In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1411
Geschrieben 28. September 2008, 09:21
Guilty By Suspicion (Schuldig bei Verdacht) ~ USA/F 1991
Directed By: Irwin Winkler
Hollywood, 1951: McCarthy dringt bis Tinseltown vor, um seiner Kommunistenhatz einen populistischeren Anstrich verleihen zu können. Der erfolgreiche Regisseur David Merrill (Robert De Niro), ein Protegée des Fox-Moguls Darryl Zanuck (Ben Piazza), wird selbst ein Opfer der Mechanismen des übereifrigen Senators und weigert sich zunächst standhaft, eine Aussage zu leisten. Arbeitslos und zur persona non grata degradiert, tritt er dann schließlich doch vor den Ausschuss.
"Guilty By Suspicion" ist ein etwas zweischneidiges Schwert. Zwar verurteilt er eindrucksvoll die despektierliche Arbeitsweise des HUAC und hinterfragt den Wahnsinn, dass in einer in der Demokratie verankerten Nation so etwas wie eine Verfolgung "Andersdenkender" überhaupt möglich ist, andererseits lag dem Film ursprünglich ein Script zugrunde, dessen Autor (Abraham Polonsky) für den 'Heldenpart' tatsächlich einen linksdenkenden Regisseur vorgesehen hatte. Für Winkler war diese Voraussetzung offenbar ein zu heißes Eisen, also machte er aus David Merrill einen integren Demokraten. Mit jenem Wissen im Hinterkopf verliert der ansonsten durchaus brauchbare Film wieder einiges von seiner Brisanz. Zurück bleiben klinisch reines Entertainment, eindrucksvolles Spiel und Geschichtslektion.
7/10
#1412
Geschrieben 28. September 2008, 12:56
The Missouri Breaks (Duell am Missouri) ~ USA 1976
Directed By: Arthur Penn
Pferde- und Viehdiebe sind ihm ein Dorn im Auge - also geht der Rancher Braxton (John McLiam) mit aller Härte gegen sie vor. Gegen Tom Logan (Jack Nicholson) und seine Bande (Harry Dean Stanton, Frederic Forrest, Randy Quaid, John Ryan) jedoch weiß Braxton wenig auszurichten, erst Recht, als Logan selbst und vollkommen legal eine kleine Farm auf Braxtons Grund bewirtschaftet und mit dessen Tochter (Kathleen Lloyd) zu pussieren beginnt. Also engagiert er den gefürchteten Robert Lee Clayton (Marlon Brando) als Regulator.
Besonders dankbar ist "The Missouri Breaks" für Brando, der als durchgeschossener Berufskiller nicht nur die böseste Rolle seines Lebens spielt, sondern diese mit viel Verve ausfüllt. Kurzerhand macht er sich das Haus seines Auftraggebers zu eigen, sitzt geckenhaft an dessen Tafel und in seiner Badewanne, frisst eine Möhre nach der anderen, trägt bescheuerte Kopfbedeckungen, flüstert seinem Pferd Liebesbekundungen zu und seinem Esel Beleidigungen. Gegen solch geballte Exzentrik verblasst selbst Dauergrinser Nicholson zur Mittelmäßigkeit. Penns Regie ist mir derweil manchmal zu lax und desinteressiert. Außerdem lässt sie es zuweilen an Dynamik vermissen. Wenn man sich da an den wesentlich geschlosseneren "Little Big Man" erinnert, muss man zwangsläufig etwas enttäuscht werden. Kein schlechter Film, aber retrospektiv ein sicheres Indiz für den Niedergang des Western nach New Hollywood.
7/10
#1413
Geschrieben 29. September 2008, 08:10
The Return Of A Man Called Horse (Der Mann, den sie Pferd nannten - 2. Teil) ~ USA 1976
Directed By: Irvin Kershner
Nach sechs Jahren kehrt Lord John Morgan (Richard Harris), der die Lebensart der Sioux im kargen England vermisst, nach Amerika zu den Stammesgründen der Yellow Hand zurück. Dort muss er feststellen, dass eine Gruppe herrischer Trapper mithilfe feindlicher Indianer "seinen" Stamm dezimiert und versklavt hat. Um die resignierenden übrigen Yellow Hand zur Befreiung der Gefangenen zu motivieren, muss Morgan erneut ein Schmerzensritual auf sich nehmen.
Wenig spektakuläre Fortsetzung zu Silversteins beeindruckendem Indianerwestern von Hollywoods ewigem Mann für Zweitaufgüsse und Franchisebelebungen, Irvin Kershner. Weitgehend stilsicher mit Weichzeichnern und wenig Sprache inszeniert, gelingt Kershner unter der Produktionsägide Harris', dem es wohl ebenfalls nach einer Fortführung der Geschichte um den weißen Sioux namens Pferd gelüstete, in der er eine triumphale Heldenrückkehr feiern kann. Für Interessierte am weiteren Schicksal Lord Morgans und federgeschmückte Karnevalisten leidlich interessant, für die Erkundung des Genres indes bedeutungslos.
5/10
#1414
Geschrieben 29. September 2008, 08:31
Breathless (Atemlos) ~ USA 1983
Directed By: Jim McBride
Auf dem Weg von Vagas nach L.A., unterwegs in einem geklauten Porsche, erschießt der Ganove Jesse Lujack (Richard Gere) zu allem Überfluss noch einen Polizisten (Jack Leustig). Am Ziel angekommen, eröffnet er der französischen Architekturstudentin Monica (Valerie Kaprisky), die er zuvor flüchtig kennengelernt hat, dass er mit ihr nach Mexiko verschwinden will - freilich, ohne ihr die Gründe für die überstürzte Abreise zu nennen. Nach einer heftigen, kurzen amour fou gibt es nurmehr Flucht und Tod.
Allenfalls als Produkt seiner Zeit ästhetisch ganz interessant, bewerkstelligte der Film es tatsächlich, kurzzeitig karierte Hosen in Mode zu bringen. Und: er pendelt als korsettiertes Remake zwischen Zumutung und überflüssig. Im Vergleich zum epochalen Original von Godard kriecht "Breathless" zu Staube, bringt die Ideenlosigkeit und die großkotzige Leere der Achtziger gegenüber dem Aufbruch, den "À Bout De Souffle" damals beinhaltete und verursachte, nachhaltig auf den Punkt. Glattgebügelte Sinnfreiheit, alles oberflächlich-nett verpackt und mit zwei allenthalben nackelich durch die Szenen hüpfenden Schönheiten (wie Geres Gemächt sich vor der Kamera versteckt, hat dabei "Austin Powers" - Qualität) für ein cocktailschlürfendes Samstagabend-Publikum. Zu allem Überfluss noch eine von "Butch Cassidy & Sundance Kid" plagiierte Verklärungsstrategie am Ende, weil man sich wohl nicht recht getraut hat, Geres soeben zelebrierten Kometenaufstieg gleich wieder in den Straßendreck sinken zu lassen. Hässlich, stil- und kantenlos. Da nutzt es auch nichts mehr, dass die zugegebenermaßen anbetungswürdige Kaprisky im Film mit Nachnamen Poiccard heißt.
4/10
#1415
Geschrieben 01. Oktober 2008, 07:12
The Wild One (Der Wilde) ~ USA 1953
Directed By: Laslo Benedek
Johnny (Marlon Brando) und seine Gang, der "Black Rebels Motorcycle Club" (oder kurz, wie's totenkopfverziert und verkürzt auf ihren Lederjacken steht, der B.R.M.C.), kommen in ein verschlafenes Provinzstädtchen. Ausschließlich auf Provokation und Radau aus, pöbeln sie, was das Zeug hält und entwickeln sich im Laufe des Nachmittags mehr und mehr zu einer Bedrohung des vordergründigen Idylls. Bald taucht auch noch Johnnys ehemaliger Kumpel Chino (Lee Marvin) mit seiner Bande auf. Trotz gründlicher Rivalitäten ist man gleichgesinnt im Kriegszug gegen Bourgeoisie und Spießertum. Als einige Kleinstädter dann das Recht in ihre eigenen Hände nehmen, droht der Konflikt zu eskalieren.
Ein in jeder Beziehung wichtiger, prägender Film, dessen größte Verdienste darin liegen, jugendliche Subkulturen erstmals gleichermaßen kritisch wie verführerisch im Massenmedium zu porträtieren (und die von ihnen ausgehende Gefahr sowie ihre Ursächlichkeiten möglichst objektiv zu beleuchten) und Marlon Brando zur Ikone gemacht zu haben. Wir erfahren nicht allzu viel über den zugeknöpften, aggressiven Charakter des Johnny Strabler. Autoritätsfiguren, ganz gleich, ob staatlicher oder familiärer Natur erkennt er wegen potenzierter negativer Erfahrungen nicht an, Wärme und Liebe erreichen ihn nicht, der innere Kampf der Widernisse lässt ihn (fast) niemals lächeln. Brando spielt das so großartig, dass man ehrfürchtig zu staunen hat. Sein Duell mit Marvin, hier als Dauerbesoffener außer Rand und Band, ist für die Ewigkeit. Wären sie nicht alle solche Rüpel und Rotzlöffel, ich wollte glatt ein Rocker sein.
8/10
#1416
Geschrieben 01. Oktober 2008, 07:24
Semi-Pro ~ USA 2008
Directed By: Kent Alterman
Disco-Sänger Jackie Moon (Will Ferrell), der mit seinem Hit "Love Me Sexy" Millionen erwirtschaftet hat, ist außerdem Besitzer, Coach, Promoter und Vorspieler des Basketballteams Tropicals in Flint, Michigan. Moons Truppe ist eher dafür bekannt, halbseidene Verwirrungstaktiken und Pausenclownerien auf dem Feld zu vollführen, bis es heißt, dass nur vier Teams aus der ABA (zu der die Tropicals gehören) in die NBA übergehen sollen, die übrigen werden aufgelöst. Jackie engagiert den Profispieler Monix (Woody Harrelson), mit dessen Hilfe man bald zu ungeahnter Größe aufläuft.
Zum Glück gibt es noch so viel Unfug in den weiten Welten der amerikanischen Kulturgeschichte und des Sports, dass Ferrell bis ins hohe Greisenalter seine derben Scherze damit treiben kann. "Semi-Pro" bietet gewohnte Qualität und blühenden Blödsinn, dass es schön kracht. An das letztjährige Highlight "Talladega Nights" und dessen famose Gagdichte reicht er zwar nicht ganz heran, hat mir aber wieder etwas besser gefallen als "Blades Of Glory". Wenn Jackie Moon statt einer zünftigen Trainingsstunde schwachsinnige Motivationsübungen in noch schwachsinnigeren Plastikkostümen (Sonne und Seepferdchen) veranstaltet, den Schiedsrichter bedroht oder eine seiner PR-Aktionen durchführt, bleibt garantiert kein Auge trocken. War mal wieder scheißlustig.
8/10
#1417
Geschrieben 01. Oktober 2008, 15:19
Squadra Antiruffa (Der Superbulle schlägt wieder zu) ~ I 1977
Directed By: Bruno Corbucci
Tony Marroni (aka Nico Giraldi/Tomas Milian), der alte Schluffbulle, ermittelt diesmal fürs Betrugsdezernat. Ein dicker Fall kommt sogleich in Reichweite: Der englische Riesenversicherer Lloyd's sondiert einen feisten Schwindel in Rom und schickt seinen Detektiv Clayton (David Hemmings), um der Sache auf die Spur zu kommen. Der steife Anzugträger ist Marroni zwar suspekt, man rauft sich aber trotzdem zusammen. Nachdem es bereits mehrere Leichen zu beklagen gibt, führt die Spur über den Teich nach San Francisco.
"Sie wollen mich nicht nach San Frascati lassen!" mault Marroni und er hat auch sonst einiges zu meckern im dritten Teil der "Squadra"-Reihe. Seine Lieblingsmäuserich Adam vermehrt sich, was das Zeug hält und das Telefon steht nicht still, selbst nach dem eigenen Beischlaf und mit der schärfsten Schlafmaske aller Zeiten auf der Nase wird Tony nächtens noch aus dem Bett geholt. Natürlich gibt ihm der Erfolg am Ende wieder Recht und unterdings hat's noch jede Menge zu lachen, wofür erneut insbesondere die deutsche Vertonung Sorge trägt. Nonsens-Dialoge, wohin das Öhrchen hört, aber so woll(t)en wir's ja.
Bis die Tage, da erscheint der irrsinnige "Ku'Damm", in dem Marroni im Berliner Travestie-Milieu ermittelt!
7/10
#1418
Geschrieben 02. Oktober 2008, 18:46
Eraser ~ USA 1996
Directed By: Chuck Russell
U.S.-Marshall John Kruger (Arnold Schwarzenegger) nimmt für das Zeugenschutzprogramm die besonders harten Fälle auf sich. Er beschützt seine (bisweilen unfreiwilligen) Klienten im Alleingang, lässt sie nach der Gerichtsverhandlung vordergründig sterben und verschafft ihnen dann eine neue Identität. Aktuell soll er die bei dem Waffenproduzenten "Cyres" beschäftigte Lee Cullen (Vanessa Williams) verwahren, die zufällig entdeckt hat, dass ihr Brötchengeber in eine internationale Waffenschieber-Affäre verwickelt ist, bei der modernste Hochleistungsgewehre an den Mann bzw. den Terroristen gebracht werden sollen. Nicht nur, dass eine Menge Leute es auf Lee abgesehen haben, in Krugers Kollegenkreis befindet sich zudem ein Maulwurf, der munter die zu beschützenden Kronzeugen meuchelt.
Im großen Hochglanz-Actionjahr 96 versuchte man, nochmal mit der alten Arnold-Masche Kasse zu machen, ihn wie weiland in "Commando" und "Raw Deal" als tödlichen Einzelkämpfer zu vermarkten und das Ganze in eine zeitgemäße Verpackung zu zwängen. Die Konsequenz, einen durchgängigen Zynismus durchzusetzen, wie er zehn Jahre zuvor noch en vogue gewesen war, mochte man dann aber doch nicht vollends aufbringen. Das Resultat betrachte ich im Abstand der Jahre auch daher mit etwas gemischten Gefühlen, nachdem es mir damals beim Kinoeinsatz und kurz darauf immer recht gut gefallen hatte. "Eraser" wirkt auf mich aktuell sehr schematisch und in vielerlei Hinsicht limitiert. Manche der inflationär eingesetzten CGIs erscheinen noch immer beeindruckend, andere hauen voll daneben. Was den Film dann doch noch knapp in oberen Regionen klassifiziert, ist u.a. der absolut sympathische Umstand, dass drei Generationen Genre-Stars (neben Arnie sind das James Caan und James Coburn) zusammenkommen, um sich ein Stelldichein zu geben. Das macht stets viel Freude. Außerdem enthält "Eraser" zwei völlige Over-the-top-Sequenzen, die wohl nie an Klasse einbüßen werden: Zum einen die, in der Kruger in luftiger Höhe aus einem Flugzeug seinem Fallschirm hinterherspringt und zum anderen die (Überraschung!) Zooszene, die die Übelwichte von ein paar fetten Computerkrokodilen dezimieren lässt.
6/10
#1419
Geschrieben 03. Oktober 2008, 09:46
El Orfanato (Das Waisenhaus) ~ E/MEX 2007
Directed By: Juan Antonio Bayona
Nachdem Laura (Belén Rueda) mit ihrem Mann Carlos (Fernando Cayo) und ihrem kleinen Adoptivsohn Simón (Roger Príncep) in jenes nunmehr leer stehende Waisenhaus an der katalonischen Küste, in dem sie selbst ihre Kindheit verbrachte, gezogen ist, um dort ein Internat für behinderte Kinder einzurichten, sieht sie sich unerklärlichen Ereignissen gegenüber. Símon, von Geburt an HIV-positiv, beginnt den Umgang mit Spielkameraden aus dem Geisterreich und verschwindet nach einem Streit mit Laura spurlos. Die nächsten Monate sind von der verzeifelten Suche Lauras nach ihrem geliebten Sohn und der Aufdeckung böser Geheimnisse aus der Vergangenheit geprägt.
Formal sehr zufriedenstellend, fand ich den späteren Fortlauf von "El Orfanato" etwas zwiespältig. Der Schluss gliedert sich nahtlos an ähnlich gelagerte "Erlösungsszenarien" aus Vorbildern wie "The Sixth Sense" und "The Others" an, in deren direkter Tradition Bayonas Film ohnehin steht. Genau darin lag für mich auch der singuläre Knackpunkt: "El Orfanato" hätte, bei dem Mut zu weniger Melodramatik und radikalerem Durchhalten das Zeug zu einem der großen Horrorfilme der letzten Zeit gehabt. Die Klaviatur des Schreckens beherrscht der Film, bei allem durchdeklinierten Kalkül, nämlich vorzüglich. Es gefällt beispielsweise die parapsychologische Verordnung der Geschehnisse in einer Art Zwischenwelt (Geraldine Chaplin gibt dabei eine Reprise von Zelda Rubinsteins Figur aus "Poltergeist"), sowie diverse funktionale Schockmomente und Suspensesteigerungen (das 1-2-3-Spiel, auf das nach der Eröffnungssequenz unweigerlich zurückgegriffen werden muss). Famose Augenblicke gibt es also zuhauf, eine - wenn auch geringfügige - Enttäuschung infolge der unweigerlichen Tränendrüsen-Stimulanz bleibt aber.
8/10
#1420
Geschrieben 03. Oktober 2008, 13:10
The Boxer ~ IE/USA 1997
Directed By; Jim Sheridan
Nach 14-jährigem Gefängnisaufenthalt, den er in erster Linie auf sich nehmen musste, weil er sich seinerzeit geweigert hatte, die Mittäter eines Bombenanschlags zu denunzieren, kehrt Ex-IRA-Aktivist Danny Flynn (Daniel Day-Lewis) zurück nach East Belfast. Seinen Boxsport beginnt Danny umgehend wiederaufzunehmen, die Beziehung zu seiner Jugendliebe Maggie (Emma Watson) ist etwas unterkühlt, aber im erneuten Aufflammen begriffen. Ihre Liebe hat jedoch kaum eine Zukunft: Maggies Vater, der IRA-Organisator Joe (Brian Cox) hält es für unvertretbar, dass eine Frau, deren Ehemann als politischer Gegner im Gefängnis des Königreichs sitzt, eine Affäre pflegt, Nachbar Harry (Gerald McSorley), ein passionierter Gewalttäter, sät noch mehr Hass.
In kaltes, fast metallisches Blau gehüllt, berichtet Sheridan von der Unmöglichkeit, einen friedlichen Status Quo in der nordirischen Hauptstadt begehen zu können; das Scheitern ist den Menschen, ihren Schwachheiten und dem jahrzehntelangen Starrsinn, der sich seit Generationen bei den Stadtbewohnern einpflanzt, zuzuschreiben. Ohne sich je eines politischen Statements zu befleißigen, erzählt "The Boxer" von einer kurzen Periode der aufkeimenden Bereitschaft zur Diskussion, die jedoch fast unmittelbar durch den haltlos automatisierte Gewalt und den Hass unbelehrbarer Partisanen erstickt wird. Darin finden sich die wirklich großen Bitternisse des Films, jene, die ihn erst so bewegend machen. Day-Lewis' stilles Spiel einer stolzen Persönlichkeit, die sich ihres umfassenden Heldenstatus' bewusst ist und bewusst sein darf, liegt dabei trotz der Titeltitulierung bald dampfend auf dem Nebengleis.
8/10
#1421
Geschrieben 03. Oktober 2008, 15:25
The Emperor Waltz (Ich küsse Ihre Hand, Madame) ~ USA 1948
Directed By: Billy Wilder
Ein paar Jahre vor dem Ersten Weltkrieg kommt der Grammophon-Vertreter Virgil Smith (Bing Crosby) aus New Jersey mitsamt Terrier Knöpfchen nach Wien, um Kaiser Franz Joseph I. (Richard Haydn) mit den Vorzügen der Konservenmusik vertraut zu machen. Gleich seine erste Audienz geht in die Hose, als Knöpfchen und Helena, die Pudeldame der Gräfin Von Stolzenberg-Stolzenberg (Joan Fontaine), sich heftig zanken. Zweimaliges Wiedersehen führt jedoch bald zu inniger Hundeliebe und Herrchen und Frauchen geht's trotz des bösen Standesdünkels nicht anders. Der Kaiser weiß jedoch aus Erfahrung zu berichten, dass durch Klassenunterschiede eine Romanze schnell zum Alpdruck werden kann und er rät Smith im Stillen, die Gräfin zu verlassen.
Hollywood goes Heimatfilm: Noch bevor Prack und Ziemann aktiv wurden, hüpfte ein munterer Bing Crosby mit Knickerbockern und Tirolerhut jodelnd über die Bergpässe. Da der Autor des Ganzen allerdings Billy Wilder heißt und dieser der alten Heimat seinen ersten Farbfilm spendiert, braucht man keineswegs zu befürchten, einer allzu kitschigen Schmonzette aufzusitzen. Wilder, der mit Musikeinlagen in Filmen nie viel anzufangen wusste, überschreitet in den beiden größeren Gesangsszenen kurzerhand die Schwelle zur Farce und lässt ansonsten muntere Witzchen gegen blaues Blut, Monarchie und die junge Psychoanalyse vom Stapel - all jenem also, das k.u.k. so aufregend machte im Angesicht des Weltgeschehens. Auch dieser Film ist, besonders wegen der herrlich aristokratisch aufspielenden Fontaine und wegen Haydns formidabler Interpretation des alternden Kaisers und Hundenarren, ein verschmitztes kleines Meisterstück seines klugen Ersinners, obgleich es in Wilders Filmografie leider nur selten erwähnt wird. Da "Emperor Waltz" zudem viel für den Hundeliebhaber übrig hat, hat er in mir freilich einen Intimfreund hinzugewonnen.
8/10
#1422
Geschrieben 04. Oktober 2008, 09:45
Blood Diamond ~ USA/D 2006
Directed By: Edward Zwick
Sierra Leone, 1999: Die RUF, eine paramilitärische Gruppe, kämpft einen blutigen Kampf zur Machtübernahme. In diesen Strudel werden der Fischer Solomon (Djimon Hounsou) und seine Familie, sowie der Ex-Söldner und Diamantenschmuggler Archer (Leonardo Di Caprio) gezogen. Solomon, der von seiner Familie getrennt, für die RUF als Edelsteinsucher arbeiten muss, versteckt ein besonders schönes Exemplar kurz vor seiner Verhaftung durch die Regierung. Im Gefängnis bekommt Archer davon mit und bietet Solomon an, ihm im Tausch gegen den Stein bei der Suche nach seiner Familie zu helfen. Solomons Sohn Dia (Kagiso Kuypers) ist allerdings als Kindersoldat von der RUF zwangsrekrutiert und umgedreht worden.
Das trademark Edward Zwick steht seit jeher für kitschige, lange und dumme Filme, die zumindest durch ihre so unterhaltsame wie prachtvolle Erscheinung aus den untersten Niederungen des Multimillionen-Dollar-Trash gerettet werden. "Blood Diamond" bildet da keine Ausnahme. Der Film, der sympathischerweise zwanzig Jahre mediale Stilentwicklung zu ignorieren scheint, enthält etliche rührend simplifizierende Politiklektionen, die einer Volkshochschul-Stunde gleichen, könnte in seiner plumpen Narration schematischer und dreister kaum bei den naheliegenden Vorbildern abkupfern und kreist um drei schöne Menschen, die erstklassige Klischeefiguren wie aus dem "Leitfaden für Abenteuereintöpfe" abgeben. Leicht verdaulich, laut und bunt ist "Blood Diamond", sorgt garantiert dafür, dass seiner stolzen Laufzeit von knapp 140 Minuten zum Trotze niemand bei der Beschau einschläft und ist absolutely entertaining. Ich bin mir jetzt außerdem sicher, dass Jennifer Connelly die schönste Schauspielerin Hollywoods ist. Was mich sehr gefreut hat: Ein paar Reminszenzen an "The Wild Geese" sind auffindbar, darunter ein Cameo von Winston Ntshona (der damals den Julius Limbani spielte), der Rollenname von Arnold Vosloos Filmcharakter (Hardy Krüger hieß ehedem auch Coetzee) und schließlich die Szene, in der Hounsou den schwer verletzten Di Caprio Huckepack trägt (eine Art Umkehrung der Limbani-Coetzee-Beziehung). Da wird man doch sogleich daran erinnert, wie ein richtig knackiger Afrika-Actioner auszusehen hat und bei anschließendem Bedarf noch von diesem eines vielfach Besseren belehrt. Dennoch möchte ich nicht ausschließen, "Blood Diamond" noch öfter anzusehen. Für loses Entertainment ist er eben doch ein Musterexempel.
5/10
#1423
Geschrieben 05. Oktober 2008, 10:09
Cat On A Hot Tin Roof (Die Katze auf dem heißen Blechdach) ~ USA 1958
Directed By: Richard Brooks
Zu seinem 65. Geburtstag wird der Mississippi-Patriarch "Big Daddy" Pollitt (Burl Ives) von seiner Familie hofiert wie eh und je - dabei weiß bald jeder außer ihm, dass er an Krebs sterben und dies sein letzter Geburtstag sein wird. Sein jüngerer Sohn Brick (Paul Newman), ein versoffener Ex-Sportler bar jeder Motivation zum Weiterleben, verzichtert auf die Anbiederung bei seinem Vater, während seine Noch-Frau Maggie (Elizabeth Taylor), genannt "Die Katze" dem Schwiegerpapa noch immer gern das Kommödchen von der großen Romantik vorträgt. Bricks älterer Bruder Gooper (Jack Carson), der ungeliebte Erstgeborene, gibt sich indes alle Mühe, per Anbiederung mittels inflationärem Nachwuchs und aktivistischer Kratzbürstenfrau (Madeleine Sherwood) zum Alleinerben des Pollitt-Anwesens ernannt zu werden.
Tennessee Williams, Südstaaten-Pathologe und neben Arthur Miller der größte amerikanische Dramatiker des 20. Jahrhunderts, lieferte mit "Cat On A Hot Tin Roof" mein persönliches Lieblingsstück von ihm ab, eine auf 24 Stunden erzählte Zeit beschränkte Familienchronik, die einen riesenhaften Knoten von Lebenslügen, Oberflächlichkeiten, Hass und versteckten Emotionen entwirrt. Das Zentrum all dieser Ereignisse ist der hünenhafte Big Daddy, ein Berg von einem Mann, von dem man bereits jetzt weiß, dass ihn Bälde nur noch ein Kieselsteinchen von ihm übrig sein wird. Diese Tatsache bewegt einen wesentlich mehr als die ungeklärten Vermögensfragen, um die sich sämtliche Familienmitglieder bis auf den gleichgültigen Brick die Köpfe heißreden.
Trotz (oder gerade wegen) seiner Theaterherkunft fulminant in Szene gesetzt, mit einigen nicht unwesentlichen Modifikationen (Bricks homoerotische Tendenzen etwa wurden im Filmscript weitgehend umschifft), aber allseitig so brillant gespielt, dass er als Manifest für nachfolgende Schauspielgenerationen bestehen kann, ist "Cat On A Hot Tin Roof" zu einer wundervollen, klugen Verfilmung voller Poesie und psychologischer Tragweite geraten. Absolut meisterlich.
10/10
#1424
Geschrieben 05. Oktober 2008, 10:22
Two Mules For Sister Sara (Ein Fressen für die Geier) ~ USA/MEX 1970
Directed By: Don Siegel
In den 1860ern: Mexiko steht unter der Herrschaft Maximilians I und unter französischer Besatzung. Die einheimischen Juaristen versuchen verzweifelt, sich gegen die Okkupanten zur Wehr zu setzen. Inmitten dieser Geschicke trifft der amerikanische Söldner Hogan (Clint Eastwood) auf die mit den Mexikanern sympathisierende Nonne Sara (Shirley MacLaine). Gemeinsam erlebt man einige Abenteuer, die von der Einnahme einer französischen Garnison gekrönt werden.
Siegels klassischer Western, der Eastwood gestattete, seinen namenlosen Helden aus Leones "Dollar"-Trilogie nicht nur etwas nahbarer, sondern zugleich etwas ironischer zu zeichnen. Mit der wunderbaren MacLaine darf ihn außerdem eine profunde Liebesgeschichte verbinden. In "Two Mules" begegnen sich einige legendäre Szenen aus Siegels Gesamtoeuvre, darunter die spektakulär aufgezogene Entfernung eines Indianerpfeils aus Eastwoods Schulter, die Sprengung einer strategisch wichtigen Eisenbahnbrücke und natürlich der finale Kampf um das Franzosenfort, der von Siegel mit unverhältnismäßiger Härte (und gerade deswegen so denkwürdig) in Szene gesetzt wird. In den Achtzigern lief der Film in einer (rückblickend wohl leicht verklärten) Dauerschleife im Fernsehen und es war daher der erste Western mit Eastwood, den ich zu Gesicht bekommen habe - umso enger die Verbindung.
Perfekter kann man kaum unterhalten werden.
9/10
#1425
Geschrieben 06. Oktober 2008, 10:58
Professione: Reporter (Beruf: Reporter) ~ I/E/F 1975
Directed By: Michelangelo Antonioni
David Locke (Jack Nicholson), Journalist und Afrika-Korrespondent, lernt während einer Reportage den Lebemann Robertson (Chuck Mulvehill) kennen. Als er Robertson, mit dem er sich in einem kleinen algerischen Wüstenhotel verabredet hat, an einem Herzinfarkt verstorben vorfindet, entschließt er sich spontan dazu, seine eigene Identität mit der des Toten zu tauschen und dessen Existenz weiterzuleben. Bald stellt er fest, dass Robertson Waffenschmuggler und Sympathisant einer afrikanischen Befreiungsbewegung war, schert sich jedoch nicht weiter um die Geschäfte des Toten. Verfolgt von den im Stich gelassenen Revoluzzern und seiner tatsächlichen Ehefrau (Jenny Runacre), die ahnt, dass David noch lebt, lernt selbiger eine junge Studentin (Maria Schneider) kennen und flieht mit ihr quer durch Andalusien.
Antonionis spanischer Film, eine mysteriöse Reise in das Innenleben eines wackligen, unzufriedenen Menschen, das durch (Gaudí-) Architektur, Land- und Ortschaften versinnbildlicht wird. Viel erfährt man nicht über David Locke, mit Ausnahme der Tatsachen, dass seine Existenz, so, wie sie gegenwärtig abläuft, ihm offenbar nicht spannend genug und längst verbraucht ist, und er ein von vornherein zielloses Abenteuer auf nebeltrüber Einbahnstraße begeht. Maria Schneiders seltsam-archaische Schönheit trifft nach dem "Letzten Tango" auch hier ihr unerklärliches Ziel. Im Casa Milà antwortet die namenlose Architektur-Studentin dem ihr soeben begegneten Locke/Robertson auf die Frage, was dies für eine Gebäude sei, mit der aussagekräftigen Antwort: "Sein Erbauer wurde von einer Tram überfahren." Dieser Dialog wäre als bildlich für die ganze Rätselhaftigkeit dieses leise bezaubernden Films zu wähnen.
9/10
#1426
Geschrieben 06. Oktober 2008, 15:24
Bird ~ USA 1988
Directed By: Clint Eastwood
Leben und Sterben Charlie Parkers (Forest Whittaker), des wahrscheinlich wichtigsten Jazz-Saxophonisten des letzten Jahrhunderts. Schwer heroinabhängig, dem Alkohol verfallen und von Depressionen gebeugt, vermag er es bei all seiner musikalischen Virtuosität und der entsprechenden Reputation nicht, sein Leben in den Griff zu bekommen und stirbt mit nur 34 Jahren an einem Cocktail aus Leberzirrhose, aufgebrochenen Magengeschwüren und Herzschwäche.
Eastwood, ein großer Verehrer von Blues, Jazz und Bebop, widmete seine erste Regiearbeit ohne sich selbst als Darsteller einer der beiden, so ein Zitat von ihm, "beiden einzigen originären amerikanischen Kunstformen", respektive einer ihrer Gallionsfiguren. "Bird" ist jedoch nicht allein ein Film über Modern Jazz oder eine unter vielen schillernden Musikerbios, er verdeutlicht auch die langfristige Unvereinbarkeit von kreativem Genius und selbstzerstörerischer Natur. Mittels einer verschachtelten, achronologischen Erzählweise sucht Eastwood nach Ursachen, nicht jedoch nach Ausflüchten für 'Yardbirds' selbstgewählten Weg aus seinem verkürzten Leben und gestattet sich zum Ende hin die autoritäre Bemerkung, dass selbst ähnlich wankelmütige Zeitgenossen Parkers wie Dizzy Gillespie und Red Rodney das Rückgrat besaßen, der gesundheitlichen Selbstaufgabe eine Absage zu erteilen und ihr Leben wichtigern Dingen, sprich der Musik und ihrer Interpretierung, zu widmen. Von dem vielbeschworenen erhobenen Zeigefinger fehlt nichtsdestotrotz und zum großen Glück jede weitere Spur, so dass "Bird" zu einem filmischen Vorzugsfall geraten ist, vielleicht sogar dem einen großen, für den Eastwood den Mut aufgebracht hat, sich selbst am wenigsten zu erkennen zu geben.
9/10
#1427
Geschrieben 07. Oktober 2008, 09:25
Tell Them Willie Boy Is Here (Blutige Spur) ~ USA 1969
Directed By: Abraham Polonsky
Kurz nach der vorletzten Jahrhundertwende: Ein kalifornisches Paiute-Reservat döst verschlafen vor sich hin, als der notorisch rebellische Willie Boy (Robert Blake) in Notwehr den Vater seiner geliebten Lola (Katharine Ross) erschießt und mit ihr in die Berge flieht. Den Sheriff Cooper (Robert Redford) und eine ganze Clique übermotivierter Häscher auf den Fersen, demonstriert Willie Boy nachdrücklich, wer in der Wildnis noch immer das Sagen hat.
Polonsky, einer von den Hollywood Ten (selbst denunziert durch Sterling Hayden und danach eisern verschwiegen vor dem HUAC-Komitee, hatte er jahrzehntelang keine Chance, unter seinem richtigen Namen zu arbeiten), entwarf mit "Willie Boy" eine Aufarbeitung seiner eigenen Biographie, die Geschichte eines zu Unrecht gejagten, menschlichen Freiwilds, das sich als Profi letztlich dennoch der zivilisatorischen Übermacht zu stellen hat. Auch nimmt er als Manhunt-Movie im Indianermilieu viele der ähnlich gelagerten Nachfolger wie "Chato's Land" vorweg. Die für einen Western eher ungewöhnliche Kulisse (San Bernardino, Twentynine Palms) nimmt einmal mehr eine bedeutende Funktion ein. Obschon Robert Blake den maßgeblicheren Part innehat, versäumt der Film es nicht, Redford in eine Art Heldenposition zu setzen. Zwar ist sein Sheriff Cooper ein fragwürdiger Charakter, unverschämt, missmutig und voller falscher Entscheidungen, gegen Ende erweist er sich dann aber doch als letztlich überlegen nicht zuletzt in seiner Position als Abkömmling einer langen Dynastie von Indianerhäschern. Susan Clark als philanthropische Akademikerin und Redfords love interest bleibt leider auch scriptbedingt wesentlich blasser, als ihr Part es gestattet, Katharine Ross war dafür nie schöner denn als kurzhaariges, dunkel geschminktes Indianermädchen.
Dass sein filmhistorischer Status und die schiere Bildhaftigkeit, mit der ein viel zu lange geknebelter Filmemacher sich hier freispielt, letztlich die formalen Qualitäten von "Willie Boy" übersteigen, kann man in diesem speziellen Fall nachsehen.
8/10
#1428
Geschrieben 08. Oktober 2008, 10:10
Revolver ~ UK/F 2005
Directed By: Guy Ritchie
Nachdem er aus dem Knast entlassen wurde, gerät Jake Green (Jason Statham) in einen Unterweltkrieg mit drei Parteien, in dem er selbst eine entscheidende Rolle spielt und zugleich in eine gezwungen wird, deren Tragweite er nicht abzusehen vermag.
Wie der Ochs vom Berge stehe ich noch nach einer Nacht zeitlicher Distanz vor Ritchies Film. Einleitend sollte vielleicht erwähnt werden, dass mir sein Erstling "Lock, Stock And Two Smoking Barrels" stets gut gefallen hat und auch mit "Snatch" konnte ich nach einiger Zeit warm werden. "Swept Away" habe ich mir wohlweislich erspart. Für "Revolver" kehrte Ritchie in das britische Gangstermilieu zurück, diesmal allerdings ortsentrückt, überkandidelt, überambitioniert und unter weitgehendem Spaßverzicht. Die nach innen gerichtete Reise, zu der "Revolver" einlädt, konnte ich wegen überreizter Ratio leider nicht bis ganz zum Ende mitgehen, irgendwann habe ich einfach den Weg aus den Augen verloren. Überforderung oder intendierte Reaktion? Keine Ahnung, momentan. Zumindest was seine Stimmung angeht, mochte ich den Film in gewisser Weise und mit etwas Anstrengung, ohne diese Sympathie weiter beziffern zu können. Mag sein, dass ich da einem gewaltigen Mummenschanz aufgesessen bin, immerhin sprechen das wiederum liebevoll gezeichnete Milieu und eine Vielzahl von Zitaten aus der jüngeren Genregeschichte eine im Vergleich zu den bemüht kodierten Isolations- und Schizophrenie-Episoden der Hauptfigur eine deutliche Sprache. Ob die diversen formalen Spielchen, die zwischen bald kubrickesker Bildsymmetrie und ziemlich unmotivierten (jedenfalls habe ich sie so empfunden) Rotoskopie- und Cartoonsequenzen umherpendeln, wirklich notwendig sind, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht eruieren. Schätze, ich muss den Film nochmal sehen, um mir ein vollwertigeres Urteil erlauben zu können.
#1429
Geschrieben 08. Oktober 2008, 10:26
Leroy ~ D 2007
Directed By: Armin Völckers
Der Berlin-Schöneberger Leroy (Alain Morel) ist 16 und Semi-Afrikaner. Alles nicht weiter schlimm, bis er sich in seine attraktive Mitschülerin Eva Braune (Anna Hausburg) verkuckt. Deren Familie ist der blanke deutsche Albtraum. Der Papa (Conrad F. Geier) ist Ortsvorsitzender der Reps und hört den ganzen Tag Marschmusik, die Mama (Cay Helmich) ist ein dummes, blondgelocktes Heimchen, die vier Brüder sind durch die Bank Nazi-Skins. Leroys Mama (Eva Mannschott) personifiziert im Gegenzug den linksliberalen Öko von der Stange. Nur sein dunkelhäutiger Vater (Günther Kaufmann) bleibt stets gelassen. Gegen soviel Widerstand gleicht die knospende Beziehung der beiden eher einem Hürdenlauf als junger Liebe.
Ziemlich schmales Kommödchen, bis zum Rand mit Stereotypen angefüllt, die zwar bewusst mit dem Strich funktionalisiert werden, im Endeffekt aber bestenfalls fürs Schulfernsehen taugen. Die wirklich frischen Einfälle sind an einer Hand abzählbar und ob ich Afrob als Graf Blacula haben muss, sei mal irgendwohin gestellt.
Die Toleranz-Lektionen des Films sind zwar hehrer Natur und sicherlich einleuchtend formuliert, dass "Leroy" aber letztendlich von den Leuten, die ihn eigentlich bräuchten, niemals gesehen werden wird (und wenn ausnahmsweise doch, dann garantiert ohne jede Chance auf Akzeptanz), macht ihn irgendwie leer. Die in Bezug auf seine Rezeptionsglätte tatsächlich empfängliche Zielgruppe, das wäre wohl primär der ordinäre Waldrorfschüler, und wenn der damit seinen Spaß hat, dann hat der Film seine Existenzberechtigung zumindest ansatzweise verteidigt.
4/10
#1430
Geschrieben 11. Oktober 2008, 10:52
Jalla! Jalla! ~ SE 2000
Directed By: Josef Fares
Måns (Torkel Petersson) und Roro (Fares Fares) sind beste Freunde und Parkreiniger in Göteborg. Beide haben so ihre Problemchen. Während Måns einen angehäuften Ärger mit Erektionsstörungen (respektive mit seiner Freundin (Sofi Ahlström Helleday) pflegt, soll der libanesischstämmige Roro eine arrangierte Heirat mit der hübschen Yasmin (Laleh Pourkarim) eingehen - dabei hat er bereits eine ebenso hübsche - schwedische - Freundin (Tuva Novotny), von der sein forscher Herr Papa (Jan Fares) allerdings nichts ahnt.
Nach dem Jahrhundertfilm "Barfly" gab es für Herrn Funk_Dogg und mich gestern noch diese feine Cultureclash-Comedy die mit viel Herz und gesundem Menschenverstand operiert und dabei die Beziehungsgeflechte der Hauptpersonen nicht dünkelhaft oder hyperromantisch darstellt, sondern stattdessen gezielt auf trockenen Humor setzt. In Klein- und Kleinstepisödchen baut Fares, der mit "Jalla! Jalla!" (das arabische Pendant zu Avanti! Avanti! übrigens) ansatzweise auch seine eigene Biographie aufarbeitet, die Charaktere und deren Fundamente aus und erzielt damit geradezu liebevolle Skizzen, die selbst die Sonne lachen lassen. Dazu wird noch mehrfach Musik von der schwedischen Band Refused bzw. ihrem letzten und besten Album eingespielt, was ein weiteres Beispiel für hervorragenden Geschmack abgibt. Kann man sich x-mal anschauen und bleibt doch stets urkomisch und sympathisch.
8/10
#1431
Geschrieben 12. Oktober 2008, 10:10
The Robe (Das Gewand) ~ USA 1953
Directed By: Henry Koster
Nachdem der Tribun Marcellus Gallio (Richard Burton) wegen eines kindischen Streits beim Sklavenkauf einmal mehr mit seinem Intimfeind, dem zukünftigen Kaiser Caligula (Jay Robinson), aneinandergerät, wird er nach Palästina abberufen. Seine erste Amtshandlung sieht sogleich die Kreuzigung dreier Verurteilter vor, wovon der eine ein obskurer Messias zu sein scheint, dem sämtliche Juden zu Füßen liegen. Marcellus wird es spätestens unheimlich zumute, als er beim Würfelspiel unter dem Kreuz des Hingerichteten dessen Gewand ergattert, sich hernach auch noch die Vergebung des Sterbenden gefallen lassen muss und beim Umlegen des Textils den unerträglichen Schmerz des belasteten Gewissens spürt. Zurück in Rom wird er vom Leibarzt Tiberius' (Ernest Thesiger) für wahnsinnig erklärt - eine offensichtliche Folge des vermeintlichen Zaubers, mittels dessen Marcellus durch das Gewand verhext wurde. Erneut soll er nach Nahost aufbrechen, um das Gewand zu vernichten und hierdurch entzaubert zu werden. Das gute Stück findet sich nunmehr im Besitz von Marcellus' Ex-Sklaven Demetrios (Victor Mature), der sich Petrus (Michael Rennie) angeschlossen hat und mit ihm durch die Lande zieht. Marcellus muss eingestehen, dass er bislang auf der falschen Seite gestanden hat und erkennt Christus als den einzig wahren Herrn an - ein gefundenes Fressen für den mittlerweile gekrönten Caligula...
"The Robe" besitzt vor allem deshalb einen filmhistorisch nachhaltigen Status, weil es sich um das erste Werk handelte, das die Fox unter lautem Getöse in ihrem neuen Leinwandformat CinemaScope skandierte ("You'll see it without glasses!"). Die Besonderheit dieses Formats lag darin, dass es das Bildverhältnis um mehr als das Doppelte in die Breite zog und so eine Panorama-Perspektive ermöglichte, die nicht nur bislang ungekannt scharfe Bilder zeigte und dem menschlichen Blickfeld entsprach, sondern vor allem eine massenmedial bedeutsame Konkurrenz zum plötzlich omnipräsenten Fernsehen darstellte. Jenes arbeitete bekanntlich mit kleinen Röhren und dem 4:3-Bildformat. Da mussten die weitaus pompöseren Möglichkeiten des Kinos zwangsläufig dringend neu betont und gewichtet werden. Obgleich "How To Marry A Millionaire" der erste Scope-Film war, der fertiggestellt wurde (und den man sogar mit einer glänzenden, dem neuen Format gewidmeten Ouvertüre versah), beschloss die Abteilung Zanuck, dem in diesem Falle dankbareren Bibelepos den kalkulierten Vortritt zu lassen und "Millionaire" zwei Monate später herauszubringen.
Den immensen Werbeaufwand decken die filmischen Qualitäten des in direkter Tradition zu LeRoys wesentlich aufregenderem "Quo Vadis" stehenden Schinkens um die Christenverfolgungen im antiken Rom allerdings überhaupt nicht. Es handelt sich bei "The Robe" lediglich in einer Beziehung um einen Triumph: Kulissenbauer, Szenengestalter, Ausstatter konnten sich erschöpfend profilieren und wörtlich Großes für des Betrachters Auge schaffen. Es ist tatsächlich eine Lust, die detailreichen Innenräume zu erkunden und zu beobachten, wie beeindruckend selbst bei den Außenaufnahmen getrickst wurde. Doch damit sind die wirklich erwähnenswerten Aspekte bereits aufgereiht - dass Scope noch in den Babyschühchen steckte, ist unschwer zu erkennen, ebenso wie Kosters mangelndes Talent im Umgang mit Historienstoffen. Richard Burton chargiert und ist bei seinen psychischen Ausfällen eher unfreiwillig komisch, der große, stets verschmitzte Ernest Thesiger weiß offenbar um die Käsigkeit seines Jobs, Michael Rennie als Petrus lädt ein zum großen 'Ähem' und Robinson als Caligula nimmt ein wenig den guten Malcom McDowell aus Tinto Brass' späterem Kaiserepos vorweg. Als gepflegter Trash mit großem Atem also ein Renner - viel mehr bleibt aber nicht. Die Fortsetzung "Demetrius And The Gladiators" folgt mittelfristig.
6/10
#1432
Geschrieben 12. Oktober 2008, 17:18
Before The Devil Knows You're Dead (Tödliche Entscheidung) ~ USA/UK 2007
Directed By: Sidney Lumet
Ihre umfassenden finanziellen Sorgen sind so ziemlich das Einzige, das die Brüder Hank (Ethan Hawke) und Andy Hanson (Philip Seymour Hoffman) gemeinsam haben. Andy, für den der letzte Strohhalm zur Rettung seines Lebensglücks eine ordentliche Geldspritze darstellt, kommt auf die Idee, den elterlichen Juwelierladen zu überfallen und für die Ausführung Hank, der wiederum böse mit den Unterhaltungszahlungen für seine Tochter (Sarah Livingston) hinterherhängt, einzuspannen. Erwartungsgemäß geht der so "bombensichere" Coup völig daneben und ein Familiendrama mit weitreichenden Konsequenzen ist die Folge.
Lumet, der trotz seiner 84 Lebensjahre noch immer ein beneidenswert kregler Regisseur ist, wird vermutlich nie weniger als Herausragendes inszenieren. "Before The Devil Knows You're Dead", einer jener schmerzhaften downward-spiral-movies, in denen gleich nach den ersten Minuten der schonungslose Niedergang der Protagonisten transparent wird und die damit regelmäßig auch eine emotionale Belastungsprobe für den Zuschauer darstellen, gibt einen wunderbareren Film um das Zentrum New York ab. Auf eine Vivisektion der intraurbanen Gewalten verzichtet Lumet diesmal jedoch zugunsten einer kammerspielartigen Familientragödie mit existenzialistischen Schwerpunkten und einer beinahe klassisch-griechischen Färbung. Dank der impressiven Arbeit sämtlicher Beteiligten bleibt die Spannung innerhalb der Figurenkonstellationen stets immens, obgleich aus dem Ausgang oder zumindest aus seiner Färbung nie ein Geheimnis gemacht wird. Großes Schauspielkino auch.
9/10
#1433
Geschrieben 13. Oktober 2008, 15:06
Stalag 17 ~ USA 1953
Directed By: Billy Wilder
Oberbayern, 1944: In Stalag 17 macht eine Gruppe von 600 inhaftierten US-Sergeants das Beste aus ihrer bescheidenen Lage und hält sich mit Minispionage, kleinen Glücksspielen und der Verballhornung des Wehrmachtspersonals bei Laune. Eines Tages wird in Baracke 4 jedoch ein unangenehmer Umstand offenbar: Unter den Insassen befindet sich ein Verräter, der sämtliche Geheimnisse an den Lagerleiter Von Scherbach (Otto Preminger) ausplaudert. Alle halten neiderfüllt den gewitzten Glücksritter Sefton (William Holden) für die löchrige Stelle, da dieser mit Zigarren, Wein, Spiegeleiern und sogar gekaufter Liebe protzen kann und somit im Verdacht steht, bestechlich zu sein. Brenzlig wird es für Sefton, als ein Offizier (Don Taylor), der sich zuvor als Saboteur betätigt hat und um seine Entdeckung fürchten muss, in Baracke 4 landet.
Obwohl ein weiterer Beweis für seine herausragenden Fähigkeiten, ist "Stalag 17" keiner meiner Lieblingsfilme von Wilder. Seine freche, zugleich komische und dramtische Geschichte um die Lebenskunst in Zeiten größter Not ist zwar von sehr liebenswertem Wesen, manche der Figuren (etwa die von Robert Strauss und Harvey Lembeck gespielten), lassen den Film durch ihre überzogene Darstellung aber bisweilen etwas zu gefährlich dicht an die Farce heran, und in exakt jenen Momenten erscheint mir "Stalag 17" dann allzu unentschlossen, um nicht zu sagen zeitschindend. An anderer Stelle beweist Wilder dann wieder großes Können, etwa in der Porträtierung des deutschen Rattenfängers Schulz (Sig Ruman), der sich vordergründig sympathisch gibt und sich anbiedert, um den Barackenspion möglichst unerkannt arbeiten zu lassen. Auch weiß ich trotz mehrfachen Ansehens noch immer nicht recht, ob mir die von Holden gespielte Heldenfigur des gescheiten Yankee nicht ein wenig überflüssig erscheint unter den ansonsten sehr unbedarften Bildungskomödianten in Baracke 4.
Nun, jetzt habe ich viel gelästert, eigentlich mehr, als es der Film verdient hat. Denn dass er eine ausgesprochene Maßarbeit ist, steht trotz meiner Nickeligkeit außer Frage.
8/10
#1434
Geschrieben 14. Oktober 2008, 16:00
Michael Clayton ~ USA 2007
Directed By: Tony Gilroy
Michael Clayton (George Clooney) arbeitet als eine Art Cleaner für die renommierte New Yorker Anwaltskanzlei "Kenner, Bach & Ledeen". Zu seinen Aufgabenbereichen gehört u.a. die Beschwichtigung "komplizierter" Klienten oder auch das Sorgetragen für firmeninterne Probleme. Einer seiner Traditionsfälle ist der brillante, aber manisch-depressiv veranlagte Verteidiger Tom Wilkinson (Arthur Edens). Jener sorgt einmal mehr für Furore, als er sich in Milwaukee, anstatt dem Multi U-North gegen eine Sammelklage von durch Pestizide geschädigten Farmern beizustehen, auf die Seite der Kläger schlägt und durch bizarres Verhalten in der Öffentlichkeit auffällt. Clayton nimmt sich halb enerviert der Sache an, hat nebenbei noch einige private Probleme zu bewältigen, und registriert beinahe zufällig, dass Wilkinson vielleicht gar nicht so verrückt ist, wie es den Anschein hat. Die Sache verkompliziert sich noch, als Wilkinson eines vermeintlichen Unfalltodes stirbt.
Guter, vertrackt und aufmerksamkeitsbedürftig erzählter Justizkrimi, dessen Story zwar ein alter Hut ist (man kennt die Geschichte des edelmütigen bzw. bekehrten Advokaten u.a. aus Soderberghs "Erin Brokovich" und Zaillians "A Civil Action"), der seine Spannungsmomente nicht zugunsten hochemotionaler Dramaturgie oder auch einer affirmativen Melodramatik verrät. Schön trocken, aufrichtig und intelligent ist Gilroys Narration, wenn man hier und da auch zugestehen muss, dass Verpackung und Inhalt nicht stets deckungsgleich sind. Es stellt sich gelegentlich die Frage, ob eine derart verschachtelte oder auch verschwiegene Plotdarbietung Not getan hätte, um das David-gegen-Goliath-Konstrukt, dessen Zeuge der Betrachter wird, kongenial genug darzustellen. Ich bin mir da noch nicht ganz schlüssig. In jedem Fall ist die Traditionalität, die Anbindung an das investigative Genrekino des späteren New Hollywood unter Regisseuren wie Pakula, Schlesinger, Lumet oder Pollack (der hier einen kantigen letzten Auftritt erhalten hat, welcher nichts von seinem bereits bedenklichen Gesundheitszustand erahnen lässt) ein äußerst positiver Faktor, lässt sie doch häufig Erinnerungen an diese scharfäugige und -züngige Thrillerperiode aufkeimen.
8/10
#1435
Geschrieben 15. Oktober 2008, 20:15
Venom (Die schwarze Mamba) ~ UK 1981
Directed By: Piers Haggard
Philip (Lance Holcomb), der 10-jährige Sohn der soeben verreisten Industriellengattin Ruth Hopkins (Cornelia Sharpe), soll entführt werden. Der Junge ist allein mit seinem Opa (Sterling Hayden) im elterlichen Haushalt. Initiiert wird das Verbrechen von dem falschen Hausmädchen Louise (Susan George), ihrem Liebhaber, dem deutschen Verbrecher Müller (Klaus Kinski) und Dave, falscher Chauffeur der Hopkins' und noch eine weitere amour fou Louises. Der sorgsam geplante Coup läuft brutal schief, weil Philips neues Haustier nicht die versprochene afrikanische Hausschlange ist, sondern eine Schwarze Mamba, die ursprünglich ans Institut für Toxikologie geliefert werden sollte. Dort schlägt man Alarm, aber zu spät - das Vieh ist bereits im Heizungsschacht verschwunden und derweil die Polizei rund um das Haus postiert.
Schöne, exotisch besetzte Mixtur aus Caper-Krimi und Tierhorror, die zwar jeden Funken Logik im Keim erstickt (u.a. scheint das Haus, in dem die Kidnapper und ihre Opfer hocken, lediglich eine Frontfassade zu besitzen), was aber angesichts des keineswegs verhohlenen B-Charakter von "Venom" keine signifikante Schwachstelle darstellt. Nach all den Kleintier-Invasionen bzw. Mutanten- und Monsterattacken der Vorjahre tut es geradezu wohl, ein so erfrischend ordinäres Tier wie eine Giftschlange als Auslöser für diverse Suspense-Situationen geliefert zu bekommen. Um eben auf Nummer Sicher zu gehen, konstruierte man zusätzlich den Thriller-Rahmen, der Oliver Reed gnadenlos verwurstet, Susan George mit Gewalt in ihr alte Erotisierungsschema drängt, Kinski nach seinen vielen Herzog-Engagements mal wieder Gelegenheit zu einer schönen anti-art-appearance liefert, dem alten Sterling Hayden, dem seine Gesichtszüge manches Mal entgleisen, seinen letzten Filmauftritt spendiert und irgendwie sogar noch Michael Gough aus dem Hut zaubert. Ich sage: das ist vielleicht nicht monumental, aber immer noch spitze genug!
7/10
#1436
Geschrieben 15. Oktober 2008, 20:30
Jade ~ USA 1995
Directed By: William Friedkin
Als ein millionenschwerer Kunstmäzen ermordet in seiner Villa aufgefunden wird, übernimmt David Corelli (David Caruso), stellvertretender Staatsanwalt von San Francisco, die Ermittlungen. Alsbald kristallisiert sich heraus, dass Corellis Ex-Geliebte Trina (Linda Fiorentino), die nun mit Corellis Freund Gavin (Chazz Palminteri) verheiratet ist, in den Fall verwickelt ist - erst recht, als im Safe des Toten kompromittierende Bilder gefunden werden, die Trina beim Koitus mit dem Gouverneur (Richard Crenna) zeigen.
Da hat Friedkin mal daneben gehauen - oder möglicherweise auch das Bestmögliche aus Joe Eszterhas' absolut miesem Script herausgeholt. Diese dummdreiste Kitschklitsche, die so ähnlich in jedem Groschenroman aufzufinden sein sollte, ist eine einzige Peinlichkeit im Gefolge der ganzen Schwemme sogenannter "Erotik-Thriller", die nach deren vorzeitigem Ejakulat "Basic Instinct" die Leinwand bevölkerten. Ich habe den Film zuletzt vor 12 Jahren im Kino gesehen und war daher nicht mehr ganz im Bilde, so nach und nach fiel mir aber wieder die sich bereits damals aufgedrängende Parallele ein. Wer "Amazon Women On The Moon" bzw. das Segment "First Lady Of The Evening" kennt, hat die perfekte Vorstellung, was einen - auf 85 Minuten gedehnt - bei "Jade" erwartet. Ein in jeder Hinsicht entwertender Film, dem Friedkin verzweifelt versucht, eine unsichtbare Dimension zu entlocken und mit Macht gegen die sich auftürmende Doofheit inszeniert - wie jeder Meister aber auch mal scheitern muss - und natürlich darf. Mit Ausnahme einer vorzüglich gefilmten Verfolgungsjagd (q.e.d.) kaum mehr denn ein ordentlich stinkender, immerhin edel gereifter Schimmelkäse.
4/10
#1437
Geschrieben 17. Oktober 2008, 12:52
The Sicilian (Der Sizilianer) ~ USA 1987
Directed By: Michael Cimino
Die letzten lebensjahre des sizilianischen Briganten Sallvatore Giuliano (Christopher Lambert) und wie seine unbändige Egozentrik und schließlich seine unfreiwillige Funktionalisierung als politisches Schreckgespenst ihm den Strick drehen.
Die authentische Geschichte Giulianos wurde von Mario Puzo semi-fiktionalisiert und zu einem innerhalb des Corleone-Universums angesiedelten Roman verarbeitet (so ist Michael im Buch einer der Protagonisten; im Film ist nur gegen Ende kurz von dem "Amerikaner" die Rede). Das prosaische Element setzt Cimino bei seiner Bildsprache besonders hoch an, ist sein Film doch voller Tableaus, die die herrliche sizilianische Landschaft einfangen und ebenso reich an Kitschelementen, etwa der heftigen Kurzliaison Giulianos mit einer Gräfin (Barbara Sukowa) und der späteren Entführung ihres Mannes (Terence Stamp), eines perfekten Abbilds des anämischen Blaubluts. Sizilien als Schauplatz für Klassenkämpfe gab stets ein dankbares filmisches Lokal ab, nicht zuletzt durch die dort vorherrschende Dreifaltigkeit Kirche, Aristokratie und Cosa Nostra (im Film wie im Roman repräsentiert durch den ehrwürdigen Don Masino Croce (Joss Ackland)), unter deren geistiger wie materieller Knute die Landbevölkerung zu leiden hat. Die Geschichte Giulianos arbeitet die jüngere Historie dieser Repression ganz schön heraus und verarbeitet die Zustände, ohne je selbst politisierend zu werden, zu einem süffisanten, auch intellektuell vorzüglich goutierbaren Porträt.
Besonders wird in direkter Folge von "The Sicilian" wieder ein tragischer Umstand bewusst: Dass Cimino, dieser Ausnahmefilmer mit dem Mut und dem Talent zum Ausufernden, hernach nichts mehr realisieren konnte, was seinem vorherigen Renommee auch nur im Entferntesten entspräche. Zumindest ein letztes großes Epos sollte man ihm noch gönnen.
8/10
#1438
Geschrieben 18. Oktober 2008, 09:44
The Mechanic (Kalter Hauch) ~ USA 1972
Directed By: Michael Winner
Der Auftragskiller Arthur Bishop (Charles Bronson) ist eine Koryphäe in seinem Metier. Ohne sich jegliche Art von Emotion zu leisten, führt er jeden seiner Aufträge mit größtmöglicher Präzision durch. Selbst als es Harry McKenna (Keenan Wynn), einem Freund seines verstorbenen Vaters, an den Kragen gehen soll, zögert er keine Sekunde. Ausgerechnet McKennas Sohn Steve (Jan-Michael Vincent), ein ethisch verdorbener Zyniker und Tagedieb, wählt Bishop als seinen Mentor und erfährt bald von dessen Profession. Also lässt er sich von ihm zum Partner und späteren Nachfolger ausbilden.
New Hollywood war damals durchsetzend. Selbst in diesem Gipfelstück der langen Teamarbeit Winner-Bronson ist der Hang zum Unkonventionellen zu jeder Sekunde sichtbar. Das beginnt bereits in der Exposition, in der, ohne dass ein Wort gesprochen wird, Bishop rund 15 Minuten bei der Vorbereitung und Durchführung eines Auftrags gezeigt wird. Die Erfüllung dieses Jobs hat mit den kommenden Ereignissen nur am Rande zu tun und ist doch als charakterliche Einführung bereits meisterlich gestaltet. Ebenso erweisen sich spätere Szenen von scheinbarer Redundanz als äußerst ausgeklügelt und wertvoll für das Gesamtgeschehen (einmal zieht Bishop durch das nächtliche L.A. und bleibt nachdenklich vor einem Lampengeschäft stehen, sein Gesicht ist dabei im Spiegel eines Glasschirms zu sehen; eine andere Sequenz zeigt in Teilperspektiven ein Bosch-Gemälde in Bishops Haus). Die Geschichte des Ausbilders, der schließlich von seinem Mündel hintergangen wird, ist dabei von beinahe sekundärem Belang. Viel wesentlicher funktioniert "The Mechanic" als das ewige, psychologisch hervorragend gestaltete Profil eines Profikillers. Der beste Film seiner Art.
10/10
#1439
Geschrieben 18. Oktober 2008, 10:00
Il Grande Silenzio (Leichen pflastern seinen Weg) ~ I/F 1968
Directed By: Sergio Corbucci
Das verschneite Bergdörfchen Snow Hill wird zum Schauplatz blutiger Ereignisse: Der gewissenlose Kopfgeldjäger Loco (Klaus Kinski), der dem Friedensrichter Pollicut (Luigi Pistilli) sämtliche Gesuchten tot feilbietet, hat es auf eine Schar von Outlaws, die sich in den Wäldern versteckt halten, abgesehen. Zeitgleich kommt der stumme Meisterschütze Silence (Jean-Louis Trintignant) nach Snow Hill, der der Witwe Pauline (Vonetta McGee) beisteht und eine geheimnisvolle Vergangenheit hinter sich herzieht.
Mit "Il Grande Silenzio", der nicht nur einen der allerschönsten Morricone-Scores vorweisen kann, sondern unbedingt zu den wichtigsten Schneewestern gezählt werden muss, hat Corbucci "Django" zum Trotze sein Meisterstück bewerkstelligt. Die ganz große Tristesse wird hier abgefeiert, das ganz große Lament, die ganz große Elegie. Nie war ein Western trauriger, hoffnungsloser, böser. Man muss schon der per Kinski inkarnierten Schlechtigkeit ein gewisses Heldentum anerkennen, um am Ende nicht in ein ganz tiefes Loch zu fallen, denn es bleibt nichts mehr zum Festhalten übrig. Kinski als schwarzgewandeter Schnitter Tod inmitten des unendlichen Weiß ist in seiner schönsten Rolle diesseits von Herzog zu sehen und dass Trintignant sich ausnahmsweise für einen Western zur Verfügung gestellt hat, wird nicht von ungefähr kommen. Die Gänsehaut, die einen mit "Silenzio" und seinem Schnee umfängt, will auch mehrere Stunden später nicht locker lassen.
10/10
#1440
Geschrieben 18. Oktober 2008, 10:25
Salvador ~ USA 1986
Directed By: Oliver Stone
L.A. 1980: Um sich aus seiner finanziellen Misere zu befreien, reist Richard Boyle (James Woods), heruntergekommener Fotojournalist und Experte für Einsätze in Krisengebieten, mit seinem trinkfreudigen Kumpel Dr. Rock (James Belushi) kurzerhand nach El Salvador. Dort ist eine Militärjunta unter dem gefürchteten Despoten Major Max (Tony Plana) dabei, mit der Unterstützung von US-Militärberatern sämtliche Kommunisten und deren Sympathisanten sowie jeden Systemgegner verschwinden zu lassen. Boyle, der sich in die schöne Maria (Elpidia Carillo) verliebt hat, versucht das Grauen halbwegs adäquat zu dokumentieren.
Zwar nicht Stones erste Regiearbeit, gewissermaßen aber doch sein eigentliches Debüt. Leider untergegangen im tosenden Schatten des kurz darauf realisierten "Platoon", ist "Salvador" ein höchstmöglich engagiertes Projekt gegen die (wohlgemerkt damals noch präsente) Regierung Reagan und ihre Interventionspolitik in Lateinamerika, ein wütendes Pamphlet pro Menschenrechte und Selbstbestimmung, das insbesondere als Zeitzeugnis von unschätzbarem Wert ist. Die geschilderten Ereignisse sind, wenn auch teilweise durch Umbenennungen verschleiert, durch die Bank authentisch, orientieren sich an historischen Markpunkten (darunter die Ermordung Erzbischof Romeros sowie der Einsatz der durch US-Militärs ausgebildeten Todesschwadronen) und zeugen eindrucksvoll von dem Wahnsinn, der sich um diese Zeit in Mittelamerika abgespielt hat. Eine zusätzlich pikante Note erhält der Film durch seine ungewöhnliche Erzählperspektive, die ausgerechnet einen Gonzo-Journalisten und dessen abgefuckten, ständig zugekifften Kumpel zentriert. Das ist dann wohl wiederum Oliver Stone zu verdanken. Neben "The Killing Fields" und "Under Fire" der dritte große "War-Journalism"-Film der achtziger Jahre.
10/10
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