"If it bleeds, we can kill it!"
#451
Geschrieben 31. März 2009, 19:03
(Il buono, il brutto, il cattivo) / Italien, Spanien 1966 / DVD
Nur in der zynischen Welt des Italowesterns ist es möglich, dass ein Revolvermann drei Männer erschießt, das Kopfgeld für einen vierten einstreicht, diesen danach in der Wüste aussetzt und dennoch das Bild einfriert und diese Figur als The Good deklariert wird. Doch das Amerika in ZWEI GLORREICHE HALUNKEN ist seinem Helden gnädig, denn zu mehr als nur einer Gelegenheit rettet ihn der Bürgerkrieg vor dem Untergang. So garantiert der Einschlag eines Geschosses jeweils das Entkommen vor dem hinterlistigen Tuco oder die nötige Ablenkung, die zum Triumph über Angels Eyes' Gefährten führt.
Wesentlich Neues habe ich meinem letzten Eintrag zum Film kaum hinzuzufügen. Das von mir damals konstatierte holprige Zusammenspiel zwischen Bild und Musik ist mir diesmal nicht aufgefallen, wobei ich meine Fühler bei dieser Sichtung stärker auf die Positionierung der Figuren im Verhältnis zu ihrer historischen Umgebung geachtet habe, weshalb mir das Phänomen heute schlicht durch die Lappen gegangen sein könnte.
Heute hat mir besonders der Kontrast zwischen Tuco und Blondie gefallen, wenn es um die Handhabe ihrer jeweiligen Feuerwaffen geht. Beide Charaktere können wir dabei beobachten, wie sie eine Waffe zusammenbauen: Tuco vollkommen hektisch (aber dennoch präzise), Blondie in stoischer Gelassenheit und Genauigkeit, die auch der unmittelbar bevorstehende Angriff der Männer Tucos nur schwer beseitigen kann. Der Charakter der Figuren spiegelt sich also schon im Umgang mit ihren Waffen. Schön. Leider kommt mir auf Anhieb keine Szene in den Sinn, die Angel Eyes bei einer ähnlichen Tätigkeit zeigen könnte. Dafür ist mir dieser heute vor allem als musikalischer Inszenator von Gewalt aufgefallen. Das Spiegelbild Leones im Film?
Ein paar Trivialitäten zum Abschluss: Das Testen der Pistole seitens Tuco während dessen Einkaufs punktet durch ein genussvoll fließendes Abfeiern der Italowestern-Art zu schießen. Zudem bin ich in einer der ersten (oder war es gar die allererste?) Einstellungen des Films, so glaube ich, Zeuge einer Kinski-Schraube ohne Kinski geworden!
#452
Geschrieben 01. April 2009, 11:57
(C'era una volta il West) / Italien, USA 1968 / DVD
Bronson kommt mit dem Zug, nur um die nächsten zweieinhalb Stunden vor ihm davon zu eilen, um noch ein wenig Zeit zu finden. Genug Zeit für einen letzten Triumph der rachenden Revolverhelden, bevor der Fortschritt Einzug hält und diese obsolet macht. Ein letzter Triumph aber auch für Fonda, dessen Ausflug in die Welt der monetären Waffe höchst unbefriedigend endet. Wenigstens Mr. ChooChoo konnten aber noch seine Grenzen aufgezeigt werden; dem einzigen echten Verlierer am Ort. Sein Versuch, den Revolvermann mit dessen eigenen Waffen zu schlagen, scheitert, der ersehnte Pazifik wird zur traurigen, brackigen Pfütze und nur sein Vermächtnis, die Eisenbahn, wird bestehen bleiben.
Gut gefällt heute auch das mal mehr und mal weniger subtile Fährtenlegen Leones. Dies fängt bei der Drolligkeit an, Jack Elam, Woody Strode und Al Mulock während des Vorspanns direkt nur als Guest Stars einzuführen und hört beim Verschmelzen der musikalischen Motive Harmonicas und Franks zu einem einzelnen Musikstück noch lange nicht auf - ein Verfahren, das mich ein wenig an Richard Strauss' ELEKTRA erinnert (und endlich kommt mir mal ein konkreter Opernverweis, den es sich vielleicht zu untersuchen lohnt, bei einer Sichtung dieses oft und zu Recht als opernhaft bezeichneten Films in den Sinn).
Keine neuen Erkenntnisse gewiss, selbst für jemanden wie mich, der auch mal 8-12 Anläufe für einen Film braucht. Aber dennoch immer wieder schön.
#453
Geschrieben 02. April 2009, 07:58
(Il mio nome è Nessuno) / Italien u.a. 1973 / DVD
Lange Zeit musste ich mich während der Sichtung fragen, was der Film mir abgesehen von seinem Zitatenreichtum (sowohl in Einstellungen als auch Musikfetzen) und dem angenehm gediegenen Tempo anzubieten haben könnte. Letztlich wurde es dann eine melancholische Geschichte über ein zunächst verweigertes Heldentum, dessen verführerische Anziehungskraft letztlich aber doch noch siegt. Insgesamt vielleicht die hoffnungsvollere, selbstbestimmtere Variante von SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD. So wird hier die Eisenbahn etwa nicht als unaufhaltsames Sinnbild für die drohende Zivilisation (zumal der Westen, wie Fondas Figur anmerkt, ohnehin schon recht dicht besiedelt zu sein scheint) illustriert, sondern als Rettungsanker für den betagten Revolvermann, der diesen vor allem aber freiwillig in die Hand nimmt. Doch wie gesagt, den Verlockungen des vom Träumer Nobody gezeichneten Heldentums kann der Alte man dann dennoch nicht widerstehen. Ein ganz großer Knaller von Film, den eine zweite Sichtung, nun wissend, was mich erwartet, noch verstärken dürfte.
#454
Geschrieben 02. April 2009, 21:18
(The Searchers) / USA 1956 / DVD
Doppelte Premiere für mich. Ebensowenig wie ich einen Film von John Ford kannte, hatte ich bis vorhin John Wayne in bewegten Bildern gesehen. Eigentlich ist die Premiere gar noch eine dreifache gewesen. US-Western habe ich, so glaube ich, auch noch nie im großen Stil gesehen. Ledigliche eine dunkle Erinnerung an DIE KARAWANE DER FRAUEN geistert da irgendwo in meinem Kopf umher. Okay, und THE WILD BUNCH. Den kenne ich auch. Aber lässt der sich mit Filmen wie THE SEARCHERS (ich verstehe den deutschen Titel nicht und ignoriere ihn daher) in einen Topf werfen? Mein Eindruck: Kaum. Aber liegt die Peckinpah-Sichtung nun auch schon einige Zeit zurück. Und außerdem: Was sagt das Produktionsland schon über den Vergleichswert zwischen zwei Filmen aus? Daher will ich THE SEARCHERS jetzt auch ungern gegen die von mir in letzter Zeit vielgeschauten Western von Sergio Leone ausspielen. Meine subjektive Wahrnehmung müsste Ford ja doch feingeschroten und in Stücken vom Duellplatz heruntertraben lassen. Also lassen wir das. Es bringt nichts und würde THE SEARCHERS im Zweifel nur wesentlich schlechter dastehen lassen als er eigentlich ist. Oder sein müsste.
In erster Linie habe ich einen Film gesehen, der unglaublich schön gefilmt ist. Hübscher habe ich die geographische Umgebung der Handlung selten gesehen. Auch die Nachtszenen, ob im Studio oder on location - wunderschön! Dazu das Spiel mit Schatten und Licht... Der Brillianz scheinen in dieser Hinsicht keine Grenzen gesetzt. Diese Türszenen! Letztere habe ich motivisch nicht so recht entschlüsseln können, war ich doch zu sehr mit dem Filmschauen beschäftigt. Denn zu schauen gibt hier wahrlich genug.
Der Schuh drückt an anderer Stelle: John Wayne. Sicher, Starpower muss nicht zwingend etwas mit Talent zu tun haben, sondern kann von vielen anderen Faktoren abhängen, und wegen seines (zumindest auf Basis dieses einen Films, den ich nun kenne!) limitierten Schauspiels scheint Wayne im Western ganz gut aufgehoben, aber eine etwas ausgefeiltere Intonation hätte dem Mann sicherlich nicht schaden können. Aber: Ob dies nun an der Rolle liegt oder an Wayne als Schauspieler - wie soll ich es vernünftig beurteilen? Verlassen wir also auch diese Ebene. Zumindest hat er es geschafft, dem Hass, den die Figur des Ethan offen vor sich her trägt, überzeugend Ausdruck zu verleihen. Womit wir auch schon beim Filminhalt angekommen wären. Ich will THE SEARCHERS nicht unbedingt als Diskursbombe bezeichnen, aber da lässt sich, denke ich, dennoch so einiges rausfiltern. Doch selbst das fällt mir heute sehr schwer.
Ich habe das Gefühl, mit THE SEARCHERS einen Film geguckt zu haben, der am Ende einer Entwicklung steht oder zumindest einen Wendepunkt markiert. Wenn am Ende eines Films die Tür vor seinem Star zuschlägt, dann muss da was im Busch sein. Aber abgesehen von den späteren europäischen Western fehlt mir einfach alles: Das Davor, das Währenddessen, das Danach. Ich muss den falschen Einstiegspunkt in diese Art Film gewählt haben.
Seid Euch sicher, ihr Johns, Ford wie Wayne, ich kehre zurück. Doch werde ich die Befürchtung nicht los, es mir bereits verdorben zu haben...
#455
Geschrieben 03. April 2009, 08:17
(Stagecoach) / USA 1939 / DVD
Offenbar eine Standortbestimmung, ein Ausganspunkt für Weiteres. Hier wird alles mögliche an Charakteren aufgefahren, die sich im Laufe der Zeit zu klischeebehafteten Stereotypen entwickeln sollten, wie sie vermutlich jeder kennt. In seinem Motivreichtum für den US-Western bestimmt ähnlich wichtig wie FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR für den Italowestern. Zudem finde ich in STAGECOACH so manches wieder, was ich gestern in THE SEARCHERS kennengelernt habe. So gibt es auch hier eine dieser herrlichen Einstellungen aus einem dunklen Raum in die Helligkeit der Außenwelt (Bar in Tonto). Doch winkt dem mutigen Aus-der-Tür-Treter hier statt des weitläufigen Monument Valleys lediglich die Unübersichtlichkeit einer wirren Westernstadt. Und wenn ich die moralische Zeichnung der Charaktere John Waynes in STAGECOACH und THE SEARCHERS mal direkt miteinander vergleiche, läuft es mir doch balde eiskalt den Rücken runter. Gut, ich will nun nicht zuviel aus einem Vergleich der Filme machen und wahrscheinlich werde ich das amerikanische Monument Valley auch ohnehin bald wieder gegen die spanischen Wüsten Almerías umtauschen. Im Hinterkopf behalten sollte ich STAGECOACH und seine Nachzügler und -folger aber trotzdem.
#456
Geschrieben 03. April 2009, 12:07
(Rio Bravo) / USA 1959 / DVD
Am schönsten fand ich den Schluss. Seitens Stumpys und Consuelas macht man sich über das Gebaren Chances lustig und liefert so gleich noch einen gewissen Reflexionsspielraum über die Figur des nahezu schwächelosen und den meisten Situationen irgendwie enthoben wirkenden Sheriffs oder Revolvermanns.
Befremdlich wirkte auf mich zunächst die ausufernde Gesangseinlage Dean Martins und Ricky Nelsons. Die heilende Kraft der Musik, die in RIO BRAVO aber unterstrichen wird, sorgt dann aber zum Glück dafür, dass das Ständchen nicht vollkommen deplaziert wirkt. Die ganze Zeit musste ich an einen Gastauftritts Johnny Cashs in UNSERE KLEINE FARM denken, der gegen Ende der entsprechenden Folge völlig aus dem Handlungszusammenhang gerissen ein Liedchen trällert (dies zudem in der Rolle eines betrügerischen Wanderpredigers, aber das nur nebenbei!). Ganz so schlimm (nicht einmal entfernt) ist es hier also nicht. Und zudem: Die Verwandschaft zwischen Westernfilm und Countrymusik möchte ich sicherlich nicht bestreiten. Warum also nicht auch einmal die Zeit für ein Lied nehmen? Zumal, wenn es so gelungen in die Motivik von RIO BRAVO eingebaut ist.
Auch scheint es in diesem Film um Kleidung und die Auswirkungen ihres Tragens zu gehen. Dem möchte ich bei einem zweiten Durchlauf bei Gelegenheit aber noch genauer nachspüren, bevor ich hier allzu abstruse Theorien in die Waagschale schmeiße.
#457
Geschrieben 09. April 2009, 21:49
(La resa dei conti) / Italien 1966 / DVD
Welch ein herrlich dahergekreischtes Titellied. Zum Wegschmelzen...
Das sich in immer extatischere Ebenen vorkämpfende Stück spiegelt den Filmverlauf recht genau wider, hebt sich DER GEHETZTE DER SIERRA MADRE seine stärksten Szenen doch der Musik ähnlich vornehmlich für sein letztes Drittel auf - ausdrücklich ausgenommen von dieser Regel sei die gelungene Einführung in die Erzählwelt und ihre Regeln unmittelbar nach Ende der ansehnlichen Titelsequenz. Das menschliche Leben, kaum wertvoller als die Kugel, die nötig ist, es auszulöschen, hat es in diesem Amerika wahrlich nicht leicht.
Im Folgenden verhandelt der Film so viele verschiedene Dinge, dass es zuweilen schwierig ist, den Überblick zu behalten. Staatliches Recht versus Selbstjustiz versus Westernrevolverheldentum versus europäisches Duellistengehabe (und hiermit vielleicht gleichzeitig einen metafiktionalen Kommentar zum (Italo)Westernfilm an sich liefernd) versus Patriotismus versus kapitalistisches Intrigantentum und so weiter und so fort. Selbst dem bereits aus FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR bekannten Kampf zwischen Gewehr und Revolver kann durch das Hinzufügen einer dritten Partei - der wesentlich ursprünglicheren Technik des Messerkampfes - noch einmal neue Würze verliehen werden. Alle Duelle aber enden letztlich dort, wo sie dem Genre gemäß auch hingehören - im Wüstensand.
In besonderer Erinnerung wird sicherlich auch das zur Trinkstube umfunktionierte Gefängnis bleiben, welches durch den Vigilanten Corbett überflüssig gemacht wart. Zudem die Degradierung der harten Cowboys, der Helden so vieler Filme, zu bloßen Lust- und Arbeitsobjekten einer einsam über eine Ranch herrschenden Señora. In Sachen Emanzipation der Westernfrauen dürfte Sollima hier Leones SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD sogar noch einen gewaltigen Schritt voraus gewesen sein.
#458
Geschrieben 10. April 2009, 17:28
(Dio perdona... Io no!) / Italien, Spanien 1967 / DVD
Endlich habe ich einen der frühen Italowestern mit Bud Spencer und Terence Hill gesehen. Das Pokerspiel fungiert hier als zentraler Bezugspunkt des Films, der Spielern, Neugierigen, Trickbetrügern und dem Mythos entgegenschwebenden Phantomen ein Forum bietet. Ich räume ja ein, dass ich den Film weniger als Italowestern wahrgenommen habe, als vielmehr als möglichen Urquell diverser SpencerHill-Manierismen und wurde in dieser Hinsicht auch kaum enttäuscht. Ordentlich Faustschmackes ist trotz der allgegenwärtigen Patronengürtel vorhanden, ordentlich gefressen wird ebenso und die wiederkehrenden Grundcharaktere der beiden Schauspieler scheinen auch in diesem Frühwerk bereits ihre übliche Richtung gefunden zu haben: Hill als der flinke Schelm, dem trotz großen Geschicks im Pokerspiel an schnödem Mammon kaum etwas liegt und vielmehr auf Wahrung der Gerechtigkeit bedacht ist, Spencer im Gegenzug als behäbiger und geldgieriger Kraftprotz mit weitestgehend gutem Herzen. Auch der Soundtrack, der zuweilen in etwas flappsige Tonwelten abdriftet, lässt bereits erahnen, was da während der nächsten gut 20 Jahren noch kommen sollte.
Der Rest des Films besticht durch einen schön dreckigen Look, Bärte von einem anderen Stern und eine verspielte Kamera, die ein schönes Leichenstakkato zu Beginn und viele Point of View Shots bietet (vornehmlich in Erwartung eines auf die Kamera zu sausenden Faust oder eines Fußes) sowie während des Schlussduells vielleicht einen Tacken zu offenkundig Leones Filme zitiert. Ich denke da vor allem an das Annähern der Hand des Hill an dessen hinter seiner Gürtelschnalle angebrachten Revolver. Der Kurzschluss zu Lee van Cleef in ZWEI GLORREICHE HALUNKEN ist nur Formsache. Für Nahaufnahmen von Gesichtern bin ich aber trotz der offensichtlichen Quellen immernoch zu haben. Schön war's und Spaß hat's gemacht.
#459
Geschrieben 11. April 2009, 10:22
(Una pistola per Ringo) / Italien, Spanien 1965 / DVD
Wie schön. Ein Weihnachtsfilm! Entschuldigung genug, das Werk mit ein paar religiösen Verweisen zu versehen, die Hauptfigur mal als Erlöser, mal als Judas zu zeichnen. Nach dem ersten Weihnachtsgruß des Films legt EINE PISTOLE FÜR RINGO auch schon los wie die Feuerwehr. Innerhalb von einer Minute und vier Sekunden (hab extra aufgepasst) Laufzeit ist die Figur des Ringo eingeführt, mit den ersten Feindbildern (den Gebrüdern Benson), einem Fitzelchen Vergangenheit und seinen üblichen Marotten ausgestattet. Nur unwesentlich längere Zeit später sind die Bensons Statistik und Ringo sitzt im Knast! Lahmarschigkeit kann dem Film fürwahr nicht vorgeworfen werden. Die recht kurz gehaltene Titelsequenz nach dem Turboprolog tut ihr Übriges. Das hohe Tempo wird im Folgenden zwar nicht aufrecht erhalten, aus dem Tritt kommt der Film deshalb aber noch lange nicht.
Ringo scheint mir so etwas wie die politisch korrekte Variante von Eastwoods Charakter aus FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR zu sein. So spielt er milchtrinkender Weise (Whiskey/Alkohol pfui!) zwei Parteien gegeneinander aus, intrigiert hüben wie drüben, um am Ende mit einer finanziellen Entschädigung für die Mühen davonzukommen. Wichtiger Unterschied hier jedoch: Ringo ist zwischen den Parteien von Anfang an klar positioniert, steht auf der Seite des Gesetzes und hilft dabei, die fiesen Banditen aus dem besetzten Anwesen zu befreien. Tötet er, so nur aus "berechtigter Notwehr"; ein Motiv, das, wie sich zeigen wird, sowohl unter Gesetzesleuten als auch Banditen überzeugt und für sofortige Begnadigung sorgt. Auch belässt es Ringo zum Ende hin bei der versprochenen Belohnung, obwohl er durchaus die Gelegenheit gehabt hätte, mit der Gesamtbeute zu fliehen. Als wenn Eastwoods Figur auch nur einen Moment gezögert hätte...
Zunächst befremdlich, im weiteren Verlauf aber höchst amüsant gestaltet sich die Tendenz des Herren des belagerten Hauses zum Stockholmsyndrom, der die Geliebte des Chefbanditen Sancho mit der Zeit immer offensiver umgarnt. Eine gelungene Abwechslung zu den psychologisch ansonsten, wenn auch der Gattung angemessen, eher unterentwickelten Figuren des Films.
Höchst gelungene Frühvariante des von Leone im Vorjahr geschaffenen Standards.
#460
Geschrieben 11. April 2009, 18:28
(The Man Who Shot Liberty Valance) / USA 1962 / DVD
Welch großartiges Werk über den Weste[r]n, welches seinen europäischen Komplementärfilm sechs Jahre später in SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD gefunden haben dürfte. Das Aufeinandertreffen verschiedener Welt- und Moralvorstellungen gestaltet sich in Fords Film aber grundlegend anders. Während in Leones Film die einsamen Revolverhelden zur aussterbenden Art degradiert werden, so stolpert James Stewart als einzelner Buchwurmidealist in einen Westen, in dem in erster Linie noch der Revolverschuss über das Wort herrscht. Ich will jetzt die beiden Filme auch gar nicht mehr weiter miteinander vergleichen, sondern vielmehr mich selbst auf ihre offensichtliche Verwandschaft hinweisen, welche sich für mich sowohl aus strukturellen sowie inhaltlichen Ähnlichkeiten als auch aus der von mir angenommenen Bedeutung der Filme für ihr jeweiliges Genre ergibt. Das habe ich hiermit getan. Zurück zum Ford. Den ollen Leone hat der ja doch nicht kommen sehen.
Ein paar Sätze über THE MAN WHO SHOT LIBERTY VALANCE zu schreiben, geht mir angesichts der dicht verwobenen und vielfältigen Verhandlungspunkte, die der Film anbietet, allerdings gar nicht so leicht von der Hand. Darum sollte ich mich vielleicht zunächst einfach auf eins meiner Lieblingsthemen stürzen, namentlich Heldenmythen, Legenden, ihre Entstehung und ihre Funktionalisierung. Vieles von dem, was mir Fords Film präsentiert hat, finde ich auch in späterer (hierbei denke ich an den Geschichten-/Mythenschreiber in UNFORGIVEN) und auch aktueller Kinogeschichte (da kommt mir spontan die öffentliche Selbstopferung Harvey Dents in THE DARK KNIGHT in den Sinn) wieder. Ich merke, dass ich es auch in diesem Zusammenhang bei der bloßen Nennung lose zusammenhängender Gedankenfetzen belassen muss. Seit TO LIVE AND DIE IN L.A. im vergangenen Spätsommer hat mich kein Film mehr aufgrund seiner schieren Fülle an Diskursen derart erschlagen und einigermaßen benommen zurückgelassen. Ein gutes Zeichen.
#461
Geschrieben 17. April 2009, 09:52
(Il ritorno di ringo) / Italien, Spanien 1965 / DVD
Ein früher Vertreter der Tradition, mit dem Vorgänger abgesehen von Hauptdarsteller und Charakternamen rein gar nichts mehr gemein zu haben. Gut, im Falle von RINGO KOMMT ZURÜCK durfte zumindest noch der selbe Onkel im Regiestuhl Platz nehmen, doch ändert auch dies nichts daran, dass sich der leichtfüßige, listenreiche und gutherzige Ringo des ersten Teils in den zwar immer noch leichtfüßigen und listenreichen, dafür aber wesentlich verbitterter und brutaler zu Werke gehenden sowie zum Ende mit höchstem Genuss rächenden Soldaten Brown (dem auch nur recht halbarschig der Spitzname 'Ringo' angedichtet wird) verwandelt. Statt wie im ersten Teil mit den frühen Konventionen des Genres zu spielen, verlassen sich die Macher hier lieber auf eine bewährte Rachegeschichte, der es nur selten gelingt, sich wesentlich von Filmen ähnlicher Machart zu unterscheiden.
Der Bezug zu Homers Odyssee oder zumindest dem ihr zu Grunde liegenden Mythos, der in den von mir im Vorfeld der Sichtung gelesenen Texten zu RINGO KOMMT ZURÜCK oft zum Kernstück wird bzw. als besonders herausragendes Merkmal des Films dargestellt wird, ist der Rede nun wirklich nicht wert. Klar, hier kommt ein Soldat aus einem langjährigen Krieg zurück und klar, hier wird dessen Frau von allerlei Männerzeugs umgarnt und klar, auch Bettler- bzw. Mexikanertarnung sowie eine Narbe hat man dem guten Giuliano Gemma verpasst (wenn auch ins Gesicht und nicht auf den Fuß), doch verkommen diese Punkte allesamt zu weitgehend irrelevanten Oberflächlichkeiten. Nicht zuletzt deshalb, weil eines der interessantesten Elemente der Rückkehr des Odysseus, seine Wiedererkennung, leichtfertig und in meinen Augen viel zu früh verschenkt wird. Gut, ich will dem Film beileibe nicht vorhalten, den Mythos nicht ordentlich zu verarbeiten, denn das macht er an sich (bis auf den zuletzt genannten Kritikpunkt) recht gut, indem er sich nunmal die wesentlichen Elemente der Geschichte herauspickt, die in die racheberrschte Welt des Westerns passen. Nur würde ich eben nicht so weit gehen, RINGO KOMMT ZURÜCK als 'Western-Odyssee' oder ähnliches zu bezeichnen.
Konnte mich summa summarum nicht so begeistern, wie es EINE PISTOLE FÜR RINGO mit seiner Leichtfüßigkeit und Ironie noch gelang. Zumindest aber bietet der Film dank einer abermals recht verspielten Kamera einige sehr hübsche Einstellungen und einen gelungenen Soundtrack. Bei einem Italowestern reicht mir das manchmal schon.
#462
Geschrieben 18. April 2009, 09:14
(Vera Cruz) / USA 1954 / DVD
Schon wieder so ein Film, der, ähnlich wie der kürzlich gesehene LIBERTY VALANCE Fords, mit Kram vollgestopft zu sein scheint, wie kaum ein zweiter, wenn auch thematisch freilich anders gelagert. Lediglich auf die Ähnlichkeit beider Filme, was ihre jeweilige, vielleicht sogar technisch bedingte, Füllhöhe an Motiven angeht, sei hier verwiesen. Einen konkreten Filmvergleich spare ich mir, wenn auch in dieser Hinsicht eventuell ein Vergleich der den beiden Filmen jeweils zu Grunde liegenden Mythos- und Geschichtenerzählkonzepte lohnenswert erscheint. Wenn ich nur alle in meinem Filmtagebuch mittlerweile angeregten Vergleiche auch mal tatsächlich durchführen würde!
Nun aber ans Eingemachte: Schön, wie Aldrich die mexikanische Staatsmacht und die Widerständler in ihrer jeweiligen Inszenierung gegeneinander ausspielt. Stehen die Truppen des Kaisers ins Bildzentrum gerichtet Spalier und richten so den Fokus der Einstellung auf eine einzelne Herrscherpersönlichkeit, die durch den Soldatentunnel hindurch schreitet, so vereinen sich die Männer Juarez' in vielen Einstellungen zu einer einzelnen, verwobenen, die ganze Breite des Bildes einnehmenden Menschenkette, die Gebirge zu überbrücken, ganze Dörfer zu umrahmen scheint (unglaubliche Kamerafahrt um Burt Lancasters Hut herum während des ersten Treffens mit den revolutionären Truppen!!), wobei der Eindruck einer organischen Verbindung zwischen den Männern und ihrer Umgebung entsteht. Sie sind Mexiko.
Die Revolvermänner, oder in diesem Fall Winchestermänner, werden in VERA CRUZ instrumentalisiert, um der mexikanischen Historie (zumindest der dem Film immenenten) eine entscheidene Wende beizubringen. Oder vielmehr wird der Versuch hierzu unternommen, denn letzten Endes finden sich alle Beteiligten doch nur wieder in einem Perpetuum Mobile aus Gold, Schussfertigkeiten, Westernmythen und Verrat wieder. Viel, viel mehr noch ließe sich über VERA CRUZ schreiben, allein es fehlt mir im Moment die Übersicht. Schon eine Auflistung und Analyse sämticher im Film eingebauten Betrugs- und Verratsmomente würde für weitere, fruchtbare Erkenntnisse sorgen. Von der Bedeutung von Sprache und ihrer Anwendung fange ich lieber gar nicht erst an. Wohl ein untrügliches Indiz dafür, dass eine baldige und schon jetzt mit Freuden erwartete Neusichtung vonnöten und unausweichlich ist.
#463
Geschrieben 20. April 2009, 21:28
(Django) / Italien, Spanien 1966 / DVD
Ich komme vom Western derzeit einfach nicht los. Viele neue Filme des Genres habe ich in der letzten Zeit kennengelernt und liebgewonnen, doch auch so manches Neusehen schon bekannter Werke bereitet mir seit Wochen höchstes Vergnügen! So stand denn heute Corbuccis DJANGO auf dem Programm, nachdem ich das fünfjährige Jubiläum der Erstsichtung um wenige Tage verpasst habe.
Mann zieht Sarg. Da ist 'ne Wumme drin. Mann mit Krüppelhänden am Kreuz. Knallt sie alle ab.
Soviel zu meinen Erinnerungen an den Film. Beim ersten Fetzen geht der Ärger aber schon los. Wie mir die Symbolkraft eines Revolvermannes entgehen konnte, der durch eine kargstmögliche und unwirtliche Schlammlandschaft wandernd einen Sarg hinter sich her zieht, zumal noch in einem Westernfilm, ist mir unbegreiflich. Denn der Tod, er lauert in der Welt von DJANGO an jeder Ecke und macht sich vollkommen unverhofft über seine Opfer her. Jacksons Männer müssen es schon bei ihrer ersten Begegnung mit Django erfahren. Der Tod ist Djangos ständiger Begleiter und nicht etwa ein Pferd, hat er das Nutztierische doch in seinen eigenen Charakter integriert. Einem Packesel ähnlich zerrt Franco Nero den Sarg hinter sich her, trägt auf der Schulter seinen Sattel, den er niemals brauchen wird. Reiter und Ross in einem. Schade zwar, dass das Geheimnis um den Sarginhalt früh und unspektakulär** gelüftet wird, doch kann andererseits der Sarg nur so seinen Status als bloßer MacGuffin ablegen und als teils symbolischer, teils konkreter Träger der wesentlichen Antriebselemente des Django-Charakters fungieren: Der Tod einer nicht näher umschriebenen Geliebten Djangos, die im Italowestern über das Wort regierende Waffe und eines der Primärziele des gemeinen einsamen Schützen - Gold.
Der Sarg macht diesen Film. Da bin ich mir sicher, denn ansonsten verläuft Django weitestegehend nach dem bewährten Italowesternschema samt Nutznießertum, Verrat, Gewalt, Folter und Dreck. Wobei der Dreck hier noch eine Hervorhebung verdient hat in all seinen Matschkrusten, Schlammpfützen und morastigen Geisterstädten. Eine deutliche Steigerung der ohnehin schon immensen Kargheit der meisten aus (Italo)Western bekannten Wüstenlandschaften.
Ein bisschen Assoziationsbingo noch zum Abschluss. DJANGO scheint zumindest entfernt mit VERA CRUZ verwandt zu sein. In beiden Filmen werden überlegene Waffen als [R]Evolutionselement eingesetzt und verhelfen zum Umsturz oder zumindest Zwischensieg.*** Klar, der Eindruck wird durch die zeitlich dicht aufeinanderfolgenden Sichtungen der beiden Filme begünstigt und sicher tritt dieses Phänomen noch in zig anderen Filmen auf. Der Vergessenheit überantworten wollte ich den Hinweis aber trotzdem nicht.
Welch ein Film!
_______________
** Wenn der Clou schon so früh verraten werden muss, so hätte doch zumindest auf die Einstellung verzichtet werden können, in der für den Zuschauer klar zu sehen ist, wie Django das Maschinengewehr dem Sarg entnimmt. Das plötzliche Auftauchen der Waffe hinter dem Deckung bietenden Baumstamm hätte eigentlich auch reichen sollen und sicherlich für eine größere Überaschung gesorgt. So wirkt die ganze Sequenz etwas holprig, doch leider kommt meine Regieanweisung 43 Jahre zu spät. Die beispiellose Ekstase des Nero bei der darauffolgenden Salve entschädigt jedoch!
*** Da wiederum fällt mir ein, dass die überlegene Waffe später noch die Fronten wechseln sollte. In THE WILD BUNCH etwa wird das Maschinengewehr zu einem der x Symbole für das Ende des alten Westens und seiner Helden, während es hier dem Protagonisten noch zu ungeahnten Höhen verhilft. Ein Gedanke aber unter Vorbehalt, da die WILD BUNCH-Sichtung auch schon beinahe fünf Jahre zurückliegt. Eine kleine Retrospektive der wichtigsten Peckinpah-Western wird aber sicherlich bald stattfinden.
#464
Geschrieben 22. April 2009, 20:21
(Ride the High Country) / USA 1962 / DVD
Der Film hat zwar gute zehn Minuten nach beendeter Sichtung gebraucht, um bei mir einzuschlagen, dafür dann aber richtig!
Kaum das Tippen eines einzelnen Wortes scheint nun möglich, ohne etwa vom im Kopf festgenagten Titelthema aus dem Rhythmus gebracht zu werden. Versuchen will ich es doch.
Der alte Westen verkommt in der Zivilisation zwar zum Zirkusspektakel, scheint aber dennoch nicht verloren. Gil und Steve können ihn durchaus noch wiederfinden - in der Abgelegenheit einer kleinen Siedlung von Goldgräbern auf der Suche nach eben jenem. Hier regieren Faust, Colt, Wahnsinn und das stärkste denkbare Chaos über Wort und Vernunft. Ebenso schnell wie hier geheiratet wird, erlebt die Jugend auch ihre Initiation: Rasieren, Saufen und Vögeln binnen weniger Stunden.
In den ersten Phasen des Films hatte ich das Gefühl, dass es RIDE THE HIGH COUNTRY mit seinen Altherrenwitzen und dem Gegeneinanderausspielen der Generationen ein wenig übertreibt. Doch wie sonst, ohne dieses Vorspiel, hätten die beiden Altrevolvermänner sich zum letzten Duell hin verschmitzt lächelnd dem sicheren Untergang entgegenstürzen können? Ein letztes Mal noch den alten Kitzel spüren, die Dinge auf die eigene Art regeln, bevor es zu spät ist, der Westen stirbt. Dies tut letzterer dann gemeinsam mit Steve nach einem lezten Blick über die Landschaft. Ein markantes Schlussbild. Daran werde ich mich, wenn mich meine Erinnerung an THE WILD BUNCH und STRAW DOGS nicht trügt, bei Peckinpah gewöhnen müssen.
Mit diesen wenigen Zeilen habe ich erst gefühlte 2,8% des Potenzials abgedeckt, das in RIDE THE HIGH COUNTRY versteckt ist. Doch schäme ich mich dessen freilich nicht, sondern freue mich lieber, schön unreflektiert, über diese großartige Entdeckung. Von all den vielen in den letzten Absätzen meiner FTB-Einträge angekündigten raschen Neusichtungen wird diese mit Sicherheit die erste sein!
#465
Geschrieben 23. April 2009, 19:53
(Little Dieter Needs to Fly) / Deutschland u.a. 1998 / DVD
LITTLE DIETER NEEDS TO FLY bietet einen recht guten Abriss über die Authentizitätsästhetik, die Werner Herzog in seinen (Dokumentar)Filmen zu erreichen und anzuwenden sucht. Der halbwegs natürlichen Schilderung Denglers vom Tod seines Fluchtkameraden wird der Vorzug gegenüber im US-Fernsehen grinsend vorgetragenen Anekdoten über die Morgentoilette im Gefangenenlager eingeräumt und lieber zerrt Herzog seine Hauptfigur nochmals in den vietnamesischen Dschungel und schafft mit gestellten Aufnahmen des gehetzten Veteranen Verbindungselemente zwischen den einzelnen Episoden des Films, anstatt sich mit Dengler in ein stilles Kämmerlein zu verziehen und ihn - am besten noch vor einem schwarzgefärbten Hintergrund - seine Kriegsgeschichten nur mit Worten Erzählen zu lassen.
Dass Herzog Dieter Dengler nochmal in den Dschungel schickt, ihn dem Trauma Vergangenheit aussetzend, kann ich dem Filmemacher kaum verübeln, hat doch seine schamlose Draufhaltetaktik etwa schon in DER LEUCHTENDE BERG außerordentlich gut funktioniert, während er mit Reinhold Messner über dessen Bruder sprach. Eine ähnlich starke Wirkung hat sich bei mir diesmal zwar nicht eingestellt, doch sei's drum. Das Ganze fügt sich schon irgendwie.
Wie der Titel des Films schon vermuten lässt, handelt LITTLE DIETER NEEDS TO FLY primär nicht von einem geretteten Kriegsgefangenen, sondern vielmehr von einem Mann, dessen Traum vom Fliegen ihn eher zufällig (der Eintritt in die Armee war für Dengler laut Film der einzige Weg, sich diesen Traum zu verwirklichen) in die Wirren eines Krieges und die damit verbundene Gefangenschaft treibt.
Meine erste Berührung mit einer Dokumentation Herzogs in Spielfilmlänge. Die letzte war es sicher nicht, doch werde ich vorerst bei eben jenen Spielfilmen, die ihren dokumentarischen Gestus ja auch selten verbergen, bleiben. Wobei es da besonders viele für mich eigentlich nicht mehr zu entdecken gibt.
#466
Geschrieben 26. April 2009, 09:56
(In Bruges) / Belgien, Großbritannien 2008 / DVD
Die Sichtung liegt zwar erst einen Tag zurück, doch leider ist das lange genug, um meine unmittelbaren Eindrücke vom Film ärgerlicher Weise bereits wieder verblassen zu lassen. Ein paar Fetzen habe ich aber vor der Ewigkeit retten können.
Die märchenhaften Attribute, die Brügge im Laufe des Films immer wieder zugesprochen werden, haben mich dazu veranlasst, während des Anschauens darauf zu achten, ob vielleicht dem ganzen Werk die Züge eines Märchens anhaften. Und ein paar (vorerst leider nur) Kleinigkeiten können hier durchaus genannt werden: Entrückter, verzaubert wirkender Handlungsort samt Zwergen- und allerlei anderem Fabelvolk (letzteres zumindest in der Schlussszene), dazu schicksalshafte Doppelungen der Ereignisse. Um viele Ecken ließen sich anhand von Ken Elemente wie der Auszug des Helden nachweisen und für Ray könnte es doch eigentlich noch zur Hochzeit mit der sinnbildlichen Zarentochter kommen.
Egal, dem Film eine Schablone aufgelegt, dabei nicht viele brauchbare Schnittpunkte entdeckt und dabei wahrscheinlich Wesentliches, Wichtigeres verpasst. Gefallen hat mir IN BRUGES dennoch sehr. Eine Zweitsichtung aber (Überraschung!) sollte lieber noch vorgenommen werden, um das Durcheinander im Kopf zu ordnen.
#467
Geschrieben 01. Mai 2009, 12:28
(The Wild Bunch) / USA 1969 / DVD
Nach der letztwöchigen Sichtung von SACRAMENTO war ich vor Begeisterung geradezu gelähmt und musste meine schöne Westernreihe der letzten Wochen nach rund 15 Filmen des Genres in Folge tatsächlich ab- bzw. unterbrechen. Gelähmt jedoch nicht nur vor Begeisterung, sondern auch ob des unguten Gefühls, dass nach einem SACRAMENTO eigentlich kaum noch etwas Neues in Sachen Western gesagt oder gezeigt werden könnte. Daher meine immerhin neuntägige Westernabstinenz.
Meine Erinnerung an THE WILD BUNCH aber versicherte mir, dass dieser dem Ganzen durchaus noch ein paar murmelnde Takte hinzuzufügen hat. Wenn auch, das musste ich heute feststellen, sich die wesentlichen Hinzufügungen im kindlichen Gelächter der Protagonisten und ihrer Parallelisierung mit tatsächlichen Kindern zeigen. Kindern, die sowohl den Wunsch des eigenen, sorglosen Wiederkindseins des Haufens widerspiegeln, als auch die Gesichter einer neuen Generation, die zu den alten, sich auf ihre Revolver verlassenden Männern mit verstörter Ehrfurcht aufblickt und am Schluss gar in Form des mexikanischen Kindssoldaten zum Ende der Bande beiträgt. Ein Untergang, der wie schon in SACRAMENTO, lachend eingeläutet wird. Doch anders als in anderen Spätwestern, Paradebeispiel wohl SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD, bedeutet all dies noch nicht das Ende ihrer Sache. Thornton reitet für sie weiter.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied zu SACRAMENTO findet sich hier natürlich in der formalen Ebene, kommt THE WILD BUNCH doch viel stärker als das daher, was ich mir unter einem Peckinpah vorstelle: Zeitlupen, Chaos verbreitend zugespitzte Parallelmontagen und, und, und....
Zudem haben die Helden hier keine Chance, sich in ein abgelegenes Goldgräberdorf zurückzuziehen und dort Wild West zu spielen, sondern müssen sich einer ihrer Revolver entgleitenden Welt stellen und darin ihr Heil suchen. Der kurze Triumph, der ihnen die verhasste Eisenbahn (ein wesentlich kurzatmigeres Biest als das Ungetüm in SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD!) bietet, sei ihnen von Herzen gegönnt!
An sich habe ich meinem schon ein paar Jahre zurückliegenden Ersteintrag zum Film kaum etwas hinzuzufügen. Abgesehen vielleicht davon, dass ich mich an die Musik des Films, die mich damals offenbar so fasziniert hat, schon gar nicht mehr erinnern kann. Da mein Fokus bei dieser heutigen Sichtung aber auf Anderem lag, will ich es mir verzeihen. Dass ich aber ansonsten so nahezu gar nichts Neues in THE WILD BUNCH zu entdecken vermochte, stimmt mich allerdings etwas traurig.
#468
Geschrieben 02. Mai 2009, 00:38
(Until Death) / USA 2007 / DVD
Fährt ein paar relativ interessante Strategien, die Verrohung der Großstadt zu betonen. Etwa in dem angerissenen Diskurs um das Verhältnis von Verbrechen/Gewalt und Öffentlichkeit, der sich in schwarzweiß gehaltenen Zwischenspielchen zeigt. So richtig ausgearbeitet scheint in UNTIL DEATH jedoch kaum ein Element zu sein.
Zumindest über die Frisurensemantik des Films kann dies aber nicht behauptet werden: Drogenwrack --> Strubbelhaar und Pornoleisten, Geläuterter Ex-Komapatient mit überstandener Nahtoderfahrung --> ordentlicher Kurzhaarschnitt, zudem dem gewohnten Erscheinungsbild van Dammes entsprechend. Ausgearbeitet zwar, aber spannend oder originell keineswegs.
Bis zum Niederschuss Stowes bietet UNTIL DEATH zudem eine kurze Kulturgeschichte des Klosetts als Ort der Selbsterkenntnis, des Wahnsinns und der Flucht. Hätte, wenn in der zweiten Hälfte des Films weiter verfolgt, sogar richtig interessant werden können! So bleibt es leider beim unbefriedigenden Mundwässrigmachen.
Ideen bietet Fellows Werk also zu genüge und ist sicherlich weit davon entfernt, ein schlechter Film zu sein. Schon allein der einigermaßen mitreißende Plot und die ungewohnte Anlage der von van Damme verkörperten Figur retten den Film vor dem Egalen etwa der jüngeren Direct-to-Video-Produktionen eines Steven Seagal. Leider bleiben insgesamt aber tendenziell peinliche Momente wie der hölzerne Sonnenbrillenlanghaarkomparse in der Bar zu Beginn, die darauf folgende sowie unfassbar asozial hässliche Sex-Szene, die sinnlosen Kameraspielereien, hohle Komawitze oder der unnötige Splatter im Zusammenhang mit einer selten dämlichen Handschellenentfesselung in Erinnerung, die dem Film alles andere als gut tun und ihn seiner Möglichkeiten berauben, ein ernstzunehmendes Werk zu sein. Das Gesamtpaket wirkt oft einfach unfreiwillig komisch. Schade und unnötig.
#469
Geschrieben 04. Mai 2009, 15:02
(Låt den rätte komma in) / Schweden, Frankreich 2008 / DVD
Vampirfilm (fast) ohne Vampire. Nur am Rande wird die Blutsaugermotivik behandelt, konzentriert sich der wesentliche Teil des Films doch auf das Vorankommen des pubertierenden Oskars in der ihn umgebenen Welt. Dass es sich bei seinem ersten Liebeserlebnis just um eine schon ziemlich lange zwölf Jahre alte Vampirin handelt, gerät hier fast schon zur Nebensache bzw. ordnet sich den Gesetzen einer Coming Of Age-Geschichte unter. Die Unsicherheit des eigenen Körpers, Kommunikationsschwierigkeiten (für deren erfolgreiche Lösung Oskar zur vielleicht globalsten Kommunikationsform greift), das Wegschließen hinter rettenden Badezimmertüren... alles wie immer für die meisten Teenager. Ob Vampir oder nicht. Wichtiger Unterschied: Für immer wird Eli in diesem Übergangszustand aus Unsicherheit gefangen bleiben. Ob das letztliche Türmen mit Oskar die Rettung darstellt, bleibt offen und beschäftigt mich auch nicht weiter, da mir Elis Charakter als Initiationskurbel für Oskar wesentlich interessanter erscheint. Trotzdem freue ich mich darüber, dass in diesem Zusammenhang in SO FINSTER DIE NACHT wesentlich subtiler zu Werke gegangen wurde, als dies etwa (so zumindest meine Erinnerung) in der (dennoch ansehnlichen) Kitschgrube INTERVIEW MIT EINEM VAMPIR der Fall gewesen ist, in dem wir Zeuge einer affektiert vor sich hin pöbelnden Kirsten Dunst werden, die ob ihres ewigen Kindseins Verdruss entwickelt.
Während der Sichtung des Films musste ich immer wieder an JUNO denken, der seine unerhörte Begebenheit in Junos Kind hat und tatsächlich von etwas ganz Anderem erzählt. Dieses Schema dürfte sich auf SO FINSTER DIE NACHT in Form von Elis Vampirdasein übertragen lassen. Und ähnlich hübsch fotografiert sind beide Filme ebenso. Dies als aus dem Zusammenhang gerissener Schlusssatz, zum einen, um die visuelle Ebene des Films nicht völlig unerwähnt zu lassen und zum anderen, um einen irgendwie gearteten Abschluss einer Ehrerbietung an dieses fantastische Werk zu finden.
#470
Geschrieben 08. Mai 2009, 16:03
(Wanted) / Deutschland, USA 2008 / DVD
Blöd und fad. Zwei Wörter, die ich in Zukunft höchstwahrscheinlich mit Bekmambetovs Film verbinden werde. Blöd in erster Linie, weil hier zum Schluss für ein System/eine Religion/eine Mythologie gestorben wird, das/die/die nach Strich und Faden durch Lenkung von außen bescheißt und deren schlussendliche Offenlegung keinesfalls von einer weiteren Betrugsvermutung freigesprochen werden kann. Habe kurz überlegt, ob ich hier die NS-Keule schwingen sollte, lasse es aber lieber. Blöd aber, das bleibt's.
Fad wiederum wirkt WANTED durch seine nahezu durchgehende Unoriginalität. Spektakulär sein will er mit allen Mitteln, doch fehlt mir der letzte Pfiff, damit der Film zu etwas Besonderem werden kann. Da rettet auch keine Meta-Pistole, die Angelina Jolie bei einem ihrer ersten Auftritte so famos um die Ecken schwingt.
Natürlich habe ich auch in diesem Tiefgeschoss von Film ein paar Sachen gefunden, die mir gefallen. An keinen Film der letzten Halbdekade kann ich mich erinnern, dem nicht zumindest dies gelungen ist. Als Mythenfreund freue ich mich natürlich über die Parzenmotivik des Films, wenn diese auch ihr volles Potenzial kaum auszuschöpfen vermag. Immerhin aber meine ich in diesem Zusammenhang ein ähnliches Programm ausfindig gemacht zu haben, das Bekmambetov auch in dem ebenfalls recht missratenen WÄCHTER DER NACHT fährt. Und zwar die Mythologisierung eines massenindustriellen Gegenstands zu einer Orakelinstanz. War es im älteren Film noch eine Playstation, so ist es in WANTED ein überdimensionierter Webstuhl, der Aufschluss über das Schicksal verschiedener Figuren gibt. Eine vergleichende Sichtung der Filme dürfte sich in dieser Hinsicht als ergiebig erweisen und beide Werke vor ihrem Wurschtsein retten. Mission erfüllt!
#471
Geschrieben 13. Mai 2009, 14:30
(Pat Garrett and Billy the Kid) / USA 1973 / DVD
Eigentlich wollte ich die vier Filme umfassende Peckinpah-Westernbox Warners in der chronologisch richtigen Reihenfolge abarbeiten, doch hat sich in meine Jahreszahlenwahrnehmung ein derart garstiges Exemplar von Fehlerteufel eingeschlichen, dass sich PAT GARRETT JAGT BILLY THE KID doch glatt vorgedrängelt und so den drei Jahre älteren ABGERECHNET WIRD ZUM SCHLUSS hinter sich gelassen hat. Ob dies dem Film an sich schadet, wage ich stark zu bezweifeln. Mit meinem Gram ob meiner Blödheit wollte ich aber dennoch nicht hinter dem Berg halten.
So oder so: PAT GARRETT JAGT BILLY THE KID wird ohnehin nochmal zum Nachsitzen erscheinen müssen, denn wirklich gefallen hat mir das Ganze nur stellenweise. Meine Hauptsorge liegt in der Langsamkeit des Films, wobei ich hier sicherlich vom syntaktisch kleinen, doch inhaltlich substanziellen Unterschied zwischen Orinigaltitel und deutschem Titel in die Irre geführt wurde. Erwartete ich doch eben einen Pat Garrett, der einen Billy the Kid JAGT und nicht einen Pat Garrett, der einen Billy the Kid JAGEN MUSS und deshalb eigentlich nur saufender Weise, vor sich hin eiert sowie versucht, die Drecksarbeit von früheren Weggefährten Billys und seiner selbst erledigen zu lassen, bis er endlich, mehr vom Zufall geritten und vom Stern auf der Brust gezwungen, Billy stellen und töten kann, ja sogar muss! Natürlich nicht ohne vorher noch ein Päuschen in einer Frühform von Hollywoodschaukel einzulegen und dem Freund, so scheint es, ein letztes vergnügliches Stündchen zu gönnen, welches Garrett selbst kurze Zeit zuvor ebenso erleben durfte. Und dies ganz in der Tradition des in der Sauna mit Wasser planschenden und in Wein badenden wilden Haufens von 1969. Ich schweife ab. Was ich sagen wollte: Erwartet hatte ich so etwas wie eine amerikanische Version von DER GEHETZTE DER SIERRA MADRE mit fatalistischen Nebenhandlungsfäden. Der englische Titel lässt die Figurenbeziehung wesentlich offener und markiert die Konstellation nicht von vornherein als Jäger und Gejagter im Wilden Westen.
Doch genug gemosert, denn die heilende Kraft des Schreibens des obigen Absatzes hat natürlich dafür gesorgt, dass PAT GARRETT AND BILLY THE KID für mich motivisch absolut in Ordnung geht, und sich einwandfrei an die Westernschlussarien RIDE THE HIGH COUNTRY und THE WILD BUNCH anschließt, wenn er diesen auch wenig hinzuzufügen zu haben scheint! Lediglich die lahme Trägheit des Films verstört mich also noch ein wenig, was aber, wie erwähnt, in vollem Umfang auf eine falsche Erwartungshaltung meinerseits zurückzuführen ist, die während der Filmsichtung leider nicht abgeschüttelt werden konnte.
Die Zeit aber, davon bin ich überzeugt, wird mir den wahren Platz von PAT GARRET im Gesamtwerk Peckinpahs noch offenbaren, der nach jetzigem Stand hinter den oben genannten RIDE und BUNCH deutlich zurückstecken muss. Für den nachzuholenden ABGERECHNET WIRD ZUM SCHLUSS wird sich sicherlich auch noch ein freier Hocker finden lassen.
#472
Geschrieben 24. Mai 2009, 02:26
(Star Trek) / USA 2009 / Kino
Ich war richtig froh, als sich der größte Teil der klassischen Enterprise-Crew endlich in eben jenem Schiff eingefunden hatte. Stets umwehte die ersten Auftritte der einzelnen Charaktere und insbesondere die Nennung des jeweiligen Namens der Hauch eines Cameos Stan Lees in den aktuellen Marvel-Verfilmungen. Furchtbar peinlich, wenn auch bestimmt nicht so beabsichtigt und im Zweifel ohnehin nur von mir selbst so wahrgenommen. Zudem verfeuert der Film eine gefühlte halbe Stunde auf die Grundcharakterisierung des heranwachsenden Kirk. Viel zu viel. Sicherlich, hier soll ein Mythos geboren und aufgezogen werden, wenn aber jede Sequenz dann doch nur das einzelgängerisch Rebellische der Figur unterstreicht, so wird hier einfach viel zu viel Wind um viel zu wenig Substanz gemacht. Das selbe gilt auch für die immer weitere Kreise ziehende Zeitreisegeschichte und die Erschaffung verschiedener chronologischer Geschichtsabläufe, die böse Zungen vielleicht als bloße Entschuldigung für ein Remmidemmi mit dem Star Trek-Franchise interpretieren könnten, der sich nicht zwangsläufig nahtlos in das Classic-Universum einzufügen hat. STAR TREK in seiner Rolle als STAR TREK-Film zu bewerten steht mir aber ohnehin nicht zu, da ich eigentlich keine der Serien oder der älteren Filme vollkommen präsent habe.
Ansonsten singt die Muse hier in erster Linie vom Zorn: Dem Zorn des Spock, des Nero, des Kirk. Die Achillen eines neuen Trek-Universums. Dieses Element hat mir sehr gut gefallen. Hätte man doch mehr Spielzeit hierauf verwendet, die Crew schneller zusammengeführt, Scotty anders besetzt und das ein oder andere Zitat gestrichen. So hätte STAR TREK vielleicht etwas ganz Großartiges werden können. In der vorliegenden Form aber stellte sich das erste wirklich wohlige Gefühl leider erst beim Epiprolog Spocks und der anschließenden Titelmusik von RAUMSCHIFF ENTERPRISE ein.
#473
Geschrieben 25. Mai 2009, 22:53
(El Dorado) / USA 1966 / DVD
Schön, wie Hawks die in etwa gleiche Geschichte wie in RIO BRAVO erzählt und so dem Rezipienten die Chance gibt, den Plot eben Plot sein zu lassen und sich auf die wild durcheinandergewürfelte und umcharakterisierte Figurenkonstellation sowie das sich hieraus ergebende Reflexionspotenzial zu konzentrieren. Hier nun also der Sheriff als Säufer, der etablierte Revolvermann als Herr der Lage (klar: John Wayne) und der Jungspund als Pistolenlegastheniker. Zudem die Fuzzyfigur in EL DORADO nicht ganz so schrill wie im früheren Film. So schön und interessant zurechtkonstruiert, dass es fast schon wieder langweilig ist. Dafür ist EL DORADO - ganz im Gegensatz zu RIO BRAVO - stellenweise wirklich lustig. Schon die völlig aus dem Rahmen fallende, da mit Geheimagentenmusik unterlegte, Suche nach den Richtung Kirche flüchtenden MacDonald-Schützen... Eine Sequenz für die Ewigkeit!
Bei aller Leichtigkeit kommt aber auch hier - und in diesem Punkt sind RIO BRAVO und EL DORADO sich wieder einig - die ansatzweise Dekonstruktion des übermächtigen Revolverhelden nicht zu kurz. Und damit meine ich nun weniger die Lähmungsanfälle Thorntons, sondern vielmehr den letzten Dialog zwischen ihm und McLeod und das Vorgehen des ersteren vor und während der entscheideneden Schießerei, welches in krassem Gegensatz zur vorher noch von Thornton eingeforderten "professional courtesy" steht. Aufgrund der leichtfüßigen Inszenierung des Films könnte ich mir vorstellen, dass dieser Punkt vielleicht untergehen könnte. Diese zumindest einigermaßen geschickte Verschleierung könnte sich noch als eine der großen Stärken Howards Hawks' herausstellen. Da ich aber bis dato lediglich den vorhin gesehenen sowie den in diesem Text immer wieder herbeizitierten Film von Hawks kenne, will ich mir, wie so häufig, in dieser Hinsicht noch nicht einmal ein vorläufiges Urteil erlauben.
#474
Geschrieben 31. Mai 2009, 16:19
(Tropic Thunder) / USA 2008 / DVD
Für mich einzig und allein in der Orts- und Figurenkonstellation interessant, die es dem Film ermöglicht, die Manierismen des Actiongenres offenzulegen, um diese dann - mal mehr, mal weniger gelungen - parodieren zu können. Die versuchte Anwendung des virtuellen Könnens am realen Objekt mag vielleicht aus Werken wie GALAXY QUEST oder STARFIGHT (wenngleich dieser sich einer (zumindest freiwilligen) Parodie keinesfalls zuordnen lässt) bekannt sein, klappt hier aber an sich ganz ausgezeichnet. Wenn der Humoreinsatz insgesamt etwas stärker meinem Gusto entsprochen hätte, hätte mir TROPIC THUNDER vielleicht über die ganze Laufzeit hinweg Spaß gemacht. So bleibt es bei vereinzelten Szenegrinsern meinerseits und einem fassungslosen Händeüberdemkopfzusammenschlagen angesichts eines an einem abgetrennten Kopf herumlutschenden Ben Stiller.
#475
Geschrieben 31. Mai 2009, 18:49
(The Dark Knight) / Großbritannien, USA 2008 / DVD
Die letztjährige Sichtung im Kino fand zumindest teilweise im Schatten eines ein oder zwei Monate zuvor durchgeführten Wiedersehens mit Burtons BATMAN statt. Ein Teil von mir wollte deshalb in erster Linie darauf achten, was neunzehn Jahre später aus Burtons lila Medienhure geworden ist. Die Hure ist noch immer da, aber hat sie jetzt viel mehr Kraft und ist als Krankenschwester verkleidet. Dieser klitzkleine Moment fernab jeglicher medialer Aufmerksamkeit, in dem die Krankenhausbombe nicht so recht explodieren möchte und der Joker zumindest halbwegs verzweifelt auf der Fernsteuerung rumhaut und sich wenige Momente später ehrlich zu erschrecken scheint, dabei aber weiterhin in der Rolle des irren Anarchisten bleibt, verleiht dem Schrecken der Figur eine so zutiefst menschliche Dimension, die Nicholsons Figur niemals hatte.
Gut. Ohne es zu wollen stimme ich nun also auch noch in den von nerdigen Kräften getriebenen Vergleich zwischen Nicholson und Ledger ein. Einen Sieger gibt es trotz des obigen Absatzes nicht. Die Überprüfung des beschriebenen Kinoeindrucks war das Hauptziel der gestrigen Zweitsichtung von THE DARK KNIGHT. Beim nächsten Mal dann will ich das Augenmerk lieber auf den kompletten Film richten - diesen beinahe schon überladenen Karren, den Nolan durch ein nicht enden wollendes Selbstopferungsritual zerren möchte. Mal sehen, ob er ankommt.
#476
Geschrieben 01. Juni 2009, 10:10
(Jason and the Argonauts) / Großbritannien, USA 1963 / TV-Ausstrahlung
JASON UND DIE ARGONAUTEN kann sich für kein klares Götterkonzept entscheiden, was dem Film leider einige Holprigkeiten in den Figurenhandlungen einbringt. Es kommt letztlich zu einem unbefriedigenden Brei aus christlichem Götterglauben und mythologischem Fatum, wobei das erstgenannte Element vielleicht noch einen Tacken stärker daherkommt. Die Integration beider Konzepte hat dramaturgisch natürlich Sinn und Verstand: Zum einen soll dem Zuschauer nicht die Illusion gegeben werden, alle Handlungen (und damit Sieg und Thronbesteigung Jasons) seien bereits festgelegt und unverhinderbar, zum anderen wollte man aber wohl doch nicht ganz auf Selbstläuferszenen mit anthropomorphisierten Göttergestalten, die sich auf dem Olymp zanken, verzichten. Das Christentum hier also als Retter der sich aus der scheinbaren Selbstbestimmung der Figuren ergebenden Handlungsspannung.
Schade finde ich auch, dass sich der Film zum Ende hin so stark vom bekannten Mythos entfernt und auf die verschiedenen Prüfungen, die Jason an sich zu durchlaufen hätte, verzichtet. Da hätte durchaus dramaturgisches Potential drin gesteckt. So hängt das olle Widderfell eben an einem morschen Baum und wird von einer Hydra bewacht, die einigermaßen prompt erschlagen wird, wonach die Argonauten noch einmal verhältnismäßig unmotiviert von ein paar Skeletten angegriffen werden.
Dass all dies nur den Zweck hat, den eigentlichen Stars des Films - den Stop-Motion-Effekten - Platz zu machen, kann ich dahingehend verzeihen, dass JASON UND DIE ARGONAUTEN in dieser Hinsicht durchaus das Recht hat, großkotzig zu sein. Wobei mir die alles vereinnahmende Statue des Talos in ihrer bedrohlich knienden Haltung auf dem Dach der Schatzkammer fast noch ein bisschen besser gefällt als in den späteren bewegten Bildern.
Nicht unsehenswert. Zudem ist Nancy Kovack ein scharfer Schenkel.
#477
Geschrieben 01. Juni 2009, 16:43
(The 7th Voyage of Sinbad) / USA 1958 / TV-Aufzeichnung
Ob dieser Film und der heute morgen gesehene JASON UND DIE ARGONAUTEN mehr gemein haben als die Tatsache, dass sich Harryhausen in beiden Fällen für die Spezialeffekte verantwortlich zeichnet, weiß ich nicht. Ein Vergleich scheint sich aber in jedem Falle anzubieten. Ein Vergleich, in dessen Rahmen die Argonauten deutlich den Kürzeren ziehen müssen: Graduell ausgefeiltere Charaktere und eine Story, die von menschlichen Figuren getragen werden kann, wenn just keine Stop-Motion-Kreaturen in der Nähe sind, machen den Unterschied aus und Sindbad zum Bezwinger Jasons.
Viel mehr weiß ich zur siebenten Reise von "Captain Sindbad" (wie es etwas befremdlich aus den Mündern der synchronisierten Figuren klingt) auch gar nicht zu schreiben. Hat mir sehr gut gefallen, gucke ich bestimmt irgendwann nochmal und auch möchte ich dem guten Barani noch in aller Form zu seiner Beförderung vom allmächtigen Flaschengeist zum sicher bald das Deck schrubbenden Schiffsjungen gratulieren.
JASON wie SINDBAD, beides auf ihre eigene Weise großartige Entdeckungen des heutigen Tages, die unter tatkräftiger Mithilfe von Langeweile, Zufall und dem Kabel1-Programmschema zutage gefördert werden konnten.
#478
Geschrieben 05. Juni 2009, 21:06
(The Terminator) / USA 1984 / DVD
Auch ich möchte nicht darauf verzichten, mir in Vorfreude auf den vierten Terminator-Film die ersten drei nochmal einigermaßen zeitnah hintereinander anzuschauen.
TERMINATOR ist einer dieser Filme, die ich als Jugendlicher so unafassbar häufig gesehen habe, dass ich auch während jüngerer Sichtungen oft das Gefühl hatte, dass es in dem Film für mich nichts Neues mehr zu entdecken gibt. Wie ich auf diesen Bolzen gekommen bin? Was weiß ich. Blöder Bolzen? Auf jeden Fall.
Ein paar Kleinigkeiten sind mir heute aufgefallen, die ich ungern vergessen und daher hier geschwind niedergeschrieben wissen möchte. So habe ich die Figuren auf dem T-Shirt Sarahs vorm Badezimmerspiegel bisher stets für die Familie Feuerstein gehalten. Erst heute fiel mir bei genauerem Hinsehen auf, dass es sich - ganz im Gegenteil - um die Jetsons handelt. Welch famose Spannung hier zwischen der durch die Figuren auf dem Kleidungsstück symbolisierte, frohe und weitgehend sorglose Welt der Zukunft und dem sich tatsächlich abzeichnenden Schicksal der Menschheit hier entwickelt wird. Und dabei ist es ja nichtmal so, dass James Cameron diesen interessanten Kleidungsfetzen vor dem Publikum versteckt, denn vielmehr jagt er den Blick ja förmlich auf den Oberkörper Sarahs, wenn diese sich mit Matt am Telefon just über abgerissene Blusenknöpfe unterhält. Wie so häufig war wohl wieder nur ich bisher zu dusselig, so einen kleinen Schubser seitens der Regie anzunehmen.
Mit besonderem Interesse habe ich heute die Ankunft des Terminators sowie Reeses verfolgt, hatte ich mich doch daran erinnert, dass ich bei meiner allerersten Sichtung von TERMINATOR überrascht war, dass Schwarzeneggers Figur sich recht schnell als "der Böse" entpuppt. Zu meiner Verteidigung muss ich aber darauf hinweisen, dass während meiner ersten Begegnung mit dem Film keinerlei Herzen rausgerissen oder Punks abgestochen wurden - wahrscheinlich nichtmal in der Nachtwiederholung. Heute wirkt das Ganze von Beginn an doch wesentlich differenzierter und festgelegter. Spätestens wenn Reese selber durch das Öffnen einer Polizeiwagentür die Worte "to care and to protect" ins Bild drückt, sollte der Groschen fallen. Andererseits: Eine gewisse Unsicherheit könnte durchaus noch bis zur Discoszene mitschweben, da die Inszenierung Reeses als zwielichtiger Geselle bis zu dieser Stelle an sich recht gut funktioniert. Dem gegenüber steht allerdings wiederum die rohe Gewalt des Terminators, die trotz der ungewissen Reese-Einführung wenig Spielraum für Zweifel lässt.
Wie gesagt, ein paar Kleinigkeiten, mehr wollte ich zum Film heute gar nicht sagen. Klar aber: Es war mal wieder wunderschön.
#479
Geschrieben 06. Juni 2009, 10:47
(Terminator 2: Judgement Day) / USA 1991 / DVD
Ebenso wie die gestrige Sichtung des Erstlings blieb auch diese Filmbegegnung weitgehend frei von Neuerkenntnissen. Es scheint noch immer so, als sei hier bereits das Augenzwinkern vorhanden, das TERMINATOR 3 (zumindest meiner Erinnerung nach) so unerträglich und in dieser Hinsicht überflüssig macht. Aber dazu vielleicht später mehr, wenn ich mir den dritten Teil nochmal angesehen habe.
An sich stellt TERMINATOR 2 eine famose und höchst unterhaltsame Aufplusterung des ersten Teils dar. Dass in beiden Filmen die gleiche Geschichte erzählt wird, dürfte fürwahr kein Geheimnis sein. Arnie als Held und die wesentlich optimistischere Umstrukturierung des menschlichen Schicksals sind dann eben die Punkte, die TERMINATOR 2 seinen Platz unter den Blockbustern der 90er zuweisen. Hab ich komplett kein Problem mit. Dass der Film im Vergleich zu seinem Vorgänger zum Teil aufgrund dieser Änderungen abzustinken droht, stört mich ebensowenig. Als Dokument seiner Zeit möchte ich TERMINATOR 2 keinesfalls missen.
Mit der religiösen Symbolik der Terminator-Reihe habe ich mich noch niemals systematisch befasst, auch wenn's vielleicht naheliegen möge. Zumindest aber hat mir in dieser Hinsicht der Schluss des Films in der infernalischen Umgebung des Stahlwerks gut gefallen, der dem Zuschauer einen im Fegefeuer für seine Taten büßenden Peiniger präsentiert. Gleichzeitig werden diesem seine Sünden in Form von Herummorphereien in die Gestalten seiner Opfer offengelegt. Jaja, es wird richtig transzendent in diesem digitalen Buch des Lebens. Passend hierzu löst der eine Erlöser den anderen ab (der ja zumindest bis 2003 nicht mehr benötigt wird) und stirbt seinen Märtyrertod. Wenn diese Sequenzen schon furchtbar aufdringlich daherkommen, so können sie einer gewissen Faszination dennoch nicht entbehren.
Was mir aus dem Zusammenhang gerissen nach Jahren wieder in den Sinn gekommen ist: Ich habe von diesem Film früher Albträume gekriegt. Irgendetwas muss er also verdammt richtig gemacht haben!
#480
Geschrieben 06. Juni 2009, 14:56
(Terminator 3: Rise Of The Machines) / USA 2003 / DVD
Ein so furchtbar zweischneidiges Schwert, dieser Film. Versucht er doch, die Ironie eines JUDGEMENT DAY mit der Aussichtslosigket des Ur-TERMINATOR zu vereinen. Das schafft er zwar, doch schmeckt die Suppe etwas stichig. Ein zusätzliches Problem stellt sicherlich die Tatsache dar, dass die Ironie in TERMINATOR 3 vielleicht einen Tacken zu häufig in einen schnöden, blöden Spruch umschlägt. Auch problematisch: Hab fast immer über die Sprüchlein lachen müssen. Mein Humorverständnis muss - vermutlich als Spätfolge meiner letztjährigen, exzessiven SpencerHill-Manie - irgendwann in der jüngeren Vergangenheit einen erheblichen Schaden davongetragen haben.
Doch Humorsorgen hin oder her - eingebettet in einen Film, der die Auslöschung der halben Menschheit als Schlusspunkt hat, wirkt dies alles recht befremdlich. Schön aber, dass der Figur des John Connor hier die Möglichkeit gegeben wird, über sein Schicksal zu reflektieren, sich damit schlussendlich abzufinden und zur Tat zur schreiten. All dies wird ihm in TERMINATOR 2 noch vom Cyborg selbst abgenommen. Schade nur, dass der Charakter an sich so flach wirkt. Wie auch weite Teile der Restbesetzung. Claire Danes will ich es aber verzeihen, denn sie ist zu hübsch und kreischt gut.
Die obigen Absätze offenbaren zweifelsfrei, dass mir nichts Gescheites zum Film einfallen will. Drum soll dieser Text nun enden.
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