In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1921
Geschrieben 01. September 2009, 07:40
The Rocketeer ~ USA 1991
Directed By: Joe Johnston
Los Angeles, 1938: Der junge Kunstpilot Cliff Secord (Bill Campbell) gerät eher zufällig in den Besitz eines von Howard Hughes (Terry O'Quinn) persönlich entwickelten Raketengurts. Eigentlich plant Cliff, sich das Gerät für seine Flugshow nur auszuleihen, doch unversehens sind das FBI, diverse Gangster und der Filmstar Neville Sinclair (Timothy Dalton), der die Rakete als Prototyp für die Nazis außer Landes schaffen will, hinter ihm her.
Dem "Rocketeer" lag keine authentische Golden-Age-Comicserie zugrunde, sondern eine kleine, Anfang der achtziger Jahre erschienene Reihe von Dan Stevens, die sich ihrerseits bereits als Hommage an die früheren Pulphelden versteht. Johnstons Film, sein bester übrigens, ironisiert darüberhinaus die glamourösen Tage des alten Hollywood, in dem die Studiobosse noch gewaltig und die Filmstars maßgeschneidert waren. Neville Sinclair, von Timothy Dalton in hervorragender Weise als süffisant-arroganter Schnauzbart-Leinwandheld von klassischer Garnitur interpretiert, fungiert als eine Art Konzentrat all der Fairbanks, Flynns und Powers jener Jahre, der sich unglücklicherweise an die überseeischen Faschistenteufel verkauft hat (oder originär einer von ihnen ist, das lässt der Film offen). Der Held stellt sich als typisch naiver, dickköpfiger Jungspund samt hauseigenem Ersatzvater und Mentor (Alan Arkin) dar, der den luxuriösen Träumen seiner Liebsten (Jennifer Connelly) nicht so recht gewachsen scheint, weswegen diese auch wiederum auf den Schurken hereinfällt. Beeindruckends ist außerdem die Reminiszenz an den an Akromegalie erkrankten Schauspieler Rondo Hatton, der seine Entstellungen in den Vierzigern zum körpereigenen Kapital machte und in B- und C-Filmen den unseligen Bösewicht zu geben gezwungen war. In "The Rocketeer" taucht ein missgestalteter Killer (Tiny Ron) auf, der nicht nur per Makeup exakt Hattons Physiognomie auferlegt bekam, sondern sogar dessen flachkrempigen Hut aus "The Brute Man" verpasst bekam.
Insgesamt ist "The Rocketeer" ein mit herrlich sanftem Witz gesegneter Abenteuerkrimi voller Herz und Einfallsreichtum, der das Spektakel im Unspektakulären sucht und sich einen Dreck um etwaige Vorbilder schert. Kino dieses Formats war schon vor 18 Jahren nurmehr eine Rarität.
8/10
#1922
Geschrieben 01. September 2009, 08:08
The Shadow (Shadow und der Fluch des Khan) ~ USA 1994
Directed By: Russell Mulcahy
In Tibet wird der rücksichtslose und dekadente Bösewicht Lamont Cranston (Alec Baldwin) von einer Sekte entführt, innerlich geläutert und einer mentalen Ausbildung zur absoluten Beherrschung von Körper und Geist unterzogen, um hernach selbst gegen das Böse anzutreten. Zurück im New York des Jahres 1939 muss der 'Shadow', wie sich Cranston nun als Verbrechensbekämpfer nennt, seiner größten Herausforderung gegenübertreten: Shiwah Khan (John Lone), der letzte Nachfahre des Dschingis Khan, plant, mithilfe einer von dem Wissenschaftler Reinhardt Lane (Ian McKellen) konstruierten Bombe die ganze Stadt zu vernichten. Zusammen mit Lanes reizender Tochter Margo (Penelope Ann Miller) nimmt der Shadow sich der Sache an.
Der Shadow war ursprünglich eine Erfindung des Pulpautors Walter Gibson, debütierte bereits 1930 in Groschenromanen und landete dann in einem Radioserial, bevor 1939 die ersten strips veröffentlicht wurden. Mit seiner ganz in schwarz gewandeten, mysteriösen Erscheinung, die u.a. auch daher rührt, dass das halbe gesicht unter einem Tuch verborgen ist, wurde der Shadow als eine Art Albtraum aller Kriminellen installiert, der sich jeweils mit einem schallenden Lachen ankündigt und seine zumeist bereits durch ihre Angst entwaffneten Gegner je nach der Schwere ihrer Vergehen bestraft. Dabei machte der Shadow auch von seinen zwei Pistolen Gebrauch. Tagsüber als der Muße verpflichteter Playboy Lamont Cranston unterwegs, besitzt er ein stadtweites Rohrpost-Informationsnetzwerk, das in seiner feudalen Manhattaner Villa zusammenläuft und ihn quasi von jedem begangenen Unrecht unmittelbar informiert, was ihm zugleich einen etwas zweifelhaften Ruf als Vertreter totalitärer Ideen brandmarkt. Die Figur des Shadow wurde später als archetypisches Vorbild für zahlreiche ähnliche Helden wie Batman und viel später Alan Moores V gewähnt.
Mulcahys Film macht wie Beatty und Johnston von fein ziseliertem Humor Gebrauch und stellt sich selbst als große Verbeugung mit leichtem Hang zur Selbstironie vor. Dieser erweist sich als recht wertvoll und geschickt, insbesondere für so wesentlich naiv erzählte Geschichten wie die vorliegende, denn damit wird jeder eventuellen Lachhaftigkeit sogleich präventiv begegnet. Doch gibt es durchaus auch schöne Morphing- und CGI-Effekte und schöne bildgestalterische Ideen; Kostümdesigner, Hairdresser und Kulissenkonstrukteure durften sich in halsbrecherischer Weise austoben. Unter der erstklassigen Besetzung wäre besonders der wiederum zur völlig übertriebenen Exzentrik neigende Tim Curry hervorzuheben, der schön bratärschig den Bekloppten heraushängen lässt. Die Kritik sprang mit "The Shadow" leider wenig zimperlich um, ein für mich sehr unverständliches Faktum.
7/10
#1923
Geschrieben 02. September 2009, 15:06
The Phantom ~ USA 1996
Directed By: Simon Wincer
Das Phantom, auch "Wandelnder Geist" genannt, beschützt bereits seit Jahrhunderten den Dschungel von Bengalla mitsamt seiner Eingeborenen vor weißen Unholden, Eindringlingen und anderen Zivilisationsgefahren. Wohnhaft in der Totenkopfhöhle, gewandet in ein lilafarbenes Kostüm und mit einer schwarzen Maske bewährt, lässt es sich von seinem Wolf Devil und seinem Schimmel Hero unterstützen. Des Phantoms Geheimnis: Weder ist es unsterblich, noch steckt unter seinem Dress ein Geist - die Maske wird lediglich innerhalb der Familie Walker von Generation zu Generation weitergereicht, weshalb seine Feinde glauben, es sei unsterblich. Aktuell ist Kit Walker (Billy Zane) Träger des Phantom-Kostüms und hat Ärger mit der Singh-Bruderschaft sowie deren Abkömmling Xander Drax (Treat Williams), der mit drei magischen Totenkopfsteinen die Welt erobern will.
Sowohl Lee Falk als auch seine Nachfolger verwendeten für das Phantom einen recht dynamischen, aber noch unkonturierten Zeichenstil, der sich mit denen der anderen Strips dieser Zeit weitestgehend deckte und seine Leserschaft zufriedenstellte. Konfusionen gab es erst mit der Einfärbung der Comics, als niemand genau zu wissen schien, welche Farbe das Kostüm des Phantoms eigentlich hat, so dass es teilweise auch in rot oder blau auftauchte. Der violettene Dress aber ist mittlerweile zum festen Markenzeichen geworden. Viele Kinder meiner Generation werden sich noch an die mit schlechtem Siebdruck auf besserem Zeitungspapier veröffentlichten, großformatigen Hefte des Bastei-Verlags erinnern, die nach kurzer Zeit so schön muffig rochen deren Falz sich nach dem Lesen immer so hübsch zu rollen pflegte. Wer die Dinger damals mochte, der wird auch an Wincers Film sein Vergnügen finden, denn dieser fängt exakt jene unschuldige Atmosphäre ein, die die Comics all die Jahre hindurch konservierten. Ein großes Budget verlangte der Film, trotz seiner Gestalt als period movie, nicht, denn er spielt die meiste Zeit im Dschungel und größenteils unter ziemlich verlottert auftretenden Schurken. Auch die paar Obligata, die zum Phantom gehören, sprich seine Behausung und seine Tiere, dürften relativ problemlos bereitgestellt worden sein. Ein kleines, braves Kinomärchen mit einigen Indiana-Jones-Anleihen war das erbauliche, in jeder Hinsicht vollkommen jugendfreie Resultat.
6/10
#1924
Geschrieben 02. September 2009, 16:08
Sky Captain And The World Of Tomorrow ~ USA/UK/I 2004
Directed By: Kerry Conran
Im New York des Jahres 1939 tauchen, quasi pünktlich zur Weltausstellung, gigantische Roboter auf, die ein paar Stromgeneratoren entwenden und dann wieder verschwinden. Ähnliches geschieht, wie der Sky Captain Joe Sullivan (Jude Law) längst weiß, bereits seit einiger Zeit überall auf der Welt: Riesige Bohrer erscheinen und zapfen Ölquellen an oder holen sich sonstige Ressourcen, um dann spurlos in der Versenkung abzutauchen. Zusammen mit der Reporterin Polly Perkins (Gwyneth Paltrow) kommt der Sky Captain einem bereits zwei Jahrzehnte alten, schrecklichen Geheimnis auf die Spur, mit dem der geniale deutsche Wissenschaftler Dr. Totenkopf zu tun hat.
Ähnlich wie der "Rocketeer" basiert "Sky Captain And The World Of Tomorrow" nicht direkt auf einem zeitgenössischen Vorbild, sondern stellt vielmehr eine lauschige Reprise der noch recht schmalen utopischen Vorstellungen der Menschen seiner Ansiedlungszeit dar, zu denen gewissermaßen immer auch klobige Roboter und Blechgesellen, Naziwissenschaftler, Saurier, Städte unter dem Meer und Ähnliches gehören und das in "Sky Captain" handlungsmäßig nahezu erschöpfend abgearbeitet wird. Selbst das irdische Paradies Shangri-La bekommt seine kleine Präsenz. Die nachhaltigsten Lorbeeren heimste der eigentlich unabhängig hergestellte Film ja bekanntermaßen wegen des Einfallsreichtums seiner Kreateure ein, die ihrer Story einen höchst eigenwilligen Look verliehen: Die Akteure spielten fast durchweg vor greenscreens und wurden erst nachträglich mittels digitaler Animation in ihre Filmszenarien versetzt. Später wurde das Bild noch weiter bearbeitet, sepiafarben getüncht, an Schärfe und Kontrast erleichtert und überbelichtet, so dass alles weich und crèmefarben erscheint, ganz, wie ein 2-Strip-Technicolor-Streifen aus den frühen Dreißigern. Mir persönlich liegt dieser streng artifizielle Touch zugegebenermaßen nicht so sehr - da gefällt mir eine zwar stilisierte, aber knackig-bunte Aufbereitung wie in "Dick Tracy", bei der man das Gefühl hat, man könnte die Requisiten auch anfassen, ohne dass sie seifenblasengleich zerplatzen, wesentlich besser. Aber das ist freilich eine Geschmacksfrage. Der Aufwand, die Vision der Conrans, die ihre eigene, bereits als Kurzfilm umgesetzte Idee derart ambitioniert aufgeblasen haben, gehört in jedem Fall honoriert.
6/10
#1925
Geschrieben 02. September 2009, 16:29
The Spirit ~ USA 2008
Directed By: Frank Miller
Der Spirit (Gabriel Macht), maskierter Held von Central City, ist niemand anders als der auf wundersame Weise von den Toten zurückgekehrte Cop Denny Colt. Jener kümmert sich von seinem Hauptqurtier unter dem städtischen Friedhof aus um die kriminellen Geschwüre seiner Stadt, allen voran dem bösen Octopus (Samuel L. Jackson), der mithilfe einer geheimnisvollen Karaffe, die das Blut von Herkules enthält, zum Halbgott aufsteigen und die Welt beherrschen will.
Für sein Solodebüt als Regisseur knöpfte sich Frank Miller die große Schöpfung seines Lehrmeisters und Vorbilds Will Eisner vor, den "Spirit". Jener ab 1940 erscheinende, übersinnliche Großstadtheld stand inmitten einer Reihe großartiger graphischer Schöpfungen, die gesammelt einen hinsichtlich seines ästhetischen und prägenden Werts unschätzbaren, umfangreichen Literaturfundus repräsentieren, der von ähnlichem stilistischen Einfluss war wie später die Arbeiten von Jack Kirby und Neal Adams. Eisner schätzte allerdings vornehmlich die expressionistischen Facetten seines Mediums und lieferte die visualisierten Noir-Äquivalente zu den Storys von Hammett und Chandler sowie den frühen Gangsterfilmen. Wie bereits für "Sin City" schuf Miller nun auch für den Spirit eine vollkommen eigene Welt, orts- und zeitentrückt, mit weißen Schatten und roten Krawatten versehen. Sein Film sieht großartig aus, scheint hier und dort zu hyperventilieren und in bald bacchanalischer Weise der comicesken Herkunft seiner Ideen stattzugeben, ist dann aber wieder höchst konzentriert und ganz bei sich. Diese Ambiguität, die den "Spirit" wie bereits sein gezeichnetes Vorbild so schwer fassbar macht, kennzeichnet den Film, der mit all seiner halsbrecherischen Exzentrik bestimmt nicht für alle Tage gemacht ist.
7/10
#1926
Geschrieben 04. September 2009, 15:03
The Boat That Rocked (Radio Rock Revolution) ~ UK/USA/D/F 2009
Directed By: Richard Curtis
England, 1966: Angeblich, um ihm die Flausen abzugewöhnen, schickt Charlotte (Emma Thompson) ihren Sohnemann Carl (Tom Sturridge) auf das Schiff seines Patenonkels Quentin (Bill Nighy). Dieser betreibt, umgeben von einem Haufen durchgedrehter Musikliebhaber, einen illegalen Radiosender, mittels dessen er der englischen Bevölkerung von der Nordsee aus 24 Stunden Rock'n Roll um die Ohren haut. "Radio Rock" erfreut sich unter den jüngeren Zuhörern größter Beliebtheit, der spießige Abgeordnete Dormandy (Kenneth Brannagh) jedoch möchte nichts mehr, als das Schiff und seine Sendestation aus dem Verkehr zu ziehen.
Liebenswerte Musikkomödie mit einem amtlichen Aufgebot an großen Songs jener Zeit von den Tremeloes über Martha & The Vandellas bis hin zu den Stones und The Who. Dabei hat man es allerdings mit der Passgenauigkeit nicht allzu pingelig genommen; manche der eingesetzten Songs waren anno 66 noch gar nicht existent. Doch egal, man wird trotzdem bestens unterhalten mit der typisch menschelnden Masche des Richard Curtis, den ich persönlich sowieso nur dann mag, wenn er seine eigenen Scripts dirigiert. "Bridget Jones" empfand ich als formvollendetes Brechmittel und auch die anderen beiden RomComs mit Hugh Grant, "Four Weddings And A Funeral" und "Notting Hill" waren absolut nicht für mich mit ihrer anbiedernden Salonnoblesse. Den reaktionären Terminus des "Mädchenfilms" verkneife ich mir an dieser Stelle mal, zumindest in primärer Instanz.
"The Boat That Rocked" lässt glücklicherweise viel von der Biederheit, die Curtis zuweilen reitet, beiseite, um eine so erfrischende wie reizende kleine Geschichte von guter Musik verpflichteten Menschen zu erzählen, die uns alten Fans vom "Piratensender Powerplay" aber natürlich längst nicht mehr neu ist. Doch was soll's, ein Schiff ist auch eine nette Idee, zumal wenn dort soviel Alkohol- und Drogenkonsum und Promiskuität mitreisen. Bei der Finalszene muss jedem Vinylliebhaber das Herz zerspringen. Und das ist auch recht so, denn damit hat der Film eine seiner Missionen erfüllt. Insgesamt allerdings bleibt er zu brav und risikobefreit für das, was er global hätte leisten können / sollen / müssen.
7/10
#1927
Geschrieben 04. September 2009, 15:15
Heaven Knows, Mr. Allison (Der Seemann und die Nonne) ~ USA 1957
Directed By: John Huston
Der Marine-Infanterist Allison (Robert Mitchum) landet 1944 nach erlittenem Schiffbruch auf einem kleinen Eiland im Südpazifik. Dort begegnet er der ebenfalls erst kurz zuvor eingetroffenen Schwester Angela (Deborah Kerr). Zusammen versteckt man sich vor den anrückenden Japanern, schlägt sich durch manch prekäre Situation, kommt sich näher und erlebt Freud und Leid des Zusammenseins ohne jede Form der körperlichen Nähe.
Mit "Heaven Knows, Mr. Allison" griff Huston nochmals das Thema von "African Queen" auf - ein raubeiniger Geselle und eine vorgeblich asexuelle Gotteskämpferin nehmen gemeinsam den Kampf gegen den Weltkriegsfeind auf und wachsen im Angesicht des Todes sowohl über sich selbst hinaus als auch fest zusammen. Der hier vertretene Ausgang war jedoch etwas weniger romantisch; Schwester Angela steht zu ihrer Verlobung mit Christus und Allison besinnt sich seiner Freiheiten als Soldat der Weltmeere. Dazwischen liegen einige formidabel inszenierte Szenen, die dafür sorgen, dass sowohl durch äußere Aktion als auch durch innere Konflikte keine Sekunde der dramaturgischen Erschlaffung eine Chance bekommt. Gegen den märchenhaften Drive von "African Queen", an dem auch die Bootsfahrt flussabwärts als Bewegungsfaktor ihren erheblichen Anteil trägt, wirkt "Heaven Knows" zwar eher statisch und betont "erwachsen", kann aber mit der von Mitchum vortrefflich gespielten Titelgestalt des Mr. Allison ganz bestimmt jeden Freund huston'scher Männerkreationen begeistern.
8/10
#1928
Geschrieben 05. September 2009, 06:41
Long Weekend ~ AU 1978
Directed By: Colin Eggleston
Es brodelt in der Beziehung zwischen Marcia (Briony Behets) und Peter (Jon Hargreaves). Um die Wogen etwas zu glätten und neue Romantik in ihren Alltag zu bringen, fahren die beiden an einen entlegenen Küstenstreifen. Von ökologischer Nachhaltigkeit haben sie jedoch scheinbar noch nie etwas gehört. Dann scheint sich die Natur sich in ihrer Gesamtheit gegen sie zu wenden.
"Long Weekend" hätte einen weitaus größeren Bekanntheitsgrad verdient als er ihn nurmehr genießt. Ähnlich wie Peter Weirs "The Last Wave", ebenfalls ein australischer Film, holt Mutter Natur selbst zum großen Gegenschlag aus, nachdem die Menschheit sich großflächig als ihrer nicht würdig erwiesen hat. Marcias und Peters Reise gleicht einer tour de force der Umweltsünden: Eine achtlos weggeworfene Kippe entzündet ein Feuer, ein Känguru wird nur wegen Peters Unaufmerksamkeit überfahren, ein Baum grundlos umgehauen, einfach "weil er dort störte", leere Bierflaschen ins Meer geworfen, ein Adlerei zerstört, schließlich eine harmlose Seekuh erschossen, weil man sie für einen Hai hält. Bereits zu Anfang des Films hört man über das Radio, dass auch in anderen Landesteilen seltsame Dinge geschehen und spätestens als Marcia und Peter ihre bereits verunglückten Nachbarcamper finden, ist ihnen klar, was die Stunde geschlagen hat. Ihre persönliche Krise, hervorgerufen durch unbereinigte Konflikte, dreht ihnen schließlich den finalen Strick.
Das breite Panavision-Format war für einen Film dieser Größenordnung zumindest vor 30 Jahren noch eine Seltenheit, doch es präsentiert sich als die einzig probate Wahl. Zwar sind hier und da kleinere Verbesserungswürdigkeiten auszumachen, die, so vermute ich, mit dem kleinen Budget in Zusammenhang stehen dürften, seine Wirkung verfehlt "Long Weekend" jedoch nicht. Er ist regelrecht physisch beunruhigend, und das, ohne all die im Horrorfilm gängigen Schreckgespenster aufzufahren.
8/10
#1929
Geschrieben 05. September 2009, 07:01
The Resurrected (Evil Dead - Die Saat des Bösen) ~ USA 1992
Directed By: Dan O'Bannon
Der Privatdetektiv Marsh (John Terry) wird von der schönen Claire Ward (Jane Sibbett) beauftragt, herauszufinden, was mit ihrem Mann Charles (Chris Sarandon) nicht stimmt: Jener ist Hals über Kopf zu Hause ausgezogen und führt seine stinkenden Experimente, die offenbar mit der Erbschaft eines alten Koffers zusammenhängen, nun in einem abgelegenen Farmhaus durch. Um was es bei jenen Experimenten geht, weiß niemand. Sicher ist nur, dass Charles sich Unmengen von rohem Fleisch und frischem Blut von den Metzgern der Gegend liefern lässt, mit zwei sinistren Gefährten zusammenarbeitet und einen widerwärtigen Gestank produziert, der die ganze Gegend einhüllt. Bald schon stoßen Marsh und Claire auf die schreckliche Wahrheit...
Schöne Verfilmung von Lovecrafts Story "The Case Of Charles Dexter Ward", in der ein unbedarfter Wissenschaftler dem Geheimnis des Todes um den Preis des eigenen Lebens auf die Spur kommt und fortan als sein eigener Urahn Joseph Curwen die alten, verwerflichen Experimente weiterführt. Die spannungstragenden Elemente dser Vorlage werden erfolgreich und sehr effektiv in den Film transferiert, der, als reine Adaption betrachtet, sogar erfolgreicher ist als Cormans "The Haunted Palace". Chris Sarandon als Ward/Curwen ist phantastisch, fast noch besser als böser Nachbar Jerry Dandridge in "Fright Night". Ein klein wenig aber krankt der ansonsten sehr inspirierte "The Resurrected" unter seiner augenfällig monetär limitierten Aufbereitung. Um 1992 war Horror nicht so sehr gefragt und so blieb dem Film der angesichts seiner unleugbaren Qualitäten an sich verdiente Produktionsstatus eines A-Projekts leider verwehrt. Immerhin ist es der Initiative der Beteiligten zu verdanken, dass er zumindest in dieser Form das Licht der Welt erblicken konnte. Exakt dasselbe Script und dieselben Köpfe, nur ein paar Milliönchen mehr an Budget, und "The Resurrected" zählte zweifellos zu den Genre-Höhepunkten des Jahrzehnts. Wobei er dies, fairerweise nachgeschoben, eigentlich auch so schon von sich behaupten kann. Der blamable Etikettenschwindel bei der deutschen Videoauswertung ist übrigens ein echter Klops: Kurzerhand wurde das Plakat von "Evil Dead II" umgefärbt und zweckentfremdet und dem Film auch noch der Titel "Evil Dead - Saat des Bösen" verehrt, um Assoziationen zu den Raimi-Streifen zu wecken. Vollkommen albern oder lachhaft peinlich? Entscheiden Sie selbst.
7/10
#1930
Geschrieben 06. September 2009, 10:05
Barquero ~ USA 1970
Directed By: Gordon Douglas
Der brutale Bandit Jake Remy (Warren Oates) und seine Bande wollen mit einer riesigen Ladung gestohlener Repetiergewehre, deren Raub bereits die Existenz einer ganzen Kleinstadt gekostet hat, über die Grenze nach Mexiko entschwinden. Zwischen ihnen und der Freiheit liegt jedoch das kleine Siedlerstädtchen Lonely Dell und der Paria River, der ich entlang der ganzen Grenze zieht. Ddurch, dass Remy sich bereits durch drei Vorboten anggekündigt hat, können die Siedler mithilfe des Fährmanns Travis (Lee Van Cleef), eines ziemlich harten Knochens, und seines Kumpels Mountain-Phil (Forrest Tucker) auf die andere Flussseite fliehen. Als Jake und seine Gang dann auftauchen, liegt die Fähre ihnen gegenüber und ist nicht nutzbar. Mit allen Mitteln versucht Jake Travis dazu zu bringen, ihn mit seinen Männern überzusetzen.
Hervorragender kleiner Western der neuen Schule, fast kammerspielartig auf engstem Raum um die gegenüberliegenden Flussufer inszeniert. Am Anfang des Films steht das durch Remy verursachte Überfall-Massaker an den Kleinstädtern, das nicht ganz mit Peckinpah konkurrieren kann, da es die mutige Kompromisslosigkeit der vergleichbaren Eingangssequenz aus "The Wild Bunch" vermissen lässt. Aber Douglas liegt offenkundig auch gar nicht daran, sich besonders hervorzutun. Sein Film bleibt straight forward und ist damit ganz um seine beiden Kontrahenten Oates und Van Cleef angelegt, die sich nur einmal kurz auf drei Meter nahe kommen und ihre Wort- und Hülsengefechte zumeist über den Grenzfluss hinweg austragen. Van Cleef mit seinem zierend zerrissenen grünen Hemd und seinem Pfeifchen ist schon stark, doch besonders Oates ist um seine Hauptrolle sichtlich angetan und spielt einem Berserker gleich. Dazu gibt es noch den früheren Sindbad Kerwin Matthews als Oates' trigonometrisch bewanderter Bildungsgehilfe. Alles höchst famos. Zudem ist "Barquero" der einzige Western, den ich kenne, in dem gekifft wird. Oates raucht einmal einen Joint, "um den Kopf freizubekommen", wie er bedüselt anmerkt.
8/10
#1931
Geschrieben 06. September 2009, 10:30
The Spikes Gang (Vier Vögel am Galgen) ~ USA 1974
Directed By: Richard Fleischer
Der Farmerssohn Will Young (Gary Grimes) gewährt zusammen mit seinen Kumpels Les (Ron Howard) und Tod (Charles Martin Smith) dem flüchtigen, angeschossenen Bankräuber Harry Spikes (Lee Marvin) Unterschlupf in der elterlichen Scheune. Als Wills Vater (Marc Smith) später davon Wind bekommt, prügelt er den DFilius windelweich. Will haut daraufhin von zu Hause ab, Les und Tod schließen sich ihm solidarisch an. Mittellos bemerken sie bald, dass der Traum von der Freiheit ferner liegt als geglaubt und so überfällt man eine Bank, was katastrophal danebengeht. In der Folge treffen sie Spikes, der sich ihnen dankbar als väterlicher Freund und Gönner präsentiert, immer wieder. Bald schließt man sich zusammen, um eine Rancherbank zu überfallen. Der schlecht geplante Coup misslingt völlig und Spikes lässt die Freunde, darunter den tödlich verletzten Tod, zurück. Der enttäuschte Will merkt, dass er sich in dem alten Gauner getäuscht hat, was sich ihm in der Folge noch verhängnisvoller offenbaren soll.
Noch ein Endzeitwestern, diesmal präsentiert von Richard Fleischer im letzten seiner drei Genrebeiträge. "The Spikes Gang" gibt sich verhältnismäßig moralisch und entromantisierend, wenn er die drei Bauern-Youngsters Grimes Howard und Smith, die beiden letzteren bereits hinlänglich aus "American Graffiti" bekannt, mit der Härte des Lebens konfrontiert, deren Realismus nichts mit den bereits damals populären Legenden des alten Westen zu tun hat. Inkarniert wird deren eigentliches Wesen, nämlich jenes des kriminellen Opportunismus, durch Lee Marvin, der mit seinem libertinen Lebensstil genau das repräsentiert, was die drei Jungs sich unter wahrer Freiheit vorstellen, dafür jedoch bereits so viele Preise bezahlt hat, dass er selbst längst fern von jedem wahren Genuss und praktisch nur noch für die Sekunde existiert. Spikes ist in weiten Teilen des Landes berüchtigt, wird überall für seine Verbrechen gesucht, hat viele Freunde verraten und seine ihn betrügende Frau erschossen. Dabei ist er kein schlechter Mensch; die Konstellation der Ereignisse hat ihn letztlich in jene Ecke getrieben, in der er nun steht. Man kann wohl selbst davon ausgehen, dass er die drei Jungs keineswegs auszunutzen gedacht oder sie mit seinen Zuneigungsbekundungen jemals belogen hat, nur sprechen die Fakten am Ende eben gegen eine verlängerte Zusammenarbeit. Wie ein Gangster zwangsläufig enden muss, demonstriert in einer schwermütigen Szene der bärtige Arthur Hunnicutt, der als alter Räubersgesell zu der Spikes Gang stößt, sich an ihrem geplanten Überfall beteiligen will, unwillkommen ist und sich dann kurzum für den Freitod entscheidet. Das Ende ist schließlich von höchster Traurigkeit: Der sterbende Will schleppt sich zum Bahnhof, den letzten seiner vielen Träume vor dem geistigen Auge, der die Heimkehr und die Versöhnung mit dem Vater zeigt. Gute Jungs bleiben daheim bei Pop und Mum, böse werden erschossen. Ein ziemlich bieder anmutendes Weltbild, aber umso wirkungsvoller formuliert.
7/10
#1932
Geschrieben 06. September 2009, 10:55
A Bucket Of Blood (Das Vermächtnis des Professor Bondi) ~ USA 1959
Directed By: Roger Corman
Der unbeholfene Walter Paisley (Dick Miller) kellnert in einem schicken Kaffeehaus für brotlose Künstler und selbsternannte Existenzialisten, die sich dort den ganzen Tag über sinnentleerte Nichtigkeiten die Köpfe heiß reden und die Welt an sich vorbeilaufen lassen. Der allgemein belächelte Walter träumt davon, selbst zu diesen "erlesenen" Kreisen zu gehören. Dabei kommt ihm der Zufall zuhilfe: Als er unfällig den Kater sein Vermieterin (Myrtle Vail) erdolcht, packt er ihn kurzerhand in Ton ein, nennt das Ganze "Dead Cat" und verkauft es der Künstlerbaggage als seine erste Skulptur. Man ist gemeinhin begeistert, schreit nach mehr und bekommt solches: Ein übereifriger Rauschgiftfahnder (Bert Convy), der Walter des Heroinhandels überführen will, bekommt eine Bratpfanne über den Schädel gezogen und wird, von Ton umgeben, Walters nächste Plastik "Blood Victim". Die Leute, bis auf den Gastronom Leonard (Antony Carbone), der die Wahrheit kennt, sind von Walters mörderischem Schaffen derart angetan, dass unlängst die erste Vernissage ansteht...
Cormans bitterböse Satire rechnet mit all jenen bohémiens dieser Welt ab, die klug klingendes Geschwafel und Prätention mit Geschmack und Ästhetik verwechseln und folglich zumeist und zu recht in der Gosse der Mittelmäßigkeit zu verbleiben haben. Nicht selten nimmt der Film kleine, entlarvende Dialoge der flott gewandeten Arroganzia wie beiläufig mit, beömmelt sich schier über all die Barett- und Baskenmützenträger und gibt den großen Zampano des Cafés, den unentwegt hülsenlos daherschwätzenden Maxwell H. Brock (Julian Burton), einer schier erröten machenden Lächerlichkeit preis. Doch natürlich darf der sanfte Exploitation-Charakter des Films nicht zu kurz kommen: Walter Paisley, armer Tropf in noch ärmerer Umwelt, dessen echte Tragik sich darin findet, dass er die Zugehörigkeit zu einer vermeintlich exklusiven Subkultur sucht, die außer sich selbst nichts toleriert, wird vom Mörder wder Willen zum passionierten Serienkiller. Das ewige Corman- und Schüler-Faktotum Dick Miller ist hier in seiner vermutlich einzigen echten Hauptrolle zu sehen und trägt nebenbei einen Namen, der bis in die Gegenwart immer wieder in Filmen auftaucht. Obskur die verlängerte deutsche Fassung: Um den Film auf ein "kinotauglicheres" Maß auszudehnen, drehte der deutsche Verleih Mercator-Film einen eigenen Prolog, der auch die titelmäßige Anbindung an "House Of Wax" / "Das Kabinett des Professor Bondi" erläutern soll: Professor Bondi hat den Sturz in den Heißwachsbottich noch entstellter als zuvor überlebt und lässt seinem letzten Verwandten, Walter (der in der Synchronfassung natürlich mit Nachnamen "Bondi" heißt) das "Geheimnis seines Erfolges". Eine schön blödsinnige Prä-Titel-Sequenz, die auf der neuen Anolis-DVD bestaunt, nach jeweiligem Gutdünken aber auch einfach übersprungen werden kann. Corman hätte als ein Filmemacher der Eventualitäten bestimmt nichts gegen diese Flickwerk-Praxis und spaßig, wenn auch gewissermaßen entstellend, ist sie allemal.
8/10
#1933
Geschrieben 07. September 2009, 13:40
The Wrestler ~ USA/F 2008
Directed By: Darren Aronofsky
Der alternde Wrestler Randy "The Ram" Robinson (Mickey Rourke) ist zwar noch bei seinen Stammfans beliebt, genießt jedoch längst nicht mehr den Ruhm vergangener Tage. Als er nach einer besonders blutigen Show eine Herzattacke erleidet, entschließt er sich, der ebenfalls nicht mehr ganz taufrischen Stripperin Cassidy (Marisa Tomei) seine Gefühle zu gestehen und seine von ihm über Jahre vernachlässigte Tochter (Evan Rachel Wood) um Verzeihung zu bitten. Frustriert muss er feststellen, dass es für die geplante, radikale Änderung seines Lebenswandels jedoch längst viel zu spät ist.
Wenn ein Film so flächendeckend euphorisch auf- und angenommen wird wie "The Wrestler", ist es nicht einfach, sich dem persönlichen Premieren-Erlebnis auch nur halbwegs neutral zu stellen, geschweige denn, bei der anschließenden Bewertung Unvoreingenommenheit zu üben. Im Gegenteil fühlt man sich vielmehr versucht, nach all dem positiven Echo gleich eher nach Negativfacetten Ausschau zu halten und Gründe dafür zu suchen, dass und warum die eigenen Eindrücke sich von denen der Allgemeinheit abheben könnten. Soweit mein persönlicher Fluch, einer irrationalen, emotionalen, vielleicht dummen Befangenheit entstammend.
Ich bin mir sicher, dass, hätte ich "The Wrestler" gesehen, ohne zuvor auch nur eine Äußerung zu ihm gelesen zu haben, ich schwer begeistert gewesen wäre - so kann ich mir zumindest eine rosige Zufriedenheit unterstellen, die mit künftigen Betrachtungen hoffentlich so wächst, wie es der Film verdient und nicht jene merkwürdige Subebene meines Egos. Als langjähriger Verehrer von Mickey Rourke und dem, was er vor 20 Jahren einmal repräsentierte, kann ich den Film jedenfalls nur als großes Geschenk bezeichnen, für den Darsteller und für mich selbst. Die ihm innewohnende Melancholie und Tragik ist gigantisch, die Lebenserkenntnis, ab einer gewissen Altersstufe in vielerlei Hinsicht keine freie wählbare Entscheidungsgewalt mehr zu besitzen, so ernüchternd wie erschreckend. Vieles ist goldrichtig an dem Film; seine Ungeschöntheit, sein Realismus, sein Dokumentarismus, sein Mut zu ungeschminkter Porentiefe. Der einzige Störfaktor ist einer, für den der Film nichts kann, sondern die ihn umgebende Kultur: Die Revitalisierung Totgeglaubter wird langsam aber sicher zur Masche. Das offene Ende sowie die unterschiedlichen Optionen des Geschichtenfortlaufs gleichen dabei sowohl einem Stich ins Herz wie einem feisten Triumph. Nur eins ist abschließend definitiv: The Ram bleibt echt.
8/10
#1934
Geschrieben 07. September 2009, 14:02
The Culpepper Cattle Co. (Greenhorn) ~ USA 1972
Directed By: Dick Richards
Der junge Texaner Ben (Gary Grimes) schließt sich einem Viehtreck nach Colorado an, den der Rancher Frank Culpepper (Billy Green Bush) organisiert. Ben darf als Gehilfe des Kochs (Raymond Guth) fungieren. Aufgrund seiner jugendlichen Naivität vergeigt Ben einige ihm auferlegte Aufgaben und muss zudem lernen, dass der Beruf des Cowboys alles andere als romantisch ist: Vieh- und Pferdediebe, gierige Großrancher und nicht zuletzt die Egozentrik der Menschen, mit denen Ben reist, verleiden ihm schlussendlich die eingeschlagene Laufbahn.
"The Culpepper Cattle Co." passte unvorhergesehen gut zum zuvor gesehenen "The Wrestler": Die Modifikation des Lebensentwurfs ist hier noch steuerbar, weil nach den zumal im Teenageralter gemachten Erfahrungen lediglich Verbitterung und die Abkehr von der Waffe bleiben. Selbst die angeblich so gottesfürchtigen, stets den "Weisungen des Herrn" gehorchenden Sektierer, denen Ben gegen Ende begegnet und denen er, im Gegensatz zu seinem Boss Culpepper, bei ihrer hilflos-passiven Landnahme beisteht, erweisen sich nach dem Geruch von Pulverdampf und Blut als höchst bigottes Völkchen, dass lieber die Beine in die Hand nimmt als neben einem Friedhof zu hausen. In "The Culpepper Cattle Co." wird zuerst geschossen, und dann gefragt. Dazwischen liegen nämlich wertvolle Sekunden, die ebensogut das eigene Ende bedeuten können.
Selbst zu Beginn der Siebziger gab es bereits Regisseure, die aus der Werbung kamen - so auch Dick Richards, der sich für seinen Kinoeinstand mit dem noch unstrapazierten Thema des Jungcowboytums zu befassen gedachte. Dabei kann man ihm nachhaltigen Erfolg attestieren. Wo andere, vielleicht arriviertere Filmemacher ein gewaltiges Dreistunden-Epos aus der Erde gestampft hätten, präsentiert sich Richards als konziliant genug, die Story auf runde 90 Kernminuten zu beschränken, seinem Publikum eine gewisse Genrekompetenz zu unterstellen (ein "Red River" - Zitat etwa ist höchst offensichtlich, andere bleiben subtiler) und sich dank dieser auf die Betonung von Aktionshöhepunkten zu konzentrieren. Überhaupt ist 'Konzentration' das Stichwort dieses bewusst naturalistisch und dennoch empathisch angelegten Western bar jedweden Pathos oder aufgesetzten Heldentums.
8/10
#1935
Geschrieben 08. September 2009, 14:40
Chariots Of Fire (Die Stunde des Siegers) ~ UK 1981
Directed By: Hugh Hudson
Die britische Läufer-Équipe bereitet sich im Frühjahr 1924 auf die Olympischen Spiele in Paris vor. Allesamt Individualisten, stechen besonders der strenggläubige Christ Eric Liddell (Ian Charleson) und der Jude Harold Abrahams (Ben Cross) aus dem Team heraus. Der aus Schottland stammende und von den Engländern geflissentlich bewlächelte Liddell weigert sich, an den für einen Sonntag angesetzten Vorläufen teilzunehmen, Abrahams kämpft mit dem ihm entgegen schlagenden, alltäglichen, unterschwelligen Antisemitismus sowie seinem eigenen Ehrgeiz.
Hugh Hudson kultivierte in der ersten Hälfte der achtziger Jahre eine neue Form der british stiffness, machte vorzügliches Einzelgänger- und Heldenkino mit zutiefst englischer Gesinnung ohne wie seine Zeitgenossen und Nachfolger auf die landeseigene Prosa von E.M. Forster und Jane Austen zurückgreifen zu müssen. "Chariots Of Fire", dessen große kulturelle Tragik wohl darin besteht, dass seine Titelmusik von Vangelis wesentlich populärer ist als der Film selbst, bietet ansonsten angenehm verhaltenes Sportlerkino ohne große dramatische Einwürfe, eine kleine patriotische Geschichte athletischer Höchstleistungen, die neben dem unbändigen Siegeswillen ihrer Protagonisten sicher auch auf das glückliche Zufallsmoment zurückzuführen sind. Es passiert nicht viel. Die jungen Männer trainieren, bezeugen ihren Respekt untereinander, trainieren erneut, und bleiben im Herzen doch Konkurrenten im Kampf um die Medaille. Der richtige Film zum Fünf-Uhr-Tee, bestimmt noch wohlschmeckender bei Cheddar Cheese on Toast.
7/10
#1936
Geschrieben 08. September 2009, 14:55
The Anderson Tapes (Der Anderson-Clan) ~ USA 1971
Directed By: Sidney Lumet
Duke Anderson (Sean Connery) kommt, mitnichten geläutert, nach zehneinhalb Jahren aus dem Kittchen und sieht sich sogleich nach der nächsten Coup-Möglichkeit um. Seine Geliebte Ingrid (Dyan Cannon) lässt sich mittlerweile von einem reichen Exzentriker (Richard B. Schull) aushalten und bewohnt ein nobles Appartement in einem Haus voller wohlhabender Snobs. Just dieses Haus plant Anderson auszurauben, die Wohnungseigentümer um sämtliche Wertgegenstände zu erleichtern und diese dann über seinen Freund, den tuckigen Antiquitätenhändler Haskins (Martin Balsam), abzusetzen. Doch wie ihn ein bekannter Mafioso (Alan King) sogleich warnt: Die Welt ist nicht mehr dieselbe wie vor zehn Jahren...
Das meiste, was Lumet anfasst, ist Gold wert, so auch dieser lakonisch-coole Bruch-Thriller, der etwas mit dem Paranoia-Gestus der frühen Siebziger flirtet - dies jedoch weniger erfolgreich. "The Anderson Tapes" endet leider recht konfus und man weiß nicht, ob die titelgebenden Bänder, die Ingrids eifersüchtiger Gönner mitgeschnitten hat (sowie deren Entsprechungen, die eine Riesenkette illegaler Abhöraktionen aufdecken), Anderson nun die Chance zur Rehabilitierung offenbaren. Man weiß noch nicht einmal, ob Anderson das Fiasko überhaupt überlebt. Bis auf diese letzten, inkonsistenten drei Minuten ist der Film aber klasse. Kein Wort zuviel, keine Geste überflüssig. Der Humor ist so trocken, dass er schon staubt. Ganz herrlich der unumgängliche Vergleich mit Peckinpahs "The Getaway": Die Szene, in der Doc McCoy seinen ersten Liebesakt mit seiner Frau Carol nach langem Gefängnisaufenthalt begeht, wird von Peckinpah blendend in möglichst romantischer, kunstvoller Weise zelebriert. Bei Duke Anderson heißt es kurzum "Ach, Scheiße", und los geht's. Dass hier nebenbei der junge Christopher Walken in seinem Spielfilmdebüt zu erleben ist und gleich das bekannte Charisma versprüht, markiert da noch das Sahnehäubchen.
8/10
#1937
Geschrieben 10. September 2009, 15:43
The Fall ~ USA/UK/IN 2006
Directed By: Tarsem Singh
Im Los Angeles der 1920er landet der lebensüberdrüssige Stuntman Roy Walker (Lee Pace) nach einem Arbeitsunfall im Krankenhaus. Seine kleine Mitpatientin, die fünfjährige Alexandria (Catinca Untaru), schließt bald Freundschaft mit ihm. Roy erzählt ihr eine märchenhafte Geschichte, deren Ausgang er Alexandria jedoch nur verraten will im Gegenzug für die Beschaffung von Morphium, mittels dessen sich der Depressive endgültig das Leben nehmen möchte.
Tarsems Film hatte mich ziemlich schnell in seiner fest zupackenden Hand, die Bilder von einer ausdrucksvollen Klarheit, die lebensbejahende Geschichte, vollgepfropft mit Geist und verarbeiteter Beobachtungsgabe. Zwar sind die philosophischen Gedanken des Films keine revolutionären, die Art und Weise ihres Vortrags jedoch ist nah daran. Jeder Mensch sei ein losgelöstes Universum, berichtet "The Fall", und lässt den liebeskranken Stuntman eine Wildwest-Geschichte erzählen, die im Kopf des kleinen Mädchens zu einer eigenartig-exotischen Märchenbuchstory gerinnt. Aus Worten werden höchstpersönliche Bilder geformt, das Wesen aller Medienrezeption. Dann findet man noch eine Liebeserklärung an die frühen Tage des Kinos und überhaupt an die Leinwand, die Heilsam- und Lustbarkeit, die Film mitbringen kann, wenn es ihm gestattet ist. Das alles eingebettet in world cinema von den wahrscheinlich mit schönsten Plätzen der Welt, Staunen machend und vielleicht etwas verlogen, aber nur etwas, weil die Kamera lügt - Himmel, so möchte man meinen, kann nicht so blau sein, Sand nicht so beige, Metall nicht so golden und Wasser nicht so klar. Oder doch? Egal, ist sowieso alles Traum in "The Fall".
9/10
#1938
Geschrieben 10. September 2009, 15:59
Pursued (Verfolgt) ~ USA 1947
Directed By: Raoul Walsh
Jeb Rand (Robert Mitchum) wächst bei der Witwe Callum (Judith Anderson) auf. An seine kleindkindliche Vorgeschichte erinnert er sich nicht; alles daraus ist hinter einem amnesischen Schleier verborgen, der nur selten von verblassenden, inneren Bildern blitzender Sporen, lauter Stiefel und Feuerdampfs durchbrochen wird. Der Schwager seiner Ziehmutter, Grant Callum (Dean Jagger), hat offenbar große Angst vor Jeb, denn Grant versucht mit allen Mitteln, seine Stieffamilie und jeden sonst gegen ihn aufzuhetzen. Welches Geheimnis liegt wirklich in Jebs Vergangenheit begraben?
Nachdem Hitchcock die Psychoanalyse in den Thriller Einzug halten ließ (s. "Spellbound"), wagte Walsh den Vorstoß, den ersten von Freud und Jung inspirierten Western auf den Weg zu bringen. Zwar werden psychologische Themen wie Traumdeutung, Regression und Schlüsselreize noch etwas hemdsärmelig in das Genre eingeführt, dennoch darf schon der Vorstoß selbst, jene junge Wissenschaft in ein klassisches Unterhaltungsmedium zu überführen, als kleine Revolution gewertet werden. Überhaupt ist "Pursued" seiner angestammten Gattung in mehrerlei Hinsicht untreu; Licht und Schatten spielen eine übergeordnete Rolle, Walsh zieht diverse aus dem film noir bekannte Elemente hinzu. Das Beziehungsthema zwischen Mitchum und Teresa Wright, und im Prinzip noch mehr jenes totgeschwiegene um Mutter Callum überschatten sämtliche anderen, selbst die Männerfehde muss dahinter zurückstehen. Da wird dann auch rasch die Verwandtschaft zu King Vidors "Duel In The Sun" öffentlich, die bereits die jeweilige Nennung des Scriptautors Niven Bush suggeriert. Trotz der stilistischen Divergenzen ist der gemeinsame Ursprung unleugbar.
8/10
#1939
Geschrieben 11. September 2009, 13:53
Per Qualche Dollaro In Più (Für ein paar Dollar mehr) ~ I/E/BRD 1965
Directed By: Sergio Leone
Die Kopfgeldjäger Douglas Mortimer (Lee Van Cleef) und Monco, zwei absolute Profis ihres Fachs, laufen sich bei der Jagd nach dem gefürchteten mexikanischen Gangster El Indio (Gian Maria Volonté) über den Weg. Mortimer hat zudem noch eine private Rechnung mit Indio offen. Nach gegenseitigem Beschnuppern einigt man sich dann zur Zusammenarbeit, die unter anderem die Infiltration der Halunkenbande vorsieht. Doch Indio lässt sich nicht so leicht übers Ohr hauen wie vermutet.
Zwischen "Per Un Pugno Di Dollari" und dem vorliegenden Mittelteil der später gern als solche bezeichneten "Dollar-Trilogie" ist bereits ein Quantensprung bezüglich Leones Arbeitsweise vernehmbar. Schon hier ist eine Hinwendung zum Epischen eklatant, schon hier werden nach Eastwoods ungeschlagener Soloarie im Vorgängerfilm zwei gleichberechtigte Protagonisten etabliert (zählt man noch Volonté dazu, wären es derer gar drei). Zudem zerfällt "Dollaro" wie alle Leone-Filme danach in jene charakteristische Momente, die von vornherein so konzipiert sind, dass sie in den Köpfen des Publikums haften bleiben und sich dann später erst zum eigentlichen Gesamtbild aufsummieren lassen. Dazu zählen Szenen wie Van Cleefs erste Erschießung eines "Klienten" mit seinem spektakulären Kolbenrevolver, der mexikanische Junge in El Paso, der sich von Monco für Neuigkeiten bezahlen lässt, Indios wahnsinniges Gelächter, die immer schneller werdende Gegenschnittmontage zwischen Kortimers Gesicht und Indios Steckbrief oder Mortimer, wie er sich an Kinskis (künstlichem) Buckel ein Streichholz anzündet. Ein Auftürmen grandioser inszenatorischer Kabinettstückchen, die eine eindrucksvolle Beweislast dafür liefern, warum Leone mit weitem Abschlag als Vorreiter des italienischen Western gefeiert werden muss.
9/10
#1940
Geschrieben 11. September 2009, 14:09
The Walker ~ USA/UK 2007
Directed By: Paul Schrader
Carter Page III (Woody Harrelson) verdingt sich als Gigolo in Washington D.C.. Die wohlhabende politische upper class erklärt den so geistreichen wie erzschwulen Salonlöwen zu everybody's darling. Hier tritt er zur wöchentlichen Canasta-Runde an, dort berät er seine Freundin Abby (Lily Tomlin) beim Teppichkauf. Als er die Senatorengattin Lynn (Kristin Scott Thomas) zu einem Techtelmechtel chauffiert, sieht er sich bald unter Mordverdacht: Lynns Liebhaber (Steven Hartley) wird von ihr erschossen in seiner Wohnung aufgefunden. Jedoch kann Lynn das niemandem erzählen, ansonsten würde ihre Affäre publik. Zusammen mit seinem Lebensgefährten Emek (Moritz Bleibtreu) fischt Carter fortan als Amateurdetektiv im Trüben und sieht sich nicht nur allgemein diskreditiert, sondern zudem nachhaltig bedroht.
Ein recht dünner Schrader, für des Autors Verhältnisse fast erschreckend anämisch, allzu beiläufig, zu desinteressiert, zu zahnlos. Im Prinzip bewegt sich "The Walker" auf demselben Oberflächenniveau wie seinerzeit der thematisch eng verwandte "American Gigolo". Allerdings konnte dieser dem Druck der Jahre recht wirksam als Epochenporträt standhalten, während "The Walker" in Schraders Schaffen auf einen Fußnotenstatus beschränkt bleiben wird.
Schrader selbst sagt, dass er den Lonertypus seit "Taxi Driver" in regelmäßigen Abständen immer wieder hervorzaubert, kultiviert und mehr und mehr sein Inneres nach außen kehren lässt; die Crux dabei liegt allerdings darin, dass man mit jedem weiteren Film den sukzessiven Eindruck erhält, über jenen Einzelgänger sei längst alles gesagt und alles bekannt. Rein darstellerisch ist der Film mit seiner illustren Besetzung recht wacker, selbst Bleibtreu schlägt sich in seiner verhältnismäßig albernen Rolle ganz gut im internationalen Vergleich. Doch wo bleiben der inszenatorische Mut und das latente Mysterium aus Filmen wie "Blue Collar", "Affliction" oder zuletzt noch "Auto Focus"? Hoffentlich sind sie nicht ein für allemal gestrichen.
5/10
#1941
Geschrieben 12. September 2009, 07:27
The Grass Is Greener (Vor Hausfreunden wird gewarnt) ~ UK 1960
Directed By: Stanley Donen
Der finanziell angeschlagene englische Earl Victor Ryhall (Cary Grant) kann seinen prachtvollen Landsitz nurmehr halten, weil er selbigen als Museum an gaffende Touristen aus Übersee verhökert und weil seine geliebte Frau Hillary (Deborah Kerr) sich im Garten in der Champignonzucht übt. Als eines Tages der schwerreiche Amerikaner Charles Delacro (Robert Mitchum) in Hillarys Privatgemächer platzt, ist es sogleich um die britische Lady geschehen: 20 Minuten später erfolgt der erste Kuss, eine Woche darauf landet sie mit Delacro in den Federn. Victor, der Hillarys Seitensprung zähneknirschend zur Kenntnis nimmt, jedoch keinesfalls bereit ist, seine Frau aufzugeben, schmiedet mit der etwas wackligen Unterstützung der Hausfreundin Hattie (Jean Simmons) einen waghalsigen Plan für Hillarys Rückkehr.
Für diese herrlich-spritzige "Stand-by-your-man"-Komödie kehrte Cary Grant in das Land seiner Väter zurück und gab in der mittleren von drei Komödien mit Regisseur Donen (die sich jeweils immer besser gerierten) einen traditionsbewussten, jedoch keinesfalls versteiften Briten, der sich nicht nur einmal am Telefon als sein jüngeres amerikanisches "Pendant" Rock Hudson ausgeben, sondern zudem mit dem durch und durch amerikanischen Mitchum um die Liebe seiner Gattin Deborah Kerr konkurrieren muss (witzigerweise hatten beide Darsteller sie schon zuvor als Partnerin in Romantikschnulzen und galten somit als jeweils Kerr-proof - Grundvoraussetzung für eine spannende Entwicklung). Jene wird allerdings - so mein bescheidener Eindruck - locker von der reizenden Jean Simmons in die Tasche gesteckt, die nicht nur hübsch verrückt durch Grants Schlösschen hüpft und die Gratwanderung zwischen Intriganz und Unterstützung meisterlich vollzieht, sondern zudem noch einen Schnapper nach dem anderen süppelt (wie überhaupt in "The Grass Is Greener" eine Menge Alkohol verköstigt wird; zu jeder sich bietenden Gelegenheit quasi, und das sind bekanntlich alle). Ich hätte mich unverhohlen für die Simmons entschieden - übrigens die einzige dieses überaus charmanten Darstellerquartetts, die heute noch lebt.
8/10
#1942
Geschrieben 12. September 2009, 12:24
Nightmare (Der Satan mit den langen Wimpern) ~ UK 1964
Directed By: Freddie Francis
Die siebzehnjährige Janet (Jennie Linden) hat furchtbare Angst, nach ihrer Mutter (Isla Cameron) zu kommen und dem Wahnsinn zu verfallen, seit sie als Kind mit ansehen musste, wie die Mama den Papa erdolcht hat und daraufhin in eine nahegelegene Nervenheilanstalt eingeliefert wurde. Diesen Umstand machen sich Henry Baxter (David Knight), der Verwalter von Janets Hab und Gut, und seine Geliebte Grace (Moira Redmond) zunutze, um gleich zwei teuflische Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und sowohl Davids Frau (Clytie Jessop) als auch Janet aus dem Weg zu drapieren. Doch rechnen sie nicht damit, dass selbst die Ahnunngslose noch über einige treue Freunde verfügt...
Seit "Gaslight" zählen Filme, in denen eine oder mehrere sinistre Personen versuchen, eine ohnehin labile Dame aus dem psychischen Gleichgewicht zu bringen, um an ihr zumeist beträchtliches Vermögen zu gelangen oder sie aus anderweitigen Gründen aus der Bahn zu werfen, zum festen Inventar des gotischen Thrillers bzw. Horrorfilms. Zu erklären ist die Popularität dieses Topos vielleicht durch den Verzicht auf übernatürliche Elemente unter dennoch trutzigem Einsatz der parallelen Möglichkeiten typischer Gruselmotive, als da wären das Spiel mit Schatten und Dunkelheit und, ganz klassisch, wehende Vorhänge, quietschende Türen und (gespielte) geisterhafte Schemen, Gestalten und Doppelgänger.
Die Hammer hat sich dieses Themas ebenfalls mehrfach angenommen (s. auch "Taste Of Fear"; im Falle "Nightmare" zufälligerweise im selben Jahr, in dem sich auch Aldrich mit "Hush... Hush, Sweet Charlotte" damit befasste) und es ist bis heute nicht aus dem basalen Subgenre-Fundament fortzudenken. Der Erfolg dieser an sich stets bloß minimal variierten Geschichten hängt somit jeweils von ihrer formalen Umsetzung ab. Bei "Nightmare" war der große Schwarzweiß-Ästhet Freddie Francis federführend, der über entsprechendes Know-how verfügte und entsprechend grauslige Momente einzubauen verstand. Interessant ist, welches Ausmaß an Erfahrung und Kompetenz "Nightmare" seinen Zuschauern bereits zu seinem verhältnismäßig frühen Entstehunpszeitpunkt anheim stellt. Die anfangs etwas ungelenk wirkende Erzählung verzichtet auf jede Form dramaturgischen Ballasts, macht keinen Hehl aus dem gewöhnlich so groß aufgezogenen Plottwist und konzentriert sich ganz auf ihre verbleibenden Optionen, die eben zum Großteil auf technische Gewandtheiten rekurrieren. Das ergibt einen schönen, kleinen Schocker mit etwas aufgesetztem happy end.
7/10
#1943
Geschrieben 13. September 2009, 07:03
Der Kaiser von Kalifornien ~ D 1936
Directed By: Luis Trenker
1834: Der Drucker Johann August Sutter (Luis Trenker) flieht in die USA, nachdem er in seinem Schwyzer Dörfli wegen der Verbreitung subversiver Flugblätter verfolgt wird. In der Neuen Welt angekommen, tritt er nach einiger Zeit eine entbehrliche Reise gen Pazifikküste an, tut sich mit dem vormaligen Trekführer Marshall (Reginald Pasch) zusammen und macht mittels harter Arbeit das gesamte Sacramento-Tal urbar, kolonisiert es, bekommt es vom Staat überschrieben und holt dann schließlich Familie aus der Schweiz nach. Doch der Goldrausch macht ihm einen Strich durch die Rechnung: Sutter wird von einer Flut von Goldsuchern überrannt und enteignet, seine zwei Söhne (Werner Kunig, Karli Zwingmann) ermordet. Die Gerichte begnügen sich mit einem Rechtsspruch "pro forma", der Sutter schließlich als verarmten und einsamen Menschen zurücklässt. Immerhin darf er versichert sein, am Fundament der Zivilisation entscheidend mitgearbeitet zu haben.
"Der Kaiser von Kalifornien" ist von zweierlei Warte aus zu bewerten: Zum einen als ehrgeiziger, formal beeindruckender deutscher Beitrag zum Westerngenre, der von vielen Kennern bis heute zugleich als deren bester betrachtet wird, zum anderen als pathetisches Heldenepos von geradezu verlogener Geschichtskittung.
Trenker hatte, so behautet er in seinen Memoiren, Goebbels' Angebot zur Realisierung der "Olympia"-Dokumentation ausgeschlagen und stattdessen der Riefenstahl überlassen, um stattdessen nach Amerika gehen zu können und sein Sutter-Epos realisieren zu können, mit nur einem Fünftel des zuvor veranschlagten Budgets. Der Western war um diese Zeit noch längst nicht so gediehen, wie zehn oder zwanzig Jahre später; große Namen wie Ford und Walsh waren zwar präsent und auch aktiv, ihre Hauptwerke jedoch sollten erst noch folgen. Als maßstäbliche Werke des Tonfilms können bis dahin "The Virginian" und "The Big Trail" firmieren. Im Vergleich zu dem, was also ansonsten während dieser Zeit entstand, ist Trenkers Film mit ausladenden Bildern von der Mojave-Wüste, dem Grand Canyon, riesigen Weizenfeldern und Orangenhainen durchaus beeindruckend. Wie er jedoch den keineswegs so heldenhaften Sutter heroisiert, das steht schon eher in der üblen Tradition verlogener deutscher Historienfeuerwerke wie des späteren "Kolberg" und Trenkers eigenem "Condottieri". Sutter war keineswegs, wie im Film dargestellt, ein politischer Flüchtling, sondern ging schlicht pleite und überließ Frau und Kinder der Fürsorge, um in Amerika zu neuem Geld zu kommen. In Kalifornien verscheuchte er mit Legitimation der Mexikaner ersteinmal die ortsansässigen Indianer von "seinem" Land (im Film wird er als guter Freund des Roten Mannes verklärt), um sich dort sodann zum Mini-Despoten aufzuschwingen (daher auch die tatsächlich gebräuchliche "Kaiser"-Titulierung). Der von Trenker so hoch besungene Pioniergeist Sutters war also keinesfalls so unproblematisch, wie er sich hier präsentiert. Nun wäre es jedoch unfair, dies dem Film zum ausschließlichen Vorwurf zu machen, dann müsste man konsequenterweise auch die Hälfte aller US-Western zum Teufel jagen. Was mich tatsächlich an "Der Kaiser von Kalifornien" stört, ist Trenkers Person selbst. Zwar war er nicht gerade Goebbels Busenfreund, doch hatte er immer wieder versucht, sich mit dem Regime zu arrangieren um weiter innerhalb der Reichsgrenzen Filme realisieren zu können. Hinzu kam, dass er seinen erzkatholischen Glauben in jedem seiner Filme sozusagen als zusätzlichen Butterbrotaufstrich zu kultivieren pflegte. Sein beites, stolzes und siegesgewisses Lächeln, dass er dann so gern in Großaufnahme zur Schau stellte, wirkt, etwas überspitzt formuliert, vor diesem Hintergrund wie eine grotesk verzerrte Fratze. Nee, da sind mir Pierre, Lex und das Wirtschaftswunder doch eindeutig lieber.
5/10
#1944
Geschrieben 13. September 2009, 13:57
Run For The Sun (Der Sonne entgegen) ~ USA 1956
Directed By: Roy Boulting
Die New Yorker Enthüllungsjournalisten Katie Connors (Jane Greer) macht den Aussteiger-Literaten Latimer (Richard Widmark) in Mexiko ausfindig, um später einen Bericht über ihn veröffentlichen zu können, von dem der Interviewte im Vorfeld allerdings nichts erfahren soll. Nachdem sie sich in ihn verliebt hat, verwirft sie den Auftrag, verrät Latimer allerdings auch nicht die Wahrheit. Sie willigt ein, sich von ihm in einer Sportmaschine nach Mexico City fliegen zu lassen, aufgrund eines dummen Faux-pas landen die beiden dann jedoch geradewegs im Urwald. Dort begegnen sie den beiden Archäologen Browne (Trevor Howard) und Van Andres (Peter van Eyck), die sich allerdings mitnichten als Forscher entpuppen, sondern als Naziexilanten mit scharfer Munition und noch schärferen Dobermännern, welche keinesfalls vorhaben, ihr Geheimnis mit der Welt zu teilen. Latimer und Katie fliehen durch den Dschungel, ihre beiden Häscher dicht auf den Fersen.
"Run For The Sun" nahm das aus "The Most Dangerous Game" bekannte Manhunt-Motiv wieder auf und ließ ein auf Irrwegen in der Einöde gestrandetes Pärchen vor nichts Gutes im Sinn führenden Menschenjägern und einer Meute Hunde durch urweltliche Szenerien flüchten. Selbst die phallischen Symbole aus Schoedsacks Film tauchen hier wieder auf, die einen bildlichen Potenzvergleich zwischen Held und Bösewicht ermöglichten, ohne vordergründig schlüpfrig zu erscheinen. Widmarks Waffe ist eine riesige Machete, die er unerklärlicherweise im Kampf gegen einen der Dobermänner nicht zu Hand hat, danach aber dann wieder einsetzt. Allerdings sind die Motive der Jäger in Boultings Film wesentlich andere: Hier geht es weder um Sport oder Passion noch ums Geschäft (wie später in den moderneren Nachzüglern "Surviving The Game" und "Hard Target"), sondern schlicht um die Angst vor Entdeckung und die Erwehrung der eigenen Haut. Zudem muss man Browne und Van Andres ziemliches Ungeschick bei ihren Methoden unterstellen; soll heißen: Die dramaturgische Konstruktion des Films ist bei Licht betrachtet vollkommen unglaubwürdig. Macht aber nichts, Boulting versteht es dafür umso mehr, mit Spannungs- und Aktionssequenzen zu arbeiten und sein Publikum mit Spektakulärem bei Laune zu halten. Eine finale Szene, in der Latimer seine Maskottchenkugel zweckentfremdet, ist jedenfalls ein hervorragendes Beispiel für gutes Timing und dabei noch nichtmal die einzige.
7/10
#1945
Geschrieben 14. September 2009, 11:52
Frost/Nixon ~ USA/UK 2008
Directed By: Ron Howard
Im Jahre 1977 überlegt sich der britischstämmige Talkmaster David Frost (Michael Sheen), durch eine kleine Interviewreihe mit dem Ex-Präsidenten Richard Nixon (Frank Langella) einen neuen Popularitätsschub in eigener Sache einzuleiten. Gegen die entsprechende Gage geht Nixon tatsächlich auf Frosts Einladung ein. Die vier Interviewtermine geraten zum zunehmend harten Rededuell, das seinen Höhepunkt in Nixons Eingeständnis des Volksbetrugs findet.
Der bezogen auf "seine" Themen und inszenatorisches Routinement durch und durch amerikanische Regisseur Ron Howard versuchte sich mit der Verfilmung der als in den Augen der Öffentlichkeit im positiven Sinne skandalös wahrgenommenen Frost-Nixon-Interviews an einem der größten Nationaltraumata des 20. Jahrhunderts, das, so zeigt der Begeisterungsgrad für den Film, noch lange nicht aus den Köpfen der Bevölkerung verschwunden ist. Das recht schnörkellos und eindeutig erfolgsorientiert verfasste Script muss(te) fraglos als eine Art Garant für weitflächigen Kritikererfolg gelten, denn so klug es geschrieben ist, so bombensicher und überraschungsfrei kommt es zugleich daher. Ein typischer Film für und von Howard ist da die logische Schlussfolge. Call it "Qualitätskino". Ob dies nun eher positiv oder negativ besetzt ist, liegt im Auge des Betrachters. Ich konnte es mir zu meinem Glück gut gefallen lassen.
8/10
#1946
Geschrieben 15. September 2009, 19:00
Il Buono, Il Brutto, Il Cattivo (Zwei glorreiche Halunken) ~ I/E/BRD 1966
Directed By: Sergio Leone
In den ersten Jahren des Sezessionskriegs - die Front verschiebt sich mehr und mehr gen Südwesten - jagen drei Glücksritter, der Blonde (Clint Eastwood), der Ganove Tuco (Eli Wallach) und der brutale Sentenza (Lee Van Cleef) in wechselnden Allianzen einem vergrabenen Goldschatz der Konföderierten hinterher.
Schrieb ich neulich nach der Betrachtung von "Per Qualche Dollaro In Più" noch, Leone habe im Vergleich zu seinem ersten Western einen Quantensprung vollzogen, so möchte ich in Bezug auf "Il Buono, Il Brutto, Il Cattivo" schon beinahe von der "Überwindung von Dimensionen" und so fort schwafeln. Das enge Korsett des Italowesterns wird hierin einer Form zugeführt, die den Traditionsverhaftungen des originären amerikanischen Genrefilms mindestens ebenbürtig sind; im Hinblick auf ihre künstlerische Natur und den damit eng verbundenen avantgardistischen Vorteil der territorialen und historischen Distanz zu Europa lässt Leone sogar die allermeisten US-Vorbilder hinter sich. Der Spaghettiwestern als schmutziger, kleiner Eurotrash, den er bis dato gemeinhin symbolisierte, weicht hier der breit und teuer ausgespielten Idee des Epos. Konkrete geschichtliche Bezüge (die Sibley-Offensive von '62), eine aufwändige Produktion sowie die Erzählzeit von knappen drei Stunden verleihen dem Film bereits ein unerwartetes Äußeres, hinzu kommt die gezielte Fortentwicklung von Leones fragmentarischem Stil der vorgeblichen Sequenzenbetonung. Der Film steckt voller oneliner, die jeweils noch mit Morricones selbst zum Klischee gewordenen Motiv unterstrichen werden und zu multilingualen volksmündlichen evergreens wurden; selbiges gilt für einzelne Bilder und Einstellungen. Ikonisch. Im Prinzip bedeutete dieser grell leuchtende Film damit auch zugleich das symbolische Ende des italienischen Western, denn wie sagt Eldon Tyrell doch so schön: "The light that burns twice as bright burns for half as long." Doch dann kam - 's ist uns wohlbekannt - erstmal "C'Era Una Volta Il West".
10/10
#1947
Geschrieben 17. September 2009, 13:50
Hang 'Em High (Hängt ihn höher) ~ USA 1968
Directed By: Ted Post
Jed Cooper (Clint Eastwood) hat soeben in Oklahoma eine kleine Rinderherde erworben. Er ahnt nicht, dass er einem Betrüger aufgesessen ist da wird er aus heiterem Himmel von einem plötzlich auftauchenden Lynchmob unter Vorsitz Captain Wilsons (Ed Begley) des Mordes an dem vormaligen Besitzer der Rinder sowie des Viehdiebstahls bezichtigt und aufgeknüpft. Im letzten Moment rettet ihm Marshall Bliss (Ben Johnson) das Leben und führt ihn Richter Fenton (Pat Hingle) vor, der Cooper freispricht und ihn sogar zum Marshall ernennt. Cooper sinnt auf Rache an seinen Fast-Mördern und begrüßt seinen neuen Posten. Doch seine Gegner, die bald von dem Effekt ihrer überstürzten und misslungenen Aktion erfahren, wollen Cooper nun endlich aus dem Weg räumen.
Der erste Western, den Eastwood ohne Poncho und auf originär amerikanischem Grund drehte. Immerhin das Zigarillo im Mundwinkel brachte er noch als Souvenir aus den Leone-Filmen mit. Dabei unterscheidet sich sein stoischer, wortkarger und schlitzäugig dreinblickender Charakter kaum von jenen, die er zuvor in Italien darzustellen hatte; ein harter Hund ist dieser Jed Cooper ebenfalls und auch er fackelt nicht lang, wenn es um die Durchsetzung persönlicher Belange geht. Der TV-Regisseur Post inszeniert seinen Film ganz unverhohlen inspiriert von der noch jungen mediterranen Tradition, macht von Zooms und close-ups Gebrauch, wählt teilweise lange Szenenwechsel als arbeite er wiederum fürs Fernsehen und habe an die Ansatzstellen für Werbeblöcke denken. Da er seine kleinen Stilbrüche jedoch nicht über die ganze Spielzeit durchhält, kann man wohl durchaus von technischer Spielerei sprechen.
"Hang 'Em High", der mit einer Reihe guter Darsteller in kleinen Rollen wie Dennis Hopper, L.Q. Jones oder dem erwähnten Ben Johnson besetzt ist, erscheint durch diese Formalia deutlich schmalbrüstiger als die letzten beiden Filme der "Dollar-Trilogie" und passt eher in die schmutzige Kerbe der vielen kleinen B-Western. Wobei dies von meiner Warte aus keinesfalls abwertend zu verstehen ist.
7/10
#1948
Geschrieben 17. September 2009, 14:12
Husbands And Wives (Ehemänner und Ehefrauen) ~ USA 1992
Directed By: Woody Allen
Jack (Sydney Pollack) und Sally (Judy Davis) offenbaren dem befreundeten Ehepaar Gabe (Woody Allen) und Judy (Mia Farrow), dass sie beabsichtigen, sich zu trennen. Während Sally und Jack nach kurzen Ausflügen in alternative Partnerschaften feststellen, dass sie niemanden mehr verdienen als ihren jeweiligen Expartner, müssen GJudy und Gabe nach Bilanzierung ihrer Ehe feststellen, dass eigentlich sie es sind, die an einer dauerhaften Trennung nicht vorbeikommen.
Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt - bei Woody Allen werden Phrasen wie diese zu Ansatzpunkten für lebensphilosophische Gedankenmanöver. Inmitten seines langwierigen und bekanntermaßen ziemlich unerfreulich verlaufenen Scheidungsprozesses verarbeitete Allen einmal mehr seine biographische Welt zu einem höchst persönlichen und intensiven Film. Dieser scheut ebensowenig den Humor wie er das Drama meidet, Allen selbst ist nicht und kann als Darsteller auch nie ganz ernst sein, geschweige denn, dass er auf seine intellektuellen Späße zwischen Byron und Shelley, Freud und Hitler, Kafka und Skaespeare verzichten würde. Insofern ist im Falle "Husbands And Wives" auch nicht mit tiefsinnig-schwerem Existenzialismus Marke Bergman zu rechnen. Den überlässt Allen nämlich sowieso nur jenen seiner Filme, in denen er nicht selbst mitspielt. Allerdings sind auch die Beziehungsklüfte, die kleinen Ehehöllen von denen Allen hier berichtet, nicht ganz ohne zwischenmenschlichen Sprengstoff; im Gegenteil liefert der Film eine sehr bittere Bestandsaufnahme der Institution Ehe und symbolisiert das ideale Anti-Empfehlungsschreiben für Unentschlossene.
Wer behauptet, Allen drehe immer wieder denselben Film, stellt damit übrigens nicht mehr unter Beweis als die eigene Unkenntnis. Allen kokettiert hier mit diversen Stilmitteln der nouvelle vague, bringt etliche jump cuts, pseudodokumentarische Aufnahmen, die insbesondere die Außenszenen wirken lassen, als seien sie geheime Mitschnitte intimer Treffen und setzt passend dazu dsie ganze Geschichte in einen Interview-Kontext, den Allen in der letzten Szene fast genervt abwürgt. Das Schönste daran aber und eben: Bei aller Tragik ist das ganze todwitzig.
9/10
#1949
Geschrieben 17. September 2009, 14:33
Cabaret ~ USA 1972
Directed By: Bob Fosse
Berlin, 1930: Brian Roberts (Michael York), Collegeprofessor für Englisch in spe, kommt in das Berlin der späten Weimarer Republik, lernt die lebenslustige amerikanische Sängerin Sally Bowles (Liza Minnelli) kennen, die im Kit-Kat-Club ihre Beine schwingt. Ihr gemeinsamer Freund, der Glücksritter Fritz (Fritz Wepper) verliebt sich unglücklich in eine reiche jüdische Erbin (Marisa Berenson). Als sich der reiche Blaublütige Max (Helmut Griem) zwischen Sally und Brian drängt, kommt es zu einer ménage-à-trois, die mit einer Schwangerschaft Sallys endet und einer verhängnisvollen Ungewissheit, wer der Vater des Kindes sein könnte. Derweil betreiben die Nazis auf den Straßen Berlins eine zunehmend aggressive - und erfolgreiche - Eigenwerbung...
Wundervolle Verfilmung des erfolgreichen Broadway-Musicals, in dem ebenfalls Joel Grey in seiner großen Paraderolle als der "master of ceremonies" auftrat. Leitmotivisch wird er von Fosse eingesetzt und ganz im Stile eines griechischen Chors immer wieder als Kommentator eingesetzt. Passend zum jeweiligen Kapitel singern er und/oder die Minnelli ihre Stücke, die, im Gegensatz zu anderen Musicals, jedoch nie den inhaltlichen Alltag infiltrieren, sondern stets Teil der Bühnenshow bleiben, was "Cabaret" einen deutlich handfesteren Realismus verleiht als den meisten seiner Artgenossen. Als Zeiptporträt, das den sektgeschwängerten Odem der letzten Tage vor der NS-Machtergreifung atmet, ist "Cabaret" vorzüglich gelungen, mit seinen modellhaften Schilderungen des faschistischen Bazillus und wie er auf die Bevölkerung übergreift, verrennt sich der Film jedoch die meiste Zeit, bleibt stückhafter Kintopp und bisweilen inkonsequent. Nur in wenigen Szenen, darunter eine auf einem ländlichen Gasthof spielende, in der ein Hitlerjunge mitsamt BDM-Anhang die (übrigens eigens für den Film geschriebene) Hymne "Heirat" mit schlussendlich erhobenem Handgruß schmettert, sowie das Schlussbild mit den Parteianhängern im Zerrspiegel, wissen wirklich zu beeindrucken. Auf rein ästhetischer Basis allerdings ist Fosse ein tadelloser, um nicht zu sagen exzellenter Film geglückt.
9/10
#1950
Geschrieben 18. September 2009, 13:47
Die tödliche Maria ~ D 1993
Directed By: Tom Tykwer
Maria (Nina Petri) lebt einzig für zwei Männer; ihren nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmten Vater (Josef Bierbichler) und ihren Mann Heinz (Péter Franke). Ihre Mutter ist bei Marias Geburt gestorben. Zeitlebens wohnt sie in denselben vier Wänden und tut nichts anderes als Hausarbeit, sowie Heinz und ihrem Vater den Arsch nachzutragen. Als sie auf ihren Nachbarn Dieter (Joachim Król) aufmerksam wird und bei ihm Gehör findet, beginnt Maria zum ersten Mal in ihrem Leben, eigene Entscheidungen zu treffen.
Tom Tykwer ist ein Regisseur, den ich schon immer sehr gemocht und geschätzt habe, zumal er mir auch vis-à-vis als grundsympathischer Mensch erscheint, der zudem einen erfrischend unverkrampften Zugang zu seiner Kunst gefunden hat. Anders als andere gegenwärtig aktive Filmemacher zitiert er seine Vorbilder, ohne sie bloß zu plagiieren oder sich dabei gar selbst eine unrechtmäßige Bedeutungsschwere zu verleihen. In "Die tödliche Maria", seinem Langfilmdebüt nach zwei Kurzfilmen, suchte und fand er seine Orientierungspunkte bei Polanskis Klaustrophobie-Dramen ("Repulsion" und "Le Locataire") und bei Cronenbergs organischem Horror, vermengte sie mit einer klassisch-deutschen Emanzipationsgeschichte und schuf dabei ein so eigenständiges wie respektables Werk, das im nationalen medialen Kontext zwischen Massenfraß wie "Manta, Manta" und "Der bewegte Mann" kläglich unterging, vielleicht sogar rechtens untergehen musste. Lange bevor es gängig wurde, arbeiteten Tykwer und sein ständiger Kameramann Frank Griebe mit Farbfiltern und Belichtungsvariationen, um Stimmungen zu erzeugen oder Tempuswechsel zu symbolisieren und schufen so eine bewusste Zeitlosigkeit. Die einzige, wenn auch seichte Orientierungsbasis, liefern die im Film vorkommenden Banknoten. Ansonsten ist "Die tödliche Maria" als (ein)druck(s)volle, allgemeingültige Schilderung eines Egoerwachens im Schatten lebenslanger häuslicher Repression, einer der besten und wichtigsten deutschen Filme der neunziger Jahre.
8/10
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