In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#751
Geschrieben 04. Mai 2007, 16:52
The Hills Have Eyes Part II (Im Todestal der Wölfe) ~ USA 1985
Directed By: Wes Craven
Acht Jahre nach den fürchterlichen Ereignissen um die Carters soll ein neuer Motorradkraftstoff, den Bobby (Robert Houston), einer der Überlebenden des Massakers, entwickelt hat, in der Wüste Nevadas getestet werden. Bobby ist noch immer in psychiatrischer Behandlung und bleibt wohlweislich daheim, als ein paar seiner Kumpels sich in genau jene Gegend begeben, in der die bekannte Kannibalensippe haust. Selbst die Stiefschwester Ruby (Janus Blythe), die damals dem lustigen Mutantenleben entsagt hat und nun unter dem Decknamen Rachel wieder zurückgekehrt ist, kann das Unvermeidliche nicht verhindern: Pluto (Michael Berryman) und der Ripper (John Bloom) schlagen erbarmungslos zu.
Dass Cravens Fortsetzung eher im Mau-Sektor anzusiedeln ist, ist nichts Neues. Kurz nach dem epigonalen "A Nightmare On Elm Street" entstanden, war der Regisseur sich des gewaltigen Echos, das selbiger hervorrufen würde, offenbar noch nicht bewusst, sonst hätte er dieses von massivem Desinteresse zeugende Werk vermutlich nie angefasst. Alles was den grandiosen ersten Teil auszeichnet, seine raue Unmittelbarkeit und seine Terroratmosphäre, wird hier fallengelassen und einem Slasherszenario von mickriger Effektivität geopfert. Die verstrahlten Wüstensöhne verlieren vollends ihren Schrecken und selbst ein paar blutige Zurschaustellungen helfen nicht dabei, dass sich der erwartungsvolle Zuschauer in einem sogenannten Horrorfilm wiederfindet. Die aus den "Friday The 13th" - Streifen bekannte Manfredini-Musik unterscheidet sich hier keinen Deut von ihrem Ursprung, was den seriellen Charakter von "Hills II" nur weiter betont. Hinzu kommt eine ziemlich schlampige Inszenierung, die ein inbrünstiges "Leckt mich am Arsch" aus jeder Pore zu atmen scheint. Für Komplettisten only.
3/10
#752
Geschrieben 05. Mai 2007, 06:07
Joe ~ USA 1970
Directed By: John G. Avildsen
Bill Compton (Dennis Patrick), ein erstklassig verdienender Manager, kommt auf die Palme, als seine Tochter Melissa (Susan Sarandon) wegen eines Amphetaminrauschs ins Krankenhaus eingeliefert wird. Als er in der Folge Melissas Sachen bei ihrem Boyfriend (Patrick McDermott) abholt, kommt es zu einem Gerangel, bei dem Bill den Hippie erschlägt. Verzweifelt verzieht sich der frischgebackene Mörder in die nächste Kneipe, wo er den bildungsbenachteiligten Thekensprücheklopper Joe Curran (Peter Boyle) kennenlernt und sich in dessen Gegenwart prompt verquatscht. Doch anstatt Bill zu erpressen, beneidet ihn Joe um seine resolute Art, die Dinge anzufassen und man kommt sich näher. Als Melissa bald darauf die Wahrheit über ihren Dad erfährt, reißt sie aus - bei der Suche nach ihr im Hippie-Underground steht Bill ausgerechnet Joe zur Seite, der seine stattliche Waffensammlung auf Hochglanz gebracht hat.
Wäre man "Joe" nicht so sehr zugeneigt, man könnte ihn glatt als bloßen "Easy Rider" - Nachklapp bezeichnen - was diesem matten kleinen Juwel des juvenilen Protestkinos aber überhaupt nicht gerecht würde. Was Avildsens Film jenen Klassikerstatus, wie ihn ähnlich gelagerte Filme aus dieser Zeit von Hopper, Ashby oder Hellman heute genießen, verweigert, dürfte seine etwas fransige, bald sleazige Präsentation sein, die weder mit besonders originellen Stilismen, noch mit einem großen Liedermachersoundtrack oder gar den üblichen New-Hollywood-Namen aufwartet. Zugegebenermaßen wirkt "Joe" in den ersten Momenten noch nichteinmal sonderlich einladend. Seine geschickte narrative Konstruktion erschließt sich erst mit dem Abspann. Der Film beginnt mit einem langsamen Einblick in das drogengeschwängerte Leben eines Hippiepärchens (Sarandon / McDermott) und lenkt nach etwa 20 Minuten die Perspektive um auf die besorgten Comptons (Patrick / Audrey Caire) bzw. die resignierten Currans (Boyle / K Callan), um sich dann ganz der merkwürdigen, keimenden (Zweck-)Freundschaft der beiden Männer zu widmen, die (geschickterweise) aus einer Zwei-Klassen-Sicht das ganze Misstrauen Amerikas gegenüber langen Haaren, freier Liebe, Drogengebrauch und libertinem Gedankengut repräsentieren und, nach einem kurzen, befreienden (letztlich aber wenig befriedigendem) Eintauchen in den samtenen Untergrund New Yorks ihren kleinen Amoklauf antreten. Dass damit "Taxi Driver" vorweggenommen und Joe Curran ein älterer Stiefbruder von Travis Bickle sein könnte (vielleicht nennt sich Curran ein paar Jahre später auch Wizard und arbeitet selbst als Taxifahrer - ein nicht nur reizvoller, sondern eindeutig logischer Gedanke) ist spätestens beim zweiten Hinschauen so klar wie Klößchensuppe.
Auf bissige, fast schon visionäre Kommentare gegen Vietnam und Nixon verzichtet Norman Wexlers Script ebensowenig wie auf ein extrem fatalistisches Ende. Boyle und Patrick bzw. Caire & Callan sind fantastisch in ihrer Gegensätzlichkeit.
Dass sich "Joe" weder als Tragödie noch als Comedy oder Thriller eindeutig klassifizieren lässt, wirkt nur auf den ersten Blick befremdlich. Für mich ist jedenfalls seit gestern klar: "Joe" sollte man gesehen haben.
9/10
#753
Geschrieben 05. Mai 2007, 11:27
El Topo ~ MEX 1970
Directed By: Alejandro Jodorowsky
Kurz nach dem Initiationsritus, der aus seinem siebenjährigen Sohn (Brontis Jodorowsky) einen Mann machen soll, stoßen El Topo (Alejandro Jodorowsky) und Filius auf ein Städtchen, dessen bewohner hingeschlachtet wurden. Die Suche nach den Übeltätern führt Vater und Sohn weiter zu einer Mission, die von dem bösen Colonel (David Silva) und seiner Bande okkupiert wird. Mara (Mara Lorenzio), eine der Gefangenen, geht mit Topo (der seinen Jungen bei den Mönchen zurücklässt), will seine Liebe aber nur erwidern, wenn er die vier gefürchteten Pistoleros der Wüste besiegt. Nach vollbrachter Tat verlässt Mara Topo zugunsten einer unterdessen hinzugestoßenen Frau (Paula Romo), nicht ohne ihren Geliebten zusammenzuschießen. Dieser wird daraufhin von einer Horde inzestuöser Krüppel gefunden und in deren Höhle bis zu seinem (Jahre späteren) Erwachen als Messisas angebetet. Um den Unglückseligen die Rückkehr in ihre von Dekadenten bewohnte Stadt zu ermöglichen, ihnen den Weg wörtlich freizusprengen, arbeitet Topo zusammen mit einer Zwergin (Jaqueline Luis), in die er sich verliebt, als Kleinkünstler. Sein Sohn (Robert John), mittlerweile erwachsen und Priester, kommt auch in die Stadt. Topos Vorhaben endet blutig, doch sein Geist wird weiterleben.
Das erste und bis dato letzte Mal habe ich "El Topo" vor rund 12 Jahren gesehen auf einer halbverschimmelten Cassette von VCL, die den Film seinerzeit ziemlich ordinär als Italo-Horror-Western auswies. Zu beziehen waren diese und andere hierzulande erschienene, "vergriffene" Klamotten, auch Importe wie "Street Trash", "Ilsa, She Wolf Of The SS" oder "Montana Sacra" entweder aus dem geschätzten Venloer Multi-Store an der Maas oder über eine kleine Mülheimer Videothek (deren Name mir entfallen ist), die sich ausschließlich auf derlei Exotisches spezialisiert hatte. Einen immens wichtigen Teil meiner filmischen Sozialisation verdanke ich, wie sicher manch anderer meiner Generation und regionalen Herkunft, diesen beiden Bezugsquellen.
Ich wusste zwar damals ungefähr, was mich beim "Topo" erwartete, möchte aber einräumen, dass ich trotz aller befremdlicher Begeisterung lange Zeit nicht den Drang verspürt habe, das Erlebnis zu wiederholen. Das prachtvolle Wiedersehen gab der zuletzt wieder aufgekeimten Euphorie angesichts der Neuauflage dann aber vollkommen statt.
Eine Jodo-Retro startet man wohl am Besten und Sichersten mit diesem, seinem Maßstabswerk. Nun, wer Film in Ausschöpfung seiner Möglichkeiten, als Beispiel für Intertextualität und abseits von durch Narrationsschemata und den üblichen medialen Paradigmen gesteuerten Sehgewohnheiten erleben möchte, ohne dass einem gleich der intellektuelle Zeigefinger den Enddarm hochkraxelt, der ist hier bestens aufgehoben. In einer Zweiteilung, die zum einen einen kulturell-religiösen und zum anderen einen politisch-sozialen Kommentar bereithält, haut einem Jodorowsky seine Bilder zwischen bildschön und abstoßend um die Ohren, dass es rappelt. Mit Elementen aus Western und Eastern, griechischer Mythologie und Neuem Testament, Apotheose und Abfall sowie massiver halluzinogener Beimengung heult und kotzt er dem Publikum seine Sicht der Dinge entgegen, und das auf eine einzigartige, unbedingt wertvolle Art und Weise.
Und weil ich keiner sein möchte, der den Maulwurf unverdientermaßen kaputtquasselt, schließe ich hiermit meinen kleinen Bericht - mit der dringenden Aufforderung an Señor Funk, sich das mit der Box nochmal gut zu überlegen.
10/10
#754
Geschrieben 05. Mai 2007, 18:36
Meet John Doe (Hier ist John Doe) ~ USA 1941
Directed By: Frank Capra
Aus Ärger über ihre Entlassung setzt die nassforsche Reporterin Ann Mitchell (Barbara Stanwyck) den selbsterdachten Protestbrief eines gewissen "John Doe" in die Zeitung. Darin ereifert sich der fiktive Schreiber über die sozialen Missstände im Land und kündigt an, sich an Heiligabend öffentlichkeitswirksam vom Rathausdach zu stürzen. Der Artikel schlägt ein wie eine Bombe - mit der Folge, dass Ann ihren Job zurückbekommt und der Penner John Willoughby (Gary Cooper) den personifizierten Doe geben muss. John wächst bald sehr in seine Rolle als Sozialheld herein, als er jedoch merkt, dass er für die sinistren Ziele des skrupellosen Medienmoguls Norton (Edward Arnold) missbraucht werden soll, protestiert er - mit der Folge, dass Norton ihn als Schwindler entlarvt. Um seine credibility zu retten, sieht John nur noch einen Ausweg: Er muss die Selbstmord-Ansage in die Tat umsetzen.
Capras vorerst letztes Sozialmärchen, bevor er sich als Propagandafilmer im Krieg betätigte. Die typische US-Paranoia, die von den in Europa wütenden Diktatoren ausging, überträgt sich untrüglich auf die John-Doe-Story; der Broadcaster Norton offenbart bei seiner Planung, in die aktive Politik einzutreten, eindeutig faschistische Absichten, während Willoughby / Doe Zusammenhalt und Nächstenliebe predigt. Wie Capra seine naive Geschichte über Gutmenschentum, kapitalistische Korruption und demokratisches Gedankengut anlegt, das unterscheidet sich nicht wesentlich von den ähnlich angelegten Werken um Mr. Deeds, Mr. Smith, Martin Vanderhof oder George Bailey - abgesehen vielleicht von der überdeutlichen Betonung der propagierten Werte als uramerikanische Prinzipien. "Meet John Doe" ist also mehr als jeder andere Capra als Produkt seiner Zeit identifizierbar. Dabei hat der Regisseur keine Scheu davor, selbst überhöht pathetische Szenen ausufern zu lassen - es gibt nicht weniger als fünf flammend gehaltene Reden - was dem Film eine für eine Komödie stattliche Laufzeit einträgt. Wie dem auch sei - liebenswert anzuschauen ist "Meet John Doe" allemal, vorausgesetzt, man kann sich mit Capras ewigem Kampf gegen die weltliche Schlechtigkeit anfreunden.
8/10
#755
Geschrieben 06. Mai 2007, 15:51
The French Connection (Brennpunkt Brooklyn) ~ USA 1971
Directed By: William Friedkin
Die Drogenfahnder Doyle (Gene Hackman) und Russo (Roy Scheider) werden auf den Dealer Boca (Tony Lo Bianco) aufmerksam, der gerade dabei ist, ein großes Geschäft mit einem französischen Drogenbaron Charnier (Fernando Rey) einzufädeln, welcher zu diesen Zwecke von Marseille nach Brooklyn gereist ist. Doyle respektive seinem fanatischen Ehrgeiz ist es zu verdanken, dass das Heroin sichergestellt werden kann.
Mit "French Connection" legte Friedkin einen der wichtigsten und besten Polizeifilme vor - und diese Einordnung hat bleibende Gültigkeit. Trotz seiner eingehenden Milieubeschreibungen des kalten winterlichen Drecks, in dem Doyle und Russo herumstochern, trotz der Skizzierung von Doyles armseligem Privatleben ist der ganze Aufbau des Films so geschmeidig, dicht, geschlossen, dass es jedesmal erneut eine wahre Freude ist, ihn sich anzusehen. Für viele seiner Verehrer gehört "French Connection" zu den Filmen, die man quasi herunterbeten kann. Weniger das Abspulen der Story um Doyles Jagd nach dem Edelgangster Charnier, vielmehr einzelne Eindrücke, Bilder und Augenblicke bestimmen dabei das, was Friedkins Film eigentlich ausmacht. Mir ist bis heute keine Verfolgungssequenz bekannt, die es mit Doyles Jagd nach dem Killer Nicoli (Marcel Bozzuffi) zwischen Hochbahn und Asphalt aufnehmen könnte, "Bullitt" eingeschlossen. So etwas auf die Beine zu stellen - das ist in meinen Augen wirkliche Kunst. Und dabei bleibt es nichtmal: Doyle und Russo bei der Razzia, Charnier und Doyle in der U-Bahn, Doyle nach seinem One Night Stand - alles unvergessliche Blitzlichter eines einzigartigen Geniestreichs.
10/10
#756
Geschrieben 06. Mai 2007, 16:09
French Connection II ~ USA 1975
Directed By: John Frankenheimer
Detective Doyle (Gene Hackman) wird aus der Versenkung geholt, als es darum geht, Charnier (Fernando Rey) endgültig dingfest zu machen, und zwar vor Ort, in Marseille. Zusammen mit dem Kollegen Barthelemy (Bernard Fresson) scheucht Doyle seinen Intimfeind tatsächlich auf, wird aber sogleich von diesem gefangengenommen und zum Junkie gemacht. Nach einer Überdosis samt kaltem Entzug unter Beaufsichtigung von Barthelemy wächst Doyles Hass auf Charnier noch mehr an.
Nicht genug der Lorbeeren, "French Connection II" ist der Glücksfall einer Fortsetzung. Für mich gibt es die Filme seit jeher nur im Doppel; auch wenn der allgemeine Kanon den zweiten Teil grundsätzlich hintenanstellt - mir hat er stets fast ebenso gut gefallen wie das Original. Mit Frankenheimer konnte man sich die Mitarbeit eines Regisseurs sichern, der es an Virtuosität unbedingt mit Friedkin aufnehmen kann, auch wenn seine Herangehensweise - und das gereicht "French Connection II" letztlich zum Erfolg - eine grundsätzlich andere ist. Dieser Film wirkt, schon wegen der Wahl Marseilles als ausschließlichem Schauplatz, als käme er aus europäischer Produktion. Frankenheimers Bilder erscheinen nicht mehr so durchgestylt wie die Friedkins, sondern zeugen, grobkörnig und schmutzig, von einer buchstäblich mediterranen Erdigkeit. Große Actionszenen fehlen bei ihm (sieht man von der Trockendockflutung ab), das Herzstück ist Hackmans Entwöhnung vom H. Nachdem dieser schon für den Vorgänger einen Oscar kassieren konnte, steckt er mit seiner erneuten Performance sogar noch die erste in die Tasche. Wie er, von Mickey Mantle und Softball faselnd, Fresson nach einem Schuss anfleht, ist unvergesslich und zählt zum Besten, was man von dem Mann bis heute sehen kann. Die Pointiertheit von Frankenheimers Regie wird besonders am Schluss deutlich: Charnier muss (endlich) dran glauben und - Schnitt.
9/10
#757
Geschrieben 09. Mai 2007, 06:05
The Killing Of A Chinese Bookie (Mord an einem chinesischen Buchmacher) ~ USA 1976
Directed By: John Cassavetes
Cosmo Vitelli (Ben Gazzara), ein sehr von sich eingenommener Nachtclubbesitzer, pflegt den gehobenen Lebensstil. Darum kann er dem Angebot eines Gastes (Seymour Cassel) nicht wiederstehen, dessen Etablissement einen Besuch abzustatten, einem Spielcasino. Cosmo inszeniert seinen Auftritt dort wie das Erscheinen eines Prinzen - und verliert 23.000 $. Da er den Betrag nicht zurückzahlen kann, zwingen die Manager des Casinos Cosmo eine "Gefälligkeit" ab: Er soll einen ihrer Konkurrenten ausschalten, einen chinesischen Gangster. Nach anfänglichem Zögern erledigt Cosmo den Job - allerdings können seine Auftraggeber keine Zeugen gebrauchen.
Die zwei Ausflüge Cassavetes in die 'unwirklichen' Gefilde des Halbwelt-Milieus unterscheiden sich zum einen als Dublette vom Rest seiner Filme und sind zum anderen auch deutlich voneinander abgrenzbar. Im ersten, "The Killing", geht es, wie meistens bei Cassavetes, um das Scheitern eines Menschen, der seinen naiven Selbstansprüchen strampelnd gerechtzuwerden versucht - und schlussendlich daran scheitern muss.
Nach jedem Film des Regisseurs wird mir immer wieder eines klar: Wäre ich Schauspieler, und selbst ein guter, die Hauptrolle in einem Cassavetes hätte ich sicher nur widerwillig übernommen. Fast pausenlos fokussiert er Gazzara, nimmt jede Gefühlsregung des Mannes mit, von seiner Hilflosigkeit hin zu scheinbaren Triumphen, die jeweils nicht von langer Dauer sind. Zufrieden ist Cosmo nur dann, wenn er die halbseidenen Stripshows um seinen Varieté-Künstler Mr. Sophistication (Meade Roberts) ankündigen und ihnen beiwohnen darf. Er selbst ist offenbar der Meinung, er habe da etwas ganz Großes am Laufen - dabei durchschaut Sophistication die Situation sehr wohl: "Die applaudieren doch nur euren Titten". Die Genrezugehörigkeit als neo noir dürfte somit zweitrangig sein und eher einen farbigen Hintergrund für Cassavetes meisterliche Fallstudie abgeben.
9/10
#758
Geschrieben 10. Mai 2007, 15:58
Tales Of Terror (Schwarze Geschichten) ~ USA 1962
Directed By: Roger Corman
Drei Geschichten aus dem poeschen Nachlass, von Corman und Matheson wie gewohnt mit Ironie und Pracht ins Bild gesetzt: Der alte Locke mag seiner Tochter (Maggie Pierce) nicht verzeihen, dass deren Geburt ihre Mutter, Lockes geliebte Frau Morella (Leona Gage), einst das Leben gekostet hat. Doch diese ist - längst mumifiziert - noch rachsüchtiger als ihr Ehemann. / Montresor Herringbone (Peter Lorre) versäuft Haus und Hof, kein Wunder, dass seine Angetraute (Joyce Jameson) sich anderweitig Trost sucht. Doch Herringbone mauert Weib und Nebenbuhler (Vincent Price) kurzerhand im Keller ein - fragt sich, wo die schwarze Hauskatze steckt? / Valdemar (Vincent Price) liegt im Sterben. Aus Angst vor der Agonie engagiert er den Mesmeriseur Carmichael (Basil Rathbone), der Valdemars Tod angenehmer machen soll. Die Hypnose sorgt dafür, dass sein Geist im Zwischenreich überlebt und mesmerisiert bleibt. Carmichael hat es auf Mrs. Valdemar (Debra Paget) abgesehen, also suggeriert er dem Toten, selbiges als seinen Willen zu äußern. Doch Valdemar, obgleich mumifiziert, eilt seiner Geliebten ein letztes Mal zur Hilfe.
Insbesondere das mittlere Segment, "The Black Cat", ist herrlich gelungen. Corman wusste sehr wohl, dass er sich auf das komödiantische Talent Lorres verlassen konnte, welcher als alter grantelnder Schluckspecht seiner hübschen Frau die letzten Pence aus der Tasche zieht. Ein famoser Auftritt des Schauspielers! Doch so richtig macht es erst die Kombi mit Price, der als tuckiger Weinexperte Fortunato Lucrezio übermütig wie selten zum Herumalbern aufgelegt ist. Die Episoden I und III bieten derweil das bekannte atmosphärische Schauerhandwerk in Scope, das man von den AIP-Produktionen um Poe in dieser Ära gewohnt ist. Feinste Innendekors und Kostüme, wallende Vorhänge und Nebel sowie betont künstliche matte paintings, die gerade deshalb so herrlich aussehen. Mit Price als moderierendem Erzähler und jeweiligem Protagonisten, der sich zwischen bewusstem Chargieren und grazilem Spiel für nichts zu schade ist und der in drei unterschiedlich angelegten Rollen diverse Facetten seines Könnens anbringen kann, kann man ohnehin davon ausgehen, auf der richtigen Seite zu sein.
8/10
#759
Geschrieben 11. Mai 2007, 05:38
Wut ~ D 2006
Directed By: Züli Aladag
Der Berliner Can (Oktay Özdemir), um die 18, und seine Freunde sind "Abzieher", d.h. sie erleichtern Jugendliche aus besser betuchtem Hause um Geld und Klamotten. Für ihr aktuelles Opfer Felix Laub (Robert Höller) ist dieser Zustand schon Gewohnheitssache. Bis sich eines Tages Felix' Vater Simon, ein Uni-Dozent kurz vor Antritt einer Professur, in den Konflikt einmischt. Mit liberaler Gesinnung und unerschütterlichem Idealismus gewappnet, versucht er Can und Bagage verbal beizukommen, mit dem Erfolg, dass nun auch Simon bei diversen Gelegenheiten erniedrigt und drangsaliert wird. Can sucht und findet die Hebelpunkte, die die Laubs bieten - Felix' pubertäre Ängste, die außerehelichen Affären der Eltern sowie ihr fadsenscheiniges, prosoziales Gehabe und setzt da an, wo's wirklich wehtut.
"Wut" zog als Fernsehfilm ja im letzten Jahr besondere öffentliche Aufmerksamkeit auf sich, weil es wegen seines Gewaltpotentials Querelen um den Ausstrahlungstermin gab. Da ich des Fernsehprogramms mittlerweile überhaupt nicht mehr gewahr bin, habe ich irgendwo anders von dem Film erfahren und jetzt die DVD gesehen. Kaufgrund war letztendlich die Mitwirkung Oktay Özdemirs, den ich schon in Bucks "Knallhart" äußerst überzeugend fand, und der die im Prinzip selbe Rolle der personifizierten neuen deutschen Unsicherheit auch hier ausfüllt. Interessant ist sicher der Gedanke, was passiert, wenn sich ein Bildungsbürger um die 50 mit den Problemen eines Großstadtteenagers im Jetzt gegenübersieht, die die Werte der 68er nicht nur nicht mehr greifen lassen, sondern sie total über den Haufen werfen. Die "Gastarbeiter" der 3., 4., 5. Generation rächen sich nun für das soziale Abseits, in dem sie hierzulande seit jeher stehen und interessieren sich einen Scheiss für das herablassend-arrogante Gehabe wohlwollender deutscher Bonzen.
Dass die entsprechende Konfrontation spätestens nach halber Laufzeit des Films in hyperrealistische Sphären abdriftet ist der Dramaturgie und der ultimativen Ausreizung des Stoffes zu "verdanken", darüber muss man sich kaum aufregen. Deutlichere Kritikpunkte liegen darin, dass "Wut" ganz bewusst auf Provokation und Wachrütteln aus ist, die Verpflichtung des türkischstämmigen Regisseurs mit Sicherheit Alibifunktionen erfüllt und die Klientel von "Wut" sich vermutlich ausschließlich aus Menschen wie den Laubs rekrutiert. Damit führt sich die Konzeption des Films gewissermaßen selbst ad absurdum und genau das ist das Problem, das ich mit dem Fernsehen habe. Bucks Kinofilm muss sich mit solchen Problemen nämlich nicht herumärgern.
Trotzdem fand ich den Film bisweilen sehr spannend, packend und für einen Gedankenanstoß hier und da zumindest passabel.
7/10
#760
Geschrieben 12. Mai 2007, 17:25
The Undefeated (Die Unbesiegten) ~ USA 1969
Directed By: Andrew V. McLaglen
Nach dem Bürgerkrieg verdingt sich der Unionscolonel Thomas (John Wayne) als Pferdehändler. Aktuell soll er 2500 Zossen nach Mexiko treiben, wo er sie der Kavallerie Kaiser Maximilians verkaufen möchte. Währenddessen zieht der Konföderiertencolonel Langdon (Rock Hudson) mit seiner Familie und einigen Gesinnungsgenossen ebenfalls über die Grenze. Der verlorene Krieg und sein Stolz als Südstaatler sind nicht miteinander vereinbar und er weigert sich, ins Zivilleben zurückzukehren. Bei Maximilian erwartet er politisches Asyl. Natürlich begegnen sich die beiden Ex-Offiziere irgendwann, schließen trotz differenter Ansichten aber bald Freundschaft. Als sie zwischen die kaiserliche Armee und die Juaristen geraten, wird es für Langdons Familie brenzlig.
Unterhaltsamer Qualitätswestern aus Waynes Spätphase, garantiert vollkommen anspruchslos, dafür aber mit berstender Krawummaction garniert und auch sonst aufwändig gestaltet. Eines politischen Kommentars enthält sich der Film, sowohl bezüglich des Sezessionskrieges als auch der revolutionären Scharmützel in Mexiko. Etwas seltsam mutet dann aber der Schluss an: Nachdem der juaristische General Rojas (Tony Aguilar) mit der Ermordung von Langdons Familie gedroht und sämtliche Pferde von Thomas erpresst und ihn so um ein Vermögen gebracht hat, stoßen die beiden Colonels mit ihm auf den Sieg der Revolution an. Seltsame Art für einen Duke-Film, einen persönlichen Konflikt zu beenden. Auch sonst gibt es hier und da immer wieder kleinere Schwächen und der Logik widersprechende Aussetzer im Erzählfluss, was den Status von "Undefeated" als Entertainmentware und eye candy mit glorioser Besetzung aber kaum mindert.
7/10
#761
Geschrieben 13. Mai 2007, 07:16
Zwartboek (Black Book) ~ NL/B/D/UK 2006
Directed By: Paul Verhoeven
Die Jüdin Rachel Stein (Carice Van Houten) erinnert sich nach der Wiederbegegnung mit einer alten Freundin (Halina Reijn) in Israel an Kriegszeiten und ihr leidgeprüftes Leben im besetzten Holland. Nachdem dort ihre ganze Familie bei einem Fluchtversuch Opfer verräterischer SS-Machenschaften wurde, schließt sie sich unter dem Namen Ellis de Vries dem Widerstand an und spioniert hochrangige Offiziere aus. In einen von ihnen (Sebastian Koch) verliebt sie sich sogar. Nach der Befreiung stellt sich dann heraus, dass der Feind mitunter in den eigenen Reihen sitzt und Rachel / Ellis hat mit dem Verdacht des Verrats zu kämpfen.
Nach langen Jahren in Hollywood knüpft Verhoeven mit "Zwartboek" an alte Zeiten an. Der Film besitzt gewissermaßen wieder mehr Bodenhaftung, nachdem der Regisseur sich mit Vorliebe entrückten Szenarien, die zwar durchaus gegenwartsbezogene Themen aufweisen, aber von Spezialeffekten und bewusst überhöhter Dramaturgie geprägt sind, widmete. Interessanterweise arbeitete er hier, nach langen Jahren der Kooperation mit Jan de Bont und ganz besonders Jost Vacano, erstmalig mit dem deutschen dp Karl Walter Lindenlaub zusammen, jener ansonsten eher ein Emmerich-Gespiele. Dass die beiden gut zusammenpassen, demonstriert das Resultat ihrer Arbeit sehr eindeutig.
In Gegenüberstellung zu den meisten anderen populären Filmen über die NS-Ära besitzt "Zwartboek" vergleichsweise wenige Stellen, die eindeutig darauf abzielen, betroffen zu machen. Zwar hält sich Verhoeven auch hier nicht zurück, wenn es darum geht, die Auswirkungen von Gewalt zu visualisieren bzw. nackte Haut zu präsentieren, eine zeigefreudige Trashoper muss man aber nicht befürchten - ebensowenig wie die weitgehend ausbleibende Anstößigkeit. Als Krimi mit Mata-Hari-Touch (diese Parallele stammt nicht von mir, der Film zieht sie selbst) entrinnt Verhoeven dennoch nicht immer der Kitschfalle, ein paar Soap-Elemente mit Groschenromangeflüster erlaubt er sich recht unverhohlen. Andererseits bewirken diese einen gewissen stilbewussten Wiedererkennungswert, ein allzu ernstes, schwermütiges Herantreten an das Thema hätte vermutlich dafür gesorgt, dass "Zwartboek" böse nach hinten losgegangen wäre. So aber kann man konstatieren, wieder einen "echten" Verhoeven vor der Linse zu haben.
9/10
#762
Geschrieben 13. Mai 2007, 07:41
Adams Æbler (Adams Äpfel) ~ DEN/D 2005
Directed By: Anders Thomas Jensen
Um Sozialstunden abzuleisten, wird der Skinhead und Knacki Adam (Ulrich Thomsen) in den befristeten Dienst des Pastors Ivan (Mads Mikkelsen) gestellt. Neben Adam sind noch zwei weitere schrullige Typen, der Ex-Tennisstar Gunnar (Nicholas Bro) und der soziopathische Migrant Khalid (Ali Kazim) bei Ivan wohnhaft. Adam, durch und durch aggressiv und gewalttätig, geht der unerschüttlerliche Gottesglaube von Ivan bald schwer auf den Zeiger und so beschließt er, ihn systematisch fertigzumachen. Adam bringt in Erfahrung, dass Ivan zahlreiche herbe Schicksalsschläge hinnehmen musste und unter einem Verdrängungssyndrom leidet, das aufgrund seiner Kombination mit einem Hirntumor möglichst unangetastet bleiben sollte ...
Schöne schwarze Komödie, die sich aber, so gut kennt man das skandinavische Kino ja nunmehr, einer gewissen Vorhersehbarkeit nicht erwehren kann. Überraschend sind da eher die rücksichtslosen Abzweigungen, die die Geschichte auf ihrem Weg ins Licht nimmt und die einen das eine ums andere Mal daran zweifeln lassen, es hier wirklich mit dem angekündigten Genre zu tun zu haben. Besonders witzig wird es immer dann, wenn Khalid oder Gunnar in Aktion treten und mit ihren bizarren Aktionen Unruhe stiften oder wenn der örtliche Arzt (Ole Thestrup) seine schmierigen Sprüche absondert. Darüber, dass der Film bei aller Boshaftigkeit Kirche und Glauben offenbar sehr zugetan ist, kann ich als bekennender Atheist angesichts seiner liebenswerten Art noch so gerade hinwegsehen. Doch, eigentlich ganz prima.
8/10
#763
Geschrieben 13. Mai 2007, 20:45
Southern Comfort (Die letzten Amerikaner) ~ USA 1981
Directed By: Walter Hill
In den Sümpfen von Baton Rouge startet eine neunköpfige Truppe von Army-Reservisten ein mehrtägiges Manöver. Um das unwegsame Gelände besser durchqueren zu können, klaut man sich ein paar Einbäume von den örtlichen Cajuns. Bald kommt es zum ersten Zwischenfall: Der Staff Sergeant (Peter Coyote) kommt um, nachdem die Cajuns auf ein paar Schreckschüsse durch Platzpatronen mit scharfer Munition reagieren. Die Soldaten entwickeln sich mehr und mehr zum Freiwild für die Einheimischen und lassen einer nach dem anderen das Leben.
"Southern Comfort" ist auf vielfache Weise lesbar: Als Wiederbelebung der in den Dreißigern und Vierzigern beliebten patrol movies, als Vietnam-Allegorie, als Öko-Actionfilm oder auch ganz banal als spannungsgeladene, militärkritische Backwoood-Variation. Für Hill zählt einzig die natürliche Kulisse, ein zivilisationsfeindliches Areal mitsamt passender Einwohnerschaft, was den Cajuns in manchen Zuschauerkreisen einen ähnlich schlechten Ruf eingetragen haben dürfte, wie zuvor "Deliverance" oder "TCM" den südstaatlichen Hillbillies und Rednecks. Mit Brion James als einarmigem Fallensteller bekommen die Sumpfbewohner das erste Gesicht - eine hervorragende Wahl, den einhergehend mit James' Erscheinen auf der Leinwand beginnt auch für den Rezipienten das Unbehagen. Dass die nun folgende, langsam fortschreitende Dezimierung der Truppe in wesentlich höherem Maße auf die mangelnde Gruppendynamik als auf die psychologischen Attacken der Angreifer zurückzuführen ist, ist dabei ein besonderer Kniff, der die innere Spannung der Geschichte beinahe unmerklich zusätzlich zum Kochen bringt. Während sich Hill in den ersten vier Fünfteln kaum inszenatorische Freiheiten wie seine obligatorischen Zeitlupen gestattet, sondern die Geschichte sehr konzentriert verfolgt, ist der Showdown im Cajun-Dorf ein absolutes Musterbeispiel für suggestive Szenenkomposition: In wilder, zunehmend schnell geschnittener Montage verschmelzen vor folkloristischen Zydeco-Klängen Bilder von Tiertötungen und -ausweidungen, singenden und tanzenden Menschen und der vorbereiteten Hinrichtung der letzten beiden verbliebenen Trooper (Powers Boothe & Keith Carradine). Da zeigt sich dann endgültig wieder Hills Brillanz.
9/10
#764
Geschrieben 17. Mai 2007, 14:00
McLintock! ~ USA 1963
Directed By: Andrew V. McLaglen
George Washington McLintock (John Wayne) ist als größter Viehbaron der Gegend eine wohlgeschätzte Autorität. Sogar das benachbarte Städtchen ist nach ihm benannt. Privat läuft es derweil weniger gut: Seine widerborstige Frau Kathy (Maureen O'Hara) plant, sich von ihm scheiden zu lassen und die gemeinsame Tochter (Stefanie Powers) mit an die kultiviertere Ostküste zu nehmen. Doch McLintock erweist sich nicht nur im Zähmen von störrischen Rindviechern als Experte.
Ein Film ganz nach Dukes persönlichem Gusto. Mit seiner Mehrfach-Partnerin O'Hara bringt er eine Geschichte, die stark an Fords 11 Jahre älteren "The Quiet Man" angelehnt ist, wiederum mit Shakespeares "The Taming Of The Shrew" Schlitten fährt und sehr in der Tradition der anderen, spaßbetonten und familienfreundlichen Werke steht, in denen Wayne kurz zuvor aufgetreten ist. Wo Hathaway, Hawks oder Curtiz aber mit Nonchalance und leichter Feder ehrliches und intelligentes Handwerk liefern, wirkt McLaglen stellenweise bemüht und versucht oft, mit aller Gewalt locker und witzig zu sein. Immerhin, bisweilen gelingt ihm dies sogar. Mit böser Zunge könnte man sich nun fragen, was an McLintock als notorischem Alkoholiker und erzreaktionärem, frauenverachtendem und besserwisserischem Großkapitalisten eigentlich und überhaupt liebenswert sein soll, aber dasselbe Problem ergibt sich ja für zahlreiche Sympathisanten von Duke himself.
6/10
#765
Geschrieben 17. Mai 2007, 20:03
The Prestige ~ USA 2006
Directed By: Christopher Nolan
Im viktorianischen London: Nachdem die Magiergehilfen Angier (Hugh Jackman) und Borden (Christian Bale) sich wegen eines Unglücksfalls fürchterlich zerstritten haben, treten beide als Konkurrenten um die Gunst des Publikums gegeneinander an. Es entbrennt ein regelrechter Kleinkrieg, der mit immer härteren Bandagen und drastischeren Methoden geführt wird.
Mit der einleitenden Erläuterung des wie immer großartigen Michael Caine in seiner sympathischen Rolle als Trickspezialist Cutter legt Nolan gleich seine eigene Konzeption vor: Pledge, Turn und Prestige heißen die drei obligatorischen Akte zur Durchführung eines gelungenen Zaubertricks - und sie stellen zugleich die grobe dramaturgische Abfolge des Films dar. Nolan inszeniert sich durch seine zahlreichen narrativen Narreteien gewissermaßen selbst als eine Art Magier, und das recht erfolgreich. Mit diversen Brüchen in der Chronologie, heißen und kalten Spuren hält er sein Publikum bei der Stange.
Besonders gut gefallen hat mir die Nutzung der viktorianischen Ära als Hort wissenschaftlicher Revolutionen und Mythen unter Einbeziehung des authentischen und hochgradig interessanten Ingenieurs Nikola Tesla (David Bowie), der gern auch selbst einmal Hauptfigur eines Biopics sein dürfte. Wie viele in jener Periode angesiedelte Geschichten versteht auch "The Prestige" es, diese so gleichermaßen steif und verworfen wirkende Zeit für sich als trefflichen Hintergrund zu nutzen. Schön.
8/10
#766
Geschrieben 18. Mai 2007, 07:26
Piranha Part Two: The Spawning (Fliegende Killer - Piranha II) ~ USA/I 1981
Directed By: James Cameron
Vor einer karibischen Urlaubsinsel hat sich ein Schwarm genbetisch veränderter Killerpiranhas in einem Schiffswrack ein neues Heim gesucht. Die Tauchlehrerin Ann (Tricia O'Neil), der Wissenschaftler Tyler (Steve Marachuk) und Anns Mann, der örtliche Polizeichief (Lance Henriksen), können diverse Todesfälle, die zumeist die Gäste eines Strandhotels betreffen, nicht verhindern und haben es auch sonst schwer, denn die Piranhas können fliegen.
Kuck mal, wer da dilettiert: Nicht zu verwechseln mit Antonio Margheritis "Killer Fish" (dt. : "Piranha II - Die Rache der Killerfische"), in dem Lee Majors den Zampano macht, handelt es sich bei James Camerons Regiedebüt um eine offizielle Fortsetzung des Corman/Dante - Originals. Mit diesem kann es das vorliegende Gürkchen zwar nicht aufnehmen, bietet dem geneigten Freund saftigen Zelluloid-Abfalls aber eine Menge potenzielles Vergnügen. Die Attacken der Piranhas sind mit einem ordentlichen Fies-Faktor aufbereitet und fallen dementsprechend blutig aus; zwischen diesen erlebt man eine Abfolge absolut unmotivierter Füllszenen, die zumeist um die dullen Gäste und Mitarbeiter des "Club Elysium" (was für ein geiler Name) kreisen und den Film garantiert kein Stück weiter bringen. Dass Cameron kurz vor Abschluss der Dreharbeiten von dem Projekt ausgeschlossen wurde, rettet das Ding leider auch nicht. Es kann zwar nur gemutmaßt werden, welche Teile von dem Produzenten Ovidio Assonitis nachgedreht wurden, das spielt aber letztendlich keine Rolle. Homogenität ist ohnehin der Begriff, von dem "Piranha Part Two" am Weitesten entfernt ist. Immerhin ist dies der Beginn der wunderbaren Freundschaft Cameron / Henriksen, die bald darauf mit "The Terminator" ein erstes wirklich bedeutsames Arbeitsergebnis erfahren sollte.
4/10
#767
Geschrieben 18. Mai 2007, 20:07
Off Limits (Saigon) ~ USA 1988
Directed By: Christopher Crowe
Die beiden Militärpolizisten McGriff (Willem Dafoe) und Perkins (Gregory Hines) klären im Saigon der späten Sechziger eine Reihe von Prostituiertenmorden. Dabei legt ihnen die südvietnamesische Polizei in Person des den Amerikanern wenig wohlgesonnenen Lime Green (Kay Tong Lim) ebenso wie die US-Militärführung Steine in den Weg, um den psychopathischen Killer, einen Offizier aus den eigenen Reihen, zu schützen.
Ist nur eine vage Vermutung, aber ich schätze, den höchsten Hollywood-Output um den Vietnamkrieg gab es in der zweiten Hälfte der Achtziger. Es wurde damals, nach dem Erfolg von "Platoon" und "Full Metal Jacket" sogar zunehmend Genreübergreifendes erstellt, mit "Good Morning, Vietnam" tangierte man das komödiantische Feld, mit "Hanoi Hilton" das Knastdrama und mit "Off Limits" den schwarzweißen Buddy-/ Polizeithriller. Exotisch ist beim Ergebnis lediglich die Kulisse, ansonsten werden die üblichen Versatzstücke und Strukturen bemüht, komplette Sequenzen aus Klassikern ("French Connection", "Bullitt") plagiiert und zwischen den Szenen um das bemüht ermittelnde Cop-Duo keine Gelegenheit ausgelassen, den Krieg als Wahnsinn zu "entlarven", das US-Engagement in Südostasien aber als ein mehr oder weniger notwendiges Übel auszugeben - von den latenten Rassismen ganz zu schweigen. Dass sich die Story in unlogischen, respektive urplötzlich herbeigezauberten Überraschungswendungen ergeht, ist dem Unterhaltungsfaktor nochmals in nicht unbeträchtlicher Weise abträglich. Ich hatte gehofft, dass sich der Film nach 20 Jahren besser über die Runden gebracht hätte, tatsächlich bietet er aber nunmehr kaum Erwähnenswertes.
4/10
#768
Geschrieben 19. Mai 2007, 10:09
Extreme Prejudice (Ausgelöscht) ~ USA 1987
Directed By: Walter Hill
Texas-Ranger Jack Benteen (Nick Nolte) hat alle Hände voll zu tun: Nicht nur, dass sich die Situation um seinen ehemals besten Freund und jetzigen Drogen-Großhändler Cash Bailey (Powers Boothe), der von Mexiko aus die Fäden zieht, zunehmend verschärft, eine Truppe von Geheimagenten der Regierung unter der Führung von Major Hackett (Michael Ironside) plant ebenfalls den großen Schlag gegen Bailey - ohne Benteen einzuweihen.
So ist mir "mein" Hill am liebsten: Ultratrocken und ohne Pipapo. Mit zahlreichen Westernanleihen und in großem Gedenken an seinen Lehrmeister Peckinpah geht er die Sache an, jedoch stets in bestem Wissen um seine persönliche Gangart. Das Finale ist sicher eine kleine Erbschaft von "The Wild Bunch", verleugnet dabei aber glücklicherweise nicht den eigenen zeitlichen Kontext oder erscheint anachronistisch. Schwächen liegen in den Geplänkelszenen mit Maria Conchita Alonso, die wohl zur telegenen Vervollständigung des Männerkonflikts zwischen Benteen und Bailey eingesetzt wurde. Diese Stellen wirken mit vollkommen unsubstanziellem Dialog unkonzentriert und nehmen dem Film viel von seinem Drive. Zehn Minuten weniger hätten "E. P." sicher gutgetan. Nick Nolte, mit hagerem Gesicht wie selten und ganz offensichtlich unter Dauerstrom, stakst mit beeindruckender Reglosigkeit und Stoizismus durch die Szenerie, Hill scheint es zu mögen. Dessen Versiertheit und Dynamik bei der Visualisierung von Schießereien kann man hier jedenfalls mit am Einprägsamsten verifizieren.
7/10
#769
Geschrieben 20. Mai 2007, 19:36
Nachts, wenn Dracula erwacht ~ E/I/D/LI 1970
Directed By: Jess Franco
Der junge Advokat Jonathan Harker (Fred Williams) kommt auf das Schloss des Grafen Dracula (Christopher Lee), um ihm ein Gebäude in London zu verkaufen. Rasch entpuppt sich der Graf nicht nur als Wolf im Schafspelz, der seinen Gast zum Gefangenen macht, sondern zudem als sich mit jedem Blutdrink verjüngender Vampir. Harker kann fliehen und mit Hilfe des Arztes Van Helsing (Herbert Lom) dafür sorgen, dass das Unheil, das der Graf in Budapest anrichtet, überschaubar bleibt.
Zugänglicher als die meisten anderen Francos, da das Szenario vielen Zuschauern hinlänglich bekannt sein dürfte und es die Verschrobenheiten des eigenwilligen Regisseurs somit etwas abfedert. Francos Adaption von Stokers Roman wird stets als sehr werkgetreu gelobt und tatsächlich könnte es, abgesehen von einigen produktionserleichternden Freiheiten, mit die kongenialste Verfilmung des Stoffes sein. Pikanterweise spielt Lee, in Konkurrenz zu sich selbst, den Grafen wesentlich ernsthafter, besser und mit weniger Theatralik als in jeder seiner Hammerproduktionen. Zur zusätzlichen optischen Unterscheidung trägt er bei Franco außerdem einen Schnorres. Neben Lee steht mit Kinski und Lom möglicherweise die beste Besetzung vor der Kamera, die Franco je zur Verfügung stand - auch wenn man dem guten Jack Taylor als Quincey Morris kaum unterstellen kann, schauspielerische Glanzlichter zu setzen.
Was Francos Film bei aller eingeschränkten budgettechnischen Finanzkraft dennoch faszinieren lässt, ist seine im Gegensatz zu den Hammerfilmen karge Optik, die viel mit kalter und natürlicher Beleuchtung arbeitet und, obwohl vornehmlich in Barcelona gedreht, ihre Schauplätze tatsächlich osteuropäisch erscheinen lässt.
7/10
#770
Geschrieben 22. Mai 2007, 18:32
Harper (Ein Fall für Harper) ~ USA 1966
Directed By: Jack Smight
Der kleine Privatdetektiv Lew Harper (Paul Newman) erhält den Auftrag, den verschwundenen Ehemann der reichen Mrs. Sampson (Lauren Bacall) aufzuspüren. Alles deutet bald auf eine Entführung hin, nur sind in dem Wust von seltsamen Gestalten, die Harper in den folgenden Tagen trifft, die Kidnapper schwer auszumachen.
Paul Newmans vier "H"-Filme aus den 60ern ("The Hustler", "Hud", "Harper" und "Hombre") ergeben zusammengefasst eine Art Zyklus, der alle wesentlichen Charaktere bzw. Charakterzüge, die Newman je verkörpert hat, wiederspiegeln. Als p.i. Harper ließ Newman nach viel Schwermütigem und Dramatischem erstmals in einem seiner Hauptwerke die später so beliebte Filou-Seite aufblitzen, die dann in den Rollen Butch Cassidys und Henry Gondorffs zur vollen Blüte gelangen sollte. Lew Harper steht in direkter Tradition zu Bogarts Genrearchetypen und auch wenn die Gestalt des Films sonnendurchflutet, farbig und, passend zu den sixties, "swingin'" daherkommt, so ist er doch ein früher neo noir. "Harper" zeigt nach anfänglichen Ausflügen ins Komödiantische nämlich durchaus, dass er die Erbschaft seiner hartgekochten Vorgänger anzutreten bereit ist und verunsichert den Zuschauer zunehmend, indem er nach und nach nicht nur seine Nebenfiguren als wesentlich niederträchtiger denn vermutet veräußert, sondern Harper als mitunter ziemlich rückgratlosen Menschen denunziert. Das wäre einem Philip Marlowe kaum vorgekommen.
À propos: Mit dem Einsatz von Lauren Bacall als mysteriösem Frauenzimmer im Hintergrund schließt sich ein weiterer Kreis.
8/10
#771
Geschrieben 22. Mai 2007, 21:30
Jackson County Jail (Vergewaltigt hinter Gittern) ~ USA 1976
Directed By: Michael Miller
Um nach einem Streit mit ihrem Ehemann (Howard Hesseman) Abstand zu gewinnen, reist die Werrbefachfrau Dinah (Yvette Mimieux) quer durch die USA zu ihrer Schwester (Nan Martin). In Jackson County landet sie, nachdem ihr ein drogenvernebeltes junges Pärchen (Robert Carradine, Nancy Lee Noble) ihre Habe gestohlen hat, durch einen Justizirrtum im örtlichen Knast. Der Wachhabende (Frederic Cook) kann nicht an sich halten und vergewaltigt Dinah, die ihren Peiniger kurz darauf erschlägt. Zusammen mit ihrem Zellennachbarn, dem Outlaw Coley (Tommy Lee Jones), flieht sie, die Polizei dicht auf den Fersen.
I fought the law and ...: Aus der Corman-Factory stammt dieses ziemlich grantige und defätistische B-Picture. Zwar war es anno '76 nichts Neues, dass insbesondere unabhängig arbeitende Filmer ihre Nationalkritik unverhohlen zum Ausdruck brachten, wenn die Sache aber so rund lief wie hier, dann ist das auch 30 Jahre später noch erwähnenswert. Nun lässt sich "Jackson County Jail" weder in die Sparte "rape & revenge" noch in den Bereich "Outlaw-Paar auf der Flucht" so recht einordnen, so ganz weit weg von den jeweiligen, entsprechenden Vertretern ist Millers Film aber auch nicht zu suchen. Besonders der feministische Aspekt - Dinah in einer von Männern dominierten Welt wird zusehends in die Enge getrieben und hat, man ahnt es am Schluss, auch keine Chance sich dieser erfolgreich zu erwehren - wiegt hier schwer und wird durchaus glaubwürdig und politisch relevant hochgehalten.
Tommy Lee Jones als überzeugter Anarcho-Krimineller ist bereits als Jungspund einen Blick wert und vervollständigt das Duett mit der tollen Yvette Mimieux ganz vortrefflich.
8/10
#772
Geschrieben 24. Mai 2007, 17:53
Born To Win (Pforte zur Hölle) ~ USA 1971
Directed By: Ivan Passer
J (George Segal), in Manhattan auf der permanenten Suche nach dem nächsten Fix, ist ein armseliges Würstchen. Stets ganz kurz davor, den letzten Rest Selbstachtung einzubüßen, spielt er seiner Freundin Parm (Karen Black) und seinem Suchtkumpel Billy Dynamite (Jay Fletcher) den alles im Griff habenden Obermotz vor - und gerät alsbald in die Klemme zwischen Polizei und Pushern.
Kurz nach Jerry Schatzbergs "Panic In Needle Park" kam dieser wesentlich entspanntere Vertreter der Frühsiebziger-Drug- Addict-Welle auf den Plan - und ging völlig im Schatten des Vorläufers unter. Sehr schade, denn das, was Segal als winzig kleiner Großkotz abliefert, ist schon klasse. "Born To Win" wirkt richtiggehend schwarz, wozu nicht nur der extrem soullastige Score beiträgt. Nebenher ist der Film entgegen seiner "Die Schlaufe zieht sich zu" - Geschichte unglaublich relaxt und gleichermaßen beeindruckend in seinem von sich überzeugten Minimalismus. J wie Jerome / J wie Junkie hat zwar große Angst vor dem hot shot, als er am Ende aber erfahren muss, dass er nichtmal sein Mädchen beschützen kann, geht er das Risiko ein. Die letzten beiden Einstellungen - J verschwindet spurlos in der Menschenmenge und taucht danach nochmal kurz an seinem Lieblingssitzplatz in der Bowery auf mit schmerzverzerrtem Gesicht - sind zugleich vielsagend und undramatisch. Eins der schönsten Enden, die ich in letzter Zeit zu Gesicht bekommen habe.
Robert De Niro ist als Undercoverpolizist zu sehen, der J auf die Pelle rückt. Dann habe ich noch etwas ganz Neues gelernt, nämlich, dass Karen Black in jungen Jahren mal 'ne ganz Süße war. Das hat mir selbst 28 x "Easy Rider" bislang nicht verraten können.
8/10
#773
Geschrieben 25. Mai 2007, 18:29
Exterminator 2 ~ USA 1984
Directed By: Mark Buntzman
John Eastland (Robert Ginty) hat sein ungewöhnliches Hobby nicht abgelegt und schickt nach wie vor das New Yorker Gesocks zur Hölle. Um seine Effektivität beizubehalten, benutzt er weiterhin mit Vorliebe den guten alten Flammenwerfer. Irgendwann legt er sich mit dem größenwahnsinnigen Straßenpunk X (Mario Van Peebles) an, mit dem er sich nichts schenkt.
Für Teil Zwo des Vigilantenspektakels übernahmen Golan und Globus die Fackel des Abenteuers. Wo man Glickenhaus als berufsmäßiger Zeigefinger bereits Undifferenziertheit in Bezug auf die Ausarbeitung seines Themas hätte vorwerfen können, gibt es bei Buntzman erst gar keine Diskussion mehr. Ähnlich wie später bei "Death Wish 3" ist das ganze Szenario jedoch völlig surrealistisch und entrückt, so dass die Methodenvielfalt des Exterminators bei der Eliminierung Krimineller dann auch kaum sauer aufstößt. Dafür sorgt auch der Disco-Trash, der die Soundtrackspur "veredelt". Trotzdem bleibe ich dabei: Für einen Ginty-Film ist das Ganze technisch einigermaßen geglückt und mag die Abwicklung der Story sich auch unweit des Kretinismus befinden - es gibt wahrlich noch reichlich dümmere Spartenvertreter. Insgesamt eine sehr spaßige Angelegenheit, nach der mich schon seit vielen Jahren dürstete.
5/10
#774
Geschrieben 26. Mai 2007, 06:53
Prophecy (Die Prophezeiung) ~ USA 1979
Directed By: John Frankenheimer
Dr. Verne (Robert Foxworth), Großstadtmediziner und Humanpessimist aus Überzeugung, erhält den Auftrag, eine Papierfabrik in den Wäldern Maines auf ihr ökologisches Gefahrenpotenzial hin abzuklopfen. Zusammen mit seiner Frau (Talia Shire) besieht er sich die Lage vor Ort. Die dort lebenden Indianer gehen mit großer Vehemenz gegen die Industriellen vor, da sich in der Gegend neben Mutationen bei Neugeborenen Fehl- und Missgeburten häufen. Isley (Richard Dysart), der Chef der Papiermühle, leugnet hartnäckig dan Abfluss von Giftstoffen in den örtlichen Fluss. Als sich dann einige Todesfälle ereignen, geraten die Indianer unter Verdacht. Tatsächlich schleicht jedoch ein durch Verseuchung entstandenes, riesiges Untier durch den Wald.
Wie einige ähnlich gelagerte Filme aus dieser Zeit, darunter Guillermins "King Kong" - Remake oder Andersons "Orca", genießt "Prophecy" keinen sonderlich guten Ruf. Als Trah wird er gern bezeichnet, als klischeehaft und dumm. Bei oberflächlicher Betrachtung mögen diese Vorwürfe in Teilen sogar zutreffen. Vielleicht muss man genau dieser Art Film auch ein gerütteltes Maß Empathie entgegenbringen, um sie gernzuhaben. Tatsächlich sind besonders in dem ziemlich konstruierten Drehbuch sicher einige Kardinalsfehler enthalten, die erfolgreichere Schreiber meiden würden wie der Teufel das Weihwasser. Ich wundere mich aber, dass der Nervenkitzel und die innere Geschlossenheit, die von Frankenheimers wirklich brillanter Regie ausgehen, offensichtlich den Allermeisten zu entgehen schienen und scheinen. Die Szene in dem unterirdischen Tunnelsystem der Indianer beispielsweise gehört zu den bestinszenierten, die der Horrorfilm der späten Siebziger zu bieten hat.
"Prophecy" war eines der ersten Genrestücke, die ich als Steppke zu Gesicht bekommen habe, danach gab es dann praktisch jahrzehntelang keinen Kontakt mehr. Ich glaube, man könnte den Film hierzulande als "selten" bezeichnen. Bin froh, dass ich ihn nun wieder greifbar habe.
8/10
#775
Geschrieben 26. Mai 2007, 15:38
Summer Night Fever ~ BRD 1978
Directed By: Siggi Götz
Die beiden Junggigolos Peter (Stéphane Hillel) und Freddy (Claude Obalski) fahren mit einem gelben Käfer-Cabrio Richtung Ibiza. Freddys Schwester Vicky (Olivia Pascal), die gezwungenermaßen auch an Bord ist, versaut Peter jede Anmachtour, weshalb er zunehmend weniger gut auf sie zu sprechen ist. Oder täuscht das bloß? Jedenfalls gibt es entlang der Mittelmeerküste zahlreiche mehr oder weniger amouröse Abenteuer zu bestehen.
Für die LISA-Produktionen der Siebziger und Achtziger muss man schon eine spezielle Vorliebe haben. Diese sollte einen besonders sensibilisierten Sinn für dummdreisten Humor, schauspielerisches und inszenatorisches Unvermögen sowie für inhaltliche Leere und Belanglosigkeiten beinhalten. Es hilft auch, wenn man, wie in diesem Falle nötig, die Popmusik jener Tage zu schätzen weiß und sich an (halb-)nackten deutschen Sternchen erfreuen kann, die ständig von Emanzipierung und Meeresleuchten faseln. Dann wird man mit einem durchs Bild tapernden Gianni Garko, der mit Schampus um sich spritzt, sowie manch pittoresker mediterraner Postkartenansicht entlohnt. Da soll nochmal einer sagen, das sei nix.
5/10
#776
Geschrieben 28. Mai 2007, 09:10
Cola, Candy, Chocolate ~ BRD 1979
Directed By: Siggi Götz
Von ihrem spinnerten Freund genervt, lässt sich Gaby (Olivia Pascal) von Carmela (Ursula Buchfellner) überreden, sie bei einem Urlaubstrip auf die Philippinen zu begleiten. Schon am Münchener Flughafen wirft Gaby ein Auge auf den vertrockneten, aber schnuckeligen Akademiker Andreas (Philippe Ricci), der in Manila seine furchtbar nervige Verlobte Christine (Dolly Dollar) heiraten möchte. Die Trauung vor Ort soll Christines Bruder Herbert (Herbert Fux), seines Zeichens Pfaffe in Übersee, vornehmen. Neben Gaby, die alles daran setzt, die Hochzeit zu verhindern, sorgen Herberts lustiger Schimpanse, ein dicker, schwuler Hotelmanager (Ike Lozada), ein autoritärer Bischoff (Ruben Tizon) sowie eine idiotische Feuerwehrtruppe für allerlei Unbill ...
Der Wahnsinn geht weiter: Nach "Summer Night Fever" schenkte Siggi Götz der Welt diese filmische Nichtigkeit, die mit ihrem zunehmend blödelnderen Humor bereits auf die Genresternstunde "Sunshine Reggae auf Ibiza" hinweist. Das Rezept unterscheidet sich kaum von den meisten anderen LISA-Comedies: Exotische Schauplätze, heiße Discomusik und flotte Sprüche bestimmen den beneidenswert existenzleichten Alltag der ProtagonistInnen. Selbstredend freut man sich auch immer wieder auf und dann über den Luxusleib von Olivia Pascal, die etwa die Hälfte ihrer screentime oben ohne zu sehen ist und als weitere obligatorische Ingredienz bei kaum einem der erwähnten, fluffigen Streifen fehlt. Das dünne Handlungsgerüst ist im vorliegenden Falle natürlich nichts anderes als ein Remake von Hawks' "Bringing Up Baby" - mit der Pascal als Hepburn-Substitut und Philippe Ricci in der Rolle Cary Grants, der, genau wie weiland David Huxley, irgendwann seine Brille absetzt und fast unmittelbar vom eigenbrötlerischen Bücherwurm zum hübschen Womanizer mutiert. Bedarf eigentlich keiner Erwähnung, dass die beiden Turteltäubchen der Originalpaarung in keinster Weise gefährlich werden.
Bleibt nur noch zu sagen, dass ich mich kaum entscheiden kann, welcher Filmname mir besser gefällt: Der oben angegebene Urraufführungstitel oder jener für die Videoveröffentlichung: "Drei kesse Bienen auf den Philippinen". Eine wahrhaft schwere Wahl.
5/10
#777
Geschrieben 28. Mai 2007, 14:14
Hickey & Boggs (Magnum Heat) ~ USA 1972
Directed By: Robert Culp
Al Hickey (Bill Cosby) und Frank Boggs (Robert Culp) nehmen als Privatdetektiv-Kompagnons den Auftrag an, nach einer Mexikanerin (Carmen) zu suchen. Wie sich herausstellt, hat diese sich eines Koffers mit der Beute aus einem Banküberfall bemächtigt, hinter dem die halbe Unterwelt von Los Angeles herzusein scheint.
Als delirierender neo noir wurde "Hickey & Boggs" irgendwie immer vernachlässigt. In Deutschland wurde ihm erst gar keine Kinoauswertung zuteil, er wurde erst in den späten Achtzigern als Videopremiere auf den Markt geschmissen. Und geht es um die üblicherweise erwähnten Vertreter des revitalisierten Detektivfilms der Siebziger, fallen immer dieselben Titel, nur "Hickey & Boggs" ist nie dabei. Erklären kann ich mir das bloß mit der absoluten Gegen-Haltung dieses Stücks - jede Faser, vom Buch bis zur letzten Einstellung ist in irgendeiner Form wider die Konventionen. Die beiden titelgebenden Figuren sind zwei völlig aus dem Ruder gelaufene, am Leben entlangscheiternde Gestalten, die das altbewährte "I, Spy"-Gespann in denkbar bösester Weise konterkarieren. Dass ausgerechnet Robert Culp für die Realisierung dieses Konzepts verantwortlich zeichnet, lässt eigentlich nur darauf schließen, dass er eine alte Rechnung begleichen oder mit der Serie endgültig abschließen wollte.
Die Irrläufer, die die Handlung im Laufe des Films nimmt, erschweren die Konzentration ungemein, manche Sequenzen sind für die Charakterisierung der Protagonisten unerlässlich, andere zielen geradewegs in die narrative Redundanz. "Hickey & Boggs" ist ein Film, anhand dessen man das Sehen trainieren kann, hier speziell, um Culps Regie (übrigens seiner einzigen fürs Kino) in ihrer nicht zu unterschätzenden Komplexität zu begreifen.
8/10
#778
Geschrieben 28. Mai 2007, 19:18
Condenados De Vivir (Todesmarsch der Bestien) ~ E 1972
Directed By: Joaquín Luis Romero Marchent
Um das Gold aus seiner Mine sicher über die Berge zu bringen, tarnt Sergeant Brown (Robert Hundar) die Reichtümer als Bleiketten, mit denen er sieben Sträflinge aneinanderfesselt. Der vermeintliche Gefangenentransport wird von ein paar Banditen überfallen, die von dem Gold wissen. Brown, der zudem noch seine Tochter Cathy (Emma Cohen) dabei hat, und die Gefangenen fliehen durch die Berge. Als diese feststellen, dass das schwere Metall zu ihren Füßen tatsächlich großen Wert besitzt, siegt die Gier und es beginnen Mord und Totschlag.
Wie der andere große Euro-Schneewestern "Il Grande Silenzio" weist auch "Condenados" eine recht bedrückende Atmosphäre auf, die sich Kargheit und Kälte des Areals zunutze macht, um jenes gleichermaßen bildhaft für die psychische und ethische Disposition der Hauptfiguren zu verwenden. Nach Sympathieträgern sucht man weitgehend vergebens. Anfänglich hält man es noch mit Brown, als dieser aber seine ebenfalls recht skrupellose Art, der Dinge Herr zu werden, offenbart und kurz danach ohnehin komplett ausfällt, bleibt nur noch die arme Cathy, die ohnehin schon durch den Film geschunden wird, wie das personifizierte Leiden Christi. Man sollte daher nicht mit der Erwartung an den Film gehen, ein Spaßfeuerwerk mit Brandt-Synchro serviert zu bekommen - die Mundwinkel dürften sich spätestens zu Beginn des Abspanns eher nach unten bewegt haben.
Marchent ist nun kein Corbucci, "Condenados" erreicht auch nicht die überragende Qualität von "Silencio", dennoch bleibt er mit manchen Derbheiten ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass trotz der Signores Spencer & Hill bei den italienischen Nachbarn der Wilde Westen auch auf der Leinwand noch sein wildes Potential entfalten konnte.
7/10
#779
Geschrieben 29. Mai 2007, 16:26
Kinjite: Forbidden Subjects (Kinjite - Tödliches Tabu) ~ USA 1989
Directed By: J. Lee Thompson
Als erzpuritanischer Altbulle ist Lieutenant Crowe (Charles Bronson) bei der Sitte von L.A. bestens aufgehoben. Zusammen mit seinem Partner (Perry Lopez), der ihn regelmäßig an die Dienstvorschriften erinnert, fährt er immer wieder kleine, mehr oder minder subtile Attacken gegen den Zuhälter Duke (Juan Fernández), der einen Callgirlring mit Minderjährigen unterhält. Auf seine 15-jährige Tochter (Amy Hathaway) hat Crowe stets ein wachsames Auge und als sie eines Tages von dem betrunkenen japanischen Geschäftsmann Hada (James Pax) im Bus begrapscht wird, ist Crowe speziell auf Asiaten schlecht zu sprechen - zumal der Langfinger unauffindbar ist. Pikant wird die Situation, als Hadas Tochter (Marion Kodama Yue) in Dukes Hände gerät, der das junge Mädchen unter Drogen setzt und auf den Strich schickt. Ausgerechnet Crowe soll den Fall klären.
Wenn ich mich nicht verzählt habe, dürfte "Kinjite" die neunte (und finale) Zusammenarbeit von Star und Regisseur sein. Ob Bronson zu alt, zu imagebezogen oder ein zu limitierter Akteur war, bleibt im Dunklen - "Kinjite" hätte andernfalls die Demontage eines Actionstars oder die interessante Charakterreflexion eines obsessiven Beamten sein können, so ähnlich wie "Tightrope" ein paar Jahre zuvor. Doch wird dieses (zwischenzeitlich zweifelsfrei anvisierte) Moment fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel, nur um Opa Bronson ein weiteres Mal als wandelnden Anachronismus durch einen Film zu jagen, der die seit "Yakuza" im Thrillerfach so beliebte Ost-West-Annäherung mitverwurstet. So rekrutieren sich die denkwürdigen Szenen aus jenen Momenten, in denen etwas Verwerfliches passiert - seien es der Zuhälter beim Uhrenfressen, der Zuhälter beim Vergewaltigen, der Zuhälter kurz vor der eigenen rektalen Defloration. Bronson in üblicher Pose gerät da schon fast zur Staffage mit seinen 68 Jahren auf dem Buckel.
Die Zeit heilt alle Wunden - so auch diese - was zur Folge hat, dass man sich von "Kinjite" als spätem, verlogenen, altreaktionären und verklemmten Cannon-Beitrag gut unterhalten lassen kann (sicher aber nicht muss).
4/10
#780
Geschrieben 30. Mai 2007, 06:13
Vampyr - Der Traum des Allan Grey ~ D/F 1932
Directed By: Carl Theodor Dreyer
Der junge Wanderer und Studiosus Allan Grey (Julian West) hat eine unerklärliche Affinität zum Übernatürlichen. Als er in einem Gasthof absteigt, begegnet ihm ein alter Mann (Maurice Schutz), der Allan ein Päckchen aushändigt mit dem schriftlichen Hinweis, es erst nach dem Tode des Alten zu öffnen. Kurz darauf, Allan wird Zeuge seltsamer physikalischer Verschiebungen, landet der junge Mann auf dem Schloss des alten. Als dieser dann tatsächlich stirbt, zeigt sich, dass auch eine seiner Töchter (Sibylle Schmitz) unter einem sonnambulen Fieber zu leiden scheint. Allan öffnet das Bündel des Schlossherrn, in dem sich ein Buch befindet, das die ganze schreckliche Wahrheit dokumentiert.
Kino als Suggestion. Dass die Leinwand vortrefflich als Stimmungsmacher fungieren kann, hat Dreyer früh erkannt und so widmet er sich seinem hypnotischen Albtraum nach Le Fanu mit aller Hingabe. Im Grunde ist "Vampyr" trotz minimalster Dialogfetzen noch immer ein Stummfilm. Erläuternde, auktoriale Texttafeln werden später von Buchpassagen abgelöst, die die letzte Verbindung zur Ratio darstellen. Allans seltsame Impressionen - irgendwo zwischen abergläubischer Vision und Traum - zeigen höchst Verstörendes: Ein Schatten, der seinem holzbeinigen Menschen nur mit einiger Verspätung nachfolgt, ein anderer, der sich rückwärtig bewegt (statt die Erde von dem Spaten zu schütten, fliegt sie zurück auf dessen Blatt), schließlich die eigene Beerdigung als Zeremoniell. Immerhin gestattet Dreyer am Ende die Erlösung durch die Bezwingung des Bösen und die wahre Liebe. "Vampyr" ist als Beispiel für den expressionistischen Horrorfilm einer der letzten Vertreter seiner Zunft aus Europa vor Beginn des 2. Weltkriegs und ein unbedingtes Muss zur Motiverschließung im Genre.
9/10
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