Beutelschneider, Zeitschinder, Nervenzerrer
#811
Geschrieben 23. Juni 2007, 13:39
Seit der Mitte des 19. Jahrhundert liegt eine rare Ausgabe der Prophezeiungen des Nostradamus der Familie Genta vor, die nach dem eifrigen Studium der Schrift nicht nur über Generationen hinweg (also bis in die Gegenwart von 1974 zumindest) an den Inhalt glaubt, sondern vor allem die Desasterpassagen ziemlich treffend auszulegen vermag. Und auf die kommt es ja schließlich an. Japan und dem Rest der Welt stehen nämlich massive Veränderungen ins Haus. Der einflussreiche Wissenschaftler Dr. Nishiyama kann als Abkömmling der Gentas nur eindringliche Warnungen aussprechen. Und dass die Prophezeiungen aus seiner alten Schwarte stimmen, das weiß er mit unumstößlichen Fakten zu belegen. Fischsterben, Überbevölkerung, Luftverschmutzung – das alles lässt sich nicht mehr wegdiskutieren. Auf den Straßen rennen die Schulkinder mit Atemmasken herum, weil sie sonst Husten- und Erstickungsanfälle bekommen. Das ist doch nicht normal!
Auf einer Müllkippe tummeln sich plötzlich riesige Schnecken, jedes vierte japanische Kind kommt tot oder mit schweren Verunstaltungen zur Welt und in Afrika verhungert alle vier Sekunden ein Mensch. Der Klimawandel lässt sich sowieso nicht mehr umkehren. Über Japan explodieren ein paar Super-Flugzeuge, die Ozonschicht verbrennt, nur Augenblicke später dann Mensch, Rind und Kind auf der Erde. So gewaltig ist die UV-Strahlung, dass die Erde zu kochen beginnt. In der Sahara fällt Schnee und südlich von Hawaii ist der Ozean mit einem dicken Eispanzer bedeckt. Verrückte Welt.
Kollegen von Dr. Nishiyama sind nach Neu Guinea aufgebrochen, um zu untersuchen, warum die Menschen dort von einem Moment auf den anderen verrückt werden. Als man von der Expedition nichts mehr hört, reist Nishiyama ihnen hinterher. Radioaktive Wolken ziehen über die Insel, auf der sich eichenstarke fleischfressende Pflanzen angesiedelt haben, Monster-Fledermäuse ihre Kreise am Himmel ziehen und es immer mal wieder heftig Würmer regnet.
Und deren Biss lässt das menschliche Hirn derart erweichen, dass er auch vor Kannibalismus nicht mehr zurückschreckt. Der Mensch verschnökert sich selbst und in letzter Konsequenz, denn anderweitig was zu fressen gibt es ja bald ohnehin nicht mehr. In einer beeindruckenden Szene rät Nishiyama den Vertretern seiner Regierung nicht nur, die Nahrungsmittel für die Bevölkerung zu rationieren, sondern regt auch an, Alte und Schwerkranke mal besser gleich auszusortieren und um die Ecke zu bringen, damit Japan eine realistische Chance hat weiterzuexistieren. Da schreien natürlich die Volksvertreter gleich aufgeregt Nazi und sind auch sonst schier aus dem Häuschen. Aus allen internationalen Fassungen des Films ist das wieder entfernt worden, so wie auch der Film allgemein hat erheblich Federn lassen müssen. In Japan hat ihn die Toho unter Verschluss und rückt ihn nicht mehr raus.
Obwohl der Film nun mit lächerlichen Unglaublichkeiten nicht gerade wenig gesegnet ist, es ist die Vision die hier zählt. Und die weiß Masuda auch über die zwei Stunden Spielzeit hinaus in die Schädel der Zuschauer zu hämmern. WELTKATASTROPHE 1999? war seinerzeit bei uns ums Eck im Rahmen der Jugendvorstellung im Einsatz – sozusagen als Ergänzung zu den Godzillas. Japan geht einmal mehr unter, und ich glaube, das ist das, worauf es damals ankam. Am Ende des Films hauen sich die Völker aus Neid und Boshaftigkeit ihre Atombomben um die Ohren. Nur ein verwüsteter Planet bleibt, auf dem Mutanten mit Wasserköpfen auf offenen Beinen herumirren und sich gegenseitig aufessen. So weit kann es kommen, weil die Politik zwar die von Nishiyama eindrucksvoll geschilderten Gefahren erkennt, allerdings zu bequem zum Handeln ist und sich also lieber mit Würde in den Untergang schmeißt – so wie auch die Jugend in dem Film.
Die rast im Rahmen von großer Massenselbstmord-Happenings auf dem Motorrad die Klippen hinunter oder kapert Segelschiffe, um ohne Nahrung und Wasser zum Spielball des tosenden Meeres zu werden. Hat ja eh alles keinen Sinn mehr. Und das ist auch die Grundstimmung des Films, der seine Phantastereien zudem mit einer eindrucksvollen und recht düsteren Musik untermauert und zudem mit allerlei eingeklebten Dokumentarschnipseln der geschundenen Natur und vieler siechender Menschen den Beweis antritt, dass sich der Lauf der Dinge genau so entwickeln wird, wie es der Film vorgibt. Das Schreckensszenario von Masudas Film schickt sich damit an, den Rahmen der reinen Fiktion zu verlassen. Für 3 Mark Eintritt will man als Knirps bei der Jugendvorstellung am Sonntag eigentlich Spaß und Special Effects haben, kriegt nun aber von WELTKATASTROPHE 1999? so fürchterlich eins auf den Deckel geschlagen, so kräftig was in den vom hastig eingenommenen Mittagessen noch vollen Magen gehauen, dass statt Spannung und Spaß am Ende Betretenheit und Depression siegen dürfen. Nur die Hartgesottenen haben ihre Tüte Kino-Gummibären während WELTKATASTROPHE 1999? komplett aufgegessen. Die anderen, die leicht beeindruckbaren Hosenscheißer, die schon daran zu erkennen waren, dass sie nur ein Klapprad vor dem Kino stehen haben und nicht hoch zu Ross auf dem Bonanza mit Torpedo-Dreigang unterwegs sind, die haben vor allem Erleichterung darüber verspürt, dass nach WELTKATASTROPHE 1999? draußen der Himmel noch blau war und fröhlich die Sonne schien. Wenigstens drei Stunden braucht man, um das alles zu verdauen. WELTKATASTROPHE 1999?, Mittagessen und Kino-Gummibären.
#812
Geschrieben 23. Juni 2007, 13:39
(Argentinien 1967 - Emilio Vierya)
Hier oute ich mich gern als Wiederholungstäter, denn beim letzten Mal vor gut zwei Jahren war ich doch noch recht unschlüssig, wie ich diesen Fetzer denn nun einordne. Der Maskenkiller mit der Knautschnase und den Krallenhandschen mit Pelzbesatz hat mir jetzt noch einmal deutlich besser gefallen. Schön auch, wie toll doch das Musikstück, mit denen der Killer seine hypnotisierten und narkotisierten Opfer im Film unter Kontrolle hält, seine Wirkung auch beim Zuschauer tut. Die Demaskierung und die Lösung, wer denn nun für all die Sexmorde verantwortlich ist, kommt zwar noch immer etwas hopplahopp und doch erwartet, wenigstens ergeht sich der Film dann nicht noch in einer ellenlangen Nachbearbeitung, bei der alles abermals ganz lang erklärt wird. Der Killer tötet, weil seine Frau dereinst an einer Überdosis Heroin zugrunde ging. Warum der Mordenaar seine Opfer allerdings noch erst sexuell hörig macht – ich begreif’s nicht. Wichtiger ist ohnehin, dass es einen Anlass gibt, BHs aufzuknöpfen und Bikinis zu lüpfen. Spätestens wenn die Möpse schaukeln, ist ohnehin vergessen, warum und wieso es dazu kommen konnte. Ich bekenne mich als männlicher Zuschauer schuldig im Sinne der Anklage, dafür empfänglich zu sein, auf Hintersinn nicht mehr sonderlich zu achten, wenn der Blick aufs Wesentliche von ein paar satten Milchschläuchen versperrt wird. Zusätzlich kommt dem Film zugute, dass er trotz den Schwächen mit der nur allzu offensichtlichen Maskierung seines Killers ganz anständige und in stimmungsvolle Bilder gegossene Gruseleien liefern kann.
#813
Geschrieben 24. Juni 2007, 14:40
(Neuseeland/USA 2005 – Peter Jackson)
Gegen den Willen seiner Produzenten unternimmt der exzentrische Filmemacher Denham eine Expedition zur bislang unerforschten Insel Skull Island, wo er in den Ruinen einer alten Zivilisation einen abendfüllenden Spielfilm zu machen gedenkt. Auf Skull Island bekommt es die Crew zunächst mit Wilden zu tun, dann mit Dinosauriern aller Art und schließlich mit King Kong, dem überproportionalen Gorilla, der über die Insel herrscht. Nach allerlei zeitverschlingenden Abenteuern gelingt es schließlich, den Urwaldkönig einzufangen und nach New York zu verbringen. Dort kann das Tier während einer großen Show jedoch fliehen und schließlich mit der anbetungswürdigen Schauspielerin Ann Darrow aufs Dach des Chrysler-Wolkenkratzers fliehen. Eine Armada Doppeldecker erledigt den Rest mit aufgepflanzten Maschinengewehren.
In der Tat ist das Remake des Monsterklassikers recht wuchtig geworden. Mit aufregenden Bildern ist man nicht geizig umgegangen und in gewisser Weise ist auch immer die aufrichtige Verneigung vor dem großen Original erkennbar. Mit weit über drei Stunden ist Jacksons Film nicht gerade kurz geraten, dummerweise gibt der Stoff eine solche Länge aber nicht wirklich her, weshalb es so aussieht, als hätte Jackson im Mittelteil des Films, welcher auf Skull Island spielt, auch noch ziemlich dreist versucht, ein Remake von THE LOST WORLD unterzubringen. Und das gelingt ihm nun nicht wirklich. Die Dinosaurier geben sich bei der Jagd auf die Menschen die Klinke in die Hand und von Szene zu Szene wird’s immer doller und unglaubwürdiger. Der Angriff der Rieseninsekten, der ziemlich am Ende des Ausflugs auf die unbekannte Insel steht, ist dann auch nur noch lächerlich bis nervtötend und vor allem kaum mehr zu ertragen. Bis die Geschichte so richtig losgeht, nimmt sich Jacksons Interpretation ebenfalls gehörig Zeit. Immerhin wird der in New York spielende Anfang des Films damit gefüllt, dass ein wenig die Lebensumstände in den 30er Jahren ausgeleuchtet werden und damit dann auch die ganz unterschiedlichen Intentionen der Protagonisten für das sich anschließende Abenteuer nachzuvollziehen sind. Dennoch geht KING KONG nach gut anderthalb Stunden bereits in Spektakel und Effekten unter. Statt etwas Produktives zu liefern, werden vor allem großkotzige Szenen hintereinander gepappt, die nichts weiter wollen, als einem den Mund offen stehen zu lassen. Das klappt nur äußerst bedingt, sehen doch Kongs Klopp- und Actionszenen noch sauberer choreographiert aus als in einem Kung-Fu-Film mit Jet Li. Und spätestens da findet die Binsenweisheit dann auch erneut Erfüllung, dass es einem Film gar nicht gut bekommt, wenn überproportional mehr Computerspezialisten und Effektleute ein Engagement gefunden haben als Schauspieler. Zwar finde ich, dass das Remake von KING KONG in keine besseren Hände als die von Peter Jackson geraten konnte, dennoch zeigt auch seine mit viel Geld aufgepumpte Unternehmung, dass man ein Original von so unglaublicher Gewichtung nicht so einfach überflügeln kann. Dass KING KONG absolut keines Remakes bedarf ist der eigentliche Grund, warum all die bislang unternommenen Versuche so kläglich scheitern mussten. Trotzdem: Auf meiner persönlichen Affenfilm-Hitliste kriegt Jacksons Remake spontan einen guten sechsten Platz – und das aber auch wirklich einzig und allein wegen des Affen.
#814
Geschrieben 25. Juni 2007, 11:44
(Italien 1975 – Alfredo Rizzio)
Weil er ihre letzte Darbietung knapp verpasst hat, lädt ein vornehmer Graf eine Schauspieltruppe, bestehend aus zwei Lesben, zwei Männerfresserinnen und dem leicht angetrottelten Gehilfen Samuel, in sein kleines Schlösschen auf einer einsamen Insel ein. Anlässlich eines schönes Abendessens rückt der Graf beiläufig damit raus, dass auf seiner Familie ein alter Fluch liegt, seit sein Großvater und sein Vater ihren Ehefrauen aus rasender Eifersucht die Köpfe abgeschnitten haben. Dauert auch nicht lange, dann liegt ein abgesäbelter Frauenkopf im Gras, und bald danach auch Nummro zwo. Trotz sich dabei einstellender heller Aufregung lässt Rizzio Barbusigkeiten und raschelnde Laken nicht ins Hintertreffen geraten. Und auch, dass er zum Schluss hin den Bogen zu einem geschickt eingefädelten Kriminaldrama hinbekommt, obwohl sich sein Film vor allem in der ersten Hälfte ausnimmt wie eine etwas anspruchslose und mit dummen Sprüchen angereicherte Tittenschau im Gruselschloss, ist ziemlich bemerkenswert, zumal bei THE BLOODSUCKER LEADS THE DANCE die Übergänge auch recht flüssig sind. Schöne Musik von Marcello Giombini gibt es zu all dem auch noch, die eingeklebten Schwarzweißaufnahmen mit einem vom Sturm aufgewühlten Meer werten den Film stimmungsmäßig sehr auf und das sich fast die ganze weibliche Besetzung des Stücks im Handlungsverlauf wenigstens einmal auszieht, ist ja irgendwie so schlecht nun auch nicht. Sein Gruselpotential verpulvert der Streifen zwar etwas vorschnell und auch die obligatorischen falschen Verdächtigen werden etwas übereilt geopfert, macht aber alles nichts, weil der Film allein mit seiner überaus ansprechenden Atmosphäre und einer Parade bekannter und gern gesehener Damen und Herren aus dem italienischen Kinos der 70er Jahre durchaus zu entschädigen versteht.
#815
Geschrieben 26. Juni 2007, 18:08
(USA 1985 – Andrew Davis)
Cop Eddie Cusack ist der einzige echte aufrechte Streiter gegen das Böse in Chicago. Gleich an zwei Fronten hat er zu tun: Zum einen hat ein älterer Kollege, der für den Straßendienst ohnehin nicht mehr geeignet ist, einen jungen unbewaffneten Schwarzen eiskalt abgeknallt. Der Kollege wird von den anderen Bullen in Schutz genommen, nicht jedoch von Cusack, weshalb die Stimmung auf dem Revier im Keller und vor allem gegen Eddie ist. Zum anderen hat der unter der Obhut der Scalese-Familie stehende Aufsteiger Tony Luna ziemlich dummdreist und unschön in einen dicken Drogendeal von Supergangster Luis Camacho mit Maschinenpistolen reingefunkt, was einen schweren Bandenkrieg mit sich bringt. Cusack steht allein auf weiter Flur. Wenn er um Unterstützung bittet, eilt ihm niemand zu Hilfe. Cusack ist das erste Mobbingopfer im Actionkino der 80er. Schlimmer als ihn kann es niemanden treffen. Blanke Verachtung schlägt ihm entgegen. Statt zum Psychologen geht Cusack allerdings in den Waffenkeller und holt sich gleich einen ganzen Container voll mit Wummen und dem neuen Poizei-Superroboter Prowler, der aussieht wie ein Mondfahrzeug mit MG-Besatz. Schweigend verrichtet er sein Geschäft. Die omerta, die die Gangster als oberste Tugend auserkoren haben und dennoch bei jeder Gelegenheit endlose Diskussionen voller Hass führen, hat sich Cusack zu eigen gemacht. Chuck Norris ist ohnehin immer dann am stärksten, wenn er bei seinem kräftezehrenden Tun nicht allzu viel erzählt. Bier trinken oder angestrengt grunzen geht in Ordnung, aber Reden ist nicht seine wirkliche Stärke – vor allem nicht während der Actionszenen. Warnungen wie „Hände hoch!“ oder sowas kommt nicht über seine Lippen, lieber schießt er gleich und vertrödelt auch sonst nicht viel Zeit. Kurzweiligkeiten aller Art – und vor allem solche mit Waffeneinsatz - finden sich in CUSACK – DER SCHWEIGSAME jede Menge. Neben dem bulligen Chuck Norris überzeugt der Film vor allem durch die Anwesenheit des wie immer äußerst glaubhaften Henry Silva, der hier die mit Abstand beste Rolle seit seinem unermüdlichen Einsatz im italienischen Genrekino bekleidet. Ihm möchte man auf keinen Fall nachts im Mondschein begegnen. Die Musik in CUSACK lässt mit dem sich durchs Hauptthema quiekenden Saxophon mittlerweile eher an die Harald-Schmidt-Show denken denn an ein Stück ruppiges 80er-Actionkino, die Wurzeln des Soundtracks man aber wohl vor allem in den amerikanischen Cop-TV-Serien der späten 70er Jahre zu suchen.
CUSACK ist härter und schneller als der waffenstarrende und mit allerlei SciFi-Schnickschnack ausgestattete Robbi, den sein Chef (ein großartiger, aber schon recht humpeliger Bert Remsen) als die Zukunft in der Kriminalitätsbekämpfung feiert. Klüger sowieso, obwohl man ihm das vielleicht nicht auf den ersten Blick anschaut. In dem kleinen und auch leicht gedrungen wirkenden Norris irrt man sich maximal so lange, bis er seine Kampfkünste auspackt. Leider geschieht das in CUSACK nicht allzu häufig. Der Krieg, der sich hier anbahnt, wird fast ausnahmslos mit Waffen entschieden. Wie auch in anderen Norris-Vehikeln hat man ihm kein Liebchen an die Seite gestellt. Das Blondchen mit der 80er-Karottenbüx, die am Ende durch Silva in arge Bedrängnis gerät, darf Cusack eine Tochter sein, die er als Einzelgänger anderweitig nie haben könnte. Falls er noch einen Sohn gebrauchen könnte, würde ich mich gerne zur Verfügung stellen. Außerdem wünsche ich mir, dass auch mein Viertel von einem wie Cusack geschützt wird und nicht von den Knalltüten, die hier manchmal Streife tun, was – wie ich finde – auch nicht nach so schwerer Arbeit aussieht wie sie Norris in diesem Film leistet, sondern eher nach einem Verdauungsspaziergang, der schon mal aufs Kaffeetrinken vorbereitet.
#816
Geschrieben 26. Juni 2007, 18:08
München, das Zentrum des „infernalischen Bösen“. Im Strafgericht sitzen die „Kinder des Satans“: Dagmar Richter, die amerikanischen Schülerinnen Mandy Lockwood und Rosemarie Jefferson sowie die Gewerbeschülerin Lotte Jenkowich. Die Mädels haben bei einem deutsch-amerikanischen Schülerlager zueinander gefunden und dann bei einer Schwarzen Messe den Oberschüler Kurt Skinner getötet sowie den Lehrling Wolfgang Traum lebensgefährlich verletzt. Warum die Mädchen sich zu solchen Taten hinreißen ließen, das aufzuklären schickt sich der Film an. Und dazu wird in einem großen, unterhaltsamen Rundumschlag alles aus dem Keller geholt, was das Kino der 70er Jahre an Sensationen zu bieten hat. Um die Ursprünge des Satanismus zu erfahren, muss man weit ausholen. Über einen Schlenker mit dokumentarartigen „Originalaufnahmen“ von gefilmten Teufelsriten, bei denen eine dralle Engländerin mit Wein überschüttet wird, kommt man schnell zu Mondo-Bildern aus Afrika. Dort ist zu sehen, wie ein Medizinmann im Phallustempel rituelle Entjungferungen mit einem Holzprügel durchführt. Und auch auf Geisterbeschwörungen, bei denen die Trommel so lange geklopft wird, bis das Hirn der gemeinen, ekstatischen Negerin so weich geworden ist, dass ihr alle erdenklichen Tiergeister in den Körper fahren können, versteht man sich auf dem Schwarzen Kontinent ganz vortrefflich. Die Jugend von heute, so wird man ferner belehrt, will Erfahrungen machen mit der „kreativen Selbsterweiterung und der Praxis mit Halluzinogenen“. Angestachelt von den Schriften von Baudelaire (!), dem Mord an Sharon Tate durch die Manson-Familie, Filmen wie DER EXORZIST sowie einer allgemeinen Freizügigkeit im Umgang mit Nackedeiereien aller Art, ist der beeinflussbare Jugendliche schnell auf dem Irrweg des „unerlaubten, abartigen Rituals“. Vor allem die sexuelle Befreiung in den 70er Jahren wird in EKSTASE – HORRORTRIP DER SATANS-SEKTE zur Zielscheibe. Die Pornografie, die damit einhergehende „Demontage der Moral“, all das „Plastikspielzeug und die Schmieragen“ und nicht zuletzt einschlägige Programme in Kino und TV gehen so weit, dass der Mensch in einem Zustand vollkommener „Sexualidotie“ zugrunde geht. Drogen sind zudem ein Problem. Der Film schont auch hier nicht mit „Originalaufnahmen“ aus der Entzugsanstalt „mit echt an ihren Problemen leidenden Personen“. Die Haschis und Morphis, die mit Schaum im Mund in ihrer Gummizelle das Toben kriegen und sich mit „Horrorvisionen und Tränenfluss“ plagen, sind in der Tat kein schöner Anblick. Ein hoher Preis für die paar „Nirvanagefühle“, für die die meisten auch noch schwere Straftaten begangen haben. Viel friedlicher sind dagegen doch die echt unechten Aufnahmen der Drogentoten am Straßenrand. In München, so scheint es, kann man keinen Spaziergang wagen, ohne nicht mindestens fünf von ihnen aus dem Weg zu räumen. Die liegen da wirklich überall herum. Dann noch ein kleiner Streifzug durch die Religionen der Welt. Selbstgeißelungen, Wallfahrer in Lourdes, Marienverehrung in Altötting und nicht zuletzt Englands Super-Exorzist Neil Smith (eingeklebte Aufnahmen aus dem bereits zuvor von Olsen über die Leinwand geschickten Okkultismus-Report REISE INS JENSEITS – DIE WELT DES ÜBERNATÜRLICHEN) dürfen nicht fehlen. Nicht ganz so spannend. Die Deflorationsriten aus Indien sind da schon wesentlich unterhaltsamer. Dass das Schmierstück mit Porno und Sex so hart ins Gericht geht, ist natürlich ein ganz schöner Brüller, wimmelt es in EKSTASE doch von wabbelnden Eutern und Großaufnahmen mit Muschi. Und ein paar Bilder mit ollen, verlotterten Typen, die schamlos ihre Käsepeitschen präsentieren, sind auch noch mit dabei. Zum Höhepunkt dann das Teufelsritual und die sich aus schierer Eifersüchtelei anschließende Bluttat der „Kinder des Satans“. Die Jefferson steht vor einem Satansbild mit dicker Latte, reibt sich ihre Titten an einem Schafkopf und johlt: „Oh, Satan! Är is in mich wie Feu-är!“ Dazu räkeln sich die anderen verzückten Fräuleins auf dem Flokati und stecken sich ihre Finger wohin. Kein Wunder, dass Wolfgang und Kurt nicht anders konnten als mitmachen: „Wolfgang, du, das sind alles geile Hennen!“ Am Ende muss das Gericht vertagen und die Jefferson kommt schon mal in die Klapse. Finde ich gut und gerecht, hätte ich auch so gemacht.
In EKSTASE – HORRORTRIP DER SATANS-SEKTE ist alles drin, was man so braucht: Ein wenig WIE WÜRDEN SIE ENTSCHEIDEN?, die Mutter aller Gerichtsshows, Sex-Report, Mondo und (D)(M)(Sh)ockumentary, Tittenfilm, blutige Tierschlachtereien, noch blutigere Urwald-Operationen („Achtung! Jetzt sehen Sie die Schnitte!“) und einer der krampfhaftesten Versuche, noch ein wenig auf der EXORISTEN-Welle mitzuschippern. Wenn Teufelspriesterin Rosemarie Jefferson im Gerichtssaal plötzlich mit der Stimme vom englischen Hexenmeister Aleister Crowley spricht, dann hat man unlängst begriffen: „Satan is da Härr de Welt, iä Scheißer!“
EKSTASE – HORRORTRIP DER SATANS-SEKTE ist definitiv „der Film, den das Fernsehen nicht zeigen darf!“, denn „die Herrschaft Luzifers über uns ist eine Tatsache!“ Und Tatsachen aus dem Hause Olsen sind nichts fürs Fernsehen, die sind nur was fürs Kino.
Bearbeitet von molotto, 26. Juni 2007, 18:24.
#817
Geschrieben 27. Juni 2007, 14:59
(Hongkong 2000 – Tsui Hark)
Tyler verdingt sich als halbgarer Personenschützer bei seinem Onkel Li. Bei der Party eines mächtigen Tiradenchefs kann er durch eigenmächtiges Handeln ein Attentat verhindern, was ihm jedoch nicht wirklich jemand dankt. Bei dieser Unternehmung macht er jedoch Bekanntschaft mit Jack, der mit einer Tochter des Bosses liiert ist. Beide haben mit dem gleichen Schicksal zu kämpfen, nämlich, dass sie nicht so recht einen Fuß auf den Boden bekommen. Das schweißt natürlich zusammen. Nachdem nun allerdings gemeine Drogendealer aus Südamerika in Hongkong eintreffen und dann noch ein Koffer mit schmutzigen Geld verschwindet, sehen sich Tyler und Jack, der mit den Südamerikanern dereinst ein paar Dinger drehte, alsbald als Feinde wieder.
Kennt man in anderer Konstellation bereits aus mindestens einem Dutzend Filmen, aber das ist nicht das, was hier am meisten stört. Denn wenn am Ende Polizei, die Südamerikaner, Tyler und Jack ins Manöver ziehen, dann hat man vor allem Probleme, die Guten und die Bösen auseinander zu halten. Möglicherweise ist das so gewollt, aber ich weiß schon gerne, wer aus welchen Gründen auf welcher Seite steht. Hier macht es sich einfach nicht bezahlt, mit schnellen Schnitten und einer herumflippenden Kamera zusätzliches Tempo in den Film gebracht zu haben. Zum einen mangelt es dem Streifen daran ohnehin nicht, zum anderen geht der Durchblick sehr leicht verloren, selbst dann, wenn man sich voll und ganz aufs Geschehen konzentriert. Dass der Film zudem mit zwei Schwangeren Frauen als fast schon „komische Elemente“ aufgepeppt wurde, liegt mir auch eher quer im Magen. Und natürlich der Umstand, dass der Streifen von vorn bis hinten so aussieht, als wolle sich Hark immer mal wieder selbst übertrumpfen, obwohl der Reiz seiner Filme aus den 70ern und 80ern nicht nur allein in allerlei furiosen Aktionsszenen und einer grandiosen Optik zu suchen ist. Von derlei hat TIME UND TIDE auch jede Menge zu bieten – und sicher: das Kampfgetümmel an der Wand eines Hochhauses, bei dem die Schwerkraft mal kurzerhand außer Kraft gesetzt scheint, gehört mit zu den besten Szenen, mit denen der Film auffährt –, aber die Charaktere sind im Vergleich zu einem Film wie SÖLDNER KENNEN KEINE GNADE oder seinem wunderschönen Erstling, DIE TODESGROTTEN DER SHAOLIN, einfach entsetzlich blass und eindimensional. Und zu jung überdies, um wirklich glaubhaft so unendlich hartgesotten zu sein. Man mag dem Hark und seinen Jungspunden deshalb einfach nicht so recht abkaufen, was sie hier so alles auftischen. Schlecht war’s irgendwie nicht, aber auch nicht so der Überflieger. Muss man wohl erst einmal so sacken lassen und dann noch einmal in Ruhe gucken.
#818
Geschrieben 27. Juni 2007, 14:59
(Großbritannien 1966 – Don Chaffey)
Nach einem Streit mit unschönen Handgreiflichkeiten verlässt der Steinzeitmensch Tumak sein Volk und zieht durch das karge Neandertal, wo allerlei Dinosaurier herumlaufen und also eine ernste Gefahr für einen einzelnen Mann darstellen. Trotz vieler Widrigkeiten gelangt Tumak zum Stamm der Muschelmenschen, die an einem schönen See wohnen. Dort findet er ein neues Zuhause und verguckt sich schwer in die reizende Loana, was leider weiteren Kummer mit sich bringt. Denn auf Loana hat schon Krieger Akhoba ein Auge geworfen. Außerdem Akhoba gerade den ersten funktionierenden Wurfspeer entwickelt, der sich bei dem rasch folgenden Kampf gegen einen großen Fleischfresser als sehr nützlich erweist. Auch um dieses Gerät gibt’s Streit. Loana und Tumak werden schließlich des Stammes verwiesen und kehren zu Tumaks Volk zurück. Der Muschelstamm verfolgt die beiden jedoch, Loana wird noch von einem großen Steinzeitvogel entführt und kommt nur knapp mit dem Leben davon und schließlich entbrennt ein Krieg zwischen den beiden Völkern. Dem bereitet allerdings ein Vulkanausbruch ein jähes Ende.
Dadurch, dass der erste Dinosaurier, der in EINE MILLION JAHRE VOR UNSERER ZEIT auftaucht, eine riesengroß einkopierte Echse ist, macht der Film einen freundlichen Knicks vor dem Original, dem 1940 von Hal Roach inszenierten TUMAK, HERR DES URWALDS. Dort krabbeln ja ausnahmslos echte Tiere durch die Bilder. Ansonsten gibt es exzellent animiertes Riesengetier aus dem Hause Harryhausen, inklusive einer Riesenspinne und einer ins Gewaltige gewachsenen Meeresschildkröte, die allerdings (aus Kosten- oder Zeitgründen?) die Hinterbeine nicht bewegt. Macht nichts. Bis auf die Oase, in der das Muschelvolk lebt, findet der ganze Film in einer vulkanischen Landschaft ohne Vegetation statt, die, wie ich finde, einen passenden Rahmen für den harten Überlebenskampf der Urweltbewohner bildet. Dass Raquel Welch und auch die sonstigen Schönheiten in diesem Abenteuerfilm nur mit leichtem Schurz durch die Einöde tappen, ist sicherlich neben den kolossalen Effekten der größte Erfolgsgarant dieses Films gewesen. Warum allerdings in der deutschen Fassung die Schere angesetzt wurde, begreife ich nicht so wirklich, mutmaße aber mal, dass hierzulande lediglich die bereits gekürzte US-Variante des Films zum Einsatz kam. Vor allem ist sehr ärgerlich, dass die deutsche DVD die gekürzten Szenen (immerhin rund 10 Minuten) nicht wieder eingesetzt bekommen hat. An der fehlenden Synchronisation für die Schnipsel kann es wohl kaum liegen, wird in dem Film zumeist eh nur herumgegrunzt oder in einer Pseudo-Neandertalersprache gesprochen, die nun wirklich kein Schwein versteht. Die britische DVD bietet jedenfalls das ganze Vergnügen.
#819
Geschrieben 27. Juni 2007, 14:59
Auf dem „Zombiehof“ streiten sich die Kurt und Felix (Kurt Felix?) um das Erbe des schon betagten Bauern, der im Stall und auf dem Feld mit eiserner Hand regiert. Zwischen allen Fronten stehen das kleine Annerl und der bekloppte dritte Sohn vom alten Bauern, der Franzl. Als ein paar Zigeuner am Ochsenteich campieren, der ebenfalls zum Hof gehört, und die Frauen der Sippe sich zudem erdreisten, um Milch und Eier zu betteln, kommt es zum Zwischenfall. Franzl ermordet eine der Zigeunerinnen. Die andere knallt Felix auf Anweisung des alten Bauern ab, denn man fürchtet die Blutrache. Als nun nach und nach Leute der Sippe auf dem Hof kommen, um sich nach dem Verbleib der beiden Frauen zu erkundigen, kriegt die Flinte vom Alten ordentlich was zu tun. Als alle ins Gras gebissen haben, versenkt die Bauernfamilie den Wohnwagen im Teich und alles ist gut. Fast. Denn Joschi, der Sohn der Zigeunersippe, der sich zudem mit dem Annerl angefreundet hat, hat alles gesehen. Er geigt den Bauern ins schlechte Gewissen den Todesmarsch der Bestien. „Der Fluch der Toten ist stärker als die Justiz.“ Und: „Was sich der irdischen Gerechtigkeit entzieht, geht im Grauen des Todesfluchs unter.“ Der sieht so aus, dass sich die Bauernsippe schlussendlich selbst auslöscht. Sei es aus Dummheit, Angst, Panik, Verzweifelung oder alles zusammen. Das Annerl guckt am Ende stumpf aus der Wäsche und gibt sich äußerst wortkarg. Sie ist 14 und stellte vorher noch naive bzw. selten dumme Fragen: „Warum muss du immer zur Arbeit fahren, Onkel?“ Kruzitürken noch einmal! Das sollte eine 14jährige aber durchaus wissen bzw. zumindest erahnen können. Der Fluch des „Zombiehofs“ hat auch sie irgendwann in den 80 Minuten des Films eingeholt, sie kriegt es nur bis zum Ende nicht mit. Statt über ihr seltsames Elternhaus nachzugrübeln, übt sie sich lieber im Singen eines rassistischen Liedes: „Zigeuner ha’m schwarze Harren und stehlen immer wie die Raben.“ Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, denn auch die Bauern machen aus ihrer Verachtung für Menschen, die sie nicht kennen, keinen Hehl: „Eingesperrt gehör’ns oder gleich ganz ausgerott’!“ Denn: „Katholisch sind die auch nicht!“ Und ein Ligist sollte man wohl besser sein auf dem „Zombiehof“. Untertitel hätte man dem Film spendieren sollen, denn stellenweise kann man der süddeutsch gefärbten Mundart als Nordlicht nicht so ganz folgen. Jedenfalls nuscheln sich William Berger und Herb Andress ganz gut einen zurande, bevor sie sich nach einigen Flaschen Stiegl-Bräu zuviel dann endlich gegenseitig das Licht ausblasen. Gern hätte ich den Film noch einmal unter seinem ebenfalls ganz toll gewählten Titel DIE TOTENSCHMECKER im Regal stehen, aber irgendwie ist eine Kassette mit diesem Titelinsert nicht zu kriegen. Zugeben muss ich noch, dass ich damals, als Video noch relativ neu war, also so um 1982 herum, tatsächlich dem Irrglauben aufgesessen bin, dass es sich bei DER IRRE VOM ZOMBIEHOF um einen neuen, mir bislang entgangenen Zombiereißer handeln würde. Das Band hätte ich damals am liebsten in Stücke gehauen. Der Film ist greift, ich bin gereift – jetzt passen wir schon ziemlich gut zusammen.
#820
Geschrieben 28. Juni 2007, 13:55
(USA 1960 – Ib Melchior)
Der Kontakt zur Marsrakete MR-1 ist abgebrochen. Nur mit Müh und Not kann das Raumschiff sicher zur Erde zurückgebracht werden. Die Weltraumforscherin Iris hat als einzige unverletzt überlebt, ihr Kollege, Käpt’n Tom, liegt in kritischem Zustand im Krankenhaus, gefährlicher Marsglibber bedeckt seinen Arm. Von Frau Iris erfährt die staunende Welt nun, was sich auf dem Mars zugetragen hat. Denn dort lauern mannigfaltige Gefahren. Haushohe fleischfressende Pflanzen, eine Riesenspinnerattefledermaus und natürlich der grüne Glibber, welcher sich als Killeramöbe vom Ausmaß eines Ozeans entpuppt und die Rakete mit den Menschen nicht mehr starten lässt. Zwei Kollegen sind als Opfer zu bringen, dann haben die Marsmenschen doch noch ein Einsehen und lassen die beiden Überlebenden zur Erde zurückkehren. Allerdings nur, um eine Warnung für die Menschheit auszusprechen.
Das Cinemagic-Verfahren lässt die Marsoberfläche als hübschen roten Bilderbrei mit Pseudo-3D-Effekt erscheinen, was schon die halbe Miete bei diesem Film ist. Das Riesengetier, das Ib Melchior über die Oberfläche des Planeten wackeln lässt, kann sich ebenfalls sehen lassen. Und dass der Film nicht nur allein mit der Geschichte der Marsexpedition über die Runden kommt, sondern in einem zweiten Erzählstrang auch noch nach einem Gegenmittel für die am Arm vom Käpt’n klebende Amöbe gesucht werden muss, das empfinde ich als zusätzlich unterhaltsam und recht clever und weniger als Lückenfüllerei und dementsprechendes Armutszeugnis. Die obligatorische Romanze zwischen den beiden, die sich zum Großteil aus vom Käpt’n abgefeuerten Chauvinismen speist, ist auch ganz groß. Die Faustformel, dass Filme mit Weltraumschleim niemals schlecht sind, findet also einmal mehr Bestätigung.
#821
Geschrieben 28. Juni 2007, 13:55
(USA 1967 – Roger Corman)
Peter Fonda ist Paul, Regisseur für TV Commercials, etwas gelangweilt vom Leben und mitten im Dilemma einer Scheidung. Bei den Drogenkumpels aus dem „Psychedelic Temple“ und unter der Aufsicht seines Freundes John (gespielt von einem bärtigen und damit wie ein Oberlehrer wirkenden Bruce Dern) schmeißt Paul nun im Selbstversuch erstmals ein paar Pillen. Das LSD bringt nicht nur die Fantasie von Paul mächtig auf Touren, sondern lässt ihn auch so manche Dinge erkennen, die er bislang für eher belanglos beiseite geschoben hat. Schöne Farben, bunte Kreise, überall Licht und Leben. Hier und da aber auch etwas Schatten, sowohl während des Trips, bei dem sich Paul plötzlich von Reitern in dunklen Kutten verfolgt sieht, als auch im „normalen“ Leben, denn einige Eskapaden, zu denen sich Paul dank seines wirren Kopfes hinreißen lässt, lassen die Polizei alsbald auf den Plan treten.
Der nach einem Drehbuch von Jack Nicholson entstandene Film beleuchtet das Schlucken von harten Drogen eher von einer positiven, fast schon gewinnbringenden Seite für den Konsumenten. Obwohl es bei Paul an Horrorvisionen nicht mangelt, am Ende geht er ganz erfrischt und mit einer neuen Liebe aus der Geschichte heraus. Die Droge als Starthilfe für einen Neuanfang – das ist im Grunde höchst bedenklich. Da hilft auch die Warntafel nicht, die vor dem Film gestellt ist oder der Schluss, bei dem das letzte Bild von Paul einfriert und dann zersplittert. Seine Aussagen hat der Film bis dahin ohnehin längst unters Volk gebracht, und an die warnende Tafel kann man sich spätestens bei den ersten psychedelischen Bildern schon nicht mehr erinnern. Dass der Film einem Experiment mit Drogen etwas undifferenziert gegenüber steht, ist ja bereits der allgemeinen Meinung der jungen Generation anno 1967 geschuldet, für die dieser Film ja schließlich gemacht wurde. Heute geht so was natürlich gar nicht mehr. Zudem: Eine wirkliche Geschichte im klassischen Sinne wird hier nicht erzählt, und ob man heute noch großes Vergnügen dabei empfindet Paul beim Schwadronieren über das Leben zuzusehen, das irgendwie aus einer Orange in seine Arme fließt, da habe ich so meine Zweifel. So richtig überzeugen kann THE TRIP aber in Sachen formaler Aufbereitung. An das Feuerwerk aus Licht, Bildern und halsbrecherisch geschnittenen Bildern kommt so schnell nichts heran. Das Experiment, einen Drogenrausch in Filmform zu bringen, kann man durchaus als gelungen bezeichnen – auch, wenn man nach knapp anderthalb Stunden Dauerbefeuerung mit Farben und Formen mindestens so erledigt ist wie Paul beim Abklingen seines Trips.
#822
Geschrieben 28. Juni 2007, 18:48
(Großbritannien 1993 – Dave Borthwick)
In eine höchst sonderbare Welt hinein wird Däumling Tom geboren und – als missglückte Samen-Mischung aus dem Chemielabor – von den Finsterlingen einer Forschungsanstalt alsbaldig seinen Eltern weggenommen. Dem Seziertisch entkommt der Winzling durch die Hilfe eines ausgebrochenen Experiments und gelangt schließlich in die Welt der Knirps-Menschen, die am Rande einer Chemie-Müllhalde leben. Tom freundet sich mit dem Jäger Jack an und gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach Toms Vater. In der Welt der „Giganten“ erweist sich die Hilfe des gewitzten Kämpfers als sehr wertvoll, wenngleich beide ihrem Schicksal nicht entgehen können, das Tom abermals in die Forschungsanstalt und insbesondere zum Imp-Reaktor führt, von dem man besser die Finger lässt.
THE SECRET ADVENTURES OF TOM THUMB ist eine Animations-Wundertüte, das klassische Stop-Motion, Claymation und Pixilation, eine Technik, bei der die Schauspieler Bild für Bild „animiert“ werden, zusammenführt. Das Resultat ist schlicht atemberaubend und führt in eine düstere Welt, in der es an allen Ecken und Enden wuselt, höchst sonderbare Kreaturen ihre Bahnen ziehen und man mindestens ein Dutzend Durchläufe investieren muss, um die mit Surrealismen, Viechern und höchst sonderbaren Apparaturen vollgestellten Bilder zumindest halbwegs zu erfassen. Nicht ein Einzelbild wurde hier verschenkt, und jedes für sich ist ein kleines, ungemein eindringliches Kunstwerk, zu dem durchweg sehr stimmungsvolle Musik mit sehr düsteren Untertönen (u. a. aus der Feder von John Paul Jones von Led Zeppelin) gereicht wird. Die Umsetzung eines klassischen Kindermärchens für Erwachsene ist selten so gut geglückt wie in diesem Fall. Dummerweise rührt sich den Bolex Brothers nicht mehr so richtig was. Über deren bereits seit Jahren angekündigten SF-Film CLUSTERWORLD herrscht mittlerweile eisiges Schweigen und die Website scheint wohl auch schon einige Jahre nicht mehr aktualisiert worden zu sein. Sehr schade. Von den modernen Animationskünstlern sind die Bolexe neben dem großartigen Svankmajer jedenfalls nach wie vor meine Favoriten. TOM THUMB ist auf jeden Fall einer der Filme, die ich mit auf eine einsame Insel nehmen würde – wenn ich denn müsste.
#823
Geschrieben 29. Juni 2007, 15:12
Von seiner Gier getrieben verlässt ein gemeiner Dieb die Straße und schwingt sich hinauf in den Turm der Weisheit und Erkenntnis. Dort hockt schon der Meister und bereitet den Dieb mit etlichen Initiationsriten auf seine Bestimmung vor. Zusammen mit den neun Meistern des Bösen, Versinnbildlichungen der Planeten des Sonnensystems, unternimmt der Dieb eine Expedition zur Versammlung der Weisen der über die Welt verstreuten Heiligen Berge.
Jodorowskys bemerkenswertester Film startet in einer vermeintlich „normalen“ Welt, einer nicht näher benannten Stadt, in deren Straßen die Menschen ein von Gaukeleien, Gewalt und Gier bestimmtes Leben führen. Religion, egal welcher Art, und Spiritualität allgemein sind hier vor allem käufliche Dinge, welche von geldgeilen Scharlatanen angeboten werden.
Im Turm der Erkenntnis, in dem die Symbole aller erdenklichen Religionen schließlich zusammenfließen und mit mystischen Hokuspokus aus dem Schatzkästchen der Alchemie angereichert werden, kann sich der Geist nach Willen des Films voll und ganz entfalten und sich bereit machen für das höchste aller Ziele. Gerade dieser Teil der Wandlung geht bei Jodorowsky einher mit einem musikalischen und vor allem visuellen Bilderbogen ohnegleichen. Seine Sets, die Ausstattung und die sehr wilden Kostüme schlagen jeden mir bislang untergekommenen Film um Längen. Kaum ein Bild ist vertan und lediglich aus reinem Selbstzweck in MONTANA SACRA enthalten. Der Film droht in seinen bedeutungsschwangeren Szenen abzusaufen, erleidet dabei kurioserweise aber trotzdem niemals wirklichen Schiffbruch.
MONTANA SACRA in seiner Gänze (und vor allem im ersten Anlauf) zu erfassen, ist schlichtweg ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht alles macht auf Anhieb wirklichen Sinn, erst im Laufe der Zeit und nach mehrmaligen Durchlauf offenbart der Film wirklich, was alles in ihm steckt. Dass Jodorowsky ein höheres Ziel verfolgt als mit all dem Gebotenen lediglich Staunen zu machen (bzw. zu erschlagen), das nehme ich ihm gerne ab. Ebenso wie EL TOPO beschreibt Jodorowsky in MONTANA SACRA den Versuch einer Wandlung zu einem rein spirituellen Wesen. Anders als in EL TOPO, wo diese Unternehmung glückt, kann der Dieb sein Ziel kurz vor der letzten Hürde hier nicht erreichen. Wie auch der Film selbst muss er zur ganz bodenständigen Realität zurückkehren. Das Ende, das Jodorowsky für MONTANA SACRA gewählt hat, wirkt sehr verstörend. Sehr würde mich interessieren, ob das ursprünglich geplante Ende mit dem „fliegenden Tisch“ noch gedreht wurde. Bei den Deleted Scenes auf der DVD ist es leider nicht dabei. Ansonsten kann man die DVD von Anchor Bay als rundum gelungen bezeichnen. Die Restauration ist grandios geglückt, noch nie habe ich den Film in so perfekter Aufbereitung gesehen. Sogar der nachträglich kreierte Stereo-Ton macht hier ausnahmsweise mal Freude. MONTANA SACRA ist vor allem ein Fest fürs Auge. Gern lässt man sich von den überaus gewagten, teilweise sehr subversiven Bildern gefangen und mit auf eine gleichwohl beeindruckende wie zutiefst verstörende Reise nehmen – und mit der schönen Ausgabe des Films jetzt sogar noch viel lieber als zuvor. Ein absolutes Highlight.
#824
Geschrieben 29. Juni 2007, 15:12
(Japan 1993 – Yoshiaki Kawajiri)
In Shimoda wütet die Pest. Das möchte zumindest der Dunkle Shogun glauben lassen, denn der will sich nicht nur die Goldmine unter den Nagel reißen, sondern auch die Tokugawa-Regierung stürzen und sich selbst an die Spitze setzen. Um seine Pläne zu verwirklichen, hat er die „8 Teufel von Kimon“ um sich gescharrt, eine Ninja-Spezialeinheit mit Superkräften, gegen die die kurzerhand entsandten Koga Ninjas nichts ausrichten können. Lediglich die junge Kagero hat einen Angriff überleben können und schließt sich nun dem durch das Land wandernden Ninja Kibagami Jubei an, der recht unfreiwillig in die Dienste des Tokugawa-Spions Dakuan getreten ist, um mit der Mischpoke des Dunklen Shoguns aufzuräumen. Das passiert auch recht gründlich und unter allerlei Fetzengefliege. Zimperlich ist dieser Animationsreißer zu keiner Minute, gestorben wird hier nach allen Regeln der Kunst und in aufwändig animierten Bildern. Die Kimon-Ninja dürfen mit atemberaubenden Effektzauber Auftritt feiern: Mushizo hat einen Buckel voller Wespen, Tessai kann sich auf Wunsch in einen Steinmenschen verwandeln, Yurimaru schickt eine Million Volt durch einen kaum spürbaren Faden und Benisato kann sich aus jedem beliebigen Schatten schälen. Alles wirklich sehr beeindruckend und wird – wie es sich für ein japanisches Animationswunderwerk nicht anders gehört – auch mit dem nötigen Gespür für möglichst wuchtige Bilder auf die Mattscheibe gebracht. Bei NINJA SCROLL ist alles weit über dem Durchschnitt: Die Animationen der Figuren und Hintergründe, die Kampfszenen, der Blutgehalt und das Geschnetzel, die eingeflochtenen Kranksinnigkeiten sexueller Natur und die Geschichte natürlich sowieso, deren Ende – wenn auch wohl eher unbeabsichtigt – ganz schwer an das von TÖTE DJANGO erinnert. Der von erwachsenen Menschen für erwachsene Menschen gemachte Film ist aber nicht nur wegen seiner Action, dem ganzen Gematsche und natürlich dem Sexkram über Gebühr gut, sondern vor allem weil man in ihm ganz viel vom japanisches Chanbara-Kino der 60er und 70er Jahre wiederentdecken kann. Und das allein lässt NINJA SCROLL neben dem ganzen Schnökerkram für die Augen nicht so schnell langweilig werden.
#825
Geschrieben 01. Juli 2007, 13:42
(Frankreich 2003 – Alexandre Aja)
Zwei Studentinnen machen eine Landpartie. Sie wollen in der Abgeschiedenheit und zwischen den Kornfeldern im Elternhaus des einen Mädchens lernen. Des nachts kommt aber schon der feiste Killer im Schmuddeloverall und in einem klapprigen Kleinbus und bringt die Familie um. Lediglich die beiden Mädchen können überleben. Während die eine vom Killer verschleppt wird, versucht die andere der Freundin zu Hilfe zu eilen und schließlich den Mörder zu stoppen. Das ist gewiss alles weder sonderlich intelligent noch neu, jedoch was an diesem Film begeistert, das ist vor allem die Aufbereitung. Abseits von Logik und den für dieses Genre ohnehin zumeist eher minimalistischen Zugeständnissen an den Inhalt und die Tiefe der Charaktere baut Aja vor allem auf das, was sein Titel verspricht: Hochspannung. Während sich andere Slasher in erster Linie mit unnötigen Ballast wie den Kiff-, Sauf- und Fickfantasien der zumeist jugendlichen Schlachtopfer herumplagen, zeigt sich HIGH TENSION davon weitgehend befreit. Ehe man sich versieht, rockt der Killer durchs Haus und der Film bastelt aus grummelnden Tönen, einem effektgeladenen Ablauf (Gianetto De Rossi in absoluter Topform!) sowie zuweilen recht verstörenden bis panischen Bilder nichts weiter als einen großen Spannungsbogen zusammen. Die Auflösung zum Schluss ist zwar genauso beschissen wie der obligatorische Rocksong über dem Abspann, aber im Vergleich mit anderen Hinterwald-Filmen neuerer Machart kriegt man für die Mark wenigstens etwas geboten. Dass HIGH TENSION auf allzu viel Gesabbel verzichtet und sich stattdessen voll und ganz auf die Hatz durch Wald und Wiese konzentriert, finde ich konsequent, weil sich der Film ja ohnehin keine Mühe machen will, etwas Brauchbares zu erzählen, mit dem man sich über runde 90 Minuten hinaus beschäftigen kann. Die Reduzierung auf das, worauf es bei dieser Art Film ankommt – rennen, hetzen, schnetzeln – habe ich lange nicht so gut und - in seinen besten Momenten - so stimmungsvoll umgesetzt gesehen. Selbst beim wiederholten Durchlauf, wenn man den Clou am Ende bereits schon kennt, macht der Film allein wegen seines überdurchschnittlichen Tempos noch einmal kräftig Spaß. Und das ist bei derlei Unterhaltungsfilmen nun wahrlich keine Selbstverständlichkeit.
#826
Geschrieben 01. Juli 2007, 13:43
(USA 1953 – Eugene Lourie)
Unter einer wissenschaftlichen Meisterleistung versteht der Amerikaner in den frühen 50er Jahren das Herumexperimentieren mit der Atombombe in der Arktis. Gleich nach der Zündung kriegt er für solch einen Frevel die Rechnung aufgemacht: ein Dino krabbelt aus dem Krater und schwimmt Richtung New York, wo vor 100 Millionen Jahren einmal seine Brutstätte war. Panik, Chaos und Entsetzen. Und was macht der Ami? Killt das Viech, indem er es mit noch mehr Atomzeugs zu Tode belästigt.
Dass der Film die Bombe und Radioaktivität ausschließlich als Segensbringer feiert, ist höchst bedenklich und gehört nicht nur kritisch hinterfragt, sondern fast schon verboten. Der Japaner, der ein Jahr später all seine Ängste vor der Bombe in das Monster Godzilla legte, hat über diese Problematik weitaus intensiver nachgedacht. Paul Hubschmid grinst und lacht, schäkert und witzelt den halben Film über und ist selbst dann noch bestens gelaunt, wenn ihn die Welt der Wissenschaft (noch) wegen seiner unglaublichen Dino-Geschichte auslacht. Gelacht, geschmunzelt und geneckt wird hier für einen Monsterschocker ohnehin über Gebühr viel. Das Monster hingegen zeigt sich ausschließlich von seiner bösen, ungemein schlecht gelaunten und zerstörerischen Seite, versenkt Fischerboote und ramponiert Leuchttürme, lässt in New York schließlich Fassaden krachen und macht die halbe Achterbahn auf Cooney Island kaputt. Ja, so geht das aber nicht! Das Viech ist der entfesselte Schrecken des Atoms, der Antipode einer vor herzhaftem Lachen schon halb besinnungslosen Spaßgesellschaft (verkörpert durch Hubschmid und versinnbildlicht durch die Achterbahn), die lediglich ihrer eigenen Zerstörungswut gut aufgelegt begegnet. Aber wehe, da kommt was von außen und stört das (un)friedliche Spiel. Dann ist aber was los. Für Spielverderber und Mieswurze ist hier kein Platz sein. Auf die Spaßbremsen ist deshalb kräftig das gefährliche Atom zu schütten. Auf die Riesenechse sowieso und am besten gleich noch auf den Russen – der machte damals ja gerade auch keinen Spaß. Je mehr man darüber nachdenkt: PANIK IN NEW YORK ist ein beklemmender Schocker, ein Film, hinter dessen oberflächlichen Monsterschau noch wesentlich mehr steckt. Hier macht alles angst: das von Harryhausen kolossal animierte Supermonster, die merkwürdigen Amerikaner, die Bombe, die schier nervenzerfetzende Spannung. Nach PANIK IN NEW YORK schlafe ich immer sehr schlecht.
#827
Geschrieben 01. Juli 2007, 14:54
(Japan 1959 – Ishiro Honda)
In einer gar nicht mal so weit entfernten Zukunft, nämlich der von 1965, überfallen die Krieger vom Planeten Natal die Erde. Zuerst schießen sie einen bewohnten Satelliten aus der Umlaufbahn der Erde, dann richten sie auf den Kontinenten und Meeren allerlei Schaden an, versenken große Schiffe, lassen Züge entgleisen und Springfluten in Hafenstädte hüpfen. Das kann sich die Welt nicht bieten lassen. Unter der Federführung der Japaner entstehen zwei gewaltige Raketen, mit denen tollkühne Raumfahrer zum Mond starten, wo die Natalianer eine Basis errichtet haben. Obwohl einige Sabotageversuche seitens der Aliens unternommen werden, können die Japaner die Station der Eindringlinge vernichten. Darüber geraten die Außerirdischen, die übrigens aussehen wie tobende Kinder mit Plastikhelmen, so in Rage, dass sie mit ihrem Mutterschiff eine Offensive gegen die Erde unternehmen. Doch da hat sich die ganze Welt schon unlängst an einen Tisch gehockt und ein irrsinniges Rüstungsprojekt beschlossen: Alle Betriebe auf der Erde stellen bis auf Weiteres ausschließlich Waffen her, mit denen man die Natalianer bekämpfen kann.
Hondas Film ist im höchsten (und positivsten) Sinne naiv. Menschen tauchen eigentlich nur aus drei Gründen auf: sie koordinieren Waffengänge, sind Kapitäne irgendwelcher großartigen Mondraketen oder bedienen Waffensysteme. Ansonsten spielen sie so gut wie keine Rolle. KRIEG IM WELTENRAUM ist, was der Titel schon vermuten lässt, eine bombastische Materialschlacht im All und auch auf der Erde, wobei die gebotenen Effekte mal äußerst gekonnt sind (New York explodiert, die Golden Gate Bridge wird versenkt), dann wiederum gar nicht vorhanden. Von den Springfluten und Schiffskatastrophen berichtet im Film ein Nachrichtensprecher, dazu werden von flinker Hand auf die Leinwand gebrachte Gemälde (!) der Ereignisse gereicht. Tja. Etwas gewöhnungsbedürftig ist auch die deutsche Synchronisation geraten, die – nicht zuletzt durch den zusätzlichen Einsatz eines Off-Sprechers, der so klingt, als hätte er auch schon unter Adolf die Wochenschau-Bilder kommentiert – in einfachen Worten und Sätzen, stets aber mit dem Brustton unumstößlicher Begeisterung für die große und gute Sache alles Wissenswerte vermittelt. Kurzum: Alles wird genau so dargebracht, wie es von mitfiebernden Zehnjährigen favorisiert wird. Muss ja nichts Schlechtes sein. KRIEG IM WELTENRAUM ist kein Film für Mädchen, sondern nur für kleine und große Jungs, die Spaß daran haben, wenn ganz viel kaputt gemacht wird, Laserkanonen kreischen und Giganto-Explosionen die Leinwand bzw. den Bildschirm füllen. Mir gefällt so etwas ja, und ich hinterfrage auch ganz bestimmt nicht, warum sich hier der gemeine Mensch im Eifer zackiger Dienstbeflissenheit, also überaus bereitwillig, zudem lächelnd und mit großem Hurra! ins feindliche Feuer wirft.
#828
Geschrieben 02. Juli 2007, 12:15
Erst umzingelt der Russe Berlin, dann marschiert er in die Bundesrepublik ein. NATO und Warschauer Pakt kabbeln sich, schließlich werden Atombomben geschmissen. Der Konflikt über den Ozean und holt schließlich auch die Amerikaner ein. In der Kornkammer der USA rings um Kansas City steht nicht nur Ähre an Ähre, sondern auch Raketensilo an Raketensilo. Verheerend sind dementsprechend die Ausmaße der Katastrophe in diesem Teil des Landes. Sind die Bomben erst einmal gefallen, beginnt das Siechtum der Überlebenden, an dessen Ende der Tod als freudig erwartete Erlösung steht. Alles, was die Menschen nach dem großen Knall im Film machen, ist total sinnlos, weil ohnehin keine Möglichkeit auf ein Entkommen von den Folgen der Katastrophe in Aussicht gestellt wird bzw. werden kann. Weil es so sinnlos ist, ist es aber dummerweise auch nicht so sonderlich interessant anzuschauen. Und die Spannung ist zu dem Zeitpunkt, wo man den Leuten beim Verrecken zuschauen darf, ja ohnehin schon längst und lang aus dem Film raus. THE DAY AFTER macht auf depressiv und dementsprechend wichtig, ist über weite Strecken aber auch nichts anderes als ein Katastrophenfilm nach gängigem Muster. Mit Gedöns wie ERDBEBEN hat der Streifen allein schon deswegen viel gemein, weil er ebenfalls mit Einzelschicksalen hantiert und sich irgendwann im Verlauf des Films die Wege der in der ersten Hälfte in die Handlung gekloppten Personen kurz kreuzen. Und ebenfalls wie in ERDBEBEN ist die erste Stunde spannender als die zweite, die Katastrophe ziemlich genau in der Mitte des Films zu finden und ein Happy End versagt sich natürlich allein schon aus der Natur der Sache. Im Gegensatz zu ERDBEBEN und anderen Desasterfilmen sind die Effekte in THE DAY AFTER recht schwach. Das nimmt den Film zwar nur wenig von seiner Wirkung, aber es wäre wohl mehr drin gewesen, wäre THE DAY AFTER keine TV-Produktion, sondern exklusiv fürs Kino gemacht worden. Als der Film herauskam, war er in der Tat ein ganz schöner Schocker. Da liefen die bärtigen Batik-Leute noch wegen den Pershings auf der Straße mit Transparenten herum und wer einen Atomkraft? Nein danke!-Aufkleber auf dem Auto hatte, war ja schon fast so etwas wie ein sich offen bekennender Staatsfeind. Am Ausgang des Kinos, in dem ich damals THE DAY AFTER gesehen habe, haben die Grünen Zettel verteilt auf denen allerlei Gründe gegen Pershings und Atomkraftwerke draufstanden. Diejenigen, die THE DAY AFTER nur wegen des Terrors und ein paar Schockereien angesehen haben, haben die Zettel entweder gar nicht erst mitgenommen oder das „Körnerfessergewäsch“ unter Gelächter gleich wieder zu Boden fallen lassen. Ich fand die Aktion ja eigentlich ganz gut. Dass aber dieselben Gestalten ziemlich genau ein Jahr später wieder vor dem Kino standen und sich mit allerlei Drohungen gegen das angeblich faschistische Gedankengut des Film und die Frechheit des Kinobetreibers, einem solchen Wahnsinn auch noch zu unterstützen, redlich mühten, mir den Besuch von DIE ROTE FLUT im Nachhinein zu verleiden, das habe ich ihnen nie verziehen.
#829
Geschrieben 02. Juli 2007, 12:15
(USA 2001 – Steven Soderbergh)
Der als besonders liebenswert gezeichnete Gauner Danny Ocean kommt aus dem Knast und hat nichts besseres zu tun, als zwölf andere Gauner und Kriminelle um sich zu scharren und die Zentralkasse mehrerer Spielcasinos zu überfallen. Betont cool, lässig, mit technischer Top-Ausstattung und schicken Klamotten, so geht das dann vonstatten. Mir war das vor allem egal bis lästig, weil zum einen zuviel Humor beigegeben wurde (die deutsche Synchro ist ein Graus) und der ganze Zirkus nicht nur zur persönlichen Bereicherung der Meute dient, sondern auch noch, damit Gauner Ocean seine Ex-Frau Tess zurückgewinnen kann, die sich mittlerweile dem geldgeilen Casinobesitzer an den Hals geschmissen hat. Am Ende folgt sie der Spur des Geldes, heißt: Ocean kriegt sie wieder, denn schließlich hat er die Knatter. Ganz schön nuttig von der Frau. Ansonsten ist der Film gegenüber solchen Urgesteinen wie TOP JOB oder RIFIFI ein eher verhalten spannender, ja, eigentlich ein fast schon ärgerlicher Beitrag am Tellerrand der puren Zeitverschwendung. Was an OCEAN’S ELEVEN so toll ist, dass er bereits mit zwei Fortsetzungen „veredelt“ wurde, das muss mir mal bitte jemand erklären.
#830
Geschrieben 03. Juli 2007, 13:24
(Großbritannien/Spanien/(BR) Deutschland 1969 – Jess Franco)
Der Jazz-Trompeter Jimmy findet am Strand die Leiche der wunderschönen Wanda, die zuvor bei einer Jet-Set-Party gesehen hat. Im Verlauf des Abends wurde das Mädchen dann von drei Sexmonstern, nämlich Klaus Kinski, Dennis Price und Margaret Lee, umgebracht. Nun schickt sich die Tote an, ihre ehemaligen Peiniger aufzusuchen und in einem ekstatischen Rausch Rache zu üben. Dass die ganze Schauermär lediglich der Fantasie des Jazzers entspringt, dazu gibt Franco etwas zu eindeutige Hinweise, die den Film etwas von seiner überaus gelungenen Stimmung nehmen. Gerade die erste halbe Stunde ist unendlich stark, hat wunderschöne surreale Momente und bringt die Geschichte alles andere als offensichtlich aufs Tapet. Von der Melancholie der Bilder lässt man sich gern gefangen nehmen. Als Kontrast dazu gibt es Gewaltausbrüche aus sexueller Raserei und eine höchst sonderbar-statische Partygesellschaft, aus der sich die Mörder Wandas zögernd herauslösen, während um sie herum alle weiteren Gäste in ihrer merkwürdigen Starre verweilen. Dass Franco mit diesem Film ein ähnlicher Knaller wie NECRONICON – GETRÄUMTE SÜNDEN hätte glücken können, ist in den herausragenden Momenten des Film absolut ersichtlich. Hin und wieder hat es wohl aber – vielleicht aus Geld- und Zeitmangel – etwas zu sehr husch-husch gehen müssen. Die Szenen vom Straßenkarneval in Rio de Janeiro wirken unpassend und gerade so, als würden sie gar nicht in den Film gehören, die eine oder andere eingefärbte Szene macht viel zu offensichtlich deutlich, warum es sich hier eigentlich dreht und manchmal blickt man auch einfach nicht mehr so ganz durch – vor allem dann, wenn sich Franco etwas zu sehr in den Beziehungskisten rund um Hauptcharakter Jimmy verstrickt.
Irgendwo in der Ecke einer Bar sitzt Manfred Mann herum und spielt tollen Jazz. Überhaupt ist die Musik sehr glücklich gewählt und gibt dem Film einen erstklassigen Rahmen. Leidgeprüft durch die ungewollten, vor allem von Manuel Merino in viele von Francos Filmen gebrachten unscharfen, verwackelten oder unscharf und verwackelten Bilder ist man etwas verwirrt, ob es in VENUS IN FURS dahingehend immer mit rechten Dingen zugeht. Scheinbar sind solche Bilder hier aber ausdrücklich gewollt. Und natürlich ist VENUS IN FURS trotz seiner Schwächen ein weit überdurchschnittlicher Franco.
#831
Geschrieben 04. Juli 2007, 09:33
(Spanien 1998 – Santiago Segura)
Torrente ist ein feister Ex-Cop in schlecht sitzenden Suddelklamotten Marke Miami Vice, einem unbändigen Drang, sich permanent zu besaufen, hat immer juckende Eier, eine große Klappe und unsäglich schlechte Manieren. Trotz seines Rauschmisses geht er jeden Tag auf Streife, ignoriert das Verbrechen um sich herum und stürzt sich lieber auf harmlose Araber, die ihm ein Dorn im Auge sind, ein Schandfleck fürs Viertel. Auch den Chinesen, die ein neues Restaurant aufgemacht haben, traut er nicht über den Weg. Und daran tut er gut, finden hinter den Mauern des Fresstempels doch vor allem Drogengeschäfte von unglaublichen Ausmaß statt. Torrente wittert die Chance seines Lebens und pfuscht den Drogenbaronen mit ein paar von der Straße aufgelesenen Jugendlichen tüchtig ins Handwerk.
Dass der Film kaum mehr ist als ein Riesenspaß, das geht absolut in Ordnung, weiß doch der Humor – vor allem in der ersten Hälfte des Films – durchaus zu zünden. Dabei können vor allem auch die vielen mitgegebenen Kranksinnigkeiten des spanisches Streifens begeistern, die so weit weg sind von dem deutschen Humorverständnis gängiger und zumeist fürchterlich überkandidelter Filmlustspiele wie nur irgend geht. In der zweiten Hälfte flacht TORRENTE leider etwas ab, ist eher harmlos witzig und schlachtet dann vor allem Actionfilmklischees aus, was aber immerhin Platz für einige Brutalitäten lässt, die man so nicht zwingend in einem vor allem als Komödie angelegten Film erwartet hätte. TORRENTE ist vor allem wegen Santiago Segura toll und definitiv etwas für den ganz schnellen Verbrauch, also ein Film, den man einmal anschaut und dann nie wieder.
#832
Geschrieben 04. Juli 2007, 12:16
Undercover-Cop Hayata bekommt einen gefährlichen Auftrag zugeschanzt: Nach seinem angeblichen Rauswurf bei der Polizei soll er beim Gangstersyndikat von Sumitaro Yashiro anheuern, der größten und gefährlichsten Verbrecherorganisation des Landes. Sein Ziel ist es, Akutsu, den „Finanzier mit dem schwarzen Hut“, unschädlich zu machen, der die Yashiro-Bande mit Geldmitteln versorgt. Dummerweise fliegt seine Deckung irgendwann auf und er bekommt es mit Kunio Noshi, dem Anführer der Muskelmannbrigade, Kurihara, dem besten Scharfschützen Japans und natürlich mit Simutaro selbst zu tun. Alle sind hinter Hayata her wie der Teufel hinter der Seele. In dem Ganoven Asai findet Hayata einen Verbündeten, ebenso in einem hübschen Mädchen aus der Bandenmitte. Logischerweise überlebt am Ende nur Sonny Chiba, alle anderen müssen ins Gras beißen. Ob gut oder böse – völlig egal. Mit dem Kontaktmann Mineo ist dem recht brutalen Spektakel auch noch ein komisches Element beigegeben. Der taucht zu den unpassendsten Gelegenheiten in allerlei lustigen Kostümen auf und gibt damit den Walter Sparbier des japanischen Gangsterkinos. Wenig täuschen diese humorigen Anwandlungen darüber hinweg, dass YAKUZA DEKA ein reinrassiger und überaus knallharter Actionfilm ist, in dem abenteuerliche Stunts ebenso wenig fehlen wie Gejage, Gehetze und viel Geballer. Auch der wahren Freundschaft, die es nur unter beinharten Männern gibt, wird in den turbulenten 90 Minuten ein hübsches Denkmal gesetzt. Chiba ist in YAKUZA DEKA eher der nette und coole Typ und so ganz und gar nicht die bärbeißige, grunzende und keuchende Kampfmaschine mit dem schiefen Gesicht wie in seinen Filmen aus der STREET FIGHTER Reihe. Man kann nicht sagen, dass Chiba hier schon zur Höchstform aufläuft (zumal beeindruckende Faustkämpfe Mangelware sind), aber man kriegt für die Mark einen absolut tadellosen, höchst rasanten und schonungslosen Actionreißer aus der „harten“ Ecke.
#833
Geschrieben 05. Juli 2007, 13:13
(USA 1985 – Richard Fleischer)
Die größenwahnsinnige Königin Gedren klaut einen außer Kontrolle geratenden Talisman, dessen enorme Kräfte sie dazu nutzt, das Land zu unterjochen. Ihr in den Weg stellt sich nun eine unglaublich mies schauspielernde Brigitte Nielsen in der Titelrolle, Arnold Schwarzenegger als Kalidor, ein dummes Kind, das aussieht wie eine Mischung aus dem unsäglichen China-Blag aus INDIANA JONES UND DER TEMPEL DES TODES und Kane Kosugi, und der dicke Paul Smith, also der irre Typ mit seinem tollen Brummi, dem man in der deutschen Fassung jedoch eine Schwuchtelstimme verpasst hat. Am Ende versenken sie den grünen Stein in der Lava der aufbrechenden Erde, und auch die alte Hexe kriegt ihr Fett weg. Die Bergman sieht in RED SONJA, der ja nur vier Jahre nach CONAN entstand, schon unendlich angeknuspert aus – und das liegt gewiss nicht nur an der Maske. Ungerecht: Die wesentlich attraktivere Janet Agren muss schon nach ein paar Minuten verrecken. Die Szenen, in denen die Nielsen und das nervige Kind allein zu sehen sind, die sind ohnehin kaum auszuhalten. Als die Nielsen dem Blag was dahingehend erzählt hat, was denn nun einen echten Mann ausmacht, und sie ihm zudem ein wenig Schwertkampfunterricht von selten zu sehender Blödheit angedeihen lässt, habe ich vorgespult. Das war schon jenseits von unerträglich.
Irgendwann im Film kämpfen die aufrechten Streiter auch noch gegen einen großen Metallfisch, das eigentliche Highlight des Streifens. Ansonsten wird mit Monstern ebenso sparsam umgegangen (hinter Gedrens Thron lungert noch eine zappelige Riesenspinne herum, die allerdings nichts zu tun kriegt) wie mit der Präsentation eindrucksvoller Landschaften. Die meisten Schwertkämpfe finden im Laub- und Tannenwald statt, könnten also auch irgendwo links neben Darmstadt gedreht worden sein. Der im Fahrwasser des großen Vorbildes entstandene Film hat irgendwie so gar nichts zu bieten, was bei Stange hält. Selbst die eigentlich ja ganz schunkelige Musik von Morricone bleibt kaum über das Ende des Abspann hinaus im Kopf hängen. Nein, nicht einmal als besonders gurkige Trash-Granate taugt dieser Film. Dafür fehlen zum einen die Schauwerte, zum anderen ist die Konkurrenz (GUNAN, ER – STÄRKER ALS FEUER UND EISEN, ATOR 2) ungleich unterhaltsamer.
#834
Geschrieben 06. Juli 2007, 14:12
(USA 1968 – Peter Yates)
Im Auftrag von Oberstaatsanwalt Chalmers soll Cop Frank Bullitt vierzig Stunden lang den Kronzeugen bei einem Prozess gegen die Mafia beschützen. Was sich zunächst wie ein eher langweiliger Routineauftrag ausnimmt, wird durch ein paar Unvorsichtigkeiten und schließlich zwei eiskalte Mafiakiller zu einem blutigen Massaker. Der Kronzeuge überlebt schwer verletzt. Als er schließlich im Krankenhaus seinen Verletzungen doch noch erliegt, entführt Bullitt die Leiche, versteckt diese, verheimlicht den Tod des Mannes und nimmt schließlich die Ermittlungen über die Hintergründe der Bluttat in die eigene Hand. Dabei setzt er sich über Anordnungen von höchster Stelle hinweg, stößt er auf eine ganze Anzahl Unstimmigkeit und sieht sich schließlich in der Zielscheibe der Mafia-Killer. Der Gipfel des Films ist eine Hochgeschwindigkeits-Verfolgung quer durch das hügelige San Francisco, bei der McQueen vor den Killern flüchtet und den Spieß schließlich umdreht, was den Mafiosi nicht gut bekommt. BULLITT ist ganz hartes Macker-Kino in realitätsnaher, zumeist recht schmuddeliger Umgebung. Strahlemänner trifft man hier nicht, noch weniger aber Frauen. Für die ist kein Platz. Jacqueline Bisset ist eher zur Zierde dabei und wendet sich angesichts der gebotenen Brutalitäten schließlich ziemlich angewidert ab. Besser ist das. Große Zweifel tun sich ihr dabei an Frank Bullitts wahren Charakter auf. Den Schmusebären spielt er ihr höchstens vor, der Zuschauer indes kennt das wahre und durch nichts mehr zu beeindruckende oder gar erschütternde Gesicht des Cops, der fast wie eine Maschine seine Pflicht tut, sich also durch ein nicht gerade geringes Maß an Abgestumpftheit auszeichnet und der sich höchstens noch von seinem immer wieder aufflammenden Jagdinstinkt treiben lässt. Für das Actinokino der ausklingenden 60er Jahre ist BULLITT von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Neben all der Rasanz, die dem Film durchaus mitgegeben, ist er vor allem auch wegen seiner selbst in der x-ten Wiederholung noch fesselnden Geschichte interessant. Höchst geschickt setzt der Film seine Höhepunkte. Der ungemein rohe Mordanschlag auf den Kronzeugen, die Autoverfolgung und schließlich das Finale auf dem nächtlichen Rollfeld des Flughafens von San Francisco – der Zuschauer hat kaum eine Möglichkeit, bei BULLITT wirklich zu Ruhe zu kommen. Unterstrichen wird die Hatz nach der Wahrheit von einer schmissigen Musik aus der Feder von Lalo Schifrin – und die ist mindestens so originell wie die für 1968 ziemlich spektakuläre Titelsequenz und die sich gleich danach einstellende ziemlich ruppige Atmosphäre dieses Klassikers.
#835
Geschrieben 06. Juli 2007, 14:12
Superbulle Hayata bietet seine schnellen Fäuste und Fähigkeiten im Umgang mit der Kanone dem Gangsterboss Mano vom Seiwa-Clan an, was der Polizei äußerst gelegen kommt, denn die Seiwas sind die Nr. 1 im Marihuana-Handel in Japan. Und denen gehört schließlich das Handwerk gelegt. Nun schickt allerdings der Boss der Natsui-Familie seine vier gemeingefährlichen, maskierten Auftragskiller los, um die Seiwas zu plätten. Hayata hetzt man die hübsche Ayato auf den Hals, die ihn mittels Einsatz ihrer Körperrundungen zum Mitmachen bei den Natsuis überreden soll. Darauf lässt sich Hayata gerne ein, kann er so doch von beiden Fronten aus den Drogenhandel äußerst effektiv bekämpfen.
Noch einen ganzen Zacken schneller und mit noch mehr bestaunenswerten Actionszenen versetzt holt der Nachfolger zu YAKUZA DEKA dazu aus, das Original zu überflügeln. Und wie so oft im japanischen Kino zu beobachten, gelingt dies auch zu guten Stücken. YAKUZA DEKA: THE ASSASSIN wirkt mit den ganzen Superwaffen, Karatetricks und – vor allem zum Ende hin – schier die Leinwand zerreißender Feuerkraft wie eine Cannon-Produktion aus der Vergangenheit. Sonny Chiba macht einen auf James Bond und Paul Kersey. Sein – bereits aus dem ersten Teil bekannter – Filmkumpel, der natürlich auch hier wieder ins Gras beißen muss, knattert in der allergrößten Not mit dem Maschinengewehr durchs feindliche Lager und gräbt das herrschaftliche Anwesen des Drogenbosses kurzerhand mit Dynamit um. Hossa! Statt spektakulärer Stunts gibt es im zweiten Teil vor allem Geknalle aus allen Rohren. Und auch der Humor, den der japanische Walter Sparbier abermals in seinen lustigen Kostümierungen einbringt, fehlt natürlich auch nicht. Das ist alles sehr kurzweilig und auf ein
vor allem jugendliches Publikum zurechtgeschnitten. Macht ja nichts, wenn es trotzdem Spaß bringt. Beide Filme der Reihe - vor allem aber dieser hier - taugen als Einstiegsdroge in das Universum des japanischen Gangster- und Actionkinos der 70er Jahre absolut. Dabei darf man auch mehr als einmal darüber staunen, was die Japaner seinerzeit schon alles auf die Beine zu stellen wussten. Und das ist wahrlich nicht von schlechten Eltern! Veredelt wird der Film mit einer wunderbaren Musik, die neben dem bekannten Hauptthema aus dem ersten Teil vor allem richtig peppige und moderne Melodien liefert. Hätte ich gerne auf CD.
#836
Geschrieben 06. Juli 2007, 15:50
(USA 1971 – Al Adamson)
Ein Zombie latscht durch die Gegend und bringt allerlei Leute um. Bei der Untersuchung findet die Polizei die Fingerabdrücke eines Mannes, des Kriegsveteran Joe Corey nämlich, der jedoch schon seit zwei Jahren tot ist. Die Spur führt zu Dr. Vanard, der den verdatterten Bullen erklärt, dass er den halbtoten Corey damit rettete, dass er ihm ein Elektronengehirn verpasste. Nun ist Corey allerdings außer Kontrolle und nur darauf aus böse Dinge zu tun. Einen Juwelenraub zum Beispiel, wobei Corey die Klunker abhanden kommen und er deshalb den halben Film nach ihnen suchen muss und dabei eine Frau belästigt und sogar ein kleines Mädchen mit Hasenzähnen quält. Zwischendrin ermordert er noch Vanard, weil er mit der an ihm vorgenommenen OP nicht wirklich zufrieden ist. Das ruft Vanards in Europa lebende Tochter Susan auf den Plan. Susan wird jedoch von Joe Coreys Vater in einen Hinterhalt gelockt und schließlich in dessen Labor verschleppt, denn, man höre und staune, im Dschungel Jamaikas hat er Voodoo gelernt! Außerdem weiß er mit chemischen Substanzen gut zu hantieren; solche eben, die aus Menschen Zombies machen können. Coreys Vater will sich an allen rächen, die mit Vanards Gehirn-Experimenten in Verbindung stehen – und zwar bis ins zweite oder dritte Glied der Familie, bitteschön! Am Ende revoltiert Acro, der einäugige Oberzombie, der bei Corey im Keller wohnt und der die Morde am Anfang des Films ausgeführt hat. Die Corey-Familie wird dezimiert, der Zombie hat 'ne Braut, der Film ist aus. Na endlich!
Die eine Hälfte dieses Schinkens wird mit Szenen aus Adamsons – vermutlich entsetzlich langweiligen – Krimiquatsch ECHO OF TERROR bestritten. Der ganze Monsterkram ist neu hinzugedreht worden, zwar auch nicht wirklich intelligenter als das bereits vorhandene Material, aber Zombiespuk und John Carradine als Mad Scientist wollen mir doch eigentlich gut gefallen. Notfalls zwinge ich mich jetzt dazu. Al Adamsons Ehefrau Regina Carrol ist mit ihrem überschminkten Gesicht vor allem in den zahlreichen Großaufnahmen ganz entsetzlich anzusehen und wird gegen Ende in eine wirr babbelnde Zombiefrau verwandelt. Der Mann mit der Computerdenke fliegt einen verschneiten Berg runter und ist tot. Hier geht’s drunter und drüber, alles ist so weit hergeholt, wie es nur irgend geht. Interessant anzusehen ist das natürlich trotzdem und ganz sicher die drittbeste Arbeit vom Gespann Adamson/Sherman, also gleich nach SADISTEN DES SATANS und natürlich dem Gruselmeilenstein DRACULAS BLUTHOCHZEIT MIT FRANKENSTEIN. Der Film unterhält auf seine Weise und vor allem dann, wenn man bereit ist einfach alles zu glauben, was einem vorgesetzt wird. Obwohl Adamsons ECHO OF TERROR bereits aus dem Jahre 1964 stammt und der Rest des Films erst fünf Jahre später um die Fragmente des Krimis herumgekittet wurde, sieht BLOOD OF GHASTLY HORROR aus wie aus einem Guss. Den Elementen aus ECHO OF TERROR muss man immerhin noch zugute halten, dass sie für einen Adamson-Billigheimer halbwegs sauber und manchmal sogar recht ansprechend fotografiert wurden. Bei dem neu hinzugefügten Gruselkram findet die „Action“ auch schon mal komplett außerhalb des Bildes statt, was nicht nur allein daran liegt, dass der Film nicht im richtigen Bildformat zur Verfügung steht. BLOOD OF GHASTLY HORROR ist eine Herausforderung an alle Sinne und im besonderen Maße den Verstand. Mit einem oder zwei im Tee wird ein Vergnügen ohne Sinn und Verstand daraus. Und als Partyknaller zu vorgerückter Stunde taugt er sowieso.
#837
Geschrieben 06. Juli 2007, 18:30
1945. Japan hat kapituliert. Soh Doshin, in China stationierter Meister des Shaolin Kung Fu, hingegen noch lange nicht. Zurück in den Slums von Osaka hilft er den Gebeutelten, den Geschundenen und den Kindern wo er nur kann und kloppt auch schon mal ein paar aufstrebende Yakuza zusammen, damit die Armen was zwischen die Kiemen kriegen. Denn die Yakuza hamstern dringend benötigte Lebensmittel nur zum Zwecke der bestmöglichen Versilberung. Ungerechtigkeiten dieser Art liegen Soh nicht. Als Soh aber zwei Amerikaner zu Krüppeln macht, nachdem diese unnötigerweise einen kleinen Jungen zusammengefahren haben, muss er aus Osaka fliehen. In Tadotsu verwirklicht er mit bescheidenen Mitteln seinen Traum und macht eine Schule für Shaolin Kung Fu auf. Doch selbst dort lässt man ihn nicht in Ruhe, die Yakuza machen mit der Polizei und den höchsten Beamten der Stadt gemeinsame Sache und sehen Sohs Schule vor allem als Gefahr für ihre dunklen Machenschaften. Soh dreht durch, als Yakuza-Boss Akamatsu seinen besten Freund ermorden lässt und dann auch noch seine heimliche Liebe im fernen Osaka dahinsiecht, nachdem sie zum Wohle der Slum-Kinder hat anschaffen gehen müssen.
In THE KILLING MACHINE gibt es Sonny Chiba in absoluter Höchstform zu bestaunen, er ist kompromisslos, stahlhart und schlicht überwältigend. Gefangene werden in diesem Film keine gemacht. Wenn Chiba den Bösewichtern die Arme in grotesken Verbiegungen auf den Rücken dreht, müssen diese artig danke sagen, denn es hätte noch wesentlich schlimmer kommen können. Suzukis Film ist von einer unbeschreiblichen Rohheit und Brutalität, die aber recht gut in die Stimmung der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Städte passt. Dass der Film auf dem Leben des japanischen Kung-Fu-Großmeisters Doshin So beruht, das mag ja alles angehen, allerdings dürften die gewalttätigen Ausschmückungen, mit denen THE KILLING MACHINE gesegnet ist, wohl vor allem den Publikumsgeschmack bedienen und weniger in historisch verbürgter Faktenlage zu suchen sein. Jedenfalls fällt es schwer, sich vorzustellen, dass ein Shaolin-Meister in den zerstörten Straßen japanischer Städte Vergewaltiger jagt, ihnen die Pimmel abschnippelt und diese dann als leckeren Happen halb verhungerten Kötern zum Fraß vorwirft. THE KILLING MACHINE ist aber viel mehr als nur brutales Actionkino aus Fernost. Statt lediglich die Ruinen der vernichteten Städte als Kulisse zu verwenden, fängt der Film in der Tat auch noch ein Stimmungsbild der Zeit ein, beleuchtet die Nöte der hungernden Slum-Bewohner, problematisiert das Schicksal der Kinder, deren Väter im Krieg vernichtet wurden oder fälschlicherweise als gefallen gemeldet wurden und führt einen unglaublich harten Überlebenskampf vor Augen. Trotz aller hundsgemeiner Gewalttaten ist THE KILLING MACHINE vor allem aber auch ein Film über die Liebe. In der Liebe liegt für Chiba die (Schlag-)Kraft, mit der er am Ende zwei komplette Yakuza-Clans im Alleingang vernichtet und den schlimmsten aller Schurken die Rippen derart zertrümmern lässt, sodass dieser seine Knochen im Todeskampf auskotzt. Man sieht es zwar, aber man fasst es einfach nicht. So und nicht anders müssen Actionfilme aus Fernost beschaffen sein.
#838
Geschrieben 07. Juli 2007, 19:07
(Spanien 2001 – Santiago Segura)
Torrente hat sein ganzes Geld beim Roulette verballert und eröffnet mit seinen letzten Kröten eine Akademie für angehende Privatdetektive. Neben dem Sammeln von Beweisen von untreuen Ehefrauen und dem Umstand, dass er sich mit seinen trotteligen Schülern herumschlagen muss, bekommt er es bald mit dem gemeingefährlichen Gangster Spinelli zu tun, der zwei Raketen auf Marbella gerichtet hat. Der Chip für die Zieleinrichtung der Waffen gerät zufällig und in einer Anstecknadel versteckt an Torrente. Davon wissen die Killer Spinellis und machen Jagd auf den verhinderten Cop. Zwischendrin taucht dann in Gestalt eines schmierigen Ganoven auch noch Torrentes leibhaftiger Vater auf, der seinen Sohn für einen Koffer Bargeld verschachern möchte. Eine notgeile Hauswirtin, eine blasfreudige untreue Ehefrau, ein Ausflug in die Schwulensauna sowie ein paar Ferkeleien runden den Spaß dann recht kurzweilig ab. Dass der Film mit etwas mehr Aufwand entstand als der Vorgänger, das lässt sich schon daran ablesen, dass man dem Film einen aufwändigen Vorspann in James-Bond-Machart, einige höchst ansehnliche Autostunts und ein paar hübsche Explosionen spendiert hat. Im Nachfolgefilm ist alles noch ein paar Nummern größer. Das erfolgreiche Konzept wurde jedoch beibehalten. Die Mischung aus harmlosen Späßen und kräftigen Zoten funktioniert nach wie vor recht ordentlich. Der Film ist wie sein erfolgreicher Vorgänger ein netter Zeitvertreib, den man gerne und überaus schmerzfrei über sich ergehen lassen kann. Nach dringender Wiederholung schreit aber auch dieser Film nicht wirklich.
#839
Geschrieben 07. Juli 2007, 19:07
(Frankreich/Italien/Spanien 1966 – Calvin J. Paget (Giorgio Ferroni))
Der Bürgerkrieg ist längst vorbei, doch Gary Tampeko sitzt im Fort von den Yankees in Haft, wenn er da bis auf das schlechte Essen („Wasch dir mit der Brühe die Füße, du Mistvieh!“) auch nichts zu leiden.
Eines Tages erhalten die Nordstaatler nun aber die Information, dass eine Gruppe unverbesserlicher Südstaatler das Fort Yuma überfallen wollen, denn da ist auch die Kriegskasse mit drei Millionen Dollar eingelagert. Weil Tampeko sich in Colorado gut auskennt, soll er zusammen mit einem Captain und einem Sergeant losreiten und die Menschen in Fort Yuma rechtzeitig vor dem Überfall warnen. Unterwegs passieren dann aber ein paar krumme Dinger und ehe sich Tampeko versieht, muss er nicht nur im Alleingang die Botschaft überbringen, sondern sieht sich auch einem Verräter und natürlich den Anführern des feindlichen Kommandos gegenüber. Ein Stück des Wegs begleitet ihn noch ein keckes Blondchen mit dem tollen Namen Connie Breastful, die überall, wo sie auftaucht, von so mancherlei „Pfingstochsen“ belästigt wird, die Tampeko, alias Giuliano Gemma, dann ebenfalls noch auf entsprechende Größe zurechtstutzen muss.
Connie darf Gemma auch das Leben retten, denn er wird in diesem Film ganz bös gefoltert und verliert zeitweilig gar sein Augenlicht.
Dass der Film so eine eher drastische Wendung nimmt, das sieht man ihm zu Beginn nicht wirklich an. Da wirkt der Streifen eher wie ein etwas öder K(r )avallerie-Western mit Prügeleien und blödem Geballer. Interessant wird es dann schon mal, wenn Gemma und seine beiden Begleiter auf ihre Mission geschickt werden und so richtig zur Höchstform läuft der Film erst in der letzten halben Stunde auf, wenn es den Hintermännern an den Kragen geht und Gemma einen Kameraden rächen darf. Ein Meisterwerk ist hier zwar nicht gerade vom Himmel gefallen, aber immerhin ein hoch anständiger und durchaus unterhaltsamer Film mit einem über Gebühr guten Gemma, einer brauchbaren Musik und einigen nicht zu verachtenden Härten.
Bearbeitet von molotto, 07. Juli 2007, 19:21.
#840
Geschrieben 07. Juli 2007, 19:08
((BR) Deutschland 1971 – Eberhard Schröder)
Den hatte ich schon mal und zudem auch noch in eigentlich recht frischer Erinnerung, aber HAUSFRAUEN-REPORT ist nun einmal Meisterwerk und gleichwohl einer der besten Report-Filme, die in Deutschland je gemacht wurden, da freut man sich aufs Wiedersehen. Den Gedanken, dass die gemeine deutsche Hausfrau, zumal wenn keine Kinder vorhanden sind und also demnach auch keine tagesfüllende Beschäftigung, mindestens, und da bemüht der Off-Sprecher die aktuelle Statistik, zwölf Stunden am Tag in ihren vier Wänden herumdrömelt und nichts mit sich anzufangen weiß, finde ich recht beängstigend. Und woher kommt eigentlich die hohe Scheidungsrate? Ist es wirklich nur dem Umstand geschuldet, dass sich die jungen Leute viel zu schnell ineinander vergucken und also meinen, die Liebe fürs Leben gefunden zu haben? Die Sache mit den Ratenkäufen ist eine andere Geschichte. Schnell ist der Mann da nicht mehr in der Lage, von seinen „398 Mark netto wöchentlich“ die Schulden zu bestreiten. Da muss die Frau eben anschaffen gehen. Nützt ja nichts und leuchtet doch auch irgendwie ein. Und dass die Ausländer zum einen den deutschen Mann die Arbeit wegnehmen, wonach die (junge) Familie unweigerlich in die Trennung stürzt oder aber der südländische arbeitsscheue Tunichtgut dem fleißigen deutschen Werktätigen gleich die knackige Alte ausspannt, was in den Konsequenzen nicht weniger schlimm ausfällt, davon wird man – wenn auch zwischen den Zeilen – ebenfalls genau unterrichtet. Geahnt hat man es doch sowieso schon immer! „Diese Spaghettifresser!“ – Ja, die fressen sogar Amseln!“ – „Ja, ja, vom Vögeln versteh’n die was!“ Hahaha! Womit sich die deutsche Frau die Zeit vertreibt, wenn der Mann in der Fabrik Stahlbleche stanzen geht, ist aber – bis auf die Ausnahme mit dem jugoslawischen Trucker – ausnahmslos von deutscher Staatsbürgerschaft: der Waschmaschinen-Kundendienstler, der Postbote mit dem Einschreibepäckchen, der Sex-Fotograf und natürlich der Arbeitskollege, der sich abends beim gemütlichen Beisammensein Bier und Jagdwurst vorsetzten lässt, bevor er der von allen Geistern verlassenen meinenden, zutiefst verschreckten und mit der in nichts als blanke Lüsternheit umkippenden Stimmung völlig überforderten Perle seinen dadurch gewonnenen üblen Atem auf die Titte haucht. In der Tat: „Karoline muss ausfressen, was Karl am Schreibtisch verbockt hat!“ Manchmal heiligt der Zweck die Mittel. Und Zweck und Selbstzweck – das ist ein Trumpf, der hier immer sticht. Überhaupt: Alles ist von oben bestimmt. Da wundert es auch nicht mehr, dass der Wackeldackel auf der Vitrine den Takt vorgibt, zu dem der Postbote knattert. Der deutsche Mann braucht einen, der es ihm mal ordentlich vormacht. Das ist eine der Hauptaussagen dieses spektakulären Films. Doch was der Bauer nicht kennt, das frisst er nur schwerlich oder eben gar nicht. Für den „Bockstoß“ aus dem französischen Bilderbuch braucht es schon einigen Mut. Und Mut, das fehlt dem deutschen Mann nun vor allem. Der geht eher in der Routine auf. Doch wenn er sich nicht langsam gegen seine vor allem in sexuellen Dingen emanzipierte Frau durchsetzt, dann wird er untergehen. Die Frauen haben sich in ihrer Abenteuerlust unlängst verbündet, der Mann kann zwar meckern („Hät’s nicht gedacht, dass die Traudl so eine Sau ist!“), muss aber erkennen, dass der Tag nicht mit dem Feierabend an der Blechstanze, der Drehbank, im Ingenieurbüro oder dem letzten Besuch als Bürstenvertreter endet, sondern dann noch der von ihm so sträflichst verschmähte Honigtau der Liebe auf ihn wartet. In den letzten Bildern des Films wird erklärt, wie es in deutschen Ehen besser funktionieren kann: Mann kommt nach Hause und besteigt erst einmal die Alte, während die Kinder draußen im Garten ihrem Spiel fröhlichen nachgehen. Die kommen dann mal rein in die Vögelhöhle, kriegen alles genau erklärt, werden wieder weggeschickt und freuen sich dann – so wie die Tochter im letzten Fall –schon mal darauf, dass irgendwann einmal ein Mann kommt und sie ordentlich bürstet. Doch wer wird das sein? Der Kinderschänder von nebenan? Genug Stoff für einen eigenen Film, meine ich, zumal es einen „Mitschnacker-Report“ bislang noch gar nicht gibt. Nicht jedes gutgemeinte Ende ist wirklich gut.
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