In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1531
Geschrieben 21. Dezember 2008, 09:53
Dead Birds ~ USA 2004
Directed By: Alex Turner
Alabama, 1963: Eine Gruppe desertierter Soldaten der Konföderation raubt unter Aufwendung blutiger Gewalt die Goldreserven eines Armeeregiments, das gerade auf der Bank eingezahlt werden soll. Man plant, sich auf der Flucht nach Mexiko nächtens in einem leerstehenden Plantagenhaus zu verstecken. Auf dem Weg dorthin erschießen die Männer in einem Weizenfeld eine seltsame Kreatur, ohne sich zunächst weiter darum zu scheren. Als Dunkelheit und Sturm das Haus umfangen, erwartet sie alle Tod und Verderben.
Ein überaus gelungener, recht harter Horrorwestern, dem leider bei weitem nicht die ihm zukommende Aufmerksamkeit zuteil wurde, ist er inmitten der mittlerweile unübersichtlichen Anzahl von Japan-Remakes und Flitzzombies doch der redliche Versuch, etwas eigenes zu kreieren. In einer zwischen meditativ und bedrohlich angesiedelten Herbststimmung entschlüsselt der von Bierces Kurzgeschichten beeinflusste Film nach und nach das schreckliche Geheimnis des verfluchten Hauses und zieht mit jeder weiteren Eröffnung eine seiner Figuren in den Wahnsinn hinab. Man bekommt heutzutage ja nurmehr selten die Chance zu passablem Grusel - hier ist eine.
8/10
#1532
Geschrieben 21. Dezember 2008, 10:07
Sweet And Lowdown ~ USA 1999
Directed By: Woody Allen
Ostküste, dreißiger Jahre. Der blasierte Jazzgitarrist Emmet Ray (Sean Penn) weiß eines: Es gibt weltweit nur einen, der besser ist als er, nämlich "diesen französischen Zigeunergitarristen". Seine späteren Lebensjahre zwischen den ihm eigenen kleinen Neurosen, zwischen Frauen, der Liebe und seiner Gitarre erzählen neben dem Autor selbst einige Jazzexperten - so als hätte es ihn wirklich gegeben.
Allens letzter Film mit der alten Magie und einem selten besseren Sean Penn. Wie in "Broadway Danny Rose", "Radio Days" und "Zelig" präsentiert sich Allen als überaus begabter Pseudobiograph und Pseudodokumentarist, der seine Lieblingsepoche und Lieblingsmilieu in zauberhafter Weise wieder auferstehen lässt, um diesen kauzigen Charakter, dieses vordergründige Arschloch von einem Musiker zu porträtieren. In seiner Schmierigkeit und Arroganz bei eher minderer Bildung ist Ray einzigartig, seine bezaubernde, stumme Freundin Hattie (Samantha Morton), die als einzige durch Rays Musik in der Lage ist, direkt in seine Seele zu blicken, lässt er fallen - der Fehler seines Lebens.
Allen berichtet, natürlich auch, um möglichst viel von seiner Lieblingsmusik unterzubringen, in bittersüßer Weise von Zeiten, Orten und Leben, denkt sich schrullige kleine Geschichten aus und verleiht seiner Hauptfigur eine beinahe unglaublich umfassende Komplettheit. Ganz toll.
9/10
#1533
Geschrieben 22. Dezember 2008, 08:54
Havana ~ USA 1990
Directed By: Sydney Pollack
Weihnachten 1958 in Havanna, kurz vor der Machtübernahme: Der Berufsspieler Jack Weil (Robert Redford) schmuggelt für Bobby (Lena Olin), die er auf der Fähre von Miami kennengelernt hat, einen Wagen mit versteckter Funkanlage, in die Stadt. Wie Jack erfährt, ist Bobby die Frau des einflussreichen Revolutionssympathisanten Duran (Raul Julia). Obgleich Jack sich aus Politik und Kampf heraushalten und vornehmlich sein eigenes Schärflein beim Pokern ins Trockene bringen möchte, wird er mehr und mehr in den Strudel der Ereignisse um die heraufziehende Revolution gerissen, zumal ihm die schöne Bobby nicht mehr aus dem Kopf geht.
In Pollacks "Casablanca"-Version wird einmal mehr die Geschichte vom vermeintlich egozentrischen, unfreiwilligen Helden erzählt, der im Angesicht eines unaufhaltsamen Umsturzes über sich hinauswächst. Überdeutlich an besagtem großen Filmvorbild orientiert, nimmt sich Pollack auch Elemente aus "To Have And Have Not" und "The Comedians" vor, um Redfords wie stets makelloses Antlitz mit mehr und mehr Sorgenfalten auszustaffieren. Spätestens als ihn die Nachricht ereilt, dass Bobbys Mann doch noch lebt, ist auch dem Zuschauer klar, dass hier einmal mehr (Spiel-) Farbe bekannt werden wird.
Wer die genannten Einflüsse mag, wird auch an "Havana" große Freude haben, denn Pollack versteht es, die Stadt in ihrer damaligen Situation, die irgendwo zwischen der Wehmut verbleichender Dekadenz und einer roten Neujahrsdämmerung umhertaumelt, ansprechend mit Rumba und Lampions in Szene zu setzen. Wundervolle Auftritte von Richard Farnsworth als mysteriösem "Professor" (s. Zitat) sowie dem infolge seines Kokainkonsums schwer aufgedunsen Tomas Milian runden das notorisch romantische Potpourri ab. Klasse.
8/10
#1534
Geschrieben 22. Dezember 2008, 09:27
Natural Born Killers ~ USA 1994
Directed By: Oliver Stone
Das Killerpärchen Mickey (Woody Harrelson) und Mallory Knox (Juliette Lewis) bahnt sich seinen von Mord, Totschlag und Anarchie berstimmten Weg durch den staubigen Westen der USA. Mit jeder weiteren Leiche werden die Medien mehr auf sie aufmerksam und stilisieren die beiden zu Kultfiguren der Popkultur, die in der sensationsgierigen Bevölkerung willfährige Abnehmer finden. Als Mickey und Mallory schließlich gefasst werden und ins Gefängnis wandern, ermöglicht ihnen der profilierungssüchtige Sensationsreporter Wayne Gale (Robert Downey jr.) durch seine Fahrlässigkeit die Flucht im Schatten einer brutalen Knastrevolte.
Stones Zenit als Künstler. Nachdem er die Außen-, Innen- und Interventionspolitiken seines Landes, dessen Reaktion auf Freigeistigkeit und seine abartige Wirtschaftsmoral angegriffen hatte, knöpfte er sich die Omipräsenz der Massenmedien als existenzbestimmende und -regulierende Institution vor. Seine Mittel: drogengeschwängerte, rauschhafte Bilder aus verschiedensten Quellen, ein gewaltiges Pasticchio aus Tönen, Musik und wild verschnittenem Filmmaterial. Coke trifft Nine Inch Nails, Sitcom trifft Anime, Stone trifft sich selbst. "NBK" zeigt seine Pädagogik dann auch so leidenschaftlich und aufdringlich wie noch nie; die im Prinzip bereits damals schon überkommene Warnung vor unkontrolliertem Fernsehkonsum und seinen fatalen Folgen für die Fähigkeit zur persönlichen Meinungsbildung wird so eindringlich formuliert, dass sie dem Ziel ihrer Kritik tatsächlich kaum noch nachsteht. "Too much TV", dieser Schriftzug wird in einer der vielen Schlüsselszenen des Films auf die Leiber der Protagonisten projiziert und damit ist eigentlich alles gesagt. Im Gegensatz zu einem plumpen Mediendidaktiker wie etwa Haneke ist Stone aber zumindest kein Nestbeschmutzer, seine persönliche Funktion als exekutives Werkzeug im Gewalt- und Medienzirkus räumt er nicht nur ein, er gesteht sie sogar freimütig. Als Mickey in einem Motelzimmer kurz vor der Massakrierung einer Prostituierten steht, zappt er gewohnt gelangweilt durchs Fernsehprogramm - und findet neben Tierbegattungen auch das Finale von "The Wild Bunch" und zwei sehr anschauliche Szenen aus "Midnight Express" (Rifkis Ermordung durch Billy Hayes) und "Scarface" (Tony Montanas Kettensägen-Konflikt mit den Kolumbianern im Hotelzimmer). Während ersterer eines der großen Vorbilder Stones und vieler Filmemacher seiner Generation ist, hat er für die letzteren jeweils selbst das Drehbuch verfasst. Damit gesteht er freimütig seine Position als Zahnrädchen dessen, was er da anprangert. "NBK" bietet damit weniger Warnung als Resignation. Nebenbei ist der Vorwurf der unbändigen Gewalttätigkeit des Films völlig vergriffen. Von den vielzitierten 52 Morden sind bei weitem nicht alle zu sehen und überhaupt ist die Liebesgeschichte Mickeys und Mallorys (wobei das "couple on the run" bereits 94 zu den vielbeschworenen Mythen der US-Filmkultur gehörte) wesentlich bewegender und mit deutlich mehr Herzblut inszeniert als ihr Killergeist. Das wahre Böse, der eigentliche, bare Irrsinn lauert ohnehin hinter der Kamera - auch hinter der von "NBK".
10/10
#1535
Geschrieben 23. Dezember 2008, 07:26
Mangiati Vivi! (Lebendig gefressen) ~ I 1980
Directed By: Umberto Lenzi
Die Journalistin Sheila Morris (Janet Agren) stößt bei der Suche nach ihrer urplötzlich verschwundenen Schwester Diana (Paola Senatore) auf den Fanatiker Jonas (Ivan Rassimov) und seine Purifikationssekte. Jonas hat sich im Hinterwald Neu Guineas ein nettes kleines Camp errichtet, in dem er mit seinen Jüngern seltsamen Ritualen frönt. Mithilfe des Vietnamveterans Mark Butler (Robert Kerman) macht sich Sheila auf die gefahrvolle Reise durch den Dschungel, in dem überall Stämme von Kannibalen lauern.
Noch vor "Cannibal Ferox" brachte Lenzi diesen nicht minder anschaulichen Beitrag zur Kannibalen-Welle, für den sogar der in jenen Tagen offenbar ziemlich klamme Mel Ferrer ein paarmal kurz sein Antlitz in die Kamera hielt. Um seinem Film mehr Plotgewicht zu verleihen, nahm sich Lenzi das damals populäre Thema Sektierertum, respektive die Affäre um die Jones-Gemeinschaft "Peoples Temple" vor und besetzte - ein cleverer Schachzug - den ständig grenzbekloppt dreinschauenden Ivan Rassimov als deren Chef (der sich analog zur authentischen Figur auch noch Jonas nennt). Ein wenig unartiger bis schmerzhafter Sex, darunter Janet Agrens Vergewaltigung mit einem in Kobrablut getränkten Holzdildo, Kastration, Brustamputation (nebst prompter Verspeisung derselben versteht sich), Enthauptung, Tiersnuff und natürlich massenhaft Gekröse - Lenzi zieht sämtliche Register seines Fachs. Dass die dazugehörigen Dialoge und Handlungsfügungen zwischen selten blöd und völligem Nonsens schwelgen, muss freilich nicht extra erwähnt werden.
5/10
#1536
Geschrieben 23. Dezember 2008, 07:58
Psycho ~ USA 1960
Directed By: Alfred Hitchcock
Nachdem Marion Crane (Janet Leigh) in Phoenix 40.000 Dollar unterschlagen hat, flieht sie mit ihrem Wagen gen Westen, das schlechte Gewissen permanent im Nacken. In einer regnerischen Nacht schließlich landet sie in "Bates Motel", einer einsamen Herberge an der Landstraße, die von dem schüchternen Norman Bates (Anthony Perkins) betreut wird, der außerdem, das erfährt Marion prompt, im Haus seine hilflose Mutter betreut. Nach einem eingehenden Gespräch mit Norman ist sich Marion sicher, dass sie das Geld zurückgeben möchte. Dann wird sie unter der Dusche erstochen. Marions Schwester Lila (Vera Miles) und ihr Freund Sam (John Gavin) beginnen bald ebenso nach der Verschwundenen zu suchen wie der von Marions Chef (Vaughn Taylor) beauftragte Privatdetektiv Arbogast (Martin Balsam). Sämtliche Spuren führen zu Bates Motel.
Horror bricht in Alltag ein: Die Anekdoten zu der Entstehung von Hitchcocks beneidenswert fehllosem Film sind ebenso Legion wie die Zeugnisse seines Einflusses auf die Popkultur der nachfolgenden Jahrzehnte bis heute. Bestimmte Sequenzen wie die minutiös montierte Mordszene unter der Dusche mitsamt Herrmanns aufheulenden Violinen (die im Rahmen des Films noch zwei Reprisen erfahren), die Entlarvung von Bates' Mutter und ganz besonders die Überblende auf die Schlusseinstellung, in der für eine Sekunde Normans Teufelsgrinsen zu sehen ist, haben sich wie nur wenig Vergleichbares in die global-mediale Netzhaut eingebrannt. Da Hitchcock ein Regisseur war, der nichts dem Zufall oder anderen Eventualitäten überließ, liefert er am Ende als Psychogramm des Killers ein qua zur Indizienführung eindringliches, dem aktuellen Stand angemessenes Kurzreferat zum Thema Schizophrenie, von Simon Oakland bewundernswert eloquent vorgetragen. Für mich des Meisters bester Film, eine monumentale Moritat des Grauens, die sich auch nach ungezählt-inflationärer Betrachtung niemals abzunutzen droht.
10*/10
#1537
Geschrieben 24. Dezember 2008, 11:04
The Manchurian Candidate (Botschafter der Angst) ~ USA 1962
Directed By: John Frankenheimer
Raymond Shaw (Laurence Harvey) wird im Koreakrieg während eines Kampfeinsatzes zum Opfer einer kommunistischen Verschwörung, die im Endeffekt zum Ziel hat, Shaws Stiefvater John Iselin (James Gregory) als rote Marionette im Weißen Haus zu platzieren. Raymond und sieben weitere Soldaten seiner Einheit, darunter auch Major Marco (Frank Sinatra), werden entführt und per Gehirnwäsche manipuliert. Raymond selbst fungiert hernach als willenloser Attentäter, der per zweier Schlüsselreize jeden ihm auferlegten Auftrag ausführt, die anderen leiden, zurück in der Heimat, unter schrecklichen Albträumen. Marco kommt den Geheimnissen um ihre einstige Entführung und um seinen Mitveteranen nach und nach auf die Spur.
Als ich "The Manchurian Candidate" vor einigen Jahren zum ersten Mal gesehen hatte, empfand ich ihn in der Formulierung seiner scheinbar paranoiden, antikommunistischen Aussage als schier entsetzlich demagogisch. Mit einer solch vordergründigen Betrachtung wird man allerdings weder dem Film noch Frankenheimers bahnbrechender Leistung gerecht. Meine damalige Annäherung ist unter derart falschen Vorzeichen möglicherweise sogar die beste Basis gewesen für dieses neuerliche, distanziertere Herangehen. Tatsächlich ist "The Manchurian Candidate" kein filmisches Pamphlet wider die Gefahr der roten Unterwanderung, sondern eine bitterböse Satire, die sich die holzköpfigen und hoffnungslos oberflächlich-formlosen Ängste des gemeinen US-Amerikaners, die die Geschehnisse des Kalten Kriegs so mit sich brachten, zunutze macht. Der Verschwörungspakt, an dem anscheinend Vertreter aus sämtlichen der "maßgeblichen" Ostblock-Staaten beteiligt sind, ist bereits in seiner Darstellung eine zu filmischem Leben erweckte Karikatur; der Verhaltensforscher Dr. Yen Lo (Khigh Dhiegh) (natürlich vom Pawlow-Institut) sieht mit seinem diabolischen Grinsen aus wie ein in die Breite gezogener Fu-Manchu (so wird es der Einfachheit halber auch im Film erwähnt), Henry Silva ist als tumber koreanischer Handlanger im Livree dabei und inmitten der Sowjets darf der per se bösartig ausschauende Reggie Nalder mit seinem spitzen Slawenantlitz natürlich nicht fehlen.
Die eigentliche Perfidie des Films liegt darin, bei höchster formaler Brillanz die Grenze zwischen hintergründiger Komik und dem blanken Entsetzen, das der ferngesteuerte Raymond Shaw durchleben muss, fast permanent zu verschleiern, was zunächst den Eindruck böser Orientierungslosigkeit beim Rezipienten hinterlässt. Erst angesichts des von Angela Lansbury brillant ausgespielten Fanatismus der intriganten Politikergattin, die im Hintergrund sämtliche Fäden zieht sowie ihres hirnlos daherpolternden Ehemannes, der dem Whiskey wesentlich zugetaner ist als der Vernunft und der sich auf einem Kostümfest - der Gipfel seiner Bigotterie - als Abraham Lincoln verkleidet (und der offenbar eine Überspitzung Senator McCarthys darstellt), findet man noch eine weitere Ebene des Films vor: Die Dämonie des nordamerikanischen Matriarchats (vielleicht war die - völlig zufällige - Vorsichtung von Hitchcocks "Psycho", s.o., zu dieser Erkenntnis ein hilfreiches Faktum).
Als Bestandsaufnahme der nationalen Befindlichkeit anno 62 ist "The Manchurian Candidate" heute von unerlässlichem Wert, ich kann mir allerdings nach wie vor gut vorstellen, dass er zur damaligen Zeit kein ganz leichtzuschulternder, weil von unbedarften Gemütern bestimmt unschwer misszuverstehender Film war.
8/10
#1538
Geschrieben 25. Dezember 2008, 18:08
Firewalker (Feuerwalze) ~ USA 1986
Directed By: J. Lee Thompson
Die beiden Abenteurer Max (Chuck Noris) und Leo (Louis Gossett jr.) helfen der spleenigen Patricia (Melody Anderson), im mittelamerikanischen Dschungel einen Schatz zu suchen.
"Firewalker" war für uns Steppkes anno 87 eine kleine Sensation, denn es handelte sich um den ersten Film mit Chuck Norris, den man auch mit zehn oder elf Jahren problemlos im Kino ansehen konnte. Der cineastische Gaumen war zu jener Zeit zudem noch wenig veredelt, weswegen auch ein zweimaliger Kinobesuch keineswegs als vertane Zeit empfunden wurde. Die Faszination, die die recht gut aufgelegte Cannon-Produktion in heutigen Tagen ausübt, ist indes eine ganz andere. Zunächst fragt man sich, ob der Regisseur des vorliegenden Films tatsächlich derselbe sein soll, der ein paar Dekaden zuvor Stoffe wie "Cape Fear" und "Guns Of Navarone" zu verantworten hatte. Dann fallen einem prompt die zeitgleich entstandenen Bronson-Kollaborationen ein und der kleine, innere Querulant schweigt wieder stille. Subsummiert lässt sich "Firewalker" umschreiben als eigentlich dürftige Mischung aus Indiana-Jones-Plagiat und Buddy-Movie, gekoppelt mit dem hilf- und erfolglosen Versuch, Norris als Familien-Entertainer zu etablieren. Dabei ist der Film eigenartig frei von jedweden Höhepunkten und plätschert über seine ganze Laufzeit - insbesondere im Rahmen einer Genre-Produktion - angenehm unspektakulär dahin. Eine wirklich tolle Sequenz gibt es allerdings, die als Hommage an Kipling wie an sämtliche Fiesta-Szenen aus irgendwelchen Western fungiert und John Rhys-Davies als selbsternannten Dschungeldespoten mit Nullkurs zeigt. Da erreicht Thompson dann für Sekunden tatsächlich so etwas wie Wehmut und Subkutanität. Undenkbar, was aus dem Film hätte werden können.
Die deutsche Synchronfassung ist übrigens ein unbedingtes Muss, denn sie ist aufgeladen mit Nonsensdialogen aus Schublade 1, die Manfred Lehmann - fistelnd - auf Gossett jr. und der einmalige, hier vorzüglich passende Norris-Sprecher Hans-Werner Bussinger zum Besten geben. Wer dafür verantwortlich war, weiß ich leider nicht, aber ich habe Brandt oder Elsholtz im schwersten Verdacht.
Mir gefällt's alles in allem, Garantien irgendwelcher Art würde ich aber nicht vergeben wollen...
6/10
#1539
Geschrieben 26. Dezember 2008, 09:59
Johnny Flash ~ BRD 1986
Directed By: Werner Nekes
Urplötzlich reißt sich alles um den schmalen Elektriker Jürgen Potzkothen (Helge Schneider), dessen Herz eigentlich nur für Schlager schlägt: Die TV-Redakteurin Dohm (Heike Melba-Fendel) will ihn bei ihrem Sender "Musik SAT" groß rausbringen, der Talentscout Terence Toi (Andreas Kunze) ist sich sicher, mit Jürgen, dem er den vielsagenden Künstlernamen 'Johnny Flash' verpasst, Deutschlands neuen Superstar an der Angel zu haben, und Jürgens herrische Mutter (Andreas Kunze) ist auf alle(s) eifersüchtig.
Auf Werner Nekes' ganz Spezielles: Der hat nämlich schon damals erkannt, das in der Mülheimer Kunstfigur Schneider auch filmisches Potenzial schlummert und ihn mit dem Bühnen-Comedian Andreas Kunze, mit der gefühlten Interpretation von mindestens zehn verschiedenen Rollen der personelle Haupt-Spaßfaktor in "Johnny Flash", vereint. Schneiders hintergründiges Spiel als von einer übermächtigen Mutterfigur (Kunzes Leib- und Magenpart, wie sich in den folgenden drei Schneider-Filmen noch zeigen soll) dominierter Hänfling und kafkaesker Verlierertyp vor dem Tor zur Popularität bestimmt zwar den latent vorhandenen, melancholischen Subton des Films, ohne Kunze, dessen unbestechlicher Blick für die Absurdität des Alltags sich widerspiegelt in geradezu brillant ausgespielten Parts u.a. als Musikinstrumente-Verkäufer, als Optiker, als Schneider und nicht zuletzt als Hitparaden-Moderator (in der Disco "Mirakel"), wäre "Johnny Flash" allerdings nicht halb so komisch. Doch sollte man Schneiders Leistung deshalb nicht schmälern - dieser gibt gegen Ende immerhin diverse Facetten der zeitgenössischen Popszene zum Besten, darunter den Punkmusiker 'Christoph Schlingensief' mit dem Titel "Mir ist alles egal".
Ewige Lieblingsszene jedoch: Das Kaffeekränzchen bei Tante Helmi.
9/10
#1540
Geschrieben 26. Dezember 2008, 10:34
Network ~ USA 1976
Directed By: Sidney Lumet
Nachdem der alternde Nachrichtenmoderator Howard Beale (Peter Finch) wegen sinkender Einschaltquoten von seinem Sender UBS gefeuert wird, erfährt er einen Nervenzusammenbruch, kündigt dann während seiner Sendung an, sich umzubringen, um in der Folge über den persönlichen Freiheitsverlust innerhalb der Konsumgesellschaft zu predigen - alles unter der überraschenden Absegnung des Konzern-Managements (u.a. Robert Duvall). Jenes sieht nach anfänglichen Skrupeln in Beales Ausfällen, die zumeist mit einem Kollaps für ihn enden, bald nurmehr die sensationelle Quote. Beales langjähriger Freund Schumacher (William Holden) betrachtet diese Entwicklung mit Sorge und Kopfschütteln, zumal er parallel eine Beziehung zu der aufstrebenden Karrieristin Diana (Faye Dunaway) pflegt, die, analog zu ihrem steigenden Erfolg, zunehmend rücksichtslos wird. So aktiviert sie schlussendlich einen von ihr selbst medial gepushten Terroristenführer (Arthur Burghardt) aus einem kommunistischen Flügel der Black-Power-Bewegung, um den wiederum erfolgsverlustierenden Beale vor laufender Kamera zu erschießen.
Mit dem Anbringen von Superlativen soll man im Allgemeinen ja bedächtig umgehen, mir ist aber selbst nach vielstündigem Abstand kein hellsichtigeres, brillanteres und vor allem visionäreres Script eingefallen als das von Paddy Chayefsky verfasste zu "Network". In knapp zwei Stunden erläutert man uns auf höchst packende Weise den Zustand der sogenannten "freien Welt", deren Geschicke nurmehr von Ökonomie und Konzernen gelenkt werden und deren Bewohner sich bereitwillig der Zerstreuung durch das Fernsehen hingeben, das, so die Kernthese des Films, ein seelen- und emotionsloses Konglomerat zur Abstillung kurzer Aufbegehrensphasen innerhalb der Bevölkerung ist. Diese Aussagen besitzen heute noch dieselbe Gültigkeit wie vor 30 Jahren, mit dem Unterschied, das man in "Network", abgesehen von ein, zwei sehr überspitzten Elementen vielleicht, primär keine Satire mehr vorfindet, sondern eine kompakte Sozialanalyse. Interessanterweise ist ein Eintrag zu dem Film in der 87er Drittauflage von Hahn/Jansens "Lexikon des Science-Fiction-Films" vorhanden, in dem man ihn noch als bittere Medien-Dystopie wähnt. Nun, die Skrupellosigkeit heutiger Chefetagen dürfte die in "Network" porträtierte in den Schatten stellen, wenn man vermutlich auch geringfügig subtiler agieren würde, um einen solch unliebsamen Populisten wie Beale aus dem Verkehr zu ziehen. Eine solche Brisanz, Nachhaltigkeit und zeitlose Aktualität beweist jedenfalls kein anderer mir bekannter Film.
10*/10
#1541
Geschrieben 27. Dezember 2008, 11:36
Hoffa ~ USA 1992
Directed By: Danny DeVito
Die Lebensgeschichte des legendären Gewerkschaftsführers Jimmy Hoffa (Jack Nicholson), der nach seinem Aufstieg zum einflussreichsten Mann seiner Zunft als Chef der Fernfahrervereinigung "Teamster" in den vierziger Jahren mit der Mafia zu paktieren beginnt, deren Führungsköpfen, wie dem Gangster D'Allessandro (Armand Assante), Zinsdarlehen ausstellt und Mitgliedsbeiträge veruntreut. Nach einer Verurteilung zu einem mehrjährigen Gefängnisaufenthalt wird Hoffa dann frühzeitig durch Nixon begnadigt, muss allerdings seinen Posten als Vorsitzender an seinen Vize und internen Konkurrenten Fitzsimmons (J.T. Walsh) abtreten. Als Hoffa, außer sich vor Wut, daraufhin D'Allessandro zu einem Attentat auf Fitzsimmons nötigen will, indem er dem Mafioso mit der Veröffentlichung intimer Geschäftsdetails droht, wird er kurzerhand "entsorgt".
DeVitos ambitionierte Verfilmung der Hoffa-Bio, dessen Verschwinden für mehr Spekulationen und Berichterstattung gesorgt hat als sein gesamtes übriges Wirken, ist nicht ganz unproblematisch. Der Regisseur selbst setzt sich als dramaturgisch gleichberechtigten Adlatus Hoffas, Bobby Ciaro, neben Nicholsons erwartungsgemäß überstrahlender Performance ein. Dieser Bobby Ciaro besitzt im Gegensatz zu sämtlichen anderen Figuren des Films keine authentischen Wurzeln, sondern stellt für DeVito bzw. den Scriptautoren David Mamet ein narratives Medium dar, dessen Bewunderung und Loyalität gegenüber seinem Chef grenzenlos sind, ihm am Ende jedoch mittelbar den Tod bringen werden. Jenen Kniff mag man noch als Mittel gewisser künstlerischer Freiheit hinnehmen und tolerieren. Wirklich schwierig wird es jedoch, wenn in einem Erzählzeitraum über 40 Jahre stets dieselben Darsteller für ihre Parts eingesetzt werden. Nicholson war immerhin bereits Mitte 50 und in diesem Alter trotz seines unbestreitbaren Könnens einfach keine glaubwürdige Besetzung mehr für einen Endzwanziger, den er schließlich über weite Strecken des Films darzustellen hat. Selbiges gilt für DeVito und noch weitere Akteure. Ob der gute passsende Rat wirklich so teuer war? Technisch allerdings liegt "Hoffa" im Einwandfreien; seine schicken Scopebilder strahlen förmlich vor Zeitkolorit, die Kamera (Stephen H. Burum) beeindruckt durch lange, schnittlose Fahrten und auch inhaltlich, als Milieustudie des US-Gewerkschaftswesens, das in seiner festgezurrten Struktur und seinen inoffiziellen Machtbefugnissen einer politischen Drittgröße gleichkommt, gibt der Film eine lehrreiche Geschichtsstunde ab. Seine paar Schwächen wären angesichts solcher Qualitäten sicherlich vermeidbar gewesen.
7/10
#1542
Geschrieben 29. Dezember 2008, 12:39
Nixon ~ USA 1995
Directed By: Oliver Stone
Die Amtsjahre des vormaligen Vizes und späteren Präsidenten der USA, Richard Nixon (Anthony Hopkins), über seine charakterdominierenden Jugenderinnerungen (übermächtige Elternfiguren, Tod der Brüder), die moralischen Zwiespalte (persönliche Erfolge stets nur über humane Verluste), die Beendigung des Vietnam-Einsatzes, seine ohnmächtige Innenpolitik (Kriegsgegner = Gammler, Kent State, parteiinterne Konflikte, Watergate) und seine zaghafte Öffnung hin zu den Ostmächten China (Mao) und Sowjetunion (Breshnew) bis hin zu seinem langen Rücktritt.
Der zweite Film Stones, der den Namen eines früheren US-Präsidenten trägt, diesmal jedoch keine Effektstudie politischen Widerhalls, sondern das unmittelbare, höchst intime Psychogramm seines Titelspenders. Nixons größtes Problem, so Stones Hauptthese, lag stets in seiner Ungeliebtheit als Mensch und Individuum, die durch seine zur Schau gestellte, schwitzige Unsicherheit, sein erkennbar falsches Grinsen, seine einstudierten Siegerposen und vor allem seine unbezwingbaren Selbstzweifel noch forciert wurden. Er sprach gern von sich selbst in der dritten Person, gerade so, als sei die publizierte Person 'Nixon' ein reines Kunstprodukt, hatte den unbedingten Ehrgeiz, Großes zu leisten und seinem Vorbild Lincoln als ultimativer Friedensstifter nachzueifern und war doch nur ein Alkohol und Tabletten zugeneigter dazu noch häufig recht einfältiger Farmerssohn aus Orange County, der den Schatten seiner ultrakonservativen Herkunft nie vollständig zu überspringen vermochte.
All das stellt Stone mit den bereits eingehend einstudierten und aus seinen vorherigen Werken bekannten Inszenierungsmethoden (Nutzung unterschiedlicher Filmmaterialien, vorschnelle intraszenische Überblendungen, abenteuerliche Perspektiven...) dar und lässt den kammerspielartigen "Nixon" gegenüber seinem direkten Vorgänger "NBK" trotz mancher formaler Analogie und trotz der epischen Länge wirken wie einen idyllischen Ententeich gegen den sturmgepeitschten Ozean. Dennoch ist "Nixon" keinesfalls ein Film, der emotional kaltließe - mit seiner beängstigend realistischen Interpretation verleiht Hopkins dem Ex-Staatsmann den stets gepflegten Duktus der großen, tragischen bis widersprüchlichen Literaturgestalt aus shakespeareschen Gefilden: Zuweilen empfindet man als Rezipient tiefes Mitgefühl für sie und ihre Ausweglosigkeit, möchte sie förmlich umarmen, um ihr seelisches Leid zu lindern - vornehmlich allerdings nur, so lang sie bloße Behauptung und Fiktion bleibt.
9/10
#1543
Geschrieben 30. Dezember 2008, 09:12
Coogan's Bluff ~ USA 1968
Directed By: Don Siegel
Um den Beatnik-Gangster Ringerman (Don Stroud) nach Arizona zu überführen, reist Deputy Coogan (Clint Eastwood) nach New York. Dort soll er Ringerman abholen, der infolge eines LSD-Trips im Gefängnis-Hospital sitzt. Nachdem sich die Großstadt-Behörden furchtbar querstellen, gelingt Ringerman mithilfe seiner Freundin (Tisha Sterling) zu allem Überfluss noch die Flucht. Ohne Waffe, die ihm der missgünstige New Yorker Detective McElroy (Lee J. Cobb) abknöpft, macht sich Coogan auf die Suche nach seinem Gefangenen.
Erste von fünf Kollaboration eines der großen Director-/Actor-Dreamteams des US-Films. In der Gewaltdarstellung und in der Formulierung seiner sozialen Aussage noch wesentlich handzahmer als der drei Jahre später folgende "Dirty Harry", erlebt man hier einen dennoch archetypischen Eastwood-Charakter, der Stetson und Boots auch in der Großstadt mit Würde trägt, sämtliche Anfeindungen bezüglich seiner landeirigen Erscheinung cool an sich abperlen lässt und der vor allem eine anachronistische Misogynität aufträgt, dass es eine wahre Freude ist. Wenn sich eine Dame nicht auf die althergebrachte Weise von ihm rumkriegen lässt, ist Coogan durchaus auch gewillt, zu Lalo Schiffrins vortrefflich perkussionierendem Sound die Fäuste walten zu lassen - diese bittere Erfahrung muss zumindest die ohnehin in punkto Gewalterleben nachhaltig gestörte Ringerman-Freundin Linny Raven (Sterling) machen. In einer wahrhaft göttlichen Szene betritt Coogan auf der Suche nach einer Spur des Gesuchten einen New Yorker Underground-Club, der zweifellos ein Factory-Happening symbolisieren soll. Siegels Inszenierung dieser ihm offenbar unheimlichen Village-Subkultur zeigt auf wunderbare Weise die derzeit das Land durchziehende Ambivalenz. Ein Mann wie Coogan hat hier nichts verloren, andererseits braucht ihn die Jugend als konservatives Autoritätssymbol ebenso wenig wie er sie.
9/10
#1544
Geschrieben 30. Dezember 2008, 09:42
Midnight Cowboy (Asphalt-Cowboy) ~ USA 1969
Directed By: John Schlesinger
Der von seiner urwüchsigen Potenz überzeugte Cowboy Joe Buck (Jon Voight) kommt von Texas nach New York, um sich dort als Gigolo einen Namen zu machen. In der Großstadt angekommen sieht er sich allerdings einer extrem anders gearteten Realität gegenüber: Nicht er ist es, der den Damen das Geld aus der Tasche zieht, im Gegenteil erleichtert man Joe in kürzester Zeit um sein bisschen Habe. Unter anderem luchst ihm der Tagedieb Rizzo (Dustin Hoffman) auf gemeine Weise ein paar Dollar ab (er will Joe angeblich an einen fähigen Zuhälter vermitteln, lädt ihn jedoch bei einem völlig durchgedrehten Jesusfreak (John McGiver) ab). Kurz darauf steht Joe auf der Straße. Als er Rizzo wiederbegegnet, der eine Wohnung in einem Abrissgebäude besetzt hat, beschließt Joe, anstatt sich an ihm zu rächen, das Beste aus beider Lage zu machen und sich auf Rizzos Kleingaunereien einzulassen. Der harte Winter schließlich gibt Rizzos schwerer Tuberkulose den Rest und Joe sieht nur eine Chance, dem Freund das Leben zu retten: Er muss ihn ins warme Florida bringen, koste es, was es wolle.
"Midnight Cowby" war zu seiner Zeit ein Skandalfilm, da er per ungeschöntem Realismus nichts anderes präsentierte als eine rücksichtslose Entromantisierung der Großstadt und die Demontage sämtlicher Hollywood-Mythen von der Urbanität New Yorks als gelobtem Doris-Day- und Managerland. Schlesinger zeigte die zutiefst pessimistische Studie zweier Verlierer, die jeweils eine unangenehme Existenzperspektive repräsentieren: Während der eine den irrsinnigen und tristen Manhattaner Alltag bereits sein Leben lang am eigenen Leib erfahren muss, hat der Provinzler erst zu lernen, das einem auch in New York keine gebratenen Tauben in den Mund fliegen, selbst, wenn man als cowboy-dressed eine verhältnismäßig schmucke Figur macht. Prostitution, Obdachlosigkeit, Krankheit und Elend hält das Leben hier bereit, die Schattenseiten des american dream. Und wie in "Coogan's Bluff" erlebt man gegen Ende von "Midnight Cowboy" wiederum eine Underground-Party (ein "coming in" mit echten Factory members), welche von Bohemiens bevölkert wird, die zwar allesamt nicht den geringsten Schimmer von der sozialen Wahrheit vor der Haustür besitzen, sich aber in ihrer hedonistischen Suhle zwischen Kunst, Uppers und Downers auch schlicht keine Gedanken darum machen müssen. Joe und besonders Rizzo nehmen diese Eindrücke mit dem Rezipienten zusammen als alles zersetzenden, bald albtraumhaften Rausch wahr.
Trotz seines X-Ratings erhielt "Midnight Cowboy", ein großer und wichtiger Beitrag zu New Hollywood, 69 einen Academy Award als bester Film. Vor soviel Wahrheit konnte sich selbst das Establishment nicht verschließen: "Everybody's talkin' at me..."
10/10
#1545
Geschrieben 30. Dezember 2008, 10:13
Marathon Man (Der Marathon-Mann) ~ USA 1976
Directed By: John Schlesinger
Der Geschichtsstudent und Marathonläufer Babe Levy (Dustin Hoffman) weiß weder, dass sein Bruder Doc (Roy Scheider) sich als Agent für die Regierung verdingt, noch dass dieser momentan in einer Affäre um den flüchtigen KZ-Arzt Christian Szell (Laurence Olivier) steckt, der seine in einer New Yorker Bank lagernden Brillanten in Sicherheit bringen will, ohne dass man ihm dabei auf die Füße tritt. Als Doc von ihm umgebracht wird, glaubt Szell, Babe wisse möglicherweise etwas über seinen Schatz und foltert ihn. Babe kann jedoch entkommen und erweist sich als wehrhafter Gegner.
Auch in "Marathon Man", seinem zweiten Film mit Hoffman in der Hauptrolle, arbeitet Schlesinger mit sich langsam entschlüsselnden Rückblenden, die zur Psychologisierung des Protagonisten dienen. Wie Joe Buck hat auch Babe Levy ein schweres Trauma mit sich herumzutragen, in diesem Falle den Suizid des Vaters, der nach einer Befragung durch McCarthy seine Karriere als Historiker beendet sah, betreffend. Ausgerechnet mit dem Auschwitz-Dentisten Dr. Szell, seinen Opfern als "weißer Engel" in grauenhafter Erinnerung (und eine wenig verklausulierte Filmversion des realen Josef Mengele), begegnet ihm nun ein dämonischer "Ersatzvater", nach eigenem Bekunden "selbst ein Teil der Geschichte", dessen an sich irrationales Interesse an Babe jedoch alles andere als familiärer Natur ist. Für Babe eröffnet sich somit gegen Ende - zumindest im Rahmen seiner Bewusstseinswelt - die Möglichkeit, mit gleich zwei Repräsentanten humaner Repression in ein und derselben Person abrechnen zu können.
Als Kriminalgeschichte, besonders was die Involvierung Babes in den Fall anbelangt, ist "Marathon Man" ein beinahe unsinniges Stück. Was den Film dennoch so ausgezeichnet macht, sind seine geradezu physisch-unangenehmen Suspense-Szenen, die Babe als im Prinzip klassischen Hitchcock-Charakter immer tiefer in den Schlamassel hinabziehen (darunter die Sequenz, in der Doc von einem chinesischen Killer überfallen wird; jene, in der die beiden Nazi-Kollaborateure in Babes Wohnung eindringen, während er in der Wanne sitzt, und schließlich die alles überstrahlende Folterszene, deren Reputation dem Film erst seinen potenzierten Popularitätsgrad eingetragen hat). Diese Momente überschreiten regelmäßig die Genregrenzen Richtung Horror und verleihen "Marathon Man" sein extrem dunkles und trotz manch grotesker Momente bemerkenswert humorbefreites Antlitz.
9/10
#1546
Geschrieben 31. Dezember 2008, 08:59
All The President's Men (Die Unbestechlichen) ~ USA 1976
Directed By: Alan J. Pakula
1972, kurz nach dem Watergate-Einbruch: Zwei junge Journalisten der Washington Post, Bob Woodward (Robert Redford) und Carl Bernstein (Dustin Hoffman) werden auf mehr oder weniger deutliche Hinweise aufmerksam, die sie in höchste Regierungskreise lotsen. Die Namen der Hintermänner, Auftraggeber bzw. Absegner des Vorfalls ziehen sich tatsächlich hoch bis ins Weiße Haus und führen rund zwei Jahre später zum Rücktritt Präsident Nixons.
Als das möglicherweise konkreteste Beispiel für extrem konzentriertes Investigations- und Paranoia-Kino ist "All The President's Men" in die Filmgeschichte eingegangen, als ein - zumindest vordergründig - rein an der lückenlosen Rekonstruktion der dargestellten Ereignisse interessierter Film. Für Privates oder gar Intimes findet sich in den 130 Erzählminuten ebnsowenig Platz wie für formale Signaturen; es geht einzig um die Kongruenz zwischen den Ebenen Dramaturgie und Realität, die selten zuvor in einem Mainstreamfilm so akut war wie hier. Wie in vielen Kinostücken dieser Jahre spielt auch in "All The President's Men" die permanente Gefahr, die sich durch die vorsichtige, aber bestimmte Sockelankratzung des Regierungsthrons ergibt, eine vehemente Rolle als Spannungs- wie als Paranoiafaktor: Abhörung und damit latente Formen der Bedrohung werden greifbar, die ungeheure, lauernde und unsichtbare Gefahr der Deprivatisierung, die man bislang lediglich bei Dystopen wie Orwell oder bestenfalls bei/in totalitären Systemen und Staaten hinter dem Eisernen Vorhang vermuten musste, greift in den Bahnen dieses ohnehin unangenehmen Themenkreises Leben und Nerven an. Pakula hat daraus eine Trilogie gefertigt, deren Endpunkt (nach "Klute" und "The Parallax View") diese ebenso meisterlich-minimalistische wie beängstigende Studie über Machtmissbrauch und Presseeinfluss darstellt.
10/10
#1547
Geschrieben 31. Dezember 2008, 09:25
Il Paese Del Sesso Selvaggio (Mondo Cannibale) ~ I 1972
Directed By: Umberto Lenzi
Bei einer Fotoexpedition durch das thailändisch-burmesische Grenzgebiet gerät der Londoner Journalist John Bradley (Ivan Rassimov) in die Fänge eines Eingeborenenstammes. Nachdem man ihn zunächst als nichtmenschliches Wesen betrachtet, ihn gefangenhält und erniedrigt, wird Bradley durch ein Initiationsritual zum Mitglied des Stammes, heiratet die hübsche Häuptlingstochter Marayå (Me Me Lay) und hilft seiner neuen Lebensgemeinschaft im Konflikt gegen benachbarte Kannibalen.
Ein Mann, den sie Fisch nannten: Lenzis Film gilt als Stammvater des Kannibalen-Subgenres, auch wenn die Anthropophagen hier zunächst noch eine untergeordnete Rolle spielen. Vielmehr sieht und findet sich "Il Paese" in direkter Tradition zu Silversteins "A Man Called Horse" (den Lenzi nicht nur inhaltlich, sondern teilweise einstellungsgetreu plagiiert) sowie Jacopettis "Mondo Cane"-Filmen, was neben dem reißerischen Off-Kommentar zu Beginn des Films (eingesprochen von Heinz Petruo) auch der deutsche Titel trefflich suggeriert. Nun, einige wichtige der obligatorischen Elemente und Formalia späterer Kannibalenfilme, deren geistiger Vater neben Deodato und Martino eben auch Lenzi ist, finden sich in "Il Paese" bereits: Leichtgeschürzte Damen vornehmlich dunkler Hautfarbe (darunter natürlich die überaus ansehnliche Me Me Lay, der man noch häufiger in diesen Filmgefilden begegnen sollte), ein unterschwelliger bis offen-überheblicher "Bah-Pfui"-Rassismus gegenüber sogenannten "Naturvölkern" und nicht zuletzt diverse Tierschlachtungen und forcierte -duelle. Zudem erweist sich Lenzi als wohlfeiler Recycler in cormanscher Tradition: Mindestens zwei mehrminütige Szenenfolgen aus dem vorliegenden Film tauchen wiederverwertet in dem vor einigen Tagen von mir gesehenen "Mangiati Vivi" auf, während dessen Soundtrack wiederum erneute Verwendung in "Cannibal Ferox" fand. Ist mir heuer, da ich sie alle in verhältnismäßig kurzen Zeitsabständen gesehen habe, erstmals aufgegangen. Eine unmittelbare Komplettsichtung dieser Triole sollte noch mehr Aufschluss über Lenzis Produktionsstrategien geben. Andererseits dürfte sich der übrige - ästhetische wie intellektuelle - Nährwert in Grenzen halten, daher warte ich wohl noch etwas bis zur tapf'ren Werkschau...
5/10
#1548
Geschrieben 02. Januar 2009, 09:59
The Parallax View (Zeuge einer Verschwörung) ~ USA 1974
Directed By: Alan J. Pakula
Der Journalist Joe Frady (Warren Beatty) wird in Seattle Zeuge eines Mordanschlags auf den Präsidentschaftskandidaten Senator Carroll (Bill Joyce), in dessen unmittelbarer Folge der vermeintliche Attentäter gestellt und ebenfalls erschossen wird. Kurz darauf legt die Untersuchungskommission den Fall als beendet zu den Akten. Drei Jahre nach diesen Ereignissen bittet Joes Ex-Freundin Lee (Paula Prentiss), die am Tag von Carrolls Ermordung selbst zugegen war, Joe um Hilfe: In der Folge des Attentats seinen bereits sechs weitere Zeugen ums Leben gekommen, im Zuge teils obskurster "Unfälle". Joe hält Lee dennoch für überdreht und wird erst stutzig als auch sie einen vorgeblichen Selbstmord verübt. Die anschließenden Nachforschungen führen Joe über verdächtigste Umwege zu der Organisation Parallax, die, wie Joe alsbald herausfindet, Attentäter rekrutiert und offensichtlich im Auftrag höchster Regierungsstellen tätig ist.
Pakula schürt im Scope-Mittelteil seiner Paranoia-Trilogie in immens spannender Weise und unter ausgiebiger Assistenz der nunmehr etablierten Mittel New Hollywoods die unterschwelligen Ängste des gemeinen US-Bürgers, der sein Land während dieser Jahre als Opfer seiner eigenen Mythen-Dekonstruktion erleben musste. Die dazugehörigen Ereignisse, darunter die gezielte Schürung kriegerischer Aggression, diverse erfolgreiche Anschläge auf liberale Politiker sowie Bürgerrechtler und schließlich Watergate waren und sind hinreichend bekannt. Als filmisches Echo ebendieser höchst realen Angstmacher unterstellte das Script zu "The Parallax View", dass vorderste Regierungskreise selbst darum bemüht seien, unliebsame Gegner und ernstzunehmende geistige Kontrahenten aus dem Weg zu räumen und darüberhinaus etliche Vertuschungstaktiken meisterlich beherrschten. Beatty gesellte sich mit der tragischen Rolle seines Joe Frady, dessen so geschickte wie fruchtbare Investigation ihm letztlich nichts weiter einbringt als sein persönliches Verhängnis, zu den (im inhaltlichen Gefüge ihrer jeweiligen eigenen Geschichten stets erfolgreich-glänzenderen) new crime actors Redford und Hoffman - einen Film mit den dreien als Aufdecker-Trio - wie wünschenswert wäre das gewesen - sollte es leider nie geben.
9/10
#1549
Geschrieben 02. Januar 2009, 10:21
Psycho II ~ USA 1983
Directed By: Richard Franklin
Unter größten Protesten seines damaligen Beinahe-Opfers Lila Loomis (Vera Miles) wird Norman Bates (Anthony Perkins) 22 Jahre nach den mörderischen Ereignissen in und um Bates Motel als geheilt aus der forensischen Psychiatrie entlassen - freilich nebst ständiger "Bewährungs-Beobachtung" seines Arztes Dr. Raymond (Robert Loggia). Norman nimmt eine Stelle im örtlichen Imbiss an und muss sich mit seinem schmierigen Verwalter Toomey (Dennis Frantz) herumärgern, der das Motel zu einem verrufenen Stundenhotel umfunktioniert hat. Wenigstens seine junge Kollegin Mary (Meg Tilly) gibt ihm Halt und Sympathie. Schon bald jedoch erhält Norman telefonische und schriftliche Botschaften von seiner toten Mutter, die ihn langsam aber bestimmt zurück in den alten Wahn drängen.
Darüber zu diskutieren, ob die Fortsetzung eines Films, der in seiner absoluten Geschlossenheit keiner Fortsetzung bedurft hätte, überhaupt irgendeine Existenzberechtigung in sich trägt, ist ebenso müßig wie eine vergleichende Qualitätsanalyse. Dass Hitchcocks Film keinen nur annähernd ebenbürtigen Nachfolger hätte erwarten können, ist daher auch eine prinzipiell wertlose Feststellung. "Psycho II" lässt sich bestenfalls als eigenständiger, von einer fremden geistigen Idee zehrender Film ansehen und beurteilen. Abgesehen davon, dass bereits die narrative Hauptprämisse vollkommen unglaubwürdig ist und dass das Finale sich in einer Flut aus Enthüllungen ergeht, die in ihrer Inflation fraglos allzu wohlmeinend daherkommen, kann man einen recht unterhaltsamen, spannenden und versiert hergestellten Thriller erleben, der ohne obsolete Reminiszenzen an das Original nicht auskommt und der zumindest in der erneuten Verpflichtung des die Klaviatur des ewigen psychischen Pflegefalls nach wie vor meisterlich beherrschenden Perkins punkten kann.
Dass "Psycho II" grundsätzlich kein gelungener Film hat werden können, ist somit klar, umso erfrischender, auf welch solidem Niveau er dann letztlich scheitert.
6/10
#1550
Geschrieben 02. Januar 2009, 10:37
Psycho III ~ USA 1986
Directed By: Anthony Perkins
Alles ist wieder beim Alten in Bates Motel, das Vacancy-Schild leuchtet, die Eismaschine schnurrt, Norman (Anthony Perkins) präpariert Vögel und die aktualisierte Mumienmutter hockt oben am Fenster. Drei Personen bringen dann erneute Aufregung in Normans dahinplätscherndes Leben: Die psychisch arg lädierte Ex-Novizin Maureen (Diana Scarwid), die ausgerechnet bei Norman Asyl sucht, der schmierige Gitarrist Duke (Jeff Fahey), den Norman als seinen Vertreter engagiert und die neugierig-forsche Autorin Tracy Venable (Roberta Maxwell), die ein Buch über rehabilitierte Gewaltverbrecher schreibt.
Mit dem Angebot, selbst Regie führen zu dürfen, lockte die Universal Perkins erneut zurück in seinen Fluch- und Lebenspart. Da man sich ja bereits mit dem Gedanken hat abfinden müssen, dass aus Psycho" nunmehr ein Serial geworden ist, kann man sich auf den dritten Teil, quasi als eine Art Slasher für sophistische Cineasten, etwas gelassener einlassen als auf den zweiten. Perkins müht sich redlich, neben den weiterhin das Original betonenden, üblichen Kamera- und Tonspur-Erinnerungsfetzen seine eigene Signatur zu etablieren und Norman Bates nunmehr tatsächlich in den Achtzigern ankommen zu lassen. Zwar schlägt Norman resp. seine Mutter hier (nach zwei Morden im Original und nur einem im Sequel) deutlich öfter und forscher zu als gewohnt und wird sich von nun an die Zuordnung zum film serial killer endgültig verdient haben, dennoch enthält sich "Psycho III" standhaft und, wie ich meine, erfolgreich des Abgleitens in allzu sleazige Exploitationsphären. Die Story wird so glaubwürdig weitergesponnen, wie es ein Zweitsequel zulässt und man hat den Eindruck, dass Perkins im Gegensatz zu Franklin mit dem Medium Farbe etwas anzufangen wusste. Als (Kino-)Schlusspunkt der Reihe daher durchaus zulässig. Finde ich okay.
6/10
#1551
Geschrieben 02. Januar 2009, 15:53
Psycho IV: The Beginning ~ USA 1990
Directed By: Mick Garris
Vier Jahre nach seinen letzten Untaten ist Norman Bates (Anthony Perkins) nicht nur wieder auf freiem Fuß, er ist zudem mit seiner ehemaligen Ärztin (Donna Mitchell) verheiratet und wird demnächst Vater! Letztgenannter Umstand bereitet Norman allerdings massives Kopfzerbrechen, denn die böse Saat, die in ihm schlummert und derer er sich nunmehr vollends bewusst ist, führt er allein auf genetische Faktoren zurück. Daher plant er jetzt seinen finalen Mord - an seiner Frau. Glücklicherweise wird an diesem schicksalhaften Abend - nebenbei Normans Geburtstag - in einer Radio-Talkshow, in der Norman sich telefonisch zu Wort meldet, das Thema "Matrizid" behandelt. Die engagierte Moderatorin (CCH Pounder) vermag Norman mit Engelszungen sein Vorhaben auszureden - oder doch nicht?
Der unwürdige Abschluss der Reihe erblickte als TV-Produktion das Licht der Welt - somit lässt sich die grenzenlose Einfalt des Dargebotenen zumindest halbwegs entschuldigen. Zunächst einmal ist die Filmrealität von "Psycho IV" wohl als rein hypothetische Spekulation zu begreifen - wieso um alles in der Welt sollte ein geistesgestörter Serienmörder, der summa summarum zehn Menschen auf dem Gewissen hat, davon immerhin zwei Fünftel nach einem mit Pauken und Trompeten gescheiterten Versuch der Rehabilitierung, nur vier Jahre nach seinem letzten Mord unter demselben Namen ein schickes Eighenheim bewohnen und darüberhinaus in den Stand der Ehe getreten sein - zudem mit der eigenen Pschologin, der es offenbar extrem an Professionalität mangelt, übersieht sie doch vor lauter Liebe zu ihrem geisteskranken Angetrauten, dass dieser nach wie vor eine tickende Zeitbombe darstellt? Von der dümmlichen Idee um die Radioshow abgesehen, rechneten die Ersinner dieser ergo grenzschwachsinnigen, finalen Erlösungsmär um Norman Bates wohl mit ihrem narratologischen Kniff der eingehenden Biographisierung ihrer Figur, diverse achronologische Rückblenden und die Darstellung der ersten vier Morde seines Lebens inbegriffen. An sich tatsächlich nicht übel, zumal die besten und einzig respektablen Teile des Films, ihre inhaltliche Einbettung jedoch wird bald zum Opfer der eigenen Konfusion. Besonders um Perkins, dessen Darstellung mit dem Norman Bates der sich über 26 Jahre erstreckenden ersten drei Teile kaum mehr etwas gemein hat (sein schüchternes Wesen mitsamt der bislang so liebevoll gehegten, linkischen Unsicherheit ist urplötzlich einem depressiv-abgeklärten, seine zwischen glücklos und abgrundtief böse pendelnde Natur akzeptierenden Charakter gewichen) tut es einem leid: Man spürt förmlich, dass und wie es ihm zum Hals raushängt. Und wie sich auch noch John Landis in diesen Torffilm verirrt hat, bleibt ebenfalls ein eigenartiges Rätsel. Mit dem geht es ja seither auch bloß noch talabwärts.
3/10
#1552
Geschrieben 03. Januar 2009, 12:54
Blow Out ~ USA 1981
Directed By: Brian De Palma
Jack Terry (John Travolta) ist Tondesigner für ein B-Filmstudio in Philadelphia. Als er eines Nachts im Park mit einem Richtmikrofon auf die Suche nach interessanten Tonquellen geht, wird er Zeuge eines Unfalls: Der hochrangige Gouverneur McRyan (John Hoffmeister) stürzt mit seinem Wagen in einen Fluss. Als Jack geistesgegenwärtig hinterhechtet, findet er den Gouverneur unter Wasser bereits tot, während er Sally (Nancy Allen), einer weiteren Insassin des Wagens, das Leben retten kann. Erste Unebenheiten für Jack ergeben sich im Hospital, wo man ihn inständig bittet, Stillschweigen über Sallys Unfallbeteiligung zu bewahren, die Situation für McRyans Familie würde ansonsten sehr prekär. Dann findet Jack bei der Abhörung seiner Tonaufnahmen heraus, dass vor dem Platzen des Unfallreifens deutlich ein Schuss zu hören ist. Es muss sich also um Mord handeln. Zudem ist Sally in das sich immer mörderischer gestaltende Komplott verwickelt.
De Palma macht aus der von Antonioni in "Blow-Up" verwandten Idee um einen Mordzeugen, dessen eigentliche Wahrnehmung der Tat verzögert und über ein Medium geschieht, einen Verschwörungsthriller in der Tradition von Pakula. Dazu verwendet er eine Vielzahl unterschiedlicher Stilismen: Überblenden, Split-Screens, Experimente mit der Tiefenschärfe, ausgedehnte 360-Grad-Schwenks, Aufnahmen aus der Vertikalperspektive, lange Kamerafahrten und anderes mehr. Die wie stets blumige Musik Pino Donaggios schließlich macht das Erscheinungsbild des Films unverkennbar. Im Gegensatz zu Antonioni interessieren De Palma jedoch keine inhaltlichen Meta-Konstrukte oder Milieu-Porträts; seine Kriminalgeschichte ist trotz ihrer verschachtelten Darstellung sehr trivial und angefüllt mit Klischeefiguren. Es gibt den schmierigen Erpresser (Dennis Franz) und den irren Mörder (John Lithgow), dessen Auftraggeber ihn abschreiben müssen, weil er sich als völlig entfesselter Psychopath zu erkennen gibt. Travolta ist der gutaussehende Held mit bitterer Vergangenheit (seine Abhörkunst wurde ehedem bei der Polizei genutzt, kostete wegen unzureichender Technik jedoch einen V-Mann das Leben), die Allen gibt ihren hinlänglich bekannten De-Palma-Part als hero's support bzw. ordinäres Blondchen. Die Idee mit dem fingierten Filmprolog nutzte der Meister drei Jahre später nochmals für "Body Double". Insgesamt also ein mitten aus der künstlerischen Vita De Palmas gegriffener, bald experimenteller Kriminalfilm mit den ebenfalls üblichen Sleaze-Prisen, der in seiner Zweitfunktion als Politthriller allerdings keinen ganz so erquicklichen Stand innehat.
8/10
#1553
Geschrieben 03. Januar 2009, 15:35
F/X - Murder By Illusion (F/X - Tödliche Tricks) ~ USA 1986
Directed By: Robert Mandel
Der Spezialeffekt-Magier Rollie Tyler (Bryan Brown) lässt sich gegen stattliches Entgelt von einem Beamten (Mason Adams) des Justizministeriums anheuern, um den bedeutenden Mafiaboss DeFranco (Jerry Orbach) vorgeblich in aller Öffentlichkeit zu erschießen. Da dieser "Mord" eben bloß so aussehen soll als wäre es einer, versichert man sich der versierten Künste Tylers. Dieser sieht sich nach vollzogenem Auftrag jedoch selbst als Gejagten, der DeFranco unwissentlich mit scharfer Munition statt wie geplant mit Platzpatronen getötet haben soll. Tyler taucht unter und stellt auf eigene Faust handfeste Ermittlungen gegen seine Gegner an, während der ambitionierte Lieutenant McCarthy (Brian Dennehy) ebenfalls ahnt, dass der Hase in eine ganz andere Richtung läuft.
Weitgehend clever konstruierter Thriller mit der bereits vielfach verwendeten Figur des unschuldigen Gutbürgers, der sich unversehens als Opfer eines Komplotts wiederfindet und sich in Ermangelung offizieller Unterstützung selbst helfen muss. Dass man, um die selbstredend vorhandene Schlagfertigkeit ebendieses Protagonisten hervorzuheben, ausgerechnet den filmischen Spezialeffekt herangezogen hat, ist ein recht origineller, selbstreferenzieller Einfall. Analog zu dem ohne allzu grelle Wendungen auskommenden Plot verzichtete Mandel darauf, die Grundstimmung weder weichzuspülen noch allzu hart zu gestalten, sondern wählte den goldenen Mittelweg. Das Ganze ausstaffiert mit einer ungewöhnlichen Quasi-Buddy-Erzählung, die erst gegen Ende ihre hübsche und herrlich unmoralische Erfüllung erfährt, und fertig ist ein durchweg solider, oberflächlich-harmoser Genrebeitrag, der angenehm als Produkt seiner Entstehungszeit identifizierbar ist.
7/10
#1554
Geschrieben 04. Januar 2009, 11:42
Carrie ~ USA 1976
Directed By: Brian De Palma
Die Schülerin Carrie White (Sissy Spacek) leidet unter ihrer Mutter (Piper Laurie), einer religiösen Fanatikerin. Deren unzureichende Erziehung verleidet Carrie das Leben eines normalen Teenagers, ihre Mitschülerinnen schließen sie aus, verspotten sie und betrachten sie als hoffnungslosen Sonderling. Als Carrie, die noch nicht aufgeklärt wurde, ausgerechnet nach dem Sportunterricht ihre erste Periode bekommt, weiß sie nicht, was mit ihr vorgeht und sieht sich einer noch schlimmeren Hänselei ausgesetzt als ohnehin. Die Lehrerin (Betty Buckley) lässt auf die Mädchen ein harte Strafe ergehen, die sich die besonders renitente Chris (Nancy Allen) nicht gefallen lässt. Zeitgleich mit der Geschlechtsreife erwachen bei Carrie auch telekinetische Kräfte, die ihre bigotte Mutter erwartungsgemäß als Teufelswerk abtut. Sue (Amy Irving), einer weiteren Mitschülerin Carries, tut es leid um die Außeneiterin und sie überredet ihren Freund Tommy (William Katt), mit Carrie zum Abschlussball zu gehen. Das Blatt scheint sich langsam zu wenden, doch Chris hegt nach wie vor böse Rachepläne.
In weichzeichnerischer, märchenhafter Gestaltung ließ De Palma diese vielleicht beste aller King-Verfilmungen leuchten, machte daraus eine denkwürdige Parabel über die Klippen des Erwachsenwerdens und das potenziell bestialische Missgönnertum bei Teenagern. Alles an "Carrie" wirkt erschreckend und nihilistisch, das seltsam verschlossene Mädchen selbst, von Sissy Spacek unnachahmlich dargestellt, ihre Altersgenossinnen und das hilflose erwachsene Umfeld, das ihr, mit Ausnahme der Sportlehrerin und Ersatzmutter Miss Collins, keinerlei Trost oder Unterstützung zu leisten vermag - eher das Gegenteil scheint der Fall. Dreh- und Angelpunkt von Carries fehlgeleiteter Sozialisation ist jedoch ihre Mutter, eine der hassenswertesten Gestalten des modernen Genrekinos, mit ihrem widerlichen, verqueren Faible für allerlei christlichen Tinnef (darunte eine verrückte Jesusfigur mit batteriebetriebenen Leuchtaugen), die aufgrund der tiefen Verleugnung ihre eigenen Sexualität ihre Tochter ins Verderben reißt.
Die komisch gehaltenen Szenen (das Nachsitzen bzw. -hopsen, die Vorbereitung auf den Ball), die vordergründig zur Auflockerung der verzehrenden Atmosphäre dienen sollen und die von Donaggio mit merkwürdig humoresk klingender Musik untermalt sind, entpuppen sich postwendend als unerwartet homogene, weil zutiefst sarkastische Ergänzung innerhalb des Gesamtwerks, als Travestie der üblichen Highschool-/Teenage-Comedy. Der denkwürdige Schock am Ende ("Carrie White burns in hell") finalisiert diesen noch heute aufregenden Klassiker. Fantastisch.
10/10
#1555
Geschrieben 04. Januar 2009, 12:05
The Fury (Teufelskreis Alpha) ~ USA 1978
Directed By: Brian De Palma
Im Zuge einer spektakulären, als Terroranschlag getarnten Aktion, lässt Agent Childress (John Cassavetes) Robin (Andrew Stevens), den telekinetisch begabten Sohn seines Ex-Kollegen Peter Sandza (Kirk Douglas) entführen, um ihn zum Kriegsinstrument umzuerziehen. Peter liefert sich mit den Entführern seines Sohnes ein mehrmonatiges Katz-und-Maus-Spiel, bis ihn die junge Telekinetin Gillian (Amy Irving), die sich in ein Institut für PSI-Begabte einweisen lässt, auf Robins Spur führt. Dieser ist jedoch mittlerweile unter dem Einsatz scharfer Indoktrination und allerlei Drogen zu einem aggressiven, mordenden Monster umgedreht worden. Als Robin schließlich seinem Vater gegenübersteht, hat er jede Form der Rationalität längst eingebüßt.
Das Tele-/Psychokinese-Motiv aus "Carrie" führt De Palma in "The Fury" weiter, diesmal allerdings im Rahmen eines handfesten Sci-Fi-Verschwörungsthrillers. Eine bitterböse Grundstimmung, die gleich zu Beginn unmissverständlich darauf hinweist, dass man es hier mit einer inhaltlichen Einbahnstraße Richtung Hölle zu tun bekommt, zeichnet allerdings auch diesen Film aus. De Palmas Inszenierung ist hier mit Ausnahme ein paar extraordinärer Kamerareisen und SloMo-Sequenzen eher konventionell ausgefallen und auf den verschlungenen Plot konzentriert. Die Besetzung passt durchweg und ist bis in die Nebenrollen vorzüglich, besonders Charles Durning und Carrie Snodgress überzeugen als Anti-Überzeugungstäter. Den fiesesten Streich spielt De Palma allerdings am Ende seinem Kollegen Cassavetes, den er, sozusagen schulterklopfend von einem auteur zum anderen, möglicherweise auch ein wenig neiderfüllt über dessen true independence, in einer der denkwürdigsten Splattersequenzen der Filmgeschichte vermittels einer gigantischen Blutfontäne exoplodieren lässt. Eine ziemlich perfide Sequenz darüberhinaus, glaubt man doch, dass es nach der Auslöschung von drei Vierteln der Sympathieträger des Films eigentlich genug sei. Aber der gute John ist hier ja auch der Böse.
8/10
#1556
Geschrieben 04. Januar 2009, 12:33
Body Double (Der Tod kommt zweimal) ~ USA 1984
Directed By: Brian De Palma
Hollywood: Der arbeitslose, unter Klaustrophobie leidende Akteur Jake Scully (Craig Wasson) lernt, mittellos und auf der Straße sitzend, den Kollegen Sam Bouchard (Gregg Henry) kennen. Dieser unterbreitet Jake ein verführerisches Angebot: Er kann für ein paar Tage in einem luxuriösen Loft auf einem Turm in den Hills hausen. Das Beste allerdings: Gegenüber der Wohnung befindet sich ein Haus, in dem Abend für Abend eine brünette Schönheit masturbiert, die man vom Loft aus per Fernglas beobachten kann. Jake, der um das Haus herum noch andere Gestalten schwirren sieht (darunter den prügelnden Ehemann der Nachbarin und einen entstellten Indianer, der ihr Haus beobachtet), bemüht sich bald darauf, Gloria (Deborah Shelton), so der Name der Schönen, kennzulernen. Nach einem kurzen Techtelmechtel muss Jake am folgenden Abend durch das Fernglas beobachten, wie der Indianer, der Gloria zuvor am Strand den Kartenschlüssel gestohlen hat, in ihr Haus eindringt und sie mit einem Drillbohrer ermordet. Jede Hilfe kommt zu spät. Kurz darauf wird der frustrierte Jake stutzig: Im Fernsehen sieht er die Vorschau eines Pornofilms, dessen Hauptdarstellerin Holly Body (Melanie Griffith) eine ihm nur allzu vertraute Masturbationsnummer vorführt...
All jenen, die ihn vorschnell und geringschätzig als "Hitchcock-Epigonen" abtaten, zeigte De Palma mit dieser Doppel-Hommage an "Vertigo" und "Rear Window", die zudem demonstrierte, was aus den ehemals schlüpfrigen Subtexten des Altmeisters in liberaleren Zeiten zu machen sei, den blanken Hintern. In herrlich langsamen, so streng komponierten wie offenkundig selbstverliebten Einstellungen schuf De Palma das ultimative Porträt des eher schwächlichen, zudem mit einem besonderen Handicap belasteten Helden (s. L.B. Jefferies/Scottie Ferguson) als Voyeur und Schlüpferschnüffler, zudem die absolute Identifikationsfigur eines jeden (heterosexuellen) männlichen Rezipienten, der sich von der "Darbietung" im gegenüberliegenden Schaufenster zu Pino Donaggios Verführungsmusik erotisch anregen lässt. De Palma hielt also, unabhängig von der spannenden Kriminalgeschichte und den Mehrfach-Maskeraden, die es zu entschlüsseln gilt, jedem - oder belassen wir's im moderaten Feld - den meisten - seiner Zuschauer auf subtile Weise den persönlichen Spannerspiegel vor. Dass der "Vertigo"-Effekt hier ausgerechnet bei der Beschau eines Pornotrailers eintritt, ist ein weiterer, eher unsanfter Tiefschlag - besonders für all jene, die sich, ebenso wie Jake Scully im Film, von der blondbürstigen Holly Body sogleich an die Frau im Nachbarhaus erinnert fühlen (zugegeben liefert Donaggios Thema dabei keine unbeträchtliche Hilfestellung). Dass die Geschichte hier und da Löcher aufweist, ist in diesem Fall wirklich einmal Nebensache. "Body Double" ist ja sowieso viel weniger Kriminalfilm denn pure Gegenwartslyrik.
10/10
#1557
Geschrieben 04. Januar 2009, 19:15
Groundhog Day (Und täglich grüßt das Murmeltier) ~ USA 1993
Directed By: Harold Ramis
Der Pittsburgher Wetterfrosch Phil Connors (Bill Murray) kommt mit Kameramann (Chris Elliott) und Aufnahmeleiterin (Andie MacDowell) in die Kleinstadt Punxsutawney, um genervterweise über den traditionellen "Murmeltiertag" zu berichten, den man hier an jedem 2. Februar begeht und bei dem das Murmeltier Phil das Wetter der nächsten sechs Wochen vorhersagt. Ein Schneesturm verhindert die termingerechte Heimkehr des Trios und so ist man zu einer weiteren Übernachtung auf dem Lande gezwungen. Umso größer Phils Grauen, als er am nächsten Morgen um Punkt 6 Uhr erwacht und denselben Tag erneut erlebt - lediglich der Anfang einer schier unendlichen Serie von Murmeltiertagen.
Trotz ihrer biederen Gutmenschenmoral (Phil kommt erst aus der Zeitschleife heraus, nachdem er den "optimalen" Tag verlebt hat, was letztlich nichts anderes bedeutet als ein übergebührliches Maß an Philanthropie und Hilfsbereitschaft zu demonstrieren) eine sehr liebenswürdige Komödie, mit vorsätzlich unkitschiger und grundehrlicher Romantik bonifiziert. Der spätere Bill Murray verdankt "Groundhog Day", der seinen typisch-lakonischen Filmtypus wohl so scharf konturiert hat wie keine seiner Rollen zuvor, beinahe alles. Im Grunde ist der gesamte Film ein auf anderthalb Stunden gestreckter "Saturday Night Live" -oder "National Lampoon" (aus deren Stall auch Ramis stammt) - Sketch, der mit seinem main comedian steht und fällt (zweiteres geschieht freilich nicht) sowie eine entsprechende Einmannshow für Murray, der den ätzenden Zyniker zu Anfang so erfrischend liebenswert porträtiert, dass man gern einen eigenen für zu Haus hätte. Das eigentlich Tolle an "Groundhog Day" allerdings ist seine nie ablaufende Halbwertszeit - so oft man ihn auch sieht, er büßt kein Qualitätsfünkchen ein. Ich schätze, das macht einen Film erst zu etwas wirklich Besonderem.
9/10
#1558
Geschrieben 05. Januar 2009, 11:52
Touch Of Evil (Im Zeichen des Bösen) ~ USA 1958
Directed By: Orson Welles
Der hochrangige mexikanische Polizist Vargas (Charlton Heston) und seine amerikanische Frau Susan (Janet Leigh) werden in einem kalifornischen Grenzstädtchen Zeugen eines Bombenattentats auf den lokalen Industriellen Linnekar. Zur Klärung des Falles wird der schwergewichtige Captain Quinlan (Orson Welles) beordert, der in diesem Flecken Land Recht und Ordnung eindrucksvoll und als absolute Instanz verkörpert. Während Vargas die hiesige Polizei unterstützt, wird Susan das Opfer diverser Einschüchterungsmanöver durch den Ganoven Grandi (Akim Tamiroff), dessen ebenfalls kriminellen Bruder Vargas in Mexico City dingfest gemacht hat und demnächst vor Gericht stellen wird. Vargas stellt derweil fest, dass die Ermittlungsmethoden des vorgeblich reinwestigen Quinlan alles andere als astrein sind: Dem Hauptverdächtigen (Victor Millan) an dem Bombenanschlag schiebt Quinlan offensichtlich und eigenhändig die Tatbeweise unter. Als Vargas Quinlan zu verstehen gibt, dass er seine Vorgehensweise durchschaut, lässt sich Quinlan auf ein teuflisches Geschäft mit Grandi ein, der seinerseits bereits damit beschäftigt ist, die in einem Wüstenmotel festsitzende Susan terrorisieren zu lassen.
Gestern habe ich zum zweiten Mal die 1998 von Schmidlin und Murch rekonstruierte Fassung gesehen. Jene geht auf nahezu sämtliche Änderungswünsche ein, die Welles den Universal Executives als mittlerweile legendäres 58-Seiten-Memorandum schickte, nachdem er die vom Studio umgeschnittene, mit eigenmächtig nachgefilmten Szenen erweiterte und ihn erwartungsgemäß ungehalten zurücklassende Version zu Gesicht bekommen hatte. Die Universal zeigte sich unbeeindruckt und Welles schuf nach dieser letzten bitteren Erfahrung mit dem Studiosystem zeitlebens keinen Film mehr auf US-Terrain.
Die Differenzen zwischen den Versionen sind signifikant: Unter anderem werden die Credits im 98er-Recut erst am Ende vorgestellt, Henry Mancinis unnachahmlicher Score wird in der Eingangsszene ausgespart (eine Änderung, mit der ich mich nicht so recht abfinden mag), die Szenen, die die jeweiligen Erlebnisse von Vargas und seiner Gattin zeigen, sind nun nicht mehr nacheinander- sondern gegengeschnitten, die Überfallsequenz im Motel mit Mercedes McCambridge als burschikoser Ganganführerin wirkt heuer weniger grell und dadurch umso bedrohlicher.
Nachdem ich die WDR-Fassung, bei der es sich letztendlich um einen Bastard aus der alten Kinofassung und einiger für den späteren Recut verwendeter Szenen handelte, über die Jahre so lieb gewonnen hatte, fällt es mir noch immer nicht leicht, mich an die schließlich in Welles' Sinne modifizierte Version zu gewöhnen. Dem Film selbst, einem wahrhaftigen Kino-Manifest, tut das allerdings keinerlei Abbruch, der ist und bleibt so oder so perfekt. Welles jongliert mit Einstellungen wie ein Kleinkind mit Luftballons, seinen Kamerakran lässt er lustvoll auf- und abfahren; er zeigt als erster Regisseur überhaupt eine Autofahrt ohne Rückprojektion und lässt die schmutzige Verwerflichkeit kleiner Gangsterwelten und großer Korruption so ungeschönt und zugleich blindlings einflussreich auf der Leinwand erscheinen, als gelte es, Geschichte zu schreiben. Und ebendas hat "Touch Of Evil", über die Jahrzehnte hinweg.
10*/10
#1559
Geschrieben 06. Januar 2009, 12:23
Far From The Madding Crowd (Die Herrin von Thornhill) ~ UK 1967
Directed By: John Schlesinger
England, 19. Jahrhundert: Die tapfere, aber emotional unreife Gutserbin Bathsheba Everdene (Julie Christie) muss sich zwischen drei Männern entscheiden, denn nur mit einem von ihnen wird sie den Rest ihres Lebens verbringen können. Soll es der arbeitsame Schäfer Gabriel (Alan Bates), der ältere, aber wohlhabende und von Bathsheba besessene Nachbar Boldwood (Peter Finch) oder gar der schuftige Filou und Armist Troy (Terence Stamp) werden?
To cut a long story short: Schlesingers verfilmung von Thomas Hardys klassischem Frauenschicksalsroman ist ein traditionell episch gefertigter Schmachtfetzen im MGM-Stil der Sechziger. In jeder Hinsicht tadellos, mit existenzialistischer Schwere versehen und so wild und zerklüftet wie die Klippen von Dorset. Böse Zungen könnten darüber lästern, dass die Story an Redundanz kaum zu überbieten sei, hätte die ebenso reizende wie naive Batsheba gleich zu Beginn ihren Stolz etwas im Zaum gehalten, aber natürlich ist Hardys Geschichte auch eine Moritat darüber, dass ein Lebensweg mindestens so wertvoll sein kann wie sein (vorläufiges) Ziel. Kombiniert mit den in granitenem Grau gehaltenen 70mm-Bildern ergibt das den idealen Sonntagnachmittags-Kuschelfilm, insbesondere, wenn man wie ich bei jedem Lächeln Julie Christies zu flüssiger Schokolade dahinschmilzt.
8/10
#1560
Geschrieben 09. Januar 2009, 10:46
The Thrill Of It All (Was diese Frau so alles treibt) ~ USA 1963
Directed By: Norman Jewison
Beverly (Doris Day), die Frau des Gynäkologen Dr. Gerald Boyer (James Garner), erhält unversehens ein Angebot von Mr. Fraleigh (Reginald Owen), Seifenproduzent und halbseniler Schwiegervater einer von Geralds Patientinnen (Arlene Francis): Beverly soll in einer allwöchentlichen Live-Aufzeichnung Werbung für "Happy"-Seife im Fernehen machen. Ihre erste, selbstempfunden blamable Feuerprobe avanciert zu einem Publikums- und Kritiker(!)-Hit, woraufhin sich Beverly breitschlagen lässt, ein Jahr lang für Fraleigh zu arbeiten. Dafür geht jedoch das ehemals so traute Familienleben über die Wupper und Gerald muss sich allerlei einfallen lassen, um Beverly wieder zurück an den Herd zu kriegen.
Eine der reaktionärsten Day-Comedies, ersatzweise mit James Garner statt mit Rock Hudson (einen entsprechenden Gag gibt es natürlich a priori), dessen Einsatz allerdings erfolgreich genug war, um ihn kurz darauf zu wiederholen. Days Propagierung der amerikanischen Familienmutter, die ihren Part ausschließlich als Heimchen und Hausfrau optimal auszufüllen vermag, dürfte ein feister Schlag in die Gesichter aller Feministinnen weltweit gewesen sein; die altbackene Moral der Geschichte verortet die Karriereoptionen ausschließlich beim (akademisch gebildeten) Mann, während die Ehefrau, die sich nicht nur um sämtliche häuslichen Belange zu kümmern, sondern gleich noch ihr eigenes Ketchup herzustellen hat, im plötzlichen Berufsfall die langfristige Zerstörung der Institution Familie herbeizuführen droht. Natürlich kann man - ernsthaft - das Ganze auch mit einem Augenzwinkern wahrnehmen, insbesondere mit dem Abstand von 45 Jahren. Nebenbei gefallen mir als TV-Pessimisten natürlich die seriellen Tiefschläge gegen die Fernsehmechanismen recht gut und ich muss ebenso zugeben, dass ich mich von der durchsichtigen Day-Masche von Zeit zu Zeit gern einwickeln lasse. Aber das ist ja nichts Neues.
7/10
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