In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#871
Geschrieben 26. Juli 2007, 08:05
Roxanne ~ USA 1987
Directed By: Fred Schepisi
Feuerwehrmann C.D. Bales (Steve Martin) ist in seinem schnuckligen Heimatstädtchen Nelson sehr beliebt: Er ist schlagfertig, witzig und weiß aus jeder Misere einen Ausweg. Nur seine riesige Nase steht ihm bisweilen im Weg, so auch, als die schöne Astronomiestudentin Roxanne (Daryl Hannah) nach Nelson zieht. Diese verguckt sich in C.D.s Kollegen Chris (Rick Rossovich), einen gut aussehenden aber tumben Zeitgenossen. C.D. soll auf beidseitigen Wunsch den Verkuppler spielen und erfindet daraufhin lyrische Zeilen, die er für Chris niederschreibt, die eigentlich aber seine eigenen Gefühle widerspiegeln.
Steve Martins Version von Rostands "Cyrano de Bergerac" ist ein schönes Beispiel hollywood'scher Komplexitätsreduktion: Die tragischen Elemente und das traurige Ende des Dramas beiseite lassend versetzt "Roxanne" die Geschichte des langnasigen Schelmen und seiner unglücklichen Liebe in eine wesentlich anschmiegsamere, kalifornische Gegenwart. Das Motiv des hässlichen, dabei sensiblen und geistreichen Charakters findet aber immer noch genügend Platz, um "Roxanne" zu einer schönen, ansatzweise sogar poetischen Liebeskomödie zu machen, die mit durchweg sympathischen Menschen förmlich um sich wirft und keinem etwas Böses will. Lustige Nebenstränge wie der um C.D.s idiotische Feuerwehtruppe sorgen dafür, dass Martin sich aus dem humorigen Rampenlicht zurückziehen und eine etwas ernstere Rolle darbieten kann, was ihm als Autor des Films ofenbar sehr am Herzen lag. Das happy end lässt man sich dann auch gern gefallen, zumal es eine der schönsten Kussszenen bietet und man es wohl kaum ertragen könnte, Daryl Hannah weinen zu sehen.
7/10
#872
Geschrieben 26. Juli 2007, 15:54
In Harm's Way (Erster Sieg) ~ USA 1965
Directed By: Otto Preminger
1942: Nach dem Angriff auf Pearl Harbor wird der Flotten-Kapitän Torrey (John Wayne) zum Admiral ernannt. Er soll die äußerste US-Verteidigungslinie im Pazifik halten, ausbauen und gegebenenfalls selbst offensiv tätig werden. Drum herum gibt es noch einige Schwerenötereien um einen verstoßenen Sohn (Brandon De Wilde), Beziehungsstress, Vergewaltigung, Selbstmord und Heroismus.
Anno 65 war von der einstmaligen Klasse Otto Premingers nicht mehr allzu viel spürbar; immerhin verstand er es noch, überlanges Edelkino mit Starbesetzung Marke "Exodus" auf die Leinwand zu bringen, dem man seinen Glamour ansah.
"In Harm's Way" ist ein Kriegsfilm, der Kriegshandlungen marginal abhandelt. Im Zentrum steht ganz groß die Figur, die Wayne zum besten gibt, samt ihrer Geschicke: Ein ranghoher Offizier von größtem Heldenmut, größter Besonnenheit und mit Haut und Haaren der Marine verschrieben. Das war natürlich ein Part, der Duke ganz auf den Leib geschrieben war und so muss sich die supporting cast, allen voran der wie immer tolle Kirk Douglas, mit einer verhältnismäßigen Papierpräsenz zufrieden geben. "In Harm's Way" bietet darüberhinaus ein herrliches Beispiel für die Rollenvielfalt, die einen multipel einsetzbaren Star wie Douglas gegenüber dem einseitig besetzten Wayne auszeichnet. Letzterer agiert auch hier exakt wie sonst, zwar erwartungsgemäß sympathisch und professionell, aber eben auch völlig überraschungsfrei. Douglas, seit jeher dem linksliberalen Flügel in Hollywood verhaftet, gibt einen sehr ambivalenten Charakter, der von sexuellen Psychosen und Alkoholismus gebeutelt wird. Für Duke wohl ebenso undenkbar wie der Eintritt in die Kommunistische Partei. Allerdings zeigte sich, dass die beiden Stars sich abseits aller politischen Differenzen hervorragend ergänzten und verstanden und so gab es noch zwei weitere Zusammenarbeiten. Gleich in der nächsten, "Cast A Giant Shadow" gibt sich Duke dann (mit einer allerdings wiederum sehr heldenhaft angelegten) Nebenrolle zufrieden und revanchiert sich damit für Douglas' Support hier.
6/10
#873
Geschrieben 27. Juli 2007, 12:09
Get Carter (Jack rechnet ab) ~ UK 1971
Directed By: Mike Hodges
Als Jack Carter (Michael Caine) vom Tod seines Bruders Frank, der im Tyne ertrunken sein soll, erfährt, reist er von London nach Newcastle, um die Umstände von Franks plötzlichem Ableben zu klären. Carter findet mittels sehr nachdrücklicher Ermittlungen heraus, dass sein Bruder weder durch einen Unfall noch durch Selbstmord umgekommen ist, sondern das Opfer einer miesen Intrige wurde, eingefädelt durch den üblen Gangster Kinnear (John Osborne). Dass es sich in Ganovenkreisen nicht schickt, Privatvendetten zu veranstalten, bekommt Carter aber bald unangenehm zu spüren.
Newcastle als Königreichspalermo: Nach einem gemächlichen Beginn, einer Zugreise und investigativer Arbeit - man ahnt sogleich, dass es dabei nicht bleiben wird - entwickelt Jack Carter sich zum kompromisslosen Racheengel, der jeden, der auch nur mittelbar mit dem Tod seines Bruders zu tun hat, gnadenlos aus dem Weg räumt oder gleich hopps gehen lasst.
Was "Get Carter" vom Genregros unterscheidet, ist die Charakterisierung der Titelfigur: Zwar lässt sich Caine nicht lumpen, wenn es darum geht, seinem Carter ein überaus cooles und hartes Wesen zu verleihen - dass der Mann nicht geringe persönliche Probleme hat, lässt sich aber ebensowenig von der Hand weisen. Medikamentensüchtig (was er da für Arzneien nimmt, kann man nur mutmaßen), einsam (sein Londoner Betthäschen ist mit Carters Boss verheiratet und verleugnet ihn; seine Nichte will nichts von ihm wissen), promisk, sadistisch und selbstillusorisch (er faselt dauernd von einem Ausstieg Richtung Südamerika, dabei ist klar, dass daraus nichts werden kann) wie Carter ist, ist es bei aller Entschiedenheit in seinem Vorgehen bloß eine Frage, bis er unaufmerksam wird - das finale Los des Killers. Große Genreware und allein mit Newcastle, einem karg anmutenden Industriestandort, als Schauplatz konsequent wie nur was.
9/10
#874
Geschrieben 28. Juli 2007, 21:34
Winnetou Le Mescalero (Mein Freund Winnetou) ~ BRD/F/CH 1980
Directed By: Marcel Camus
Nachdem Winnetou (Pierre Brice), Häuptling der Mescalero-Apachen, Zeuge des gewaltsamen Todes seines Ziehvaters Alter Bär (Vincente Lara) und dabei selbst schwer verwundet wird, kommt ihm sein Blutsbruder Old Shatterhand (Sigfried Rauch) zu Hilfe. Kurz darauf begegnet Winnetou dem jungen Komantschen Tashunko (Eric Do), der sein Mündel wird. Gemeinsam werden die beiden Zeuge der Leidensgeschichte der Indianer, die durch die Profitgier und die Arroganz der Weißen bedingt wird. Als Winnetou dann erfährt, dass Alter Bär noch lebt und in einem Schauprozess vor Gericht gestellt werden soll, begibt er sich in die weiße Zivilisation, was ihm wiederum fast zum Verhängnis wird.
TV-Reihen sind rarer Stoff in meinem FTB, aber in einem solchen Falle muss die Ausnahme sein, zumal "Winnetou Le Mescalero" mit einer Gesamtlänge von 350 Minuten im Prinzip ein längerer Spielfilm ist.
Mit der Veröffentlichung dieser Miniserie auf DVD ging für mich ein Herzenswunsch in Erfüllung, da ich sie sicher seit 25 Jahren nicht mehr gesehen hatte und seither immer auf die rein tonale Version in Form der Europa-Hörspielreihe (mit Horst Frank als zugeschaltetem Erzähler) angewiesen war. Jetzt endlich wieder die Bilder dazu geliefert zu bekommen, ist regelrecht sagenhaft, mir gefällt die Serie außerdem noch immer erstklassig. "Winnetou Le Mescalero" basiert auf einer Grundidee von Pierre Brice, der seit den mittleren Siebzigern seine Leib- und Magenrolle bei den May-Festspielen in Elspe gegeben hatte und den Charakter fernab der Heimatromantik der elfteiligen Filmreihe von Wendlandt bzw. Brauner aus den 60er Jahren "auszunutzen" plante, um ein sehr ernsthaftes Statement über die authentische Rolle der Indianer im Westen abzuliefern. Wie ihm, respektive den ausführenden Instanzen das gelingt, ist famos. Nachdem man sich mit der jeder inneren Logik spottenden Prämisse - Winnetou sah schließlich wesentlich jünger aus, als er gestorben ist - angefreundet hat, kann man einen in jeglicher Hinsicht deutlich gereiften Apachenhäuptling erleben, der (zudem in der deutschen Fassung durch Christian Brückner vertont, ein Garant für höchste stimmliche Seriosität) in seine Nebensätze Spiritualität und Philosophie einfließen lässt, ohne dabei auch nur einmal lächerlich oder albern zu klingen. Trotz des Verzichts auf naturalistische Darstellungen ("Winnetou Le Mescalero" lief damals als Vorabendserie) gibt es zahlreiche sehr ergreifende Szenen, die in ihrem ungeschönten Realismus, den schon das 16mm-TV-Format bedingt, beim klassischen Winnetou undenkbar gewesen wären. Reizvoll auch die "neue" Kulisse, denn die Reihe wurde nicht in Jugoslawien, sondern in Durango gefilmt, also viel näher an "echten" Schauplätzen. Siegfried Rauchs Shatterhand sieht endlich wirklich aus wie ein Trapper (und nicht wie eine ölige Schießbudenfigur - sorry, dear Lex) und Winnetous Verhältnis zu ihm scheint trotz Blutsbruderschaft seltsam erkaltet. Sam Hawkens (Ralf Wolter) erweist sich kurzfristig als sehr unnachsichtig, ein Schwarzer (Leopoldo Francés) spielt eine tragende Rolle. Von Sand Creek und Washita ist häufig die Rede; Winnetou ist tatsächlich in der Realität angekommen.
May würde sich angesichts der Fußtritte, die seine Mythen hier verpasst bekommen, vermutlich im Grabe umdrehen, aber gerade das macht die Serie so interessant. Der große Quotenerfolg wurde "Winnetou Le Mescalero" erwartungsgemäß nicht, denn die von vielen erhoffte Revitalisierung kitschiger Sauerkrautwestern blieb aus. Schade, aber das schmälert in keinster Weise die exzellente Qualität dieser tollen, kleinen Reihe.
9/10
#875
Geschrieben 31. Juli 2007, 07:29
A Game For Vultures (Spiel der Geier) ~ UK 1979
Directed By: James Fargo
Parallel erzählt die beiden Geschichten des rhodesischen Schmugglers David Swansey (Richard Harris), der ein größeres Kontingent Hubschrauber ins Land zu bringen versucht und des mit unerbittlicher Härte gegen die weiße Minoritätsregierung kämpfenden Rebellen Gideon Marunga (Richard Roundtree). Als dieser von Swanseys Absichten Wind bekommt, versucht er mit allen Mitteln, sie zu vereiteln. Irgendwann treffen die beiden ungleichen Männer dann aufeinander.
Ein hoffnungslos verfahrenes Traktat verworrener internationaler Co-Produktionsbemühungen, wie es sie besonders in den späten Siebzigern zuhauf gab. "A Game For Vultures" dürfte zu den letzten Aufbäumungsversuchen jener merkwürdigen Filmpraxis gehören, da sich hier ihre ganze potenzielle Unzulänglichkeit offenbart. Spannung oder emotionale Involvierung, Faktoren, von denen der Erfolg derartiger Streifen einfach abhängig ist, bleiben durch die Bank aus. Es mag vielleicht mutig sein, der Geschichte die Zusage jeglichen Identifikationspersonals zu verweigern (weder hält man es mit Harris als überzeugtem Vertreter der verjährten Kolonialregierung noch ist man bereit, Roundtrees rücksichtslose Vorgehensweise, die selbst den Tod von Kindern als Pflastersteine auf dem Freiheitsweg akzeptiert, hinzunehmen), das Rezept geht aber trotzdem nicht auf. Mindestens drei weitere Nebengeschichten werden mit den beiden Hauptsträngen verwoben, das ganze mündet irgendwann deutlich spürbar in das traurige Selbsteingeständnis des Fadenverlusts. Trotz einer nicht unerheblichen Bereifung (neben Harris und Roundtree sind Ray Milland, Denholm Elliott und die notorische Joan Collins zu sehen) wird der Karren also ungebremst in den Dreck gefahren.
Filmhistorisch interessant ist die Sache aber dennoch und somit zumindest Spektakelapologeten wie meinereiner zum einmaligen Ansehen zu empfehlen, denn es gibt nur wenige ebenso eindrucksvolle Beispiele dafür, wie sehr auch ein starbesetztes, basisintentional ehrenwertes Produkt dieser an Höhepunkten nicht armen Zeiten mit Pauken und Trompeten scheitern kann.
2/10
#876
Geschrieben 31. Juli 2007, 10:51
La Maldición De Frankenstein (Eine Jungfrau in den Krallen von Frankenstein) ~ E/F 1972
Directed By: Jess Franco
Der mit magnetischen Suggestivkräften ausgestattete Cagliostro (Howard Vernon) will die Welt mit einer neuen Rasse von Supermenschen überrennen. Diese muss er allerdings erstmal züchten, also raubt er Dr. Frankenstein (Dennis Price) sein just zum Leben erwecktes Monster (Fernando Bilbao, ganz in silber). Dieses plant Cagliostro, mit einer noch zu erschaffenden Kunstjule aus erlesenen Zutaten zu kreuzen. Der tapfere Dr. Seward (Albert Dalbes) und Frankensteins Tochter Vera (Beatriz Savón) haben jedoch etwas gegen des Zauberers sinistre Pläne einzuwenden.
Francos ganz persönliche Version von Mozarts Zauberflöte, mit einem guten Figurenschuss aus viktorianischer Gruselliteratur und einer netten Prise grand guignol dazu. Mit seinen Ferkeleien hält der kariesgeplagte Spanier sich diesmal merklich zurück, auch wenn sein merkwürdiger weiblicher Vogelvampir Melissa (Anne Libert) außer ein paar blaugrünen Federchen wenig am Leibe trägt. Francos außergewöhnliches Gespür für Licht und Lichtverhältnisse, Architektur und visuelle Stimmungen lässt ihn auch bei dieser Arbeit nicht im Stich, daher sind seine Einstellungen von alten Kastellburgen und mondlichtdurchfluteten Wäldern auch ästhetisch höchst reizvoll und geradezu beflügelnd (sic!) anzuschauen. Problematisch wird's allerdings - wie so oft beim Jess - wenn irgendwer den Mund auftut. Da kommt dann meist rückhaltlos Haarsträubendes heraus, und das ganz sicher nicht durchweg beabsichtigt. Weil nun Perzeption ohne vernunftgesteuerte Kognition in meinem Falle leider nur selten funktioniert (außer unter Drogeneinfluss vielleicht), muss ich "Maldición" ergo hanebüchnen Schwachsinn diagnostizieren, auch wenn er durchaus spaßig anzuschauen ist. Vorausgesetzt, man braucht mal wieder dringend 'nen Franco.
4/10
#877
Geschrieben 01. August 2007, 15:42
The Simpsons Movie ~ USA 2007
Directed By: David Silverman
Nachdem Grandpa Simpson während des Gottesdienstes eine nachdrückliche Vision hat, derzufolge sich das Ende der Welt ankündigt, wird Marge stutzig. Und tatsächlich droht das Unvermeidliche - ausgelöst durch eine Riesenportion Schweinegülle, die Homer in den örtlichen See kippt ...
Nachdem das Kino selbst und seine Historie für die Simpsons ja seit jeher eines der größten Gagreservoirs war, ist es eigentlich nur konsequent, sie endlich selbst auf die Leinwand zu bringen. Das waren sie also, die gelben Vierfinger in Scope. Nicht nur doppel- sondern gar dreibödig ist der Humor, diverse In-Jokes können sich mit den gelungensten der TV-Serie messen und auf 3D-Animationen, denen gegenüber sich Groening und co. ja im Vorfeld durchaus ablehnend geäußert haben, mochte man dann doch nicht so ganz verzichten. Was soll's, alles Kino.
Ich hatte meine helle Freude in der gestrigen Nachmittagsvorstellung, in der meine Freunde und ich - alle nicht mehr ganz nüchtern - trotz guter Besucherzahlen die ältesten waren. Immerhin interessant zu beobachten, dass die schönsten Witze scheinbar nicht für die Jüngeren gemacht sind, denn die mochten irgendwie nie an den richtigen Stellen lachen. Fand das Experiment insgesamt ziemlich geglückt, meinethalben darf's aber bei diesem einen Ausflug bleiben.
8/10
#878
Geschrieben 01. August 2007, 16:04
Obsession (Schwarzer Engel) ~ USA 1976
Directed By: Brian De Palma
Nachdem Frau Elizabeth (Geneviève Bujold) und Tochter Amy (Wanda Blackman) des Immobilienmaklers Courtland (Cliff Robertson) entführt wurden, befolgt dieser den Rat des ermittelnden Inspektors (Stanley J Reyes) und packt anstelle von echtem Geld Papierbündel sowie einen Sender in den Koffer. Die Befreiungsaktion der Polizei geht jedoch schief und Elizabeth und Amy rasen in einem brennenden Auto in den Mississippi. 16 Jahre später ist Courtland immer noch völlig niedergeschlagen, begegnet dann aber in Florenz der jungen Restoratorin Sandra (Geneviève Bujold), die seiner Frau wie aus dem Gesicht geschnitten ist.
Auf jegliche Vulgarismen in Bild und Sprache verzichtend liefert De Palma mit "Obsession" seine wohl größte und eindeutigste Hommage an Hitchcock, dessen "Vertigo"-Topos des von einer scheinbar wiedergekehrten Toten Besessenen auch in den Händen dieses Regisseurs wächsernes Material darstellt. Mit der Unterstützung vieler Genies ihres Fachs (für die Kamera ist Vilmos Zsigmond zuständig, das Buch stammt von Paul Schrader, die Musik von Bernard Herrmann) gelingt De Palma ein tieftrauriges, von wörtlichen Nebelschleiern umrahmtes Psychodrama, dessen Quasi-Nekrophilie-Thema er noch mit einem weiteren pikanten tiefenpsychologischen Motiv, dem der Inzucht, versetzt. Dennoch bleibt der Film - gerade angedenk seines Schöpfers - jederzeit vollkommen integer und enthält sich jeglicher Schlüpftrigkeiten. In dieser gotisch-romantischen Atmosphäre wird die spannende Kriminalgeschichte, die durch einen von De Palmas Lieblingsschurken, John Lithgow, Einzug hält, glatt zur schönen Nebensache - ebenso wie es eigentlich bereits bei "Vertigo" der Fall war.
9/10
#879
Geschrieben 02. August 2007, 07:28
Hak Se Wui (Election) ~ HK 2005
Directed By: Johnnie To
Für die "Onkel", eine Art Mafia-Ältestenrat, steht die Wahl zum neuen Anführer der mächtigsten Hongkonger Triade an. Der ungestüme, machtbessene Big D (Tony Leung Ka Fai) ist überzeugt, dass er nur er für diesen Posten in Frage kommt. Als dann jedoch sein Konkurrent, der besonnen auftretende und an Tradition orientierte Lok (Simon Yam) zum Führer gewählt wird, versucht Big D mit zahlreichen Methoden, die Entscheidung der Onkel nachträglich zu seinen Gunsten zu beeinflussen.
Keep your friends close - but your enemies closer: Tos ausnehmend trockener Gangsterfilm zieht zahlreiche Register, zeigt den geschichtsträchtigen Machtkampf zwischen Polizei und Triaden (deren Mitglieder sich trotz manch unreflektierter Gewaltanwendung als größenteils recht sympathische Zeitgenossen entpuppen) als obligatorische soziologische Erscheinung in der ehemaligen Kronkolonie, wobei sich die überlegene Seite klar definiert. Ein MacGuffin in Form eines geschnitzten Holzstabs, der als eine Art "Heiliger Gral" die Führerschaft symbolisiert und der im Mittelteil des Films urplötzlich an Bedeutung selbst die Entscheidung des Triadensenats nichtig werden lässt, darf dabei nicht fehlen.
Auch wenn das Maß an Entertainment durchaus stimmt, kam mir die Angelegenheit bisweilen etwas unterkühlt und zerfahren vor. An manchen Scheitelpunkten war mir nicht klar, ob das Dargestellte nun komisch, bestürzend oder beides zusammen sein soll, zumal sich To in anderen Momenten durchaus auch für eindeutigen Humor entscheidet. Sehr stark fand ich das Ende, das sehr in der Tradition von "The Godfather: Part II" steht, ohne diesen plump abzukupfern. Wäre der ganze Film von solcher Intensität, er hätte mir erstklassig gefallen. So war's immerhin nett.
7/10
#880
Geschrieben 02. August 2007, 13:47
Adam's Rib (Ehekrieg) ~ USA 1949
Directed By: George Cukor
Mit der Vertretung der Staatsanwaltschaft durch Adam Bonner (Spencer Tracy) gegen ein durchgedrehtes Eheweib (Doris Attinger), das seinen Mann (Tom Ewell) in flagranti erwischt und bös angeschossen hat, beginnt das Unheil: Bonners Frau Amanda (Katharine Hepburn), selbst Advokatin, übernimmt die Vertretung der unglückseligen Schützin. Nicht nur, dass Adam diese Entscheidung von vornherein nicht passt, er wittert auch die Presse-Schlammschlacht, die daraus erfolgt - derweil Amanda sich während der Verhandlung zur populistischen Frauenrechtlerin aufschwingt.
Einer von Cukors brillantesten Filmen und ein Zuckerstück für Freunde des Duos Tracy/Hepburn. Cukors Inszenierung ist so spritzig wie eh und je, das zugrunde liegende Buch von Ruth Gordon und Garson Kanin hat, was Timing und Dialogwitz anbelangt, geradezu mustergültigen Hochschulcharakter. Das Darstellerpaar in seinem fünften gemeinsam Auftritt (von insgesamt neun) spielt (und darin steht ihm der Rest der Besetzung nicht nach) geradezu hingebungsvoll auf. Ohne dass der Begriff method acting auch nur aus der Taufe gehoben wäre, hat man tatsächlich den permanenten Eindruck, einem echten Juristenehepaar bei der Alltagsbewältigung über die Schulter zu schauen. Herrlich.
Ein wenig problematisch wird's bloß in der etwas phantastisch angehauchten Art der Rechtsbeugung, die die Geschichte vornimmt - sie entscheidet sich nämlich vorbehaltlos für die Seite der gebeutelten Ehefrau, die ja immerhin den Tod zweier Menschen in Kauf genommen oder wenigstens zu verantworten gehabt hätte. Ist man als Rezipient bereit, dieser unverhohlen polemisch formulierten Emanzipationshaltung stattzugeben, kann man - mit etwas Vorbehalt - eine Hollywood-Comedy bester alter Schule erleben und genießen.
9/10
#881
Geschrieben 02. August 2007, 22:05
A Scanner Darkly ~ USA 2006
Directed By: Richard Linklater
In naher Zukunft: Der Undercover-Polizist Fred (Keanu Reeves) soll eine möglicherweise terroristisch aktive Drogenuser-Zelle infiltrieren. Zu diesem Zwecke eignet er sich eine Scheinidentität an, baut Kontakt zu den Verdächtigen auf und beginnt selbst, die geisteszersetzende Substanz D zu schlucken. Psychosen in Form von Paranoia, Halluzinationen und Grenzwahn sind die Folgen.
Nach seinen ersten Rotoskopie-Gehversuchen mit "Waking Life" stand Linklater für diese Dick-Verfilmung eine ordentliche Palette Hollywood-Prominenz stande pede zur Verfügung. Deren Gesichter sind hinter den nachgemalten Oberflächen immer noch allesamt und unzweideutig zu erkennen, was die Verwendung ausgerechnet dieses Animationsverfahrens etwas fragwürdig dastehen lässt. Wenn Bakshi per Rotoskopie finstere Ork-Horden und Neanderthaler zum Leben erweckt, ist das eine Sache - im Falle Linklater könnten böse Zungen, vielleicht nicht ganz zu unrecht, behaupten, der Regisseur wolle sich damit künstlerisch profilieren. Immerhin lassen sich so gewisse diffizile Story-Bestandteile wie die "Jedermann-Anzüge" visuell taktvoll eingliedern. Außerdem, man muss es ja zugeben, ist das ganze schon sehr sorgfältig gemacht und sieht dementsprechend auch ganz passabel aus. Seinen nach wie vor experimentellen Charakter kann man "A Scanner Darkly" somit immerhin noch anrechnen, und da ein paar hervorragende Drogenfilm-Einfällen Platz finden (Rory Cochranes verkackter Selbstmord inkl. bewusstseinserweitertem Radio-Kommentar ist göttlich), kann der Film auch in dieser Schiene punkten. Dennoch trotz seines unter die Haut gehenden Themas kein Film, der neue Untiefen auslotet, auch wenn er das augenscheinlich nur zu gern wäre.
7/10
#882
Geschrieben 04. August 2007, 06:49
Snake Eyes (Spiel auf Zeit) ~ USA 1998
Directed By: Brian De Palma
Rick Santoro (Nicolas Cage), Polizist aus Atlantic City mit etwas zweifelhaftem Ruf, freut sich, einem Boxkampf um den Schwergewichtsmeister-Titel beiwohnen zu dürfen. Dieser endet mit der unerwarteten Niederlage des Champs (Stan Shaw) - und einem Attentat auf den im Publikum sitzenden Verteidigungsminister (Joel Fabiani). Das Casino verwandelt sich in einen Hexenkessel, in dem Santoro und sein bester Freund Commander Dunne (Gary Sinise) versuchen, den Überblick zu behalten.
Satte 13 Minuten nimmt sich De Palma, bis er sich und seinem stressgeplagten Publikum nach einer wilden, den völlig aufgekratzten Cage begleitenden Kamerafahrt durch die Eingeweide des settings den ersten Schnitt gönnt. "Snake Eyes" ist ein De Palma - Panoptikum. Der Meister, so scheint's, hat sich vom hyperaktiven Spiel seines Protagonisten selbst dermaßen anstecken lassen, dass sein gewohntermaßen sich gemächlich einfädelndes auteur-Garn diesmal wilde Laufmaschen schlägt. Im von Neu-Bruckheimer'scher Ästhetik geprägten Action-Kino der späteren Neunziger, das bereits mehrfach auf Cage als ikonisierten Baller-Hampelmann zurückgegriffen hatte, konnte selbst ein De Palma wohl nicht anders, als sich von den Zeitzeichen zumindest ein bisschen anfixen zu lassen. Die Verschwörungsgeschichte selbst ist im Prinzip eine uralte Kiste und in ähnlicher Form schon aus anderen Filmen des Regisseurs, in denen ein unwissender Tropf zum Spielball höherer Mächte wird, wohlbekannt. Das macht aber nichts, denn der formale Überbau des Films ist trotz seiner grellbunten Erscheinung wieder brillant geraten und kommt mit zahlreichen inszenatorischen Experimenten als unverkennbares Werk seines Schöpfers daher - Stempeldruck und Qualitätssiegel in einem.
Hat mir insgesamt viel besser gefallen als beim ersten Mal und nun muss ich auch "Femme Fatale" eine weitere Chance geben.
7/10
#883
Geschrieben 04. August 2007, 07:12
The Relic (Das Relikt - Museum der Angst) ~ USA/UK/D/J/NZ 1997
Directed By: Peter Hyams
Ein aus Brasilien in den Chicagoer Hafen eintrudelnder Frachter beherbergt nur noch grauslig verstümmelte Leichen und das Naturkundemuseum, in das die gelieferten Kisten gebracht werden, wird bald ebenfalls zum Schauplatz blutiger Ereignisse: Es scheint, als ob der Kothoga, der Kriegsgott eines Amazonasstammes, als blinder Passagier nach Chicago gekommen ist, um dort seinen strammen Appetit auf menschliche Hypothalami zu stillen. Lt. D'Agosta (Tom Sizemore) und die nette Biologin Dr. Green (Penelope An Miller) haben alle Hände voll zu tun, als das Monster eine Soirée im Museum zum persönlichen Menü erklärt.
Gehobene Monsterfilmklasse lieferte Routinier Hyams anno 97 mit seinem bis dato unbekannten Speziesvertreter. Der Kothoga macht eine gute Figur als kopfjagendes Ungetüm, auch wenn die eine oder andere Digitalisierungsmaßnahme doch recht deutlich erkennbar ist. Immerhin geizt der Film nicht mit manch ruppiger Splattersequenz, die jedoch durch ihren irrealen Auslöser sowie diffuse Lichtverhältnisse abgemildert wird. Überhaupt ist "The Relic" wohl einer der dunkelsten mir bekannten Filme, die (teilweise unterirdischen) Gänge des Museums werden nur von panisch kreisenden Taschenlampen oder schwacher Deckenbeleuchtung illuminiert, hinzu kommt, dass der Löwenanteil der Erzählung zur Nachtzeit angesiedelt ist. Das Anschauen von "The Relic" setzt einen völlig abgedunkelten Raum (um nicht zu sagen: Ein Kino) voraus, ansonsten ist es in zahlreichen Momenten tatsächlich unmöglich, überhaupt irgendwas zu erkennen. Mit der entsprechenden, ergo knappen Beleuchtung des Zuschauerraumes jedoch wird man eines wie o.e. schönen Monsterhorrors ansichtig, der in den passenden Momenten auch erhöhte Schnittfrequenzen nicht scheut und als grundspaßige, offensichtliche "Alien"-Hommage durchaus erfreuen kann.
6/10
#884
Geschrieben 04. August 2007, 07:39
Shampoo ~ USA 1975
Directed By: Hal Ashby
In den Frauenkreisen in und um Beverly Hills ist der Frisör George Roundy (Warren Beatty) wohlbekannt, denn neben seinen beruflichen Qualitäten ist er - im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen - nicht nur nicht schwul, er beglückt auch noch die Damenwelt mit geradezu unerschöpflicher Manneskraft. Die Ladys reißen sich um ihn - seien es seine Ex Jackie (Julie Christie), mittlerweile selbst das Betthäschen eines steinreichen Investmentbankers (Jack Warden), dessen Frau (Lee Grant) und Tochter (Carrie Fisher) oder auch die aktuelle Freundin Jill (Goldie Hawn). Da wird die aktuelle Präsidentschaftswahl (es ist 1968; Nixon und Agnew stehen bereit) glatt zur zweitschönsten Nebensache der Welt.
Ashbys und Beattys galliger Kommentar zur im Nachhinein verklärten 68er Situation wählt mit Kalkül jenen Standort, der an Oberflächlichkeit und seelenloser Leere kaum zu überbieten scheint: Beverly Hills, West-L.A.. Die Präsidentschaftskampagne, deren Ausgang ja längst klar ist, zeigt sich bereits geprägt von Korruption und späterem Scheitern. Riesige, schicke Luxusvillenpartys finden statt, auf denen Hendrix gespielt wird. Der rebellische Geist der Jugend ist längst vom modegeilen Establishment assimiliert worden, bevor er wirklich ernstzunehmende Spuren hinterlassen konnte.
Beatty, einer der politisch einwandfreiesten Menschen Hollywoods, nutzt die Gelegenheit vortrefflich, um als Figaro mit eigener Wischmobfrisur sein Image als berüchtigter Ladykiller nicht nur zu persiflieren, sondern sich am Ende gar dem vollkommenen Misserfolg sämtlicher privater und geschäftlicher Bemühungen gegenüberzusehen. Mitleid hat man keins mit ihm.
Dass "Shampoo" trotz der unbestreitbaren Könnerschaft, die ihn auszeichnet, als kein sonderlich empathischer Film daherkommt, verwundert angesichts des bissigen Sujets nicht weiter. Auch wenn George sowas wie der "Held" der Geschichte ist, hält man seine Sympathien ihm gegenüber doch lieber vornehmlich zurück. Meine männliche Perspektive lässt da sicher auch ein wenig instinktiven Neid mit hineinspielen ...
8/10
#885
Geschrieben 04. August 2007, 18:31
Ma Yong Zhen (Der Pirat von Shantung) ~ HK 1972
Directed By: Chang Cheh/Hsueh Li Pao
Auf der Suche nach Arbeit gerät der Tagelöhner Ma Yung Chen (Kuan Tai Chen) in Shanghai an den Gangsterboss Tan Si (David Chiang), dessen großkotziges Gehabe Ma sehr imponiert. Tan "teilt" sich die Stadt mit dem mächtigen Boss Chang (Lao Shen), der einen gewaltigen Schlägertrupp, angeführt von den "4 Champions", für sich arbeiten lässt. Ma arbeitet sich nach und nach zur dritten ernstzunehmenden Instanz der Shanghaier Unterwelt hoch, bleibt dabei allerdings weitgehend fair und umgänglich - bis Chang sich seiner Konkurrenten entledigen will.
Es geht Richtung Hong Kong. Meine erste Shaw-Produktion seit ewig langer Zeit, aus einigen Tipps lieber Mitschreiber destilliert, mochte mir als fernöstliche Reanimierung der alten Gangsterklassiker aus den Dreißigern tatsächlich ganz gut gefallen. Allerdings muss ich gleich einräumen, dass ich wohl mehr der Typ für blutspritzende martial arts bin, denn nachdem ich im Vorhinein zwei, drei Durchhänger ausmachen musste, kam dieses urgewaltige Finale, auf das der ganze Film hinzuarbeiten scheint. Das muss der Stoff sein, aus dem Eastern sind. Mit kleinen Kampfbeilen, Messern und Holzscheiten wird ausgeteilt, dass die Schwarte kracht. Fand ich unheimlich wuchtig und hat mir gleich eindruckscvoll vor Augen geführt, was ich wohl instinktiv schon länger weiß: Bei mir braucht's Waffen. Handkanten und Fußtritte - schön und gut, die saubere Choreographie in allen Ehren, aber auf Dauer fand ich diese eher harmlosen fights wenig mitreißend. Der Kampf gegen den Russen erschien mir gar ein wenig infantil. Ansonsten kann man "Ma Yong Zhen" aber nur Gutes bescheinigen, alles in allem hat er mir viel Freude bereitet und sollte für eine zaghafte Vorhangöffnung der Shawbühne erstmal ordentlich nachwirken.
7/10
#886
Geschrieben 05. August 2007, 12:10
Bound For Glory (Dieses Land ist mein Land) ~ USA 1976
Directed By: Hal Ashby
Von Oklahoma aus beginnt Woody Guthrie (David Carradine) in den frühen Dreißigern als Hobo nach Kalifornien zu reisen. Die große Depression beutelt das Land, Elend und Existenzangst bestimmen den Alltag der Menschen im Mittelwesten. Guthrie jedoch behält seinen Idealismus bei und nutzt sein Talent als Songschreiber, die Menschen, mit denen er in Berührung kommt mit seinen hoffnungsvollen Liedern anzustecken. Am persönlichen Erfolg, der mehrfach bei ihm an die Tür klopft, ist er nicht interessiert, auch seine Familie vernachlässigt er zugunsten seiner "Mission".
Ashbys Hommage an den berühmten Folksinger Woody Guthrie, der mit seinen Protestsongs die für Hungerlöhne schuftenden Plantagenarbeiter vor Los Angeles aufrüttelte, versteht sich selbst als politisches Statement gegen Großkapitalismus und Ausbeutertum. Ohne je effektheischerisch zu werden, erzählt "Bound For Glory" seine Geschichte mit einem geradezu narkotischen flow, der nicht zuletzt durch die Kamerafilter zur Geltung kommt und in den sepiafarbenen Bildern endloser Felder Mallicks "Days Of Heaven" antizipiert. Guthries unerschütterlicher Dickkopf, der jeder Drohung durch Grundbesitzer und jedweder kommerziellen Vereinnahmung durch das Radio widersteht, wird von Carradine zwischen "Kung Fu" und seinen Corman-Engagements in der wohl besten Leistung seiner Karriere auf die Leinwand gezaubert. Inmitten der Staubwolken entdeckt man in Kleinstrollen die späteren B-Film-Adepten Brion James und Robert Ginty sowie andere altbekannte Gesichter.
Eine der schönsten und wichtigsten Musikerbiographien Hollywoods.
9/10
#887
Geschrieben 05. August 2007, 12:26
The Plainsman (Held der Prärie) ~ USA 1936
Directed By: Cecil B. DeMille
Nach dem Ende des Sezessionskriegs gehen Wild Bill Hickok (Gary Cooper), Calamity Jane (Jean Arthur) und Buffalo Bill Cody (James Ellison) gegen einen skrupellosen Waffenhändler (Charles Bickford) vor, der im Auftrag profitsüchtiger Regierungsbeamter aus Washington Repetiergewehre an die Cheyenne verkauft und helfen General Custer (John Miljan) im Kampf gegen die kriegerischen Indianer.
Westernfantasy der alten Schule, in der sich historische Fakten der Fabuliersucht Hollywoods zu subordinieren haben. Wenngleich manche der in "The Plainsman" dargestellten Ereignisse durchaus ihren realistischen Kern nicht verleugnen können, so ist doch das meiste der groben Dichtkunst der Paramount-Schreiberlinge entsprungen. Wie dem auch sei, DeMilles Film kann sich rühmen, einer der allerersten Tonwestern von Rang zu sein, der das potenzielle B-Genre mit aufwändiger Inszenierung und dem Einsatz innovativer Technik (ungewöhnlich lange Kameraschwenks, schneller Actionschnitt) langsam seinem später anerkannten Status als Kunstform zugeführt hat. Wie es von dem Regisseur zu erwarten ist, bringt er ein glanzvolles Wildwestpanorama, das den Pioniergeist, den selbstverständlich das Heldentrio um Cooper personifiziert, zur höchsten Staatstugend erhebt. In einem denkwürdigen Auftritt ist der 21-jährige Anthony Quinn als Cheyenne zu sehen, der die unwissenden Hickok und Cody von Custers Niederlage am Little Bighorn unterrichtet - mittels eifrigster Gestikulierung und verbürgt improvisiertem Kauderwelsch.
Gute alte, naive Tinseltown-Noblesse.
8/10
#888
Geschrieben 05. August 2007, 18:26
Coming Home ~ USA 1978
Directed By: Hal Ashby
Kaum dass ihr Mann Bob (Bruce Dern), ein hochrangiger Marine-Offizier, nach Vietnam abkommandiert worden ist, nimmt Sally (Jane Fonda) eine Stelle in einem Veteranen-Lazarett an. Dort lernt sie den desillusionierten, gelähmten Kriegsheimkehrer Luke (Jon Voight) kennen. Die beiden erleben eine heftige Romanze, welche nach einiger Zeit mit der angekündigten Heimkehr Bobs ein jähes Ende findet.
Inmitten des Getöses der beiden großen Vietnamfilme, "The Deer Hunter" und "Apocalypse Now", war es für den leisen, kammerspielartigen "Coming Home" sicher nicht leicht, sich in den Publikumsköpfen zu behaupten. Hätte nicht Ashby, sondern irgendein x-beliebiger Regisseur dieses war-aftermath-drama zu verantworten gehabt, es wäre vermutlich eine widerlich sentimentale Schnulze daraus hervorgegangen. Auch so kann sich der Film sicher nicht endgültig von dem Vorwurf freisprechen, an zwei, drei Ecken Klischees zu bedienen, mindestens ebenso ergreifend und pointiert aber ist er andernorts. Der letztlich doch recht ansehnliche Erfolg von "Coming Home" fußt sicher nicht zuletzt auf den außerordentlichen Leistungen der Hauptdarsteller, allen voran der Fonda, die ja auch im wirklichen Leben gern die Betroffenheitsrolle ausfüllte. Dass sie eine brillante Aktrice ist, kann man ihr aber nicht absprechen. Auch Voight und Dern setzen erwartungsgemäß Glanzlichter und - o Wunder - auch hier ist wieder Robert Ginty zu sehen, diesmal sogar in einem Part, der sein späteres "Exterminator"-Dasein mit einem großen Fragezeichen versieht.
Bestimmt nicht Ashbys bester Film, aber allemal sehenswert.
7/10
#889
Geschrieben 06. August 2007, 15:09
Charade ~ USA 1963
Directed By: Stanley Donen
Die geplante Scheidung fällt flach: Reggie Lampert (Audrey Hepburn) erfährt kurz nach der Rückkehr aus ihrem Urlaub, dass Noch-Ehemann Charles einem Mord zum Opfer gefallen ist. Schön für Reggie, dass sie in den Ferien dem attraktiven Peter Joshua (Cary Grant) begegnet ist, der sich nun, zurück in Paris, aufopferungsvoll um sie bemüht. Doch nicht nur, dass Joshua sich bald als flexibler Wahrheitsausleger entpuppt, da sind auch noch drei finstere Gesellen (James Coburn, George Kennedy, Ned Glass), die vordringliches Interesse an Charles' Nachlass bekunden sowie ein US-Regierungsbeamter (Walter Matthau), der Reggie über die sie bedrängenden Individuen auf dem Laufenden hält.
Eine federleichte Fingerübung in Sachen Stilbewusstsein. "Charade" greift etliche Motive aus Hitchcock-Filmen auf und ironisiert diese, macht sie sich als chice Accessoires zu eigen. Cary Grant, der sich in seiner Gentleman-Schublade bequemst eingefunden hat, fasst sämtliche seiner früheren Hitchcock-Parts in der lange Zeit namenlosen "Charade"-Rolle zusammen und hat keinerlei Probleme mit der ihm abgenötigten Selbstverulkung. Er und Hepburn tragen ihre an Eleganz nicht zu überbietenden Designerroben und Starfrisuren, als hätten sie nie etwas anderes besessen. Dazu hat der DP Charles Lang sich zahlreiche Posen von Hitch-Anhängsel Robert Burke abgeschaut, die das (nur scheinbare) Irrläufertum zwischen comedy und suspense von "Charade" noch undurchsichtiger machen. Einzig Henry Mancinis beschwingt dahinfließende Musik versichert den Zuschauer, dass er sich in Paris befindet bei einer romantischen Seinefahrt und nicht etwa am Mount Rushmore oder in der Ambrose Chapel. "Charade" ist ein herrlicher, trotz seiner Spannungselemente sanfter Film und ein visuelles Manifest für die frühe Sechziger-Generation, voller Witz, Charme und bar jedweder Mängel.
10/10
#890
Geschrieben 06. August 2007, 20:52
The Big Heat (Heißes Eisen) ~ USA 1953
Directed By: Fritz Lang
Im Zuge von Ermittlungen den Selbstmord seines Kollegen Duncan betreffend, stößt Sergeant Bannion (Glenn Ford) in ein Wespennest aus Korruption, Sadismus und Skrupellosigkeit, auf dem der Gangsterboss Lagana (Alexander Scourby) sein Imperium aufgebaut hat. Bannion lässt sich selbst mittels eindringlichster Drohungen nicht von seiner Arbeit abhalten und zahlt einen hohen Preis für seine Hartnäckigkeit.
Bretthartes von unserem Hollywood-Fritze. Innerhalb des Polizeifilmgenres nimmt "The Big Heat" eine archetypische Stellung ein, er zeigt als einer der ersten den fast aussichtslosen Kampf des kleinen Detective gegen die Übermacht der Unterwelt und vor allem gegen die der Politiker, die als Marionetten des Verbrechens fungieren und das System von innen heraus faulen lassen. Glenn Ford als desillusionierter Cop, dessen persönlicher Verlust nicht Rachegelüste, sondern eher deren emotionale Gegenstücke, Trauer und Sensibilität, wecken, war ein wesentlich besserer Schauspieler als es die Filmhistorie glauben machen möchte. Wie er, mit sehnsüchtigem Blick ins Leere stierend, von seiner ermordeten Frau berichtet - eine solche Form der Emotionalität hat nie wieder einer seiner zahllosen hartgekochten Epigonen personifizieren können. Und dann ... ja, und dann ist da noch der notorische Lee Marvin, als Vince Stone ein absolutes Ekel von einem Speichellecker, der sich nicht gegen gleichgebaute Männer sondern ausschließlich gegen Frauen zur Wehr setzt, das aber dafür mit absoluter Konsequenz. Seine Zweckentfremdung frischgebrühten Kaffees hat Geschichte geschrieben. Einer der Eckmomente des film noir, höchstens vergleichbar mit Richard Widmarks Rollstuhlszene in "Kiss Of Death". Liberty Valance wartet schon in der Ferne.
9/10
#891
Geschrieben 08. August 2007, 14:16
The Towering Inferno (Flammendes Inferno) ~ USA 1974
Directed By: John Guillermin/Irwin Allen
Ausgerechnet bei einer Selbstbeweihräucherungsfeier, die den Triumph des Baulöwen Duncan (William Holden), den größten Wolkenkratzer der Welt errichtet zu haben, begießen soll und bei der sämtliche Prominenz der Stadt San Francisco zugegen ist, bricht im 83. Stock ein zunächst unbemerktes Feuer aus. Ehe sich's die Leute versehen, stehen große Teile des Gebäudes in Flammen und Architekt Roberts (Paul Newman) sowie Chief O'Halloran (Steve McQueen) von der Feuerwehr haben alle Hände voll zu tun, die Menschen aus dem monströsen Hochhaus zu retten.
Irwin Allens rührend-naive Art, fürchterliche Panikszenarien in atemlose Bilder zu kleiden und mit einem Sahnehäubchen "doof" zu garnieren, ist bis heute unerreicht. Am Anfang von "The Towering Inferno" wird darauf hingewiesen, dass der Film den tapferen Feuerwehrmännern dieser Welt gewidmet sei, was ja an sich sehr ehrenwert sein mag, angesichts des folgenden, stürmischen Spektakels der nächsten 165 Minuten aber bestenfalls ein spitzes, wissendes Lächeln aufs Filmfreundes-Gesicht zaubert. Ich weiß nicht, ob ich "The Towering Inferno" als den besten Katastrophenfilm der Siebziger einstufen würde; ein spannenderer, "The Poseidon Adventure" eingeschlossen, ist mir jedenfalls nicht bekannt. Das liegt zugegebenermaßen sicher an meiner eigenen Akrophobie. Sobald es um große Höhen, Abgründe und v.a. Balanceakte geht und die entsprechende Illusion so sagenhaft perfekt ist wie in diesem Falle, kriege ich schweißnasse Hände, da hilft keine Gegenwehr.
Gepaart mit einer solch erlesenen Besetzung macht das den doppelten Spaß, auch wenn die dramaturgischen Fülllsel zwischen den Klimaxmomenten von redundant bis lächerlich pendeln. Wenn ein vollbesetzter Fahrstuhl, aus dem Jennifer Jones sich bereits soeben Richtung Abgrund verabschiedet hat, in gefühlten mehreren hundert Metern über dem Erdboden baumelt, dann bin ich trotz längst bekannten Ausgangs ernstlich der Ohnmacht nahe. Excitement deluxe.
8/10
#892
Geschrieben 09. August 2007, 18:39
The Fortune Cookie (Der Glückspilz) ~ USA 1966
Directed By: Billy Wilder
Nachdem der Sportreporter Harry Hinkle (Jack Lemmon) auf dem Spielfeld von Footballstar Jackson (Ron Rich) über den Haufen gerannt worden ist, kommt Harrys Schwager Gingrich (Walter Matthau), ein wahrer Winkeladvokat vor dem Herrn, auf die Idee, die Versicherung der Mannschaft zu prellen. Harry soll multiple Lähmungen vortäuschen, seine "Verletzung" ist durch eine eigentlich längst verjährte Wirbelprellung sogar organisch nachweisbar. Trotz einiger Bedenken geht Harry auf den verruchten Vorschlag seines Schwagers, der diverse Überzeugungsgeschütze auffährt, ein. Als jedoch Jackson, der sich rührend um Harry kümmert, allzu hart an seinem schlechten Gewissen zu knabbern hat, fängt der vermeintlich Geschädigte an zu wackeln.
In der ersten von insgesamt zehn Kollaborationen mit seinem Kollegen Jack Lemmon beginnt Matthau zögerlich, sein komisches Talent zu entdecken - für das er später erst so populär werden sollte. Seine Rolle als schmieriger, aber ausgebuffter Rechtsvogel, der innerhalb von 16 Aufzügen steigt, fällt und angedeutetermaßen wieder steigt, lässt eigentlich nur eine Frage offen: Warum besetzt der Kerl bei all seiner Cleverness bloß nur ein solch kleines Büro? Nun, "The Fortune Cookie" muss nicht zwingend zu Wilders wichtigsten Werken gezählt werden, dazu ist er in seiner etwas kleinbürgerlich wirkenden Art der Moralisierung, mit Jack Lemmon in seiner ewig gleichen Wilder-Rolle, nicht frech genug. Ich gestehe ja freimütig, dass ich es trotz gesicherter Sympathien für Lemmon eher mit dem grantelnden Matthau halte, der sich als "Fisimatenten-Willie" (eine gar prächtige Wortschöpfung der Synchronfassung) seine ethischen Grundprinzipien sehr individuell auszulegen pflegt.
Der kiebige Wilder-Humor, wie ich ihn mag, blitzt ansonsten aber leider zu selten oder nur in kaum beachteten Augenblicken auf, so etwa, wenn Gingrichs Pillendreher Doc Schindler (Nad Glass) auf der Suche nach einer Spritze in Hüfthöhe unter Lemmons Krankenhauslaken herumnestelt und dann auf die empörte Frage, was er dort wohl tue, mit obigem Zitat antwortet - oder in der königlichen Gegenüberstellung von Gingrichs Büro und der Großkanzlei seiner Justizgegner, in der sich Gingrich besser auszukennen scheint als die Zigarre rauchenden Herren selbst. Wie diese ihren Kläger in dreister Weise abhören lassen um etwaige Fehltritte gegen ihn verwenden zu können, das wäre dann noch ein letzter großer Wilder-Akt. Ironischerweise hatte der Altmeister mit der schönsten Lemmon/Matthau - Farce, "The Odd Couple", nicht das geringste zu tun.
8/10
#893
Geschrieben 11. August 2007, 13:22
Keoma ~ I 1976
Directed By: Enzo G. Castellari
Als das Halbblut Keoma Shannon (Franco Nero) aus dem Bürgerkrieg heimkehrt, findet er seine Heimatstadt von einem marodierenden Ex-Offizier (Donald O'Brien) und dessen Männern, zu denen auch Keomas drei Brüder (Orso Maria Guerrini, Antonio Marsina, John Loffredo) zählen, terrorisiert. In dem Ort sind die Pocken ausgebrochen, Kranke werden in eine Enklave außerhalb der Stadt gepfercht und zur Zwangsarbeit genötigt. Keoma setzt sich zur Wehr.
Trotz seiner recht späten Entstehungszeit ist "Keoma" zu den besten und wichtigsten Werken des Italowesterns zu zählen. In einer für ihn beinahe ungewöhnlichen stilistischen Vielfalt legt sich Castellari schwer ins Zeug, scheut selbst vor Surrealismen nicht zurück und treibt Nero, der sich wie ein wildgewordenes Haarknäuel durch die ihn umgebenden Ungerechtigkeiten prügelt und ballert, zu Höchstleistungen an. "Keoma" bietet viel Gutes aus beiden Welten: Er zollt dem US-Western Tribut, wenn er wie weiland Ford die Landschaft zum zusätzlichen Protagonisten ernennt (und diese Sympathie sogar durch Woody Strode nominell vertreten lässt) und greift das eher dem italienischen Zweig immanente revolutionäre Pathos vom Areal, das von großkapitalistischen Despoten okkupiert wird, auf. Dazu die wiederum amerikanische Subebene von dem ungeliebten Halbblut und seinen vom Vater vernachlässigten Brüdern (s. "The Broken Lance"). Natürlich kann Castellari auch hier nicht ganz ohne feiste Räubereien und filmt diverse Szenen wie Peckinpah, mit Zeitlupe und Gegenschnitten. Doch es passt alles, ist in seiner Mosaikgestalt charmant und daher sehr gefällig.
8/10
#894
Geschrieben 11. August 2007, 13:39
The Hills Have Eyes 2 ~ USA 2007
Directed By: Martin Weisz
Eine Patrouille von Armee-Rekruten muss unvermittels einem Stab von Soldaten und Wissenschaftlern nachspüren, die mitten in Sektor 16, jenem einstmals verseuchten Minengebiet, in dem die Carters zwei Jahre zuvor Opfer wildgewordener Mutanten wurden, den schrecklichen Ereignissen auf den Grund gehen sollten. In den Stollen hausen selbstverständlich noch immer verstrahlte Kannibalen, die sich alsbald an ihr blutiges Geschäft machen.
Auch wenn man zumindest nicht den Fehler begangen hat, das ziemlich misslungene Originalsequel zu recyceln, so kann man der Fortsetzung des Remakes wiederum sicher nicht den geringsten Funken Originalität unterstellen. Die Story um die von einer zunächst unsichtbaren Gefahr zunehmend dezimierten Trooper entpuppt sich rasch als ein lupenreines Plagiat von "Aliens". Im Gegensatz zu diesem verzichtet "Hills 2" aber darauf, dem Soldatentrupp Charakter und damit Gesichter zu verleihen. Es ist einem scheißegal, was mit denen passiert und so erreichen die Gewaltakte niemals die Intensität derer des Vorgängers. Hier geht's zwar recht ordentlich zur Sache, was den Film dann zumindest für Splatter-Enthusiasten auf eine noch so eben vertretbare Basis hievt, seinen distanzierenden Videospiel-Touch verliert "Hills 2" aber nie und tut daher, trotz besagter Deftigkeiten, auch zu keiner Sekunde weh. Weisz' Film schwimmt auf der nunmehr bereits verjährten Slasherwelle mit und erinnert daher eher an Sachen wie "Wrong Turn" oder "House Of Wax" 05 denn an seine eigenen Wurzeln. Nu ja.
4/10
#895
Geschrieben 11. August 2007, 16:11
Arabesque ~ USA 1966
Directed By: Stanley Donen
Dass es ihm so an den Kragen gehen würde, hätte der in Oxford tätige US-Professor Pollock (Gregory Peck) nicht gedacht, als er den Auftrag eines arabischen Premiers (Carl Duering) annahm, eine Reihe von hetitischen Hieroglyphen zu entziffern. Immerhin bietet ihm das folgende Abenteuer die Romanze mit einer schönen Lügnerin (Sophia Loren) und prickelnde Spannung, etwas, das er in seinem Alltag sehr vermisst.
Donen hatte nach dem sehr berechtigten Zuspruch zu seinem "Charade" offenbar im Sinn, einen ähnlichen Erfolg zu erzielen und schnürte daher das betreffende Päckchen in ganz ähnlicher Weise: Es geht wieder um eine ahnungslose Person, die von einem wesentlich besser informierten Individuum durch eine Kette brenzliger Situationen gelotst wird - diesmal allerdings mit vertauschten Geschlechterrollen. Die Musik stammt erneut von Mancini, die psychedelische title sequence hat wiederum Maurice Binder auf dem Kerbholz. Als Schauplatz hält mit London eine weitere europäische Metropole her. Für den besonderen Effekt engagierte man dann zwei ehemalige Partner der Hauptdarsteller aus "Charade", mit denen selbige eine jeweils sehr populäre Kombination verband ("Roman Holiday" bzw. "Houseboat"). Nun finden sich also Peck und Loren ein, die dem ungleich eleganteren Paar Grant/Hepburn allerdings nicht gefährlich werden. Überhaupt lässt "Arabesque" viel von dem Glanz vermissen, der "Charade" auszeichnete; gegen diesen wirkt der Nachfolgefilm mit seinem bisweilen etwas klamaukigen Humor und seinen dramaturgisch manchmal ungeschickten Wendungen sogar teilweise vulgär. Immerhin: Gewisse Momente, wie eine Szene mit einer Abrissbirne oder auch das turbulente Finale sind auch ausnehmend gelungen. Trotzdem, wo "Charade" geradezu unverzichtbar ist, darf man "Arabesque", in dem eben alles ein, zwei Nummern kleiner erscheint, auch versäumen.
6/10
#896
Geschrieben 12. August 2007, 09:26
Cannibal Holocaust (Nackt und zerfleischt) ~ I 1980
Directed By: Ruggero Deodato
Im tiefen Amazonasgebiet verschwindet ein Team von vier jungen Leuten um den kontrovers diskutierten Dokumentarfilmer Alan Yates (Gabriel Yorke). Der Anthropologe Monroe (Robert Kerman) spürt dem Quartett und entdeckt bei einem Stamm von Kannibalen, den Baummenschen, sowohl die verstümmelten Überreste der Gesuchten als auch die belichteten Filmrollen. Zurück in New York soll Monroe die dokumentarischen Szenen untersuchen und im Auftrag einer Fernsehgesellschaft dabei helfen, sie zur Ausstrahlung vorzubereiten. Nach vollendeter Sichtung des Materials bleibt Monroe nur die dringende Plädierung gegen eine Sendung der Filme.
"Cannibal Holocaust" markiert zugleich Höhe- und Endpunkt einer ganzen Reihe von zivilisationskritischen Filmen aus Italien und den USA, denen allesamt gemein ist, dass sie in seltsamer Weise mit den Mitteln der Exploitation Entsetzen, Abscheu, Faszination und Bestürzung provozieren und in den meisten der betreffenden Fälle mit einer hintergründigen, aber trefflichen Passionsgeschichte verquicken. Die Filme hatten beinahe allesamt einen sehr zweifelhaften Ruf und wurden vom zeitgenössischen, etablierten Feuilleton fast durch die Bank gemieden und zum Teufel gewünscht. Ich bin mir nicht ganz sicher, wo ich die Ursprünge dieser so unikalen Serie verorten würde, vielleicht bei Corbuccis "Il Grande Silenzio" oder bei Reeves' "Witchfinder General". Soziologisch liegen sie sicher in den militärischen Konflikten der 60er, der Kuba-Krise und Vietnam. Im Gefolge dann die ganzen berühmt-anrüchigen Klassiker von Nelson über Armstrong, Craven, Fleischer, Pasolini, Oshima, Brass und wie sie heißen, bis hin eben zu Deodato. Danach konnte dann auch nichts mehr kommen, denn hier wird die Toleranzschwelle selbst hartgesottener Betrachter bis zur letzten Grenze gekitzelt und obwohl gewisse genreimmanente Versatzstücke, derer sich "Holocaust" befleißigt, bereits bekannt und benutzt worden waren - so etwas gab es bislang nicht. Der Kniff liegt ja darin, die Grenzen zwischen Rezipient und Medium aufzuheben, durch den Einsatz des pseudo-dokumentarischen Materials, das bei seiner Betrachtung Unmittelbarkeiten evoziert und sorgfältigst auf Spontaneität getrimmt ist. Dem schlussendlich stehengebliebenen Vorwurf der Barbarei liefert sich Deodato mittels der bekannten "Fragwürdigkeiten" (mir fällt gerade kein besserer Terminus ein) selbst aus und verteilt damit einen der wirksamsten, nachhaltigsten Fausthiebe der gesamten Filmgeschichte. Als hätte Deodato McLuhans berühmte Konstatierung "The medium is the message" zuvor komplett verinnerlicht, schert er sich einen Dreck um die Konventionen des noch jungen und doch längst veralteten Kannibalen-Subgenres. Dieses steht mit all seinen Bezügen völlig marginal da und wo die üblichen Kannibalenstreifen, inkl. Deodatos eigenem "Ultimo Mondo Cannibale" sämtlich eine gemeinsame Herleitungsebene besitzen, da schlägt dieser Beitrag völlig aus der Kurve. "Holocaust" hätte auch irgendwo anders spielen mögen, an einem der Krisenherde, die Yates' Archivmaterial zeigen beispielsweise. Der lateinamerikanische Urwald baut lediglich eine Brücke zur umliegenden Mediengewohnheit. Deodato scheut selbst abseitige Poetik nicht (das längsgepfählte Mädchen), erlaubt sich sexuelle, zärtliche Momente, unterlegt mit der fräsenden Ortolani-Musik (die zweifellos auch ihre Ursprünge hat, nämlich bei Michael Holms "Hexen"-Score), die so gar nicht in den gewohnten Kannibalendschungel passen wollen.
In all seiner revolutionären Krassheit verurteilte "Cannibal Holocaust" das gesamte Subgenre, ebenso wie die besagte, transgressive Reihe zum Aussterben. In gewisser Weise bedauerlich, andererseits aber auch tröstlich. So unbequem er ist, so wichtig, so erinnerungswert, so brillant ist dieser Film.
9/10
#897
Geschrieben 12. August 2007, 16:48
Hush... Hush, Sweet Charlotte (Wiegenlied für eine Leiche) ~ USA 1964
Directed By: Robert Aldrich
Vor rund vierzig Jahren soll die hochneurotische Südstaaten-Jungfer Charlotte Hollis (Bette Davis) ihren Liebhaber (Bruce Dern) zerstückelt haben - nachdem dieser sie [allerdings auf Geheiß von Charlottes mächtigem, vereinnahmenden Vater (Victor Buono)] sitzenlassen hat. Die Strafe für dieses Verbrechen musste Charlotte wegen Mangels an Beweisen jedoch nie absitzen und nun, da sie ihren Grund und Boden für eine staatliche Baumaßnahme opfern soll, gerät sie wieder ins Gerede. Die Ankunft ihrer Kusine Miriam (Olivia de Havilland) aus Europa, von der Charlotte sich eigentlich Hilfe im Kampf um ihr Anwesen verspricht, zieht noch viel mehr Unheil nach sich.
Aldrichs effektvolle Südstaaten-Schauermär, fernab von seinen bunten Männerfilmen angesiedelt, ist eigentlich eine Variation von bereits Existentem. Zwei Jahre zuvor spielte die Davis in "Whatever Happened To Baby Jane?", dem Startschuss einer kleinen Welle sogenannter "Hag Horror Movies" für denselben Regisseur und nach einer Vorlage von Henry Farrell eine von zwei Schwestern, die in einer verhängnisvollen Konstellation zusammenhausen und auf eine Katastrophe zusteuern. Ihre vormalige Partnerin Joan Crawford hatte ursprünglich auch hierin wieder Davis' Antagonistin geben sollen, wurde jedoch aus gesundheitlichen Gründen durch Olivia de Havilland ersetzt.
Diese Variation des Topos, in der die alternde Diva Bette von der Täter- in die Opferrolle rutscht, ist allerdings weniger psychologisch orientiert. Es ist eher eine oberflächlich triviale Kriminalgeschichte, um konspirative Bande und verdrängte Schuld kreisend, wie auch ein Porträt des US-Südens als Nährboden für campige, bluttriefende Märchen und Pantasmagorien. Die Davis, tatsächlich ein sehr streitbarer Altstar, wirkt als verschrobenes, kreischendes Flintenweib auf ihrem verwunschenem Anwesen wie von vor einhundert Jahren geradewegs durch die Zeit ins Heute katapultiert. Ihr familiärer Zwist mit der nur vordergründig so warmherzigen Miriam Deering geht auch durch als die aufgewärmte alte Konkurrenz der beiden in der Gunst um Errol Flynn als Earl von Essex, als gelte es, ein jahrzehntewährendes Stutenduell endlich zu entscheiden. So ist "Hush... Hush" auch ein Film über Filme, ein Stoff für den Mythen gemacht sind. Mit Mary Astor steht gleich noch eine weitere, deutlich sichtbarer gealterte Filmdiva aus vergangenen Zeiten auf der Besetzungsliste und mit Joseph Cotten, einem weiteren Expartner der Davis, ein Schauspieler, dessen Stern schon seit längerem im Sinken begriffen war. In "Hush... Hush" hinterlässt er mit schwerpunktvergessener Körperhaltung den trügerischen Eindruck, als hätte er seinen Cognac-Schwenker bereits mindestens ein Dutzendmal geleert.
Längst verjährter Hollywoodadel begegnet sich bei Aldrich also wieder zu einem weiteren letzten großen, seltsam entrückten Stelldichein.
8/10
#898
Geschrieben 13. August 2007, 15:26
The Ox-Bow Incident (Ritt zum Ox-Bow) ~ USA 1943
Directed By: William A. Wellman
Die Cowboys Gil (Henry Fonda) und Art (Harry Morgan) kehren nach längerer Arbeit in der Steppe zurück in die Stadt, wo sie sogleich mit einem wildgewordenen Lynchmob konfrontiert werden: Drei angebliche Outlaws sollen Vieh gestohlen und einen Rancher ermordet haben. Vernunftgesteuertes Einleiten hilft nichts, die Menge will die vermeintlichen Verbrecher ihrer Strafe zuführen. Im Gebirge werden sie gestellt und beteuern vehement ihre Unschuld, doch stoßen sie damit fast ausschließlich auf taube Ohren.
Das Western-Szenario, in dem sich Wellmans leidenschaftliche Anklage von gedankenlosem Hetzertum ansiedelt, ist im Grunde genommen total beliebig. Möglicherweise diente es dazu, sein Sujet etwas realitätsfremder zu gestaten, um Repressionen infolge der - insbesondere vor dem realhistorischen Hintergrund des Zweiten Weltkriegs - sensiblen amerikanischen Seele zu vermeiden. Die zu einem sehr konsequenten Abschluss geführte Geschichte um eine feige Ansammlung von Lynchmördern hätte sich nämlich auch in irgendeinem kleinen Midwest-Kaff der damaligen Gegenwart abspielen können.
Spezifisch bemerkenswert an Wellmans Film ist, dass er ohne Abstriche heute noch genauso aufwühlend und provokant ist wie vor über 60 Jahren und einen nach wie vor tief drinnen zu packen versteht. Als Stück amerikanische Filmhistorie ausnehmend bemerkenswert, ist er indes als Western nicht allzu bedeutend, da er den Motivkreisen um das Genre kaum Neues hinzufügt oder derer Bekanntes renoviert. Es ist eben weniger eine Bebilderung historischer Fügungen denn ein zutiefst moralischer Appell gegen unreflektiertes, impulsives und letztendlich verhängnisvolles Handeln und damit ein hinsichtlich seiner unbestechlichen Vernunftorientierung sehr starkes Werk.
9/10
#899
Geschrieben 13. August 2007, 15:54
Forty Guns (Vierzig Gewehre) ~ USA 1957
Directed By: Samuel Fuller
Griff Bonnell (Barry Sullivan), als Mann fürs Grobe mit übergesetzlichen Autoritäten bevollmächtigt, soll, seine zwei Brüder (Gene Barry, Robert Dix) im Gefolge, die despotischen Anwandlungen der Rancherin Jessica Drummond (Barbara Stanwyck) überprüfen, die sich mit einem Tross von 40 Revolverhelden im Gefolge zur personifizierten Rechtsprechung erhebt. Die zu erwartenden Konflikte bleiben nicht aus.
"Forty Guns", eine große alte Liebe vieler Western-Aficionados, ist nichts Geringeres als ein diametraler Entwurf zum unmittelbar zuvor gesehenen "Ox-Bow Incident". Nicht die Geschichte ist hier von gesondertem Belang, Fullers Art sie zu erzählen ist es. Vor unverhohlenem Kitsch nicht zurückschreckend, lässt der hochgeschätzte auteur seine drei Quasi-Earps sich zu unantastbaren Helden hochjubeln. Barry Sullivan, ein charakterköpfiger B- und TV-Star, der später bei Bava zu sehen sein sollte, reitet nie selbst, sondern fährt einen Zweispänner und lässt seine blinzelfreie Augenpartie so fotografieren, dass sie die volle Scope-Breite in Anspruch nimmt, während er unbeirrt auf einen betrunkenen Taugenichts (John Ericson) zuschreitet; sein Bruder blickt einmal durch einen Gewehrlauf auf seine Zukünftige (Ziva Rodann), eine Büchsenmacherin. Perspektive, Schnitt, Form - die zählen hier. Dazwischen Hank Worden als halbblinder John Chisum, gesungene Songs, deren Medium nicht am Mikro sitzt, sondern direkt im Bild steht, bizarrer Humor, wenn die Drummond den Haftbefehl für einen ihrer Leute erst durch die Hände der vierzig Räuber wandern lässt - "Forty Guns" pendelt zwischen Groteske und Genrehöhepunkt. Die Stanwyck als Matriarchin gab mir indes nie viel, sie kennt man zur Genüge aus "Cattle Queen Of Montana" und nachdem sie für Sullivan dahinschmilzt, büßt sie ohnehin jede ernstzunehmende Härte ein. Unter den großen Frauengestalten des Westerns firmiert sie daher sicher nur auf den vorderen Rängen, weil es ein so rar besetztes Feld ist. Wahrscheinlich beziehe ich für die letzten zwei Zeilen irgendwann nochmal 'ne richtige Tracht Prügel, aber so sehe ich das.
9/10
#900
Geschrieben 14. August 2007, 16:40
Lo Squartatore Di New York (Der New York Ripper) ~ I 1982
Directed By: Lucio Fulci
Ein wahnsinniger Frauenmörder, der bei seinen Attacken die Geräusche einer Zeichentrickente imitiert, macht New York unsicher. Eine Spur scheint sich erst zu ergeben, als der Killer, nachdem er bereits diverse Mal zugeschlagen hat, eines seiner Opfer (Almanta Suska) laufen lässt. Lt. Williams (Jack Hedley) und der Psychologe Davis (Paolo Malco) setzen alles daran, den quakenden Irrenden dingfest zu machen.
Fulci hat zwar bessere Arbeiten auf dem Kerbholz, aber sicher auch weniger gute. Dieser ganz schotige Semi-Giallo tuckert im gehobenen Mittelmaß des maestro di sangue herum. Bravouröse Fotografie, nette Ideen, wie der Hund, der beim Spaziergang unter der Brooklyn Bridge die Hand apportiert, doch: Die schwergewichtete Psychologisierung der Figuren, die im verruchten Großstadtmoloch irgendwie irgendwo alle emotional pervertiert sind, haut nicht so ganz hin und lässt die ganze Angelegenheit bisweilen ziemlich albern erscheinen und verhindert dann doch eine klare Abgrenzung zum Allerwelts-Sleaze. Ein reiches Ehepaar lebt seine Obsessionen aus, indem er (Cosimo Cinieri) sie (Alexandra Delli "Schamhaar" Colli) mit einem Diktiergerät bewaffnet allenthalben ins Halbwelt-Milieu entsendet, auf dass sie dort ihre lustvollen Abenteuer aufzeichne und diese ihrem Göttergatten vorspiele. Der ermittelnde Detective ist Stammgast bei einer Nutte (Daniela Doria), da er - man kann's nur mutmaßen - zu tieferen Beziehungen nicht in der Lage ist und der Psychodoc (so ein Ferkel) holt sich Schwulenmagazine am Eckkiosk. Um eine solche Galerie der Verworfenheiten zu toppen, muss der Schlitzer da ja fast schon klingen wie Donald Duck.
6/10
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