor bösen mächten retten +++ stop +++ computereffekte en masse und niddelige bis nervtötende musik von john williams +++ chris columbus kann nix +++ stop +++ scheißfilm +++ stop
#407
Geschrieben 14. August 2006, 16:25
(Australien 1981 – George Miller)
Die Welt ist endgültig ruiniert. Ölknappheit, Aufstände, Umstürze und Krieg haben die Zivilisation vom Erdball getilgt. Gesellschaftliche Ordnung gibt es keine mehr, die Überlebenden haben sich zu Gruppen zusammengeschlossen, die entweder eine Art Neuanfang unternehmen, oder aber marodierend über das Land ziehen, um den anderen ihre letzten kärglichen Besitztümer wegzunehmen. Max ist zum „ausgebrannten Einzelgänger“ geworden, der allein durch die Weiten Australiens zieht und sich kaum besser ausnimmt als die Bande rund um den muskelbepackten und dauermaskierten Anführer Humungus.
Humungus belagert eine Öl-Pumpstation mitten in der Wüste, in die sich die letzten Überlebenden der Region verbarrikadiert haben. Diese können trotz besserer Ausrüstung kaum mehr Widerstand leisten und tragen sich mit Fluchtgedanken. Einen Tankzug mit 30.000 Litern Sprit soll zudem mit ins vermeindliche 2000 Meilen entfernte Paradies gefahren werden – und das schwere Gefährt soll Max durch die Übermacht von Humungus blutgieriger Horde führen.
MAD MAX 2 ist aufgezogen wie ein Ritterfilm, und hat auf seine Weise mehr mit Romeros kurz zuvor gelaufenen KNIGHTRIDERS gemein als mit dem Vorgängerfilm der Serie. Wie in Romeros Film geht es auch in MAD MAX 2 neben all den waghalsigen Aktionen um Loyalität und den gemeinsamen Kampf für die gute Sache, zu der „Burgvogt“ Papagallo im Film erst einmal alle auf Linie bringen muss. Die Pumpstation ist seine unbezwingbare Burg, Humungus eine Art abtrünniger Schwarzer Ritter, der mit den heeren Zielen seiner Zunft unlängst gebrochen hat und nun mitsamt seinem liderlichen Gefolge hämmernd und lärmend am Tor Einlass verlangt. Wie im tiefsten Mittelalter haut man sich vorwiegend mit der Keule, verschießt Pfeile und kippt kochendes Pech von den Zinnen - in MAD MAX 2 wenigstens das in moderner Weise mittels selbstkonstruierter Flammenwerfer.
All das Gerangel ist bereits ungeheuer eindrucksvoll und eine Schau für sich, jedoch nichts im Vergleich zum packenden Finale des Films, der Verfolgung des Tankzugs durch die Wüste, das mit der gewaltigen Explosion der Pumpstation eingeläutet wird. MAD MAX 2 spielt dabei alle Trümpfe aus, reiht in einer das Original noch weit überbietenden Art und Weise Knochenbruch und Achsbruch zusammen, lässt unter allerlei Gejohle Menschen unter die Räder kommen und keine Gelegenheit verstreichen, unglaubliche Stunts zu zeigen, bei denen man kaum glauben kann, dass es dabei tatsächlich Überlebende gegeben hat. Am Ende auf der Straße kämpft jeder für sich allein, wenngleich die Filmversion sich etwas entschärfter gibt und die ursprünglich geplante Idee ausspart, bei der sich auch Anführer Papagallo als Schwein entpuppt, dem das Öl über das Leben seiner Nächsten geht. Die dürfen dann einmal mehr auf Rettung vor der wilden Horde durch Max hoffen.
Obwohl die deutsche Synchro hier und da Hasen aus dem Zylinder zaubert und auch dann geplappert wird, wenn in der OF Funktstille herrscht, ist sie doch eine ernstzunehmende Konkurrenz. Die von Humungus ins Mikro seines Wagens gebellten Kommandos sind in der OF größtenteils absolut unverständlich und gehen meistens im Gebrüll der Motoren unter, in der deutschen Fassung hingegen hat man sich da mehr Mühe gegeben und lässt statt Genuschel strategisch Gewichtiges wie „Die schwulen Biker auf die linke Seite, die Höllenhunde zum Tor!“ aus den Boxen schallen. Schade, dass derlei in der Dolby-Stereo-Kinofassung besser zu hören ist als auf dem eigentlich höherwertigem 5.1-Mix der DVD-Version.
MAD MAX 2 ist nicht frei von Spekulationen über eine Fülle von Szenen, die gedreht wurden, jedoch in den Kinofassungen nicht enthalten sind. Bekannt sind die zusätzlichen Momente, die sich in der australischen TV-Fassung finden lassen. Wichtiger wäre der Verbleib von Szene 144, in der in Großaufnahme ein unter den Auflieger krachendes Motorrad den Ablass des Tankers beschädigt, worauf stetig Sand auf die Straße rieselt. Die Folgen von Szene 144 sind in allen Schnittfassungen des Films zu sehen, nehmen jedoch nur bei aufmerksamer Betrachtung den Clou der Geschichte vorweg. Das ursprünglich geplante Ende, bei dem Wez und Humungus den umgekippten Tanker entern und das Debakel mit der Sandfüllung dazu führt, dass Wez wutentbrannt eine mehrschüssige Armbrust ins Gesicht von Humungus entleert, wäre zudem eine weitaus sinnvollere Konsequenz aus Szene 144 als die Tötung der beiden bösen Charaktere in einem Crash am Ende der Verfolgung. Stellt sich die Frage, inwieweit das Drehbuch noch kurz vor oder gar während der Dreharbeiten umgebogen und nachbearbeitet wurde. Möglicherweise bringt eines Tages die seit Jahren angekündigte Special Edition (die dann hoffentlich auch auf dem intakten australischen Print des Films beruht und nicht abermals auf der geschnittenen amerikanischen Version) Licht ins Dunkel. Unlängst zu vernehmen war ja bereits, dass Vernon Wells einen Audiokommentar für diese Edition beigesteuert haben soll.
#408
Geschrieben 14. August 2006, 16:26
SIE NANNTEN IHN MÜCKE
((BR) Deutschland/Italien 1978 – Michele Lupo)
Im Original ist der Spencer der Bulldozer, in der deutschen Fassung nur die Mücke, aus der dank den Synchronkünsten eines Herrn Brandt jedoch ein ausgewachsener Elefant wird. Und der legt sich mit US-Soldaten an, die von Raimund Harmstorf geführt werden. Der Raimund quetscht keine Kartoffeln, dafür aber Arme – außerdem ist er der Trainer einer unschlagbar rabiaten Football-Mannschaft. Mücke entpuppt sich als einstiger Gigant in dieser Sportart und bildet einen Haufen Knalltüten zu veritablen Gegnern aus, damit die blasierten Amis mal was auf die Mütze kriegen. Am Ende mischen Spencer und Harmstorf kurz selbst mit, was dann einem waschechten Duell gleichkommt. Die größten Klöpse liefert natürlich die deutsche Sprachfassung, die mit Blödeleien wie „Ist ja hier wie Am laufenden Band mit Carell!“ mittlerweile fast so etwas wie Insiderwitze abfeuert, mit denen die Generation '90 kaum mehr etwas anzufangen wissen dürfte. Das macht SIE NANNTEN IHN MÜCKE zwar nicht wirklich besser, aber der damit in den 70ern ausgeworfene Anker sitzt noch und macht den Film trotz erheblichen Stuss-Faktor nicht wenig sympathisch. Obwohl ich MÜCKE erst wesentlich später gesehen habe, ist er sowieso allein deswegen schon von Bedeutung, weil er Ende der 70er eine Kinobombe war, an der man kaum vorbei kam. Filme mit Harmstorf sind außerdem immer die Investition von eineinhalb Stunden wert, wenn ich auch SIEGFRIED UND DAS SAGENHAFTE LIEBESLEBEN DER NIBELUNGEN („Man kredenze mir den Begrüßungstrunk!“) und vor allem BLUTIGER FREITAG jederzeit der MÜCKE vorziehen würde.
#409
Geschrieben 14. August 2006, 18:39
(Großbritannien/USA 2002 – Chris Columbus)
achtung +++ stop +++ harry potter wieder in voller aktion +++ stop +++ flugzeug der marke trabant gesichtet +++ stop +++ in der hexenschule häufen sich fälle spontanter menschenversteinerungen +++ stop +++ unterm abfluss wartete eine riesenschlange +++ stop +++ nur harry potter und ein roter flattervogel können das unheil abwenden +++ stop +++ neuer hausrekord +++ stop +++ viermal kurz eingeschlafen +++ stop +++ begeisterung überall +++ meisterregisseur chris columbus hat alle erwartungen übertroffen +++ stop +++ hätte tankwart werden sollen +++ stop +++ bereits jetzt schon unbändige vorfreude allerorts auf teil drei: harry potter und die fliegenden monster von osaka +++ stop
#410
Geschrieben 15. August 2006, 18:27
(USA 1987 – Tibor Takács)
Ein Baum im Garten wird gefällt, darunter tut sich ein Erdloch auf, aus dem sich nach dem achtlosen Gebrauch einer magischen Formel allerlei Unheil über die Welt ergießt. Und weil die Eltern gerade für drei Tage weggefahren sind, müssen Schwesterchen und Brüderchen nebst seinem leicht meschuggen Freund der Gefahr allein trotzen, wozu auch Beschwörungsformeln vom Metal-Album zu Rate gezogen werden. Weil unter anderem wirklich tolle Stop-Motion-Effekte beigemengt sind, macht das Ganze sogar verhältnismäßig Spaß, obwohl die Jahre, die bereits über ihnen hinweggeflossen sind, Filmen dieser Machart erfahrungsgemäß gar nicht gut bekommen. Immerhin gibt’s oberflächlich kaum mehr abzugreifen als eine Kinder- und Teenie-Posse aus dem Fahrwasser damaligen Modehorrors von der Stange, an der auch so Sachen wie TERROR VISION (bitte eine DVD davon!), MONSTER SQUAD und RAGMAN hängen. THE GATE ist jedoch überdurchschnittlich phantasievoll, nicht ohne Humor und persifliert auch hier und da milde aber anständig das Gruselkino seiner Zeit. Derartiges fällt natürlich erst so richtig mit dem Abstand einiger Jahre auf und täuscht auch nicht wirklich darüber hinweg, dass THE GATE zwar tolle Zutaten und Ideen bietet, man am Ende aber nicht wirklich einen Film von durchgehend brauchbarer Substanz gesehen hat. Das ist ungemein schade, da eine bessere um die Effekte gewickelte Geschichte mit etwas mehr Tiefe THE GATE zu einem Genrevertreter hätte ausbauen können, der nicht bereits nach 20 Jahren bereits so angewelkt wirkt und aus jeder Pore nach den späten 80ern stinkt.
#411
Geschrieben 15. August 2006, 18:28
(Großbritannien/USA 2004 – Alfonso Cuarón)
Bitte verwenden Sie folgende Schlagzeilen für Ihre Werbung:
- Der Himmel verdunkelt sich, K – Die Kralle kommt!
- Harry Potter und Charles Manson erstmals gemeinsam in einem Film!
- Der Feuertanz des Werwolf-Paukers!
- Von den Machern von DIE NACHT DER REITENDEN LEICHEN
- Der neue Hit aus USA: Fliegende Zombies!
- Sei fit, grusel mit!
#412
Geschrieben 16. August 2006, 19:11
(USA 1978 – John Carpenter)
Warum und wieso der Film so erfolgreich war, erschließt sich mir noch immer nicht. Zwar muss man Carpenter zugestehen, dass er seine überaus schönen Scope-Bilder exzellent mit Musik zu unterlegen versteht, aber inhaltlich ist HALLOWEEN zweifelsohne noch ein größerer Käse als andere Schlitzerfilme, die Carpenters Weckruf folgten. So richtig schmerzhaft wird dies, wenn man HALLOWEEN mehrmals sieht, der ohnehin nicht sonderlich ziehende Grusel gelegt hat und sich dafür immense Löcher in der Logik der ganzen Unternehmung auftun. Während Michael Myers den Mord an seiner Schwester vorbereitet und sich mit Maske und Messer ausstattet, vergehen im Film knapp zwei Minuten. Zeit genug allerdings, dass Judith Myers mit ihrem Freund ins oberste Stockwerk des Hauses verschwindet, ein Nümmerchen schiebt und der Freund anschließend wieder komplett angezogen das Haus verlässt. Alles in rund zwei Minuten, die der Film fast in einer einzigen Einstellung ablaufen lässt. Solche höchst blöden Momente gibt es in anderen oft beschimpften Werken des Subgenres in so geballter Form nicht zu sehen. Bei Carpenter schon, der sich außerdem ziert und scheut, die wirklich interessanten Aspekte seiner Kopfgeburt (beispielsweise den Ausbruch Michael Myers aus der Hochsicherheitsklapse) überhaupt näher ins Spiel zu bringen.
Dafür hält sich der Film mit dem völlig unrelevanten Beziehungsgeflechten von Rührmichnichtan Jamie Lee Curtis und ihren Freundinnen P. J. Soles und Nancy Loomis auf, die ihre Jobs als Babysitter dazu mißbrauchen, die in ihrer Obhut befindlichen Kinder eiskalt abzuschieben und in den Ehebetten der fremden Häusern mit ihren einbestellten Lovern Knallepengpeng zu betreiben. Schon erstaunlich zudem die Sorglosigkeit dahingehend, dass beim Verlassen der Häuser generell die Haustür nicht verschlossen wird und auch der eingeschaltete Fernseher sich selbst überlassen bleibt. Geradewegs möchte man den achtlosen Uschen ins Gesicht brüllen, dass sie es gar nicht besser verdient haben, wenn der Butzemann sie schlitzen kommt.
Kein Wunder daher, dass der Schwarze Mann alle Sympathien auf sich vereinen kann und zum Horrorhelden wird, der sich jahrelang durch dulle Fortsetzungen schneiden darf.
Der interessanteste Aspekt von HALLOWEEN wird komischerweise überhaupt nicht weiter berücksichtigt, und zwar, dass Myers eine eigentlich sensationelle Wandlung vom Psychopathen zum übermenschlichen Monster durchläuft. Aber das kann man von einem Film vielleicht auch nicht erwarten, der im Abspann einmal einen sechsjährigen Michael Myers und einen 23 Jahre alten verkauft, während zwischen dem Abschlachten von Myers Schwester und der Halloween-Nacht 1978 allerdings nur 15 Jahre liegen. Selbst das Lösen dieser simplen Rechenaufgabe haben Carpenter und Hill nicht hinbekommen.
#413
Geschrieben 16. August 2006, 19:12
((BR) Deutschland 1969 – Harald Schäfer)
Im Gegensatz zu dem Kinoquatsch aus dem Computer und der auch unlängst bei RTL abgefeierten Prime-Time-Vergackeierung gibt sich das Original von 1969 aus der Augsburger Puppenkiste geradezu kritisch und orientiert sich irgendwo links. Der Adlatus des schießwütigen Königs ist gekleidet in den Farben der amerikanischen Flagge und zieht mit seinem Chef, dem Großwild-Cowboy, und allei Technik gegen den guten Professor Habakuk zu Felde, der mit seinen sabbelnden Tieren wie in einer Art Komune lebt. Auf Habakuks Insel macht jeder sein Ding, ohne dass ihm einer reinpfuscht, nur mit den Drogen haben es die nicht so, obwohl man schon meinen könnte, die Tiere werfen sich hin und wieder was ein. Der König will neben der Jagd auf den grünen Dino vor allem Ordnung herstellen, scheitert daran aber am Ende, weil er sich in seiner Raserei völlig verzettelt und die Hilfe der freiheitsliebenden Flower-Power-Tiere benötigt, die lieber auf einem Felsen herumhocken und schief und krumm singen als sich einem Zwang zu unterwerfen. Für ein Fernsehstück also ganz schön mutig und nicht nur für Kinners was. Außerdem toll, welche über Jahrzehnte verlorenen Erinnerungen sich beim Betrachten von alten Puppenkisten-Filmen immer wieder einstellen.
#414
Geschrieben 18. August 2006, 08:48
(USA 1967 – Peter Bogdanovich)
Der bereits ziemlich greise Horrorfilmstar Orlok tritt überraschend aus dem Showbusiness zurück und will seine letzten Tage in Großbritannien verbringen. Sein letzter Auftritt soll bei der Premiere seines letzten Films in einem Autokino stattfinden. Unterdessen hat ein schießwütiger Massenmörder seine Familie ausgelöscht und zudem auf dem Highway nahe des Kinos wahllos Autofahrer erschossen. Vor der Polizei flüchtet er in das Kino und bezieht auf dem Gerüst hinter der Leinwand Stellung. Während die Vorstellung läuft und Orloks Auftritt kurz bevor steht, fängt er an, abermals wild um sich zu ballern.
Die wirren Produktionsbedingungen, unter denen BEWEGLICHE ZIELE entstand, sind legendär. Die beiden zunächst völlig unabhängig voneinander ablaufenden Erzählstränge berühren sich am Ende nur minimal, trotzdem ist von Beginn an klar, das beide Hand in Hand gehen. Karloff, der für den klassischen Gruselfilm steht, muss sich dem kalten und motivationslosen Grauen moderner Unterhaltung am Ende stellen. Der Killer fällt zu einem jammernden Bündel zusammen, Orloks Größe indes bleibt unberührt, mehrt sich gar noch und aus der Konfrontation kann nur er klar als Sieger hervorgehen. Was anderes lässt Bogdanovichs Film, der dennoch ein großartiges Werk über das Kino und den Horrorfilm ist, nicht zu. Sein Urteil gibt er in BEWEGLICHE ZIELE zwar etwas zu pauschal ab, wenn man sich kurz zuvor C2 und (meinetwegen) DEATH BED angesehen hat, kommt man jedoch durchaus in die Versuchung, freudig zu bejahen und emsig mit dem Kopf zu nicken. DEATH BED habe ich neulich nach etwas über 10 Minuten abschalten müssen, weil ungenießbar und definitiv Classificada „S“, wobei das „S“ für Suff steht, in welchem Zustand DEATH BED möglicherweise zu ertragen wäre. Jedenfalls muss man natürlich festhalten, dass mit
THE TERROR – SCHLOSS DES SCHRECKENS
(USA 1963 – Roger Corman, Francis Ford Coppola, Monte Hellman, Jack Hill, Jack Nicolson)
nun auch nicht gerade das Urgestein klassischer Gruselunterhaltung ins Feld geführt wurde, sondern ein ziemlicher Gurkenpaule, der allein im hochdramatischen Finale am Kragen zu packen versteht. Ein immer wieder erschreckend junger Jack Nicholson verfällt als wackerer Leutnant André Duvalier aus der vordersten Reihe von Napoleons Eroberungstruppe dem Charme einer unbekannten Schönen unweit eines alten Gemäuers. Trotz eindringlicher Warnungen der obligatorischen Dorfschrulle folgt er dem Mädchen bis in das verlassene Schloss des Barons von Leppe, der dort allein mit seinem Diener die letzten Tage seines Lebens verbringt. Von Leppe beteuert, dass bei ihm kein schönes junges Mädchen wohne, doch der kecke André lässt nicht locker und gerät schließlich in einen ziemlich tiefen Sumpf aus Eifersuchtsdramatik, Gespensterseherei und zwei überraschenden Wendungen, die THE TERROR zusammen mit der Rahmenhandlung, bei der Dick Miller als von Leppes ehemaliger Diener das Gruselding seinem Henker erzählt, die Klippe von 90 Minuten Spielzeit nehmen lassen. THE TERROR wurde in den bestehenden Sets des ungleich besseren Corman-Films DER RABE gedreht, die wirklich prächtig anzusehen sind und sicherlich auch den Grund dafür darstellen, dass man Karloff und Nicholson weit über Gebühr dort hat durchlaufen lassen. Abgesehen von ein paar solchermaßen ins Spiel gebrachten Zeitschindereien ist THE TERROR ein durchaus angenehmer Film, allemal, da die deutsche DVD ein vergleichsweise tolles Bild mit satten Farben bietet, woraus der Grusler schließlich auch Leben zieht. Mehr stört da schon die von Teenagermund verbrochene Billigsynchro, die sich gar nicht gut verknusen lässt – und nicht zu vergessen die Tatsache, dass einige Stellen des Soundtracks – aus welchen Gründen auch immer – durch ein auf Klassik & Chor getrimmtes Gedudel aus der Bontempi-Orgel ersetzt wurden. Auf den O-Ton lässt sich auch nicht umschalten, weswegen es wohl doch nicht so schlecht ist, die US-Billig-DVD von THE TERROR mit dem schlechteren Bild zu behalten, die ich, obwohl bereits eine halbe Stunde auf Knien durch die untersten Regalreihen rutschend, dummerweise nicht mehr wiederfinden kann. Das ruiniert mir gerade etwas den Tag. Aufhellen ließe er sich vielleicht mit der nochmaligen Betrachtung der Einleitung von Peter Bogdanovich zu BEWEGLICHE ZIELE. Nicht so sehr deswegen, was er sagt, sondern vielmehr, wie man für die deutsche Fassung untertitelt hat. Obwohl Bogdanovich ausnahmslos und ausschließlich über die in BEWEGLICHE ZIELE eingefügten Szenen aus THE TERROR spricht, verkaufen die Untertitel diesen beharrlich als Howard Hawks’ DAS STRAFGESETZBUCH, welcher in BEWEGLICHE ZIELE allerdings nur mit einem kurzen Ausschnitt Berücksichtigung findet. Sinnentstellend, witzig und vor allem peinlich.
#415
Geschrieben 18. August 2006, 12:23
DIE TODESKRALLE SCHLÄGT WIEDER ZU
(Hongkong 1972 – Bruce Lee)
Chen, die junge Chefin eines China-Restaurants in Rom hat Probleme mit einer mafios auftretenden Bande, die sie zum Verkauf ihrer Bude drängt. Als zudem Chens Vater stirbt, weiß sie sich keinen anderen Rat, als ihrem Onkel in Hongkong zu schreiben, der ihr doch bitte schnellstmöglich einen patenten Anwalt vorbeischicken möchte. Statt eines Pragraphenverdrehers steht eines Tages jedoch der Bauernbursche Tang Lung am Flughafen zur Abholung bereit. Alle wundern sich nicht schlecht, was Tang wohl gegen die mit allen gesetzeswidrigen Wassern gewaschene Bande ausrichten kann, bis dieser seine unbezwingbaren Fäuste aus der Tasche holt und sich selbst gegen Heckenschütz und dem amerikanischen Superfighter Herrn Colt zu wehren weiß. Colt wird gespielt von Chuck Norris, dem Bruce Lee während des großen Showdowns im Colosseum einen auf der Tonspur mit Knick und Knack angereicherten Genickbruch verschafft. Auch allen anderen ihm die Quere kommenden und vom Mafia-Chef in ziemlicher Breite aufgestellten Fightern aus Japan und sonstwoher haut Lee gehörig die Fresse blau, wenn er sich nicht einen Jux daraus macht, sie gehörig zu blamieren. DIE TODESKRALLE SCHLÄGT WIEDER ZU ist zwar durchaus nicht ohne Komik, die hält sich allerdings mit erstklassigen Mackerszenen gut die Waage und stört daher nicht weiter. Vom ansonsten eher drösigen Humor chinesischer Filme zeigen sich die Abenteuer von Bruze Lee ja sowieso weitestgehend befreit, was die Freude mit den Werken auch nach mehreren Jahrzehnten ungetrübt lässt. DIE TODESKRALLE SCHLÄGT WIEDER ZU lebt selbstverständlich vor allem durch die exzellent choreografierten Fights, die ihresgleichen suchen. Bemerkenswert ist aber auch, dass sich für den Film erprobte Kampfsport-Weltmeister und Träger zahlreicher Dans von Lee die Hucke vollschlagen lassen, was zu sehen das Vergnügen mit dem Film nicht wenig steigert. Von den wenigen Filmen mit dem Bruzen ist DIE TODESKRALLE SCHLÄGT WIEDER ZU allein deshalb nach wie vor mein persönlicher Favorit, wenn ich es mir recht überlege.
#416
Geschrieben 18. August 2006, 17:10
(USA 2003 – James Cox)
Der Film versucht sich in der Rekonstruktion der Vorfälle um die Wonderland-Morde, in die der US-Pornostar und Schwanzus longus John Holmes verstrickt war. Bekommt man zunächst den Fall einmal aus der Sicht von David Lind geschildert, der bei den Überfällen auf den als ungemein skrupellosen geltenden Gangster Eddie Nash auf jeden Fall dabei gewesen ist, die zur titelgebenden Bluttat führten, gibt es im zweiten Aufwasch den Ablauf noch einmal aus der Perspektive von John Holmes. Val Kilmer sieht mit seiner etwas platten Nase (an der sich der Johannes eines Holmes keinesfalls zu erkennen gibt) nicht so aus wie der Pornostar, dafür verschnabuliert er in WONDERLAND Drogen für vier, was umso glaubwürdiger vonstatten geht.
WONDERLAND kreist lediglich um den Mordfall und versucht sich nicht in der moralischen Bewertung der Pornoindustrie, obwohl die Tatsache, dass John Holmes in die Sache verstrickt war, überhaupt erst Aufhänger des ganzen Filmes ist. Ganz groß ist WONDERLAND darin, ein Stimmungsbild der 70er und 80er Jahre zu erzeugen, das jedoch nach Meinung des Streifens ein ungemein glanzloses und ausnahmslos dreckiges ist. Dazu dudelt auch – wie es sich gehört – jede Menge Musik aus jener Zeit und die Leute tragen tolle Anziehsachen zur Schau. Etwas blöde nur, dass der Film sich zwar in einer verruchten Vergangenheit suhlt, sich dazu aber des hektischen Schnittes und des schnellen Wackelstils des frischen Jahrtausends bedient, anstatt sich auch dahingehend anzupassen. Mir persönlich hätte ein Film, der auch nach frühen 80ern aussieht und sie nicht nur inhaltlich vozugaukeln sucht, doch weitaus besser gefallen. Am Rande sind noch zwei bemerkenswerte Figuren zu verbuchen: Prinzessin Leia ist als trinige Sozialarbeiterin unterwegs und sieht ganz schön angeknuspert aus, Paris Hilton hat einen Kurzauftritt als das, was sie ist: eine Hupfdohle, die nach nicht einmal einer Minute Präsenz des Bildes verwiesen wird. Solche Kleinigkeiten lenken ein hin und wieder ein wenig vom Film ab, der sich aber sowieso eher als reinrassiger Thriller und Momentaufnahme sieht und weniger als Biopic zum Mit(er)leben. Zum tieferen Eintauchen in die Materie eignet sich die mitgereichte Dokumentation WADD über John Holmes auf der zweiten mitgelieferten DVD sowieso weitaus besser.
#418
Geschrieben 04. September 2006, 15:08
(USA 1965 – Russ Meyer)
Mit Motocross-Maschinen, kaum größer als eine Zündapp, kurven drei Tunichtguts kreuz und quer durch die Wüste auf ihrem Weg nach Las Vegas. Mutig, mutig! Unterwegs versteigen sie sich in Brutalitäten und Abscheulichkeiten, die nach einer Belästigung und einer Vergewaltigung schließlich auch in Mord und Totschlag gipfeln. Was seiner knackigen Frau wiederfahren ist, sieht der Tierdoktor Maddox nicht so gerne und hetzt, nachdem sich die Polizei einmal mehr ungemein dusselig und unkooperativ angestellt hat, auf eigene Faust der Clique hinterher, deren Anführer sich, was wenig wundert, als waschechter Psychopath herausstellt, der am Ende hinter jedem Busch einen Kommunisten vermutet. Damals direkt in einem Rutsch mit dem ungleich schöneren DIE SATANSWEIBER VON TITTFIELD gesehen, kann MOTOR PSYCHO natürlich nur verlieren. Auch die Tatsache, dass Meyers Film im Grunde alle wichtigen Elemente eines waschechten Rape’n’Revenge-Happens bietet, konnten seinerzeit nicht wirklich fruchten. Jetzt dafür umso mehr, zumal ich selbst der dicktittigen und sich dem Tierarzt an den Hals schmeißenden Pferdefrau Sharon Lee mit dem häßlichen Gesicht und ihrem blöden Catsuit etwas abgewinnen kann. Kein Wunder, dass John Waters die Filme von Russ Meyer so schätzt. Dass Haji in dem gleich nach MOTOR PSYCHO gedrehten SATANSWEIBERN die bessere und in sich glaubwürdigere Rolle hat, stört mich auch nicht mehr, zumal sie in MOTOR PSYCHO bei genauerer Betrachtung die eindeutig bessere Szene hat – und zwar, wenn sie Maddox das Schlangengift aus dem Bein saugt und er wie in sexueller Ekstase „Suck it! Suck it!“ schreit. Außerdem ist mir mittlerweile klar, warum und wieso selbst bei dieser Gelegenheit nicht Hajis Titten aus dem Abendkleid rutschen. Hinzuzulernen war, dass diese einfach mit doppelseitigen Klebeband am dünnen Stoff hängen. Solch eine einfache Lösung wollte mir damals überhaupt nicht in den Sinn. Zu Beginn gibt’s in MOTOR PSYCHO liederliche Melodien - mal schwülstig und rotlichtern, mal brausend und tosend - von Captain Cook und seine singenden Saxophone, zum Finale ordentlich was auf die Pauke. Auch das hat mir enorm gefallen.
#419
Geschrieben 04. September 2006, 15:13
(USA 1945 – Bruce Humberstone)
Nach dem ultradoofen Bonbon-Aufwasch HANS CHRISTIAN ANDERSEN UND DIE TÄNZERIN habe ich mir eigentlich geschworen, keine weiteren Filme mit Danny Kaye mehr anzusehen. Der Inhalt auf dem Cover der BRUDER-DVD liest sich so, dass eine Mischung aus Thriller und Geisterfilm dabei herauskommt. In den Player gelegt, bekommt man neben einem bröseligen Bild und einer nervigen TV-Synchronisation zunächst einmal rund 12 Minuten lang Kaye-Unsinn und Tanznummern serviert, die all das, was auf dem Cover steht, durchaus als Etikettenschwindel erscheinen lassen. Danach wird es auch nicht besser, weil der Kaye zwar den Filmtod erleidet, dann aber als Zwillingsbruder und Geistererscheinung, also in doppelter Dosierung, seine Auferstehung feiert. Im Folgenden gibt es noch mehr Tanznummern, Gags und Witze, die seit 1945 niemanden mehr vom Hocker hauen und ein immerhin noch ganz nett anschaubares Ende in der Oper. Vielleicht wäre der Film zumindest für das Auge eher ein Fest geworden, wenn die Bildqualität der DVD nicht so schundig wäre. Zur endgültigen Bekräftigung des Schwurs, nun wirklich zukünftig die Finger von Filmen mit Danny Kaye zu lassen, reicht es aber auch so.
#420
Geschrieben 06. September 2006, 10:13
(Frankreich 2003 – Jean-Pierre Jeunet)
Zwar wirkt manches in Jeunets Film, dessen deutscher Titel mal wieder so richtig Petra und Brigitte ist, wie aus AMELIE portiert, woran nicht zuletzt der Auftritt der wie gehabt sehr keck agierenden Audrey Tautou Schuld ist. Formal gibt es zudem stakatöse Episödchen aus der Vergangenheit, kleine schwarzweiße Wackel-Einschübe und ein paar Ideen abseits der Norm – alles für die Handlung von garantiert untergeordneter bis hinfälliger Bedeutung. Das ändert nichts daran, dass die trotz eben solcher humorigen Auflockerungen ziemlich düster ausgefallene Suche nach fünf Todeskandidaten im Anschluss an die Wirren des Ersten Weltkrieges gerade deswegen sehr anrührend und bewegend wird, zumal es Jeunet versteht, seinen Film trotz allem sehr frei von groben Kitschigkeiten zu halten. Und das muss ihm auch erst einmal jemand mit solch einer Story im Gepäck nachmachen. MATHILDE ist in der Tat selbst in den zuweilen sehr grausigen Momenten (FSK 12!) unendlich schön, allein seitens der Pracht und Opulenz der Bilder, die auch davon ein Liedchen zu singen verstehen, wie man Reales und Computergeneriertes vernünftig unter einen Hut bekommt. Die in den 60ern abgerissenen alten Markthallen von Paris können einem trotz lediglich kurzer Wiederbelebung durchaus ein kleines Staunen abringen, wenngleich die Unsicherheit mitschwingt, ob die in dieser Szene auftauchende Jodie Foster nicht vielleicht auch nur aus Bits und Bytes besteht. Ja, doch, der Film hat trotz anfänglicher Skepsis sehr gut gefallen.
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