In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#721
Geschrieben 07. April 2007, 22:47
300 ~ USA 2006
Directed By: Zack Snyder
Eine erlesene spartanische Kriegerschar unter Vorsitz des Königs Leonidas (Gerard Butler) hält den persischen Ansturm auf Griechenland für drei Tage zurück, bevor sie tapfer fällt.
Manchmal muss man sich selbst ja ernsthaft fragen: Was bleibt mir noch? Was bleibt übrig von der ursprünglich heiß ersehnten Umsetzung von Millers graphic novel, nachdem ich allerorten freiwilliger und unfreiwilliger Zeuge sein musste bei Diskussionen und Thesenausrufungen rund um den politischen Hunderotz, der bei "300" an jedem Zentimeter Film klebt; die Homoerotizismen, die mehr über ihre Auffinder verraten als über sich selbst; den Körperkult; die Dummheit; die Gewalt. Was bleibt dann noch?
Nun, bei allem wahlweisen Verifizierungs- oder Falsifizierungszwang, dem ich mich in unangenehmer Weise ausgeliefert fühlte und deren Auswirkungen ich zu müde bin, im Einzelnen zu erläutern, folgendes: Die Welt wird sich auch mit "300", dem Film, in ihr weiterdrehen, vermutlich ohne dass er eruptive Auswirkungen hinterlässt; als motion picture ist der Film audiovisuell ebenso einschätzbar wie "Sin City" und büßt damit an lebensnotwendiger Originalität ein; der mit "Braveheart" gestarteten Welle blutiger Geschichtsspektakel setzt "300" kein Glanzlicht, aber auch überhaupt keinen Schandfleck; als Gewaltvoyeurismus-Befriediger schließlich taugt der Streifen bestens - ja, trotz der kugelrunden Computerblut-Spritzer.
Und mit einem Grundsatz muss ich jetzt doch noch brechen: Für die lumpige, triefende Art und Weise, Antik-Politik mit der modernen zu verknüpfen - gemeint ist insbesondere die Szene im Rat - sollten beim Eintritt eigentlich vorsichtshalber Kotztüten mitgeliefert werden. Glücklicherweise verfüge ich über einen starken Magen.
5/10
#722
Geschrieben 09. April 2007, 11:23
The Beastmaster ~ USA 1982
Directed By: Don Coscarelli
Dar (Marc Singer), ein unwissentlicher Königssohn, dessen Adoptivdorf von einer monströsen Horde niedergefackelt wurde, hat eine besondere Fähigkeit: Er kann telepathische Verbindung mit Tieren aufnehmen. Darum zieht er mit einem Adler, einem Tiger und zwei Frettchen durch die Lande. Nachdem er mehrere Kampfgefährten rekrutieren kann, stößt er auf den Tyrannen Maax (Rip Torn), den er mit großem Hallo abserviert.
Barbaren-Kokolores, Part I: Nach seinem überragenden Sci-Fi-Horror "Phantasm" machte sich Coscarelli an die Saga um den Beastmaster Dar, in einem Anflug öffentlicher Selbsterniedrigung gespielt von Nulpe Marc Singer. Als schmal budgetierter Fantasy-Streifen im "Conan"-Gefolge ist "Beastmaster" ein reines Kind seines Autors: Coscarelli errichtet seine archaische Welt kurzerhand östlich von Los Angeles und erweckt sie dort mit großer Detailliebe und viel pseudomythologischem Tamtam erfolgreich zum Leben. Tanya Roberts, in deren Augenpaar ich schon als Kind verliebt war nachdem ich "Im Angesicht des Todes" im Kino gesehen hatte, übernahm den erfreulich leichtgeschürzten Heldinnenpart und ist eine einzige Augenweide. In seinen bescheidenen Bahnen ist "Beastmaster" auch nach so vielen Jahren ein ungeheuer sympathischer Film geblieben, der zwar im Barbarenolymp sein Plätzchen hat, dem es aber zur leidlichen Perfektion an einem fehlt: An graphischer Gewalt.
6/10
#723
Geschrieben 09. April 2007, 11:43
The Sword And The Sorcerer (Talon im Kampf gegen das Imperium) ~ USA 1982
Directed By: Albert Pyun
Talon (Lee Horsley), ein vertriebener Königssohn, tingelt mit seinen Kumpels als Abenteurer durch die vorzeitlichen Lande und gerät irgendwann durch Zufall wieder an jenen machtbesessenen Diktator, der seine Familie auf dem Gewissen hat, den fiesen Cromwell (Richard Lynch). Ein weiteres Lord-Geschwisterpaar (Simon MacCorkindale, Kathgleen Beller) ist gerade strampelnderweise dabei, sich sein gottgegebenes Herrschaftsrecht von Cromwell zurückzuerobern, also schließt man sich zusammen. Doch dann ist da noch der rachedürstige Dämon Xusia (Richard Moll), den Cromwell einst erweckt und dann verraten hat. Auch dieser hat noch seine Rechnung zu begleichen.
Barbaren-Kokolores, Part II: Mit sichtlich mehr Patte im Nacken als Kollege Coscarelli zaubert Pyun eine eher mediävistisch anmutende Welt auf die Leinwand, durch die er seinen kecken Helden Talon jagt. Die Ekelschraube ist hier ein bisschen strenger angezogen, so dass "Sword" auch wirklich schön 'barbarisch' wirkt. Etwas dulle inmitten all des Pappmachée kommen die zwischenzeitlichen Versuche daher, den Film mit Pseudowitz und halbgarer Mantel- und Degen-Romantik an alte Fantasyfilme Marke Sindbad anknüpfen zu lassen; dieses hehre Vorhaben geht nun wirklich polternd daneben. "Sword" orientiert sich in seiner Gestaltung auch weniger an "Conan" (der im Übrigen sogar etwas später ins Kino kam), als an Boormans "Excalibur" mit nebelverhangenem Look und matt glänzendem Stahl. Ganz spaßig.
5/10
#724
Geschrieben 09. April 2007, 14:15
La Guerre Du Feu (Am Anfang war das Feuer) ~ F/CAN/USA 1981
Directed By: Jean-Jacques Annaud
Die Steinzeit: Nachdem sie von Feinden vertrieben wurde, geht einer Sippe von Urmenschen auch noch ihre sorgsam gehütete Feuerquelle aus. Drei Stammesvertreter (Everett McGill, Ron Perlman, Nicholas Kadi) machen sich auf den gefahrvollen Weg nach Süden, um das Feuer zu finden. Nachdem sie ein Mädchen (Rae Dawn Chong) aus den Händen von Kannibalen befreit haben, bringt es sie zu seinem Stamm, deutlich zivilisierter lebende Frühmensch-Vertreter. Dort ist man unter anderem in der Lage dazu, selbst Feuer zu entzünden.
Fein anzuschauende Steinzeitmär, von einem wie stets äußerst ehrgeizig arbeitenden Annaud. Dass der Teufel im Detail liegt, hat der Franzose längst erkannt und so bereiten insbesondere die bildlichen Nebensächlichkeiten bei "Guerre" große Freude. Von dem fremden Mädchen respektive ihrem Clan lernen die drei "Ungebildeten" nicht nur, wie man Feuer macht; auch eine höher entwickelte Sprache, primitiven Hüttenbau, das Lachen und sogar Sexvariationen abseits des bislang gepflegten doggy style haben die Südländer zu bieten. Das sorgsam aufgebaute Script, das natürlich weitgehend dialogfrei bleibt (die Sprachrudimente der verschiedenen Stämme hat Anthony Burgess kreiert) stammt von Polanski-Stammautor Gerard Brach.
"La Guerre Du Feu" ist auch ein Film über visuelle Kommunikation: Trotz der fehlenden verbalen Ausdrucksmittel begreift man jede Fügung, im Film wird vornehmlich ohne zu sprechen kommuniziert; ebenso funktioniert der Dialog zwischen den Bildern und dem Rezipienten - auf rein visueller Ebene.
8/10
#725
Geschrieben 09. April 2007, 19:46
The Comancheros ~ USA 1961
Directed By: Michael Curtiz
Texas Ranger Cutter (John Wayne) fängt den wegen Mordes gesuchten Paul Regret (Stuart Whitman), dabei hat dieser nur einen Kontrahenten im Duell erschossen. Regret entkommt Cutter, der bald einen neuen Auftrag erhält: Er soll das Versteck der Comancheros ausfindig machen, einer Banditenbande, die den Komantschen Gewehre verschebelt. Dabei schnappt er sich auch Regret wieder, der vom Gericht Milde erfährt und selbst Ranger wird. Zusammen mischt das Doppel die Comancheros gehörig auf.
Curtiz' letzte von über 150 Regiearbeiten zeigt nochmal das große Können dieses prächtigen Unterhaltungsfilmers. "The Comancheros" ist ein launiger Western, wie man sich ihn nur wünschen kann, mit nahezu sämtlichen Zutaten des Genres inkl. toller Titelmelodie von Elmer Bernstein. Lee Marvin gibt sich einen prachtvollen episodischen Gastauftritt als halbskalpierter Waffenhändler Tully Crow, einer Art Vorstudie zu seinem Liberty Valance, der sich mit Duke, wie später in "Donovan's Reef", ein grandioses Besäufnis samt Kneipenschlägerei liefert. Schade, dass er so früh aus dem Film verschwindet.
Durch seinen episodenhaften Aufzug gibt sich der Film interessanterweise bei einer moderaten Laufzeit einen beinahe epischen Anstrich - was keinesfalls bedeuten soll, dass er auch nur eine Sekunde langweilig wäre.
8/10
#726
Geschrieben 10. April 2007, 09:23
Hatari! ~ USA 1962
Directed By: Howard Hawks
Amouröse und lustige Abenteuer einer Großwildjägertruppe rund um den erfahrenen Fachmann Sean Mercer (John Wayne) in Tanganjika.
"Hatari!" ist wie ein anti-depressiver, zweieinhalbstündiger Kurzurlaub in Ostafrika. So, als würde man längst liebgewonnene Freunde besuchen und sich von ihnen bei Zigaretten und Bier wieder die 45 Jahre alten Kamellen auftischen lassen. Witzigerweise erzählt der Film ja gar keinen durchgehenden Plot. Rund um das große ewige Hawks-Thema, das Zähmen des Widerspenstigen (hier geschehen: Durch die hübsche, viiiel jüngere Elsa Martinelli muss Duke dran glauben), entrollt Stammautorin Leigh Brackett die episodenhaft berichtete Geschichte einer Jagdsaison in Tanganjika um ein durchweg liebenswertes, internationales Ensemble. Von Unsympathen oder Arglist weit und breit keine Spur, Hardy Krüger (unser Mann in Afrika) nuschelt, Red Buttons feixt, Bruce Cabot säuft - alle stets guter Dinge und höchst passioniert. Traumhaft. Mittags in der Prärie, um Nashörner, Giraffen und Wasserbüffel zu fangen (übrigens haben die Darsteller diese Jobs - sichtbar - selbst erledigt), abends im Ferienhaus zum Trinken und Brettspielen. Urlaub eben.
Ich kenne glaube ich keinen anderen Film dieser Länge, der so erfrischend kurzweilig und erbaulich ist. Großes, ja, größtes Erzählkino, mit einem der allerbesten Soundtracks der Filmgeschichte (Henry Mancini) und in Hawks' Werk weit, ganz weit oben dabei.
10/10
#727
Geschrieben 10. April 2007, 09:48
Robin Hood ~ USA 1973
Directed By: Wolfgang Reitherman
Im Wald von Sherwood erleichtern Robin Hood und seine Bande die Schergen des raffgierigen Prinzen John um diverse Reichtümer, um sie den Armen zurückzugeben.
Vielleicht nicht der schönste, dafür aber der lustigste Disney-Trick. In erster Linie lebt dieser, nach Curtiz/ Keighleys Version von '38 die beste Verfilmung des Stoffes, davon, die bekannten Figuren durch passende Tiere samt kongenialen Stimmen zu ersetzen, speziell seine Bösewichte: Den unter einem schweren Ödipuskomplex leidenden Prinz John (Löwe), seinen hinterlistigen Adjutanten Sir Hiss (Schlange) und den feisten Sheriff von Nottingham (Wolf). Prinz John wird in der englischen wie der deutschen Fassung von Peter Ustinov vertont, ein Ohrenschmaus. Für Robin Hoods (Fuchs) besten Kumpel Little John (Bär) musste wieder Phil Harris (in der deutschen Version Edgar Ott) herhalten, der seinerzeit schon die im Prinzip selbe Figur im "Jungle Book" verkörperte. Über die meisten Gags kann ich mich immer noch halbtot lachen, wenn auch vielleicht aus geringfügig anderen Gründen als vor 25 Jahren.
10/10
#728
Geschrieben 11. April 2007, 09:23
Last Train From Gun Hill (Der letzte Zug von Gun Hill) ~ USA 1957
Directed By: John Sturges
Die indianische Frau (Ziva Rodann) von Marshall Matt Morgan (Kirk Douglas) wird vergewaltigt und getötet. Es stellt sich heraus, dass Rick Belden (Earl Holliman) und ein Kumpel (Brian Hutton) die Verantwortlichen sind. Pikanterweise ist Rick der Sohn von Morgans bestem Freund Craig Belden (Anthony Quinn), der als Großrancher das eine Tagesreise mit dem Zug entfernte Gun Hill "beherrscht".
Nachdem die Fronten geklärt sind, Belden weigert sich standhaft, Rick auszuliefern, schnappt Morgan sich das enfant terrible und wartet auf den 9-Uhr-Zug, raus aus Gun Hill. Das Hotel in dem Morgan und sein Gefangener sich aufhalten, wird derweil von Belden und seinen Handlangern belagert.
Die Legende will es, dass Paramount-Producer Hal Wallis von Delmer Daves' "3:10 To Yuma" für Columbia dermaßen begeistert war, dass er ihn nach einem Test-Screening auf den Kopf zusagte, er plane "etwas Ähnliches" und werde nicht lang um Erlaubnis fragen. Das Ergebnis liegt in ungefähr gleicher Reichweite zum Original wie "Rio Bravo" zu "High Noon". Natürlich ist "Last Train" die sichtbar teurere, exquisiter besetzte, lautere und auf den ersten Blick besser aussende Produktion, einem Regisseur wie Sturges absolut würdig. Und er ist durchweg gute Genreware. Die feinfühlige Note des Vorbilds geht ihm aber ab, Daves verstand es, seinen stilvollen, schwarzweißen Film mehr von innerer, psychologischer Spannung leben zu lassen denn von oberflächlichen Werten. Die Motivationslage des jeweiligen Protagonisten ist ja schon eine völlig andere. Erstaunlicherweise wirkt Van Heflin als von Finanzsorgen gebeutelter, ängstlicher Farmer wesentlich glaubwürdiger als der rachedürstige Marshall Douglas mit versteinerter Miene (obwohl man ihn natürlich trotzdem stets gern sieht). Die antagonistische Zeichnung indes gelingt beiden Filmen in gleichwertiger Weise. Quinn ist immer eine Bank, da hat selbst ein Glenn Ford in Bestform nicht viel zu bestellen.
Das Thema "Zeitnot" und damit die Ankunft eines nahenden Zuges aber können selbst Daves bzw. Elmore Leonard nicht als Originalitätsbonus verbuchen, das war schon ein paar Jährchen zuvor Zinnemann-Sache.
8/10
#729
Geschrieben 14. April 2007, 11:46
Scarface ~ USA 1932
Directed By: Howard Hawks
Tony Camonte (Paul Muni), Sohn italienischer Immigranten, steigt mithilfe skrupelloser Brutalität zur Unterweltgröße auf. Zum Verhängnis wird ihm schließlich die Vernarrtheit in die eigene Schwester (Ann Dvorak), respektive deren Affäre mit Camontes rechter Hand Rinaldo (George Raft).
Howard Hughes produzierte das letzte Mosaikstückchen des legendären amerikanischen Gangsterfilms, nachdem Warner Bros. bereits mit "Public Enemy" und "Little Caesar" ins Rennen gegangen waren. Der große Publikumszuspruch, den dieses Tommy-Gun-Trio erhielt, ist nicht schwer zu erklären. In einer Zeit tiefster existenzieller Unsicherheit erfüllte sich der amerikanische Traum nur noch jenen, die rücksichtslos genug waren, ihn durchzusetzen, sprich: Sich gegen das Gesetz zu wenden. In einer Faszination aus Angst und Bewunderung wurden Cagney, Robinson und Muni, später auch Bogart und Raft (der tatsächlich mafiöse Kontakte pflegte) zu Antihelden der Post-Depression erklärt. Für einen wohlhabenden Exzentriker wie Hughes war jene Thematik von besonderer Faszination; er versah "Scarface", auch im Angesicht von Zensur und öffentlicher Beschwichtigung, mit einem scharfen gesellschaftskritischen Ton, der vor kriminellen Emporkömmlingen wie dem realen Al Capone (der bei der "Scarface"-Premiere hinter schwedischen Gardinen saß) warnte und in diesem Zuge auch gleich das berüchtigte Valentinsmassaker von '29 verwurstete.
Soviel frühreifer Kintopp wie ihm aus gegenwärtiger Perspektive gern angedichtet wird, verbirgt sich also gar nicht hinter Hawks' drittem Tonfilm. Stilistisch bediente man sich freimütig bei Langs "M", dessen Unterweltatmosphäre und expressionistische Bilder samt tonalem Pfeifmotiv offensichtlich großen Eindruck bei den "3 big H's" (Hughes, Hawks und Hecht) hinterließen. Letzten Endes muss man "Scarface" eines ganz besonders zu Gute halten: Die Virtuosität eines großen Regisseurs, derer man bei ihm ansichtig wird.
9/10
#730
Geschrieben 14. April 2007, 12:10
Scarface ~ USA 1983
Directed By: Brian De Palma
Nachdem Castro kurzfristig die Tore für kriminelle Exilanten geöffnet hat, landet Tony Montana (Al Pacino) in einem Auffanglager in Florida. Von dort aus arbeitet er sich mittels Mord und Drogenhandel zum größten Gangster des Staates hoch. Doch für Tony sitzt es sich nicht gut auf dem hohen Ross, sein Imperium zerbricht.
50 Jahre nach Howard Hawks' Original machte sich Oliver Stone unter Berücksichtigung der narrativen Stützpfeiler an eine Neuauflage des Stoffes und nutzte die Gelegenheit, aktuellerer Paranoia stattzugeben. Schon damals war des Übels Wuzel ein nicht-englischsprachiger Einwanderer, nunmehr handelt es sich sogar um einen (vermeintlich) politischen Asylanten - aus einem kommunistisch regierten Staat zudem. Mit höchst asozialem Gebahren setzt Montana seine Version von Aufstieg und Reichtum in die Tat um; De Palma darf dafür eine Bildsprache nutzen, die dem Sujet durchaus angemessen ist. Die Manifestation des Reichtums Montanas entspricht wohl wirklich dem, was ein Mann seines Ethos zu repräsentieren wünscht: Stillose Statussymbole und ein Berg Koks. Gerade in dieser "realen" Perspektive liegt die große Differenz zwischen "Scarface" und allen vergleichbaren Gangsterepen. Der übliche Mobster findet sich modifikationsfrei in jeder beliebigen Dekade wieder, die altehrwürdige Cosa Nostra eben. Wenn aber Montana, voll auf Yeyo und mit überdimensionaler Zigarre im Mund zu Giorgio Moroder-Klängen ungelenk in der Disco herumhopst, dann ist man im Hier und Jetzt angelangt.
"Scarface" ist ein gewaltiges Meisterwerk, in sämtlichen Belangen ohne Tadel. Stones Buch, De Palmas geschlossene Umsetzung und ganz besonders Pacinos Interpretation: Alles radikal, alles monströs. Für den Regisseur, der stets einen leichten Hang zum Plüschigen mitbringt, wirkt der Film mit epischer Länge und prolliger Montur nur auf den ersten Blick ungewöhnlich. "Scarface" ist De Palma durch und durch, hinter jeder Ecke lauert ein inszenatorisches Kabinettstückchen, das dem Meister so leicht von der Hand geht, dass man es kaum noch wahrnimmt.
10/10
#731
Geschrieben 14. April 2007, 17:03
Captain Horatio Hornblower R.N. (Des Königs Admiral) ~ USA 1951
Directed By: Raoul Walsh
Im Dienste der königlich britischen Seeflotte unterstützt der pflichttreue und galante Captain Hornblower (Gregory Peck) einen mittelamerikanischen Minidespoten namens El Supremo (Alec Mango) gegen die spanischen Besatzer, nur um kurz darauf zu erfahren, dass Spanien sich mit England gegen Napoleon verbündet hat. Das übergebene Schiff schießt Hornblower daraufhin El Supremo unter dem Allerwertesten hinweg. Ein zweites Abenteuer führt Hornblower und seine Mannen gegen Frankreich, in die Gefangenschaft und wieder nach Haus.
Die Abenteuerromane C.S. Foresters um den Musteroffizier Hornblower zählen zur Lieblingslektüre historisch interessierter Schmökerer. Für die prächtige Verfilmung durch einen von Hollywoods beliebtesten Männerfilmregisseuren, Raoul Walsh, formte Forester persönlich Fragmente einzelner seiner Geschichten kinotauglich zusammen. In Gregory Peck, der seinerzeit vertraglich an Selznick gebunden war und daher ausgeliehen werden musste (im Vorspann wird dies - eine Rarität - sogar vermerkt), fand der beliebte Offizier und Gentleman eine höchst ansprechende Personifizierung. Walsh, Profi durch und durch, hielt sich im Wesentlichen an durch vorherige Seeabenteuer geprägte Farbästhetik und Actionvorgaben und achtete mit Argusaugen darauf, dass Seegefechte und nautische Begebenheiten auch für ein unbedarftes Publikum spannend, interessant und vor allem sichtbar realistisch ausfielen. In einer Minirolle als spanischer Kapitän: Christopher Lee.
9/10
#732
Geschrieben 15. April 2007, 11:37
Perché Sì Uccide Un Magistrato (Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?) ~ I 1974
Directed By: Damiano Damiani
Die offenen Korruptionsvorwürfe, denen sich der sizilianische Staatsanwalt Traini ausgesetzt sieht, verschärfen sich noch, als der Politfilmer Solaris (Franco Nero) die unlauteren Ereignisse um Traini zum Thema seines neuen Werks macht. Am Ende dieses Films wird der Staatsanwalt von öffentlicher Hand gerichtet. Als die Realität die Fiktion einholt - Traini wird tatsächlich erschossen - sieht sich Solaris seinem schlechten Gewissen als Demagoge und dem Druck der Aufklärung ausgesetzt. Mafiosi, Parteiinterne, ehemalige Verurteilte: Die Liste der Verdächtigen ist lang.
Damianis wiederum hervorragender Politkrimi beschäftigt sich vor allem mit der Frage nach der Verantwortung des Einzelnen, der zwischen persönlicher Integrität und öffentlichem Interesse zu wählen hat. Solaris' Zwickmühle verengt sich insbesondere gegen Ende: Die Affäre um den Ermordeten hat bereits weitere Todesopfer gefordert, die unbestechliche Presse ein Hornissennest aus Verstrickungen zwischen Politik und organisiertem Verbrechen ausgehoben, da legt Solaris die höchst irdischen und privaten Hintergründe des Traini-Mordes offen. Auch wenn der gesellschaftlichen Dimension des Falls mit dieser unspektakulären Enthüllung alles andere als Genüge getan ist und Solaris am Ende als Spezi krimineller Politiker dasteht - die Wahrheit kommt zu ihrem Recht.
Damiani, den als linker auteur häufig die Involvierung der Mafia in soziale Belange beschäftigt, hinterfragt mit "Magistrato" seine eigenen Aktionsradius als Filmemacher. Solaris ist unschwer erkennbar ein Repräsentant des gegenwärtigen politischen Kinos, eine hörbare Stimme. Die Problematik liegt in der Frage, ob Damianis Wertbeimessung des Spielfilms als Medium zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung nicht ein wenig zu utilitaristisch angelegt ist. Um das hinreichend beantworten zu können, muss man wohl selbst im Italien der 70er Jahre gelebt haben. Immerhin: Solange Damiani seine Thesen so spannend wie hier darlegt, soll's mir recht sein.
8/10
#733
Geschrieben 15. April 2007, 20:30
Spider-Man ~ USA 2002
Directed By: Sam Raimi
Nachdem er von einer genetisch veränderten Spinne gebissen wird, ändert sich für den schüchternen Schüler Peter Parker (Tobey Maguire) das Leben komplett. Urplötzlich verfügt er über übermenschliche Fähigkeiten, kann Wände hochgehen, ist superstark und äußerst widerstandsfähig. Außerdem schießt er bei Bedarf aus dem Handgelenk ein Netz ab, mit dem er sich durch die Lüfte schwingen kann. Als 'Spider-Man' ist er bald in aller Munde. Doch kein Held ohne Widerpart: Der schizophrene Industriemogul Osborn (Willem Dafoe), Vater von Peters bestem Freund Harry (James Franco), macht als 'Grüner Kobold' die Dächer New Yorks unsicher. Aber für Peter ergeben sich noch weitere Probleme: Er fühlt sich mitverantwortlich für den Tod seines Onkels (Cliff Robertson) und ist unglücklich in die schöne Mary Jane (Kirsten Dunst) verliebt.
Nach dem Erfolg der Marvel-Verfilmungen "Blade" und "X-Men" wartete 02 das seit Jahren angekündigte aber nie realisierte, größte Projekt auf die gierigen Fanboys in aller Welt: "Spider-Man", unter der geübten Hand Sam Raimis zum Leben erweckt. Es gab wohl niemanden, den der Film enttäuscht hätte; nicht nur, dass sämtliche wichtigen Faktoren der 40 Jahre alten Vorlage berücksichtigt wurden, auch und insbesondere jenes Erfolgsrezept, das bereits dem Comic solche Triumphe beschert hatte, wusste man trefflich zu nutzen: Die Identifikationsbasis, die in dieser Form von allen bekannten Superhelden-Ikonen nur Spider-Man zu bieten hat. Parker ist der ewige Nerd, der trotz seiner Intelligenz überall zweiter ist, was sich unerwarteterweise auch nach dem Erhalt seiner Kräfte nicht ändern mag. Die Nahbarkeit, die diese Phantasiefigur damit aufweist, haucht ihr erst Leben und Seele ein. Ganz abgesehen von den rundum geglückten, rasanten Computereffekten ist der Film damit ein bleibend gelungenes, zu Herzen gehendes Stück Großentertainment.
9/10
#734
Geschrieben 15. April 2007, 20:51
Spider-Man 2 ~ USA 2004
Directed By: Sam Raimi
Peter Parkers (Tobey Maguire) Schwierigkeiten haben sich kaum verringert. Er haust in einer Bruchbude in Manhattan, mag MJ (Kirsten Dunst) nicht seine Liebe eingestehen und muss sich selbst tagtäglich in die Pfanne hauen, da er dem sensationsheischenden Jameson (J.K. Simmons) Fotos von Spider-Man liefert, die der Bugle-Chef für kompromittierende Schlagzeilen missbraucht. Dann erscheint ein neuer villain in der Stadt: Der Wissenschaftler Octavius (Alfred Molina) dreht nach einem Laborunfall durch. Vier metallene Tentakel sind an seinem Rücken festgewachsen und verfügen über ein mörderisches Eigenleben.
Mit der Fortsetzung schaufeln die Beteiligten tatsächlich noch ein Schippchen drauf: "Spider-Man 2" glänzt mit jeder einzelnen Faser. Nur allzu gern lässt man sich wieder in die problembehaftete Existenz des tragikomischen Glückssuchers Parker hineinziehen, liebt und leidet mit ihm. Die Tricks sind von einem visuellen Realismus, der selbst den des Vorgängers noch übertrifft, die Liebesgeschichte zwischen Peter und Mary Jane ist so bittersüß und herzzereißend, das man das Tränchen nur unter Mühen zurückhalten kann. Schließlich hat dieser Film den interessanteren, differenzierteren Bösewicht zu bieten: Molina als Doc Ock legt beachtlich viel Verve in seine Rolle.
Sich von einem astronomisch teuren und durchkalkulierten Hochglanzprodukt wie diesem so begeistern zu lassen geht zugegeben nicht ganz ohne schlechtes Gewissen ab bei mir, aber andererseits lässt "Spider-Man 2" Comicträume wahr werden wie kaum ein anderes vergleichbares Projekt und ist in jeder Beziehung von einer schon beängstigend zu nennenden Geschlossenheit und Perfektion.
Zur aktuell gesehenen 2.1-Version: Ein paar editorische Änderungen, kaum wahrnehmbar, ansonsten vornehmlich auflockernde, witzige Momente wie Jameson im Spideykostüm oder eine unfreiwillige Typberatung für den Helden. Letztlich Kohlenscheffelei, der wahre Fan wird aber kaum verzichten wollen. Der Kinoversion fügt der Umschnitt jedenfalls kaum Neues hinzu.
10/10
#735
Geschrieben 16. April 2007, 21:02
Box Of Moon Light (Der Mond in meiner Hand) ~ USA 1996
Directed By: Tom DiCillo
Eine handfeste midlife crisis macht dem Elektroingenieur Al (John Turturro) zu schaffen. Also nutzt er die paar überzähligen Arbeitstage in der Provinz, um Kindheitserinnerungen aufzufrischen. Doch statt ein Bad in seinem heißgeliebten See (der mittlerweile durch Formaldehyd verseucht ist) zu nehmen, haust er ein paar Tage bei dem jungen Eremiten Kid (Sam Rockwell).
Liebenswerte Komödie mit einem großartigen Turturro. Dieser leistet tüchtigste Arbeit, da in jeder einzelnen Szene präsent - DiCillo trägt seine Geschichte ausschließlich aus der Protagonistenperspektive vor. Das Thema 'Ändertage im Leben eines vom Leben geplagten' ist zwar wenig revolutionär, lässt sich jedoch stets erneut auf sympathische Art und Weise erzählen, wie hier bewiesen. Dass der auteur seinen Film zur mehrfachen Kirchenschelte nutzt, ist ihm ohnehin hoch anzurechnen.
Als "Box of Moon Light" damals lief, kam mir ausschließlich amerikanisches Indie-Kino ins Haus und so schlug der Film seinerzeit ziemlich ein bei mir. Heute ist diese Euphorie etwas abgeebbt, die einstmalige Magie leicht entzaubert. Die humanistischen und moralischen Qualitäten von DiCillos unspektakulärem Erwachsenenmärchen habe ich aber zum Glück noch wiederfinden können.
8/10
#736
Geschrieben 16. April 2007, 21:27
Bottle Rocket (Durchgeknallt) ~ USA 1996
Directed By: Wes Anderson
Anthony (Luke Wilson) wird nach einiger Zeit aus der Nervenklinik entlassen - und abgeholt von seinem völlig spinnerten Kumpel Dignan (Owen Wilson). Der hat sich, nicht faul, einen hübschen 75-Jahres-Outlaw-Plan für das durch Bob (Robert Musgrave) komplettierte Trio zurechtgezimmert, welcher jedoch am Dilettantismus der Freunde und an Anthonys Liebe zu einem Zimmermädchen (Lumi Cavazos) scheitert. Der exzentrische Großganove Mr. Henry (James Caan) hat aber noch ein paar Extraideen auf Lager ...
Mit Studiounterstützung machte Anderson aus dem gleichnamigen short sein Langfilmdebüt. Erstaunlich, dass sein einprägsamer Inszenierungsstil, zwischen lakonisch und skurril pendelnd, der lange Atem, kurz ausgestoßen, sich gleich hier unerbittlich festsetzt und nie mehr weichen will. All die Verschrobenheit, die einen Anderson-Film auszeichnet, die vermeintliche Richtungslosigkeit (als Straßenplan wären Andersons Regieeinfälle und -umwege ein heilloses Chaos und nur aus größerer Distanz lesbar) mit Popperlen aus den 60er Jahren umsäumt, kommt hier bereits zum Einsatz. Einzig die Poesie, die erst mit "Rushmore" prägnanten Einzug halten wird, ist in "Bottle Rocket" zwar bereits präsent, aber noch ein bisschen kantig und ruppig. In den Gebrüdern Wilson hat Anderson ja zwei wie gespuckte Performer für seine wunderbaren Spinnereien gefunden, wobei Owen, der ältere, sogar noch fleißig mitwerkelt an den zahlreichen Kopf- und Herzgeburten.
Und dass Anderson mit "Bottle Rocket" dem 'indischen Helmut Körschgen', Kumar Pallana, den Weg zu einer späten Starkarriere ebnet, wird ohnedies sein ewiger Verdienst bleiben.
9/10
#737
Geschrieben 19. April 2007, 17:12
Anatomy Of A Murder (Anatomie eines Mordes) ~ USA 1959
Directed By: Otto Preminger
Rechtsanwalt Paul Biegler (James Stewart), etwas angegraut, interessiert sich mehr für die Fischerei denn für die Jurisprudenz. Als er auf den Fall des Offiziers Manion (Ben Gazzara) stößt, der den Vergewaltiger seiner Frau erschossen hat, erwacht das alte Feuer in ihm. Zusammen mit seinem versoffen Freund Parnell (Arthur O'Connell) verteidigt er Manion vor Gericht gegen den scharfen Anklagevertreter Dancer (George C. Scott).
Als eines der berühmtesten Courtroom-Dramen wird "Anatomy" seit Jahrzehnten zu Recht geschätzt. Im Schaffen seines Regisseurs sollte man ihn sicher zu den wichtigsten Arbeiten zählen, die, um noch ein Superlativ draufzulegen, mit einem der besten Darsteller-Triumvirate der 60er Jahre (Stewart - Gazzara - Scott) aufzutrumpfen vermag. Seinem Titel durchweg gerecht werdend liefert der Film mit der Genauigkeit eines Gerichtsprotokolls die exakte Aufarbeitung einer Verhandlung, unter striktem Verzicht auf advokatische Heroismen oder sonstige spekulative Überhöhungen, die man aus den meisten Filmen mit verwandter Thematik kennt. Ihren besonderen Reiz bezieht die Geschichte auch daraus, dass man von Rückblenden u.ä. verschont bleibt und bei der Wahrheitsfindung, genau wie Biegler, stets auf das angewiesen ist und bleibt, was der Angeklagte und die Zeugen hervorbringen. Dabei kommt der - mitunter recht schwarze - Humor, der sich in schlagfertigen Dialogen manifestiert, die zumeist auf die Kappe des Vorsitzenden (trefflich: Joseph N. Welch) gehen, nicht zu kurz. Stimulanz für Auge und Hirn.
9/10
#738
Geschrieben 19. April 2007, 20:47
Eaten Alive (Blutrausch) ~ USA 1977
Directed By: Tobe Hooper
Hinter seinem Motel am Arsch der Welt hat Judd (Neville Brand), ein Hillbilly ersten Ranges, einen Tümpel mit einem gefräßigen Krokodil darin. Diesem überantwortet Judd sämtliche Menschen, die auch nur daran denken, als Gäste in seiner Herberge einzuchecken - wobei sich bei deren lokaler Lage ohnehin die Frage stellt, wie zum Teufel das Ding in so kurzer Zeit von so vielen Leute ausfindig gemacht werden kann...
Tobe Hooper wirkt mit Brille und Vollbart immer ein bisschen wie der kleine, in jeder Beziehung benachteiligte Bruder der New-Hollywood-Garde um Coppola, Lucas, Scorsese und Spielberg, allesamt selbst Brillen- und Bartträger. Zumindest nach "TCM" hätte man Hooper ein bisschen bedauern mögen, weil für ihn als Regisseur eines der abseitigsten Instant-Klassiker der 70er Jahre von dem großen Kuchen nur Krümel übrig blieben. "Eaten Alive" dann, Hoopers nächstes Projekt, mit einer rundum ansehnlichen Exploitation-Besetzung. Das arriviert-abgewrackte Trio Mel Ferrer, Stuart Whitman und Carolyn Jones wäre da natürlich primär zu nennen, gleich gefolgt von Robert Englund, Janus Blythe und Marilyn Burns, deren Texas-Schicksal sich unbarmherzig wiederholt, die hier aber wenigstens einen Knebel verpasst bekommt.
Die unnachgiebige Qualität seines Erstlings erreicht Hooper nur im Finale von "Eaten Alive", das dem Vorgänger in Schnitt und Fotografie in nichts nachsteht. Die 80 Minuten davor jedoch bestehen aus inhaltlichen Vakua und unmotivierten Füllszenen, die jeder Hinterhofpornofilmer ebenso gut hinbekommen hätte. Burns' Ehemann (Bill Finley) zieht in pounkto Irrsinn mindestens mit dem guten Judd gleich - wieso, warum, weshalb - das erfährt man nicht. Judds Kaschemme liegt unentwegt in Nacht und Nebel, auch wenn es anderswo Tag ist. Tja. Und dann das Plastik-Krokodil. Wenn das alles nicht so lustig wäre, müsste man "Eaten Alive" bescheinigen, hoffnungslos vergeigt zu sein, aber so ...
4/10
#739
Geschrieben 22. April 2007, 12:42
Rushmore ~ USA 1998
Directed By: Wes Anderson
Ein halbes Jahr im Leben des Max Fischer (Jason Schwartzman). Dieser ist als Stipendiat an der altehrwürdigen Eliteschule Rushmore. Max ist dort außerordentlich engagiert als Gründer diverser Klubs und Vereine, nur seine Noten sind unter aller Kanone. Dem Schulleiter Guggenheim (Brian Cox) bereitet er daher übelstes Kopfzerbrechen. Als Max sich in die neue Lehrerin Ms. Cross (Olivia Williams) verliebt und mit seinem Freund und Nebenbuhler Blume (Bill Murray) den großen Balzkampf austrägt, gelangt Max dann gleich an mehrere biografische Wendepunkte.
Mit "Rushmore" hat Wes Anderson sich die verdiente internationale Anerkennung verschafft. Seine verschrobene Art des Filmemachens mitsamt den Geschichten aus seiner höchsteigenen Parallelrealität, verpackt in mehrere Akte (wie bei einem Theaterstück öffnet sich jeweils der Vorhang zum neuen Aufzug in Form des Folgemonats) setzt sich hier endgültig durch. Max Fischer ist ein Anderson-Charakter par excellence, ein Träumer und Spinner bei der Verfolgung unerreichbarer Lebensziele und Nerd aus Überzeugung. Dabei verfügt Fischer über kein besonderes Allgemeinwissen, ist aber ein Quell sprudelnder Kreativität, wie u.a. seine Theaterstücke, darunter eine Adaption von "Serpico", beweisen. Man meint, ein alter ego Andersons in dem vermeintlich seltsamen Jungen zu erkennen. Besonders liebenswert macht ihn aber die Tatsache, dass er bei aller Altklugheit und Persönlichkeitsexotik doch immer ein pubertierender Fünfzehnjäger bleibt - und Anderson das nie vergisst.
Mit Stücken von Creation, Cat Stevens, The Who, den Stones und den Faces, die als auditive Bildunterstützung derart bravourös gewählt sind, dass man pausenlos applaudieren möchte, stellt Anderson zudem eine umfassende Kenntnis der Musikgeschichte der späten 60er und frühen 70er unter Beweis. Zucker.
10/10
#740
Geschrieben 22. April 2007, 20:07
Brick ~ USA 2005
Directed By: Rian Johnson
Nachdem der Schüler Brendan (Joseph Gordon-Levitt) zunächst eine Nachricht seiner Ex-Freundin (Emilie de Ravin) mit der anschließenden Bitte um Hilfe vorfindet, setzt er bereits alle Hebel in Bewegung, um ihr beizustehen. Zwei Tage später ist das Mädchen dann tot. Brendan macht sich auf, den Fall zu klären und stößt bald auf Pin (Lukas Haas), den König der juvenilen Dealer.
Die Idee, einen film noir im sonnigen kalifornischen Highschool-Milieu zu plazieren ist ja an sich recht anerkennenswert. Johnson demonstriert dann auch mehrfach eingehend, dass er die Regeln jener filmischen Untergattung bestens studiert und begriffen hat und mit einer modernen Art der Inszenierung zu koppeln versteht. Offene, flächige Bilder vor meist menschenleerem Hintergrund verleihen "Brick" eine gewissermaßen desolate Atmosphäre.
Mir ist die Geschichte um den Nachwuchsschnüffler Brendan aber ziemlich spurlos am Popo vorbeigerauscht. Ich empfand den Film stellenweise als sehr zäh und die seltsam-entrückte Art, mit der sich das Geschehen voranschleppt, wollte mir auch nicht recht zusagen. Wenn mir also künftig der Sinn nach verworrenem Kriminalsalat steht, werde ich mich lieber gleich den Originalen oder gelungeneren Neo-Varianten widmen, mit garantiert wesentlich höherem persönlichem Profit.
5/10
#741
Geschrieben 22. April 2007, 20:21
Spartan ~ USA/D 2004
Directed By: David Mamet
Der beinharte Marine Scott (Val Kilmer) erhält den Auftrag, die entführte Tochter (Kristen Bell) des US-Präsidenten zu befreien. Es macht den Anschein, als wäre sie von einem Mädchenhändlerring nach Dubai verschleppt worden, doch dann findet man ihre Leiche. Tatsächlich stellt sich aber heraus, das die erste Spur sehr wohl die richtige war und der Tod des Mädchens aus PR-Gründen nur vorgetäuscht wurde. Scott muss bald auf eigene Faust handeln.
Für Mamet-Verhältnisse eine recht eigenwillige Arbeit. Der lonesome soldier Scott erinnert in seiner zynischen Abgefeimtheit und eiskalten Professionalität eher an ähnlich gelagerte Männerfiguren des Genres, scheint tatsächlich sogar als Mischung aus einem typischen Dolph-Lundgren-Charakter und Creasy aus "Man On Fire" angelegt zu sein. Seine trockene, sehr konzentrierte Art der Darbietung steht "Spartan" aber ganz ordentlich und so kann er an einem frühen Sonntagabend als etwas spektakulärerer "Tatort"-Ersatz voll bestehen. Dennoch erscheint es fraglich, ob man in ein paar Jahrzehnten noch von ihm sprechen wird ...
6/10
#742
Geschrieben 24. April 2007, 14:59
The Royal Tenenbaums ~ USA 2001
Directed By: Wes Anderson
Nachdem er vor Jahren Frau (Anjelica Huston) und Kinder (Gwyneth Paltrow, Ben Stiller, Luke Wilson) im Stich gelassen hat, fühlt Lebemann Royal Tenenbaum (Gene Hackman), auch im Angesichte des endgültigen Bankrotts, den Drang, heimzukehren. Nachdem er sich zunächst durch Lügenmärchen versucht, wieder in die Familie einzuschleichen, schafft er es schließlich doch noch, einige universelle Fehler ansatzweise wieder gut zu machen.
Wenn gleich nach dem Abspann schon die Freude auf das nächste Wiedersehen Gestalt annimmt, dann spürt man, man ist heimgekehrt.
Vor nunmehr fünf Jahren ließ "The Royal Tenenbaums" gleich beim Kinobesuch im Essener Astra meine beiden bis dato stets wehrhaft gebliebenen Favoriten, "Blade Runner" und "Barton Fink", urplötzlich hinter sich. Warum? Ich hatte das Gefühl, da blickt jemand direkt in meine Seele. Lachen und Weinen, die beiden elementarsten und innigsten Gefühlsreaktionen, hier waren sie beide, ganz intensiv, ganz unvorhergesehen. Dann die (Familienchroniken haben es mir schon immer angetan, seit Manns "Buddenbrooks" in der 11. Klasse) Parallelen zum eigenen Vater, von dem ich mir gewünscht hätte, dass er ebenso glorios rehabilitiert wie Royal aus dem Leben geschieden wäre. Ich bin zwar Einzelkind, aber solche Geschwister wie Margot, Chas und Richie hätte ich auch genommen, den Nachbarsjungen Eli Cash (Owen Wilson) inbegriffen. In Andersons New York hat Zeit keine Bedeutung, gibt es kaum Wolkenkratzer und keine gelben Taxis, nur schrottreife Rostlauben der Firma "Gypsy Cab". Pastell- und Sepiafarben wurden noch nie so zum strahlenden Leuchten gebracht, wie hier, kurz bevor Richie seinen Falken Mordecai fliegen lässt (und kurz danach). Humor war selten bitterer, und ich weiß nicht, ob ich ohne Raleigh St. Clairs (Bill Murray) willfähriges Studienobjekt, den unerklärlichen Dudley Heinsbergen (Stephen Lea Sheppard) die Tenenbaums überhaupt je als Komödie anerkannt haben würde. Und am Ende quetscht Anderson, nachdem er uns - für ihn ungewöhnlich - mit den Ramones und The Clash verwöhnt hat, auch noch die letzte Träne aus der Drüse: Bei Royals herbstlicher Beerdigung spielt er Nico ("The Fairest Of The Seasons") und setzt damit das letzte Gleichnis in dieser Kette von gleichnishaften Momenten.
Ich wüsste keinen einzigen Augenblick, keine Zeile, kein einzelnes Bild, das man durch ein anderes ersetzen könnte.
10*/10
#743
Geschrieben 24. April 2007, 19:55
Will Penny (Der Verwegene) ~ USA 1968
Directed By: Tom Gries
Nach einem weiteren Job als Viehtreiber ist Will Penny (Charlton Heston) auf der Suche nach einer neuen Tätigkeit. Er heuert bei der Flat Iron Ranch als Grenzwächter an und soll das riesige Areal im Gebirge sichern. Dort angekommen begegnen ihm einige Bekannte wieder: Die resolute, aber warmherzige Catherine (Joan Hackett) mit ihrem Jungen (Jon Gries) und der verrückte Prediger Quint (Donald Pleasance), der mit Will noch eine Rechnung offen hat, seit dieser einen seiner drei Söhne (Bruce Dern, Matt Clark, Gene Rutherford) in einem Gefecht erschießen musste.
Fälschlicherweise spricht der Volksmund von Western ja gelegentlich als "Cowboyfilme". In diesem raren Fall trifft jene Bezeichnung tatsächlich mal zu. In seiner ersten Arbeit fürs Kino berichtet Gries primär von dem harten, beileibe unromantischen Leben, das die Cowboys im 19. Jahrhundert führen mussten. Dreckig, unkomfortabel und rau ging es in der Prärie zu. Ohne übertriebenes Heldenpathos und eindrucksvoll gekonnt spielt Heston die Rolle des Analphabeten Will Penny, der zu den größten Antihelden des US-Western gezählt werden muss. In poetischen Bildern (Lucien Ballard) hält Gries die Einsamkeit Pennys vor großen Gebirgspanoramen fest. Ohne stringente Lebensplanung, stetigen Selbstzweifeln unterliegend, schafft der es am Ende nicht einmal, der Verheißung von Haus und Familie zu folgen. Vielleicht ist das Ganze dann doch wieder Teil einer großen Romantisierung. Für Heston-Hasser als Teil einer Gewöhnungstherapie eignet sich jedenfalls kaum ein Film so gut wie "Will Penny".
8/10
#744
Geschrieben 27. April 2007, 18:07
Emanuelle - Perché Violenza Alle Donne? (Emanuela - Alle Lüste dieser Welt) ~ I 1977
Directed By: Joe D'Amato
Die einen legendären Ruf als Enthüllungsjournalistin genießende Emanuelle (Laura Gemser) ist diesmal in Sachen Feminismus unterwegs - dabei gilt es natürlich, die nymphomanen Gelüste möglichst unbehelligt ausleben zu können. Auf nahezu jedem Kontinent spürt Emanuelle die Vasallen eines orientalischen Mädchenhändlers (Gianni Macchia) auf, der sich schlussendlich aber dann doch als ganz in Ordnung und v.a. als einsichtiger Zeitgenosse entpuppt, weswegen er auch keinen weiteren Ärger bekommt.
Immerhin hat sich Emanuelle durch nahezu sämtliche Betten aller globalen Hemisphären gepennt.
Ziemlich witzige Gemser/Massaccesi - Kollaboration, die ihr ernstes Thema um den Handel mit weißen (dies wird zur gemeinen Verständlichkeit mehrfach betont) Mädchen, die irgendwo in Elfenbeinküste verschütt gehen, alles andere als ernst nimmt. Eine Massenvergewaltigung hier, eine dort - solang die Opfer davonkommen, und das tun sie alle, geht's auch für sie fröhlich weiter. Den Bringer bringt George Eastman mit rotem Punkt auf der Stirn als indischer Bums-Guru, der in weltreligiöser Manier den orgasmuslosen Fick predigt, dann von Emanuelle aber ratzfatz zugeritten wird und sich noch 'nen dummen Spruch zum Abschied gefallen muss.
Ein Film von entspannender Belanglosigkeit - von der "European XXX-Version" ist in diesem Zusammenhang beinahe abzuraten, man erschreckt sich da immer so.
5/10
#745
Geschrieben 30. April 2007, 13:43
The Wild Geese (Die Wildgänse kommen) ~ UK 1978
Directed By: Andrew V. McLaglen
Der Ex-Colonel und jetzige Söldner Faulkner (Richard Burton) wird von dem britischen Bankier Matherson (Stewart Granger) engagiert, den afrikanischen Staatsmann Limbani (Winston Ntshona) aus politischer Gefangenschaft zu befreien und wieder als Präsidenten einzusetzen. Dabei interessiert sich Matherson nicht für die Gerechtigkeit der Sache, sondern lediglich für günstige Kupferkonzessionen. Zusammen mit ein paar alten Freunden (u.a. Richard Harris & Roger Moore) führt Faulkner den Auftrag erfolgreich durch. Nachdem Matherson sich in London jedoch anderweitig geeinigt hat, lässt er die "Wildgänse" im Busch sitzen. Diese sehen sich nun harten Gefechten mit den mörderischen Simbas ausgesetzt, um sich bis zum nächsten brauchbaren Flugzeug durchzuschlagen.
Als bekennender und langjähriger Fan dieses prachtvollen Söldnerspektakels finde ich es auch nach dem zigsten Mal noch mitreißend und spannend. Wohltuend, dass ausgerechnet einmal aus englischer Fertigung, zumal mit britischem Understatement nahtlos durchsetzt, ein so bedeutsamer Genreklassiker stammt. McLaglens (nach meiner bescheidenen Ansicht) mit Abstand bester Film gewinnt seinen Charme in erster Linie durch das Haudegen-Protagonisten-Quartett. Mit Burton und Harris sind zwei große britische Darsteller am Start, die zeitlebens nie ins Glas gespuckt haben und dies erfreulicherweise auch hier nicht tun. Unterstützt werden sie von den ebenso gut aufgelegten Moore (gibt hier ein militaristischeres Bond-Äquivalent) und Hardy Krüger, unserem Mann in Afrika. Doch auch der Rest der Truppe, von Harry Watson bis Percy Herbert allesamt Charakterköppe, die man garantiert schonmal irgendwo im britischen Film erhaschen konnte, spielt höchst vergnügt auf.
Worauf man sich bei "Wild Geese" einlässt, sollte einem klar sein, denn zimperlich geht's hier nicht eben zu. Feindliche Soldaten werden in Hundertschaften niedergemäht, teilweise sogar vergast und auch der stets gern zitierte und von mir in erbitterten Wortgefechten um den Film immer wieder vehement zurückgewiesene Rassismus-Vorwurf lässt sich - es bleibe bitte unter uns, liebe Leser - nicht ganz stichhaltig von der Hand weisen.
Was bleibt, ist ein astreiner, archetypischer Actioner mit betagter, aber umso sehenswerterer Akteurriege, einem schmissigen Score (Roy Budd) plus wundervollen Titelsong (samt maintitle design von Maurice Binder) und einem hohen Inspirationswert für etliche Nachahmer in den Folgejahren. Insbesondere die deutsche Titelschmiede bediente sich unberechtigterweise in mindestens fünf mir bekannten Fällen des Wildgänse-Trademarks. Eine tatsächliche, eher mäßige Fortsetzung gab's, in der Edward Fox Faulkners Bruder spielte. Das Original indes ist und bleibt unübertroffen.
Ein Hinweis auf den hervorragenden e-m-s - Silberling sei mir noch gestattet, denn dort hat man es schlussendlich doch tatsächlich noch geschafft, den Film in ansprechender Umsetzung herauszubringen. In dieser mustergültigen Form ein Muss.
10/10
#746
Geschrieben 30. April 2007, 19:48
Coma ~ USA 1978
Directed By: Michael Crichton
Nachdem ihre beste Freundin (Lois Chiles) während einer Operation unter mysteriösen Umständen ins Koma fällt, beginnt die Chirurgin Susan Wheeler (Geneviève Bujold) zu recherchieren. Der praktische Hirntod ist im Boston Memorial offensichtlich kein Einzelfall und immer handelt es sich um Patienten, die im OP-Saal 8 behandelt und bald darauf in ein hypermodern anmutendeses Klinikum für Komatöse eingeliefert wurden. Dennoch hält alle Welt, insbesondere ihr Freund (Michael Douglas), Susan für überspannt und spinnert.
Mehr als passable Mixtur aus Paranoia- und Medizinthriller, der seine Geschichte um kommerziell gesteuerten, illegalen Organhandel herum konstruiert und wie die meisten von Crichtons Regiearbeiten ein kritisch beäugendes, futuristisches Gewand trägt. Das alte Gewürz von dem hellsichtigen Geheimnisentwirrer, dem mit Ausnahme des fiebernden Zuschauers niemand Glauben schenken will, funktioniert als Zutat auch bei "Coma" vortrefflich. Viel von seiner Wirkung verdankt der Film einer glänzenden Besetzung - Bujold ist stets eine Frau gewesen, die man ernst nehmen konnte, Douglas jr. mochte ich, wie den Papa, schon immer gern und Richard Widmark als graue Eminenz im Hintergrund sorgt schon durch seine bloße Präsenz für Klasse. Ordentlich.
7/10
#747
Geschrieben 01. Mai 2007, 10:40
April Fool's Day (Die Horror-Party) ~ USA 1986
Directed By: Fred Walton
Muffy St. John (Deborah Foreman), Tochter aus reichem Hause, lädt ihre College-Freunde über das Wochenende zum 1. April auf das Familienanwesen auf einer Sundinsel ein. Gleich bei der Überfahrt mit der Fähre hat der erste Gast (Mike Nomad) einen üblen Unfall, gefolgt von diversen weiteren, die sich bald als gezielte Mordanschläge entpuppen.
Der handelsübliche Slasher der 70er und 80er Jahre benutzt in schöner Regelmäßigkeit bestimmte Daten oder Termine als Leitmotiv, häufig im Zusammenhang mit etwas Schrecklichem, das sich in der Vergangenheit des Mörders an just diesem Tage ereignet hat. Diese Tradition setzt "April Fool's Day" bewusst fort. Waltons Film wäre aber als ein eher sanfter, gemäßigter Vertreter des Genres zu nennen, der auch durch eine gepflegtere und sorgfältigere Inszenierung als das Produktionsgros auffällt und sich in gewissen, v.a. formalen Punkten von selbigem abhebt. Dabei übersieht Walton aber, dass gerade das schmierig-anrüchige, blutbeschmierte Naturell dieses Subgenres seine primären Werke hervorgebracht hat. Die Zeit ist mit "April Fool's Day" insofern nicht allzu zuvorkommend umgesprungen und neben den bereits erwähnten, postiv hervorzuhebenden Merkmalen gibt es auch Abwertendes zu nennen. Hilflos-langweilige Füllsel paaren sich mit immenser Unlogik, die das Grundgerüst des Films nachhaltig schädigen. Insofern bleibt bei aller Liebe doch wieder ein nur geringfügig überdurchschnittliches Konglomerat übrig.
6/10
#748
Geschrieben 01. Mai 2007, 21:08
Mr. Majestyk (Das Gesetz bin ich) ~ USA 1974
Directed By: Richard Fleischer
Diese Ernte muss es bringen: Der eigenwillige Plantagenbesitzer Vince Majestyk (Charles Bronson) hofft, mit der saisonalen Meloneneinfuhr endlich schwarze Zahlen schreiben zu können. Leider geraten ihm ein missgünstiger Tagelöhner (Paul Koslo) und ein angepisster Profikiller (Al Lettieri) ins Gehege, die Majestyk soweit treiben, dass am Ende nur noch der Einsatz der Schrotflinte bleibt.
Zu recht einer der beliebtesten Bronson-Filme der 70er, nicht zuletzt aufgrund des untypischen Settings. Letztendlich wird die Uralt-Mär von zwei sich bis aufs Blut bekriegenden Streithähnen zwar nur in ein anderes Milieu als gewohnt versetzt und dadurch eine gewisse Art von Exotik vorgegaukelt, das ist angesichts der sonstigen Qualitäten von "Majestyk" jedoch als nebensächlich einzuordnen. Das Script von Elmore Leonard überspitzt den kleinen county war in herrlichst schillernden Facetten, nimmt sich Zeit für Landschaftsschilderungen und ein verhältnismäßig emotional gezeichnetes Charakterporträt von Bronson, der sich das in den 70ern wol noch leisten mochte. Wie immer ist daneben auch Al Lettieri eine Schau - auch wenn er einmal mehr seine bereits hinlänglich bekannten Stärken als Fiesmöpp am Rande des Nervenzusammenbruchs demonstriert.
8/10
#749
Geschrieben 01. Mai 2007, 21:28
Escape From New York (Die Klapperschange) ~ USA 1981
Directed By: John Carpenter
1997 ist Manhattan Island ein einziges großes Sicherheitsgefängnis, über dem, just als der Kriegsveteran und Schwerverbrecher Snake Plissken (Kurt Russell) dort eingeliefert werden soll, die Air Force One von Terroristen zum Absturz gebracht wird. Der Präsident (Donald Pleasence) kann sich retten, gerät aber in die Fänge des Gangsters Duke (Isaac Hayes). Plissken erhält die Offerte, seine Freiheit wiederzugewinnen, wenn er den Präsidenten findet und herausholt.
Mittlerweile ein lupenreiner Klassiker, fällt dieses Carpenter-Meisterstück genau in die Zeit, als der Regisseur gerade sein Hauptwerk auf die Filmgeschichte losließ. Daher verwundert es auch nicht, dass der zwar günstig produzierte, vor kindlich-begeisternden Einfällen aber nur so sprühende Film sich seine Herkunft auf den ersten Blick nachweisen lässt. Die Illusion Manhattans als dystopische Kriminellen-Enklave wird durch mattgrün ausgeleuchtete Straßenzüge in der Dunkelheit perfekt. Mutantenähnliche Verbrecher beherrschen die Straßen und den Untergrund und es ist beinahe schade, dass man nur so wenig von diesem brodelnden Zukunftskessel zu Gesicht bekommt. Was da alles noch so lauert, vermag man sich nur auszumalen.
"Escape From New York" war die letzte Indie-Produktion Carpenters, bevor er mit dem "Thing"-Remake zu den Studios wechselte und bis zu "Prince Of Darkness" solides, aber domestiziertes Genrekino fabrizierte. Möglicherweise bedeutete genau dieser Weg den Anfang vom Ende eines Filmemachers, der in einer besseren Welt heute den Rang genösse, der ihm eigentlich und tatsächlich zukommt.
10/10
#750
Geschrieben 02. Mai 2007, 20:51
Hombre (Man nannte ihn Hombre) ~ USA 1967
Directed By: Martin Ritt
Eine unerwartete Erbschaft lockt John Russell (Paul Newman), als Kind von den Apachen adoptiert, dann zu den Weißen und später wieder zu den Indianern zurückgekehrt, ein zweites Mal in die "Zivilisation". Schnell entscheidet er sich, seinen Besitz - eine Kleinstadtpension - zu veräußern und seine kurzfristig angenommene weiße Identität wieder aufzugeben. Doch die Fahrt in einer Überlandkutsche durchkreuzt seine Pläne: Ein paar Desperados überfallen den Transport im Wissen um einen Mitreisenden (Fredric March), der als Beauftragter in Indianerangelegenheiten unterschlagenes Geld mit sich führt. Der schweigsame Russell setzt sich zur Wehr.
In Sachen Western- und Actiondirektion war Ritt, einer von Newmans Hausregisseuren, ein eher unbeschriebenes Blatt. Das große psychologische Drama vor staubiger Kulisse, mit seiner tragischen Hauptfigur, die sich in allen gemeinsamen Arbeiten jeweils nur in feinsten charakterlichen Nuancen von der vorhergehenden abhob, lag ihm ungleich besser. Auch "Hombre", der eine der wortkargsten Newman-Gestalten bezeichnet, ist für einen Western dieser Ära recht untypisch. Was nicht heißen soll, das seine genreimmanente Bedeutung deshalb geschmälert würde - keineswegs. Der Kommentar zur entrechteten Situation der Indianer zieht sich als roter Faden durch den ganzen Film, angefangen mit authentischen Tableaus in der Titelsequenz. Wenn Newman gleich zu Beginn mit sonnengegerbter Haut und vollem schwarzem Haupthaar auf der Bildfläche erscheint, dann hat man eine sehr ungewohnte Metamorphosis des schönen Schauspielers vor der Linse. Diese zeigt sich dann auch in den späteren Aktionen des John Russell, der es als Bindgelied zwischen rot und weiß (wobei sein Naturell mittlerweile völlig ersterem zugehört) hasst, den Helden zu spielen und lieber als Feigling dasteht, denn seine Haut zu riskieren. Natürlich lernt auch er irgendwann seine Lektion. Die sich durch ihre Präzision auszeichnenden Dialoge und die gekonnt bediente Kamera, die ebenso wie Russell Innenräume meidet und erst unter freiem Himmel auflebt, erledigen ihr Übriges.
9/10
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