In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1801
Geschrieben 21. Juni 2009, 09:44
Notorious (Berüchtigt) ~ USA 1946
Directed By: Alfred Hitchcock
Nachdem ihr für die Nazis spionierender Vater des Landesverrats angeklagt wurde, ertränkt die depressive Alicia Huberman (Ingrid Bergman) ihre Sorgen in Alkohol und dolce vita. Da rekrutiert sie der Agent Devlin (Cary Grant) für einen Spezialauftrag in Brasilien. Alicia soll bei der Infiltrierung einer Organisation von Nazi-Exilanten behilflich sein, mit denen auch ihr Vater paktiert hatte und die sich im Haus des nach außen hin wohlhabend lebenden Alexander Sebastian (Claude Rains) an der Copacabana zu treffen und dort zu konspirieren pflegen. Sebastian hat schon seit längerem ein Auge auf Alicia geworfen, was ihren Einsatz ungemein erleichterte. Nach kurzem Zögern willigt sie ein. Komplikationen ergeben sich durch die frisch entflammte Liebe zwischen Devlin und Alicia, für die die Lage noch brenzliger wird, als Sebastian ihre wahren Motive erkennt.
Hitchcock zeigte nicht selten Interesse an bald verwunschenen Frauenschicksalen, und ähnlich "Rebecca", "Suspicion", "Under Capricorn" und "Marnie" verhandelt auch "Notorious" das Motiv einer zutiefst verletzten, fragilen Dame, die erst die von subtilem Sadismus geprägte Liebe eines egozentrisch agierenden Mannes aus ihrer Misere befreit. Weiterhin macht Hitch einmal mehr Gebrauch von dem Bild der dominanten Mutterfigur, hier schön albtraumhaft dargestellt von Leopolde Konstantin als Sebastians Mama, ihrem Sohn in einem eigenartig besitzergreifenden, ödipalen Verhältnis zugetan. So stelle ich mir rein physiognomisch auch die noch vitale Norma Bates vor. Das Spionage-Thema schließlich ist rein oberflächlich, die mit Uran gefüllten Weinflaschen der übliche MacGuffin ohne jede weitere Bedeutung. Wie Hitch die Kamera dirigiert, so etwa für die subjektive Perspektive, aus der Alicia den sich um sie herum bewegenden Devlin vom Bett aus beäugt, oder in den Sequenzen (derer hat es alles in allem drei), in denen Alicia und Devlin miteinander säuseln und Sebastian sich nähert, ist einer der Aspekte, die "Notorious" seinen berechtigten Ruhm eintrugen.
Selbigen hätte wohl auch der ursprüngliche Produzent David O. Selznick gern für sich verbucht. Es gab jedoch zwei Hauptgründe dafür, warum er den Film an die RKO unterlizenzierte. Zum einen brauchte er dringend Geld, um sein damaliges Leibprojekt "Duel In The Sun" voran- und zuende zu führen, zum anderen hatte Hitch sich durch seine Erkundigungen nach Größe und Konstruktion einer Atombombe beim US-Geheimdienst in die Nesseln gesetzt, was Selznick nicht besonders behagte. Der danach folgende "The Paradine Case" beendete dann die langjährige Kooperation zwischen dem Mogul und seinem Regisseur.
Eine Lanze möchte ich ausdrücklich für die alte deutsche Synchronfassung brechen, die 1951 (für den passenden Uraufführungstitel "Weißes Gift") entstanden ist und für die man aus - fraglos falschen - Pietätsgründen aus den Naziverschwörern einen Rauschgiftring machte. Diese ist nicht nur ein unbedingt erhaltenswertes, kulturhistorisches Dokument (das glücklicherweise auf der jüngst erschienenen SZ-DVD verfügbar ist), sondern der inhaltlich korrekten, aber hoffnungslos sterilen Fernseh-Neuvertonung um ganze Haushöhen überlegen. Wenn man also einmal Kenntnis darüber besitzt, dass 'Alessandro Sebastín' in Wahrheit Alexander Sebastian heißt und mitnichten ein lateinamerikanischer Opiumdealer, sondern ein europäischer NS-Schweinehund ist, mag man sich, so man eine deutsche Fassung wünscht, getrost die schön arrangierte, nostalgische Altsynchro anschauen. Für mich kommen nur noch Original oder 51er-Vertonung in Frage, die neuere behalte ich nurmehr lediglich der Vollständigkeit halber.
9/10
#1802
Geschrieben 21. Juni 2009, 13:37
Tras El Cristal (Im Glaskäfig) ~ E 1987
Directed By: Agustí Villaronga
Ein ehemaliger deutscher KZ-Kinderarzt (Günter Meisner), genannt Klaus, hat sich nach Spanien geflüchtet, dort geheiratet und eine Tochter (Gisèla Echevarría) bekommen. Seine alten Obsessionen, die darin bestanden, systemisch legitimiert kleine Jungen zu erniedrigen, zu missbrauchen und zu Tode zu quälen, brechen im Exil wieder auf. Verzweifelt wagt Klaus einen Suizid, indem er sich vom Turm seines Hauses stürzt. Er bleibt jedoch querschnittgelähmt, kann sich nicht mehr rühren und benötigt fortan eine Eiserne Lunge zum Überleben. Da bietet ihm bzw. seiner Frau Griselda (Marisa Paredes) eines Tages der junge Krankenpfleger Angelo (David Sust) auf aggressive Art seine Hilfe an. Angelo übernimmt bald die dominante Rolle im Haus und tritt in fast symbiotische Beziehungen zu Klaus und seiner Tochter Rena, die in fürchterliche Schandtaten münden.
"Tras El Cristal" sorgte in den letzten zwanzig Jahren vor allem seiner internationalen Zensurgeschichte wegen Furore und tatsächlich bedient und stimuliert Villarongas sehr artifiziell, optisch aber zugleich zeitlos gestalteter Film, der wegen seiner tiefen Einfärbung auch "Película En Azul" hätte heißen mögen, äußerst unangenehme psychologische Untiefen beim Rezipienten, deren Aktivierung sicher lange nachwirken dürfte. Der Topos von der Faschismus- bzw. Kriegssituation, die bei emotional labilen Menschen auch die letzten ethischen Grenzen umzustoßen vermag, ist dabei bloß ein thetischer Ansatz, mehr noch geht es um das sich fortwährend drehende Gewaltkarussell bzw. den ewigen Rachekreislauf, der nicht endet, solange es potenzielle Vergelter gibt. Angelo entpuppt sich, wobei dies eigentlich keine besondere Überraschung ist, natürlich als eines von Klaus' vormaligen Opfern, das ihm seine Misshandlungen nicht vergeben, sie schon gar nicht vergessen kann und sich dafür bei ihm nach vielen Jahren bitterböse revanchiert. Dabei gibt er den Racheengel nicht nur für sich selbst, sondern vielmehr für die sicherlich unzähligen schon zu Kriegszeiten von Malträtierten, indem er den im "Glaskäfig" Eingepferchten, der sich seiner Schuld nur zu bewusst ist, dieselben, grauenvollen Situationen wie dereinst nochmal durchleben lässt und dabei selbst zum Kindermörder wird. Am Ende, nachdem sein Plan in letzter Konsequenz erfüllt wurde, hat längst eine vollständige Identifikation mit dem einst verhassten Folterer stattgefunden und Rena übernimmt wiederum Angelos Part. Alles bewegt sich innerhalb eines festgelegten Gefüges, ohne jegliche Ausbruchsmöglichkeit. "Tras El Cristal" ist damit nicht zuletzt ein sehr hermetischer Film, der sich mit ganz wenigen Ausnahmen auf das Küstenhaus als Schauplatz beschränkt und damit sogar filmisch zu einem gegenständlichen Käfig wird.
8/10
#1803
Geschrieben 22. Juni 2009, 15:44
The Big Country (Weites Land) ~ USA 1958
Directed By: William Wyler
Der Seemann Jim McKay (Gregory Peck) kommt in den Westen, um dort seine Verlobte Patricia Terrill (Debbie Reynolds) im Schoße ihrer Familie zu heiraten. Dabei gerät er in den nachbarschaftlichen Konflikt zwischen zwei Rancher-Patriarchen: Patricias arrogantem Vater Major Terrill (Charles Bickford) auf der einen und dem eher proletarisch verwurzelten Rufus Hannassay (Burl Ives) auf der anderen Seite. Als McKay feststellt, dass ihm weder die Art schmeckt, mit der die beiden Viehtreiber aufeinander losgehen, noch die Definition, die die Westleute von hehrem Maskulinismus pflegen, trennt er sich von Patricia und gründet mit dem Erwerb einer weiteren Ranch in dem Gebiet eine Art autonome Drittpartei.
Wylers "The Big Country" ist nur im engeren Sinne ein originärer Western, richtigerweise steht er in der Tradition der im Westen und Mittelwesten angesiedelten, ausufernden Familien- und Landeschroniken, zu denen neben "Gone With The Wind" auch "Cimarron", "The Sea Of Grass", "Giant", "Raintree Country" und Wylers eigener "Friendly Persuasion" zählen. Dennoch gilt es, bestimmte gattungstypische Motive des Western nicht außer Acht zu lassen, derer in "The Big Country" gehäuft zu finden sind. Pistolen und Fäuste spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle als Kommunikationsmedien, hinzu kommt die eine oder andere Pferdeepisode. Gregory Peck als Ostküsten-Gentleman weigert sich beharrlich, sich den Gepflogenheiten seiner neuen Umgebung anzupassen und tritt bis zum Schluss nicht in "Eingeborenenkluft" vor die Linse. Seine Integrität besteht in der Wahrung des kühlen Kopfes und in der Bestimmung und Analyse bestimmter Gesten seiner Gegenüber. Die notwendigen Rollen der staubigen Kuhhirten übernehmen Charlton Heston und Chuck Connors als klassische Weiderivalen. Kernstück des Films ist die alte Rivalität zwischen Bickford und dem ähnlich grandios wie in "Cat On A Hot Tin Roof" agierenden Ives: Zwei alte Grantler, deren Kleinkrieg anachronistisch und zivilisationswidrig ist. Immerhin erkennen sie am Ende, wie wahre Männer ihren Streit auszutragen haben; nämlich unter sich und ohne Mittelsleute. Wirklich hoch erhobenen Hauptes kommt nur der "Fatzke" aus dem Canyon geritten.
9/10
#1804
Geschrieben 22. Juni 2009, 16:11
No Name On The Bullet (Auf der Kugel stand kein Name) ~ USA 1959
Directed By: Jack Arnold
Als der berüchtigte Auftragskiller John Gant (Audie Murphy) in das Städtchen Lordsburg geritten kommt, geht der Hälfte der Einwohner die Muffe. Gant ist dafür bekannt, sein Ziel ohne großes Aufheben zu sondieren, zu provozieren und dann fachgerecht zu entsorgen, ohne jemals den Kürzeren zu ziehen. Da nahezu jeder Einwohner von Lordsburg aus dem einen oder anderen Grund Dreck am Stecken hat (viele sind verwickelt in ein unsauberes Minen-Geschäft), wähnt sich jeder als Gants nächstes Opfer. Einzig der ansässige Arzt Canfield (Charles Drake) versucht, moderierend auf die zunehmend gespannte Situation einzuwirken.
"No Name On The Bullet" gilt im gemeinen Kanon als der beste der vielen B-Western, die Audie Murphy, weithin mittelmäßiger Akteur und Hollywoods höchstdekorierter Held des Zweiten Weltkriegs, durch seine Präsenz adelte. Dieses Verdienst dürfte allerdings weniger dem Hauptdarsteller als vielmehr dem Regisseur des Films zuzuschreiben sein, der beim Western die zweitgrößen Karriere-Meriten nach jenen für seine Phantastik-Filme einfuhr. "No Name" ist ein harter, pointierter und kurzer Genrebeitrag, der einige elementare Gatungs-Topoi vorwegnimmt bzw. mitdefiniert. So erweitert er etwa den bereits installierten "Shane"-Mythos betreffs des fremden Großreinemachers mit der stoischen Mimik um das Moment der sündigen Kleinstädter mit dem schlechten Gewissen, um jenen auf Betrug und Gewalt gegründeten Mikrokosmos, der schlussendlich mit dem nicht einzuordnenden Killer ins längst fällige, empfindliche Wanken gerät. Formal entstand dabei ein durchweg makelloser Film, dessen psychologische Grundierung ähnlich wie bei Boetticher und Kennedy weit über das übliche Maß Kurzweil hinausreicht und das dazugehörige Werk gerade deswegen weit über den Durchschnitt hebt. Ein eminenter Beweis für den langfristigen Erfolg filmischer Trüffeljagd, oder eben dafür, dass es sich auszahlt, das Große im vermeintlich Kleinen zu suchen.
9/10
#1805
Geschrieben 22. Juni 2009, 20:10
Man In The Shadow (Des Teufels Lohn) ~ USA 1957
Directed By: Jack Arnold
Ben Sadler (Jeff Chandler), Sheriff eines verschlafenen kalifornischen Kleinstädtchens, bekommt es schlimmstenfalls mal mit über die Stränge schlagenden Betrunkenen zu tun. Umso hellhöriger wird er, als im ein mexikanischer Arbeiter (Martin Garralaga) von der "Golden Empire Ranch" den Totschlag an einem jungen Kollegen (Joe Schneider) anzeigt, für den der Vorarbeiter Yates (John Larch) verantortlich sein soll. Als Sadler der Sache nachgeht, stößt er auf eine Wand aus Ablehnung, Leugnen und Schweigen, die ihm insbesondere Virgil Renchler (Orson Welles), Besitzer von Golden Empire, vorsetzt. Damit nicht genug fürchten sämtliche Bewohner der Stadt aufgrund Sadlers Ermittlungen um ihre wirtschaftliche Potenz, die letztlich Renchler in der Hand hat. Im Alleingang versucht Sadler, den Fall zu klären.
Weitgehend plausibel konstruierter, in der Neuzeit angesiedelter Westernthriller von Arnold. Der als solcher vielgerühmte professional macht es sich diesmal auf seinem Routinement bequem, anstatt wie bei anderen seiner Filme vereinzelte Glanzpunkte zu setzen. Nichtsdestotrotz gibt "Man In The Shadow", der auch als etwas verspäteter film noir durchgeht, sicherlich alles andere als einen Langeweiler ab, dafür bürgt schon die Besetzung Orson Welles' als bereits physisch machtvoll erscheinender Großrancher, dem sein Einfluss etwas zu Kopf gestiegen ist. Der ergo zum damaligen Zeitpunkt schon recht feist auftretende Welles muss allerdings gegen scriptbedingte Inkonsequenzen bezüglich seiner Charakterzeichnung anspielen. Eine klare Haltung bezüglich der Vorkommnisse auf seiner Ranch, die er zumindest initiiert hat, bleibt lange Zeit aus; während man anfänglich noch den Eindruck eines zwar dickschädligen, aber vernunftbegabten Mannes hat, ist Renchler am Ende doch kaum mehr als ein rücksichtsloser, verängstigter Mörder. Weiterhin verfügt sein Golden Empire offenbar über ein recht schmales Personal, jedenfalls geht zum Finale hin alles etwas zu schnell. Abgesehen von diesen paar Mängeln kann man dem Film jedoch bescheinigen, seine Sache gut zu machen.
7/10
#1806
Geschrieben 23. Juni 2009, 19:26
Cat Ballou ~ USA 1965
Directed By: Elliot Silverstein
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kommt die brave Schullehrerin Catherine Ballou (Jane Fonda), genannt 'Cat' zu ihrem Vater Frankie (John Marley) in den Westen. Der Farmer Ballou sr. sieht sich von dem Eisenbahnmogul Percival (Reginald Denny) bedroht, der sich dessen Land unter den Nagel reißen will. Zu diesem Zwecke hat Percival den gefürchteten Killer Tim Strawn (Lee Marvin) engagiert). Die tapfere Cat kontert mit den beiden Ganoven Clay (Michael Callan) und Jed (Dwayne Hickman) und nimmt noch den versoffenen Ex-Revolverhelden Kid Shelleen (Lee Marvin) unter Vertrag. Dennoch kann man nicht verhindern, dass Frankie erschossen wird. Cat wird der Kopf einer kleinen Bande, zu der noch der Indianer Jackie (Tom Nardini) stößt. Gemeinsam macht man Percival das Leben schwer, doch der Galgen wartet bereits.
Joe Hembus schreibt, dass der so genannte Neo-Western in finaler Konsequenz nur zwei Möglichkeiten hatte, nämlich die der Wehmut oder die der humoresken Farce. Wo Penn, Peckinpah und Hellman erstere Option wählten um sich zu exponieren, nahm "Cat Ballou" den scheinbar leichteren Weg und deklarierte den untergehenden Westen zu einem Tollhaus von Spinnern, Klischee- und Antiklischeefiguren. Die biedere, jungfräuliche Lehrerin wird zum rächenden Flintenweib, der Indianer erzählt etwas von verfassungsmäßig reglementierter Meinungsfreiheit und der alte Revolverheld macht eine harte Entgiftung durch, um dann genau einen Tag nüchtern zu bleiben und seinen mit Silberbeschlägen ausstaffierten Sonntagsanzug spazieren zu führen. Kommentiert wird die ganze Geschichte ganz klassisch-antik, aber very unwestern-like von einem pseudo-griechischen Chor, der bei "Cat Ballou" freilich aus dem banjoschwingenden Duett Nat King Cole und Stubby Kaye besteht.
Ich muss gestehen, dass ich Silversteins Film, obgleich ich ihn schon ewig kenne und respektiere, erst nach und nach erfasse und ihn noch immer nicht zur Gänze durchdrungen habe. Für gewisse formale Bestandteile des sehr mosaikartig und bewusst anarchisch-offen gestalteten Films finde ich einerseits keine rechte Integrationsbasis, sie kommen mir unpassend vor, wobei dieses Sich-Beißen andererseits, das erkenne ich und nehme es hin, eben doch vorsätzlich geschieht. Es liegt sicher auch mit daran, dass ich gescheite Parodien oder Grotesken in beinahe jedem Genre mag und grundsätzlich akzeptiere - nur im Western habe ich meine persönlich gefärbten Probleme damit, die daher rühren, dass seine klassischen Vertreter allem sozialen Atavismus zum Trotz so ernste wie edle Sittlichkeitsfolien beherbergen und sich üblicherweise in einem klar eingegrenzten Areal von ethischen Kodexen bewegen. Werden diese komplett auf den Kopf gestellt, wie etwa in Brooks' "Blazing Saddles", dann ist dagegen nichts zu haben, eine jeweilige Fünfzig-Prozent-Gewichtung ist aber meine Sache nicht.
Am besten gefällt mir an "Cat Ballou" sein letztes, fast vollständig Lee Marvin gehörendes Drittel. Dieser gibt im Film ja jene Figur ab, die selbst nicht mit den veränderten Zeiten zurechtkommt. Das kann kein Zufall sein...
7/10
#1807
Geschrieben 24. Juni 2009, 17:19
La Vergine Di Norimberga (Das Schloss des Grauens) ~ I 1963
Directed By: Antonio Margheriti
Mary (Rossana Podestà) und Ehemann Max (Georges Rivière; in der deutschen Fassung Burt) ziehen auf ein altehrwürdiges Schloss mit amtlichem Folterkeller samt diversen Marterinstrumenten. In dem Gemäuer geht eine maskierte Gestalt um, die sich "Der Richter" nennt und vornehmlich junge Damen mit dem vorhandenen Inventar zu Tode kommen lässt. Als Mary den Richter sieht und eine augenlose Leiche in der Eisernen Jungfrau findet, will ihr Max einreden, sie sei bloß überspannt. Die tapfere Hausfrau jedoch weiß es besser...
Vor allem seiner strahlenden Farben und stimmungsvollen Beleuchtung wegen ist Margheritis alter, in denselben Kulissen wie Bavas im gleichen Jahr entstandener "La Frusta E Il Corpo" gefilmter Wuselgrusler sehenswert. Die Geschichte gewinnt erst mit der leider in den letzten zehn Minuten recht spät stattfindenden Enthüllung der Identität des in schickem Schwarzrot gewandeten Richters an gebührlicher Fahrt. Bezeichnend, dass jene in der deutschen Kinofassung auch noch völlig getilgt wurde. Vorher irrt man wie die gute Mary völlig konfus durch die Szenerie, bekommt falsche und nichtsnutzige Hinweise en gros zu hören und kann sich einzig an besagter Fotografie und der für anno 63 ziemlich deftigen Effektschule laben. Lässt man sich darauf ein, ist alles gut und zufriedenstellend, verlangt man allerdings etwas Hirnstimulanz, glotzt man in die sprichwörtliche Röhre. Christopher Lees Auftritte sind bloß dazu da, um dem Schauspieler, der um diese Zeit ohnehin auf Italienreise war, ein Forum zu bieten und ansonsten komplett redundant.
Ich möchte jetzt nicht behaupten, der Film sei doof, aber ein ausgesprochener Ausbund an Geistesblitzen hat gewiss etwas mehr intellektuelles Format.
6/10
#1808
Geschrieben 25. Juni 2009, 13:19
Suspiria ~ I 1977
Directed by: Dario Argento
Die junge Amerikanerin Suzy Bannion (Jessica Harper) kommt auf eine renommierte Tanzakademie nahe Freiburg. Schon bei ihrer Ankunft in einer stürmischen Nacht wird sie einer panisch aus der Schule flüchtenden jungen Frau (Renata Zamengo) gewahr, die durch den Wald davonläuft und später grauslig ermordet aufgefunden wird. Sara (Stefania Casini), eine schon länger dort heimische Schülerin, macht Suzy bald auf die unerklärlichen Dinge aufmerksam, die im Hause stattfinden und von weiteren mysteriösen Gewalttaten begleitet werden. Für Sara hat das alles mit Hexenspuk zu tun respektive mit der Gründung der Schule vor über 100 Jahren durch eine angebliche, aus Griechenland stammende Hexe namens Elena Marcos.
Mir ist gestern schlagartig offenbar geworden, dass ich "Suspiria" unbedingt häufiger und regelmäßiger sehen muss. So absolut fantastisch hatte ich ihn lange nicht in Erinnerung. Jede Lobpreisung (ich habe gestern nach dem Film noch einige gelesen, u.a. von Hans Schifferle und Robert Zion), und mag sie auf den ersten Blick noch so überzogen erscheinen, mutet mir nunmehr vollkommen gerechtfertigt an. Argento präsentiert sich hier in Höchstform, in seiner Person als Bava-Schüler und als auteur d'horreur von obersten Gnaden, der die verborgenen Essenzen des Genres erkennt, inhaltliche Gradlinigkeit an eine sekundäre Position setzt und durch einen formvollendeten Einsatz technischer Kunstfertigkeit, wozu auserwählte, irreal anmutende Architekturen, der Einsatz tiefer Primärfarben und wummernder Musik von Goblin sowie eine anaturalistisch wirkende, bildhafte, eher an Grimms Märchen denn an Italo-Gore erinnernde Grausamkeit zählen, stark beunruhigende Assoziationen beim offenen Zuschauer hervorruft. "Suspiria" ist ein gemäldeartiger, schwarzromantischer Reigen von einem Film, der an Füssli, Bosch und Breughel gemahnt und in den man sich einfach fallen lassen kann, so rauschhaft wie ein Halluzinogen und dabei schrecklich wie ein Zahnarztbesuch mitsamt Wurzelbehandlung. Auch wenn "Inferno" mein Lieblings-Argento ist - ohne "Suspiria", und dessen kaum einholbare qualitative Messlatte bzw. Vorgaben sowie die Mutter der Seufzer hätte es so etwas wie eine 'Trilogie' sicher nie gegeben. Bin nachhaltig schwer angetan.
10/10
#1809
Geschrieben 27. Juni 2009, 19:53
Profondo Rosso (Rosso - Die Farbe des Todes) ~ I 1975
Directed By: Dario Argento
Der in Rom tätige Pianist Marcus Daly (David Hemmings) wird Zeuge des brutalen Mordes an der Hellseherin Helga Ulmann (Macha Méril) und ist fortan besessen davon, den noch mehrfach zuschlagenden Mörder zu finden. Dabei unterstützt ihn die kecke Journalistin Gianna (Daria Nicolodi). Als Marcus nach einer umwegigen Jagd den richtigen Täter gefunden zu haben glaubt, wird er eines Besseren belehrt.
"Profondo Rosso" gilt als Schlüsselfilm in Argentos Schaffen, da der Regisseur hier erstmals der Malerei klare Reverenz erweist (berühmt etwa seine Hopper-Avancen), seine - etwas naiv konnotierten - Bezüge zur Psychoanalyse herstellt bzw. installiert und klare stilistische Zeichen setzt, die er später immer wieder aufgreifen wird. Nicht nur wegen der Mitwirkung Hemmings' als scheinbar unerklärlich angefixter Amateur-Ermittler von eigenen Gnaden weist "Profondo Rosso" direkte Bezüge zu "Blowup" von Antonioni auf. Der etwas hochnäsige Bohémien erhält die Möglichkeit, seine von einseitiger Virtuosität geprägte Welt mit neuer Bedeutung aufzuladen, das geschieht hier wie dort. Etwas störend ist die manchmal ziellose Geschwätzigkeit des Films, die sich besonders in den gemeinsamen Szenen von Hemmings und Nicolodi äußert. Der Versuch, deren Beziehung als würzig und peppig, sozusagen im Screwball-Stil, darzustellen, misslingt Argento. Er ist eben kein vollendeter Erzähler von Liebesgeschichten. Für den Giallo ist "Profondo Rosso" sicherlich elementar, wenn man auch nicht vergessen darf, dass noch wichtigere Beiträge bereits zuvor entstanden sind.
8/10
#1810
Geschrieben 27. Juni 2009, 20:17
Valmont ~ USA/F 1989
Directed By: Milos Forman
Paris im späteren 18. Jahrhundert: Die intrigante Madame de Merteuil (Annette Benning) erträgt es nicht, von ihrem Liebhaber Gercourt (Jeffrey Jones), der die 15-jährige Cecile (Fairuza Balk) zu ehelichen plant, abgeschoben zu werden. Also entspinnt sie einen hinterlistigen Racheplan, für den sie den berüchtigten Filou Valmont (Colin Firth) einspannt. Dieser verliebt sich wiederum in die charmante Madame de Tourvel (Meg Tilly), kann es sich in seiner Position als flatterhafter Liebesabenteurer jedoch nicht eingestehen.
In den ausgehenden 80ern und frühen 90ern kam es gelegentlich vor, dass zwei große Produktionen zum selben Thema als direkte Konkurrenten ins Kino gelangten. Dabei war der Verlierer zumeist jener der beiden Filme, der über die weniger populären Stars verfügte und dem der größere Rückenwind in Form der Studio-PR fehlte. Etwa acht Monate vor "Valmont" hatte bereits Stephen Frears' "Dangerous Liaisons" mit ziemlich großem Beifallsecho von allen Seiten die Leinwände geentert. Beide Filme beruhen auf Laclos' berühmtem Gesellschaftsroman "Les Liaisons Dangereuses", der am Vorabend der französischen Revolution mit der rücksichtslos-snobistischen Dekadenz der Pariser Edelleute abrechnet. Wo Frears mit Glenn Close, John Malkovich, Michelle Pfeiffer und anderen ein sehr schillerndes und vor allem protziges Ensemble sowie WB als Studio zur Seite standen, konnte Forman zwar ebenfalls auf eine Riege sehr guter Akteure und Aktricen zurückgreifen, die jedoch nicht den internationalen Bekanntheitsgrad ihrer KonkurrentInnen besaßen. Dennoch kostete "Valmont" fast zweieinhalbmal so viel, was seinem Kassenscheitern letztlich nicht vorzubeugen vermochte.
Forman ist bei der Herstellung von period pieces ein extrem penibler, detailsüchtiger und authentizitätsbesessener Filmemacher, davon zeugt auch dieser "Ragtime"- und "Amadeus"-Nachfolger. Dabei spielen Frears' und Formans Arbeiten durchaus in derselben Liga, bieten jeweils brillantes Ausstattungskino mit prunkvollen Interieurs, Kostümen, Bauten, Bildern. Auf der rein visuellen Ebene ist der mit ausgefeilten Kabinettstückchen wie authentischer Kerzenbeleuchtung auftrumpfende "Valmont" seinem Ringgegner dabei sogar noch etwas überlegen.
8/10
#1811
Geschrieben 28. Juni 2009, 08:59
Phenomena ~ I 1985
Directed By: Dario Argento
Die 15-jährige Amerikanerin Jennifer Corvino (Jennifer Connelly), Tochter eines beliebten Filmstars, kommt auf ein Mädcheninternat in der Schweiz. Während ihre Mitschülerinnen sie mit einer Mischung aus Neid, Unsicherheit und Verachtung - Jennifer ist sonnambul und behauptet, mit Insekten kommunizieren zu können - beobachten, macht ein verrückter Mörder die Gegend unsicher. Mithilfe der Ratschläge des Entomologen McGregor (Donald Pleasence) und der Unterstützung ihrer kleinen Freunde betätigt sich Jennifer als Detektivin und geht der Spur des Killers nach.
Mit "Phenomena" erreichen Argentos ganz bewusst eingesetzte Eklektizismen einmal mehr neue Höhepunkte. Er verfährt in vielen Momenten wider die Konventionen, setzt Heavy Metal gegen Suspense (ganz akutes Beispiel: "Flash Of The Blade" von Iron Maiden), streut falsche Hinweise (das Schöne bei Argento ist ja unter anderem, dass man sich niemals selbst auf Tätersuche begeben braucht, da man den oder die Mörder kaum vorausahnen kann), verzichtet auf inhaltliche Stringenz. Die Hauptmotive sind freilich bekannt: Eine abgelegene Mädchenschule, Tiere als Ermittlungshelfer, böse Mütter.
Die junge Connelly strahlt eine geradezu blaublütig anmutende Erhabenheit aus und ist bereits in diesem Alter bezaubernd "anders" als die üblichen 08/15-Dauerwellen-Teenager, die man aus den zeitgenössischen Produktionen kennt. Auch hierin demonstriert sich erneut Argentos Gespür für Passgenauigkeit. Die hypnotische Titelmelodie von Goblin ist wieder von hoher Effektivität und unterstreicht das schöne, von Donald Pleasence gelieferte "Theorem" für die Geschehnisse, demzufolge der warme Alpenföhn (der permanent die Tonspur erbeben lässt und die Bäume schüttelt) dafür verantwortlich sein soll, dass manche Menschen in der Gegend ihre Anbindung an die Vernunft einbüßen und mitunter wahnsinnig werden. Deshalb "bezeichne man diese Gegend auch als das 'Schweizer Transsilvanien'", wie uns Pleasence und die Nicolodi erläutern. Gänsehaut also garantiert, auch wenn man sich schon recht tief in das atmosphärische Gefüge von "Phenomena" hinabseilen sollte, um nicht Gefahr zu laufen, das Knall-auf-Fall-Finale als etwas überspannt wahrzunehmen.
8/10
#1812
Geschrieben 28. Juni 2009, 14:51
Trauma (Aura) ~ I/USA 1993
Directed By: Dario Argento
Minneapolis: Die rumänischstämmige Aura (Asia Argento) ist Bulimikerin und entwischt alle Nase lang ihrem Therapeuten Dr. Judd (Frederic Forrest) aus dessen Klinik. Bei einem dieser Ausreißer rettet sie der Journalist David (Christopher Rydell) vor einem spontanen Suizid. Sein Beschützerinstinkt für das Mädchen erwacht, der umso größer wird, als David erfährt, dass Aura Zeugin zweier Morde des die Stadt unsicher machenden 'Headhunter' ist, eines Serienmörders, der seine Opfer mit einer elektrischen Drahtschlinge enthauptet und vornehmlich bei Regen zuschlägt. Die Opfer während Auras Beobachtung waren ausgerechnet ihre Eltern (Piper Laurie, Dominique Serrand).
Für "Trauma" ging der nur widerwillig und gebrochen englisch sprechende Argento zum zweiten Mal nach "Inferno" über den Atlantik und verwurzelte einen Film in den USA. Dem Resultat merkt man recht unmissverständlich an, dass sein Regisseur die visuelle Kraft im bisher Unbehafteten sucht, weshalb er wahrscheinlich auch keine der üblicherweise im Film zu sehenden Großstädte als Drehort wählte. Argento versieht das eher landesuntypische, seine farbenfrohe Urbanisierung noch bis in die Gegenwart einem schier unglaublichen Strom unterschiedlicher europäischer und asiatischer Immigranten verdankende Minneapolis mit einem prägnanten Alte-Welt-Stempel. Es lässt sich ferner annehmen, dass der Filmemacher wegen der internationalen Popularitätsradien, die ein US-Dreh mitsamt amerikanischen Darstellern bot, auf seine heißgeliebten locations in Rom oder den Alpenregionen verzichtet hat. So konnte er immerhin über eine namhafte Besetzung verfügen und bekam Pino Donaggio als Komponisten, der sicher nicht von ungefähr wie Bernard Herrmann zu seinen besten Zeiten klingt. Ansonsten liefert "Trauma" in professionellem Maße und wiederum erstklassigem, regietechnischen Handwerk Variationen altbekannter Bilder, gibt des Meisters Faszination für Geckos und Schmetterlinge statt. Diese Arbeit ist sichtlich nicht dazu geschaffen, Argento neue Publikumsschichten zu erschließen und wirkt angedenk seiner Gefallsucht eher kontraproduktiv, ist er doch allzu sehr der Selbsträson verpflichtet.
7/10
#1813
Geschrieben 29. Juni 2009, 15:51
La Sindrome Di Stendhal (Das Stendhal-Syndrom - Bilder des Wahnsinns) ~ I 1996
Directed By: Dario Argento
Die titelspendende, auf einem Erfahrungsbericht von Stendhal beruhende Wahrnehmungsstörung befällt Menschen im übermächtigen Angesicht großer Gemälde. Die Sinne schwinden, man hat den Eindruck, in das Bildgeschehen hineingesogen zu werden, der Kreislauf droht zu kollabieren. Unter dieser seltenen Schwäche leidet die römische Polizistin Anna Manni (Asia Argento), die nach Florenz gekommen ist, um einem anonymen Tipp nachzugehen bezüglich eines Serienvergewaltigers (Thomas Kretschmann), der zuletzt angefangen hat, seine Opfer auch zu erschießen. In den Uffizien erleidet Anna einen Zusammenbruch. Alfredo, ein freundlicher junger Mann hilft ihr, der sich kurz darauf als der Gesuchte entpuppt. Gleich zweimal gerät Anna in dessen Fänge und erleidet furchtbare körperliche und seelische Qualen. Die Abrechnung entscheidet Anna nur scheinbar für sich, denn obgleich Alfredo tot zu sein schien, ist er Anna noch immer auf den Fersen.
Zurück nach Italien, zurück zur Kunst, zurück zu alter Stärke. Mit "Il Sindrome Di Stendhal" deklamiert Argento wieder eindrucksvoll die Qualitäten seiner besseren Gialli, beschäftigt sich diesmal deutlich ernstzunehmender als bislang mit tiefenpsychologischen Aspekten und bewerkstelligt es sogar erstmals, seinen Figuren markante Rollenschemata angedeihen zu lassen, die zudem glücklicherweise wider die Klischees arbeiten. Er bleibt hier gänzlich humorfrei, gesteht seiner Heldin große innere Schwächen zu und verkehrt altbekannte Geschlechtertypologien. Kretschmann, auf den ersten Blick ein nordischer Verführer par excellence, erweist sich als innerlich tiefgeschwärzter Sadist. Hinzu kommt der ziemlich dramatische Erzählstil. Vielleicht verfügt "Il Sindrome Di Stendhal" sogar über die konsumierbarste Geschichte aller Filme Argentos. Dafür erschöpft sich sein visuelles Raffinement in zwei, drei denkwürdigen Momenten. Das sind dann erwartungsgemäß jene, in denen Anna Teil der von ihr betrachteten Bilder wird. Der erste in den Uffizischen Galerien, in denen sie einen seltsamen, mit menschlichem Gesicht bewährten Fisch küsst, ist davon wiederum der schönste.
8/10
#1814
Geschrieben 29. Juni 2009, 16:20
Il Fantasme Dell'Opera (Das Phantom der Oper) ~ I/HU 1998
Directed By: Dario Argento
Unter der Pariser Oper haust anno 1877 ein einstmaliges, von Ratten aufgezogenes Findelkind (Julian Sands), das zwar zum großen, kultivierten und gut aussehenden Musikschaffenden und -liebhaber geworden ist, einige der schlechten Angewohnheiten seiner ungewöhnlichen Ziehfamilie jedoch ebenso pflegt. Bekannt als "das Phantom" terrorisiert dieser Mensch seine unmittelbare Oberwelt, besonders, als er erkennt, dass die Nachwuchssängerin Christine Daaé (Asia Argento) einer dringenden Chance bedarf gegenüber der alten Sopranvettel Carlotta Altieri (Nadia Rinaldi), die sämtliche weiblichen Hauptrollen in allen Aufführungen belegt. Eine unglückliche Liebe entspinnt sich zwischen Christine und ihrem mörderischen Gönner.
Und wieder dreht und wendet Argento ganz nach eigenem Gutdünken. "Il Fantasme Dell'Opera" ist eines seiner vom Publikum meistgehassten Werke, gegenüber dem die Menschen sich mit geradezu leidenschaftlicher Vorliebe ihre Aggressionen von der Seele herunterarbeiten, wie ich immer wieder feststellen muss.
Ich für meinen Teil möchte mich dagegen zunächst einmal strikt verwahren und halte "Il Fantasme" mit all seinen Modifikationen nicht nur für eine halbwegs geglückte Variation von Leroux' Roman, sondern finde Argentos mit Polanski-Stammautor Gérard Brach zusammen ersonnene Grand-Guignol-Hommage urkomisch und in ihrer unerfüllten Bizarrheit sogar fast ergreifend. Manche von Argentos Filmen entsprechen mit etwas Phantasie der Wirkungsweise einer bestimmten Droge. "Suspiria" und "Inferno" wären dann vielleicht farbige LSD-Bilderbögen, "Tenebrae" passte zum Alkoholrausch, "Phenomena" käme einer THC-Studie nahe, "Opera" inkarnierte Speed. "Il Fantasme" bietet schließlich den lange verschollenen Opium-Argento feil, zeigt, dass der Regisseur bei entsprechender Ambition auch in der Zeit zurückzureisen und sich im frühen Naturalismus breitzumachen versteht. Er gibt dabei jeder Zeigefreudigkeit statt, spießt Menschen auf, lässt das Phantom ganze Torsi amputieren, Zungen abbeißen und schließlich einen gigantischen Kronleuchter auf die tratschsüchtige Bourgeoisie hinabstürzen. Ein verrückter Rattenfänger (István Bubik), freilich erklärter Todfeind des Phantoms, wird nebst unglüchlicherem Zergenfaktotum fast zum Opfer seiner eigenen Massenvernichtungsmaschine. Ein mit Schweizer Schokolade lockender Kinderschänder wird halb vom Phantom aufgefressen.
Der blutig-thetralische Humor des Films ist im treffendsten Wortsinne bissig und ganz bestimmt nicht für jedermann, umso genießerischer manch träumerisch-irreale Momente auf dem nächtlichen Operndach, bei denen garantiert Baz Luhrmann abgeschaut hat. Argento seinerseits kokettiert urplötzlich mit praller Nacktheit in einer Bad-Szene und schielt mit beiden Augen herüber zu seinem Kollegen Tinto Brass. Es mag diese irre Vielfalt sein, die Argentos Phantom scheinbar ziellos und übergeschnappt durch seine Katakomben huschen lässt.
Und wenn schon, bin ich eben der einzige, dem das gefällt. Kann mich auch mal alleine amüsieren.
7/10
#1815
Geschrieben 01. Juli 2009, 13:11
Le Testament Du Docteur Cordelier (Das Testament des Dr. Cordelier) ~ F 1959
Directed By: Jean Renoir
Doktor Cordelier (Jean-Louis Barrault), der sich als Psychiater zur Ruhe gesetzt hat, kommt eines Tages mit einem seltsamen Anliegen zu seinem Notar und Freund Joly (Teddy Bilis): Im Sterbe- bzw. Verschwindensfall soll ein gewisser Opale (Jean-Louis Barrault), den Cordelier als seinen Patienten zu erkennen gibt, zum Alleinerben seines Vermögens werden. Bei Opale, so erfährt Joly bald, handelt es sich um einen ungehobelten Burschen, der kleine Kinder, alte Männer und Krüppel überfällt und sich dann diebisch über deren Misere freut. Joly forscht nach: Warum steht ausgerechnet dieser Verbrecher, der bald sogar eines Mordes schuldig ist, so hoch in Cordeliers Gunst?
Mit "Le Testament Du Docteur Cordelier" bereitete Renoir, Meister des Poetischen Realismus, eine der tragfähigsten Filmadaptionen von Stevensons berühmter "Jekyll & Hyde" - Fabel, obgleich die Geschichte nun im Paris der Gegenwart angesiedelt und des visuellen Pomps, den frühere (US-)Verfilmungen aufwiesen, entledigt wurde. Auch ist der Film in gezielter Ermangelung gängiger Suspense-Schemata eigentlich kaum dem Schauergenre zuzuordnen; Renoir interessiert sich vielmehr für die ethischen und psychologischen Fragestellungen der Geschichte. Diskurse, die sich mit der humanen Zulässigkeit von Cordeliers Experiment befassen, das eine Trennung des libertinen, instinktgesteuerten Ich auf der einen und des moralisch einwandfreien, vernunftorientierten auf der anderen Seite vorsieht (innerhalb freudscher Termini könnte man auch von einer Divergierung von Es und Über-Ich sprechen) gehören ebenso dazu wie das Verhängnis einer sich jegliches Vergnügen entsagenden Existenz.
Interessanterweise ist "Cordelier" ein Fernsehstück. Zu Beginn sieht man Renoir in Form eines einleitenden Präludiums, wie er von seiner Limousine in ein Studio geleitet wird und von dort seine Geschichte zu erzählen beginnt. Das erinnert sicher nicht von ungefähr an die alten Hitchcock-Trailer und -Serials. Dennoch besitzt "Cordelier" die uneingeschränkte Qualität und Relevanz großen Kinos und wurde etwa hierzulande auch dort aufgeführt. Wie bei allen "Jekyll/Hyde" - Filmen obliegt die größte Schwere dem Hauptdarsteller, dem für die notwendig ambivalente Interpretation seines Doppelparts lediglich die Maske zur Seite steht. Für Barrault in seiner ungeschlachten Gestalt wählte man ein ähnlich primatenhaftes Äußeres wie seinerzeit für Fredric March, mitsamt Überbiss und äffischer Körperbehaarung. Barrault selbst tänzelt als Opale linkisch, einen Stock schwingend, wie eine Mischung auch Chaplins Tramp und Dwight Frye im Whale - "Frankenstein" durch die Gegend und haut sein Gehwerkzeug gern mit dem Knauf voran mitten auf die Häupter seiner arglosen Opfer. In Kombination mit der räsonablen Figur des ehrbar scheinenden Cordelier ein Beispiel für geradezu unheimliche Verwandlungskunst.
8/10
#1816
Geschrieben 01. Juli 2009, 15:28
L'As Des As (Das As der Asse) ~ F/BRD 1982
Directed By: Gérard Oury
Anno 16 vor Verdun war der Pilot Jo Cavalier (Jean-Paul Belmondo) ein gefürchteter Jäger der Lüfte, der sich mit seinem kaiserlichen Konkurrenten von Beckmann (Frank Hoffmann) jedoch eher Angeberduelle um das persönliche Siegertreppchen lieferte. 20 Jahre später trainiert Cavalier die französische Box-Équipe und führt sie zu den Olympischen Spielen nach Berlin. Die Bekanntschaft und Verteidigung des jüdischen Jungen Simon (Rachid Ferrache) führt jedoch dazu, dass Jo sich bald zum obersten Intimfeind der SA hochgearbeitet hat und mitsamt Simon und seiner Familie unter Zuhilfenahme seines alten Freundes von Beckmann quer durch Bayern vor den Nazi-Schergen und schließlich sogar vor Hitler (Günter Meisner) persönlich fliehen muss.
Bébel einmal mehr als Tausendsassa, dem keiner was kann, noch nichtmal der Führer persönlich, von Günter Meisner in klassischer Comedy-Tradition ohnehin als hoffnungsloser Vollkasper interpretiert. Als Zusammenarbeit von der Gaumont und Wendlandts Rialto-Film war "L'as Des As" wohl primär als Beitrag zur französisch-deutschen Kinofreundschaft konzipiert, versucht der Film doch unter Aufwändung höchster politischer Korrektheit, es wirklich jedem Recht zu machen. Ist Belmondo bereits als leidenschaftlicher SA-Klatscher dabei, der ohnehin aber bloß willfährigen Idioten seine kleinen, unter Garantie nie tödlichen Fallen stellt, findet das deutsche Publikum selbstredend seine vorsorgliche Identifikationsfigur via Cavaliers Freund von Beckmann, einem so hochdekorierten wie regimekritischen Wehrmachtsgeneral, der betont, dass "alles, was er gut und schön finde, jetzt von diesen dämlichen Nazis verboten werde". Eine wirklich schöne Szene findet sich, als Cavalier eine Gestapo-Truppe bei der Durchsuchung einer jüdischen Buchhandlung ad absurdum führt. Der brandtsche Synchronstil darf natürlich selbst hier nicht unetabliert bleiben - Bébel im Clinch mit einem 'Major Aschbach': "Freud?" - "Schund, verboten!" - "Und Zola? Wie steht's mit diesem Emil?" - "Schund, verboten!" etc.
Insgesamt wohl nicht der schlechteste Film der leichten, stuntlastigen Belmondo-Phase, dennoch zu unbedarft und stellenweise allzu bieder für sein Sujet. Größter Lichtblick ist Meisners doppelbödige Hitler-Travestie, die buchstäblich soweit geht, dass der Schauspieler in zusätzlicher Dopplung als Hitlers authentische Halbschwester Angela zu sehen ist, mit der der Berghof-Bruch kurz bevor steht. Diese Darstellung ist letztlich sogar eine Nummer zu groß - oder zu bizarr - für den restlichen, betont braven Film.
6/10
#1817
Geschrieben 02. Juli 2009, 09:21
Le Guignolo (Der Puppenspieler) ~ F/I 1980
Directed By: Georges Lautner
Der Gentleman-Dieb und Trickbetrüger Alexandre Dupré (Jean-Paul Belmondo) gerät, nach einem eher unliebsamen Abenteuer mit einer Konkurrentin (Mirella D'Angelo), in Venedig in eine Spionage-Affäre, in die verschiedene Interessengruppen verwickelt sind und bei der es um einen verschwundenen Mikrofilm geht.
Bébel à go-go. Lustige Verkleidungen, souveräne Sprüche, die in der deutschen Fassung vom Rainer in Berlin erwartungsgemäß noch drei Ecken spritziger und bekloppter ("Aha, er kömmet!") ausfallen, atemberaubende Stunts. Belmondo präsentiert akrobatische Höchstleistungen, hängt an einem Hubschrauber, rauscht mit einem Motorboot in eine Hotellobby, steigt unter den entsprechend notwendig abgesonderten Stammtisch-Kommentaren mit einer dunkelhäutigen Schönheit (Lily Fayol) in die Daunen et cetera. Natürlich alles deutlich sichtbar höchstpersönlich ausgeführt. Der Film selbst mit seiner ziemlich verworrenen und uninteressanten Geschichte besitzt in diesem Zusammenhang lediglich Alibi-Funktion für den ganzen Zirkus mitsamt seiner Schau- und Hörwerte. Ansonsten bewegt sich "Le Guignolo" wie die meisten Bébel-Filme dieser Jahre im ungefährlichen, soliden Mittelfeld. Noch ein Jahr bis zum "Profi".
6/10
#1818
Geschrieben 02. Juli 2009, 18:37
The Cotton Club ~ USA 1984
Directed By: Francis Ford Coppola
Im Harlem der ausgehenden Zwanziger Jahre ist der 'Cotton Club' die erste Adresse für Jazz-Liebhaber und Unterwelt-Gesindel. Unter anderem drückt sich dort der psychotische Gangsterboss Dutch Schultz (James Remar) herum, immer auf der Suche nach einem Streit. Schultz nimmt den virtuosen Kornettspieler Dixie Dwyer (Richard Gere) in seine Dienste, trotz dessen Abneigung gegen das gewalttätige Verbrecherleben. Als Dixie und Schultz sich in dasselbe Mädchen (Diane Lane) verlieben, wird ihre gegenseitige Abneigung noch größer. Derweil versucht sich der Stepptänzer Sandman Williams (Gregory Hines) ein Engagement im Cotton Club zu sichern, obgleich seine dunkle Hautfarbe dafür eher ein Hinernis darstellt.
Coppolas Halbwelt-Epos, als große Hommage an sein titelgebendes Etablissement und den dazugehörigen Dunstkreis um Jazz, Swing, Varieté, Alkoholschmuggel und Tommy-Guns gedacht, sieht vor allem formidabel aus. In seinem Inneren erweist sich der Film dann als eher konventionell, reiht episodenhaft verschiedene kleine Episoden um einen recht umfangreichen Protagonistenkreis aneinander und übersieht es, die emotionale Größe der Geschehnisse seinem visuellen Format anzupassen. Im Gangsterfilm, besonders im historisch gefärbten, war diese Proportionierung nicht umsonst stets ungeschriebenes Gesetz. Richard Gere ist zu farblos, als dass man sich um seine Person sorgen würde (als hätte Coppola das geahnt, lässt er einen der alten Studio-Tycoons über Dixie Dwyer orakeln:"Der Kerl sieht verdammt gut aus, ist aber kein Schauspieler.") und die kurzen Passagen mit Hines als buchstäblich zweiter Geige reißen das nicht heraus. Coppola hat in seiner technischen und formalen Besessenheit schlicht versäumt, ein paar notwendige Bypässe zur kardialen Durchblutungssicherung zu legen.
Selbstverständlich ist "The Cotton Club" dennoch ausgesprochen sehenswert. Die musikalischen Nummern klingen absolut authentisch und sind großartig choreographiert, Legenden wie Duke Ellington und Cab Calloway entern als ihre Reinkarnationen erneut die Bühne des Club und die großen Gangster, neben Schultz sind das der Clubbesitzer Owney Madden (Bob Hoskins), Joe Flynn (John P. Ryan), Lucky Luciano (Joe Dallesandro) und Bumpy Johnson (Laurence Fishburne, im Film Bumpy Rhodes) umkreisen sich wie lauernde Tiger. Allein die Faszination, die diese zugleich ausgelassene und von der aufziehenden Wirtschaftsdepression überschattete Zeit ausübt, genügt, um sich im "Cotton Club" wohlzufühlen. Ein Schälchen Sekt dazu und man wähnt sich geradezu verrucht.
7/10
#1819
Geschrieben 02. Juli 2009, 19:00
The Killers (Der Tod eines Killers) ~ USA 1964
Directed By: Don Siegel
Die beiden Auftragskiller Charlie (Lee Marvin) und Lee (Clu Gulager) rätseln: Warum hat sich ihr letztes Opfer Johnny North (John Cassavetes) so willfährig von ihnen umbringen lassen? Und warum spuckt ihr anonymer Auftraggeber eine derart beträchtliche Summe für einen so simplen Job aus? Um diesen Fragen nachzugehen, forschen sie, was es mit Johnny North eigentlich auf sich hatte, machen ihren Klienten ausfindig und stoßen auf eine alte Geschichte um verhängnisvolle Liebe, Betrug und Postraub.
Die zweite (strenggenommen dritte inkl. der russischen Version) Verfilmung von Hemingways Short Story entfernte sich noch etwas weiter von ihrem literarischen Vorbild als es Robert Siodmaks berühmte Erstadaption getan hatte. Ziel der Killer ist hier kein schwedischstämmiger Boxer mehr (ein dezenter Hinweis darauf während eines Dialogs zwischen Johnny North und Sheila Farr (Angie Dickinson) beweist die dennoch wohlfeile Kenntnis der Vorlage), sondern ein ausgebrannter Rennfahrer. Auch fehlt von der zentralen Figur Nick Adams, des äußeren Beobachters und Realitätsankers, hier jede Spur. Es geht zudem nicht oder kaum mehr um rein existenzialistische Belange, denn in der Hauptsache um die schlüssige Entwicklung einer harten Gangstergeschichte, angesiedelt in einem beklagenswerten Figurengefüge aus Opportunisten, Verbrechern und Verlierern. Siegel bewerkstelligt es, die wesentlichen Charaktere fast allesamt auf eine Bedeutungsstufe zu stellen und ihnen jeweils persönliche Tiefe zu verleihen, so dass man einen singulären Protagonisten kaum benennen kann. Lee Marvin als unbeirrbarer, knochenharter Hund gibt eine Vorstudie seines Walker in "Point Blank", in dem er ja wiederum mit Angie Dickinson zusammenarbeiten sollte. Cassavetes als Elendshäufchen präsentiert eine seiner bleibendsten Leistungen und selbst kleinere Darsteller wie Claude Akins und Ronald Reagan in seiner letzten Filmrolle laufen zu persönlicher Höchstform auf. Im Universum des Don Siegel, das angefüllt ist mit (nie sichtbarem) Zwielicht, Männlichkeitsformeln und einer sehr fatalistischen Weltperspektive, ist dieser hervorragende Film damit mehr als gut aufgehoben.
9/10
#1820
Geschrieben 04. Juli 2009, 08:48
L'Ultimo Squalo (The Last Jaws - Der weiße Killer) ~ I 1981
Directed By: Enzo G. Castellari
Das Küstenstädtchen Southbay wird von einem riesigen Hai terrorisiert, angeblich dem letzten Exemplar einer ansonsten ausgestorbenen Spezies. Just nachdem das Monstrum die ersten Male zugeschlagen hat, setzt der profilierungssüchtige, aber dämliche Bürgermeister Wells (Joshua Sinclair) eine Surf-Regatta an, was erwartungsgemäß in die Hose geht. Die beiden Freunde Peter Benton (James Franciscus) und Ron Hamer (Vic Morrow) machen sich auf, das Biest dranzukriegen.
Der um Zweitverwertungen nie verlegene Castellari knöpfte sich für sein Haiplagiat die ersten beiden Filme des Universal-"Jaws"-Franchise vor, aus denen er etliche Elemente zum Teil minutiös, aber ganz passabel wiederaufbereitete. Eigenartigerweise musste primär der zweite, wesentlich schwächere "Original"film von Jeannot Szwarc, in dem ja ebenfalls ein Großteil der Besetzung zur Erschließung neuer Publikumsgenerationen verjugendlicht wurde und ein Bootstrip als auslösender Faktor für das umfangreiche Hai-Menü herhielt, als Inspirationsquelle für Castellaris Fabulierereien herhalten. Mit einem Großen Weißen gibt sich Castellari allerdings nicht zufrieden: Sein Plastiktier soll der letzte Vertreter einer prähistorischen Gattung sein, vermutlich des Megalodon. Nun ist Gevatter Kiefer bei weitem nicht so gigantisch, wie es die schönen, stilisierten Aushänge vermuten lassen. Auch muss man einräumen, dass der Kunstfisch im Wechsel mit uralten, teilweise stark verblichenen Archivaufnahmen echter weißer Haie eher das Gegenteil der intendierten Wirkung erzielt: Der Unterwasserterror des Films - von Spielberg seinerzeit in Ausnutzung realer Urängste trefflich etabliert - kommt hier in etwa der Blubbersession eines enthusiastischen kleinen Badewannenkapitäns mit Schnorchel und 8-cm-Gummitier gleich.
James Franciscus chargiert als gäbe es kein Morgen und Vic Morrow gibt sich als Quint-Verschnitt äußerste Mühe mit blumigen Attribuierungen das Tierchen so richtig gefährlich erscheinen zu lassen: "Es war wieder diese Bestie, der weiße Killer!" oder "Ich habe jahrzehntelang Haie in allen Weltmeeren gejagt, aber so ein Ungeheuer ist mir noch nie zu Gesicht gekommen!" Die umschriebene Länge des Pappkameraden variiert zwischen 15 und 10 Metern, doch was sind schon schnöde Zahlen. Castellari macht das Beste aus dem, was er hat und zeigt, wie man einen billigen Haifilm bewerkstelligt, ohne sich vollends zum Hans zu machen, wie es etliche seiner Erben noch bis heute zu tun pflegen.
6/10
#1821
Geschrieben 05. Juli 2009, 21:34
Righteous Kill (Kurzer Prozess) ~ USA 2008
Directed By: Jon Avnet
Die beiden altgedienten New Yorker Cops Turk (Robert De Niro) und Rooster (Al Pacino) sind zwar bestens mit den Mechanismen des Verbrechens und der Unterwelt vertraut, mussten sich im Laufe der Jahre angesichts der sie umkreisenden Schreckensszenarien jedoch selbst der Verbitterung und dem Zynismus geschlagen geben. Eines Tages sehen sie sich mit einem Mörder konfrontiert, der in Vigilantenmanier vor Gericht freigesprochene Kriminelle nachträglich der Göttlichen Gerechtigkeit zuführt. Die Spur führt direkt in ihr eigenes Department.
In "The Godfather: Part II" waren sie Vater und Sohn im etwa gleichen Alter, die aufgrund chronologischer Disparität nicht zusammenfinden konnten; in "Heat" standen sie auf verschiedenen Gesetzesseiten und hatten sich trotz großen Respekts voreinander mehrfach zu duellieren; in "Righteous Kill", dem dritten gemeinsamen Film der beiden vielleicht mit Ausnahme von Frank Sinatra populärsten italoamerikanischen Schauspieler des 20. Jahrhunderts, geben sie alte Freunde und Partner mit einer nahezu identischen Gerechtigkeitsauslegung. Ihrem jeweils umfangreichen darstellerischen Repertoire können De Niro und Pacino damit nichts Neues hinzusetzen, nötig haben sie das wohl ohnehin kaum mehr. Avnet ist ein angenehm unspektakulärer Polizeifilm gelungen, der sich, ähnlich wie thematische Vorgänger von "Magnum Force" bis "The Star Chamber" mit einem aus den Fugen zu geraten drohenden Justizapparat befasst. Die Exekutive verlässt in personeller Stellvertretung die ihr zugewiesenen Aufgabenbereiche und droht angesichts berufsethischer Belastungen zu kollabieren. Im Prinzip kein umwerfendes Sujet mehr, da eben bereits diverse Male gedanklich durchgespielt und mit jeweils analogen Konklusionen endend. Dass es keinem Individuum obliegt, sich über die Paragraphen zu erheben, wird auch im Finale bzw. Epilog von "Righteous Kill" wieder deutlich. Was Avnets Inszenierung anbelangt, so muss man, ganz zeitgemäß formuliert, wohl eingestehen, dass er gleich zwei Akteure dieses Kalibers kaum zu stemmen weiß. Seinen a priori angelegten "Happening-Charakter" büßt der Film dann auch recht schnell ein, was andererseits vielleicht nichtmal schlecht ist. Eine Fokussierung weg vom Protagonisten-Duo hin zu anderen inneren und äußeren Gestaltungsmerkmale ist die Folge, so dass das Ergebnis durchaus als passabler Polizeikrimi funktioniert. Bedenkt man, dass die tatsächlich großen Filme um Pacino und De Niro mitunter bereits Jahrzehnte zurückliegen, genügt das. Hier steht vermutlich kein künftiger Klassiker ins Haus, aber bestimmt auch keine langfristige Enttäuschung. Wenn ich nun höre und lese, dass "Righteous Kill" von der etablierten Kritik sehr durchwachsen beurteilt wird, dann kann ich nur vermuten, derlei Einschätzungen rühren aus nie gemachten Versprechen, die folglich auch nicht eingelöst zu werden brauchten. Denn obgleich man es sich vielleicht unwillkürlich wünschen mag - zum 'biblischen' Kinoereignis langt "Righteous Kill" in keinem Fall.
7/10
#1822
Geschrieben 05. Juli 2009, 21:53
Navajo Joe (Kopfgeld: Ein Dollar) ~ I/E 1966
Directed By: Sergio Corbucci
Der Navajo-Indianer Joe (Burt Reynolds) rächt die Ermorduung vieler seiner Stammesbrüder und -Schwestern durch die böse Banditenbande um einen fanatischen Skalpjäger namens Duncan (Aldo Sambrell) und rettet zugleich eine Kleinstadt vor dem Verbrechergesindel.
Kurz nach "Django" tat es Corbucci seinem Sergio-Kollegen Leone gleich: Er wechselte ins Scope-Format, holte sich einen jungen, aufstrebenden US-Akteur vor die Linse (den zunächst gewünschten Brando bekamen Corbucci und sein Produzent Dino De Laurentiis nicht) und nahm wieder ein wenig mentalen Abstand von dem doch extrem nihilistisch geratenen Vorgängerfilm. Nun ist auch "Navajo Joe" als klar angelegter Rachewestern bestimmt kein zimperliches Werk, dennoch ist seine Titelfigur - schon aufgrund ihrer ethnischen Positionierung in Kombination mit der personellen Funktion innerhalb des Films - kein durchweg opportunistischer und grausamer Charakter, sondern jemand, der nach getaner Aufgabe eine gesetzte Existenz anpeilt. Es gibt also eine eindeutig als solche skizzierte Heldenfigur, die, von ihrer Kampfkraft abgesehen, weder mit Leones "Fremdem" noch mit Corbuccis eigenem "Django" viel gemein hat. Dennoch verschließt sich "Navajo Joe" keinesfalls zeitkontextuellen, politischen Subtexten: Die Tatsache etwa, dass die Identifikationsfigur ein Indianer ist, der im Guerillakampf, vornehmlich mit Klingenwerkzeug, seine Gegner abserviert, lässt ähnliche Schlüsse zu, wie sie später bei "Soldier Blue" und "Chato's Land" im Raum standen; Vietnam warf bereits 1966 lange Schatten. Im Film gibt es ein paar sehr anmutige, ungewöhnliche Einstellungen mit Klatschmohn und Dämmerungslicht, die sein überhaupt sehr positives Bild als hervorragend inszeniertes Gattungsexemplar abrunden. Schön.
8/10
#1823
Geschrieben 06. Juli 2009, 10:01
Se Sei Vivo Spara (Töte, Django) ~ I/E 1967
Directed By: Giulio Questi
Nachdem er dem Banditen Oaks (Pierro Lulli) dabei geholfen hat, einen Goldtransport der US-Armee zu überfallen, wird ein namenloser Mexikaner (Tomas Milian) von ebenjenem Oaks verraten, angeschossen und mit einigen Landsleuten vermeintlich tot in seinem Wüstengrab zurückgelassen. Zwei Indios jedoch finden den Fremden und pflegen ihn gesund. Oaks und seine Bande sehen sich, nachdem sie die Ödnis durchquert haben, derweil einem ganz neuen Problem gegenüber: Die Bewohner der Kleinstadt, in der sie ankommen, sind ebenso bigott wie geldgeil und knüpfen die Verbrecher kurzerhand auf. Als auch der Fremde das Städtchen erreicht, entbrennt ein Mehrparteien-Kampf um das Gold, an dem sich auch der Großgrundbesitzer El Sorrow (Roberto Camardiel) beteiligt und den letztlich niemand für sich entscheiden kann.
Questis Film ist rein historisch betrachtet gleich in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Er gilt als eines der Hauptwerke des linken 68er-Kinos, als Meilenstein des Italowestern sowieso und schließlich als ein wesentliches Exempel für die sozialpolitische Fabel in vordergründiger Genregewandung.
Nahezu jedes relevante gesellschaftliche Diskussionsthema dieser Zeit wird in "Se Sei Vivo Spara" (zu dt. etwa "Wenn du lebst, schieße!") aufgegriffen und zu einer jeweils eindeutig formulierten Aussage geführt. In allererster Instanz ist "Spara" also ein zutiefst marxistisches, antifaschistisches Statement, in dem materieller Besitz und Profitsucht in Kombination als eine Art ultimatives irdisches Übel dargestellt werden, das Ehre, Integrität und schließlich das Leben selbst verschlingt. Über die mittelfristige Vergänglichkeit der Bourgeoisie meditiert der Film, über sexuelle Freigiebigkeit, über Homosexualität und über kapitalistische Repression. In solch massiver Konzentration nicht eben klassische Diskurse innerhalb eines Western. Seltsame, zuweilen bizarre Einstellungen begleiten Tomas Milian, der weniger als Held durch die Szenerie taumelt denn als Medium für den u.U. hoffnungslos entwurzelten Zuschauer, vielleicht in Erwartung eines weiteren grobmaschigen "Django"-Ripoffs: Im Trommelwirbel geschnittene Erinnerungsfetzen, bildliche Spiegelungen, Belichtungsvariierungen. Ein in jeder Hinsicht alleingelassener, hübscher Junge (Ray Lovelock), von einer Horde schwuler, uniformierter Killer, die zuvor ein Schwein wie Schweine gefressen hat, lüstern beäugt und begrapscht und schließlich in den Suizid durch Herzschuss getrieben. Eine goldene Kugel, die rücksichtslos und mit bloßen, schmutzigen Fingern aus einer offenen Wunde gerupft wird. Die Skalpierung eines wehrlosen alten Indios. Schließlich der Schlimmste der selbst ernannten Goldjäger (Paco Sanz), ein scheinheiliger Moralist, der unter dem flüssiggewordenenen Edelmetall erstickt.
Es handelt sich bei "Spara" um Giulio Questis ersten Lang- und seinen einzigen Genrefilm. Nach eigener Aussage des Regisseurs war man "damals in Italien gezwungen, einen Western zu drehen, wolte man politisches Kino machen". Es gibt keinen Grund, dies zu bedauern. Im Gegenteil. Der Italowestern ist mit "Se Sei Vivo Spara" finalmente in der Kunst angelangt.
9/10
#1824
Geschrieben 07. Juli 2009, 07:04
I Quattro Dell'Apocalisse (Verdammt zu leben - verdammt zu sterben) ~ I 1975
Directed By: Lucio Fulci
Utah, um die vorletzte Jahrhundertwende. Der Berufsspieler Stubby Preston (Fabio Testi) kommt in das berüchtigte Städtchen Salt Flats, um dort die Leute um ihr Bestes zu erleichtern, wird jedoch unmittelbar nach seiner Ankunft vom Sheriff (Donald O'Brien) in den örtlichen Knast verfrachtet. Dies rettet ihm das Leben, denn in der Folgenacht überfällt eine Horde maskierter Männer die Stadt und knallt jeden ab, den sie vor die Flinte bekommt. Zusammen mit der schwangeren Hure Bunny (Lynne Frederick), dem Säufer Clem (Michael J. Pollard) und dem verrückten Farbigen Bud (Harry Baird) begibt sich Preston auf eine Reise durch das karge Hinterland, auf der sie einer braven Christengemeinde und dem bösen Banditen Chaco (Tomas Milian) begegnen, in einer Geisterstadt campieren und schließlich in den winterlichen Bergen landen, wo Bunny in einer ausschließlich von Männern bewohnten Minenkolonie ihr Baby zur Welt bringt. Am Ende reitet Preston allein davon.
Wer Lucio Fulci neunmalklug auf seine späten Meriten als den Signore grande des italienischen Gorefilms reduziert, sollte sich mit "I Quattro Dell'Apocalisse", dem mittleren seiner drei Western (abzüglich der beiden London-Verfilmungen), möglicherweise eines Besseren belehren lassen. Dabei handelt es sich nämlich um einen sehr poetischen, existenzialistisch angehauchten und zugleich bleischweren Spätwestern, der ähnlich wie Corbuccis "Il Grande Silenzio", Castellaris "Keoma" oder Martinos "Mannaja" die Genrewelt in ein Endzeit-Szenario überführt, in dem humane Vernunft keinen Platz mehr hat und der eine Brücke schlägt zwischen den angestammten Szenarien mediterraner Produktion und dem Entwurf eines nach deren Maßstäben abseitigen Szenarios, in dem mit allem gerechnet werden muss, nur nicht mit Absolution. Die Drehorte wechselten von Almeria nach Österreich. Die Sonne blieb aus, die Vegetation wurde spärlicher, vielleicht fiel noch Schnee dazu. Fulcis Film erscheint zunächst ziellos, weil er dem bisschen Plot, das er zu Beginn installiert, irgendwann gar nicht mehr folgt. Im Finale jedoch straft er alle zuvor gemachten Überlegungen Lügen: "I Quattro" ist kein Schlusspunkt, sondern ein dunkler Initiationsfilm; am Ende steht einer der typischen Gattungscharaktere. Stubby Preston hat sich angesichts seiner Erlebnisse vom fein bezwirnten, geckenhaften Zocker zum abgerissenen, zynischen Rächer entwickelt, dessen Freundschaft sich einzig auf einen zugelaufenen, struppigen Köter konzentriert.
Eine echte Schande, dass "I Quattro" regelmäßig übergangen bzw. ignoriert wird, wenn es um das Genre geht. Vermutlich werden ihn infolge falscher Erwartungshaltungen die wenigsten überhaupt gesehen haben. Fulcis Film müsste fairerweise in einem Atemzug mit den größten Italowestern genannt werden, denn genau in diese Phalanx gehört er. Außerdem steht er zusammen mit "Zombi 2" und "L'Aldilà" auf dem Meistertreppchen des Regisseurs.
9/10
#1825
Geschrieben 07. Juli 2009, 10:06
Spieler ~ D 1990
Directed By: Dominik Graf
Der notorische Zocker Jojo (Peter Lohmeyer) und sein bester Kumpel Tom (Hansa Czypionka) leben ihr Leben klamm, aber glücklich. Sprengkraft birgt erst Jojos Cousine Kathrin (Anica Dobra), der der Schwerenöter nach vielen Jahren anlässlich eines familiären Todesfalls wiederbegegnet. Jojo und Kathrin verlieben sich heftig ineinander und geraten, weil sie es mit dem Gesetz nicht so genau nehmen, bald mit dem korrupten Poliztisten Strobek (Joachim Kemmer) aneinander. Nachdem sie sich dessen aufdringlicher Präsenz entledigt haben, wartet nur noch die letzte Flucht nach Südfrankreich auf das Trio. Dort gibt es nämlich eine Spielbank und Kathrins und Jojos Sohn soll es eimal gut haben.
Mit "Spieler" schuf Domink Graf eine possierliche Hommage an Godards frühe Amour-fou-Dramen sowie an die nouvelle vague im Allgemeinen und überhaupt an das leichtlebige savoir vivre mit restriktiver Quittung am Schluss - ganz im sens français, versteht sisch. Ausgestattet mit schnittigstem Dialog, den vor allem der nöhlende Lohmeyer mit seinem unschuldig klingenden Timbre und Nickelbrille (Jochen Nickel kommt übrigens auch vor - als Taxifahrer) zum Besten gibt, bemüht Graf auch außergewöhnliche Techniken, Plansequenzen und Set-Arrangements, die speziell innerhalb einer deutschen Komödie dieser Jahre schon außergewöhnlich scheinen. Hier und da wird es ein wenig surreal (ein gutmütiger Bloodhound, den eigentlich Jojo geerbt hat, kommt permanent abhanden und taucht andernorts wieder auf - und niemanden interessiert's), doch dafür wirkt die das Slackertum vorwegnehmende Lakonie Lohmeyers und Czypionkas umso befreiender. Entspanntes deutsches Kino zum Angewöhnen.
8/10
#1826
Geschrieben 07. Juli 2009, 16:55
Sella D'Argento (Silbersattel) ~ I 1978
Directed By: Lucio Fulci
Schon als Kind muss der spätere Revolverheld Roy Blood (Giuliano Gemma) mitansehen, wie sein Vater erschossen wird. Diesen Mord rächt er sogleich auf dem Fuße. Als Erwachsener trägt er den mit Silber beschlagenen Sattel des damaligen Killers; ein untrügliches Markenzeichen. Eines Tages rettet er einen kleinen Jungen (Sven Valescchi) vor einer geplanten Entführung. Der Junior entpuppt sich als Neffe von Bloods Erzfeind Thomas Barrett (Ettore Manni), der über Umwege wiederum die Schuld am damaligen Tod von Bloods Vater trägt. Dennoch freundet sich Blood mit dem Kleinen an und beschützt ihn künftig vor seinen Häschern.
Fulcis letzter Western, bevor er sich kurz darauf mit "Zombi 2" endgültig dem Horrorfilm zuwandte. Trotz seiner späten Entstehung passt dieser bis auf ein paar anschauliche Schießereien fast familienfreundliche Gattungsverteter sehr viel besser in die Gruppe der eine Dekade zuvor entstandenen, leichteren Filme. Von der nihilistischen Stimmung eines "I Quattro Dell'Apocalisse" entfernt sich Fulci wieder mit großen Schritten und reetabliert die typischen Genrefiguren um maskuline Einzelgänger, bösartige Großgrundbesitzer und deren reizende Schwestern, lustige Leichenplünderer (Geoffrey Lewis macht einen Abstecher nach Italien) und gutherzige Puffmütter. Fast alles drin, fast alles dran. Allein an gescheitem Witz mangelt es ein wenig. Auch stört der kleine blonde Naseweis etwas - Fulci scheint, abseits von mancherlei anderen Obsessionen, auch eine für solch abenteuernde Lauser gehabt zu haben, s. auch "Quella Villa Accanto Al Cimitero" - den Spaß verdirbt einem der Bengel aber nicht. "Sella D'Argento" bleibt als solider, kurzweiliger Spätbeitrag zum Italowestern in Erinnerung, bis auf eine kleine Auspeitschszene, die zumindest mal den Richtigen trifft, garantiert ohne Gefährdung ästhetischer Zartbesaitungen.
6/10
#1827
Geschrieben 08. Juli 2009, 07:45
Happy Birthday To Me (Ab in die Ewigkeit) ~ CAN 1981
Directed by: J. Lee Thompson
Die junge Studentin Ginny (Melissa Sue Anderson) gehört zu den 'Top Ten', einer kleinen Clique von College-Absolventen, die als Söhne und Töchter der hiesigen High Society glauben, ihnen stünde per se die Welt offen. Die makabren Scherze, die die Kids treiben, wenden sich jedoch bald gegen sie selbst. Ein mysteriöser Killer, offenbar aus den eigenen Reihen, lässt einen nach dem anderen von ihnen verschwinden. Ginny, die in ihrer Vergangenheit bereits einiges hat durchmachen müssen, gerät bald ins Grübeln: Könnte sie es sein, die aufgrund einer Art Schizophrenie die Morde begeht, ohne sich später daran zu erinnern? Ihr Psychologe Faraday (Glenn Ford) ist jedoch der festen Überzeugung, Ginny habe nichts mit den Verbrechen zu tun.
Das Slasher-Subgenre war noch nicht alt, da versuchte das Mainstreamkino bereits, es zu assimilieren. "Happy Birthday To Me" ist ein Beispiel für diese Praxis. Ein großes Studio im Rücken, sparsame Produktion im Nachbarland, ein arrivierter Regisseur dazu, dessen große Erfolge bereits länger zurücklagen, ein paar TV-Stars und Glenn Ford als ehrwürdiger Kinovertreter - "Happy Birthday To Me" ist bei halbwegs kostengünstiger Herstellung sehr ökonomisch kalkuliert. Die ersten Schemata, die der Slasher bis dahin entwickelt hatte, überblickt der Film noch nicht vollends; weder werden die Opfer aufgrund nonkonformer Verhaltensweisen aus dem Leben getilgt, noch sind die Morde Teile eines innerhalb des Plots weithin unwesentlichen Racheplans. Daher wirkt Thompsons, auf kleine Hitchcock-Anleihen nicht verzichtende Arbeit alles in allem sauberer, kantenloser als manch derber Vorläufer und trotz seiner recht anschaulichen Gewaltakte auch für ein unbedarfteres Publikum goutierbar. Dies wird auch der Grund gewesen sein, warum der Film seinerzeit zunächst mit einer 16er-Freigabe (die allerdings nichtsdestotrotz zu einer nachträglichen Indizierung führte) durchgewunken wurde. Dennoch: Das bereits fest installierte Maskenprinzip wird ganz geschickt variiert, zudem überzeugt das wendungsreiche Finale. In weiten Teilen vermag "Happy Birthday To Me" ohnedies Spannung zu schüren, wenn er auch für ein Werk seiner Gattung deutlich zu lang daherkommt. Lasten wir das ganz versöhnlich Thompsons etwas überzogener Ambition an, seinem Film ein solideres Fundament zu verleihen als er es letztendlich benötigt.
6/10
#1828
Geschrieben 08. Juli 2009, 08:16
The Ambassador ~ USA 1984
Directed By: J. Lee Thompson
Peter Hacker (Robert Mitchum), amerikanischer Botschafter in Israel, ist der Überzeugung, dass ein dauerhafter Frieden im Land sich nur stiften ließe durch die Zusammenführung hebräischer und arabischer Studenten, die ihrerseits als intelligente junge Vertreter ihrer Interessensgruppen jeweils die Bereitschaft zur Diskussion mitbringen müssten. Hackers ambitionierte Pläne werden jedoch immer wieder durchkreuzt, wahlweise von palästinensischen Extremisten (u.a. Uri Gavriel), einem unfähigen Mossad (u.a. Donald Pleasence) oder ein paar jiddischen Kleingaunern (u.a. Zachi Noy), die Hacker erpressen wollen. Mithilfe seines zwar skeptischen, aber treuen Geheimdienst-Schutzengels Stevenson (Rock Hudson) kann der Ambassador schließlich allen Widrigkeiten zum Trotz zumindest einen kleinen Erfolg für sich verbuchen.
"The Ambassador" ist ein sehr kurioser Film, der im Nachhinein eigentlich keinesfalls für seinen angegeben Regisseur zu verbuchen ist, sondern für dessen Auftraggeber, die Cannon Films, in persona Menhem Golan und Yoram Globus. Wie kurz darauf in "The Delta Force", der sich vortrefflich als Dublette mit "The Ambassador" eignet, verquickten Golan/Globus das dauerakute Krisenthema Nahost mit ganz offenkundiger Exploitation. Hier nutzte man den (wiederum zwei Jahre später von Frankenheimer akurater verfilmten) Roman "52 Pick-Up" von Elmore Leonard, in dem es um einen mittels einer Liebesaffäre erpressten Geschäftsmann geht. Für "The Ambassador" drehte man den Spieß jedoch um und ließ die Frau (Ellen Burstyn) des Botschafters mit dem hochrangigen PLO-Mitglied Mustafa Hashimi (Fabio Testi) in die Federn steigen. Das Ganze wird in eine eher abstruse Kriminalgeschichte verpackt, hinter der im Film mit Zachi Noy, Yftach Katzur und Joseph Shiloach ausgerechnet ein paar gestandene "Eis am Stiel"-Schlecker stecken. Überhaupt ist die Besetzung des Films, innerhalb der Golden und New Hollywood, Italotrash und eben die Stars der neuen israelischen Erotikklamauk-Szene zusammenfinden, wunderbar. Die Darsteller machen allesamt tadellose Arbeit und besonders Rock Hudson gibt, bereits vom AIDS gezeichnet, eine so aufrechte wie rührende Abschlussvorstellung. Natürlich lässt "The Ambassador" auch seine thematisch implizierte, ernsthafte, ambitionierte Ebene nicht außer Acht: Man muss tatsächlich kurz aufseufzen, als es Hacker gegen Ende gelingt, ausgerechnet mithilfe Hashimis, jenes Mannes also, der ihm zuvor Hörner aufgesetzt hat, ein großes Studententreffen zu organisieren, über dem eine fast heilige Stimmung schwebt und dass dann durch die Attacken böser Extremisten blutig beendet wird; aufseufzen wegen der durchaus realen Konnotation, aufseufzen aber auch, weil Golan und Globus sich wider besseres Wissen und ihre Verantwortung als Filmemacher nicht eindeutiger politischer Statements enthalten können. Ein Film, der sich demnach - auch als Zeitdokument - anzuschauen lohnt und den ich neben "Exodus" und "Cast A Giant Shadow" zu den bemerkenswertesten Aufbereitungen des Nahost-Konflikts durch Hollywood zähle.
7/10
#1829
Geschrieben 09. Juli 2009, 07:24
The Trollenberg Terror (Die Teufelswolke von Monteville) ~ UK 1958
Directed By: Quentin Lawrence
Das kleine Örtchen Trollenberg in den Schweizer Alpen wird von einer grauenvollen Mordserie an Bergsteigern terrorisiert. Genauer gesagt haben sämtliche der Untaten mit einer mysteriösen Wolke zu tun, die stets am selben Platz an dem benachbarten Berg Monteville hängt. Der amerikanische Wissenschaftler Alan Brooks (Forrest Tucker) und das Medium Anne Pilgrim (Janet Munro) wollen dem Geheimnis der Wolke auf die Spur kommen.
Lustiger Monstertrash aus britischer Fertigung und wohl als Anhängsel gedacht, am Erfolg der ersten beiden "Quatermass"-Filme mit Brian Donlevy zu partizipieren, die allerdings deutlich geschickter produziert wurden. Tatsächlich sind die Miniatureffekte um die ohnehin etwas dösig ausschauenden Aliens so dulle geraten, dass spätestens zum Finale jeder Rest von Ernsthaftigkeit aus Trollenberg verflüchtigt hat. Wie man's richtiger gemacht hätte, führen die zwei "Quatermass"-Streifen oder "The Abominable Snowman" vor Augen. Schummrige oder gar gänzlich verheimlichte Effekte zieren einen billigen Film eben doch stets am meisten. Zuvor werden jedoch einigermaßen gekonnt Urängste geschürt, die sich um das Mysterium unerforschter Naturareale drehen und die speziell um die Ursache der Attacken innerhalb der Wolke kreisen. Das Buch stammt übrigens von Jimmy Sangster. Nicht seine hervorragendste Arbeit.
5/10
#1830
Geschrieben 09. Juli 2009, 07:43
Il Giustiziere Sfida La Città (Flash Solo) ~ I 1975
Directed By: Umberto Lenzi
Rambo (Tomas Milian), Einzelgänger auf heißem Feuerstuhl, kommt nach Mailand um dort seinen alten Kumpel Pino (Mario Piave) und dessen Familie zu besuchen. Pino arbeitet für eine Art Privatpolizei, für die er auch Rambo begeistern möchte, der jedoch abwinkt, da er sich nirgends unterordnen möchte. Als Pino die heiße Spur in einer Sabotageaffäre erschnuppert, die zugleich in Verbindung steht mit der Entführung eines wohlhabenden Filius (Alessandro Cocco), wird er von den Hintermännern kurzerhand erschlagen. Rambo klärt die Fronten auf seine Weise.
Lenzi hat mit seinem Gangsterfilm im Grunde nichts anderes als einen typischen Italowestern in neourbaner Gewandung abgeliefert. Sämtliche der angeschnittenen Inhaltsfragmente, um das Kidnapping, die sich bekämpfenden Gangsterclans, die Rachegeschichte, und allem voran natürlich Milian, der hier als moderner Shane in die Stadt hinein- und nach vollbrachter Arbeit wieder hinausreitet, passen geradezu vorbildlich ins Wildwest-Milieu. Doch auch als moderner Großstadtkrimi der Siebziger funktioniert Lenzis Film. Milian wird inmitten diverser Gangster- und Psychopathenparts (noch) ausnahmsweise zu einem Superhelden stilisiert, der in absolut jeder Situation den Überblick behält und höchstens mal befristet scheitert. Kleinere Falten werden im Nachhinein eben ganz fix wieder ausgebügelt. Dabei befleißigt er sich vornehmlich unfeiner Methoden, die speziell dann zum Einsatz kommen, wenn es um die Schädigung kleiner Jungs durch böse Buben geht (- also um diese zu vergelten). Für jene hat Rambo nämlich ein großes Herz. Inszenatorisch bleibt "Il Giustiziere" innerhalb des bekannten Stils und damit für Freunde Lenzis und des Italokinos große Klasse.
6/10
Besucher die dieses Thema lesen: 11
Mitglieder: 0, Gäste: 11, unsichtbare Mitglieder: 0