In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#391
Geschrieben 20. Juli 2006, 19:28
This Is Spinal Tap ~ USA 1984
Directed By: Rob Reiner
Die Hardrock-Band Spinal Tap (Michael McKean, Christopher Guest, Harry Shearer) wird während einer Tour von dem Dokumentarfilmer Marty DiBergi (Rob Reiner) ins Visier genommen und sieht sich dabei allerlei Verfänglichkeiten ausgesetzt.
Reiners immer wieder geniale Fakeumentary um die fiktive Rockband (die sich ja bald darauf verselbstständigt hat) bläht mit satirischen Mitteln so ziemlich jedes Klischee, dass diese Musikrichtung parat hält, zur absoluten Peinlichkeit auf. Die drei Jungs (von Drummer und Keyboarder mal gar nicht zu reden) sind im Laufe ihrer Karriere ganz selbstverständlich jeweils zur Hälfte größenwahnsinnig und bedeppert geworden und haben davon selbst nichts mitgekriegt. In ruckeligen Handycam-Bildern sehen wir unter anderem, wie sie Kompromisse bzgl. ihres jüngsten Plattencovers eingehen, diverse unglückliche Faux-Pas auf der Bühne erleben (ein wackerer Roadie ist zum Glück stets zur Stelle) und natürlich die Höhen und Tiefen des musikalischen Miteinanders durchwandern. Reiner nähert sich dabei der Musik allerdings nicht denunzierend, sondern mit der Liebe eines Kenners, denn als unbedarfter Laie dürfte man zahlreiche der Anspielungen gar nicht mitbekommen.
"This Is Spinal Tap" darf sich noch heute einer großen Anhängerschaft und Lachgemeinde erfreuen. Verdientermaßen.
9/10
#392
Geschrieben 20. Juli 2006, 22:59
Prince Of The City ~ USA 1981
Directed By: Sidney Lumet
Detective Ciello (Treat Williams) vom Rauschgiftdezernat wird vorgeladen, um vor einer Kommission zur Untersuchung der Korruption innerhalb der New Yorker Polizei auszusagen. Nach anfänglichem Zögern lässt er sich in einem Wechselbad der Emotionen mehr und mehr Informationen aus der Nase ziehen, nach Absolution heischend, vor dem Hass seiner Partner bibbernd.
Mein Gott. Ich hatte Lumets Film bisher einmal gesehen, das muss etwa 12 Jahre her sein. Jetzt ist mir klar, warum die nächste Sichtung so lang hat auf sich warten lassen: "Prince Of The City" zählt zum Brutalsten, was man sich in Erwartung eines guten Thrillers antun kann. Über 2 1/2 Stunden lang wird man Zeuge, wie ein Mann seine Ideale, seine Maximen, seine Integrität, seine sozialen Kontakte, ja, sein ganzes Leben opfert, nur, um nach Jahren der Amoral und Falschheit irgendwie wieder mit sich ins Reine zu kommen. Von einer materiell mehr als gesicherten Existenz erfolgt ein Abstieg in die Justizhölle, durch wechselnde Konstellationen von Anklägern, Staatsanwälten, FBI-Beamten. Stress, Depressionen bis hin zu physischem Raubbau sind die Folgen.
Lumet, ein ohnehin von mir hochgeschätzter Regisseur, der bereits mindestens vier Filme unter meinen Lieblingen plaziert, steigt gleich noch mehr in meiner Gunst. Mit "Prince Of The City" liefert er das Herzstück seiner New Yorker-Polizeitrilogie und einen der wichtigsten Beiträge überhaupt zum Thema Korruption. In aller Seelenruhe beschreibt er den Niedergang dieses Bemitleidenswerten, lässt sich seine ungeheuer komplexe Geschichte nicht überschlagen, sondern erzählt sie so facetten- und detailreich wie nur eben möglich. Dabei gibt es keine Sekunde Müßiggang, gleich zu Beginn packt der Film zu und lässt bis zum Ende nicht mehr los.
Treat Williams' Performance geht für mich ab sofort in den Olymp der Hauptrollen ein, wie überhaupt sämtliche Parts ohne Stars, aber mit beseeltem Fachpersonal besetzt sind.
Sollte ich irgendwann mal meinen persönlichen Filmkanon modifizieren, wird "Prince Of The City" in den oberen Rängen auftauchen (müssen), soviel ist klar.
Ein Meisterwerk im besten Wortsinn.
10/10
#393
Geschrieben 21. Juli 2006, 21:15
Streets Of Fire (Straßen in Flammen) ~ USA 1984
Directed By: Walter Hill
Tom Cody (Michael Paré) wird von seiner Schwester (Deborah Van Valkenburgh) zur Hilfe gerufen, weil die Bomber, eine hundsgemeine Rockergang, Codys alte Flamme Ellen Aim (Diane Lane), die jetzt eine erfolgreiche Popsängerin ist, entführt haben. Gegen ein stolzes Entgelt lässt sich Cody von Ellens Manager Billy Fish (Rick Moranis) engagieren, um Ellen rauszuhauen.
Ein hübsches Beispiel für Vergänglichkeit.
"Streets Of Fire" trägt den Untertitel "A Rock & Roll Fable" und damit ist im Grunde alles gesagt. Im Prinzip hat Hill mit diesem bewusst kitschigen Märchen Luhrmanns "Moulin Rouge" antizipiert, im neonglänzenden Gewand der 80er Jahre. Hills Fantasiestadt ist grau, verregnet und mit dampfenden Gullis und Leuchtreklamen bestückt. Die Popmusik von Ellen Aim, die sie nach eigener Aussage nur "besingt und nicht selbst schreibt" stammt unschwer erkennbar von Jim Steinman und gliedert sich hervorragend in den schwülstigen visuellen Pomp ein. Karossen und Polizeiuniformen jedoch haben sich in dieser 'city of industry' im Gegensatz zu vielem anderen seit den 50er Jahren nicht weiterentwickelt.
Im sonstigen, staubigen Oeuvre Walter Hills wirkt dieser Exot, der immerhin die üblichen kühlen Männlichkeitsrituale abfeiert (wobei Paré das Testosteronideal nur sehr schwachbrüstig ausfüllt), wie ein schillernder Paradiesvogel. Gleiches gilt für den Score von Ry Cooder, der selten poppig daherkommt. Es wäre interessant, zu erfahren, was die beiden harten Jungs ihrerzeit geritten hat, ein solch gestelztes Musical auf die Beine zu stellen. Und Willem Dafoe als Oberrocker Raven hat hoffentlich einen guten Humor, ansonsten dürfte er sich ziemlich erschrecken, wenn er sich in diesem 'Studioline-Look' mal zufällig im Fernsehen sieht.
Heute ist das ganze kaum mehr als eine unfreiwillige Komödie und immerhin noch als Zeitspiegel zu goutieren. Die deutsche 18er Freigabe war und ist der Witz des letzten Jahrhunderts.
5/10
#394
Geschrieben 22. Juli 2006, 12:52
The Duellists (Die Duellisten) ~ UK 1977
Directed By: Ridley Scott
Vor dem historischen Hintergrund der Napoleonischen Kriege begegnen sich in unregelmäßigen Abständen zwei französische Soldaten, der eine ein wendiger politischer Opportunist (Keith Carradine), der andere ein streitsuchender Fanatiker (Harvey Keitel). Letzterer findet immer wieder einen Grund, seinen Gegner zum Duell zu fordern, was dieser aus Gründen der Ehrenrettung auch annimmt. Keiner der beiden kann je einen eindeutigen Sieg verbuchen, bis es eines Tages zu einer entscheidenden Wendung kommt.
Ridley Scott beweist gleich mit seinem Langfilmdebüt, dass er ein ganz großer Stilist ist und inszeniert seine Geschichte in sepiafarbenen Gemälden, die an Caspar David Friedrich erinnern. Mit scheinbar stoischer Ruhe nimmt Scott sich der Short von Joseph Conrad an und fertigt daraus ein schichtenreiches kleines Kunstwerk, das für mich noch heute der beste Beweis ist, dass man für einen historisch gefärbten Film, selbst, wenn er sich so edel ausstellt, keinen übermäßigen Pomp und auch nicht das ganz große Geld benötigt. Scott dürfte fraglos auch ein Auge Richtung Kubricks "Barry Lyndon" geworfen haben, denn gewisse äußere Ähnlichkeiten sind kaum zu leugnen - auch wenn das eigentliche Sujet um Ehre, Auseinandersetzung und deren Motivationen ein anderes ist.
Bis heute kann sich der Regisseur glücklich schätzen, dass die ursprünglisch gewünschten Oliver Reed und Michael York der Produktion unpassend erschienen und er so auf Carradine und Keitel, die in den USA auf kleines Kino abonniert waren, zurückgreifen konnte. Keitel ist sowieso großartig wie immer und Carradine, den ich immer als sehr behaglichen Schauspieler (mit bei Bedarf abrufbarem, diabolischem Potential) empfunden habe, bringt genau diese Gelassenheit in seine Rolle ein.
Ein feiner Film, den man sich am besten bei Kerzenlicht und einem guten Médoc kredenzen sollte.
9/10
#395
Geschrieben 23. Juli 2006, 23:43
Shakedown (Blue Jean Cop) ~USA 1988
Directed By: James Glickenhaus
Idealistischer Anwalt (Peter Weller) und zynischer Polizist (Sam Elliot) befreien New York von einigem Abschaum, als da wären: Korrupte Bullen, Drogendealer und deren Handlanger.
Glickenhaus' saucooles Buddy-Movie wirkt manchmal wie eine Proletenversion von Lumets Polizeikino. Außerdem ist es ein leider vergessenes Genre-Juwel, das mit seinem gar nicht mal unintelligenten Plot zahlreiche verwandte Filme aus derselben Phase in den Schatten stellt. Elliott, der als unkonventioneller Cop Richie Marks in einem 24h-Kino am Times Square haust, in dem rein zufällig die beiden Glickenhaus-Filme "Exterminator" und "The Soldier" als Endlosschleife laufen, hätte das Zeug zu einer Action-Ikone gehabt. Was der, respektive sein Stuntman, hier an Kunststückchen zur Schau stellt, würde selbst einem James Bond noch Respekt abnötigen. Insbesondere die letzte Szene ist so dermaßen übertrieben, dass man sie nur lieben kann.
Schön auch, dass Glickenhaus trotz einiger Mäßigung noch einen erkennbar langen Weg zur p.c. vor sich hat, denn es werden einige Finstermänner doch recht übel abserviert. Besonders erwähnenswert in diesem Zusammenhang eine Sequenz auf dem Rummel von Coney Island, bei der ein gedungener Killer eine turbulente Achterbahnfahrt erlebt. Bei der Besetzung der Nebenrollen bewies man ein goldenes Händchen: 'Huggy Bear' Antonio Fargas gibt einen überaus flotten Druglord und der stets für eine Überraschung gute Corman-Spezi Paul Bartel kreuzt kurz als naiver Richter auf.
Mordsspaß.
8/10
#396
Geschrieben 24. Juli 2006, 08:04
The Long Riders ~ USA 1980
Directed By: Walter Hill
Jesse James (James Keach) und seine Gang, bestehend aus seinem Bruder Frank (Stacy Keach), den Younger-Brüdern (David Carradine, Keith Carradine, Robert Carradine) sowie Clell Miller (Randy Quaid) machen nach dem Sezessionskrieg Missouri und die umliegenden Staaten mit Überfällen und Raubzügen unsicher. Die Pinkerton-Agentur hetzt ihnen einen ganzen Stoß Detektive auf den Hals, die wenig zimperlich in ihrer Vorgehensweise sind.
Dass Hills Outlaw-Ballade unter den zeitgenössischen Kritikern wenig Wohlwollen erfahren hat, kann ich mir nur so erklären, dass sie als Western, und als unkonventioneller dazu, 1980 beinahe ganz allein auf weiter Flur dastand. Dabei hat der Film so viele Vorzüge: Die insgesamt vier Brüderpaare (im Fall Carradine war es sogar ein Trio), die auch im Film Brüder spielen, seine erdige Farbgebung, die fast nur Sepiatöne vorsieht. Und die brettharten, direkt an Hills großes Vorbild Peckinpah angelehnten Shoot-Outs, die mit zu den intensivsten gehören, die man im US-Western zu sehen bekommt. Besonders der letzte Überfall der James/Younger-Brüder auf eine Bank in Minnesota, wo man sie bereits erwartet, ist so mitreißend und schweißtreibend inszeniert, dass man förmlich im Sessel klebt.
Bezüglich der historischen Akkuratesse darf man davon ausgehen, dass "Long Riders" darauf mehr Wert legt, als die meisten anderen Jesse James - Filme. Wobei zumindest die Tatsache, dass Hill die Beziehung zwischen der Flintenbraut und Hure Belle Starr (Pamela Redd) und Cole Younger (David Carradine) etwas breiter darstellt, als sie tatsächlich war. Hill bringt ja in seinen Western immer gern mehrere Persönlichkeiten unter einen Hut, so auch später in "Wild Bill".
Wie erwähnt teile ich die überwiegend verhaltenen Einschätzungen zu "Long Riders" überhaupt nicht und halte ihn im Gegenteil für ein poetisches Genre-Kleinod, dass zudem noch, in Zeiten von Jedi-Rittern und Weltraumimperien, mit dem Mut des vorsätzlichen Anachronismus matt zu glänzen wusste.
9/10
#397
Geschrieben 24. Juli 2006, 12:40
Sei Donne Per L'Assassino (Blutige Seide) ~ I/F/D 1964
Directed By: Mario Bava
In einem römischen Modeatelier fallen mehrere Models einem scheinbaren Triebmörder zum Opfer. Der zuständige Inspektor (Thomas Reiner) tappt selbst im Dunkeln, bis der Fall sich schlussendlich von selbst aufklärt.
Seit Bava vor einigen Jahren wiederentdeckt wurde, erfuhr auch sein meisterlich gefilmter, früher Giallo immer wieder höchstes Lob. Und zu Recht: Der Maestro und sein Komponist Carlo Rustichelli bedienen Aug und Ohr mit einer Vielzahl explodierender Eindrücke. Neben den eindrucksvoll gewählten, edlen Settings setzt Bava wie eh und je seine berühmte kunterbunte Ausleuchtung ein, die mit grünen, violetten und roten Farben die Leinwand zu sprengen droht. Über die Bedeutung und Plausibilität der Allerweltskriminalgeschichte, die in "Sei Donne" verwurstet wird, kann man sich streiten; bestimmend ist in jedem Fall das Audiovisuelle.
Rustichellis Musik zwischen Mancini und Herrmann unterstützt die Suspense-Szenen in beträchtlicher Weise und verwöhnt stets erneut das Ohr. Ein Film, der ungeachtet seiner morbiden Geschichte einfach Freude macht, gerade angedenk seiner herrlichen DVD-Präsentation.
8/10
#398
Geschrieben 24. Juli 2006, 20:05
Hero And The Terror (Hero) ~ USA 1988
Directed By: William Bannen
L.A.-Supercop O'Brien (Chuck Norris) ist hoffnungslos traumatisiert: Zwar geht die Verhaftung des psychopathischen Frauenmörders Simon Moon (Jack O'Halloran) auf sein Konto - den Erfolg verdankt er aber einzig einem glücklichen Zufall und die Medien haben ihn eher unberechtigt zum Helden erklärt. Als Moon aus der Heilanstalt flüchtet, kann O'Brien sich endlich seinen Ängsten stellen.
Misslungener, lächerlicher Versuch, einem Norris-Part Tiefe und Konturen zu verleihen. Zwischen dem dritten "Missing In Action" und der "Delta Force"-Fortsetzung hatte Cannon sich offensichtlich in den Kopf gesetzt, aus dem waffenstarrenden Vollbartträger einen Helden mit Herz zu machen, der neue (weibliche?) Publikumsschichten erobern sollte. Zu diesem Zweck schaltete man vom Action- ins Psychothrillermilieu inkl. klassischem Serienkiller. Die böse Neurose droht nebenbei unserem netten Karatebullen von nebenan trotz immerhin 8-monatiger Therapie erneut das Leben schwerzumachen. Glücklicherweise ist seine ehemalige Analytikerin und jetztige Lebensgefährtin (Brynn Thayer) aber schwanger. Ein Mädchen soll's werden. Dabei mag die künftige Mama den Papa noch gar nicht so richtig heiraten. Probleme über Probleme, mit denen Chuckie sichtlich schlechter fertig wird, als mit einer Armee kolumbianischer Kommiterroristen. Zu allem Überfluss fällt der aufgeregte Vater, als er seine wehende Frau ins Spital einliefert, selbst in Ohnmacht. Ho-ho-ho. Genau so und nicht anders wollen wir unseren Mr. Norris sehen. Als Pantoffelhelden mit Weichspüler-Qualitäten. Der Gipfel ist in einer gefühlt mindestens 20 Minuten langen Szene erreicht, in der O'Brien und die potentielle Mrs. ihren Geburtstag feiern. Da gerät selbst mein Finger in bedrohliche Nähe der >>|-Taste, und das will was heißen. Bis auf den bulligen, stummen Mörder, der selbstverständlich ein rein instinktgesteuertes Monster mit dem Verstand eines Säuglings ist, darf uns Chuck nicht einen Fiesling in die Ewigen Jagdgründe schicken, womit der Film sich endgültig selbst den Strick dreht. Diese relative Annäherung Richtung Familienkompatibilität, schon die zwote nach "Firewalker", ging leider komplett in die Hose. Und weitere, schlimmere, Marke "Sidekicks", sollten folgen...
Interessant einzig die Besetzung mancher Nebenrolle: Dudikoff-Spezi Steve James kann auch den Norris-Spezi, "Superfly" Ron O'Neal ist jetzt Bürgermeister von L.A. und sogar ein Mitglied der Blues Brothers Band, Murphy Dunne von "Murph & The Magictones" hat sich sagenhafterweise hierher verirrt.
Im Zweifelsfall für den Angeklagten:
3/10
#399
Geschrieben 25. Juli 2006, 12:38
I ♥ Huckabees ~ USA 2004
Directed By: David O. Russell
Der bei Frauen erfolglose Umweltaktivist Albert (Jason Schwartzman) steht an einem Wendepunkt: Brad Stand (Jude Law), der aalglatte Geschäftsführer der Warenhauskette Huckabee's hat es zunächst geschafft, Albert samt seiner Truppe mit proökologischem Gewäsch zu umgarnen, nur um ihn dann böse abzusägen. Und warum taucht alle Nase lang dieser große Afrikaner (Ger Duany) in Alberts Nähe auf? Fragen über Fragen, mit denen man sich am besten an die existenzialistische Detektei Jaffe (Dustin Hoffman, Lily Tomlin) wendet, die garantiert außergewöhnliche Antworten zu bieten hat, am besten gleich in Kombination mit der europäischen Konkurrenz (Isabelle Huppert).
Eine beabsichtigt durchgedrehte Komödie, die, so scheint es, gern in dieselbe Kerbe wie Kaufmans Werke schlagen würde, deren subtile, poetische Geschlossenheit aber nicht erreicht. Ein Haufen Abseitiger, besetzt von stattlicher Prominenz, denen das Script massig kontemplatives Blabla auf den Leib geschrieben hat, ergibt noch lange kein Highlight. Wobei der Film auch keineswegs schlecht ist, nein, er ist bloß einfach nicht das, was er gern wäre. Er lässt sich ganz nett anschauen und gestattet gelegentlich das ein oder andere Lächeln. Der Gefahr, sich bezüglich des Films eines weiteren Gedanken zu entledigen als "lustig", geschweige denn sich auf geschwätzige Diskussionen einzulassen, sollte man sich aber tunlichst nicht aussetzen.
"Flirting With Disaster" gefiel mir sehr gut, "Three Kings" mochte ich überhaupt nicht, den vorliegenden Russell finde ich leicht überdurchschnittlich. Damit liegt er genau auf der mediokren Linie, die dieser Filmemacher in meiner Wahrnehmung eben verfolgt.
6/10
#400
Geschrieben 25. Juli 2006, 13:12
Journey To The Center Of The Earth (Die Reise zum Mittelpunkt der Erde) ~ USA 1959
Directed By: Henry Levin
Ein merkwürdiges Stück Lavagestein führt Professor Lindenbrook (James Mason) und seinen Studenten Alec (Pat Boone) geradewegs nach Island, von wo man durch einen Vulkaneingang den Mittelpunkt der Erde ausfindig machen will. Zuvor und während der gefahrvollen Reise gibt es noch einige Verwicklungen mit ruhmgierigen Konkurrenten, die man aber ausschalten kann.
Diese wunderbar farbenfroh-naive, dritte Verne-Verfilmung eines US-Studios, ein Musterbeispiel für klassisches Hollywoodkino mit phantastischem Einschlag, sehe ich mir schon seit Ewigkeiten mindestens einmal pro Jahr an. James Mason als störrischer Professor ist immer wieder ein Genuss, ebenso wie der junge Pat Boone (damals war es gang und gäbe, attraktive Schlagersänger samt aktuellem Sangesgut in die Filmcast einzuspannen, um junge Damen ins Kino zu locken - siehe auch "Rio Bravo", "North To Alaska" etc.) und natürlich der isländische Kuli Hans (Peter Ronson) samt seiner fixen Ente Gertrud.
Ganz besonders gefällt natürlich der bereits in der Vorlage enthaltene Monsterbonus, der die ungleiche Truppe tief im Erdinnern auf prähistorische Dimetrodonten treffen lässt. Statt selbige wie üblich per stop motion zu generieren, setzte man echten Waranen künstliche Hornkämme auf den Rücken und kopierte diese ins Bild. Da sich eine solche Methode aber als recht unausgereift erwies, blieb "Journey" eins von wenigen Beispielen für deren Nutzung. Schließlich darf am Schluss noch eine knallrote Rieseneidechse angreifen, die auch ganz schick ist.
Weiterhin bemerkenswert: Die schönen matte paintings und Studiobauten, darunter ein Edelsteinmassiv und ein Riesenpilz-Wald. Das alles in breitem Scope. Herrlich!
9/10
#401
Geschrieben 26. Juli 2006, 11:24
Lord Jim ~ UK/USA 1965
Directed By: Richard Brooks
Der Seemann Jim (Peter O'Toole), ein Träumer und Idealist, heuert im 19. Jahrhundert rund um Südostasien auf verschiedenen Schiffen an. Als eine Schiffspassage mit Muslimen auf Pilgerfahrt, auf der er als 1. Offizier dabei ist, zu sinken droht, verlässt er zusammen mit Kapitän und Besatzung angsterfüllt den Kahn. Dieser taucht später wohlbehalten wieder im Hafen auf. Jim ist der einzige Flüchtling, der seine Schuld öffentlich eingesteht. Verzweifelt nimmt er bald darauf den Auftrag an, im Landesinneren Eingeborenen gegen einen ausbeuterischen Despoten (Eli Wallach) beizustehen. Hier scheint Jim nach erfolgreicher Mission sein persönliches Paradies gefunden zu haben, doch das Schicksal meint es anders mit ihm.
Schön ausladendes Abenteuerkino in direkter, offenkundiger Nachfolge zu "Lawrence Of Arabia", dessen Erfolg die Columbia in kleinerem Maßstab zumindest annährend zu wiederholen suchte und sich zu diesem Zwecke des Joseph Conrad - Romans bediente. Peter O'Toole spielt eine ganz ähnlich zerrissene und heldenmutige Rolle wie 3 Jahre zuvor. Auch Jack Hawkins ist wieder mit von der Partie, zusammen mit weiterer internationaler Grandezza (hier: James Mason, Curd Jürgens, Paul Lukas & Daliah Lavi). Zudem befleißigte man sich bei beiden Projekten des formidablen Auges Freddie Youngs, der seine epischen Bilder exotischer Landschaften jeweils auf das selten eingesetzte 65 mm-Negativ Super Panavision 70 bannte.
Zwar kann das Endergebnis nicht mit Leans großem Vorbild Schritt halten, bietet aber dennoch exzellentes eyecandy und einen ähnlich komplexen Titelcharakter, von O'Toole mit viel Verve interpretiert. Wer sich an historischen Dschungelszenarien und komparsenreichen Bildern in Verbindung mit dem inneren Kampf um Schuld und Sühne erfreuen zu vermag, der ist hier an genau der richtigen Adresse. Zwar gibt Brooks den der Vorlage innewohnenden, fesselnden Diskurs um Vorbestimmung und deren Beeinflussbarkeit nur bruchstückhaft wieder, was ihm aber schlussendlich nicht das Wasser abgräbt. Gelungen ist "Lord Jim" allemal.
8/10
#402
Geschrieben 26. Juli 2006, 16:58
Radio Days ~ USA 1987
Directed By: Woody Allen
Kindheitserinnerungen eines Erzählers (Woody Allen), von dem wir nur den Vornamen erfahren: Joe. Die Memoiren datieren sich zurück auf die frühen 40er, New York, Rockaway Beach. Hier wächst der Junge (Seth Green) mit seiner ganzen Familie in einem kleinen Häuschen auf. Man hat nicht viel, ist aber glücklich. Und über allem prangt übermächtig das Radio, ein Lebensbegleiter und -berater in allen Lagen.
Wie ich finde, einer von Woody Allens schönsten Filmen und auf jeden Fall mein meistgesehener. Den typischen Allen-Humor atmet "Radio Days" mit jedem Zug, ist aber wegen des geschilderten Arbeitermilieus um einiges nah- und spürbarer als viele seiner anderen Komödien. Zudem ist es - vielleicht noch zusammen mit Reiners "Stand By Me" - der anrührendste nostalgische Rückblick in Filmform, den ich zu benennen weiß.
Die erzählerische Stringenz fällt aus und das Geschilderte zerfällt in viele kleine, anekdotenartig vorgetragene Episödchen, manchmal urkomisch, gelegentlich menschlich-herzlich, selten traurig. Allens Besetzung ist wie immer von größtem Belang für das gelungene Endergebnis, auch wenn populäre Namen wie Jeff Daniels, Danny Aiello oder Diane Keaton zumeist nur kurz durchs Bild huschen und die meisten Protagonistenparts unbekannteren Allerweltsgesichtern überlassen sind, was dem Ganzen umso mehr Authentizität verleiht. In der wundervollen Szene, in der eine Livesendung untterbrochen wird, um den Angriff auf Pearl Harbor bekanntzugeben, kann man William H. Macy erhaschen. Und für Seth Green, damals zarte 13 Jahre alt, dürfte dies bis heute sein mit Abstand großartigster Film sein.
"Radio Days" verliert gar nichts, egal, wie oft man ihn sieht. Ganz, ganz toll.
10/10
#403
Geschrieben 27. Juli 2006, 21:31
The Weather Man ~ USA 2005
Directed By: Gore Verbinski
Lebensansichten und Bestandsaufnahme des Wetteransagers David Spritz (Nicolas Cage), der seine geschiedene Frau (Hope Davis) zurück will, es seinem Vater (Michael Caine) rechtmachen und sich mehr um die Kinder (Gemmenne de la Pena, Nicholas Hoult) kümmern möchte.
Nett, unaufdringlich, wenig spektakulär. So schneidet Verbinskis Tragikomödie bei mir ab. Passt mit seinen hübschen Winterbildern gut zu einem solch drückenden Tag und zu meinem Riesenhelm von heut morgen. Nic Cage mag ich im Gegensatz zu manch anderem ganz gern und allein dem Gedanken, Michael Caine als dessen altersweisen Vater zu besetzen, gebührt schon höchster Respekt.
Ein wenig ziellos erscheint das Ganze nach dem Ende, da Cages Filmcharakter, nachdem er rund 100 Minuten lang ausführlichst vorgestellt und seziert wurde, keine erwähnenswerte Wandlung durchmacht. Es bleibt quasi bei der Kennenlernphase. Ein paar ganz witzige Ideen, etwa die, mit dem unablässigen Junkfood-Bombardement, machen "The Weather Man" alles in allem ganz liebenswert, wenn auch nicht eben denkwürdig. Immerhin: Für des Regisseurs Verhältnisse ein kleines Highlight.
7/10
#404
Geschrieben 27. Juli 2006, 21:58
Caché ~ F/AU/D/I 2005
Directed By: Michael Haneke
Ein Unbekannter spielt dem Ehepaar Laurent (Daniel Auteuil, Juliette Binoche) seltsame Videocassetten zu, deren Inhalt ziemlich private Eindrücke enthält. Zudem sind die Tapes in verstörende Kinderzeichnungen eingewickelt. Insbesondere Georges Laurent wird zunehmend nervös, da der emsige Hobbyfilmer offenbar sehr viel über dessen Vergangenheit weiß.
Also, jetzt muss ich meinen Hut ziehen. Bisher war ich ja von Haneke alles andere als begeistert. Aber siehe da, wenn der Mann seinen mir unangenehmen pädagogischen Habitus beiseite lässt, kann der ja richtig tolle Filme machen. Muss also eine lang gehegte Ansicht gründlich umstülpen. "Caché" arbeitet beinahe ausschließlich mit Bildern und Stimmungen, ellenlangen Einstellungen fast komplett ohne Kamerabewegungen oder Musikuntermalung. Zunächst erscheint Hanekes Herangehensweise ein wenig statisch, bald jedoch erweist sich diese scheinbare Langsamkeit als brillante Methode. Eine Atmosphäre der latenten Bedrohung aufbauend gipfelt der Film außerdem in der womöglich schockierendsten Sequenz, die ich seit langer Zeit gesehen habe. Starker Tobak.
Über die Subebene, einmal mehr eine Reflexion über Schuld und Sühne, möchte ich weiter nichts schreiben, da jedes zuviel verratene Wort eine Sünde wäre.
Zwar bleibt eine große narrative Frage am Ende offen, die verschiedene Deutungsmöglichkeiten zulässt, was aber nicht weiter tragisch ist. Bin froh, dass ich das Wagnis eingegangen bin, mir "Caché" anzusehen. Die lohnenswerteste Entscheidung des Tages, wenn nicht der ganzen Woche.
9/10
#405
Geschrieben 28. Juli 2006, 11:48
My Darling Clementine (Faustrecht der Prärie) ~ USA 1946
Directed By: John Ford
Ex-Marshall Wyatt Earp (Henry Fonda) und seine drei Brüder Virgil (Ward Bond), Morgan (Tim Holt) und James (Don Garner) bringen eine Rinderherde nach Westen. Als sie eine Nacht im Städtchen Tombstone verbringen, ist das Vieh gestohlen und James, der Jüngste der Vier, erschossen. Bei den Tätern handelt es sich offenkundig um den alten Rancher Clanton (Walter Brennan) und seine finsteren Söhne. Wyatt nimmt den Marshallposten in Tombstone mit seinen Brüdern als Gehilfen an. Alsbald lernt er den tuberkulosekranken Glücksspieler Doc Holliday (Victor Mature) kennen, mit dem er sich gut versteht. Docs frühere Freundin Clementine Carter (Cathy Downs) stellt die Freundschaft der Männer auf eine harte Probe und die üblen Clantons verfolgen ihre Machenschaften weiterhin.
Obwohl er es, im Gegensatz zu manch anderem, demselben Sujet zugewandten Filmemacher mit historischen respektive biographischen Fakten alles andere als genau nahm, dürfte Ford mit "My Darling Clementine" den bis heute meistgeachteten und populärsten Film um die legendären Wyatt Earp und Doc Holliday sowie die Schießerei mit den Clantons am OK Corral geschaffen haben. Nebenbei handelt es sich um einen der schönsten Schwarzweiß-Western. Punktgenau, von jedwedem überflüssigen Ballast befreit und dabei von staubiger Poesie.
Ford wusste natürlich um die Tatsachen, die sich in Tombstone abgespielt haben, aber er nahm sich das ungeschriebene Recht des Geschichtenerzählers, auf das er sich bekanntermaßen immer wieder berief, heraus, die Geschichte auf ein publikumswirksames (ursprüngliches) Zwei-Stunden-Korsett zu bringen. Produzent Zanuck kürzte den Film dann noch mal um 30 Minuten herunter, was sicher ein Mitgrund für die Beendigung der langjährigen Partnerschaft der Beiden war. Dennoch ist das Endergebnis noch immer sehenswerter als 98 Prozent der übrigen Zelluloidartefakte aus hundert Jahren Hollywood. Dem geschichtlich Interessierten sei eher Kasdans "Wyatt Earp" ans Herz gelegt, ebenfalls beachtlich, aber eben sehr anders.
10/10
#406
Geschrieben 28. Juli 2006, 18:32
A Study In Terror (Sherlock Holmes' größter Fall) ~ UK 1965
Directed By: James Hill
Sherlock Holmes (John Neville) und Kollege Watson (Donald Houston) untersuchen in offiziellem Regierungsauftrag die Whitechapel-Morde, hinter denen sich der wahnsinnige Serienmörder namens 'Jack The Ripper' verbirgt.
Einmal-Holmes John Neville bringt bereits von Hause aus die passende Physiognomie für den Meisterdetektiv mit und erweist sich somit als gute Besetzung. Der eigentliche Star aber ist der in nur zwei Szenen auftrumpfende Robert Morley als Holmes' älterer Bruder Mycroft. Allein diese lohnen den ganzen Film.
Das Thema "Holmes vs. Jack The Ripper", also die Vermengung von Fiktion und Fakten, ist ja eigentlich ein naheliegender, logischer Schluss angesichts dieser beiden großen Kriminalikonen des Viktorianischen Englands. 14 Jahre später kam dann noch ein wesentlich eloquenterer Beitrag zum Thema mit Bob Clarks "Murder By Decree". Interessanterweise spielen Frank Finlay und Anthony Quayle in beiden Filmen tragende Nebenrollen, Finlay ist sogar im jeweils selben Part als Holmes' Konkurrent Inspector Lestrade zu sehen.
Was dem vorliegenden Holmes-Streifen etwas schadet, ist weniger seine mangelnde Sorgfalt in Bezug auf tatsächliche Ereignisse (die bei Clarks Film im Gegenzug verhältnismäßig groß geschrieben wird), sondern seine biedere Inszenierung. Man merkt dem Film an, dass sein Regisseur vom Fernsehen kommt; alles bleibt recht überraschungsarm und diverse Möglichkeiten, Suspense zu erzeugen, werden stoisch links liegen gelassen. Alles in allem passable Unterhaltung auf besserem TV-Niveau, die ihre leicht überdurchschnittliche Qualität einzig ihren erfreulich professionellen Darstellern verdankt.
6/10
#407
Geschrieben 29. Juli 2006, 17:58
The Fall Of The Roman Empire (Der Untergang des Römischen Reiches) ~ USA 1964
Directed By: Anthony Mann
Seines nahen Todes gewiss, bestimmt der in Germanien verweilende Cäsar Marcus Aurelius (Alec Guinness) den Tribun Livius (Stephen Boyd) zu seinem Nachfolger. Dieser ist wenig von des Kaisers Angebot begeistert, zumal dessen Sohn, der vergnügungssüchtige aber politisch unversierte Commodus (Christopher Plummer) der eigentliche Thronerbe sein sollte. Nachdem Marcus Aurelius einer Intrige zum Opfer gefallen ist, ernennt Livius Commodus zähneknirschend zum neuen Imperator. Livius befriedet mit Hilfe seines Gefolgsmanns Timonides (James Mason) die nordischen Barbaren. Als im Senat die Frage aufkommt, ob die Unterworfenen fortan Römer oder Sklaven sein sollen, überwirft sich Livius mit den zunehmend wahnsinnigen Commodus. Eine Todfeindschaft nimmt ihren Anfang, die ihren Abschluss erst mit dem blutigen Ende von Commodus' Herrschaft findet.
Der Produzent Samuel Bronston unterstand ungewöhnlicherweise in den 60ern keinem der großen Studios, brachte aber dennoch einige spektakuläre Monumentalepen auf den Weg, darunter dieses von Anthony Mann inszenierte, überlange Sandalenstück. Für die noch kurz zuvor üblichen Historienschinken war die Zeit anno '64 schon so gut wie abgelaufen, weswegen "The Fall" meines Wissens auch bös gefloppt ist. Dennoch kommt er mit vergleichsweise großer schauspielerischer Potenz daher, die wohl in großen Teilen auf die kanadisch- / britische Besetzung mit zahlreichem Theaterpersonal zurückzuführen ist. Große Gesten und Auftritte sind dementsprechend das Salz im wohlmundenden Süppchen. Verschwenderisch ausgestattet, farbenfroh und äußerst schön fotografiert mangelt es "The Fall" eigentlich an so gut wie nichts. Vielleicht war es einfach des Ausbleiben eines besonders zugkräftigen Namens, das Bronston sprichwörtlich das Genick brach. Zunächst sollte der in derlei Rollen erfahrene Charlton Heston den Hauptpart übernehmen, wurde dann aber ironischerweise durch seinen eigenen Gegenspieler aus "Ben-Hur", den ehemaligen Messala Stephen Boyd, ersetzt. Dieser markiert zugleich die große darstellerische Achillesferse des Films, vermag er die Tribunenrüstung mit seiner bisweilen unsympathischen Art doch leider nur unbefriedigend auszufüllen.
Dennoch mag ich derlei Geschichtsverfälschung.
7/10
#408
Geschrieben 29. Juli 2006, 18:21
Gladiator ~ USA/UK 2000
Directed By: Ridley Scott
Der in Nordgermanien stationierte Tribun Maximus (Russell Crowe) erfährt überraschend von dem sterbenden Kaiser Marcus Aurelius (Richard Harris), dass er und nicht des Kaisers Sohn Commodus (Joaquin Phoenix) die imperiale Nachfolge antreten soll. Commodus, wahnsinnig vor Eifersucht, tötet seinen Vater und spinnt eine Intrige gegen Maxismus, der seine Familie zum Opfer fällt. Maximus selbst gerät in die Hände von Sklavenhändlern und beginnt in Nordafrika, als Gladiator in der Arena anzutreten. Die Zuschauer lieben ihn und bald landet er im Circus Maximus in Rom. Ein Putsch gegen den verrückten Commodus, in den auch einige Senatoren verstrickt sind, scheitert und Maximus kämpft seinen letzten, unfairen Kampf gegen Commodus in der Arena.
Nach Manns Sittenbild musste noch rasch dessen wesentlich emotionaleres und erfolgreicheres "Gegenstück" ran. Ich habe mir angesichts der vielen Antipathien gegen Scott zunächst überlegt, eine Rechtfertigung abzufassen, in der ich haarklein die Vorzüge seines zugegeben überbewerteten Spektakels kleinschrittig aufzähle. Nun, ich lasse es in weiser Voraussicht bleiben. Kurzum: Ich mag den Film seit der ersten Beschau im Kino sehr, finde es begrüßenswert, dass er ein totgeglaubtes Genre in mehr als passabler Form wieder zum Leben erweckt hat und tue mich an den schönen Bildern gütlich, auch wenn diese manchmal vielleicht ein bisschen sehr artifiziell daherkommen. Ein wenig pervers mutet es zwar schon an, wenn man Scott (und sich selbst) dabei ertappt, sich bei aller artikulierten Kritik an "Brot und Spielen" genau an selbigen zu berauschen, aber andererseits sind die anfängliche Schlacht gegen die Barbaren und die Gladiatorenkämpfe so wuchtig in Szene gesetzt und derart clever-schwülstig musikalisch unterlegt, dass es schwerfällt, die Gänsehaut zurückzuhalten.
Zu den historischen Details bleibt zu sagen, dass sowohl Mann als auch Scott bzw. deren Schreiberlinge rundum darauf gepfiffen haben und bestenfalls den jeweiligen Jungkaiser mit seinem Größenwahn trefflich darzustellen vermochten. Verschmerzbar, wenn sowas dabei herauskommt.
Den Kommentar zum Gipfeltreffen meiner beiden britischen Lieblingstrinker Harris und Reed, der bei den Dreharbeiten seinen letzten Malteser gekippt hat, möchte ich noch kurz anfügen. Fehlte nur noch Peter O'Toole.
Dieses gelackte Stück Entertainment hat mich jedenfalls schon damals erobert und heute, wie ich feststellen musste, noch immer fest im Griff.
9/10
#409
Geschrieben 30. Juli 2006, 12:05
Pierrot Le Fou (Elf Uhr Nachts) ~ F 1965
Directed By: Jean-Luc Godard
Hals über Kopf stürzt sich Ferdinand (Jean-Paul Belmondo) in eine Liaison mit der skrupellosen Marianne (Anna Karina). Die beiden flüchten vor der O.A.S. an die Riviera, wo sie unerkannt ein Bohémien-Leben führen. Allerdings nur so lang, bis Marianne ausbricht.
Die Verwendung von Lionel Whites Vorlage dient Godard bestenfalls dazu, ein Grundgerüst für seine hochpersönliche Verarbeitung von Eindrücken und medialen Splitterfasern aufzustellen. Die Demontage ist des Meisters wahres Metier: Sehgewohnheiten nicht zu berücksichtigen, verbrecherische Akte, die andernfalls zu zeigefreudiger Aktion Anlass gäben, zu komödiantischen Slapstickaktionen zu verarbeiten. Auf einem gesellschaftlichen Anlass, dem Ferdinand, genannt 'Pierrot', zu Anfang des Films beiwohnt, sprechen die Menschen nicht mehr miteinander. Sie kommunizieren, durch Werbetexte und -floskeln. An einer Wand steht Samuel Fuller und versteht kein Wort. Dann beginnt die lange Flucht Pierrots, des Narren.
Dazwischen: Wilde Bildausschnitte von Renoir und Matisse. "Riviera" und "Cinema" in den Farben der Trikolore. Der große Coup betitelt als "Las Vegas". Kommentare zu Vietnam.
Die Struktur zerfällt scheinbar und wird doch beibehalten; angekündigte Kapitel wiederholen sich mitunter numerisch oder entbehren plötzlich der Aufzählung.
Coutard filmt das Mittelmeer so, dass man meint, die salzige Luft riechen und Heidekraut und knorriges Kiefergeäst unter den Füßen spüren zu können.
"Pierrot Le Fou" ist in erster Linie ein ungemein vitaler Film, der, hat man sich erst einmal auf ihn eingelassen, sich festsaugt wie ein Blutegel.
9/10
#410
Geschrieben 30. Juli 2006, 21:35
Ruckus ~ USA 1981
Directed By: Max Kleven
Der verwahrloste und traumatisierte Vietnam-Vet Kyle Hanson (Dirk Benedict) kommt in ein kleines Nest im Süden der USA. Ein Wort gibt das Andere und nach kürzester Zeit hat Kyle Ärger mit sämtlichen Möchtergernmachos des Städtchens. Bei der netten Farmerstochter und Veteranenwitwe Jenny (Linda Blair) landet er hingegen mit seinem etwas wortkargen Charme Pluspunkte noch und nöcher.
Ein abstruses kleines Filmchen. Rund zwei Jahre vor "First Blood" gestartet, erzählt "Ruckus" fast dieselbe Story von dem ungeliebten Kriegsheimkehrer, der durch seine albtraumhaften Erlebnisse in Südostasien zur tickenden Zeitbombe geworden ist und ausgerechnet an ein paar unsensible Hillbillies gerät. Inwieweit nun Regisseur und Autor Kleven das Ding auf seinem eigenen Mist angepflanzt hat, kann nur gemutmaßt werden, zumal David Morrells Roman "First Blood" ja auch ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel hat. Qualitativ trennen die beiden Filme Welten. "Ruckus" erinnert mit seinen bescheidenen Stunts und überdrehten 'Bösewichtern' aus dem Hinterwald eher an die "Bandit"-Filme oder an eine "A-Team"-Doppelfolge zum Thema "Faceman's wrong turn". Das Vietnam-Motiv kommt nur selten zur Sprache und ist im Grunde überhaupt nicht von Belang. Der Held achtet, obwohl er allenthalben einen Urschrei ausstößt, penibel darauf, keinen seiner Häscher zu verletzen und Tote gibt's schonmal gar nicht. Umso unterhaltsamer das gezeichnete, alte deutsche Videocover, das einen gewaltigen, schwer bewaffneten Muskelmann in Action zeigt, der mit Benedict aber auch nicht den Hauch einer Ähnlichkeit besitzt. Und auch dieser Flachs trug und trägt noch immer ein 18er-Siegel. Man möchte es nicht für möglich halten.
Immerhin haben sich die beiden legendären Ex-Stuntmen und Stetsonträger Ben Johnson und Richard Farnsworth für diesen Heuler ein Stelldichein geliefert.
4/10
#411
Geschrieben 31. Juli 2006, 19:47
Joshuu 701-Gô: Sasori (Sasori: Scorpion) ~ J 1972
Directed By: Shunya Ito
Matsu (Meiko Kaji) sitzt im Bau, weil ihr Ex Sugimi (Isao Natsuyaga), ein skrupelloser Polizist, sie als Vergewaltigungsopfer missbraucht hat, um ein paar Dealer auf frischer Tat erwischen zu können. Matsu will sich rächen, landet jedoch - hinter Gittern. Dort erweist sie sich als eisenharte Matrone, trotzt sämtlichen Gefahren und schafft es sogar auszubrechen, um Sugimi den Rest zu geben.
Auftakt zu einem vierteiligen W.I.P.-Zyklus. Schon schön, wie sich unter einem knallroten Kulissenhimmel der Aufstand im Frauenknast entwickelt - zuvor und auch danach kann man sich noch zu Gemüte führen, wie rotzfrech und zickig die Girls miteinander umgehen, wenn die paar männlichen Aufseher entweder nichts sehen oder nichts sehen wollen. Bei Gelegenheit kriegen dann auch sie Saures.
Einige lustig-splattrige Einfälle sind auch dabei, neben diversen Topless-Szenen (bei denen wie üblich peinlichst genau Wert darauf gelegt wird, dass auch ja kein Schamhaar ins Bild gerät), die in Kombination "Sasori" zu einem waschechten Fernost-Exploiter machen. Für das berüchtigte Subgenre des "Frauengefängnisfilms" auch global eine kleine Zier und mit kurzweiligen 90 Minuten ein fixes Vergnügen für Jedermann.
6/10
#412
Geschrieben 01. August 2006, 08:51
Klute ~ USA 1971
Directed By: Alan J. Pakula
Um das Verschwinden seines besten Freundes Tom Gruneman (Robert Milli) zu klären, kommt P.I. John Klute (Donald Sutherland) aus der Provinz nach Manhattan. Möglicherweise ist Gruneman auch durchgedreht und hat sich als Aussteiger abgesetzt. Die Spur führt zum Callgirl Bree Daniels (Jane Fonda), die perverse Briefe und Terroranrufe von einem Unbekannten bekommt. Klute und Bree verlieben sich zögernd ineinander.
"Klute" zählt zu den hervorstechenden Beispielen, die mir immer wieder vergegenwärtigen, warum die Siebziger eine meiner Kino-Lieblingsdekaden sind.
Zu Beginn des Jahzehnts stand die US-Filmbranche, ebenso wie die gesamte Sozietät, vor der totalen Unsicherheit. Es gab vielleicht das Bedürfnis, profitable Filme herzustellen, bloß einen entsprechenden Königsweg gab es nicht, ganz zu schweigen von den seelenlosen, Multi-Millionen-Blockbustern, die sich heute durchsetzen. Die 7. Kunst, die sich damals diese Bezeichnung redlich verdiente, hat nie wieder eine so günstige und fruchtbare Ausgangsstellung erlebt.
Pakulas Film ist alles andere als 'irgendein' Krimi. Tatsächlich handelt es sich um das sensible Porträt einer anonymisierten Großstadtfrau, einer Prostituierten, die jedes Gefühl und jegliches menschliche Bedürfnis ablegen musste, um zu überleben. So ist denn auch der Aufmacher um den verschwundenen Biedermann nicht der Motor von Pakulas Film, sondern vielmehr die phantastische Jane Fonda in der Rolle der Prostituierten und ihre Romanze. "Klute" wirkt extrem wortkarg, vermutlich, gerade weil Fonda in ihren analytischen Sitzungen und beim Vorsprechen sich um Kopf und Kragen redet. Dennoch ist der Suspenseteil immens spannend und mit seinem Paranoia-Subtext ganz dem zeitlichen Kontext verpflichtet. Selbst die minimalistische Musik (Michael Small) ist brillant. "Klute" gibt einen Film ab, der bei aller Professionalität und Wortkargheit schwer zu Herzen geht.
10/10
#413
Geschrieben 02. August 2006, 14:06
10 To Midnight (Ein Mann wie Dynamit) ~ USA 1983
Directed By: J. Lee Thompson
Über die Jahre ist der vielfach ausgezeichnete Cop Leo Kessler (Charles Bronson) ein abgeklärter, zynischer Systemkritiker geworden, dem bei persönlicher Rechtsprechung auch illegale Mittel recht sind, um Kriminelle ihrer Strafe zuzuführen. Der gestörte Frauenmörder Warren Stacy (Gene Davis), der auch Kesslers Tochter (Lisa Eilbacher) bedroht, hat angesichts der Methoden des Polizisten wenig zu lachen.
Typisch ultrareaktionäre Cannon-Produktion, die sich ohne sonstige Mätzchen ganz auf Bronsons Duell mit dem Psychopathen konzentriert. Thompson und sein Hauptdarsteller haben für Golan und Globus ja mehrfach zusammengearbeitet und man muss sich angesichts früherer, beiderseitiger Glanzleistungen doch wundern, was darunter mitunter in ideologischer Hinsicht für Schund zu finden ist. Mir zumindest gefällt's trotzdem.
"10 To Midnight" serviert immerhin recht geradlinige Thrillerkost, die aus ihrer rückschrittigen Gesinnung keinen Hehl macht, sondern diese ungebremst und mit dem Holzhammer serviert: Leo Kessler muss erst das Gesetz beugen, um der Gerechtigkeit Genüge zu tun und als man ihn nach dem ersten Versuch (er fälscht vor der Gerichtsverhandlung gezielt Beweise) nicht gewähren lässt, sind drei weitere Opfer zu beklagen. Dies quittiert der endgültig desillusionierte Cop mit einem gezielten Schuss zwischen die Augen des Täters. Jener, gespielt von Brads Bruder Gene Davis, war zuvor in dem nicht unähnlich konnotierten, aber doch ungleich komplexeren "Cruising" als sich prostituierende Drag Queen zu sehen, die zum Opfer von Polizeigewalt wird. Der Killer Warren Stacy wirkt manchmal wie eine sich umfassend rächende Version dieses Charakters.
7/10
#414
Geschrieben 02. August 2006, 14:29
Lone Wolf McQuade (McQuade, der Wolf) ~ USA 1983
Directed By: Steve Carver
Texas Ranger McQuade (Chuck Norris) ist ein harter Knochen und ein absoluter Loner. Da hat es sein neuer Partner Kayo (Robert Beltran) nicht eben leicht. Im Kampf gegen den handkantenbewährten Waffenschieber Wilkes (David Carradine) und dessen schlagkräftige Truppe erweist er sich dann aber doch als brauchbare rechte Hand.
The definition of cliché oder: Der Über-Norris schlechthin. Der gute Chuck wird hier zu einem solchen Super-Mann stilisiert, das jeder Junge unter 15 - so er das Glück hat(te), den Film erstmals in diesem Alter zu sehen, so sein möchte wie J.J. McQuade. Der kann und hat alles: Einen Jeep mit Turbolader, eine abgesägte Pump Action, den Schwarzen Gurt im Schrank, ein Sixpack in der Kühlung, einen Wolf als Haustier, Haare auf der Brust, Barbara Carrera im Bett. Wow. Im Grunde ist das Ganze wirklich eine Kleine-Jungs-Fantasie mit Western-Elementen und weithin lustiger als eine ausgewiesene Komödie. Seien es die Peckinpah-Veteranen L.Q. Jones als väterlicher Ranger-Kumpel und R.G. Armstrong als biederer Chef, die "McQuade" mit offensichtlicher Spielfreude bereichern, David Carradine, der mir ehrlich gesagt immer sympathischer war als McQuade und der seinen Zigarillostummel nie aus dem Mund nimmt, oder De Masis im Morricone-Stil geschriebenes Ohrwurm-Titelthema: Der Streifen ist ein großer Kessel Buntes. Die Balla-Balla-Szenen reihen sich fast nahtlos aneinander und gipfeln in der Sequenz, in der McQuade sich, in seiner Karre sitzend, aus seinem eigenen Grab befreit. Der Tatsache, dass Norris hierbei nicht an einem Lachkrampf gestorben ist, gebührt höchster Respekt.
6/10
#415
Geschrieben 02. August 2006, 17:31
Jaws - The Revenge (Der weiße Hai 4 - Die Abrechnung) ~ USA 1987
Directed By: Joseph Sargent
Der Riesenfisch entpuppt sich als Brody'scher Familienfluch: Nachdem er bereits den alten Chief an einem Herzinfarkt hat sterben lassen und sich vor Amity Island den jüngeren Filius Sean (Mitchell Anderson) zum Diner serviert hat, verfolgt er das trauernde Muttchen (Lorraine Gary) zum älteren Sohn Michael (Lance Guest) und dessen Familie auf die Bahamas. Die Befürchtungen von Ellen Brody, zunächst von allen als Spinnerei abgetan, bewahrheiten sich.
1987 erfolgte mit dem dritten und bis dato letzten Sequel der Todesstoß fürs Hai-Franchise. Angesichts der unerhört blödsinnigen Weiterführung der Storyline, die nunmehr sozusagen um einen Dämon im Fischformat kreist und sich in peinlich detaillierten Alibiszenen dem Familienleben der Brodys widmet, kein Wunder.
Aber irgendwie musste man ja dem absenten Roy Scheider gerecht werden und schuf somit dieses wirre Konstrukt um die sichtlich gealterte Gary. Gegen Meermonster, speziell den alten Bruce, habe ich ja prinzipiell gar nichts, im Gegenteil, aber warum muss man immer wieder dieselbe Familie hinzuziehen? Mit Michael Caine in einer Hauptrolle hatte man doch einen großartigen Schauspieler an Bord, der in einem anderen Setting sicher einem brauchbaren vierten "Jaws" zur Ehre gereicht hätte. Hier aber werden ihm mehr oder weniger dämliche Dialogzeilen in den Mund gelegt. Humbug hoch drei. Der Gipshai sieht im Übrigen blöder denn je aus, kriegt kaum was zu fressen und verliert endgültig auch noch das letzte Fitzelchen Schrecknis.
Eine der großen vertanen Chancen der Filmgeschichte.
3/10
#416
Geschrieben 02. August 2006, 21:10
House ~ USA 1986
Directed By: Steve Miner
Der beliebte Autor Roger Cobb (William Katt) hat diverse Probleme. Sein Sohn (Erik Silver) ist verschwunden, von seiner Frau (Kay Lenz) hat er sich entfremdet. Hinzu kommen traumatische Erlebnisse während des Vietnam-Kriegs. Um diese in Ruhe in seinem neuen Buch verarbeiten zu können, zieht Roger in das Haus seiner Tante (Susan French), die aufgrund der seltsamen Vorkommnisse in ihrer Wohnstatt Selbstmord begangen hat. Roger merkt flugs, dass die Alte nicht verrückt war, denn er macht selbst Bekanntschaft mit einigen bizarren Kreaturen.
Ein ganz schön krudes Filmchen, irgendwo zwischen Comedy, Fantasy und Grusel, wobei sich letzterer garantiert nicht einstellt. Ist aber auch egal, denn viele nette Einfälle konnten verarbeitet und ein paar hübsche Monster vorstellig werden. Zwar hat man unübersehbar zu Raimis "Evil Dead" hinübergelinst, was "House" aber nicht schadet. Der groteske Humor, der in der "Rückkehr" von Rogers altem Kriegskameraden Big Ben (Richgard Moll) kulminiert, steht dem Streifen ausgezeichnet.
Man darf keinesfalls hochgeistige Filmkunst erwarten, für ein gesundes Maß 'cheap entertainment' taught "House" aber auch zu seinem Zwanzigjährigen noch, wie ich finde.
7/10
#417
Geschrieben 04. August 2006, 07:20
In Cold Blood (Kaltblütig) ~ USA 1967
Directed By: Richard Brooks
Vier scheinbar sinnlose Morde: Die beiden Ex-Knackis Smith (Robert Blake) und Hickock (Tony Wilson) überfallen eine Farmerfamilie. Als sie den im Haus vermuteten Safe nicht finden können, erschießen sie die Eltern und die beiden Kinder. Danach fliehen sie nach Mexiko, das sie wegen finanzieller Nöte bald wieder verlassen müssen. Zurück in den Staaten werden sie von der Polizei aufgegriffen, vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Ein liberaler Journalist (Paul Stewart) nimmt sich ihrer Geschichte an.
Capotes gleichnamiger literarischer Sensationserfolg, ein non-fiktionales Buch mit prosaischen Stilmitteln, in der Verfilmung von Richard Brooks. Für den US-Studiofilm der späten 60er, der bereits in zunehmendem Maße einer Art Aufbruchsstimmung und der Umschiffung von Traditionen verhaftet war, ist "In Cold Blood" ein wichtiges Beispiel. Entgegen der damaligen Konvention in schwarzweiß gedreht, mit verhältnismäßig unbekannten Darstellern besetzt, sichert sich Brooks ein hohes Maß an Authentizität. Diese verleiht dem Film, mit Ausnahme weniger Zugeständnisse an den Zeitgeist, bis heute ein frisches, zeitgemäßes Äußeres. Minutiös und schnörkellos, ebenso wie Capotes Buch, schildert Brooks die Fakten, die ein Paar naiver Soziopathen, die 'nie eine Chance hatten', über ein unsägliches Verbrechen bis hin an den Galgen führen. Capote selbst, der vor dem Hinrichtung der beiden Männer, die rund drei Jahre im Todestrakt sitzen, deren wichtigste Bezugsperson war, wird durch einen älteren, gediegenen Herrn mit eher konservativem Auftreten ersetzt. Zudem wird diesem personell nur recht wenig Platz eingeräumt: Zentral bestimmend sind der zugrunde liegende Kriminalfall und der packende Diskurs zum Thema 'Todesstrafe'.
Ein fesselndes, erschütterndes Stück Kino mit Musik von Quincy Jones.
9/10
#418
Geschrieben 04. August 2006, 07:41
Capote ~ USA/CAN 2005
Directed By: Bennett Miller
Der rund drei Jahre anhaltende (Schreib-) Prozess, den Truman Capote (Philip Seymour Hoffman) benötigt, um den langen Weg der beiden Mordgesellen Smith (Clifton Collins jr.) und Hickock (Mark Pellegrino) von deren Gerichtsverhandlung über diverse Berufungsverfahren bis hin zum Galgen mitzuverfolgen. Der Motor für das Zustandekommen seines Buches ist dabei der eigene moralische Kampf um das Für und Wider der Todesstrafe in diesen speziellen Fällen.
Nicht der Inhalt des Buchs "In Cold Blood", sondern dessen Entstehung aus der Perspektive des Autors interessieren Miller und Futterman. Capote, in den frühen 60ern noch gern gesehener Paradiesvogel und Salonlöwe in der Manhattener High Snobiety, bietet eine erwartungsgemäß schwer dankbare Rolle für Hoffman, der die seltsam schwungvolle Gestik und lispelnde, hohe Sprechweise des Literaten offenbar punktgenau studiert hat. Und dementsprechend honoriert wurde, zu Recht. In diesem Zuge wird das spärliche Netz enger sozialer Beziehungen Capotes offengelegt, zu dem die Autorin Harper Lee (Catherine Keener) und Jack Dunphy (Robert Greenwood), sowie der den 'Clutter-Fall' bearbeitende Polizist (Chris Cooper) und insbesondere einer der beiden Täter, Perry Smith, zählen. Capote entdeckt zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen sich selbst und dem Todeskandidaten, die ihm einen festen Standpunkt noch zusätzlich erschweren.
Ein interessanter, begrüßenswerter und stiller Film, jedoch weitaus weniger packend und ohne die cineastische Tragweite von Brooks' knapp 38 Jahre älterem Werk. Übrigens kein Biopic im eigentlichen Sinne.
7/10
#419
Geschrieben 11. August 2006, 05:33
Munich (München) ~ USA 2005
Directed By: Steven Spielberg
Nach dem blutig beendeten Geiseldrama bei den Olympischen Spielen 1972 in München plant die israelische Premierministerin Golda Meïr (Lynn Cohen) harte personelle Vergeltungsschläge gegen vornehmlich palästinensische Ziele. Es wird ein fünfköpfiges Attentäterteam gebildet, das weitgehend autark operieren kann. Der Kopf der Gruppe ist der Mossad-Agent Avner (Eric Bana). Die folgende, sich über Jahre hinziehende Anschlagsserie läuft nicht immer nach Plan und Avner sieht sich und seine Familie irgendwann deutlich bedroht.
Spielberg demonstriert, dass er auch im Politthriller-Fach ganz der routinierte Profi ist. "Munich" ist zwar keine ausgesprochene filmische Großtat, versteht es aber, seine Geschichte mit ambitioniertem Anstrich spannend und intelligent zu präsentieren und erinnert dabei nicht selten an präzise gearbeitete 70er Jahre – Kost Marke "The Jackal". Technisch ist erwartungsgemäß alles in Butter, was den erzählerischen Aspekt anbelangt wird mir ein klein wenig zu viel Gewicht auf die Frage nach dem gottgegebenen Recht des israelischen Volkes auf Rache gelegt. Eine noch sorgfältigere Zeichnung der ambivalenten Charaktere, weg vom politisch-ethischen Diskurs, der für diesen Regisseur eine Nummer zu groß ist, wäre ein größeres Plus gewesen.
Dennoch, die Schauspieler, besonders Bana, ebenso wie zumindest der grobe Narrationsaufbau, vermochten mich zu überzeugen. Ziemlich groß: Marie-Josée Croze als holländische Killerin.
8/10
#420
Geschrieben 11. August 2006, 13:22
End Of The Century ~ USA 2003
Directed By: Jim Fields / Michael Gramaglia
Retrospektive Dokumentation über die Schlüsselband "Ramones", deren Status als einflussreiche Musiker ihrem nie eintreten wollenden kommerziellem Durchbruch gegenüberstand. Interessant die sozialen Verflechtungen innerhalb der Band, die ein harmonisches Miteinander unmöglich machten.
So muss eine vernünftige Band-Doku aussehen: Mit dem gebührenden Abstand und Respekt, jedoch nie beschönigend oder arschkriecherisch. So sehr man die Musik auch liebt: Wirklich sympathisch wird kein einziges Mitglied der Truppe dem Zuschauer nach Durchsicht des Films mehr sein. Johnny, ein konservatives Arschloch, dessen politische Gesinnung alles ist, bloß nicht punk, war und ist offenbar stets nahezu ausschließlich an monetären Belängen interessiert. Im Gegensatz zu Joey und Dee Dee, die wegen Krebs bzw. Heroin das Zeitliche gesegnet haben, erfreut er sich dafür noch bester Gesundheit und sieht zum Drehzeitpunkt immer noch aus wie vor 30 Jahren. Mittlerweile hat jedoch auch ihn die defekte Prostata dahingerafft.
Was bleibt, sind einige großartige Archivaufnahmen und natürlich die Musik der legendärsten 3-Akkord-Band der Musikgeschichte. Highly recommended.
9/10
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