In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1081
Geschrieben 07. Februar 2008, 15:22
White Fang (Wolfsblut) ~ USA 1991
Directed By: Randal Kleiser
Der junge Jack Conroy (Ethan Hawke) kommt im Zuge des großen Goldrauschs nach Alaska, um dort den Claim seines verstorbenen Vaters auszuschlachten. Hilfe findet er bei dem bärbeißigen Profischürfer Alex Larson (Klaus Maria Brandauer), einem früheren Freund des alten Conroy. Während seines Aufenthalts auf der Halbinsel begegnet Jack immer wieder einem Wolfs-Haushund-Mischling, den die Indianer domestiziert und "White Fang" getauft haben. Schließlich befreit Jack das Tier aus den Händen einiger gieriger Ganoven (u.a. James Remar) und erhält einen treuen Gefährten.
Neben Signor Fulcis Version der frühen Siebziger sicher die ambitionierste Adaption des London-Klassikers aus der familienfreundlichen Disney-Schmiede. Dass "White Fang" dennoch nicht zur Gänze dem braven Kitschgeflecht des Entertainment-Riesen, der gerade bei dessen Realfilmproduktionen durch die Bank immens penetrant wirken kann, anheim fällt, ist einigen äußeren Faktoren zu verdanken - darunter dem Spiel der auf den vorderen Positionen hervorragend besetzten Rollen (neben Brandauer gibt es besonders Seymour Cassel zu beklatschen) und dem Gespür der Regie für stimmungsvolle Naturaufnahmen, die mit dem majestätischen Score Basil Poledouris' unterlegt sind. Ein kleiner Sympathiebonus für des Menschen besten Freund schadet nicht, ansonsten ist das Leidenspotenzial der ganzen Geschichte möglicherweise nicht groß genug. Resümierend eine wirklich goutierbare Angelegenheit, abwechslungsreicherweise frei von jedweden Derbheiten und von mir als führendem Pädagogen nicht allein als Kinderfilm ausdrücklich empfohlen.
7/10
#1082
Geschrieben 07. Februar 2008, 19:42
The Outlaw Josey Wales (Der Texaner) ~ USA 1976
Directed By: Clint Eastwood
Josey Wales (Clint Eastwood), ein friedlicher Farmer aus Missouri, wird in die Wirren des Sezessionskrieges gerissen, nachdem ein paar brandschatzende Redlegs seine Familie hinmorden und ihn selbst vermeintlich tot zurücklassen. Wales verbündet sich mit einer Schar Rebellen und wird zum gefürchteten Gesetzlosen, der auch nach der Kapitulation des Südens noch weiter verbissen nach den Tätern sucht und sich keinem Frieden zu stellen bereit ist. Nach und nach gesellt sich eine neue "Familie" um seinen Zossen, der alte Cherokee-Häuptling Lone Watie (Chief Dan George), das Navajo-Mädchen Little Moonlight (Geraldine Keams), die alte Granny Sarah (Paula Trueman) aus Kansas, ihre verschrobene Enkelin Laura Lee (Sondra Locke) und ein verwaister Hund. Dennoch ist es bis zur Sesshaftwerdung noch ein langer Weg für Josey Wales.
Mit "Josey Wales" hatte Eastwood seinen Reifezenit als Filmemacher erreicht und nie wieder überschritten. Ist der 16 Jahre jüngere "The Unforgiven" anerkannt als der große Genre-Abgesang, so birgt "Josey Wales" eine revisionistische Aufarbeitung nahezu aller Haupttopoi, die den US-Western der vorangegangenen zwei Jahrzehnte und seine großen Köpfe bewegt haben. Vom großen Krieg wird erzählt, von der unfreiwilligen Verwicklung darin, von Gewalt, Rache, Liebe, Verrat, Freundschaft, Opportunismus und Heimat. Dazwischen Royal Dano als Zeitzeuge. Und alles verkehrt sich: Lone Watie ist vielleicht der allererste betont unexotische Indianer der Filmgeschichte, weder besonders kombattant, noch außerordentlich altersweise oder edelmütig - er ist schlicht akzentfrei menschlich und neben dessen neuer Liebschaft der einzige, von dem selbst ein abgeklärter Misanthrop wie Wales noch etwas lernen kann. Nebenbei lässt Eastwood es sich nicht nehmen, die großen Mythen des Westens weiter zu beliefern und aus vollen Händen zu bedienen, ist den jüngeren Entwicklungen im Genre unterdessen keinesfalls abgeneigt oder stellt sich gar wider die Progression. Dazu ist er beileibe zu gescheit.
"The Outlaw Josey Wales" ist ein gewaltiges Monument, uneben, gleißend schön und von hoher Signifikanz. Vielleicht der ultimative Western seiner Dekade.
10/10
#1083
Geschrieben 08. Februar 2008, 15:46
Under Siege 2: Dark Territory ~ USA 1995
Directed By: Geoff Murphy
Ein paar Terroristen unter der Führung des abtrünnigen Verteidigungsexperten Travis Dane (Eric Bogosian) bringen einen Zug in ihre Gewalt, von dem aus sie einen Satelliten, der an jedem beliebigen Ort Erdbeben auslösen kann, steuern. Dass sich zufällig der Terrorabwehr-Koch Casey Ryback (Steven Seagal) an Bord befindet, der seine Nichte (Katherine Heigl) zum Grab ihres verstorbenen Vaters und Rybacks Bruder begleitet, können die armen Tröpfe nicht ahnen. Gebrochene Extremitäten und durchschossene Brüste sind die Folge.
"Under Siege 2" ist rein inhaltlich betrachtet noch ein gutes Schippchen döfer als der ohnehin nicht allzu helle Erstling; dafür ist die Entwicklung seiner Geschwindigkeitskurve besonders gegen Ende hin beinahe irrwitzig. Was da parallel zu Bruch geht, sich an flauen Gags, gleichzeitigem Aufatmen und Exekutionen präsentiert, ist schon durchaus konkurrenzfähig im Wust der vielen "Die Hard" - Plagiate. Ansonsten werden diverse Elemente des Vorgängers repetiert, darunter die Doppel-Konstellation der Oberschurken, bestehend aus psychotischem Mastermind (Eric Bogosian) und psychotischem Nahkämpfer (Everett McGill), Seagals/Rybacks unfreiwillige Verbindung zu einem proletarischen Mitreisenden und natürlich der mobile, isolierte Schauplatz des Geschehens.
Doch wer möchte sich schön über Sinn und Sinnlichkeit im Innern eines Seagal-Epos den Kopf zerbrechen; Spaß, Pyromanie und lustige Gewalt sind in jedem Falle geschenkt und darauf kommt es im Mindesten doch an.
5/10
#1084
Geschrieben 10. Februar 2008, 09:22
The Island (Freibeuter des Todes) ~ USA 1980
Directed By: Michael Ritchie
Journalist Maynard (Michael Caine) gedenkt, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden: Ein Angel-Wochenende auf einer Bermudainsel mit seinem Sohn Justin (Jeffrey Frank), welcher bei seiner Mutter lebt, soll zugleich dazu dienen, das gehäufte Verschwinden von kompletten Bootsmannschaften zu untersuchen. Bald geraten Maynard und Sohn in die Fänge einer Bande von grausamen Piraten, die sich auf einem abgelegenen Eiland eine Art Para-Zivilisation errichtet haben und wie im 17. Jahrhundert leben.
Für diese Verfilmung seines gleichnamigen Romans hat Peter Benchley eigenhändig das Script verfasst, ein ziemlich wüstes, anarchisches Stück, das ganz im Gegensatz zu "The Deep" steht, den ich vor einigen Tagen gesehen habe. Die Idee einer mehrere Generationen überdauernden Freibeuter-Sekte, die durch jahrzehntelange Inzucht mental zu degenerieren beginnt, einer ganz eigenen Grammatik frönt und eine höchst individuelle Auslegung ethischer Dogmen pflegt, ist im Prinzip eine (für Benchley typische) maritime Abwandlung der in den Jahren zuvor stark gepushten Backwood-Thematik. Auch hier fallen zwei Musterexemplare der Kategorie 'Moderne' in die Hände einer im Abseits stehenden, archaisch wütenden Gruppe von Menschenmonstern, die gerade aufgrund ihres durchgedrehten existenziellen Selbstverständnisses so furchteinflößend sind, und wandeln auf dem schmalen Grat zwischen Muskete und Wunscherfüllung. Maynards Sohn, der vom Oberpiraten Nau (David Warner) flugs umgekrempelt und adoptiert wird, gefällt das erzwungene Abenteuerspiel, bei dem er ungebremst seine Waffenfaszination ausleben kann, offenbar prächtig; Maynard selbst dient einer Piratenbraut als Zuchthengst, um frisches Blut in den verfilzten Korsaren-Genpool zu pumpen. Auch das - so ist Caines Gesichtsausdruck abzulesen - kommt ihm gar nicht mal allzu ungelegen. Dass "The Island" dazu noch hübsch gewalttätig ist, ist ein durchaus angenehmer Nebeneffekt.
Ein recht rüpelhaftes Filmchen, ohne wirkliche Größe zwar, aber parieren kann es.
6/10
#1085
Geschrieben 10. Februar 2008, 09:53
The Hanging Tree (Der Galgenbaum) ~ USA 1959
Directed By: Delmer Daves
Doc Frail (Gary Cooper) lässt sich in dem Goldgräberstädtchen Skull Creek nieder, um dort abseits von seiner Vergangenheit und in Ruhe praktizieren zu können. Als in der Nähe eine Postkutsche überfallen wird, verirrt sich die einzige überlende Insassin, die deutsche Emigrantin Elisabeth Mahler (Maria Schell), in der Wildnis. Die Einwohner von Skull Creek suchen sie vereint, gefunden wird sie schließlich von dem ungeschlachten Frenchy Plante (Karl Malden). Elisabeth ist vorübergehend erblindet und wird von Frail, der sich ihrer annimmt, gesundgepflegt. Die beiden verlieben sich ineinander, Frail kann seine alte Hartherzigkeit aber nicht zur Seite legen. Zusammen mit Frenchy und Frails ehemaligem Assistenten Rune (Ben Piazza) macht sich Elisabeth dann daran, nach Gold zu schürfen - mit baldigem Erfolg.
Delmer Daves, der seine große Schaffensperiode während der Fünfziger hatte, konnte zu dieser Zeit einige besonders sensible Western ferigstellen, darunter auch diese schöne Allegorie. Der Charakter des Doc Frail, eines bärbeißigen Hurendoktors mit gewalttätig-trüber Vergangenheit, ist eine dramatische Ikone, eine Art Bindeglied zwischen dem mythologisierten Doc Holliday und dem später auf St. Pauli tätigen Dr. Diffring. Den Namen Frail, ursprünglich ein semantisch vieldeutiges Adjektiv, hat sich der Mann nach seiner Flucht aus dem früheren Leben selbst verabreicht, sehr passenderweise. Denn er ist jemand, der bei all seiner Frustration davon zehrt, Menschen zu vereinnahmen, unnahbar zu sein und sein im Grunde goldenes Herz hinter einem harten Panzer zu verbergen - eine der schönsten Figuren, die Gary Cooper je verköpert hat. Karl Malden, den ich aus meiner frühen Kindheit stets als den netten Detective Stone in Erinnerung behalten werde, als Bösewicht zu sehen, welchen er früher ja doch mit hübscher Regelmäßigkeit gab, wirkt immer noch sehr befremdlich und beängstigend, gerade bei einer solch differenzierten Darstellung wie im vorliegenden Fall. Und dann gibt es George C. Scott als mysteriösen Wunderheiler, der nur ganz selten in Erscheinung tritt und immer bloß, wenn es darum geht, eine Hexenjagd auf Frail zu initiieren. "The Hanging Tree" ist auch ein mysteriöser Western, der viele Fragen ganz bewusst offen hinter sich lässt, was ihn mit noch mehr seltsamer Bedeutung auflädt.
8/10
#1086
Geschrieben 11. Februar 2008, 15:23
Le Doulos (Der Teufel mit der weißen Weste) ~ F/I 1962
Directed By: Jean-Pierre Melville
Maurice (Serge Reggiani), soeben aus dem Gefängnis entlassen, besucht seinen alten Kumpanen Varnove (René Lefevre), bringt ihn aus Rache um, stiehlt und versteckt Varnoves zuletzt eingefahrene Beute. Zusammen mit einigen Spießgesellen führt Maurice daraufhin einen Raubüberfall durch - mit erfolglosem Ausgang. Die Flics kreuzen am Tatort auf, Maurice muss einen von ihnen erschießen und wird selbst verwundet. Maurice glaubt sich verraten, von seinem Freund Silien (Jean-Paul Belmondo), der sich neben seiner Diebeskarriere als Polizeispitzel verdingt.
Ça, c'est vrai noir! Melvilles frühes Gaunerstück ist der stilistischen Tradition der amerikanischen Schwarzen Serie verpflichtet, richtet seine Figuren sämtlich im Schatten ein und stellt die Halbwelt, in der niemand dem anderen trauen kann und jeder nur sich selbst Rechenschaft abzulegen hat, zwischen abgründiger Faszination und überzeugter Abscheu dar. Bebel, zu dieser Zeit trotz seiner Jugend schon ein alter Hase im Geschäft, steht als undurchsichtiger Silien im Mittelpunkt des Geschehens. Zwischen ihm und dem Zuschauer gibt es keine gesicherte Basis, die Sympathien schwanken und man wird nie klar, bis zum Ende fast. Der statische Ablauf der Ereignisse ist beim ersten Mal Sehen bis zum letzten Schuss kaum einsehbar, erfordert ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und ist ein Meisterstück irreführender Narration, das sich dann bei wiederholter Betrachtung zum erzählerischen Genuss auswächst.
Tiefe Moral und siedender Jazz, eine Welt in schwarzweiß - alles kommt zusammen im 62er Paris.
9/10
#1087
Geschrieben 11. Februar 2008, 15:48
The Good German ~ USA 2006
Directed By: Steven Soderbergh
Während der Potsdamer Konferenz kommt der Militärjournalist Geismer (George Clooney) in das zerbombte Berlin. Sein Fahrer, der aufbrausende Tully (Tobey Maguire), liegt bald tot am Spreeufer, nachdem Geismer feststellen musste, dass Tully eine Affäre mit Geismers Ex-Geliebter Lena (Cate Blanchett) hatte und darüberhinaus versucht hat, Lena außer Landes zu bringen. Ein Gewirr aus Intrigen und Drähten, gezogen von allerlei hohen Drahtziehern, gilt es zu enträtseln, bevor ein erschütterter Geismer nächtens in Tegel zurückbleibt.
So wirklich gefällt mir von Soderbergh seit "Traffic" gar nichts mehr. "The Good German" bildet da zu meinem Leidwesen keine wesentliche Ausnahme. Vielleicht verstehe ich Soderbergh auch ganz einfach nicht mehr recht. Seine stolze Inszenierung bemüht sich zu jeder Sekunde um mediale Authentizität, der Film soll aussehen wie in den Nachkriegstagen entstanden und erfüllt diese Prämisse bisweilen mehr als passabel; ohne schicke künstliche Abnutzungsspuren wie bei den "Grindhouse"-Filmen. Durch leichte Überbelichtung, weiche Kontraste, Fernsehformat und das Einstreuen authentischer Bilder gelingt die Illusion. Die naive Betrachtung der Geschehnisse tut dazu ihr Übriges, Thomas Newmans Musik klingt sogar wie von Max Steiner. Alles grenzperfekt. Der rüde Jargon indes widerspricht jeglicher Romantisierung und fügt sich dem Rest nicht - Fragezeichen Nr. 1.
Am meisten vermisst habe ich jedoch einen Draht zu mir, dem Menschen. Nichts spürbar. "The Good German" ist lediglich seiner eigenen Idee von Formalität und Ästhetik verpflichtet, zieht hier etwas "Casablanca" aus dem Hut, lässt dort ein bisschen "Big Lift" vom Stapel, liebäugelt hüben mit "The Third Man". Von Empathie inmitten von alldem keine Spur, die Emotionalität wirkt, wenn überhaupt vorhanden, verlogen. Fragezeichen Nr. 2.
Möchte momentan nicht ausschließen, dass der Film mir zu einem späteren Zeitpunkt mehr zu bieten hat, heuer fand ich ihn kalt wie eine Hundeschnauze.
5/10
#1088
Geschrieben 11. Februar 2008, 16:06
The Commitments ~ IE/UK/USA 1991
Directed By: Alan Parker
Jimmy Rabbitte (Robert Arkins), arbeitsloser Jungerwachsener aus einem Vorort Dublins, plant die Gründung einer Band, die nicht nur zur Stimme des ungehörten Proletariats avancieren, sondern zudem noch Soul spielen soll. Aus diversen Könnern und Halbkönnern formt Rabbitte tatsächlich eine Truppe, die mit zunehmender Aversion untereinander mehr und mehr Virtuosität in ihren Sound bringt.
Der erste Teil von Roddy Doyles "Barrytown Trilogy", die das Leben im gleichnamigen Dubliner Bezirk liebevoll unter die Lupe nimmt und ursprünglich samtens Einblicke in ein und dieselbe Familie liefert. Die nachfolgenden Erzählungen ("The Snapper", "The Van") wurden dann von Stephen Frears verfilmt und hatten mit den Rabbittes direkt nichts mehr zu tun. Alan Parker, dem Populärmusik immer recht viel bedeutete, wählte für seinen Beitrag eine für ihn ungewöhnliche Herangehensweise, indem er zum Großteil auf Amateure und Laien zurückgriff. Ähnlich wie bei den Blues Brothers und Spinal Tap bot dann später die Fiktion den Rahmen für die Realität und die Commitments lösten sich aus ihrem lyrischen Kontext. Die Band hat tatsächlich Soul, covert Otis Redding, Percy Sledge und Wilson Pickett und liefert mitunter sogar deutlich feistere Versionen ab als die großen Originale.
Die etwas soap-mäßig aufgezogenen Streitereien unter den harten Individualisten der Band mal außen vor gelassen, kommt "The Commitments" damit dem ungekünstelten Spirit der Vorlage ebenso nahe wie dem der adaptierten Klänge und gehört zu den schönsten Musikfilmen der Neunziger.
9/10
#1089
Geschrieben 12. Februar 2008, 14:57
Quadrophenia ~ UK 1979
Directed By: Franc Roddam
London, 1964: Jimmy (Phil Daniels) fühlt sich der Szene der Mods zugehörig. Gekennzeichnet ist diese Subkultur durch flott aufgemotzte Lambrettas, edle Zwirne unter Parkas, das Hören aktueller Rockmusik und rüdes Benehmen in der Öffentlichkeit. Seine Eltern wollen Jimmy nicht verstehen, mit Steph (Leslie Ash) verbindet ihn nur eine sehr lose Beziehung und sein alter Kumpel Kev (Ray Winstone) zieht sich an wie ein feindlicher Rocker. Ein Wochenende in Brighton, das ganz im Zeichen von Drogen, Gitarrenmusik und Zerstörungswut steht, stellt für Jimmy den bisherigen Höhepunkt seines Lebens dar - umso härter sind die Lektionen, die er in der Folge zu lernen hat.
Es gibt Filme, die schleppt man sein ganzes Leben mit sich herum, nicht zuletzt deshalb, weil sie einen in entscheidenden Prägephasen begleitet haben. "Quadrophenia", nach dem gleichnamigen Konzeptalbum von The Who (das deren opus magnum "Love Reign O'er Me" enthält), ist für mich ein solcher. Die Mädels standen damals auf "La Boum" und die Brat-Pack-Sachen mit Judd Nelson, Rob Lowe und Andrew McCarthy, für uns Jungs gab's immerhin "Die Outsider", "Verlierer" kannten manche aus dem Fernsehen und - noch viel wichtiger - "Quadrophenia". Ob man nun Rude Boy sein wollte oder nicht, das Lebensgefühl um teenage angst und Orientierungslosigkeit war für alle nachvollziehbar und The Who, die immerhin den frühen harten Rock miteingeleitet hatten und damit eine Art musikalischen Gründervater-Status besaßen, durfte man sowohl als Parka- als auch als Kuttenträger gut finden.
Mit 16 trennte sich dann endgültig die Spreu vom Weizen. Die alternative Front entschied sich für Vespas, während die etwas ordinäreren Typen sich naserümpfend auf ihre DT hockten. Solche coolen Geschosse wie Jimmy, Chalky und Ace hatte eh niemand. Gesoffen haben wir trotzdem alle zusammen, auch die ohne motorisiertes Zweirad. Anno '64 ging es in England da ohnehin deutlich härter zu, da war man nur gegen eine Fraktion vereint: Die staatliche Exekutive. Auch das stets primstens nachvollziehbar.
Gut, das Ende ist von "Harold And Maude" geklaut, aber das wusste ich damals noch nicht.
Mind the gap!
9/10
#1090
Geschrieben 13. Februar 2008, 16:00
Rambo (John Rambo) ~ USA/D 2008
Directed By: Sylvester Stallone
John Rambo (Sylvester Stallone) hat sich als Schlangenfänger und Fährmann in Thailand zur Ruhe gesetzt. Seine Existenz gestaltet sich genügsam und vor allem fernab jeder vergangenen Heldentat. Eines Tages bitten ihn ein paar Missionare (u.a. Paul Schulze), sie den Fluß hoch nach Burma zu schippern, um dort karitative Hilfsleistungen vollbringen zu können. Widerwillig lässt Rambo sich von der sympathischen Sarah (Julie Benz) überreden. An ihrem Bestimmungsort angelangt, gerät die kleine Gruppe dann umgehend in die Gewalt der Junta. Zusammen mit ein paar zynischen Söldnern macht Rambo sich zur Befreiung auf.
Ein Film ist dann perfekt, wenn er aus seiner Prämisse das Bestmögliche herausschält und mir als seinem Betrachter das zu verdeutlichen versteht. Ohne lang um den heißen Brei herumzuparlieren: "Rambo" liefert nichts weniger als die dringend fällige intrakardiale Adrenalin-Injektion, die das Actiongenre zur Hinüberrettung in eine längst verloren gewähnte Glaubwürdigkeit benötigt. Nachdem mir zuletzt solche affigen Kindergarten-Randerscheinungen wie "The Marine" und "Shoot 'Em Up" ein Hauptmaß an Hoffnung geraubt haben, eine alte Liebe zurückzuerobern, fand ich mich gestern von einer Dampfwalze überrollt, wie ich sie bei allem Wunschdenken kaum erwarten konnte. Glückshormone durchfluteten meinen Körper, als mein alter Kindheitsheld, keinesfalls eine peinliche oder lächerliche Figur abgebend, über eine vor unfassbarer visueller Kaltschnäuzigkeit berstende Leinwand tobte, die nebenbei Kriegsgeschehen in einem mutmaßlich nie dagewesenen Naturalismus abbildet. Aufatmen und Erleichterung: Kein Fünkchen Humor hält hier Einzug, Scheu vor Phrasen, die eine menschliche Flak wie John Rambo von Hause aus bloß vervollständigen, findet keinen Platz. Rambo ist nicht nur der Alte, sein Typus, seine Ikonographie lebt fort; dem geflügelten Wort, das aus der Filmgestalt längst geworden ist, wird ein neuer Wahrheitsgehalt zuteil. Er revitalisiert auch einen Mythos, der seine Kritiker durch sein Selbstverständnis per se mundtot und jedweden Kriegsschauplatz willkürlich macht.
"Rambo" ist, um Parallelen zu ziehen, vielleicht am Ehesten verwandt mit dem zweiten Teil des Zyklus, in dem der Protagonist nachträglich den Vietnamkrieg für sein Land entscheidet. Nicht wegen augenfälliger Politisierungen - die bleiben glücklicherweise weitgehend gediegen - sondern wegen seiner Unbarmherzigkeit. Und weil er Vieles zeigt, was vor dreiundzwanzig Jahren im Prinzip fällig, aber undenkbar gewesen wäre.
Die Kürzungen, sie unerwähnt zu lassen, wäre ein glattes Sakrileg, haben mich, da ich die Cannes-Rolle bereits in- und auswendig kannte, natürlich nicht ganz unberührt gelassen. Umso mehr freue ich mich schon jetzt auf das erste Date bei mir zuhaus.
"No man, no law, no war can stop him." Das gilt heute vielleicht mehr denn je.
9/10
#1091
Geschrieben 16. Februar 2008, 09:44
Navy Seals ~ USA 1990
Directed By: Lewis Teague
Die Navy Seals sind ein supergeheimes Einsatzteam von Infanteristen, die flugs an jedem Ort der Welt in Aktion treten, wo's haarig wird. Die derzeit kritische Situation im Libanon, im Zuge derer ein Hisbollah-Chef (Nicholas Kadi) ein paar Stinger-Raketen geklaut hat und nun in Beirut lagert, bereitet besonders dem Chef der Seals, Lt. Curran (Michael Biehn) nachhaltiges Kopfzerbrechen. Aus diesem Grund beschwallert er erfolgreich eine Journalistin (Joanne Whalley-Kilmer), die mit der Lage im Nahen Osten auf du und du steht und reist hernach mit seinem Team (u.a. Charlie Sheen, Bill Paxton) zum Aufräumen ans östliche Mittelmeer.
Die "Navy Seals" kamen 1990 als eine Art "Delta Force" für Jungs, die auch mal ein Mädchen mit ins Kino nehmen wollten. "Top Gun", mercenary style. Sylvester Levays Musik klingt so heroisch wie Faltermeyer; Sheen und Biehn (lustig) mit ihren unentwegt hervorragend liegenden Föhnfrisuren bringen inklusive romantischer Verwicklungen sicher manches unbedarfte Herz zum Schmelzen, dazu gibt es eine schön kitschige Story über einen schwarzen Soldaten (Dennis Haysbert), der nie seine Braut (S. Epatha Merkerson) ehelichen darf, weil er stets just zum Hochzeitstermin irgendwohin muss, um die Kartoffeln aus dem Feuer zu holen und seiner Geliebten nichtmal was darüber erzählen kann. Und ausgerechnet der wird dann auch noch abgeschossen. Zum Heulen.
Freundschaften werden beim Golfspiel gefestigt und im Einsatz auf die Probe gestellt und über allem weht permanent das wohlbekannte Banner. Hmm, leere Denkblase. Seine wahren Möglichkeiten bringt "Navy Seals" dann leider erst im hervorragenden letzten Viertel zur Geltung, das klassisch inszenierte Gefechtsszenen vor einem beeindruckend authentisch in Schutt und Asche gelegten Beiruter Stadtteil zeigt, erstmalig Spannung aufbietet, von der vorher nichts zu spüren ist und endlich die längst fälligen Holzereien mit dicken Gewehren präsentiert. Nicht die vollendetste Rettung vielleicht, eine Rettung aber dennoch.
5/10
#1092
Geschrieben 16. Februar 2008, 12:27
Pale Rider ~ USA 1985
Directed By: Clint Eastwood
Der raffgierige Goldgräber LaHood (Richard Dysart) beutet mit rücksichtslosen Methoden das nordkalifornische Hochland aus. Ein Dorn im Auge sind ihm ein paar kleine Siedler, die ihre Claims mitten in LaHoods Areal bearbeiten. Er drangsaliert die friedfertigen Menschen wo er nur kann, bis eines Tages ein namenloser Prediger (Clint Eastwood) in der Gegend auftaucht. Er lehrt die Siedler neuen Mut und sorgt dafür, dass die gedungenen Killer um den "Marshal" (John Russell), die LaHood engagiert, chancenlos bleiben.
Gegen Mitte der Achtziger war das Westerngenre toter denn je, bis Lawrence Kasdan mit "Silverado" und Eastwood mit einer Neuauflage des "Shane"-Mythos eine Reanimation versuchten. Wo Kasdan eher eine - sehr beachtliche - klassische Spaßproduktion mit vielen Schauwerten und sich erst später als solche entpuppenden Starbesetzung auf den Weg brachte, ist Eastwoods Film vergleichsweise still, schlägt ein sehr gemächliches Tempo an und richtet sein Hauptaugenmerk auf bestimmte Gattungs-Aphorismen, weniger auf seinen eigenen Plot. Der "Fremde ohne Namen" aus Eastwoods gleichnamigem ersten Western kehrt quasi ein weiteres Mal zurück; ein mythisch überhöhter, totgeglaubter Charakter aus einem nicht exakt definierten Jenseits. Als letzter Reiter der Apokalypse wird er metaphorisiert und nachts flüstern die Berge seinen Namen. Die letzte Einstellung, Sydney Penny ruft dem entschwindenden Prediger einen Abschiedsgruß hinterher, bildet eine lupenreine Analogie zu dem aus Stevens' "Shane", wie Eastwood auch sonst die Story des nebulösen Schutzengels ausreizt und mit einem in dieser eindeutigen Form bisher ungebräuchlichen mystischen Subtext versieht. "Pale Rider" stellt dann auch bis heute den logischen Schlusspunkt dieser kleinen Genre-Unterabteilung. Manche Elemente, wie das um den monströsen Richard Kiel, dem Eastwood kurzerhand einen Vorschlaghammer ins Manneszentrum trümmert, wirken allerdings ein wenig unbeholfen, um nicht zu sagen redundant.
Interessant noch die Entstehungsphase dieses sehr ökologisch und theologisch fixierten Films mit vergleichsweise zurückhaltenden Gewaltdarstellungen: Ausgerechnet zwischen seinen beiden ideologisch angreifbarsten Arbeiten "Sudden Impact" und "Heartbreak Ridge" findet "Pale Rider" in Eastwoods Œuvre Platz und wirkt damit wie ein Ruhepol zwischen zwei grantigen Stürmen. Obwohl solitär betrachtet sehr beachtlich, vor allem unter anderen modernen Genre-Produktionen, ist "Pale Rider" wahrscheinlich der schwächste von Eastwoods vier Western.
8/10
#1093
Geschrieben 16. Februar 2008, 12:47
The Villain (Kaktus Jack) ~ USA 1979
Directed By: Hal Needham
Parody Jones (Strother Martin) benötigt dringend seine Kohlen, die er beim Bankier Simpson (Jack Elam) eingelagert hat. Also schickt er sein dralles Töchterlein Charming (Ann-Margret) in die Stadt, die, eskortiert von dem blödoiden, unbeholfenen Pfadfinder Handsome Stranger (Arnold Schwarzenegger), das Geld per Kutsche zur väterlichen Farm bringen soll. Simpson ist allerdings daran interessiert, die Penunze selbst einzustreichen und engagiert daher den Desperado Cactus Jack (Kirk Douglas), der wiederum seine ganz eigenen Pläne schmiedet. Schade nur, dass dieser zu dämlich ist, die bombensichersten Überfälle in die Tat umzusetzen.
Hal Needhams Nonsens-Real-Version eines Roadrunner-Cartoons. Das Ganze als Westernparodie zu bezeichnen, wäre glatterdings noch zu hoch gegriffen, "The Villain" ist einfach ein äußerst infantiler Spaß für Menschen, die darüber lachen können, wenn vertrottelte Bösewichter in ihre selbstgebuddelten Gruben fallen. Douglas ist sich - mit 63 - für keine Albernheit zu schade und führt die tollsten Stunts sichtbar selbst und mit einem Augenzwinkern aus. Als Wile E. Coyote im schwarzen Cowboydress rollen ihm riesige Felsbrocken auf die Rübe, stürzt er selbst in Schluchten, wird von Zügen mitgeschleift, etc.. Auch Schwarzenegger ist toll: Er steigt auf die ironische Typisierung, die die naseweisen Produzenten der steirischen Eiche mit ihrem lustigen Akzent offenbar aufzwängen wollten, komplett durchkalkuliert ein und hat damit eine wesentlich schönere Komödienrolle als bei sämtlichen späteren Versuchen, in diesem Genre mitzumischen.
Die deutsche Synchronisation setzt in punkto Schwachfug übrigens noch eins drauf und wurde vermutlich vom Rainer in Berlin angefertigt. Thomas Danneberg wird hier außerdem als Arnies Stammsprecher installiert, damit ist diese Tonspur natürlich pures Gold wert. Hab' mich köstlich amüsiert, wie als kleiner Steppke.
6/10
#1094
Geschrieben 17. Februar 2008, 10:14
The Spirit Of St. Louis (Lindbergh - Mein Flug über den Ozean) ~ USA 1957
Directed By: Billy Wilder
1927 überquert der Post- und Kunstflieger Charles Lindbergh (James Stewart) als Erster den Atlantik von New York bis Paris und beendet damit ein Rennn um die Vorherrschaft in den Lüften.
"The Spirit Of St. Louis" ist eine Americana, die von Ehrgeiz und Pioniergeist berichtet und davon, wie diese Tugenden den American Way Of Life am Leben erhalten. Von daher ist James Stewart sicher die perfekte Wahl für die Interpretation des Nationalhelden Lindbergh, auch wenn er bei den Dreharbeiten fast doppelt so alt war wie Lindbergh selbst, als dieser den Transkontinentalflug bewältigte. Wilders Regie ist äußerst charmant; mit aufrichtiger Bewunderung setzt er dem Titelhelden sein Porträt, erzählt zahlreiche Schwänke aus dessen Leben, die mitunter nur Kleinstepisödchen darstellen und erzielt damit ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. "Spirit" ist ein sehr schönes, klassisches feel-good-movie, das ich mir ehedem immer für die Weihnachtszeit aufgespart habe. Die deutsche DVD-Premiere hat nun in diesem Jahr für ein vorzeitiges Wiedersehen nach längerer Pause gesorgt.
8/10
#1095
Geschrieben 17. Februar 2008, 10:30
Charley Varrick (Der große Coup) ~ USA 1973
Directed By: Don Siegel
Der aktuelle Bruch von Bankräuber Charley Varrick (Walter Matthau) und seinen drei Kumpanen in der Kleinstadt Las Cruces endet in einem blutigen Fiasko, dem auch Charleys Frau Nadine (Jacqueline Scott) zum Opfer fällt. Charley staunt später nicht schlecht, als er feststellt, dass er weitaus mehr Geld erbeutet hat, als er zunächst angenommen hatte: Die Mafia hat eine größere Summe in der besagten Bank zwischengelagert. Mehrere Parteien, darunter die Polizei und das organisierte Verbrechen, in persona der Killer Molly (Joe Don Baker) sind nun hinter Charley her - doch dieser ist ein extrem gewitzter Ganove.
Habe Don Siegels Film gestern zum ersten Mal gesehen und war zunächst sehr beeindruckt von Matthaus erzcooler Darstellung, die ja doch recht weit abseits von seinen ab den späten Sechzigern primär komisch angelegten Parts angesiedelt ist. Da zeigt sich eben besonders die wahre Qualität des guten Akteurs. Siegels Regie ist, wenn man seine trockenen, pointierten Thriller und Western aus der entsprechenden Schaffensperiode kennt, sicher unschwer identifizierbar; überaus gekonnt involviert er zahlreiche Nebengestalten in das Geschehen und demonstriert, wie der versehentlich zum "großen Coup" ausgewachsene Raub eine mitunter sehr unerfreuliche Ereigniskette in Gang setzt. Varrick/Matthau indes, ich kann nicht umhin, ihn nochmal erwähnen, thront, wie sich schlussendlich zeigt, mit erhabener Ruhe und kalter Präzision über dem aufgeregten Geschehen. Ebenso wie sein Regisseur, möchte ich meinen. Starker Film, muss ich dringend noch ein paar weitere Male anschauen.
8/10
#1096
Geschrieben 17. Februar 2008, 16:38
Bring Me The Head Of Alfredo Garcia (Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia) ~ USA/MEX 1974
Directed By: Sam Peckinpah
Der Barpianist Bennie (Warren Oates) klimpert in Mexiko für ein paar Pesos und etwas Tequila im Kühlschrank in die Tasten. Eines Tages erfährt er, dass ein paar Geschätsleute auf der Suche nach einem Alfredo Garcia sind, genauer gesagt genügt schon dessen abgetrenntes Haupt als Dreingabe. Alfredo entpuppt sich als Exfreund von Bennies Flamme Elita (Isela Vega), die Bennie eröffnet, dass Garcia unlängst bei einem Unfall das Zeitliche gesegnet hat. Für 10.000 Dollar macht sich Bennie mit Elita auf, Alfredos Kopf zu holen.
Sein dreckiger, entzaubernder Film, der zugleich romantischer nicht sein könnte, trägt merklich viel Herzblut Peckinpahs in sich. Dass "Alfredo Garcia", ebenso wie viele andere Arbeiten des Regisseurs, ein Theorem über die Mechanismen von Gewaltausübung ist, sollte bekannt sein. Nebenbei rechnet der Meister mit dem Großbürgertum ab, das ihn offensichtlich in seinem Leib- und Magenland Mexiko, in dem die Zweiklassengesellschaft schon damals so scharf konturiert war wie kaum anderswo auf der Welt, ganz besonders anwiderte. Warren Oates als tragischer Held gewinnt mit der Ermordung von "El Jefe" zumindest einen Bruchteil seiner persönlichen Integrität zurück, die ihm der Traum nach Reichtum zuvor genommen hat. Wie in "The Wild Bunch" setzt der Regisseur Emilio Fernández als satt dreinblickenden, hängewangigen Patriarchen ein, der von seinem Thron aus Mordbefehle erteilt, um seine falsche Ehre nicht beschmutzt zu wähnen und wie in "The Wild Bunch" lässt er ihn am Ende sterben wie ein Schwein. Fernández könnte, so habe ich mir immer gern zusammengesponnen, vielleicht auch das Studiosystem symbolisieren, bzw. Peckinpahs verständlichen Wunsch, mit selbigem einmal gründlich abzurechnen.
"Alfredo Garcia", nebenbei eine überdeutliche Reverenz an Hustons "The Treasure Of The Sierra Madre", wurden manche Stolpersteine auf seinen Weg zur Kinopremiere gelegt. In diesem Fall übernahm einmal die Produktionsfirma United Artists seine Rückendeckung gegen die MPAA, welche Peckinpahs Film zunächst nicht freigeben wollte sowie die Gewerkschaft, die gegen die vollständige Entstehung in Mexiko mit einheimischem Stab protestierte. Peckinpahs Filme hatten es nie leicht.
9/10
#1097
Geschrieben 18. Februar 2008, 14:32
Ratatouille ~ USA 2007
Directed By: Brad Bird / Jan Pinkava
Die Ratte Remy besitzt einen außerordentlichen Geruchs- und Geschmackssinn, den sie zur Kreation kleiner Köstlichkeiten einsetzt. Als es ihn eines Tages nach Paris und direkt in das Restaurant des verstorbenen Gourmetkochs Gusteau verschlägt, entwickelt sich Remy zum Helfer des unbedarften Küchenjungen Linguini, der urplötzlich die herrlichsten Gerichte aus dem Hut zaubert.
Dass "Ratatouille" so sagenhaft schön ausfallen könnte, hätte ich beim besten Willen nicht erwartet. Nachdem ich auf "Cars" verzichtet habe (sprechende Autos erschienen mir etwas reizlos) fand ich, die Geschichte um eine Ratte als 5-Sterne-Maître in Paris klang wieder ganz hübsch. Tatsächlich dürfte dies neben "Monsters Inc." das zweite Pixar-Event in Spielfilmlänge sein, das mir künftig vom Animationsthron zulächeln wird. Dass hier das ganz große Savoir-vivre im Mittelpunkt steht, aus der niedersten Perspektive noch dazu, ist eine erfreuliche Abwechslung von den in letzter inflationär eingesetzten, virtuellen Konkurrenz-Tieren, die ich mir allesamt versagt habe. Vor allem die Bösewichte bei "Ratatouille" sind herrlich komisch, der miese, cholerische Tiefkühlkoch Emile erinnert an De Funès in seinen besten Tagen, der böse Restaurant-Kritiker Ego indes könnte aus einem Burton entsprungen sein.
Das Feinste an dem Film aber ist, dass er so multiple Geschmäcker bedient. Derzeit die vielleicht beste Alternative zu Mälzers Event-Kocherei mit ungeheurer Appetitanheizung.
9/10
#1098
Geschrieben 18. Februar 2008, 15:22
Play It Again, Sam (Mach's noch einmal, Sam) ~ USA 1971
Directed By: Herbert Ross
Nachdem der Kinofan und Feuilletonist Allan Felix (Woody Allen), der in Lebensfragen stets Beratung bei einem imaginären Bogart (Jerry Lacy) samt Hut und Trenchcoat findet, von seiner Frau (Susan Anspach) verlassen wurde, fällt ihm die Suche nach einer neuen Lebenspartnerin immens schwer - er ist einfach nicht in der Lage, neuen Bekanntschaften sein an sich liebenswertes Naturell unverfälscht darzubieten. Seine besten Freunde, das Ehepaar Dick (Tony Roberts) und Linda (Diane Keaton), halten zu ihm, bis Allan und Linda entdecken, dass sie mehr füreinander empfinden.
Eine deutliche Vorstudie zu Allens späterer Lebensfigur des Stadtneurotikers, mit seinen künftig obligatorischen Filmpartnern Keaton und Roberts - umso witziger, dass San Francisco das Setting stellt. Im Gegensatz zum deutlichen Stilwillen und der bildungsbürgerlichen Schwere, die etwa einen "Manhattan" auszeichnet, steht bei "Play It Again, Sam" noch deutlich die Komödie im Zentrum. Selbst um ein paar echte Slapstick-Sequenzen ist Allen, damals noch als Stand-Up-Comedien unterwegs, nicht verlegen. Basierend auf einem Theaterstück von Allen richtet er außerdem ein Plätzchen für den Kino-Aficionado in sich ein, allerdings mit einer deutlichen Vorliebe für den klassischen Hollywood-Film. Zu Beginn sitzt Felix in einem kleinen Kino und sieht sich "Casablanca", respektive dessen Flugplatz-Finale an, Allens geöffneter Mund und das Objekt dessen Anstoßes lassen erahnen, dass er den Film beileibe nicht zum ersten Male sieht und dass er ihm eine Liebe entgegenbringt, die die zu manchen Menschen übersteigt. Die Ausstaffierung von Felix' Wohnung mit Postern und Porträts beantwortet alle übrigen Fragen.
"Play It Again, Sam" ist damit nicht zuletzt die größte Spielfilm-Hommage an seine Titelentlehnung und hat spürbar an dem Taj Mahal für "Casablanca" mitgebaut.
9/10
#1099
Geschrieben 19. Februar 2008, 14:57
All That Heaven Allows (Was der Himmel erlaubt) ~ USA 1955
Directed By: Douglas Sirk
Die reiche Witwe Cary (Jane Wyman) verliebt sich in den Gärtner Ron (Rock Hudson) und beschwört damit eine Welle von Gesellschaftsgeschwätz herauf, die in üble Verleumdungen mündet. Selbst ihre Kinder wenden sich unter snobistischen Vorhaltungen von ihr ab, bis Cary erkennt, wo wahre menschliche Prioritäten zu liegen haben.
Sirk ist vielleicht DER Farbfilmregisseur, wofür "Heaven" ein besonderes Beispiel ist. Die handlungstragenden Jahreszeiten sind Herbst und Winter, und sie spielen eine ebenso wichtige Rolle wie die Menschen, die sie durchwandern. Sirks Filme sind primär ästhetische Genüsse, sie akzentuieren das, was man heute landläufig als 'kitschig' kennt, schämen sich keiner noch so aufgesetzten Symbolik und regen mit Vorliebe die Tränendrüse an. Dass sich hinter seinen Heuleepen häufig unumstößliche soziale Wahrheiten verbergen, wie in diesem Fall der Standesdünkel, der selbst in die moderne, aufgeklärte Gesellschaft noch tiefe Furchen zieht, hat man im Laufe der Jahre glücklicherweise ebenfalls erkannt, so dass Sirk die Anerkennung zuteil wurde, die ihm eigentlich schon lang gebührt hätte.
Nachdem ich gerade mit Erschrecken festgestellt habe, dass dies der erste Sirk-Film in meinem FTB ist, muss sich diesbezüglich künftig was tun. Der Mann wird hier in nächster Zeit sicher öfter aufkreuzen, das kann ich schonmal ankündigen.
8/10
#1100
Geschrieben 20. Februar 2008, 18:18
Mississippi Burning ~ USA 1988
Directed By: Alan Parker
Nachdem 1964 in Jessup County, Mississippi drei Bürgerrechtler verschwunden sind, setzt das FBI die Agenten Ward (Willem Dafoe) und Anderson (Gene Hackman) darauf an, ihren Verbleib zu klären. Sie stoßen auf eine Mauer des aggressiven Schweigens und der Angst. Die weiße Kutte des Ku Klux Klan schwebt über allem; Rassentrennung ist hier an der Tagesordnung und jeder Farbige, der es auch nur wagt, den Blick von der Straße zu erheben, erlebt böse Repressalien. Ward und Anderson ermitteln zunehmend offensiver, bis die Frau (Frances McDormand) des Deputy Sheriffs (Brad Dourif) die entscheidende Wendung bringt.
"Missisippi Burning" wurde damals im Allgemeinen mit offenen Armen im Feuilleton empfangen; nichtsdestotrotz gab's mitunter auch herbe Kritik. Die amerikanische Bundespolizei unter dem Kommunistenhasser Hoover wird in Parkers Film - ich mutmaße, dass das nicht immer in vollem Bewusstsein geschieht - als Retter des Südens heroisiert, Hackman und Dafoe dazu passend als fähige Ermittler bzw. idealistische Akademiker, deren Gespür und Komptenzen ausreichen, um zumindest dem kleinen Kreis von Schuldigen einen markanten Denkzettel zu verpassen.
Weiterhin wurde bemäkelt, dass die Protagonistenschaft ausschließlich im weißen Milieu rekrutiert. Zumindest dieser Punkt ist fragwürdig. Man bedenke: Eine schwarze Heldenfgur á la Hollywood, dargeboten von Denzel Washington oder Morgan Freeman. Eine solche hätte "Mississippi Burning" vermutlich nicht unbedingt authentischer gestaltet. Authentizität ist überhaupt das stärkste Merkmal des Films, seine Darstellung von Zeit- und Lokalkolorit. Ohnehin beherrscht Parker dies neben einer sagenhaft spannenden Dramaturgie (Auch wenn es nicht so klingen mag. Die Geschicke laufen beinahe ab wie ein Tennisspiel; das FBI befragt einen Schwarzen, die Fanatiker fackeln daraufhin eine Kirche ab usw.) aus dem FF, wie auch andere seiner Arbeiten eindrucksvoll demonstrieren. Außerdem ist seine Wahl speziell der Darsteller in den Nebenrollen phantastisch. An vorderer Front hervorzuheben jedoch ist unbedingt Hackman, dessen Leistung als selbstsicherer Ermittler, der den blanken Zynismus zur Realitsbewältigung erwählt, sicher eine seiner denkwürdigsten sein dürfte.
9/10
#1101
Geschrieben 21. Februar 2008, 08:26
The Hunger (Begierde) ~ USA 1983
Directed By: Tony Scott
Miriam Blaylock (Catherine Deneuve), eine uralte bisexuelle Vampirin, wechselt alle 200 Jahre ihre Lebenspartner, da sie nur diesen Zeitraum überstehen. Nach ihrem John (David Bowie), der aktuell das Zeitliche segnet, erwählt sie die Gerontologin Sarah (Susan Sarandon) zu ihrem neuesten Opfer.
Für die Eröffnungsszene von "The Hunger" hat Tony Scott einen Auftritt von Bauhaus ins Bild gesetzt, die "Bela Lugosi's Dead" zum Besten geben - diese Sequenz bestimmt die vollständige Richtung des Films. Ihn als prätentiös zu beschimpfen, erscheint gar nicht allzu fernliegend, da Scotts hochästhetische Bilder von lesbischem Vampirgebahren (dessen kulturelle Tradition, beginnend mit LeFranu keine kurze ist) auf manchen nicht zu Unrecht hohl und leer wirken dürften. Mir gefällt "The Hunger", weil sich ein Studio (MGM) durchaus mutig dem Zeitgeist hingibt und der Film atmosphärisch sehr viel richtungsweisender ist als Vieles, was Scott später zuwege gebracht hat. Die Deneuve als blutdürstige femme fatale, vielen klassischen Schwächen des Vampirdaseins enthoben (die Scott vermutlich als antiquiert erachtet haben wird), zu besetzen, ist ein bravouröser Schachzug. Davon abgesehen ist Bowie stark. Schade, dass er so früh aus dem dämmrigen Geschehen entschwinden muss.
8/10
#1102
Geschrieben 21. Februar 2008, 16:46
Mona Lisa ~ UK 1986
Directed By: Neil Jordan
Nach sieben Jahren kommt George (Bob Hoskins) aus dem Knast und ist erstmal mittellos. Also erinnert er sich seines alten Gönners, des Unterweltbosses Mortwell (Michael Caine), der ihm seinerzeit versprochen hatte, sich um ihn zu kümmern. Georges erster Job klingt simpel: Er soll die Edelhure Simone (Cathy Tyson) durch das nächtliche London von Freier zu Freier chauffieren. Simone erweist sich als ebensolch dickköpfiger Charakter wie George selbst und die beiden rasseln trotz offenkundiger Sympathien mehrfach aneinander. Schließlich bittet Simone George um einen Gefallen: Er soll im Rotlichtviertel nach einer Freundin Simones, der jungen Cathy (Kate Hardie) suchen. Zusammen fliehen die drei nach Brighton.
Neil Jordan erzählt eine Gaunergeschichte, die in jedem großen, pompösen Gangsterfilm allerhöchstens zur Fußnote getaugt hätte: Die Liebe eines naiv-grobschlächtigen Chauffeurs zu einer verzweifelten Nutte. Im Grunde passiert auch nicht viel mehr; George lernt einige Lebenslektionen und manches über das Milieu, in dem er verkehrt. Im Laufe der Geschichte findet er heraus, wie oberflächliche Beziehungen ausschauen können und gewinnt die Sympathie seiner Tochter zurück, die er seit vielen Jahren nicht gesehen hat. Das alles wird ebenso einfach wie effektiv geschildert, ohne verlogenes Pathos, sehr beseelt und glasklar, und ist mir daher auch Jordans liebster Film. Einen großen Zeh im Abgründigen hat der Ire dennoch auch hier, besonders gegen Schluss, an dem unterschwellig brodelnde Gewalt (endlich) eruptiv ausbricht. Außerdem führt "Mona Lisa" vor Aug' und Ohr, wie schön doch ein Phil-Collins-Song sein kann.
10/10
#1103
Geschrieben 23. Februar 2008, 17:15
Local Hero ~ UK 1983
Directed By: Bill Forsyth
Im Auftrag des texanischen Öl-Multis Knox reist MacIntyre (Peter Riegert) an die schottische Küste, um dort den Bewohnern eines kleinen Dorfs eine umfassende Summe für die Überlassung ihrer Grundstücke anzubieten. Knox will dort eine Raffinerie errichten. Macs Chef, der bereits etwas senile Milliardär Happer (Burt Lancaster) interessiert sich jedoch vornehmlich für die astronomischen Möglichkeiten über dem Atlantik und sieht schließlich, um einen besonders harten Verhandlungspartner (Fulton MacKay) zu überreden, selbst vor Ort nach dem Rechten.
"Local Hero" gehört zu den schönsten Komödien, die ich kenne und ist ein bezauberndes, warmherziges und lebensfrohes Kinostück ohne jedwede Form der Falschheit. In höchst geschlossener Kontinuität baut jeder einzelne Moment auf dem anderen auf, was das Gesamtwerk als kunstvolles Mosaik erscheinen lässt. Selbst kleinste Nebenrollen werden, gelegentlich bloß durch minimale Andeutungen, hinreichend charakterisiert, was den Status des Films als durchweg philanthropische Angelegenheit nur noch mehr untermauert. Forsyth beherrscht die Genre-Klaviatur in bewundernswerter Weise, macht von running gags Gebrauch und erzielt mittels trockenster Pointen beispiellose Lacher, ohne jemals in Klamauk abzugleiten. Bleibt bei aller berechtigten Schwärmerei noch, Burt Lancasters großartigen Einsatz zu erwähnen. Der Mann war ja nichts weniger als begnadet.
Einer der ganz wenigen Filme, die ich mir jeden Tag ansehen könnte.
10*/10
#1104
Geschrieben 23. Februar 2008, 17:29
Species ~ USA 1995
Directed By: Roger Donaldson
Der weibliche Alien-Human-Hybrid Sil (Michelle Williams/Natasha Henstridge) bricht vor seiner Vernichtung aus dem Versuchslabor aus, um sich, zur vollen Geschlechtsreife erblüht, mit Menschenmännern zu paaren. Der Forscher Fitch (Ben Kingsley) jagt Sil, die mehr und mehr Todesopfer auf der Suche nach 'Mr. Right' hinterlässt, zusammen mit einem Expertenteam (Michael Madsen, Marg Helgenberger, Alfred Molina, Forest Whitaker) nach.
Großer Studiotrash mit einem Dialogbuch veredelt, das mit Blödheit und Peinlichkeit nicht geizt. Stab und Besetzung haben sich vermutlich durch die Mitwirkung des Schweizer Künstlers Giger einen legitimen "Alien"-Nachfolger versprochen. Weiter von diesem Quasi-Vorbild könnte "Species" tatsächlich aber wohl kaum entfernt sein. Der Film hinterlässt ein unglaublich plumpes und hölzernes Gesamtbild (als Sils Säuglig am Schluss eine Ratte per Chamäleonzunge schnappt, ist wirklich der Gipfel erreicht), ist dabei aber, und das macht ihn schließlich wieder goutierbar, von einem beinahe rührend trotzigen Selbstbewusstsein und natürlich einem prächtigen Entertainment-Faktor geprägt.
5/10
#1105
Geschrieben 23. Februar 2008, 17:43
Species II ~ USA 1997
Directed By: Peter Medak
Bei einer Mars-Expedition infizieren sich zwei Astronauten (Justin Lazard, Miriam Cyr) mit der wohlbewussten Alien-DNA. Während die weibliche Mitreisende Sampas (Cyr) noch mehr oder weniger rechtzeitig beseitigt werden kann, vögelt der Senatorensohn Patrick Ross (Lazard) nach einem erfolglosen Selbstmordversuch mit Flinte alles, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist und hinterlässt zahlreiche Nachkommen. Derweil ist der im Labor gezüchtete Sil-Klon Eve (Natasha Henstridge) mit der Planung seines Ausbruchs und der anschließenden Koitus mit Ross beschäftigt. Press Lenox (Michael Madsen) ist wieder zur Stelle.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Donaldson schien sich Peter Medak durchaus des Kappes-Potenzials des zu bearbeitenden Stoffs bewusst zu sein und erzählt seinen Film, wie man ihn eigentlich nur erzählen kann: Mit lauter Ironie, einem deutlich angehobenen und gesunden Blutfaktor, dazu sehr kurzweilig. Das macht "Species II" gewiss zu keinem besseren Film als das Original, dafür aber zu einem, dessen natureller Humor de facto nicht mehr ganz so unfreiwillig zu sein scheint. Das Haupthelden-Duo muss diesmal leider auf Forest Whitaker (dessen Rolle in "Species" ohnehin ganz knapp an der Idiotie vorbeischrappte) verzichten, bekommt dafür aber einen anderen Quotenneger (Mykelti Williamson) an die Seite gestellt, was dann wenig verwunderlicherweise die Showdown-Kombi des Vorgängers quasi wieder vervollständigt.
Wiederum eine sehr spaßige Kiste.
5/10
#1106
Geschrieben 24. Februar 2008, 11:40
Straw Dogs (Wer Gewalt sät) ~ UK/USA 1971
Directed By: Sam Peckinpah
Der amerikanische Mathematiker David Sumner (Dustin Hoffman) hat sich mit seiner Frau Amy (Susan George) in deren Elternhaus in Cornwall niedergelassen, um dort in Ruhe und Abgeschiedenheit forschen zu können. Die übrigen Einwohner beäugen das weltoffene, liberale Paar in einer Mischung aus Misstrauen und latenter Aggression. Der äußere Druck hinterlässt bereits erste negative Spuren im Zusammenleben der Beiden. Amy wird bald das Opfer einer zweifachen Vergewaltigung, wovon sie David nichts berichtet. Endgültig eskaliert die Situation, als David den sexuell gestörten Dorftrottel Henry Niles (David Warner), den er zuvor angefahren hat, bei sich aufnimmt. Ein wütender Lynchmob belagert das Haus der Sumners.
Nicht zu glauben: Es gibt nicht nur Hillbillys in Texas, Louisiana und Kentucky - selbst England ist nicht sicher vor ihnen! Peckinpahs vielleicht "transgressivster" Film, der wiederum das Faszinosum von Gewalt und Grenzsituationen auszuloten versucht, ist in vielerlei Hinsicht eine Abkehr: Der Regisseur verlässt nicht nur sein urangestammtes Dreh-Terrain um sich noch dazu gleich auf einen anderen Kontinent zu begeben, er lässt sich auch erstmals auf die Gegenwart als erzählte Zeit ein. Peckinpahs zuvor sorgfältig errichtete Reputation innerhalb der entsprechenden Genregrenzen hat "Straw Dogs" daher nicht selten den Ruf eines 'englischen Western' eingetragen, was auf den zweiten Blick gar nicht mal unberechtigt erscheint. Das Szenario ist letztendlich austauschbar, die psychischen Extreme indes sind es nicht. Von Anfang an wirkt "Straw Dogs" verstörend, alles ist fremd, antipodisch, selbst Sumner, den seine eigene Frau bald als Bücherwurm und Feigling denunziert, ist als Identifikationsfigur bestenfalls zweitklassig. Auch hätte Peckinpah Cornwall durchaus romantischer und pittoresker ins Bild setzen können, stattdessen ist er von der archaischen Schroffheit der Landschaft fasziniert - auf wenig einnehmende Weise allerdings.
Ich persönlich mag "Straw Dogs" weniger als andere Filme Peckinpahs, was aber nicht etwa mit seiner mangelnden Qualität zusammenhängt (von der freilich gar keine Rede sein kann) sondern schlicht damit, dass er mir jedes Mal wieder fast körperlichen Schmerz zufügt.
9/10
#1107
Geschrieben 24. Februar 2008, 11:58
Geronimo: An American Legend ~ USA 1993
Directed By: Walter Hill
Der junge Offizier Davis (Matt Damon) kommt direkt von Westpoint nach Arizona, um die Kapitulation des aufrührerischen Apachen Geronimo (Wes Studi) mitzuerleben. Nach einiger Zeit im Reservat als Maisfarmer bricht Geronimo jedoch erneut aus und zieht brandschatzend und marodierend über die mexikanische Grenze. Die gesamte 6. Kavallerie erweist sich als unfähig, Geronimo in den Bergen aufzuspüren. Schließlich erreicht sein alter Verhandlungspartner Gatewood (Jason Patric) das erneute Aufgabe des Kriegers, der daraufhin für den Rest seines Lebens (ein weiteres gebrochenes Versprechen der "Weißaugen") nach Florida deportiert wird.
Walter Hills "Terracotta-Western", wie ich ihn wegen seiner herrlichen Sepiafarben gern zu nennen pflege, ist nicht nur einer der beeindruckendsten Genre-Beiträge seit deren Reanimation um die Mitte der Achtziger, sondern zudem der einzige (unter den Kinobeiträgen), der in alter Ford-Tradition die Kavallerie im Indianerkrieg thematisiert. Mit Gatewood/Patric wird nochmal ein großer, untadeliger Soldatenheld, welcher einem Ehrenkodex verpflichtet ist, der den seiner Vorgesetzten an Edelmut um ein Vielfaches übertrifft, zum Leben erweckt. Das Buch zum Film stammt von John Milius und erwartungsgemäß geht es diesem entgegen der damaligen Trends nicht etwa um die Verniedlichung rot-weißer Freundschaften, sondern um Männer (es gibt keine einzige Sprechrolle für eine Frau), Kampfesgefährten und -gegner, die sich, wenn schon durch recht unterschiedliche Wesensarten, so doch durch höchsten Respekt voreinander auszeichnen. Wie so viele andere der jüngeren Schöpfungen dieser Gattung berichtet auch "Geronimo" mit romantischer Ehrfurcht vom Sterben einer Ära, deren Ende mit dem Abdanken von Schlachtrössern wie General Crook (Gene Hackman) und den gewaltsamen Toden von beinharten Kämpfern wie dem Scout Al Sieber (Robert Duvall) beschieden war. Ergänzend dazu gibt der junge, idealistische Davis, angewidert von den Lügen und der hinterhältigen Strategien seiner neuen Vorgesetzten (Kevin Tighe in einer weiteren Rolle als Oberekel), den Militärdienst auf.
Von seinen drei Kinowestern Hills schönster.
9/10
#1108
Geschrieben 24. Februar 2008, 16:18
Play Misty For Me (Sadistico - Wunschkonzert für einen Toten) ~ USA 1971
Directed By: Clint Eastwood
Der Radio-DJ Dave Garver (Clint Eastwood) wird das Opfer der Stalkerin Evelyn (Jessica Walter), deren Zudringlichkeiten sich anfangs in psychischer und physischer Selbstverstümmelung ergehen. Nachdem sie Daves Haushälterin (Clarice Taylor) schwer verletzt hat und vorübergehend in polizeilichen Gewahrsam genommen wurde, dreht Evelyn dann endgültig durch.
Eastwoods Regiedebüt mit einer wunderprächtigen kleinen Rolle für seinen Mentor Don Siegel als flottzüngiger Barkeeper zeugt bereits eingehend von den inszenatorischen Fertigkeiten des einstmaligen TV-Darstellers. Zugleich zeigt sie jedoch seine schauspielerischen Limitierungen auf: Für die Hauptrolle des bedrängten Jazzfans und Ex-Filous, dessen Leichtlebigkeit sich nun an ihm rächt, hätte Eastwood klugerweise jemanden mit einer umfassenderen Profession besetzen sollen. Auch kleinere Geburtsschwächen bezüglich der Regie sind zu verzeichnen; darunter eine viel zu lange Liebesszene mit Eastwoods Filmpartnerin Donna Mills, die in einen pseudo-romantischen Liebesakt in freier Natur kulminiert und kaum mehr als schwülstig daherkommt.
Daneben versucht Eastwood, der Regisseur, viel Persönliches mit in sein Projekt einfließen zu lassen, das seinem Drang, seiner Arbeit einen markanten Stempel zu versehen, sicher dienlich ist, dem eigentlichen Sujet aber viel von seiner Kinetik raubt. Da gibt es diverse selbstverliebte Aufnahmen von Eastwoods Heimatstadt Carmel sowie Impressionen vom Monterey Festival. Alles sicher schön und gut und durchaus interessant anzuschauen, man vermisst allein ein wenig die nicht durchweg transparenten, selbstgesteckten Zielvorgaben - bei aller Spannung.
7/10
#1109
Geschrieben 25. Februar 2008, 17:38
The Border (Grenzpatrouille) ~ USA 1982
Directed B: Tony Richardson
Das Angebot einer Freundin (Shannon Wilcox) seiner Frau Marcy (Valerie Perrine) annehmend, zieht der Grenzschutzbeamte Charlie Smith (Jack Nicholson) nach El Paso. Dort verrichtet er weiter seine Arbeit, eingeführt durch den neuen Kollegen Cat (Harvey Keitel), zugleich der Ehemann von Marcys Freundin und Charlies neuer Nachbar. Cat organisiert zusammen mit ihrem Chef Red (Warren Oates) ein florierendes Menschenschmuggel-Unternehmen, bei dem sie ilegale mexikanische Einwanderer gegen Wuchepreise über die Grenze lotsen. Charlie, dem neben den Aktivitäten seiner Kollegen auch die hohlen Luxus-Kapriziosen seiner Frau zunehmend zu schaffen machen, fühlt sich für die junge Maria (Elpidia Carillo) verantwortlich und setzt alles daran, ihr eine würdige Existenz zu ermöglichen.
Die letzten Nachwehen des New Hollywood sind in "Borderline" noch zu spüren, mit immerhin drei darstellerischen Kühlerfiguren dieser Bewegung und von einem Regisseur, der ursprünglich der britischen new wave zuzuordnen ist. Hyperrealismus ist hier noch ein letztes Mal Trumpf. Mit Nicholsons Figur betritt ein proletarischer, intellektuell wenig geforderter Selbstzweifler das Rampenlicht, der weder Machismo noch Arroganz oder gar großes Heldentum personifiziert, nur einen Mann, dem alles zuviel wird. Mit seinem Leben kommt er nicht mehr zurande und muss seine so ersehnte Herosfunktion daher ganz woanders forcieren. Kleine, aber sehr großartige Momente wie der, in dem Charlie in einer Bar von schräg unten von einer Hure (Stacey Pickren) angesprochen wird, auf keine Provokation eingeht und dann verschwindet, illustrieren die Lebensnähe des Films in denkwürdiger Weise. Der Showdown ist kurz und knackig.
Leider ist "The Border", zwischen "Borderline" und "Flashpoint" der zweite Film in den frühen Achtzigern, der dieses die Öffentlichkeit anscheinend doch sehr bewegende Thema aufgreift, im Laufe der Jahre ziemlich untergegangen, was besonders angesichts seiner phantastischen Besetzung recht verwunderlich erscheint. Das Wiederentdecken lohnt!
8/10
#1110
Geschrieben 25. Februar 2008, 17:56
Fame ~ USA 1980
Directed By: Alan Parker
Leben und Leiden mehrerer junger Anwärter, die an der New York City High School for the Performing Arts vier Jahre der musischen Ausbildung in Schauspiel, Tanz oder Musik erfahren.
Alan Parker drehte bisweilen gern mit Neulingen und Laien und bewies damit jeweils ein recht gutes Gespür. "Fame", der für seine Besetzung fast ausschließlich auf ebensolche Jungtalente rekurriert, wie er sie auf der Leinwand porträtiert, als authentisch zu bezeichnen, wäre angesichts seiner drei, vier effektvollen Musicalnummern allerdings sicher zu weit gegriffen - von seinen Soap-Elementen ganz zu schweigen. Die großen Stärken des Films liegen eher im stilistischen Bereich: Der Schnitt zu Beginn, während der Aufnahmephase an der Schule, springt wild umher, so dass voneinander getrennte Räume und räumlich getrennte Personen szenisch miteinander verschmelzen. Musik und Klänge bestimmen oftmals den Takt der Szenenwechsel und Halbdunkel-Perspektiven, wie Parker sie ohnehin sehr schätzt, haben selten besser ausgesehen (ich denke da speziell an Paul McCrane, der in einer Szene, in einem nur durch den Eingang beleuchteten Hörsaal sitzend und abseits von den anderen, über seine psychoanalytischen Erfahrungen berichtet) - von entsprechenden Augenblicken in "Angel Heart" vielleicht einmal abgesehen.
"Fame" ist insgesamt ein sehr wohlgeratener Film, der, mag er hier und da auch etwas märchenhaft wirken, einfach ein "gutes Gefühl" hinterlässt - wenn mir diese banal klingende Formulierung gestattet ist.
7/10
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