In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1561
Geschrieben 09. Januar 2009, 11:12
Heaven Can Wait (Der Himmel soll warten) ~ USA 1978
Directed By: Warren Beatty
Der ehrgeizige Football-Quarterback Joe Pendleton (Warren Beatty) wird durch das Versehen eines übereifrigen Sensenmannes (Buck Henry) zu früh in den Himmel abberufen. Voller Protest nötigt Joe den Himmelspatron Mr. Jordan (James Mason), ihn schleunigst wieder zur Erde zurückzubringen, schließlich gelte es, den diesjährigen Super Bowl zu gewinnen. Joe entscheidet sich kurzerhand für den Körper des just von seiner Frau (Dyan Cannon) und deren Liebhaber (Charles Grodin) ermordeten Industriemagnaten Farnsworth. Dieser entpuppt sich als exzentrischer Großkapitalist, der zu Lebzeiten echt ungenießbar gewesen sein muss. So lernt Joe in seinem neuen Körper die engagierte Lehrerin Betty (Julie Christie) kennen, die verhindern möchte, dass Farnsworth ihr englisches Heimatdorf hinfortplaniert. So entwickelt sich Joe als Farnsworth nach und nach zum Heilsbringer, trainiert mithilfe seines eingeweihten Kumpels Max (Jack Warden) fleißig für den Super Bowl und kann Bettys Herz für sich gewinnen. Allein die Zeit in Farnsworth' Körper läuft ab; der nächste Mordanschlag auf ihn steht unmittelbar bevor...
Back to the roots: Seine Erfahrungen mit New Hollywood nutzte Warren Beatty, um eine liebenswerte feel-good-comedy im Stil der Fünfziger und Sechziger zu kreieren, zudem das Remake eines bereits bekannten Stoffes ("Here Comes Mr. Jordan"). Das ist mitnichten widersprüchlich; selbstredend bleiben die jüngeren Einflüsse nicht unbemerkt und die sophistische Ironie, mit der das Thema modernisiert wird, relativ einsehbar. Beatty nutzt den bei Altman abgeschauten Weichzeichner-Effekt, um seine ansonsten sehr realistischen, weil eben gegenwartshafteten Bilder, mit einem märchenhaft-wattierenden Effekt zu versehen. Jener passt freilich hervorragend zu der capraesken Gutmenschen-Geschichte um den urplötzlich geläuterten Mogul (dessen Läuterung natürlich bloß aus der Seelenwanderung hervorgeht), der die Erde beispielhaft zu einem besseren Ort macht ("Wir haben die finanziellen Möglichkeiten dazu - also tun wir's"). Das ist beatty'sche Weltverbesserung par excellence. Dass im wahren Leben nebenbei seine Liaison mit Julie Christie vorüber war, merkt man "Heaven Can Wait" nicht an. Ansonsten ist der Film insgesamt so nett, klug und ansehnlich geraten, dass man selbst mit der Tatsache leben kann, dass einige Gags, die in ihrer Dialogform andernorts echte Klassiker geworden wären, hier von der Manieriertheit der Inszenierung verschlungen werden. Kollateralschäden.
7/10
#1562
Geschrieben 09. Januar 2009, 11:56
Wanted ~ USA/D 2008
Directed By: Timur Bekmambetov
Der duckmäusige Büroangestellte Wesley Gibson (James McAvoy), dessen Privatleben einer Hölle im Kleinformat gleichkommt, erfährt eines Tages, dass sein Vater der "Fraternity", einer umfassenden Geheimloge von Profikillern angehörte und nun von einem Abtrünnigen (Thomas Kretschmann) ermordet worden sei. Wesley soll nun selbst zum Überprofi ausgebildet werden und durchläuft eine knüppelharte Schule aus Selbstbestimmung, körperlicher Widerstandsfähigkeit und Mordstrategien. Gerade als er beginnt, sich in seiner neuen Rolle so richtig wohlzufühlen, bemerkt er, dass Sloan (Morgan Freeman), der Kopf der Fraternity, ihm die eigentliche Wahrheit verschwiegen hat, um ihn zu seinem Instrument zu machen.
Mit der Comicvorlage von Mark Millar, einer wiederum von "Fight Club" inspirierten, geekigen Teenagerphantasie um die Initialisierung eines typischen Gesellschaftsopfers und schmalbrüstigen Allerwelts-Schwächlings im Metamenschenmilieu, hat der Film nurmehr wenig zu tun. Nach dessen Begutachtung und einem anschließenden Abgleich zwischen den beiden Variationen kann ich festhalten, dass die Entscheidung zum Inadäquaten zugunsten des Films durchaus ihre Berechtigung hat. Im Comic, das neben seinem betont freizügigen Umgang mit Sex (Fox; im Film: Angelina Jolie; ist dort eine Quasi-Nymphmanin) seine überarschige coolness in jedem Panel phrasiert, geht es um eine geheime Gesellschaft von Superschurken, die nach und nach sämtliche Superhelden vom Angesicht der Erde geputzt, in der Folge den gesamten Globus in Parzellen aufgeteilt hat und diesen nun nach eigenem Gutdünken kontrolliert. Die hierfür kreierten Figuren sind optisch bereits realer Prominenz nachempfunden; Wesley sieht in der Graphik exakt so aus wie Eminem, Fox ist eine 1:1-Kopie von Halle Berry, Sloan, der "Wanted"-Lesern eigentlich als Professor Seltzer bekannt ist, hätte wohl am Ehesten von Danny DeVito interpretiert werden können. Darüberhinaus wird die Vorlage von übernatürlichen Gestalten bevölkert - dem Fäkalmonster Shithead etwa, das seine Gegner mittels seiner Absonderungen erstickt, einem uralten Fu-Manchu (Ching-Sang), einem halbfiletierten Superbösewicht mit Sonnenbrille (Mr. Rictus) und weiterem netten Personal. Resümierend lässt sich festhalten, dass bis auf die Ausgangssituation, die ziemlich exakt übernommen wurde, kaum Parallelen zu Millar bestehen, der weitere Fortlauf der Geschichten nebst ihrer jeweiligen Konklusion ist völlig unterschiedlich. So weit, so gut.
"Wanted", der Film gibt sich erwartungsgemäß als so professionell wie vorsätzlich unübersichtlich inszenierter Actioner im heute üblichen Genregewand, hübsch brutal und mit astreinen Schauwerten garniert. Der Film-Wesley wirkt dabei sehr viel glaubwürdiger als der Comic-Wesley und überhaupt trägt das Script in mancherlei Hinsicht reifere Früchte, wenn auch wiederum nebst einigen anderen Aspekten der potenziell spaßige Fox-Charakter hier mehr oder minder verschenkt wurde. Dafür entschädigen wiederum Klasse-Szenen wie eine perfekt gerierte Zugentgleisung und das ganz gelungene, bleihaltige Finale. Ich persönlich befürchtete ernsthaft, der Film könne zum Desaster erwachsen, insbesondere nachdem ich mir die teure Sonderauflage irgendwann im angeleuchteten Kopf bestellt hatte. Nun, es wird sicher nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich "Wanted" angesehen habe.
7/10
#1563
Geschrieben 09. Januar 2009, 16:04
Presumed Innocent (Aus Mangel an Beweisen) ~ USA 1990
Directed By: Alan J. Pakula
Als die New Yorker Staatsanwältin und ehrgeizige Karrieristin Carolyn Polhemus (Greta Scacchi) ermordet wird, zieht Oberstaatsanwalt Horgan (Brian Dennehy) seinen Stellvertreter Rusty Sabich (Harrison Ford) zur Aufklärung des Falles heran. Rusty und sein Ermittlungspartner Lipranzer (John Spencer) stoßn bei der Untersuchung auf eine Bestechungsakte, die zu Carolyns unaufgeklärten Fällen gehört und urplötzlich wendet sich das Blatt gegen Rusty - Horgans unterdessen gewählter Nachfolger Della Guardia (Tom Mardirosian) stellt ihn selbst im Fall Polhemus unter Mordanklage. Tatsächlich sprechen viele Indizien gegen Rusty, nicht zuletzt die Tatsache, dass er mit Carolyn eine heftige, intime Beziehung pflegte, die einige Wochen vor ihrem Tod durch sie beendet wurde...
"Presumed Innocent" ist möglicherweise der beste courtroom thriller seiner an Genreverwandtem nicht armen Dekade. Ein durchweg brillantes, geradezu lehrbuchhaftes Script liegt Pakulas spätem Film zugrunde, mit einer komplexen, jedoch nie konfusen Story, einem Füllwerk an interessanten und vielschichtigen Charakteren, einer vor Wendungen strotzenden und spannenden Gerichtsverhandlung als Herzstück und einem finalen Twist, der zudem so clever inszeniert ist, dass man als (Erst-) Zuschauer bis ganz zuletzt nicht genau weiß, in welche Richtung sich die Enthüllung eigentlich entwickeln wird. Neben dem Buch zeichnet eine allseitige Professionalität diesen makellosen, wenn auch sehr kühlen, manchmal fast zu steinernen Film aus; in Ergänzung zu Pakulas gekonnter, unsichtbarer Regie wären da als oberflächlichste Faktoren das wechselwirkende Ensemble, das mindestens neun Pro- und Antagonisten bestens ausfüllt, zu nennen sowie John Williams' an "Tubular Bells" erinnerndes Hauptthema, das bereits unmissverständlich ankündigt, womit man es bei "Presumed Innocent" zu tun bekommen wird.
9/10
#1564
Geschrieben 11. Januar 2009, 11:37
Consenting Adults (Gewagtes Spiel) ~ USA 1992
Directed By: Alan J. Pakula
Eddy Otis (Kevin Spacey), der neue Nachbar des Werbejingle-Komponisten Richard Parker (Kevin Kline), ist ein Mann, der nicht nur das Risiko liebt, sondern anscheinend auch zum Größenwahn neigt. Als Richard Eddy von seinen Schulden erzählt, fädelt dieser einen Versicherungsbetrug per Autounfall ein. Spätestens Eddys Vorschlag, einen Partnertausch der Gattinnen vorzunehmen, macht Richard dann aber verlegen und ärgerlich. Nach einiger Zeit lässt er sich dann doch auf den Vorschlag ein, zumal Eddys Frau Kay (Rebecca Miller), eine begabte Bluessängerin, ihn immens anzieht und er zugleich den Eindruck hat, auch Priscilla (Mary Elizabeth Mastrantonio), die eigene Hausdame, sei von der Idee angetan. Am Morgen danach muss Richard geschockt feststellen, dass Kay ermordet wurde. Seine Geschichte glaubt ihm jedoch niemand und er sieht sich unter Mordanklage gestellt, derweil Eddy sich erfolgreich an Priscilla heranmacht. Zusammen mit dem Versicherungsdetektiv Duttonville (Forest Whitaker) versucht Richard, Eddy den Mord nachzuweisen. Eine entscheidende Wendung ergibt sich, als Richard bei einer Liveübertragung im Radio Kays Gesangsstimme vernimmt.
Pakula goes Hitchcock. Nach einer langgezogenen Mordexposition, innerhalb derer der spätere Täter den gutgläubigen Ahnungslosen peu à peu in sein klebriges Spinnenenetz aus Lüge, Intrige und Obsession zieht, wird der Unschuldige nach dem eigentlichen Kriminalakt zum Täter (diesmal nicht zum Zeugen vorgespiegelter Ereignisse) gestempelt. Die Aufklärung schließlich ergibt sich durch das feinsinnige Gehör unseres Ränkeopfers, das im Zuge einer "Vertigo" gemäßen Schlussfolgerung für die Aufdeckung des für die Mordtat benutzten Lockvogels verantwortlich ist. Wie bereits De Palma erkennen Pakula respektive sein Scriptschreiber Michael Chapman die hitchcockeske Melange aus sexueller Verblendung und psychischen Kümmernissen (die beinahe ebenso obligatorische Phobie des Helden bleibt diesmal aus und schafft einer Schwächung durch harsche soziale Repressionen Platz) innerhalb der Kriminalgeschichte und stellen diese mit einer letztlich leider bedauerlich entzaubernden Deutlichkeit heraus. "Consenting Adults" ergibt damit ein rein dramaturgisch spannendes, aber in jeder weiteren Hinsicht innovationsloses Routineprodukt, das zumindest filmhistorisch als einer der nennenswerten Nachfolger in der "Vertigo"-Genealogie sein gewisses Quentchen Nachhaltigkeit bewahrt. Für einen herkömmlichen Thriller durchaus brauchbar, für einen Pakula jedoch allzu obachtsvoll gewürzt.
6/10
#1565
Geschrieben 11. Januar 2009, 12:14
The Illusionist ~ USA/CZ 2006
Directed By: Neil Burger
Wien, um die vorletzte Jahrhundertwende: Der populäre Illusionist Eisenheim (Edward Norton) fesselt die Menschen mit seinen unerklärlichen Tricks und Kunststücken, die jeder Physik zu trotzen scheinen. Als er in der Braut (Jessica Biel) des Kronprinzen Leopold (Rufus Sewell) seine Jugendliebe, die Herzogin Sophie von Teschen, wiedererkennt, entflammt die alte Zuneigung erneut. Sophie wendet sich von Leopold ab, wodurch dieser, der von der Liaison mit Eisenheim ahnt, den beim Volk beliebten Illusionisten nur noch mehr hasst. Im Weinrausch schließlich tötet Leopold Sophie. Eisenheim indes nimmt in seinen aktuellen Vorstellungen Verbindungen zum Totenreich auf, bis auch die ermordete Herzogin dem Publikum erscheint. Trotz der Mahnungen des polizeilichen Chefinspektors Uhl (Paul Giamatti) beschwört Eisenheim die Tote noch ein zweites Mal hervor, die neugierigen Fragen des bereits tuschelnden Publikums nach ihrem Mörder kann die Geistererscheinung jedoch nicht mehr beantworten. Mit ihr verschwindet auch Eisenheim wie vom Erdboden, derweil der krontreue Chefinspektor einem ganz bestimmten Verdacht nachgeht.
Allein durch seine wunderschön arrangierten Bilder, die beinahe wie viragiert erscheinen und damit einen ganz besonderen Zeitbezug herausstellen, gerät Neil Burgers Film zum ästhetischen Hochgenuss. Auch wenn die sich zweifellos der Ereignisse um den Selbstmord des österreichischen Kronprinzen Rudolf auf Schloss Mayerling bedienende Geschichte sich in maßgeblichen Details einer allzu deutlichen Authentifizierung verweigert, ersteht das Leben in der k.u.k.-Monarchie wieder auf, freilich im Zuge einer filmischen Illusion. Viel von seinem seltsam absonderlichen und höchst eigenem Potenzial bezieht "The Illusionist" aus der Undurchsichtigkeit der gezeigten Kunststücke, deren Auflösung man ebenso gern erführe wie der beleidigte Kronprinz. Dass diese andererseits geradezu passgenau in den periodischen Kontext eingebunden sind, verstärkt ihre Wirkung nochmals. Die sich zunehmend aufdrängende Frage danach, ob jener seltsam verschwiegene Eisenheim nun tatsächlich magische Fähigkeiten besitzt, beinhaltet das größte Mysterium des Films, dessen Aufklärung gegen Ende zugleich befriedigt und beschwichtigt, aber gewissermaßen auch traurig stimmt. Andererseits wird ein dramatisches inhaltliches Rätsel nun zur Gänze aufgelöst, der Vorhang kann sich schließen.
Ein bravouröses kleines Kinostück, das, ohne je überkandidelt zu wirken, absolut vortrefflich unterhält.
8/10
#1566
Geschrieben 11. Januar 2009, 12:42
North By Northwest (Der unsichtbare Dritte) ~ USA 1959
Directed By: Alfred Hitchcock
Der New Yorker Werbefachmann Roger Thornhill (Cary Grant) wird von feindlichen Spionen (u.a. James Mason, Martin Landau) irrtümlich für den Regierungsagenten George Kaplan gehalten und muss von da an um sein Leben fürchten, das gleich mehrfach scharf bedroht wird. Einzig die attraktive Eve Kendall (Eva Marie Saint), die Roger auf seiner Flucht und seiner Suche nach dem echten Kaplan unterstützt, scheint zu ihm zu halten.
Hitchcocks Agentenabenteuer gab mit einer für seine üblichen Suspensebezüge ungewöhnlichen Anzahl an Actionszenen (von denen bekanntermaßen jede einzelne Geschichte geschrieben hat) entscheidende Impulse für die meisten der in den Folgejahren entstandenen, artverwandten Filme - so auch die ersten Bonds. Selbstredend kommen weiterhin etliche werkimmanente Motive zum Tragen, darunter das Thema des Allerweltsmenschen, der ohne eigenes Zutun in eine lebensbedrohliche und zunächst vollkommen unübersichtliche Gefahrenlage rutscht sowie das der Blondine, hinter deren kühlem Äußeren ein erotischer Vulkan brodelt - einzig ihr Alter (die Saint soll als Eve Kendall angeblich ganze 26 Jahre jung sein, ist tatsächlich aber bereits 35) nimmt man ihr nicht so ganz ab. Die diversen Kabinettstückchen, die Hitchcock mit scheinbar grenzenloser Leichtigkeit aneinander fügt, sind voll des Humors, für dessen Erfolg nicht zuletzt die Person Grants, der längst sein Talent als Komödiant und familienkompatibler Akteur entdeckt hatte, garantiert. So ist es letztendlich die unnachahmliche Ausbalanciertheit voller Aufs und Abs, die "North By Northwest" so unvergesslich macht - auf die erste Entführung Thornhills mitsamt der volltrunkenen Autofahrt bei Glen Cove folgt die komische Szene auf dem Polizeirevier; darauf die Ermordung des echten Lester Townsend bei der UN; darauf die entspannte Zugreise mit der Saint; darauf die Flugzeugjagd im größenteils abgeernteten Maisfeld; darauf die Auktion bei der Thornhill sich bewusst zum Clown macht, um verhaftet werden zu können; etc. - bis hin zum Showdown auf dem Mount Rushmore, dessen Spannungsgipfel per brillantem Schnitt von der krampflösendsten Einstellung abgelöst wird, die jemals einen Genrefilm beschlossen hat. Auf soviel großatmigen Positivismus konnte dann nur noch ein "Psycho" folgen.
10/10
#1567
Geschrieben 11. Januar 2009, 21:13
The Bat (Das Biest) ~ USA 1959
Directed By: Crane Wilbur
Die Kriminalautorin Cornelia van Gorder (Agnes Moorehead) mietet sich in Eichengrund ein, dem Landhaus des Bankiers Fleming (Harvey Stephens). Dieser hat soeben eine Million Dollar beiseite geschafft und plant nun, sich selbst verschwinden zu lassen. Der ebenfalls geldsüchtige Dr. Wells (Vincent Price) jedoch durchkreuzt Flemings Pläne. Und wer verbirgt sich hinter der Maske des Verbrechers "Das Biest", der in die Fußstapfen eines Mörders tritt, der bereits vor Jahren hier sein Unwesen trieb?
Kein Horrorfilm, sondern ein whodunit mit ein paar Gruselelementen. Als Hauptperson tritt die Moorehead als resolute ältere Dame auf, deren Figur auch auf Agatha Christies Mist gewachsen sein könnte, während die Atmosphäre in der Villa mit ihren quietschenden Türen und klapprigen Fensterläden samt wehender Vorgänge in Kombination mit dem Maskengauner an eine typische Edgar-Wallace-Produktion von Wendlandt erinnert. Man wartet förmlich darauf, dass jede Sekunde Eddi Arent aufkreuzt und einen dummen Spruch zum Besten gibt. Absolut Schade ist, dass der der Besetzungsliste immerhin vorangestellte Vincent Price so früh und glanzlos aus dem Film verschwindet. Da wäre doch eine deutlich vehementere Präsenz des Schockcharmeurs vonnöten gewesen. Ansonsten nett, aber kein Hockerwegzieher.
5/10
#1568
Geschrieben 11. Januar 2009, 21:29
U Turn ~ USA 1997
Directed By: Oliver Stone
Bobby Cooper (Sean Penn), der auf dem Weg nach Vegas ist, um dort seine Wettschulden bei der Russenmafia einzulösen, landet mit durchschmortem Kühler in dem Wüstennest Superior. Alles und jeder hier scheint durchtrieben oder krank im Kopf und es dauert nur ein paar Stunden, bis Bobbys gesamtes Geld in Papierfetzen liegt und er bereits zwei Mordaufträge von einem verfeindeten Ehepaar (Jennifer Lopez, Nick Nolte), das sich gegenseitig tot sehen will, in der Tasche hat.
Der erste Film von Stone seit "Salvador" ohne didaktischen Hintersinn, eine weitere inszenatorische tour de force, in der sich zumindest der Abwechslungsreichtum der verwendeten Formalia in Grenzen hält. Dazu findet sich eine kleine Starbesetzung ein für die Neo-noir-Farce, die wirklich sämtliche der genretypischen Ingredienzen beinhaltet und sie auf den Kopf stellt, indem sie einfach jeden einzelnen der Charaktere komplett denunziert. Selbst Cooper, der anfänglich noch trotz seiner Kleingaunereien als so etwas wie ein Identifikationspart fungiert, sieht man am Ende beinahe gern verblutend und ohne Zähne in seinem kaputten Mustang sitzen - er hat es erstens nicht anders verdient und ist zweitens so unbeirrt tölpelhaft vorgegangen, dass er irgendwann jegliche Sympathien verspielt hat. Selbiges gilt für die Lopez, der entweder die Präriesonne oder ihr jahrelanges inzestuöses Verhältnis das Hirn versengt haben muss - im ereignisreichen Finale würgt man sie förmlich mit.
Stone hat das alles so ätzend zynisch wie dermaßen flirrend-bekokst und voll seiner üblichen Metaphorik zwischen Kriech- und Raubtieren, debil daherkeifenden Hofnarren und Indianer-Mystizismus gefilmt, dass einem in direkter Folge glatt ein bisschen schwindlig wird. "U Turn" ist somit der passende Film für jeden, der Welt mal zwei Stunden lang so richtig leidenschaftlich Scheiße finden möchte.
8/10
#1569
Geschrieben 12. Januar 2009, 21:59
Seven ~ USA 1979
Directed By: Andy Sidaris
Das siebenköpfige "Syndikat" (u.a. Henry Ayau, Reggie Nalder, Lenny Montana) macht von Hawaii aus den gesamten Ostpazifikraum unsicher. Einschüchterung, Mord und Drogenhandel gehören zum Alltag der Finstermänner und wer sich nicht fügt, wird abserviert. Die US-Regierung sieht nur einen Ausweg: Jeder der sieben Bösewichte muss aus dem Weg geräumt werden. Für diese höchst delikate Aufgabe zieht man den Agenten Sevano (William Smith) heran, dem gegen entsprechende Bezahlung kein Job zu dreckig ist. Sevano engagiert für jeden der Hydraköpfe einen alten Kumpel, so dass sich alle sieben "Super-Profis" in Ruhe an ihr jeweiliges Attentatsziel heranpirschen können.
Wie Sidaris' spätere Filme ist auch "Seven" ein lustiger, bunter Kindergeburtstag, voll von allerlei Anlässen, Brüste und Waffen aus dem Hemd zu ziehen. Der Schauplatz Hawaii erfüllt eine reine Alibi-Funktion als pittoreske Südseekulisse, vor der sich diverse Bikini-Schönheiten sowie die heldenhafte Truppe mitsamt ihren Autos und ausgebufften Mordvarianten räkeln. Die Besonderheit in Sidaris' prächtig unterhaltendem Schwachsinnsfilm liegt in der Betonung der einzelnen Fähigkeiten der sieben Profis bzw. ihrer jeweiligen Abschussziele; auf der guten Seite finden sich u.a. ein zielsicherer Cowboy, ein farbiger Vehikelspezialist, ein verrückter Tüftler, ein Nachtclub-Komiker und ein Kung-Fu-Onkel, während die Bösen neben Martin Kove und einem zwergenwüchsigen Skateboardkiller über ein beliebtes Surfidol verfügen, das laut vorheriger Beschreibung die gesamte hawaiianische Jugend mit Drogen versorgt.
"Seven" haut ordentlich dazwischen, hier wird ein bisschen zu Peckinpah gelinst, dort füllt man eine flaue Minute mit anderweitigem Nonsens, so dass ständig irgendwo irgendwas los ist. Die Synchronfassung, die durchweg mit Mikro-Prominenz glänzt, macht ebenfalls keine Gefangenen, wobei die zwischen hanebüchen und ordinär pendelnden Dialoge jedem Unvorbereiteten wahlweise Schamesröte oder Kieferverrenkung präsentieren. Heiß, aber richtig!
6/10
#1570
Geschrieben 14. Januar 2009, 18:50
House II: The Second Story (House 2 - Das Unerwartete) ~ USA 1986
Directed By: Ethan Wiley
Als er in sein ererbtes Haus einzieht, bemerkt Jesse (Arye Gross) sogleich, dass hier einiges nicht stimmt. Historische Aufzeichnungen belegen, dass sein Ururgroßvater (Royal Dano), ein lustiger Bandit im alten Westen, sich einen Inka-Kristallschädel unter den Nagel gerissen hat. So beschließt Jesse kurzerhand, den 170 Jahre alten Gesellen mithilfe seines durchgedrehten Kumpels Charlie (Jonathan Stark) auszubuddeln. "Opa", wie er sich von den Jungs nennen lässt, erfreut sich trotz mumifiziertem Äußeren bester Laune, verlangt nach Unmengen von Dosenbier und tanzt auf einer Halloweenparty Discofox. Dummerweise wollen diverse finstere Elemente, die im Dienste von Opas altem Konkurrenten Slim (Dean Cleverdon) stehen, an den Kristallschädel heran. So lernen Jesse und Charlie in den diversen Parallelwelten, zu denen das Haus Tore hat, einige üble Burschen kennen, holen sich jedoch auch neue Freunde in den Keller: Den lustigen Hund-Wurm Beppi, ein gefräßiges Pterodaktylus-Küken und eine schnieke Azteken-Prinzessin (Devin Devasquez).
Den Horror lässt Ethan Wiley in seinem vorsätzlich absurden "House"-Sequel, das mit Miners Original bloß den Titel, die Covergestaltung und das Spukhaus-Motiv gemein hat, fast komplett links liegen. Stattdessen erzählt er eine wundervoll obskure, ins Episodische zerfallende Geschichte, die durch den Überwurf diverser narrativer Regeln manchmal sogar Richtung Surrealismus abgleitet. Das naserümpfende Wundern sollte man sich gleich zu Beginn von Wileys Film abgewöhnen, dann wird man Zeuge manch schönen Stop-Motion-Effekts, freut sich über hübsche Make-Ups und Phantasie-Tiere, lacht über den von Westernveteran Royal Dano gegebenen Opa (das etwas texanischere "Gramps" bezeichnet ihn im Original) und dessen Trinkfestigkeit sowie einen urplötzlich auftauchenden Installateur (John Ratzenberger), dessen dramaturgische Funktion jeder rationalen Grundlage entbehrt und der nach seinem schwertschwingenden Kurzauftritt auch prompt wieder aus dem Film verschwindet und nie mehr gesehen ward. Zu Jesses Entschluss, sich am Ende mitsamt seiner neuen Bizarro-Familie von allen vier Weltenoptionen den Wilden Westen auszusuchen, kann man den jungen Mann dann übrigens nur noch beglückwünschen. Hätte ich auch so gemacht.
7/10
#1571
Geschrieben 16. Januar 2009, 16:46
Una Donna Chiamata Apache (Apache Woman) ~ I 1976
Directed By: Giorgio Mariuzzo
Als ein kleiner Armeetrupp das Lager einer aus dem Reservat geflohenen Gruppe von Apachen angreift, gibt es zahlreiche Tote auf beiden Seiten zu beklagen. Nur der junge Soldat Tommy (Al Cliver) und das Indianermädchen Sunsirahe (Yara Kewa) überleben die Schlacht. Auf der nachfolgenden Reise des ungleichen Paares durch die Wildnis begegnet man diversen moralisch verkommenen Weißen, die samt und sonders an dem Kopfgeld für Sunsirahe interessiert sind oder sie an ein Bordell zu verkaufen planen. Als sich Tommy in seinen Schützling verliebt, verkompliziert sich die Situation noch mehr.
Das Indianerthema wurde im Italowestern stets weitflächig ausgespart, während sein populäres Bild eher durch Kopfgeldjäger, Glücksritter und andere schelmische oder wahlweise übellaunige Halunken bestimmt wurde. 1976 kam neben Castellaris "Keoma" dann auch diese überdeutlich an "Soldier Blue" angelehnte Kleinproduktion, die sich honorerweise für den Indianer als schätzenswertes menschliches Wesen entscheidet und die die allenthalben auftauchenden, unsauberen Armisten regelmäßig den alten Spruch vom toten gleich guten Indianer aufsagen lässt, bis auch der schlichteste Zuschauer verstanden hat, was vor sich geht. "Una Donna Chiamata Apache" ist ohnedies kein Film subtiler Töne, sondern ganz klar der Exploitation-Ecke zuzurechnen, auch wenn sich die Härten in Grenzen halten und man eher geneigt ist, einen Blick unter die betont kurzen Kleidungsstücke von Yara Kewa alias Clara Hopf zu erhaschen - weiß man doch mit Gewissheit, dass da nichts drunter steckt. Es sind manche der leiseren und bedächtigen Momente, die den Film dann doch zu etwas Besonderem machen und das wortkarge Ende, das endlich jenes gewisse Maß Romantik spürbar werden lässt, dessen Mariuzzo zuvor nie so recht habhaft werden kann.
6/10
#1572
Geschrieben 16. Januar 2009, 17:10
Seven Days In May (Sieben Tage im Mai) ~ USA 1964
Directed By: John Frankenheimer
In naher Zukunft: Der amtierende Präsident Lyman (Fredric March) wird von großen Teilen der Bevölkerung als verweichlichter, politisch unfähiger Pazifist angesehen, dessen Abrüstungsvertrag mit der Sowjetunion dem Land über kurz oder lang einen verhängnisvollen Dolchstoß versetzen wird. Der Kommisskopf und Hardliner General Scott (Burt Lancaster) erlebt als politischer Gegner Lymans jenen großflächigen Zuspruch, der dem Staatsoberhaupt selbst zuletzt abhanden gekommen ist. Als eines Tages Scotts enger Berater Colonel Casey (Kirk Douglas) von einem obskuren Militärprojekt namens "ECOMCON" erfährt, wird er hellhörig. Seine nachfolgenden Ermittlungen lassen ihn schließlich zu dem unfassbaren Schluss kommen, dass Scott schon in wenigen Tagen einen perfekt ausgeklügelten Staatsstreich plant, der Lyman ausschalten und ihn selbst an die Spitze bringen soll.
Zwei Jahre nach "The Manchurian Candidate", der die undefinierbaren Ängste der US-Bevölkerung vor der roten Gefahr aus dem Osten in eine satirische Form brachte, ließ Frankenheimer diesen auf das Innere beschränkten Paranoia-Thriller folgen und empfahl sich damit als zu seiner Zeit fähigster Chronist der großen Okzidentsparanoia. Der Kniff bestand darin, das ironische Element von "Candidate" in einen höchst ernsthaften Ton umzumodeln und ein knappes Jahr nach dem Attentat auf Präsident Kennedy in der ohnehin durch die folgende emotionale Erschütterung entzündeten Wunde kosmopolitischer Unsicherheit herumzupuhlen. Dabei ist "Seven Days" trotz seines Höchstmaßes an innerer Spannung fast frei von jeglicher Aktion. Er bezieht seine bedrohliche Wirkung einzig und allein aus hervorragend montierten Dialogsequenzen, die ihre Klimax in einer beneidenswert optimal geschriebenen Konfliktszene zwischen March und Lancaster finden, in der in Form bloßer Wortwechsel sämtliche bis dorthin geschürten, unterschwelligen Emotionen zutage treten. Nicht nur, dass man hier Zeuge großer Darstellerkunst wird, auch Frankenheimers Inszenierung packt einen ganz tief drinnen.
9/10
#1573
Geschrieben 16. Januar 2009, 17:29
Chiko ~ D 2008
Directed By: Özgür Yildrim
Der junge Deutschtürke Isa (Denis Moschitto), genannt 'Chiko', schickt sich an, in seinem Osthamburger Viertel eine ganz große, wenn nicht die größte Nummer zu werden. Zusammen mit seinen Kumpels Tibet (Volkan Özcan) und Curly (Fahri Ogün Yardim) schüchtert er sämtliche Kleindealer der Gegend ein, bis er beim großen Fisch Brownie (Moritz Bleibtreu) landet. Dieser kontrolliert den gesamten Drogenhandel. Während der emotional-labile Tibet, der nebenbei zu Kleinganovereien auf eigene Faust neigt, bald unangenehme Erfahrungen mit Brownie macht, wird Chiko bald zu dessen engem Verbündeten, der es sich leisten kann, auf großem Fuß zu leben. Es kommt zum Bruch zwischen den ehemals besten Freunden Chiko und Tibet, der erwartungsgemäß zur Katastrophe führt.
Sogenannte "Milieufilme" sehe ich immer ganz gern, unabhängig davon, dass mir die betont lässige Ghettosprache der Protagonisten ziemlich auf den Senkel geht. Diese ansonsten recht niedrige Hürde kann ich im mir sehr verständlichen Gegensatz zu anderen aber ganz gut überspringen. Soziale Abgründe und Jugendkulturen im demografischen Abseits sind ja nicht nur seit jeher ein filmdramaturgisch recht dankbares Feld, sondern fesseln zudem durch ihre rauen Naturalismus, den die zumeist selbst im porträtierten Ambiente verwurzelten Autoren der entsprechenden Geschichten mit glühendem Engagement in Bilder fassen. Was da etwa für Akins "Kurz und schmerzlos" galt, gilt auch für Yildrims Langfilmdebüt, das Akin wiederum mitproduzierte. Es wird eine Menge Menschen geben, die die hier präsentierten Klischees zwischen "Alder" und "Digger" nicht mehr werden riechen mögen - unabhängig davon, dass die Realität noch immer eine noch wesentlich anschaulichere Sprache spricht. Das ist aber nicht Yildrims Problem und meines weitgehend auch nicht. Die einzige echte Sorge, die ich nach dem Anschauen des Films hege, ist, dass sein an sich didaktisches Ethos in den falschen Kreisen missverstanden werden könnte. Andererseits; wenn De Palmas "Scarface" schon vielerorts zum Heldenepos gereicht, darf man sich über nichts mehr wundern.
6/10
#1574
Geschrieben 17. Januar 2009, 10:47
Rescue Dawn ~ USA 2006
Directed By: Werner Herzog
Kurz nach dem Tonkin-Zwischenfall bombadiert die US-Airforce militärische Ziele in Nordvietnam und Laos - der offizielle Beginn des Vietnamkriegs. Einer der Bomberpiloten ist der deutschstämmige Dieter Dengler (Christian Bale), dessen Leidenschaft und Motivation nach eigener Aussage weniger im Abwurf von scharfem Explosionsgerät denn in der Möglichkeit des Fliegens zu suchen ist. Gleich bei seinem ersten Einsatz wird Dengler abgeschossen und gerät nach kurzer Flucht in die Gefangenschaft des Vietcong. Auf seine Weigerung hin, ein denunziatorisches Papier zu unterschreiben, verlegt man Dengler in ein kleines Gefangenenlager mit fünf weiteren Insassen (Steve Zahn, Jeremy Davies, Galen Yuen, Abhijati 'Meuk' Jusakul, Lek Chaiyan Chunsuttiwat) mitten im Dschungel. Während die übrigen Gefangenen, allen voran der desillusionierte Eugene (Davies) bereits zu resignieren drohen, arbeitet Dengler einen Fluchtplan aus, den er ein knappes Jahr nach seiner Gefangennahme in die Tat umsetzt. Zusammen mit seinem Freund Duane (Zahn) flieht er durch den unwegsamen Urwald.
In der ihm eigenen, meditativen Bildsprache, die Herzog auch 35 Jahre nach "Aguirre" pflegt, inszeniert er unberührte Naturwelten nach wie vor als ebenso feindselige wie überwältigende Schöpfungskonstruktion, deren ästhetische Werte ihre Gefährlichkeit bestenfalls überdecken. Darüberhinaus ist "Rescue Dawn" auch eine altmodische P.O.W.-Fluchtgeschichte im Stil von "The Purple Plain" und "The Bridge On The River Kwai", die Ehrgeiz, Hoffnung und Enthusiasmus als oberste Daseinsprinzipien in Extremsituationen herausstellt und glorifiziert. Dengler war der einzige historisch belegte Kriegsgefangene, dem die Flucht aus einem nordvietnamesischen Lager gelang, demnach ist auch seine Heldenstilisierung, die Herzog so unverhohlen emotional wie - besonders gegen Ende - aufrichtig-pathetisch schildert ein, wenn schon nicht obligatorisches, so doch probates Mittel dramatisierter Geschichtsschreibung.
Bei aller Ruhe fesselt der Film enorm, auch durch seine rationierten Spannungsmomente und durch Klaus Badelts entsprechende Musik, die den akustischen Mystizismus der Band Popol Vuh vielleicht nicht erreicht, dennoch aber stets versichert, wer der Initiator des Ganzen ist. Herzog sagt in der informativen Making-Of-Dokumentation der DVD, als es um den Einsatz digitaler Verfremdungen geht, einen überaus schönen Satz, demzufolge er dem Publikum das Vertrauen in die Leinwandbilder wiedergeben wollte. Allein diese hehre Intention zeichnet den Mann noch immer aus.
8/10
#1575
Geschrieben 18. Januar 2009, 15:12
The Falcon And The Snowman (Der Falke und der Schneemann) ~ USA 1985
Directed By: John Schlesinger
Los Angeles, Mitte der Siebziger: Hobbyfalkner Chris Boyce (Timothy Hutton) schmeißt die Priesterschule und erhält über seinen Vater (Pat Hingle) eine Einstellung beim Nachrichtenmanagement der CIA. Zusammen mit seinem besten Kumpel Daulton Lee (Sean Penn), der umfassende Erfahrungen im Drogenhandel hat, zieht Chris einen langfristigen Handel auf mit geheimen Staatsinformationen, die zu den Sowjets fließen. Chris besorgt die "Ware", Daulton vermittelt sie in Mexiko an einen Mitarbeiter der UdSSR-Botschaft. Kurz vor ihrem finalen Deal fliegen die beiden auf.
Schlesingers auf authentischen Ereignissen basierendes Drama um zwei Landesverräter aus ganz unterschiedlichen Motiven (während Boyce tatsächlich aus Idealismus handelt, weil er von den internationalen Aktivitäten der CIA angewidert ist, geht es dem Glücksritter Lee hauptsächlich um Geld und Abenteuer) ist zwar recht ehrgeizig und bemüht inszeniert, lässt es aber an jener Zugkraft vermissen, die andere Filme des Regisseurs so sehr auszeichnet. Die Geschichte der beiden Pseudospione verfügt auf der Habenseite über ein intelligentes Buch und in ihrer Zeitbezogenheit auch über einen gewissen Informationswert, bestimmte weiterführende Ereignisse jedoch bleiben leider unerwähnt, darunter Boyces Flucht nach dreijährigem Gefängnisaufenthalt und eine kurze Karriere als Bankräuber mit dem Ziel, in die Sowjetunion auszuwandern, bis er wieder gefasst und erneut eingebuchtet wurde. Möglicherweise wäre der Film, der sich neben der Realität als Inspirationsquelle auch auf ein Buch von Robert Lindsey beruft, dann auch allzu ausufernd oder episodenhaft geworden. Als das Kammerspiel, das er in seiner endgültigen Form abgibt, ist "The Falcon And The Snowman", wenn auch kein ausgesprochener Höhepunkt in Schlesingers Schaffen, so doch immerhin eine Qualitätsarbeit.
7/10
#1576
Geschrieben 19. Januar 2009, 17:56
I Walk The Line (Der Sheriff) ~ USA 1970
Directed By: John Frankenheimer
Ein kleines Nest in den Apalachen: Der alternde Sheriff Tawes (Gregory Peck) lernt durch Zufall Alma (Tuesday Weld), die junge Tochter des Hillbilly-Schwarzbrenners Carl McCain (Ralph Meeker) kennen. Der Sheriff verfällt Alma mit Haut und Haaren und deckt sämtliche illegalen Aktivitäten, in die sie und ihre Familie verstrickt sind. Als Tawes' Frau (Estelle Parsons) von der Affäre erfährt, fasst er den Entschluss, mit Alma fortzugehen. Das Mädchen jedoch ist lange nicht so überzeugt von einer gemeinsamen und glücklichen Zukunft wie der Sheriff. Als Tawes' feister Deputy Hunnicutt (Charles Durning) den McCains einen Besuch abstattet und Alma zu vergewaltigen droht, erschießt Carl ihn. Tawes hilft auch, diesen Totschlag zu vertuschen - allerdings ohne die erwartete Gegenleistung.
Frankenheimers kleiner Beitrag zu New Hollywood zeigt Gregory Peck in der besten und mutigsten Darstellung, die ich von ihm kenne. In einer Art verqueren "Lolita"-Abwandlung opfert er als in seinem grauen Existenzgatter gefangener Südstaaten-Sheriff alles was ihm lieb und teuer ist, um sich wie ein verblendeter Teenager in eine kopf- und sinnlose Liebesaffäre zu stürzen. Frankenheimer filmt die Einseitigkeit und Tragik dieser traurigen, von vornherein zum Scheitern verurteilten Romanze in sanften Herbsttönen, als Bild vielfach interpretierbarer Symbolik. Dazwischen taumelt ein Peck umher, wie man ihn noch nie gesehen hat - von dem aufrechten, strahlenden Heldentypus aus früheren Tagen ist kaum mehr was übrig, die letzten Reste verblassen soeben, im Zuge seiner sich auftürmenden Liebes-Korruption. Tawes' Besessenheit bezüglich der viel zu jungen Alma, die endgültig gegen Schluss, da er sie überall sucht und nirgends mehr findet, ausbricht, erinnert da am Ehesten an seinen Kapitän Ahab auf der Jagd nach dem weißen Wal. Der desillusionierte Blick schließlich, als er wie ein Häufchen Elend mit blutender Schulter auf der Landstraße hockt, sein Gesicht eingefasst in eine ganze Reihe Porträts alter Menschen, ist dann absolut vielsagend.
Die zeitgenössische Kritik hat den Film übrigens vollkommen unzureichend rezipiert. Alles, was ich über "I Walk The Line" in der Literatur gefunden habe, spottet einer ernsthaften Beschäftigung mit dem Film Hohn. Wird Zeit, dass das mal gründlichst überrollt wird.
9/10
#1577
Geschrieben 19. Januar 2009, 18:23
Black Sunday (Schwarzer Sonntag) ~ USA 1977
Directed By: John Frankenheimer
Major Kabakov (Robert Shaw) vom Mossad findet bei einem militärischen Schlag gegen das Hauptquartier der palästinensischen Terrorgruppe "Black September" ein Band, das offenbar als Nachhall für ein in naher Zukunft geplantes Attentat gedacht ist. Auf der Cassette ist die Stimme der Fanatikerin Dahlia Iyad (Marthe Keller) zu hören, die Kabakov, obwohl er die Gelegenheit dazu hatte, wegen seiner Skrupel zunächst nicht erschießen konnte. Als Manifest ihrer Missgunst gegenüber den pro-israelischen USA plant sie zusammen mit dem psychotischen Vietnam-Veteranen Michael Lander (Bruce Dern), dessen ehemaliger Patriotismus sich in reinsten Flaggenhass verwandelt hat, einen Anschlag auf das am ersten Sonntag im Februar stattfindende Super Bowl - Spiel in Miami, bei dem 80.000 Besucher einschließlich des Präsidenten im Stadion versammelt sein werden. Trotz immenser Sicherheitsvorkehrungen hat Kabakov bis zuletzt keinen blassen Dunst, wie genau die Aktion durchgeführt werden soll...
Nach dem kleinen, aber wunderbaren Kammerspiel "I Walk The Line" wirkte "Black Sunday" geradezu ernüchternd, gewissermaßen aber auch ein wenig tröstlich. Die Mechanismen großatmigen Spannungs- und Actionkinos und seine versierte Kenntnis derselben demonstriert Frankenheimer hiermit einmal mehr und wie gewohnt und reiht manch denkwürdige Sequenzen aneinander, die dem Film, übrigens der ersten Adaption eines Romans von Thomas Harris, sein unverwechelbares Bild verleihen. Zum Schluss, als Bruce Dern, bereits tödlich getroffen, mit dem Zeppelin in Bodennähe über das Orange Bowl Stadium fliegt, den todesmutigen Shaw auf dem Dach, der versucht, einen Haken vom darüberfliegenden Helikopter zu ergreifen, um ihn an dem Luftschiff zu befestigen, vergeht einem wirklich alles vor Zähneklappern. Auch wenn die F/X heute bei genauerem Hinsehen etwas antiquiert wirken - eine so phantastisch ins Extrem getriebene und gekonnt gegenmontierte Szene unter Einsatz so klar ersichtlicher Mittel findet man im aktuellen Genrekino nicht (mehr). Weitere Meisterstücke sind die berserkerhafte Flucht von Dahlias Gespielen Fasil (Bekim Fehmiu), der bei seinem Amoklauf durch das Strandviertel von Miami gut und gern zehn Unbeteiligte abknallt und Landers erste Demonstration seiner Sprengstoffapparatur, die einen armen Flugingenieur perforiert.
Trotz seiner großzügigen Länge ein absolut packender Film, der bezeichnenderweise nach 32 Jahren kein Stück an politischer Brisanz eingebüßt hat.
8/10
#1578
Geschrieben 21. Januar 2009, 16:33
Scarecrows (Paratrooper) ~ USA 1988
Directed By: William Wesley
Eine Gruppe von kriminellen Armeespringern raubt ihre Stützpunktskasse und entführt einen Piloten (David James Campbell) mitsamt Tochter (Victoria Christian), die sie in Grenznähe fliegen sollen, wo man dann abzuspringen und sich nach Mexiko durchzuschlagen plant. Als einer (Richard Vidan) der Räubersleut die anderen zu linken versucht, sieht man sich genötigt, in einem riesigen Maisfeld mit schier undurchdringlicher Vegetation und einigen gruseligen Vogelscheuchen zu landen. Bald werden sowohl die Verbrecher als auch die Entführten von einer unsichtbaren Gefahr dezimiert.
"Scarecrows" glänzt nicht eben durch Innovation, Genre-Renovierungsambitionen oder gar Hellsichtigkeit - im Prinzip handelt es sich um kaum mehr als ein Rip-Off zu populäreren Action-/Horror-Hybriden wie "Predator" oder "Aliens" mit ganz ähnlicher Ausgangslage: Ein Platoon (diesmal allerdings ein abtrünniges) sieht sich trotz schweren Waffengeräts nicht in der Lage, seinen nicht greifbaren Gegner in dessen Heimspiel zu bezwingen - Dunkelheit, unwegsames Gelände und das furchteinflößende Vorgehen des Feindes sorgen für eine rasche Reduktion der so genannten "Heroen". Dass man es in "Scarecrows", der bei seiner deutschen, schwer kastrierten Videopremiere vor 20 Jahren fälschlicherweise als reiner Actionfilm vermarktet wurde, durchweg mit unentwegt Sprüche klopfenden Unsympathen zu tun hat, relativiert die Spannungssituation ungemein und man wartet anfangs lang darauf, dass endlich etwas passiert, will sagen: Der Film kommt einfach zu spät in die Puschen. Das hat mich schon immer etwas an ihm gestört. Als Kurzfilm ohne die viel zu lange und unbeholfene Exposition wäre "Scarecrows" wesentlich besser gelungen. Immerhin entschädigen die zeigefreudigen Attacken der Vogelscheuchenmonster später für Vieles.
5/10
#1579
Geschrieben 21. Januar 2009, 17:02
The Holcroft Covenant (Der 4½ Billionen Dollar-Vertrag) ~ UK 1985
Directed By: John Frankenheimer
Der New Yorker Architekt Noel Holcroft (Michael Caine) weiß um seine Abstammung und auch darum, dass sein Vater Henrich Clausen (Alexander Kerst) ein hochrangiger Nazi-Offizier war, der sich kurz vor Kriegsende das Leben genommen hat. Was er jedoch nicht ahnen kann, ist die frohe Kunde, die ihm ein schweizer Bankier (Michael Lonsdale) darbringt: Noels alter Herr und zwei von dessen Parteigenossen haben die stattliche Summe von 4½ Milliarden Dollar (nicht Billionen, wie es der deutsche Titel und die Synchronisation unkorrekt suggerieren) beiseite geschafft und sie für ihre Söhne in Genf deponiert, auf dass 40 Jahre später durch sie noch fällige Kriegsreparationen gezahlt und Naziopfer damit entschädigt werden können. Obwohl seine Mutter (Lili Palmer) Noel mit Engelszungen davon abhalten will, sein Erbe anzutreten, besteht dieser darauf, seine Co-Nachlassverwalter kennenzulernen. Bald gerät er in gefährliche Gesellschaft, denn der Führerkult ist mitnichten völlig ausgestorben...
Ein verrückter Film, verrückt für Frankenheimer-Verhältnisse, verrückt auch für den ziemlich überfahrenen Caine in der Titelrolle. Was beginnt wie eine typische Ludlum-Adaption mit Geheimdienst-Schnickschnack, Agentenverwicklungen und dem üblichen Trara entwickelt sich bald zu einer schwer durchdringlichen Thrillerfarce, die ein zwischen geschmacklos und eigensinnig pendelnden Humorverständnis transportiert, als abseitige Genrevariante dann aber doch zu einem waschechten Autorenfilm mit Fleißstempelchen avanciert. Mittels zuweilen seltsamer Diagonalen und krummer Perspektiven führt Frankenheimer ein Figuren-Ensemble ein, wie es bizarrer kaum sein könnte - jeweils überaus passend dargestellt übrigens. Spätestens als der Plot Berlin mitsamt Brandenburger Tor und Kreuzberg erreicht, wo und seine Partnerin Victoria Tennant Mario Adorf als offensichtlich übergeschnapptem Dirigenten begegnen und später einer frühen Abart der Love Parade beiwohnen, ist man sich als Zuschauer nicht mehr ganz sicher, ob man nicht soeben auf eine falsche Ausfahrt mitgenommen wurde. Alles wird zunehmend undurchsichtig. Dann: Mord, Inzest, Schrecken, Naziwahn. Als gewisse Personen schließlich ihre wahren Gesichter offenbart haben, kehren endlich doch Konventionalität und Form zurück und ein weinender Michael Caine in der letzten Einstellung hinterlässt seine Spuren bei uns.
In diesem Falle muss ich übrigens ausnahmsweise, aber ausdrücklich wider mein Steckenpferd postulieren: Die Synchronfassung ist Müll und versaut den ganzen Film. Reinhard Glemnitz als Michael Caine geht gar nicht, Hartmut Neugebauer als Mario Adorf (!) noch weniger. Finger weg davon.
7/10
#1580
Geschrieben 22. Januar 2009, 16:08
The Fourth War (Powerplay) ~ USA 1990
Directed By: John Frankenheimer
Der bereits mehrfach wegen seiner latenten Aggression mit der Admiralität in Konflikt geratene Colonel Knowles (Roy Scheider) übernimmt die militärische Leitung eines US-Postens an der winterlichen Wildgrenze zwischen Deutschland und der ČSSR. Bereits bei seiner ersten Begutachtung des Areals schließt er Bekanntschaft mit dem tcheschischen Offizier Valachev (Jürgen Prochnow), der einen Fahnenflüchtling erschießen lässt, kurz bevor dieser die Grenze überquert. Die Intimfeindschaft zwischen den beiden Erzmilitaristen steht damit und entwickelt sich von einem Schneeballduell über grenzübergreifend gespielte Streiche mit Granaten und Raketenwerfern bis hin zu einem Duell auf Leben und Tod, das einen internationalen Zwischenfall provoziert.
Kurz vor dessen Ende taut Frankenheimer den Kalten Krieg noch ein letztes Mal auf, indem er ihn endgültig als Anachronismus und als Gegenstand fanatischer und dabei längst verjährter Feindesbemühungen denunziert. Dabei macht er keinerlei Unterschied zwischen den beiden Kontrahenten Knowles und Valachev; jeder ist auf seine Weise ein fossiles, ideologisches Relikt verfehlter kriegerischer Auseinandersetzungen (Knowles war in Vietnam, Valachev in Afghanistan) und mag sich nicht mit dem neuen Zeitalter zwischen Entspannung und Glasnost zufrieden geben. Zwar macht der Film keinen Hehl aus seiner Dissonanz betreffs der nach wie vor vorherrschenden Unterdrückungspolitik jenseits des Eisernen Vorhangs, lässt die entsprechende Vermittlungs-Agentin (Lara Harris) dieser Aussage dann aber doch bloß als Kriegstreiberin, Originalton: "whore", dastehen.
Ein gewisses Maß an Naivität bezüglich seiner Darstellung kosmopolitischer Zusammenhänge kann "The Fourth War" letztlich nicht verhehlen, eigentlich geht es aber doch nur um das Duell zweier alter, pockennarbiger Böcke kurz vor ihrer endgültigen Entwaffnung, Einmottung und, wenn man so will, ideeller Kastration. Thematisch liegt der Film damit voll auf Frankenheimers klassischer Linie, die ja schon immer von Blockkonflikt und/oder solitären Behauptungsbemühungen gegenüber einem hermetischen System berichtete.
7/10
#1581
Geschrieben 23. Januar 2009, 10:58
The Great Gatsby (Der große Gatsby) ~ USA 1974
Directed By: Jack Clayton
Long Island Mitte der 20er: Der junge, arme Börsenmakler Nick Carraway (Sam Waterston) lernt seinen Nachbarn, den Salonlöwen Jay Gatsby (Robert Redford) kennen, dessen allabendliche bombastische Partys Nick neiderfüllt von seiner Veranda aus beobachtet. Als Gatsby, der es liebt, sich mit Champagner, Pomp, Jazz und Persönlichkeiten aus Kultur und Politik zu umgeben, herausfindet, dass seine Jugendliebe Daisy (Mia Farrow) Nicks Cousine ist, arrangiert er ein Treffen, um Daisy nicht nur wiederzubegegnen, sondern sie nach all den Jahren und zu Reichtum gelangt, endlich noch für sich gewinnen zu können. Daisys Mann Tom (Bruce Dern), der selbst eine Affäre mit der Gattin (Karen Black) eines unbedarften Tankstellenwarts (Scott Wilson) pflegt, beobachtet die Entwicklung um seine Angetraute zwar mürrisch, aber immer noch relativ gelassen, weiß er doch um Gatsbys gesellschaftliche Verlogenheit und die wahren Ursprünge seines Neureichtums. Ein schwüler Nachmittag in Manhattan endet schließlich mit einer Katastrophe.
Claytons Verfilmung des berühmten Fitzgerald-Romans ist als period piece und Bebilderung der akribischen zeitgenössischen Schilderungen des Autors eine hervorragende literarische Ergänzung. In seinen gesellschaftskritischen Fragen, darunter dem ewigen Standesdünkel der oberen Klassen und der Angst vor dem aufkeimenden Selbstbewusstsein farbiger Mitbürger, ist der Film nicht ganz so scharf gezeichnet wie der Roman beziehungsweise belässt er es bei Andeutungen und Anstößen, scheint jedoch andererseits die Kenntnis desselben zur vollen Genussentfaltung vorauszusetzen. Clayton zeigt das, was Fitzgerald mit dem geschriebenen Wort nicht leisten konnte; Swing und Chiffon, Marmor und weiße Rosen, Geld und Gut. Damit bebildert und vertont er sein Sammelsurium unsympathischen Personals, das sich von vornherein durch eine unangenehme Oberflächlichkeit und Verlogenheit auszeichnet und in diesen seinen nachteiligen Wesenszügen im Laufe der Geschichte noch konturierter wird. Der Film läuft nicht selten Gefahr, im Porträt seiner geschmäcklerischen Dekadenz zu ersaufen, das aber mindert nicht seine äußere Schönheit und Form.
8/10
#1582
Geschrieben 23. Januar 2009, 14:12
The Last Tycoon (Der letzte Tycoon) ~ USA 1976
Directed By: Elia Kazan
Der Studioboss Monroe Stahr (Robert De Niro) ist seit dem Tod seiner Frau zum emotionslosen Geschäftsmann geworden, der sein Metier perfekt und zielgenau beherrscht und nahezu jede Filmproduktion, an der er beteiligt ist, zum sicheren Erfolg führt. Regisseure und Scriptautoren mit eigener kreativer Vision lässt er fallen wie heiße Kartoffeln. Als ihm eines Tages auf dem Studiogelände die junge Kathleen Moore (Ingrid Boulting), die ihn an seine verstorbene Gattin erinnert, ins Auge fällt, vergisst er seine Professionalität und setzt alles daran, Kathleen zu erobern. Diese jedoch lässt sich nur auf ein kurzes Techtelmechtel ein - ihre Hochzeit mit einem anderen steht kurz bevor. Als Stahr dann, emotional angeschlagen, die geplanten Verhandlungen mit einem Gewerkschaftssprecher (Jack Nicholson) der Drehbuchschreiber vergeigt, wird er selbst durch die Bankiers zur persona non grata in Hollywood.
F. Scott Fitzgerald arbeitete in seinen letzten Lebensjahren selbst als Drehbuchautor beim Film - und erlitt dort bei unwürdigster Behandlung durch die Produktionsetage und Financiers kreativen Schiffbruch. Von Alkoholismus und Depression gezeichnet, verarbeitete er die entsprechenden Erfahrungen im Roman "The Last Tycoon", der schließlich als Fragment veröffentlicht wurde, weil Fitzgerald vor seiner Vollendung starb. Geprägt wurde die Figur des Monroe Stahr von dem realen MGM-Executive Irving Thalberg, wie Stahr ein ausgesprochen exakt und erfolgsorientiert arbeitender, aber körperlich schwächlicher Filmmogul, der selbst früh von einer Lungenentzündung dahingerafft wurde. Auch seine eigene Person verewigte Fitzgerald im Roman - der Drehbuchautor Boxley (im Film gespielt von Donald Pleasence) muss sich von Stahr zurechtweisen und erläutern lassen, wie man korrekt zu schreiben habe - woraufhin er sich in einem depressiven Anfall volllaufen lässt und randaliert (Spuren dieses Charakters finden sich wiederum später in der Gestalt des W.P. Mayhew in "Barton Fink"). Kazans Film ist ein besonders in der ersten Hälfte wehmütiger Abgesang auf das golden studio age, auf die alten Tinseltowner Tage, in denen selbst die Bosse noch etwas vom Filmemachen verstanden und in denen Stars mehr Einfluss auf ein künstlerisches Resultat hatten als Regisseure und Autoren. Liebevoll werden Nebenfiguren wie die alternde Diva Didi (Jeanne Moreau) und der um seine Potenz fürchtende Latino-Galan Rodriguez (Tony Curtis) eingeführt. De Niro selbst bleibt von szenischen Entgleisungen und Ausfällen, wie sie bei Scorsese an der Tagesordnung waren, verschont. Im Mittelteil, der ausführlich die amour fou zwischen Stahr und seiner Kathleen beschreibt, gibt es dann gewaltige Durchhänger, die für einen so versierten Filmemacher wie Kazan eigentlich unentschuldbar sind. Es dauert eine Zeit, bis "The Last Tycoon" nochmal letzte Fahrt aufnimmt und zu einer prächtigen Schlusseinstellung geführt wird.
7/10
#1583
Geschrieben 25. Januar 2009, 11:18
Reindeer Games (Wild Christmas) ~ USA 2000
Directed By: John Frankenheimer
Kurz bevor der Knacki Rudy Duncan (Ben Affleck) aus dem Knast entlassen wird, muss sein Zellengenosse Nick (James Frain), der Rudy noch vor einem Anschlag bewahrt, dran glauben. Umso tragischer, da Nick am selben Tag entlassen worden wäre und sich von seiner Briefgeliebten Ashley (Charlize Theron) abholen lassen wollte. Da Rudy von den Bildern und Zeilen Ashleys selbst sehr angefixt ist, gibt er sich kurzerhand als Nick aus. Das soll er bald bereuen, denn Ashleys psychotischer Bruder Gabriel (Gary Sinise), genannt 'Monster' plant mit seinen Waffenschmugglerkumpanen ebenjenes Casino auszuräumen, in dem Nick vor seiner Haftstrafe als Wachmann gearbeitet hat. Rudy nun kennt sich in dem Casino überhaupt nicht aus, darf aber auch nicht sein wahre Identität zu erkennen geben, da er sonst als überflüssiger Faktor erschossen werden würde.
Frankenheimers Kino-Schwanengesang fällt in der Schnittfassung des Regisseurs nochmal sehr rau, aber gewinnend aus; daher war die Vorgehensweise der Weinstein-Brüder, für die Frankenheimer arbeitete, eine Frechheit - wenn auch üblich für sie. Nachdem eine preview sehr zu Ungunsten des director's cut ausgefallen war, kürzte man "Reindeer Games" bei Miramax eigenmächtig um 20 Minuten und veränderte den Schnittrhythmus, so dass der Film wesentlich seichter und domestizierter wirkte. Auf DVD ist glücklicherweise Frankenheimers Wunschfassung verfügbar, die per Audiokommentar seine nochmalige Absegnung erfährt. Nach der allgemeinen Anerkennung von "Ronin" konnte der Filmemacher sich ein letztes Mal passabler Arbeitsbedingungen (mit Ausnahme eben der Indie-Tyrannen-Brüder Weinstein) erfreuen und schuf ein sehr vitales Werk, das seine eher eigenwilligen Arbeiten aus den Achtzigern zu letzter atmosphärischer Blüte führt, mit diversen bewusst unglaublichen inhaltlichen Drehern nicht geizt (der final twist erweist sich als fömlich umschrieben schöner Schwachsinn), wohldosierter Aktion, einem höhnisch-bösen Humor (besonders Dennis Farina als Casinoverwalter Jack Bangs - s. Zitat - wäre da zu nennen) und kunstvoller Kameraarbeit. Ein netter letzter Spaß und ein liebenswertes Abschiedsgeschenk an seine Verehrer.
7/10
#1584
Geschrieben 25. Januar 2009, 11:45
The Day Of The Locust (Der Tag der Heuschrecke) ~ USA 1975
Directed By: John Schlesinger
Das Hollywood der dreißiger Jahre erlebt der junge Bourgeois Tod Hackett (William Atherton) wie ein gewaltiges Irrenhaus. Seine Wohnzeile wimmelt von skurrilen Gestalten, die alle irgendwie beim Film eingebunden sind: Da gibt es den Liliputaner Abe Kusich (Billy Barty), der ständig im Clinch liegt mit seiner normal gewachsenen Freundin, säuft wie ein Loch und Dauergast ist im Puff nebenan, den kleinen Rüpel Adore (Jackie Haley), der als Kinderstar über die Maßen verwöhnt wird und die ekelhaftesten Streiche spielt, die sich ein Bengel nur ausdenken kann, sowie den ehemaligen Ziegfeld-Künstler Harry Greener (Burgess Meredith), der seine Wundertinktur als Klinkenputzer an Mann und Frau bringt und dessen Tochter Faye (Karen Black), die es als hübsches, aber ordinäres Starlet in den Studios zu kaum mehr als Sekundenauftritten bringt. Tod, der bald erste Erfolge als Produktionszeichner für einen Waterloo-Film verzeichnet, verliebt sich in Faye, diese wendet sich jedoch dem betuchteren Homer Simpson (Donald Sutherland) zu, der als Pantoffelheld vollommen unter der Fuchtel Fayes steht und sich von ihr eine Erniedrigung nach der anderen gefallen lassen muss. Die groß aufgezogene Premiere des DeMille-Spektakels "The Buccaneer" im Grauman's Chinese schließlich gerät zur albtraumhaften Massenhysterie mit blutigem Ausgang.
Der dem Film zugrunde liegende, 1939 ersterschienene Roman von Nathanael West schrieb literarische Geschichte als die große Hollywood-Entlarvung in gedruckter Form: Von geplatzten Träumen, unerfüllter Obsession, Lüge und Schein handelt die Story, von all dem Maliziösen also, für das die Filmstadt sich seit eh und je zu verantworten hat. Schlesinger filmt das in golden anmutenden Bildern, die durch merkwürdige Verschleierungseffekte manchmal aussehen wie durch Seifenblasen betrachtet. Wie in vielen der reiodisch und wesenhaft ähnlich gelagerten Sozialanalysen dieser Jahre (s. auch "The Great Gatsby") bietet man dem Leser eine (männliche) Identifikationsfigur feil, deren Naivität gegenüber den ihn erwartenden Wendungen ähnlich groß der des Rezipienten ist und deren Weltbild am Ende nachhaltig erschüttert sein wird. Und wie bei Fitzgerald tritt diese Figur in den übergroßen Schatten eines schillernden, bewunderten Hauptcharakters, dessen öffentliches Image nicht seine Verantwortlichkeit für die finale Katastrophe zu überdecken vermag.
Schlesinger hat mit "The Day Of The Locust" eine großartige Arbeit vorgelegt, wie sie einzig zu Zeiten New Hollywoods entstehen konnte und in dieser Form heute undenkbar wäre. Der Film in seiner endgültigen Gestalt berichtet auch von sich selbst, vom damals Möglichen, von Grenzverschiebungen und davon, wie ungeheuer dicht das orientierungslose Studiosystem in diesen Tagen einem gewissen Kunstbegriff fern jeder Art der Massenanbiederung kam. Gehört damit zu den unerlässlichen Werken jeder 70er-Jahre-Chronolgie.
9/10
#1585
Geschrieben 26. Januar 2009, 17:49
Hannie Caulder (In einem Sattel mit dem Tod) ~ UK 1971
Directed By: Burt Kennedy
Als die drei verfilzten Clemens-Brüder Emmett (Ernest Borgnine), Frank (Jack Elam) und Rufus (Strother Martin) nach einem Banküberfall auf der Caulder-Ranch landen, erschießen sie zunächst den Herrn des Hauses, vergewaltigen danach dessen Frau Hannie (Raquel Welch), um schließlich das Haus niederzubrennen. Kurz darauf kommt der Kopfgeldjäger Price (Robert Culp) vorbei, der sich nach langer Überredungskunst Hannie annimmt, ihr das Schießen beibringt und sie für ihren bevorstehenden Rachefeldzug trainiert.
Die Tigon British als Westernproduzentin? Eine seltsame Kombination, fürwahr. Heraus kam dann auch kein großartiger, sondern ein harmlos-mittelmäßiger Film, der den Naturalismus und die Endzeitstimmung der ihn umgebenden Genrewerke erfolglos zu adaptieren und sehr unbeholfen in sein Welch-Vehikel zu implantieren sucht. Um allerdings einen so dreckigen, nihilistischen Film wie die von Peckinpah oder Medford zu fertigen, bedarf es eines anders Geschnitzten als des Routiniers Burt Kennedy, der als Schreiber für Boetticher seine wesentlichen Meriten eingefahren hat, als Regisseur im besten Falle nette bis solide Auftragsarbeiten herstellte und die Fingerchen par tout nicht von der Humorklaviatur lassen kann. "Hannie Caulder" verrät sich selbst in seinem Bemühen, einen Feminismus-Western in Erinnerung an die großen historischen Flintenweiber wie Belle Starr und Calamity Jane auf die Beine zu stellen, wenn er die Welch im Poncho und in figurbetonten nassen Hosen durch die Stadt stiefeln lässt, ihr dabei aber doch nur ein zartes Frauenseelchen zugesteht. Dann schon lieber mit ehrlichem, selbstbewusstem Sex wie in "100 Rifles".
Einziges echtes Kuriosum bleibt der Auftritt Christopher Lees als sympathischer Büchsenmacher.
5/10
#1586
Geschrieben 26. Januar 2009, 18:15
Yanks ~ USA/UK/BRD 1979
Directed By: John Schlesinger
England, 1943: Amerikanische Soldaten werden im Gros auf der Insel stationiert, um sich dort auf die mittelfristig anvisierte Invasion vorzubereiten. Die G.I.s vertreiben sich die Freizeit damit, die lokale Damenwelt, die von den lockeren Sitten und der offenherzigen Galanterie der Überseeler fasziniert sind, aus- und aufs Parkett zu führen. Während der Flottencommander (William Devane) mit einer aristokratischen Provinz-Lady (Vanessa Redgrave) anbendelt, verguckt sich der junge Offizier Matt (Richard Gere) in die Krämerstochter Jean (Lisa Eichhorn). Diese lässt sich Matts aufdringliche Avancen zwar gefallen, ist eigentlich jedoch dem Nachbarsjungen Ken (Derek Thompson) versprochen, der im fernen Burma im Einsatz ist. Als die Nachricht von Kens Fronttod an eintrifft, wird das Paar von Schuldgefühlen geplagt.
Für "Yanks", eine angenehm unspektakuläre Interkonti-Romanze vor Kriegshintergrund, konnte Schlesinger in die alte Heimat zurückkehren - vermutlich die primäre Motivation für seine Regie-Übernahme. Ohne, dass man Themen erkennen könnte, mit denen man den Filmemacher unweigerlich in Verbindung brächte, liefert dieser gepflegtes Schauspielerkino, das in episodischer Form vom Wohl und Wehe zukunftsloser love storys berichtet und nur selten echte Spannungsmomente aufbringt. Einer dieser wenigen ist das Eskalationsmoment einer Sylvester-Party, bei der ein angetrunkener schwarzer US-Soldat ein weißes englisches Mädchen zum Tanzen auffordert und dafür von einem neiderfüllten Konkurrenten (Everett McGill) heftige Prügel bezieht. Während Gere als Held der Geschichte keinerlei Zivilcourage in dieser Situation zeigt und sich von seiner Freundin dafür bitterlich zurechtweisen lassen muss, reagieren die anderen weiblichen Ballgäste auf die Situation, indem sie sämtliche der farbigen G.I.s zum Tanz bitten. Von derlei bewegenden Momenten bietet "Yanks" wie erwähnt nur wenige auf, zu wenige, als dass er wahre Nachhaltigkeit vorweisen könnte. Dennoch, insgesamt ist er schön anzuschauen.
7/10
#1587
Geschrieben 27. Januar 2009, 16:38
Charlie Wilson's War (Der Krieg des Charlie Wilson) ~ USA 2007
Directed By: Mike Nichols
Der Kongressabgeordnete Charlie Wilson (Tom Hanks) sieht sich zu Beginn der achtziger Jahre neben einer Verstrickung in eine unangenehme Las-Vagas-Affäre, die ihn zu Recht bezichtigt, Steuereinnahmen mit Schampus, Huren und Koks durchgebracht zu haben, in die Ereignisse um den Krisenherd Afghanistan involviert. Die Sowjets terrorisieren dort die militärisch vorsintflutliche Landbevölkerung mit dem schlussendlichen Ziel, sich strategische Vorteile im Kalten Krieg zu verschaffen. Als Wilson Zeuge der katastrophalen Zustände in einem Flüchtlingslager wird, ergreift er zusammen mit dem unkonventionellen CIA-Mann Avrakatos (Philip Seymour Hoffman) und der texanischen Soicietyschnepfe Joanne Herring (Julia Roberts) die Initiative und pumpt Geld und Waffen in die afghanische Widerstandsbewegung, was schließlich zur Niederlage der Russen führt.
Trotz seiner klugen Erscheinung hinterlässt "Charlie Wilson" als - wenn schon nicht Glorifizierung, so doch zumindest Gutheißung - weltpolitischer Intervention einen etwas unguten Beigeschmack. Sich liberal-populistisch gebend in seiner Anprangerung gegenwärtiger Entwicklungen scheint das Script schlicht zu übersehen, dass die inoffizielle Einmischung der USA in den Afghanistan-Konflikt letztlich bloß zu einem weiteren Stellvertreterkrieg geführt hat, dessen unmittelbare positive Effekte im Prinzip zwar unbestreitbar, deren langfristige Nachwirkung aber nur allzu bekannt und alles andere als beklatschenswert sind. Charlie Wilsons Krieg war, wie sämtliche Krisen unter den Großmächten, weniger ein Befreiungskampf als ein kombattanter Vorstoß, hier im Zeichen anti-kommunistischer Arealsicherung unter der Regierung Reagan; die Steckenpferdaktion eines Lebemannes, dem hübsche Damen und edler Whiskey beizeiten zu langweilig wurden. Doch viele schmucke Seiten hat der Film nichtsdestotrotz - er ist sich seiner Aussagen jederzeit voll bewusst und vertritt sie mit Überzeugung und Elan, witzig ist er und verfügt mit Hoffman und dessen Interpretation über einen schlagkräftigen Bonus. Bei Frank Capra hätte das geheißen: "Mr. Wilson Goes To Afghanistan" - nur dass Capra seinen letzten Film vor 48 Jahren gemacht hat.
7/10
#1588
Geschrieben 29. Januar 2009, 17:13
Any Given Sunday (An jedem verdammten Sonntag) ~ USA 1999
Directed By: Oliver Stone
Die aktuelle Football-Saison wird für Tony D'Amato (Al Pacino), den Trainer der Miami Sharks, zur Tortur. Mit den ererbten Besitzanteilen der Societyschnepfe Christina Pagniacci (Cameron Diaz) gerät sein Team zum Spielball kommerzieller Interessen, sein Quarterback Cap Rooney (Dennis Quaid) wird langsam rostig und der neue Spielmacher Willie Beamen (Jamie Foxx) neigt zum Größenwahn. Hinzu kommen ein korrupter Mannschaftsdoktor (James Woods), aufdringliche Journalisten und D'Amatos höchstpersönliche Lebenskrise zwischen Huren und Alkohol. Die Playoffs ähneln einem Spießrutenlauf.
So, wäre das auch abgehakt. Mochte mich nie so recht damit abfinden, dass dies Stones einziger Film sein sollte, den ich mir nie zu Ende angeschaut habe und der mir, soweit ich ihn kannte, immer bodenlos erschien. Dass "Any Given Sunday" endgültig die vorläufige Abkehr von der linken Politpädagogik bedeutete, ist verschmerzbar, als hochglänzendes Unterhaltungsprodukt im hyperventilierenden Stone-Modus ist der Film absolut in Ordnung. Die sich einfindende Star-Prominenz lässt einen vor Leinwandgleißen bald erblinden, wobei die allermeisten Beteiligten ja doch nur Unsympathen abgeben und scheinbar auf der Suche nach einem stattlichen Kerbholz-Einschnitt sind. Dass ein Typ wie LL Cool J hier den Mäck macht, ist eine ebensolche Zirkusnummer wie der Super Bowl itself. Ja, es ist womöglich Stones nachlässigste Arbeit, eine Miami-Seifenoper, in der die Oberfläche über den Autorengeist triumphiert, doch ist sie in dieser Form noch immer eine ansehnlichere Kuppelei als wenn sie irgendein x-beliebiger Hallodrifilmer eingestielt hätte. Geht schon.
7/10
#1589
Geschrieben 30. Januar 2009, 12:45
55 Days At Peking (55 Tage in Peking) ~ USA 1963
Directed By: Nicholas Ray
Im Jahre 1900 sieht sich das Pekinger Diplomatenviertel dem Boxer-Aufstand gegenüber. Die elf dort ansässigen Botschafter aus verschiedenen Nationen, allen voran der die Kapitulation ausschließende Brite Robertson (David Niven), müssen sich mit einer Minimalstreitmacht gegen die freischärlerischen Boxer, die zudem von der kaiserlichen Armee unterstützt werden, zur Wehr setzen. An vorderster Front steht der just eingerückte US-Major Lewis (Charlton Heston).
Rays letzter Film auf lange Sicht, wieder ein monumentales Epos unter der Produktionsägide des umtriebigen Samuel Bronston. Die historischen Fakten werden zugunsten einer knackigen Leinwandabwicklung zwar alles andere als akkurat wiedergegeben, diesen ohnehin qua obligatorischen Schnitzer holen jedoch der Bombast der in Spanien errichteten Kulissen, Kostümpracht und andere visuelle Atemräuber wieder ein. Die Belagerungssituation wird nicht zuletzt deshalb so empathisch reflektiert, weil man sich für Peking als einzigen Handlungsort entschieden hat. Etwa 90 Prozent der Szenen spielen wiederum im Inneren des Diplomatenviertels. Ava Gardner, als russische Baroness und Hestons love interest zu sehen, füttert ihren eigenen Mythos als Kleiderständer von ungraziler Vergangenheit. Mit dem Australier Robert Helpmann als Thronanwärter Jung-Lu gibt es außerdem einen richtig ekligen gelben Bösewicht, der ja in Wirklichkeit überhaupt nicht gelb ist. Zur weiteren Recherche siehe Dr. Fu-Manchu.
Für alle Liebhaber bunter Historienepen mit einem zum Zudrücken bereiten Auge ein exquisiter Bilderbogen, alle anderen dürfen sich bitteschön gepflegt langweilen.
8/10
#1590
Geschrieben 30. Januar 2009, 13:13
12 Angry Men (Die 12 Geschworenen) ~ USA 1957
Directed By: Sidney Lumet
12 Geschworene (Henry Fonda, Lee J. Cobb, Jack Warden, Jack Klugman, E.G. Marshall, Robert Webber, Martin Balsam, Ed Begley, John Fiedler, Ed Binns, Joseph Sweeney, George Voskovec) haben an einem schwülen New Yorker Nachmittag über Schuld oder Unschuld eines 18-jährigen Angeklagten (John Savoca), der seinen Vater ermordet haben soll, zu befinden. Im Falle eines Schuldspruchs würde der junge Mann hingerichtet. Während zu Beginn der Diskussion nur ein Geschworener für dessen Unschuld stimmt, lassen sich im Folgenden immer mehr Beisitzer davon überzeugen, dass die Beweisführung des Verfahrens äußerst lückenhaft, parteiisch und nachlässig war.
Mit diesem meisterlichen Dialogdrama, seiner ersten Spielfilmregie, empfahl sich Sidney Lumet gleich für die nächsten 50 Jahre (und hoffentlich noch lange darüber hinaus) als eine Speerspitze des amerikanischen Films. Einzig durch die manchmal mehr, manchmal weniger emotional geführten Gespräche der Geschworenen rekonstruiert sich im Kopf des Rezipienten der gesamte zuvor durchlebte Mordprozess nebst diverser dort zur Sprache gekommener Details, bis man glaubt, sämtliche Fakten plastisch vor Augen zu haben und selbst von der Unschuld des Angeklagten überzeugt ist (nebenbei wird dies durch einen geschickten Kniff Lumets - er zeigt in einer kurzen Einstellung den angeblichen Mörder als einen todtraurigen, innerlich verzweifelten jungen Mann mit großen Augen - gleich zu Beginn des Films nachhaltig suggeriert). Doch damit nicht genug: Ohne (bis auf schlussendlich vier Ausnahmen) ihre Namen zu kennen, bekommt man von allen zwölf Teilnehmern lückenlose Psychogramme geliefert. Durch das pausenlose Verharren auf ihren Gesichtern, Darstellungen ihrer Mimiken und Gestiken, demografische Einordnungen und erzählerische Einblicke in ihren Alltag erfährt man mehr über einige der Jury-Mitglieder als sie schlussendlich über sich selbst wissen. Dabei bleibt die Kamera trotz der räumlichen Begrenzung keinesfalls statisch; Dynamik wird per Schnitt, Perspektivenwechsel und kurzer Fahrten erreicht. Lumet bewegt sich so traumwandlerisch durch die Szenerie wie ein längst betagter Profi und liefert Erstaunliches.
10/10
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