In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1
Geschrieben 25. Juni 2005, 18:08
Viel Spaß damit (oder auch nicht...)
#2
Geschrieben 26. Juni 2005, 19:49
Sideways ~ USA 2004
Directed By: Alexander Payne
Die beiden Freunde Miles (Paul Giamatti) und Jack (Thomas Haden Church) unternehmen eine einwöchige Tour durch die Weinberge Kaliforniens. Anlass: Jacks Junggesellenabschied. Jack möchte es noch mal so richtig krachen lassen, bevor er seiner Frau das Ehegelübde gibt. Also betrügt er sie mehr oder weniger reuelos wenige Tage vor der Hochzeit und handelt sich punktum eine gebrochene Nase ein. Miles, der weitaus sensiblere der beiden, leidet unter Depressionen. Er kommt von seiner Exfrau nicht los, hat Probleme einen Verlag für seinen Roman zu finden und liebt Wein (insbesondere Pinot Noir).
Nicht nur, dass er ein eigenes Leben kaum im Griff hat, Jack nutzt ihn für seine Eskapaden auch noch schamlos aus. Dennoch hält Miles ihm stets die Stange.
Payne hat hier nach "About Schmidt" wieder einen sehr ruhigen, besinnlichen Film geschaffen, der Herz und Hirn gleichermaßen stimuliert. Das zentrale Thema ist Freundschaft und dass sie manchmal ganz schön einseitig sein kann. Wie Giamatti und Haden Church ihre Rollen ausfüllen, das ist schon toll und zeugt von echter Schauspielkunst. Hinzu kommt, dass "Sideways" erfrischend untypisch für amerikanische Verhältnisse daherkommt, obwohl er eigentlich uramerikanisch ist. Die Erzählweise jedoch wirkt in ihrer Leichtigkeit und Unaufgeregtheit bisweilen fast europäisch.
Alles in allem ein sehr schöner Film, der zum Glück nicht traurig endet. Für jeden gibt es Hoffnung, auch für Miles.
9/10
#3
Geschrieben 26. Juni 2005, 23:56
Skagerrak ~ DK/UK 2003
Directed By: Sören Kragh-Jacobsen
Marie (Iben Hjejle) und Sophie (Bronagh Gallagher) sind zwei junge Frauen aus Dänemark, beste Freundinnen und führen ein äußerst partylastiges und alkoholseliges Leben. Neuerdings sind sie in Schottland unterwegs. Problematisch ist alsbald allerdings ihre finanzielle Situation, um die es nach einem Diebstahl nicht eben rosig bestellt ist. Da erhält Marie eine seltsame Offerte: Sie soll gegen eine Gesamtsumme von 40.000 Pfund als Leihmutter für eine adlige Familie dienen - die Frau des Hauses ist unfruchtbar. Nach einiger Überredungskunst von Sophie nimmt Marie das Angebot an. Doch es kommt natürlich alles ganz anders. Sophie stirbt bei einem Autounfall, Marie ist am Boden zerstört. Nach einem misslungenen Selbstmordversuch geht sie nach Glasgow, um ihren Auftraggebern zu entkommen und um Sophies große Liebe Ken, Besitzer einer Kfz-Werkstatt namens "Skagerrak", kennen zu lernen. Ken seinerseits ist jedoch kurz zuvor ebenfalls gestorben und nur seine drei Mechaniker (Ewen Bremner, Gary Lewis, Simon McBurney), die unter Geldnot leiden, sind noch da. Diese bekommen schnell heraus, dass Marie Geld hat (ein Vorschuss) und versuchen, daran zu kommen. Ihre Taktik besteht darin, zunächst Kens Tod zu verschweigen und einen Hochstapler an seiner Statt einzusetzen Dieser findet sich schnell im Tierarzt des Lords, Ian (Martin Henderson), der Marie observieren soll.Marie hat sich derweil zu einer Abtreibung entschlossen. Es entstehen diverse eigenartige Konflikte, Freundschaften und Beziehungen, bis am Ende alles eine überraschende Wendung nimmt...
"Skagerrak" gibt ein recht netten Film ab, weitgehend unspektakulär, dafür aber warmherzig und eigentlich ganz schön. Die Rollen der Protagonisten sind gut besetzt, allen voran leistet Iben Hjejle, die mit ihrem Lächeln Eisberge zum Schmelzen bringt, ganze Arbeit. Auch James Cosmo (der irgendwie in jedem namhaften Film mit und über Schottland, von "Highlander" bis "Trainspotting" mitzuwirken scheint) als alternder Patriarch mit dickem Schnauzbart und Vater des kinderlosen Lords ist immer sympathisch. Warum Kragh-Jacobsen allerdings das Scope-Format gewählt hat, will sich mir nicht erschließen. Sujet und Form bilden einfach keine rechte Einheit. Erschwerend kommen in beinahe regelmäßigen Abständen narrative Schwachstellen hinzu, durch die sich der Plot gelegentlich etwas zieht, um dann an anderer Stelle eiligst davonzupreschen. Etwas unglücklich, das alles. Dennoch kann man "Skagerrak" unterm Strich als gelungen bezeichnen. Aus dem zunächst zu befürchtenden, schweren Drama wird bald eine sympathische Burleske mit klassischem "feel good" - Ende und es ist letztlich einer jener Filme, um miesgelaunten Zeitgenossen zu helfen, wieder besser draufzukommen.
7/10.
#4
Geschrieben 27. Juni 2005, 12:13
The Forgotten (Die Vergessenen) ~ USA 2004
Directed By: Joseph Ruben
Telly (Julianne Moore) leidet sehr unter dem Verlust ihres Sohnes Sam, den sie bei einem 14 Monate zurückliegenden Flugzeubabsturz verloren hat und infolge dessen sie psychiatrische Hilfe in Anspruch nimmt. Seltsamerweise scheint sie sich in letzter Zeit des Öfteren Dinge einzubilden, die gar nicht existieren, oder Vorgänge zu sehen, die so gar nicht stattgefunden haben. Als dann eines Tages sowohl ihr Mann Jim (Anthony Edwards) als auch ihr Therapeut Dr. Munce (Gary Sinise) ihr mitteilen, es habe nie einen Sohn gegeben und ihre "Erinnerungen" an ihn seien nicht real, sondern auf eine Psychose zurückzuführen, zweifelt Telly kurzzeitig an ihrem Verstand. Zunächst wirkt es wirklich so, als drehe sie durch. Sämtliche Gegenstände, die mit Sam in Verbindung stehen, sind urplötzlich verschwunden. Doch dann erinnert sich Telly an Ash (Dominic West), dessen Tochter bei eben demselben Unglück ums Leben gekommen ist wie Sam.Ash hat sich in den Alkohol geflüchtet und scheint seltsamerweise auch unter Amnesie zu leiden, denn er kann sicht nicht erinnern, je eine Tochter gehabt zu haben. Durch einen gezielten "Trick" bringt Telly ihn jedoch dazu, sich sein Kind wieder ins Gedächtnis zu rufen. Als Telly und Ash dann von NSA und Polizei verfolgt werden, wird langsam klar, dass hinter alledem eine Wahrheit verborgen sein muss, die unvorstellbar ist...
Joseph Ruben hat den Suspense-Klassiker "The Stepfather" auf dem Kerbholz, Julianne Moore zählt zu den besten Aktricen in den Staaten. Im Grunde also ein relativ sicheres Gespann für einen Mystery-Thriller. Das Endergebnis schließlich enttäuscht jedoch auf ganzer Linie. Die ersten Minuten von "The Forgotten" sind noch habwegs vielversprechend, irgendwann gleitet das ganze dann aber in heillosen, beinahe reaktionären Kitsch ab. Die im jüngeren Hollywood-Kino so beliebten family values werden hier bis ins Letzte durchexerziert und auch sonst enthält der Film ungeachtet seines eigentlichen Themas mehr oder weniger subtil vermittelte Botschaften, an denen die Republikanische Partei unter Bush jun. ihre helle Freude haben dürfte.
Das alles wäre ja nicht allzu tragisch, bekäme der geneigte Rezensent wenigstens eine halbwegs brauchbare Auflösung geboten. Von einer solchen kann aber keine Rede sein. Der "Twist", wenn man davon überhaupt sprechen kann, ist so unplausibel, als hätte ein phantasieloser 10-jähriger ihn sich ausgedacht und wirkt auf ganzer Linie lächerlich. Selbst die Darsteller können nichts retten. Moore hat ausgiebig Zeit, ihr seit "Magnolia" so beliebtes Heule-Gesicht aufzusetzen, Edwards wird zum dumm dreinglotzenden Beiwerk degradiert, Sinise, ansonsten eine Bank, wirkt hoffnungslos unterfordert.
Einzig West weiß - in Maßen - zu überzeugen. Ruben und Gerald DiPego (Autor) haben offenbar eingehend Shyamalan studiert, erreichen dessen Kunst, eine ordentliche Spannungskurve zu kreieren, jedoch nicht annährend. Da ist selbst der bereits enttäuschende "The Village" noch besser, und das will etwas heißen!
3/10 (für die Szene, in der Alfre Woodward in den Himmel gesogen wird).
#5
Geschrieben 27. Juni 2005, 20:50
Who Dares Wins (Das Kommando) ~ UK 1982
Directed By: Ian Sharp
SAS-Captain Peter Skellen (Lewis Collins) ist ein Mann fürs Grobe. Sein neuester Auftrag sieht vor, dass er sich in die vorgeblich pazifistische, tatsächlich jedoch ausnehmend terroristische Vereinigung "People's Lobby" einschleust, da diese offenbar Großes vorhat. Alles läuft soweit plangemäß. Skellen macht sich an Frankie Leith (Judy Davis), die Chefin der "People's Lobby" heran und schafft es sogar, bei ihr einzuziehen, bis schließlich seine wahre Identität aufgedeckt wird und Frankie ihn fortan misstrauisch beäugt. So hat Skellen denn auch keine Chance mehr, seinen Vorgesetzten rechtzeitig mitzuteilen, was die Terroristen im Schilde führen: Die Besetzung der US-Botschaft in London, um die Zündung einer Atombombe über Südschottland zu erpressen. Damit soll der Öffentlichkeit vor Augen geführt werde, welch katastrophale Auswirkungen ein nuklearer Schlag haben kann. Die Polit-Gangster meistern beinahe mühelos die Okkupierung der Botschaft und nehmen derweil auch noch Skellens Frau und seine einjährige Tochter als Geiseln...
Die späten 70er und frühen 80er waren eine wunderbare Zeit für erfrischend naives, politlastiges Actionkino. Vietnam, Watergate, Deutschlands heißer Herbst, die Energiekrise, der kalte Krieg... Ereignisse, die von der verständlichen Paranoia zeugen, die sich unter den Menschen breit machte. Da hatten Filme mit Holzhammer-Message stets ihre sicheren Abnehmer, sorgten jedoch auch für zahlreiche Kontroversen, insbesondere unter Beteiligung des Bildungsbürgertums, das zu großen Teilen der 68er Generation entstammte und jetzt womöglich bloß noch als friedliebende Feuilletonisten unteregs war.
Einer jener Streifen war "Who Dares Wins". Doch im Gegensatz zu seinen amerikanischen Kollegen Glickenhaus ("The Soldier"), Millius ("Red Dawn"), Cosmatos ("Rambo: First Blood Part II") oder Zito ("Invasion USA") macht Sharp, dessen Film genau inmitten oben genannter Machwerke entstand, augenscheinlich nicht den Fehler, einer klaren Schwarz-/Weiß-Stigmatisierung zu erliegen. Nein, es darf diskutiert werden: Nach der Besetzung der Botschaft gibt es einen herrlichen Disput zwischen Judy Davis und Richard Widmark (hier als US-Außenminister vertreten) über das Für und Wider terroristischer Gewaltakte und eine kurze Bestandsanalyse der damaligen Verhältnisse wird gleich mitgeliefert. Nun aber entlarvt sich "Who Dares Wins" selbst: Widmark ist der weise, aufgeklärte elder statesman, Davis entpuppt sich endgültig als komplett gestört. Zum Schluss räumt die SAS auf, es gab nur einen (Entschuldigung!) wichtigen Toten auf der Seite der Geiseln (Robert Webber), die "People's Lobby" wird tutti completti platt gemacht. Skellen darf noch einen bedauernden Blick in Richtung von Frankies Leiche werfen (irgendwie war da wohl doch was...). Doch: Das Böse ist immer und überall.
Was bleibt heute noch übrig von "Who Dares Wins"? Schnörkelloses, äußerst unterhaltsames Actionkino, das eher belustigend denn empörend wirkt und ganz in der Tradition von Euan Lloyds (Producer) wenige Jahre zuvor entstandenem "Wild Geese" steht: Very british, very violent, very male, politically VERY incorrect. Und mit Edward Woodward, Ingrid Pitt und Paul Freeman auch in kleineren Rollen vor allem formidabelst besetzt.
6/10.
#6
Geschrieben 28. Juni 2005, 19:05
Dressed To Kill ~ USA 1980
Directed By: Brian De Palma
Die sexuell frustrierte End-Vierzigerin Kate Miller (Angie Dickinson) fühlt sich verbraucht und unbegehrt. Aus diesem Grund lässt sie sich von Dr. Elliott (Michael Caine), einem renommierten New Yorker Analytiker, therapieren. Eine Tages entlockt sie Dr. Elliott das Geständnis, dass sie ihn sexuell erregt. Elliott, ganz professionell, wiegelt jedoch ab, weist auf das Arzt-Patienten Verhältnis hin, und dass er seine Frau liebe. Kate verlässt seine Praxis, besucht ein Museum und nimmt Kontakt zu einem Fremden auf, mit dem sie sich auf ein erotisches Abenteuer einlässt. Nach dem Sex findet sie im Schreibtisch des Mannes ein Attest, das eine Geschlechtskrankheit diagnostiziert. Sie flüchtet aus der Wohnung und wird urplötzlich im Fahrstuhl von einer Sonnenbrille und Mantel tragenden blonden Frau mit einem Rasiermesser attackiert. Kate stirbt sofort an ihren schweren Verletzungen. Das junge Luxus-Callgirl Liz (Nancy Allen) wird Zeugin des Mordes. Der den Fall untersuchende Detective Marino (Dennis Franz) glaubt ihr jedoch nicht und zwingt sie, ihren Freier vom Vorabend (also ihr Alibi) aufzutreiben. Zusammen mit Kates Sohn Peter (Keith Gordon) macht sich Liz auf die Suche nach der seltsamen Mörderin. Dr. Elliott, der ein Rasiermesser vermisst, hat seinerseits derweil einen Verdacht, um wen es sich bei der Täterin bzw. dem Täter handeln könnte: Um einen seiner pathologischen Patienten, den transsexuellen Bobby...
Brian De Palmas Œuvre lässt sich im Grunde in zwei Hauptstränge dividieren. Da sind die stets spannend inszenierten, starbesetzten, hoch budgetierten Studioprojekte (oft Gangsterepen wie "Scarface", "The Untouchables", "Carlito's Way" oder "Mission: Impossible") auf der einen Seite und die unverkennbaren, "echten" De Palmas, bei denen er häufig auch selbst als Autor fungiert, ("Sisters", "Obsession", "Carrie", "Body Double", "Raising Cain" und zuletzt "Femme Fatale") auf der anderen. Unverkennbar insofern, als dass dies die stilbildenden Filme sind, jene, die De Palmas Persönlichkeit als Filmemacher beinahe reflektieren, die, in denen das Herzblut des Künstlers steckt. Zur zweiten Kategorie gehört auch "Dressed To Kill", ist sogar beinahe so etwas wie deren Zentrum. Was De Palma hier an stilistischen Kabinettstückchen zum besten gibt, darüber könnte man mühelos eine Doktorarbeit schreiben. Die schon aus "Carrie und "Obsession" bekannte Weichzeichneroptik in Pastellfarben, in die rotes Blut und blaue Kälte wie Eisbrecher dringen, die absolut virtuose Nutzung des Breitwandformats, Split-Screen, streng komponierte Einstellungen mit scheinbar meilenweiter Tiefenschärfe, perspektivisch subjektiv angelegte Steadicamfahrten. Man fühlt sich - was der Spannung keinen Abbruch tut - einer inszenatorischen tour de force ausgesetzt. Doch bei aller Meisterschaft sah sich De Palma (wie so oft) auch hier massiven Anfeindungen seitens der Frauenbewegung und Jugendschützer ausgesetzt, was dazu führte, dass sein Werk in den USA um mehrere Sekunden erleichtert und durch diverse Umschnitte entstellt wurde. Während Hitchcock (der, auf subtilere Weise, ebenfalls mannigfaltig sexuelle Abseitigkeit zum Thema gemacht hatte) längst seine kulturhistorische Absolution erreicht hatte, musste dessen "Epigone" (eine nach wie vor völlig unzureichende Bezeichnung) De Palma immer wieder nachgeben. Was wir heute allerdings und glücklichwerweise unzensiert genießen dürfen, ist nichts weniger als ein Sahnestück des Suspense und ein ganz großer Film.
10/10
#7
Geschrieben 29. Juni 2005, 23:37
Nashville ~ USA 1975
Directed By: Robert Altman
Die Country/Western-Metropole Nashville, Tennessee rüstet sich für das 200. Jubiläum der USA.
Wir werden Zeuge diverser Irrungen und Wirrungen, von Trauer und Vergnügen, Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, Verrücktheiten und Idealismus und vor allem einer Menge besagter Country/Western-Songs, dargeboten von 24 gleichberechtigt nebeneinander stehenden Protagonisten.
Country/Western ist eine der wenigen, originären Kunstformen, die Amerika in der verhältnismäßig kurzen Zeit seines Bestehens gebären konnte. In diesem Musikstil spiegelt sich sodann auch die ganze vorgeschobene Naivität und Kritiklosigkeit, die den weißen Durchschnittsamerikaner auszeichnet. Es wird eine vermeintliche Unschuld geheuchelt, die das Land im Grunde gleich im Zuge seiner Entstehung wieder eingebüßt hat. Genau von dieser Ambivalenz handelt "Nashville". Da ist das abgefuckte Musikertrio aus Kalifornien, das sich untereinander betrügt, im Drogenrausch schwelgt und in Nashville eigentlich gar nichts verloren hat, da ist die äußerst erfolgreiche, aber durchgedrehte Sängerin, deren fried chicken verzehrender Gatte zugleich ihr Manager ist, da ist die Mutter zweier taubstummer Kinder, die ihre Familie nur kurz, aber doch konsequent für eine Mini-Affäre aufgibt, ihr Mann, der gern fremdgehen würde, es aber nicht bewerkstelligt, da ist der alte Mann, der im Krieg seinen Sohn verloren hat und nun auch noch eine Frau verliert und der sich zu allem Überfluss mit seiner Hippie-Nichte herumschlagen muss und noch viele andere. Das alles wird komisch, tragisch und trocken dargeboten, ganz so, wie das Leben selbst.
Mit diesem Werk hat Altman quasi den Ensemblefilm kreiert, innerhalb dessen episodenhaft verschiedene kleine Geschichten erzählt werden, die zwar auch singulär funktionieren würden, durch einen äußeren, verknüpfenden Handlungsrahmen aber noch an Komplexität gewinnen. Was er sich altersweise 18 Jahre später bei "Short Cuts" verkneifen sollte, darauf mochte Altman hier noch nicht verzichten: Die für die Entstehungszeit obligatorische Systemkritik. Altman liebt sein Land, das macht er mit bitterer Ironie transparent; aber, und das macht er umso deutlicher, er weiß ganz genau um die Scheinheiligkeit und Bigotterie, mittels derer sich die USA zur Weltpolizei aufgeschwungen haben. Die cleversten, nach außen hin gediegensten und berechnendsten Charaktere in "Nashville" sind der omnipräsente Politiker und sein Beraterstab, auch wenn sie sich am Ende dem Chaosprinzip beugen müssen.
10/10
#8
Geschrieben 30. Juni 2005, 20:26
Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett ~ BRD 1962
Directed By: Franz Antel
Eiernudel-Mogul Keyser (Heinz Erhardt) plant sich im Italien-Urlaub nicht nur zu erholen, sondern auch seine Tochter (Ann Smyrner) mit Firmenadlatus Steffen (Harald Juhnke) zu verkuppeln. Am Mittelmeer angekommen, lernen die drei das Pärchen Michael (Peter Vogel) und Barbara (Karin Dor) kennen, welches sich fortwährend streitet.
Überdies bekommen alle es noch mit einer Räuberbande zu tun, angeführt von der Frau (Trude Herr) des örtlichen capo della polizia...
Willkommen im Wirtschaftswunderland! Urlaub im Süden, Erhardt kalauert, Gus Backus, Trude Herr und Bill Ramsey trällern Schlager, Smyrner und Dor bringen das nötige Quentchen frivole Bikini-Erotik mit und Juhnke trinkt darauf einen Scotch - Wir sind wieder wer!
Nun ja, nicht ganz. Zugegeben - der Film ist von Antel, der später diverse "Frau Wirtin"-Filme zu verantworten haben wird, äußerst überraschungslos und bieder inszeniert, ein wenig meint man (besonders gegen Ende während der Knast-Szene), sich im eingedeutschten (und plötzlich farbigen) Screwball-Lager von Capra/Hawks/Sturges wiederzufinden.
Neues deutsches Spießbürgertum quillt aus allen Ecken und zudem werden die Italiener, seinerzeit Bevölkerung des beliebtesten teutonischen Reiseziels als zivilisatorisch leicht rückständige Gauner porträtiert. Puuuhhh....
Trotzdem: Der Plot ist temporeich in seine 77 Minuten hineingequetscht worden, Juhnke schauspielert tatsächlich, Erhardt bringt einige seiner witzigsten Zoten überhaupt, Vogel gibt 'ne coole Sau, der uns Kerlen zeigt, wie man seine Tussi behandeln muss (wenn sie nicht parieren wollen - kalte Schulter), Trude Herr als Karikatur einer untersetzten Italo-Mama zaubert ein permanentes breites Grinsen auf mein Gesicht und Karin Dor ist einfach.... schöööön.
5/10
#9
Geschrieben 01. Juli 2005, 12:43
Horror Express ~ E/UK 1973
Directed By: Eugenio Martin
Zu Beginn der letzten Jahrhundertwende befindet sich der Evolutionsforscher Dr. Saxton (Christopher Lee) an Bord der transsibirischen Eisenbahn, um das Ergebnis seiner Reise nach Hause zu überführen: Scheinbar hat er im Himalaya den missing link entdeckt. Das vermeintliche Fossil präsentiert sich jedoch mitnichten als mausetot. Es bricht aus seiner Kiste aus und tötet eine Reihe von Mitreisenden, bevor ihm selbst (wiederum nur vermeintlich) der Garaus gemacht wird. Tatsächlich finden Dr. Saxton und sein ebenfalls zufälig mitreisender Kollege Dr. Wells (Peter Cushing) heraus, dass das Wesen nicht nur sein visuelles Gedächtnis in den Augäpfeln trägt, sondern in höchster Lebensgefahr auch zu einer Art Körpertausch in der Lage ist. Nun muss schleunigst herausgefunden werden, wer den teuflischen Geist der Kreatur in sich trägt.
Ein Sci-Fi-/Horror-Plot, Lee und Cushing - diese Kombi riecht zunächst einmal schwer nach klassisch-britischem Horror von Hammer, Amicus oder Anglo-Amalgamated. Tatsächlich jedoch war die spanische Filmgesellschaft Granada hier fingerführend, was man gegen Ende des Films, wenn die Gothic Horror Elemente ein wenig sleazy werden, auch bemerkt. Alles wirkt dann eben etwas südeuropäischer. Ein Blick auf die restliche Besetzung und den Stab gibt dann endgültige Gewissheit.
Doch halt, dies ist kein Schund, sondern ein durchaus ernstzunehmender Beitrag zum Phantastischen Film der 70er Jahre - zwar mit bescheidenen Mitteln finanziert, dafür aber sorgältig in Szene gesetzt: Das Zeitkolorit spiegelt sich in den ausgesucht schönen Zugabteil-Kulissen und in der Garderobe wieder, es gibt fantastisch montierte Szenen und um die 50 extreme close-ups von diversen Augenpaaren. Überhaupt spielen Augen hier eine enorme Rolle: Sie bluten, werden rot und weiß, werden durchstochen, spiegeln die Seele. Das Wesen definiert sich praktisch über das Visuelle: Mittels eines gezielten Blicks tötet es seine Opfer und entzieht ihnen zugleich ihr gesamtes Wissen. If looks could kill...
Damit wird das ganze sogar zu einer Beinahe-Reflexion über das Filme-Machen und das Filme-Sehen.
Lee und Cushing, hier ausnahmsweise mal als team-up am Start, ergänzen sich wie (fast) immer hervorragend und wenn am Schluss Telly Savalas als knallrot gewandeter Kosaken-Chef Kazan dazukommt, das Zigarillo in der einen Hand, das Wodkaglas in der anderen und die Peitsche schwingend, dann wird's sogar richtig klassisch. Und Silvia Tortosa als polnische Gräfin bringt einen gehörigen Schuss Grandezza mit.
8/10
#10
Geschrieben 01. Juli 2005, 19:46
Batman Begins ~ USA 2005
Directed By: Christopher Nolan
Die Genese Batmans, der vom Milliardenerben zum kostümierten Vigilanten im Kampf gegen Verbrechen und Korruption in seiner Heimatstadt Gotham City wird.
Der Verlust seiner Eltern in frühester Jugend lassen Bruce Wayne (Christian Bale), so Batmans richtiger Name, nicht ruhen. Er trainiert diverse Kampfsportarten im Fernen Osten, um sodann zurück in die USA zu gehen und dort als maskierter Superheld aufzuräumen. Zur Seite stehen ihm Jim Gordon (Gary Oldman) vom G.C.P.D., sein treuer Butler Alfred Pennyworth (Michael Caine), Lucius Fox (Morgan Freeman), der in der Firma von Waynes Vater beschäftigt ist und die Staatsanwältin Rachel Dawes (Katie Holmes), die Wayne seit frühester Kindheit kennt. Seine Gegner: Sein ehemaliger Ausbilder Henri Ducard (Liam Neeson), der irre Psychiater Jonathan Crane aka Scarecrow (Cillian Murphy) und Mafiaboss Carmine Falcone (Tom Wilkinson). Bruce Wayne/Batman hat alle Hände voll zu tun damit, die völlig korrumpierten Gesetzesinstanzen Gothams geradezubiegen, seinen Konzern Wayne Enterprises zurückzuerobern und die Stadt vor einem Giftanschlag zu bewahren.
O, unbedarfter Kinogänger, du hast es besser. Musst du doch nicht, wie all die hoffnungslosen Comicbook-Nerds da draußen, darauf achten, ob die Vorlage auch wirklich adäquat umgesetzt wurde, ob der Geist der Bildergeschichtchen und graphic novels, die du seit Jahren so innig liebst, nicht allzu formelhaft auf die Leinwand übertragen werden konnte. O Marvel, du hast es besser, schaffen die Adaptoren deiner Comics doch irgendwie fast immer genau das.
Klar, die rein filmischen Qualitäten von "Batman Begins" liegen auf der Hand: Im Grunde ist alles stimmig, ich könnte jetzt von den tollen Darstellern anfangen, davon, dass Bale seinen Charakter mit Leben füllt, dass Nolan ein erstklassiger Regisseur ist, der auch hier ganze Arbeit geleistet hat, dass die Ausstattung gelungen ist, die F/X vernünftig sind und bla bla bla.
Leider bin ich aber ein hoffnungsloser Comicbook-Nerd. Und leider kenne ich Bruce Wayne schon seit 20 Jahren und - mit Verlaub - besser als so manches Familienmitglied. Und leider gefällt mir das Ergebnis der aktuellen Comicadaption nur in Maßen. Würde ich jetzt sämtliche Details aufzählen, die wider die Vorlage sind und geändert wurden, um den Plot 140-Min.-filmtauglich zu machen, ich säße morgen früh noch hier. Das Schlimmste: Der Charakter Bruce Waynes. Eine Gegenüberstellung:
Bales Batman ist beinahe ein feudiger Sonnenstrahl im Vergleich zu dem hoffnungslos fanatischen Beinahe-Psychopathen der Comics. Jener lässt keinerlei Gefühle zu, lächelt nie, würde solch aufmüpfige Kommentare, wie die, die der Film-Alfred zum besten gibt (übrigens - wobei Michael Caine nix dafür kann, der macht schon alles richtig - völlig daneben), weder zu hören kriegen, noch diese schlagfertig kommentieren. In der Vorlage ist der Mann ein Allround-Genie (d.h. nicht nur im detektivischen und nahkämpferischen, sondern auch im wissenschaftlichen Bereich) und überhaupt nicht auf fremde Hilfe angewiesen. Im Film beschafft er sich fast alles, was er braucht, über Mittelsmänner. Und: Am Ende des Films zeichnet sich ein Hoffnungsschimmer ab. Den gibt es bei Batman nie und darf es bei Batman nicht geben; damit wäre seine ganze Existenz in Frage gestellt. Es gibt nur "erfüllte Misionen". Dann dieser frei dazugedichtete Dawes-Charakter: Überflüssig wie ein Kropf. Gibt es in den Comics nicht. Bruce Wayne/Batman zeigt keine Gefühle. Ach so, hatte ich ja schon erwähnt...
Ra's al-Ghul: Das Potential, das dieser im Grunde gefährlichste aller Bat-Gegner hat, wurde in keinster Weise ausgeschöpft. Da macht man aus einem Superverbrecher à la Bond kurzerhand irgendeinen asiatischen Hinterhof-Gangster. Von Ducards Charakter (der mit Ra's tatsächlich nicht das Geringste zu tun hat, sondern einen eigenen Charakter darstellt) ganz zu schweigen.
Gefreut hat mich wiederum der Insider-Mini-Auftritt von Shane Rimmer, der schon in "Superman II & III" und "The Spy Who Loved Me" ganz ähnlich angelegte Rollen hatte. Und, okay, Scarecrow war, bis auf den fehlenden Vogelscheuchen-Overall auch ganz passabel.
Fest steht, dass mir Burtons Batmänner nach wie vor am besten gefallen, zwar wurde hier auch viel herumgepfuscht, aber Burtons Interpretation ist (bewusstermaßen) soweit weg von der Vorlage (und vermeidet allzu harsche Gegenlenker), dass ich sie nicht als Adaption verstehen muss, sondern als Interpretation dulden kann.
5/10
#11
Geschrieben 02. Juli 2005, 10:10
The Hunting Party (Leise weht der Wind des Todes) ~ UK 1971
Directed By: Don Medford
Der dekadente und sadistisch veranlagte Großrancher Brandt Ruger (Gene Hackman) macht sich mit seinen Eidgenossen zu einer Jagd auf, frustriert von der Tatsache, dass eine Frau Melissa seine eher merkwürdigen Zuneigungsbekundungen ablehnt. Während sich Ruger im eigens verfügten Zug mit Wein, Weib und den neuesten long-distance-Präzisionsgewehren vergnügt, wird Melissa daheim vom Outlaw Frank Calder (Oliver Reed) und dessen Männern entführt. Calder, im Glauben, Melissa sei Lehrerin, möchte, dass sie ihm das Lesen beibringt. Nach zunächst widerspenstigen ersten Kontakten inklusive Vergewaltigung und Essensentzug fügt sich Melissa Calder und lernt ihn bald sogar lieben. Ruger hat derweil von der Entführung seiner Frau erfahren und macht sich mit seinen Mitreisenden zur Verfolgung der Bande auf. Aus sicherer Entfernung knallt Ruger einen nach dem anderen von Calders Männern ab wie die Hasen und ist ihnen unerbittlich auf den Fersen. Ruger selbst büßt allerdings auch zahlreiche Mitstreiter ein, als diese erkennen, wie fanatisch er wirklich ist. Am Ende bleiben nur noch Ruger, Calder und Melissa, die vor ihrem Verfolger in die Wüste geflohen sind, übrig...
Zusammen mit Peckinpahs "The Wild Bunch" und Nelsons "Soldier Blue" (ebenfalls mit Candice Bergen) bildet der eher unbekannte "The Hunting Party" so etwas wie ein Spätwestern-Triumvirat in krassem Naturalismus. Streng genommen dürfte man letzteren, aufgrund seines Produktionslandes England und der spanischen Drehorte zwar nicht dazuzählen, die fast durchweg US-amerikanische Darstellerriege und ein Teil des Stabs erlauben es denn aber doch irgendwie.
In Machart und Atmosphäre stark beeinflusst vom Italo-Western, sind alle drei Filme äußerst pessimistisch und knüppelhart in Szene gesetzt. Wenn hier geschossen wird, ist der Einschlag der Projektile in slow motion sichtbar, das Blut spritzt in Fontänen und das Sterben wird seiner letzten romantischen Unschuld beraubt: Wenn gestorben wird, hat das nichts Ästhetisches. Es ist dreckig, dauert mitunter ziemlich lang und tut sauweh, insbesondere mit mehreren Kugeln im Leib.
Hinzu kommen die hintergründigen sozialpolitischen Intentionen, die die angloamerikanischen Filmemacher von ihren süditalienischen Kollegen Leone, Corbucci, Questi oder Damiani übernommen haben: In "The Wild Bunch" geht es um die Revolution, in (dem wohl härtesten der drei Genannten) "Soldier Blue" um nordamerikanische Interventionspolitik und "The Hunting Party" schließlich thematisiert die Dekadenz des Großbürgertums.
Auch wenn die Liebesgeschichte von Calder und Melissa auf eher wackligen Beinen steht (immerhin fängt alles mit einer Vergewaltigung an), der Film ist durchweg sauber und stets glaubwürdig gespielt, Hackman gibt einen klassisch-fiesen Bösewicht und die temporeiche Inszenierung tut ihr Übriges.
Außerdem ist es immer wieder erfreulich, zu sehen, dass Major-Produktionen auch so enden können, jedenfalls konnten sie das mal, vor 30 Jahren.
8/10
#12
Geschrieben 03. Juli 2005, 10:47
Sweet Sweetback's Baadasssss Song ~ USA 1971
Directed By: Melvin Van Peebles
Sweet Sweetback (Mario Van Peebles) wächst in einem Puff auf, seine sexuelle Standhaftigkeit ist schon früh legendär. Als Erwachsener (Melvin Van Peebles) dümpelt er zunächst ziellos durchs Leben, bekommt dann aber irgendwann Ärger mit den (vornehmlich weißen) Cops seiner Stadt, nachdem er ein Mitglied der black community gegen sie verteidigen musste. Fortan ist Sweetback auf der Flucht und erlebt allerlei absonderliche Dinge; ein Fickduell mit der Chefin einer Rockergang (das Sweetback selbstredend für sich entscheidet) ist da noch das Harmloseste. Am Ende entkommt Sweetback in die Wüste, die Cops schaffen es nicht, ihn zu fassen...
Harter Tobak, den Van Peebles als Regisseur, Script-Writer, Produzent, Editor und Hauptdarsteller in Personalunion hier präsentiert. Mit impressionistischen, bisweilen avantgardistischen Elementen kreiert er das Bild einer weißen, durch und durch rassistischen Gesellschaft, die kurz vom Kollaps steht. Sweetback erscheint da wie ein schwarzer Erlöser mit Pferdegemächt, der nicht viel reden muss, sondern Taten sprechen lässt.
Der Film wurde unabhängig und für ein Taschengeld hergestellt, vor allem aber ohne weiße Financiers. Damit ist er, trotz Sidney Poitier, so etwas wie der Initialschuss für das schwarze Bewusstsein im Kino und auch der erste Film der Blaxploitation-Welle. MGM gab das Startsignal für "Shaft" erst, nachdem sich "Sweet Sweetback" als verhältnismäßig großer Erfolg an den Kinokassen erwies. Dennoch ist das hier kein trashiges Actionkino mit schwarzen Hauptdarstellern, sondern purer Underground mit experimentellen Stilmitteln.
Eine ungewöhnliche Seherfahrung, aber eine, die sich lohnt.
7/10
#13
Geschrieben 03. Juli 2005, 15:36
Lifeforce ~ UK 1985
Directed By: Tobe Hooper
Die Raumfähre Churchill ist im All unterwegs um den Halleyschen Kometen aus der Nähe zu untersuchen. Im Schatten des Kometen entdecken die Wissenschaftler dann eine Art außerirdisches Raumschiff, an dessen Bord sich drei humanoide Wesen, eine Frau und zwei Männer, in gläsernen Kisten befinden. Die Churchill nimmt diese unvorsichtigerweise an Bord.
Die drei entpuppen sich nämlich alsbald als Space-Vampire, die ihren Opfern die Lebensenergie entziehen und diese auch zu Vampiren machen. Auf der Erde angekommen treten die drei eine gigantische Seuche in London los, an deren Ende praktisch die komplette Vernichtung der Stadt steht. Die beiden Colonels Caine (Peter Firth) und Carlsen (einziger Überlebender der Churchill und in telepathischem Kontakt mit dem weiblichen Vampir stehend) (Steve Railsback) wollen verhindern, dass sich die Seuche noch weiter ausbreiten kann...
Tobe Hooper ist ein Regisseur, der in seinem Gesamtwerk eine klare stilistische Linie vermissen lässt, außer dass alle seine Arbeiten (und die meisten von ihm inszenierten TV-Episoden) sich mehr oder weniger dem Genre des Phantastischen Films zuordnen lassen. Bei ihm sieht jedes neue Werk völlig anders aus als dessen Vorgänger. Dennoch ist Hooper, außer bei seinem klassischen Terrorstück "The Texas Chainsaw Massacre" (und den von mir heißgeliebten "Poltergeist", den man eigentlich aber eher Spielberg zuzuordnen geneigt ist), ein bestenfalls routinierter Regisseur, dessen Filme zumeist im qualitativen Mittelmaß liegen.
So auch "Lifeforce". Bei diesem handelt es sich um weitgehend unspektakuläre, grundsolide Sci-Fi/Horror - Kost mit leichtem Zombie-Touch am Ende, die den Verstand nicht gerade überfordert, aber auch nicht beleidigt. Die S-F/X stammen vom "Star Wars"-erfahrenen John Dykstra und sind dementsprechend gut gelungen. Selbiges kann man vom Spannungsbogen behaupten, der sehr konsequent durchgezogen wird. Alles in allem nette Unterhaltung für 'nen Sonntag-Nachmittag.
Oh, vergessen sollte man nicht Mathilda May, die einen absolut ansehnlichen nackerten Weltraum-Beißer gibt. Der würde ich glatt auch ein bisschen Energie abtreten...
6/10
#14
Geschrieben 05. Juli 2005, 13:18
The Last Wave (Die letzte Flut) ~ AU 1977
Directed By: Peter Weir
Auf dem australischen Kontinent scheint die Natur verrückt zu spielen, unter anderem fallen während der Hitzeperiode fußballgroße Eisklumpen vom Himmel. Der Sidneyer Anwalt David Burton (Richard Chamberlain) ist derweil mit der Verteidigung von fünf Aborigines, die im Verdacht stehen, einen der Ihren ermordet zu haben, betraut. Im Laufe seiner Recherchen begeben sich merkwürdige Dinge: Seine Mandanten scheinen Mitglieder eines Stammes zu sein, der auf dem Stadtterritorium aktiv ist, Burton wird von den Aborigines misstrauisch beobachtet. Hinzu kommen eigenartige, sich ständig mehrende Visionen, die zunehmend apokalyptischer werden. Offenbar ist Burton trotz seiner weißen Herkunft ein "Mulcohol", im Glauben der Ureinwohner ein Seher, der sich in der Traumzeit bewegen und die Zukunft voraussehen kann. Doch sollte dass, was seine Prophezeiungen ihm offenbaren, eintreten, stünde es schlecht um den gesamten Kontinent...
Der wohl renommierteste australische Regisseur Peter Weir bringt hier einen Gegenentwurf zum exploitativen Katastrophen-Kino Hollywoods in den 70ern. Hier werden nicht die Auswirkungen der Katastrophe gezeigt, sondern deren Präludium, das also, was dem Armageddon vorausgeht. So wird die Apokalypse zum Kammerspiel, eingefangen ihn einem kleinen, aber beträchtlichen Mystery-Drama, dessen Ende ganz ohne Effekthascherei weitaus mehr Unbehagen beim Zuschauer auslöst, als Bruce Willis auf 'nem Asteroiden. Weir ist ja seit Jahrzehnten selbst in Hollywood aktiv und hat zuletzt sogar auch ein großes, recht ansehnliches Schaustück in Scope gedreht, "Master And Commander".
8/10
#15
Geschrieben 05. Juli 2005, 13:43
La Conquista (Conquest) ~ I/E/MEX 1983
Directed By: Lucio Fulci
In einem prähistorischen Zeitalter wird der junge Krieger Ilias (Andrea Occhipinti) ausgesandt, der tyrannischen Wolfsgöttin Ocran (Sabrina Siani) mit einem Zauberbogen den Garaus zu machen. Unterwegs begegnet er Mace (Jorge Rivero), den eigentlich gar nichts interessiert, außer, Tieren und Schwächeren zur Hilfe zu kommen. Die beiden werden ein Team, das schwer damit zu tun hat, sich gegen Ocrans Wolfsmenschen und sonstige Mutanten zur Wehr zu setzen. Maces Familie wird ermordet, selbst Ilias muss dran glauben. Kurz vor seinem letzten Seufzer überträgt er Mace die Macht, den Bogen zu führen. Der sinnt nur noch auf eins: "Reveeeenge..."
Nach dem internationalen Kassenerfolg von Millius' "Conan The Barbarian" zogen die Italiener, Könige der Plagiatoren, wieder mal nach und schickten neben Ator, Gunan und weiß Gott wem auch Mace, der Muskeln an den Armen hat wie Conan am Schienbein, in die Schlacht um ein paar Kinokassenkröten. Was macht diesen Schinken also zu etwas Besonderem? Ganz klar, dass Gore-Wiz Fulci dem Streifen seinen unnachahmlichen Stempel aufgedrückt hat. So wird aus einem halbgaren Barbaren-Reisser ein seltsamer Genrebastard mit gehöriger Portion Horror. Fulci plündert und fleddert gut gelaunt das gesamte Genrekino der Vorjahre, "Conan" hat da beinahe noch das Nachsehen. Elemente aus Coscarellis "Beastmaster" finden hier ebenso Absatz wie der nebelverhangene Look aus Boorman's "Excalibur". Selbst der seinerseits schon hanebüchene TV-Pilot "The Archer" stand Pate. Natürlich kann Fulci keinem dieser Vorbilder auch nur annähernd das Wasser reichen. Der rudimentäre Plot hat bestenfalls Alibi-Funktion, man mühte sich offenbar sehr ab, 90 Minuten mit Handlung zu füllen. Die Make-Up-F/X sind Fulci-typisch, d.h. ziemlich derbe aber bisweilen auch ziemlich lächerlich.
Was man dem alten Lucio aber oft zu Gute halten kann, bringt auch hier klaren Bonus: Er hat einfach ein Händchen für Atmosphäre. Mag das ganze noch so schreiend dämlich und sparsam zusammengeklöppelt sein, man schaut es sich gerne bis zum Ende an.
4/10
#16
Geschrieben 06. Juli 2005, 11:59
The Mack ~ USA 1973
Directed By: Michael Campus
Goldie (Max Julien), ein vormals heroinsüchtiger Kleinkrimineller, der nach 5 Jahren aus dem Knast entlassen wird, träumt vom großen Geld. In seinem Viertel lässt sich dieses aber nicht auf legalem Wege machen, also wird Goldie ein pimp, ein Zuhälter. Anfänglich verhält er sich großzügig gegenüber seiner Gemeinde, lässt den Kids ein bisschen Geld zukommen und behandelt seine 'hos wie Menschen. Alsbald wird er jedoch ein ebenso gewissenloser Gangster, wie die meisten Jungs in seinem Viertel. Es dauert nicht lange, da steht Goldie zwischen allen Fronten: Der Fatman, ein weißer Gangsterboss, will verhindern, dass Goldie zu groß wird, zwei korrute, ebenfalls weiße Bullen wollen ihm ans Leder und sein Bruder Olinga, ein Polit-Aktivist beobachtet Goldie's Entwicklung mit äußerstem Missfallen. Um ihn herum entfacht sich eine Spirale der Gewalt...
"The Mack" war und ist ein kulturelles Phänomen, symbolisiert er doch das komplette Gernegroßtum, dass sich unterprivilegierte (und privilegierte) schwarze und nichtschwarze Jugendliche häufig aneignen. Eine große Klappe, ein dickes Auto, die passenden Klamotten und an jedem Finger some bitch. Hip-Hop-Idole wie 50 Cent transferieren diesen Lebensstil faktisch als 1:1-Kopie bis in die heutige Zeit.
Bei Campus' Film handelt es sich um Blaxploitation oberster Gardeur, um einen der besten Vertreter seiner Zunft. Seine gattung- und zeitgeschuldete grittiness, seine offensive, teils semidokumentarische Inszenierung ermöglichen einen beinahe intimen Blick auf den inner struggle des black consciousness jener Jahre: Dem weißen Establishment den Finger zeigen und alternative Lebensentwürfe verfolgen ohne den Schritt in die Kriminalität oder doch pimpin' n' pushin'? Die wichtigsten Elemente des Subgenres sind vorhanden, allen voran der fantastische Soundtrack von Willie Hutch. Und man staunt Bauklötze, dass einige der wichtigsten Stabmitglieder Weiße sind. Davon merkt man, wenn man's nicht weiß, garantiert nichts. Max Julien bringt eine ausgezeichnete Darstellung und verewigte sich mit der Rolle des Goldie im Orkus der ebenso tragisch wie psychotisch konnotierten Filmgangster mit ödipaler Ausprägung neben James Cagneys Cody Jarrett und Al Pacinos Tony Montana. Als behind-the-screen-Berater fungierten die Ward-Brüder, echte Gangster in Oaklands entsprechenden Vierteln, die in der Besetzungsliste allesamt als "himself" kreditiert sind. Frank Ward, der Kopf der Brüder, wurde noch vor der Premiere erschossen und wird zu Anfang des Films gewürdigt.
Klassiker!
10/10
#17
Geschrieben 09. Juli 2005, 11:29
And Now For Something Completely Different (Monty Pythons wunderbare Welt der Schwerkraft) ~ UK 1971
Directed By: Ian MacNaughton
Die Komikertruppe Monty Python gibt eine Kostprobe ihres Anarcho- / Gaga - Humors in Form einer Art "Best Of" ihrer Fernsehreihe "Monty Python's Flying Circus".
In all den Jahren, die die Sketche nun schon auf dem Buckel haben, haben diese nichts von ihrer komischen Urgewalt verloren. Für Python-Enthusiasten und beinharte Fans bietet das Kinostück eine immer wieder sehenswerte Kompilation einiger der besten Gags der Reihe, jene, denen die Filme erstmal ausreichen, können hier einen repräsentativen Überblick über das Fernsehtreiben der sechs genialen Brachial-Comedians genießen. Unsterbliche und gegen alle Moden gewappnete Spots wie die Killer-Omas, die Alpinistentruppe und der "lustigste Witz aller Zeiten" (die Zeichentricküberleitungen nicht zu vergessen) sind noch heute ein Traum und es ist immer noch ein Jammer, dass die Resttruppe nach Graham Chapmans Tod nicht mehr weitergemacht hat, auch wenn Gilliam genialste Filme macht und trotz "A Fish Called Wanda". Einen solch brillanten, methodischen Schwachsinn konnte kein Ensemble je mehr für sich verbuchen.
Aber: Kommen wir nun zu etwas völlig Anderem!
9/10
#18
Geschrieben 11. Juli 2005, 08:55
Die Unendliche Geschichte ~ BRD/USA 1984
Directed By: Wolfgang Petersen
Der Junge Sebastian Balthasar Bux (Barret Oliver) wächst bei seinem Vater (Gerald McRaney) auf. Seine Mutter ist verstorben. Bastian ist ein rechter Bücherwurm, hat aber auch so seine Schwierigkeiten mit gleichaltrigen Jungs. Eines Tages muss er mal wieder vor ein paar Schlägern flüchten, als es ihn in das merkwürdige Buchantiquariat eines gewissen Herrn Karl Konrad Koreander (Thomas Hill) verschlägt. Dort entdeckt er das interessant aussehende Buch "Die Unendliche Geschichte", klemmt es sich unter den Arm und verschwindet kurzerhand aus dem Laden. Auf dem Dachboden seiner Schule macht er es sich bequem und beginnt das Buch zu lesen. Darin geht es um das Land Phantasien, in dem allerlei Fabelwesen hausen und das regiert wird von der Kindlichen Kaiserin (Tami Stronach). Diese ist jedoch schwer krank und das Nichts, eine unsichtbare, unfassbare Leere, droht das ganze Land Phantasien zu verschlingen. Der junge Krieger Atréju (Noah Harhaway) wird ausgesandt, der Kindlichen Kaiserin die Rettung zu bringen. Bastian verfolgt den Weg Atréjus während er das Buch liest und muss bald feststellen, dass er selbst Teil der "Unendlichen Geschichte" zu sein scheint...
Es ist ein Kreuz mit diesem Film: Für sich gesehen ist er wunderschön; eine Lektion über die Allmacht und Unerschöpflichkeit der menschlichen Phantasie, manchmal ein bisschen kitschig, für Kinder aber ein absolutes Vergnügen, das selbst jüngste Zuschauer zum Nachdenken anzuregen vermag. Besetzt mit drei grandiosen Kinderdarstellern (denen leider das Schicksal der meisten Schauspielkinder blühte, nämlich, in Vergessenheit zu geraten), musikalisch toll unermalt von Klaus Doldinger und - zugegeben - ein bisschen zu amerikanisch aussehend für eine vornehmlich deutsche Produktion. Nun ist "Die Unendliche Geschichte" aber eine Literaturverfilmung. Und zwar nicht irgendeine, sondern die Adaption des mit schönsten und wichtigsten Buches, das in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zu lesen war. Und da klafft dann alles meilenweit auseinander.
Die Vielschigkeit des Romans, seine Genialität in ein anderes Medium zu übertragen ist eine nahezu unlösbare Aufgabe (dies demonstrierte schon ein paar Jahre zuvor der - wenn auch sehr gelungene - Hörspiel-Dreiteiler). Denn es geht nicht nur darum, dass die Menschheit ihre Träume zu verlieren droht, wenn dies auch eines er zentralen Topoi des Buches ist. In erster Linie ist es die Geschichte eines traurigen, kleinen, dicken, einsamen Jungen, wie es ihn millionenfach auf der Welt gibt und mit dem sich jeder in gewisser Weise identifizieren kann. Dieser Junge lernt einige wichtige Dinge über sich selbst und auch über seinen Vater, der ebenfalls sehr traurig und einsam ist. Schließlich findet er dann heraus, dass er keineswegs so allein dasteht, wie er glaubt.
Petersen, sich der Unmöglichkeit einer kongenialen Verfilmung voll bewusst, kappte viele Drähte zur Vorlage. Zunächst reduzierte er den Inhalt des Buches 90-Minuten-tauglich um die letzten zwei Drittel (die natürlich weitaus wichtiger für den Gesamtkontext sind) und verwandelte das erste Drittel in eine Demonstration über das seinerzeit Mögliche im S-F/X-Bereich (Effekte von ILM). Dann machte er aus dem Protagonisten des Buches ein all-american-kid mit Pagenkopf, erleichterte einerseits selbst den bereits reduzierten Inhalt um einige (womöglich zu grausame) Elemente und Details und fügte andererseits ein paar hinzu: Dass der Glücksdrache Fuchur plötzlich in der realen Welt auftaucht, ist ein netter Gag, aber einer, der im Buch nie vorgekommen ist (und auch gar nicht hineingepasst hätte).
Was Wunder, dass Michael Ende, der leider viel zu früh verstorbene Autor des wahrhaft göttlichen Romans, die Verfilmung nie anerkannt hat.
6/10
#19
Geschrieben 12. Juli 2005, 11:26
Garden State ~ USA 2004
Directed By: Zach Braff
Nach einigen Jahren kehrt der erfolglose Schauspieler Andrew Largeman (Zach Braff) aus seinem kalifornischen Exil zurück in den garden state New Jersey.
Anlass: Tod und Beerdigung seiner Mutter. Mit seinen Eltern hatte Andrew sich schon lange nichts mehr zu sagen, auch sein Vater (Ian Holm), nunmehr dringend gesprächsbedürftig, beißt bei ihm beständig auf Granit.
Zach führt überhaupt eine seltsam losgelöste Existenz: Nichts scheint ihn wirklich zu tangieren, er macht einen manchmal völlig paralysierten Eindruck, wohl auch zurückzuführen auf die mannigfaltigen Psychopharmaka, die er seit seiner Kindheit nimmt. Als er nun zurück im seltsam grau und trostlos erscheinenden Jersey ist, trifft er zunächst viele alte Bekannte (die entweder bei ihrem heillosen Drogenkonsum geblieben oder Polizist geworden sind) und auch die hübsche Sam (Natalie Portman), im Gegensatz zu Andrew ein sprudelnder Lebensquell und all das verkörpernd, was bei ihm auf der Strecke geblieben ist...
Preiswerte kleine Filme, die scheinbar ganz unbedeutende / unspektakuläre Lebensausschnitte und -situationen zum Thema haben, sind in den letzten Jahren wieder schwer en vogue in den vom Studiosystem leidgeprüften USA. Früher nannte man das Independentkino und Cassavetes war dessen Speerspitze.
Miramax und Fox Searchlight (Produktionsfirmen von "Garden State") zählen heute zu den Instanzen, die gern als Geldgeber für solche Projekte fungieren und das natürlich nicht ganz uneigennützig: Filme wie der vorliegende sind stets Lieblinge des Feuilletons und bringen Renommee - wenn auch meist nicht die ganz großen Publikumszahlen. Warum das? Nun, nicht jeder wird sich von der Geschichte eines Menschen wie Andrew Largeman angesprochen fühlen, es bedarf schon einer gewissen Identifikationsbasis. Im Grunde findet handlungsmäßig ja auch nicht allzu viel statt; pointiert ausgedrückt haben wir hier die Geschichte zweier Menschen, die sich verlieben. Punkt. Ohne Turbulenzen, ohne Schicksalsschläge, einfach so.
Eine Situation, die nicht gerade außergewöhnlich ist. Was also macht das ganze so besonders? Ganz klar: NICHTS - und das ist gerade das Befreiende.
Hier gibt es keinen Pomp, keine großen Intentionen, keine Ausstattung. Nur eine kleine, ganz persönliche Geschichte, die darauf gewartet hat, herausgelassen zu werden. Und das reicht, um einen ordentlichen Film auf die Beine zu stellen. Q.E.D.
8/10
#20
Geschrieben 12. Juli 2005, 19:35
Closer (Hautnah) ~ USA 2004
Directed By: Miche Nichols
Die zwei US-Amerikanerinnen Alice (Natalie Portman) und Anna (Julia Roberts) sind jeweils in London in höchst unterschiedlichen Berufen tätig und gehen wechselnde Beziehungen mit den beiden natives Daniel (Jude Law) und Larry (Clive Owen) ein, die in emotionaler und körperlicher Zuwendung und zeitlicher Dauer jeweils variieren. Am Ende wird nur eine Konstellation überleben...
Quo vadis, Mike Nichols? Hier soll offensichtlich etwas auf Teufel komm raus Anstoß erregen, indem mit strengem Vokabular nur so um sich geschmissen und mit vermeintlicher Fleischbeschau provoziert wird. Tatsächlich verpufft das alles zu heißer Luft. Owens inflationär-offensiver Gebrauch des Wortes "fuck" wird irgendwann zur anstrengenden Gewohnheit, von Portmans so hochgejubeltem "private dance" sieht man zunächst mal gar nichts, um dann wohl ein pseudoerotisches Knistern wahrnehmen zu sollen, das, nun ja, nicht knistert. Beziehungstechnisch existenzielle Entscheidungsfragen wie "Sex oder Liebe", "Wahrheit oder Lüge", "Arschloch oder Softie" sind so revolutionär nicht, wie Nichols' Film sie zu verkaufen sucht, im Gegenteil sind all das Dinge, über die jede( r ) oft genug im Privatbereich diskutiert und diskutieren muss. Hier sehen wir jetzt, nach diversen Irrungen und Wirrungen, eine mögliche Variante, wie so etwas enden kann.
"Closer" sucht und findet seine Zielgruppe möglicherweise genau bei jenen Personen, die quasi Real-Life-Duplikate der Protagonisten (bis auf Alice) sind: Wunderschöne, uninteressante Menschen Ende 30, wohlhabend, in kultivierten Berufen tätig, kultivierten Freizeitbeschäftigungen nachgehend, dabei nur mit sich selbst und ihrem kleinen Mikrokosmos beschäftigt und selbst damit schon überfordert.
Alle anderen gucken zu was die vier so treiben, finden das vielleicht halbwegs interessant, gähnen kurz und gehen dann unbeeindruckt nach Hause.
3/10
#21
Geschrieben 13. Juli 2005, 10:40
... And Justice For All (... und Gerechtigkeit für alle) ~ USA 1979
Directed By: Norman Jewison
Der junge Anwalt Arthur Kirkland (Al Pacino) sieht sich in seiner Berufspraxis einer Rechtssprechung gegenüber, die längst nicht mehr ihren eigenen Grundsätzen entspricht. Er hat es mit Korruption, moralischer Verdorbenheit und Resignation zu tun und sieht sich trotz aller Bemühungen oft selbst als den Scheiternden. Als er einen erzkonservativen Richter (John Forsythe) gegen den Vorwurf der Vergewaltigung verteidigen muss und sich dann auch noch dessen Schuld herausstellt, sieht Kirkland sich einem absoluten Wendepunkt gegenüber...
Dass ich dieses Meisterwerk erstmalig erst so spät gesehen habe, gibt mir ein gutes Stück Hoffnung, dass es da draußen wirklich noch Filme gibt, die zu entdecken es sich lohnt.
Zunächst muss ich die persönliche Auskunft geben, dass ich im Allgemeinen ein großer Fan von courtroom - Dramen bin, einem ja an Höhepunkten nicht gerade armen Subgenre. So dachte ich, mich erwartet hier ein solides Stück Unterhaltungskino, aber weit gefehlt...
Norman Jewison, ohnehin einer der ganz Großen, hat hier eine Satire über das amerikanische Rechtssystem abgeliefert, wie sie bitterer kaum sein könnte. In seiner fatalistischen Konsequenz kann "... And Justice For All" es ohne weiteres mit Altmans "M.A.S.H." aufnehmen, so markig ist er geworden.
Pacino, durchaus bewährt in der Rolle des einsamen Idealisten im aussichtslosen Kampf gegen ein übermächtiges System (s. "Serpico"), steht hier an der Spitze eines Darstellerensembles, wie ich lange keins mehr gesehen habe. Hier und da menschelt es (Lee Strasberg als Kirklands Großvater), dort rastet einer aus (Jeffrey Tambor als Anwalts-Kollege), es gibt liebenswerte Knallchargen (Robert Christian als Mandant) und fieseste Amoralisten (John Forsythe). Die ganze Bandbreite menschlicher Charaktere wird irgendwie angerissen. Und das alles bis ins Detail liebevollst ausgearbeitet in einem äußerst geschlossenen Drehbuch. Zunächst habe ich mich am Score von Dave Grusin gestoßen (Wie passt diese Musik zu so einem Film?), dann die Helicopter-Sequenz mit Pacino und Jack Warden (Wie lässt sich das jetzt bitte dramaturgisch rechtfertigen?) Und siehe da: Am Ende (Schlusssequenz übrigens: Einzigartig!) fügt sich alles zu einem nicht nur stimmigen, sondern bombensicheren Ganzen.
Bin hin und weg.
10/10
#22
Geschrieben 13. Juli 2005, 15:59
Finding Neverland (Wenn Träume fliegen lernen) ~ USA 2004
Directed By: Marc Foster
Der nur halbwegs erfolgreiche Theaterautor James M. Barrie versucht im England der vorletzten Jahrhundertwende, sich aus seinem kreativen Tief herauszukämpfen, als er eines Tages die verwitwete Sylvia Davies (Kate Winslet) und deren vier Söhne kennenlernt. Barrie verbringt zunehmend viel Zeit mit der unvollständigen Familie und sieht sich bald allerlei Anfeindungen durch die örtliche Bourgeoisie, die Mutter der Witwe und seine eigene Frau ausgesetzt. Ungeachtet aller Widerstände inspirieren ihn die Erfahrungen mit den Kindern zu jenem Stück, das ihm Unsterblichkeit verleihen wird: "Peter Pan". Trotz seines nahenden Triumphes ist das Schicksal Barrie wenig wohlgesonnen: Seine Frau verlässt ihn und Sylvia erkrankt an Tuberkulose...
Aus einem Theaterstück mach ein Theaterstück mach einen Film: Ein Vorwurf, den ich in Bezug auf "Finding Neverland" mehrfach (auch hier im Forum) registriert habe, war jener, der Film sei kitschig. Mag sein, dass das eine Tatsache ist. Vieles spricht dafür: Der weiche, luftige Unterton, das Ambiente (zeitlich und lokal), in dem die Handlung angesiedelt ist, die aggressionsfreie Grundstimmung, Kinder in wesentlichen Rollen (!stets brandgefährlich!) Ich hingegen interpretiere die Machart des Films für mich persönlich als völlig frei von jeglichem Zynismus, was heutzutage eine Seltenheit, ja fast schon eine Obskurität darstellt. Na und, dann mangelt es halt an Aktion und Symbolik. Fehlen halt die Unsympathen. Ist das alles eben manchmal traurig.
Das Wesentliche bei einem Film wie diesem ist doch, was jeder für sich herausziehen kann. Empfand man das ganze als aufgesetzt (um nicht zu sagen: kitschig)? Oder fühlte man sich berührt? Gab es vielleicht sogar so etwas wie einen "sittlichen Gewinn"? Sprach die Botschaft mich an? Um Dennis Hopper in "Apocalypse Now" zu zitieren: "That's dialectic physics".
Von meiner Seite nunmehr soviel: Wer einmal mit einer größeren Gruppe von Kindern im Theater war, der wird die Premieren-Sequenz von "Peter Pan" genießen. Was man hier sieht, ist nichts weniger als echt. Wahrheit, wie sie nur das Kino einzufangen vermag.
9/10
#23
Geschrieben 14. Juli 2005, 09:23
Ginger Snaps ~ CAN/USA 2000
Directed By: John Fawcett
Die verschworenen Schwestern Ginger (Katherine Isabelle) und Brigitte (Emily Perkins) sind etwas anders als die meisten Mädchen in ihrem Alter: Sie interessieren sich nicht für Jungs, geben sich intellektuell überlegen und inszenieren gern morbide Selbstmordszenarien à Harold Chasen. Zudem lässt ihre erste Periode auf sich warten - obwohl Ginger schon 16 und Brigitte 15 ist. Als diese bei Ginger einsetzt, wird sogleich ein Werwolf, der in der Gegend sein Unwesen treibt, auf sie aufmerksam und fällt sie an. Ginger überlebt die Attacke, verwandelt sich daraufhin jedoch langsam selbst. Brigitte versucht mit allen Mitteln, ihre Schwester, deren Wesen auch zunehmend animalischer wird, vor der finalen Transformation zu bewahren...
So viel vorweg: "Ginger Snaps" ist nicht die groß angekündigte Reanimierung des lykantrophen Genres. Was ihn dennoch auf eine goutierbare und diskutable Ebene hebt, ist das Subthema "aufkeimende weibliche Sexualität". Ein Blick auf die Credits: Aha, das Script stammt von einer Frau (Karen Walton). Das erklärt so manches. Der Film nämlich ist im Grunde eine einzige große, wenig schwer zu durchschauende Parabel über das, was passiert, wenn junge Frauen die Adoleszenz erreichen, ihre kindlichen Gewohnheiten ablegen und "erwachsenere" Charakterzüge und Interessen entwickeln. Neil Jordan hat das Thema in ähnlicher Variation, nur weitaus verschlüsselter, poetischer und vor allem: zeitlich und örtlich total entrückt in seinem "Company Of Wolves" abgehandelt.
Erwachsen werden in der wirklichen (Film-)Welt, das heißt vor allem, Klischees erfüllen: Sex, Joints, Party.
Es ist ein leicht einzusehender dramaturgischer Kniff, warum die Protagonistinnen bereits so alt sein mussten: Bei 11- oder 12-jährigen wäre die Angelegenheit doch um einige Umdrehungen kontroverser geworden. Mit 16 allerdings befindet man sich in einem Alter, das derartige Anwandlungen auch filmästhetisch zulässt. Das Finale schließlich rückt "Ginger Snaps" in die Nähe dessen, was N. Stresau als "reaktionärer Splatterfilm" bezeichnet.
Grenzen und Konflikte zwischen (einer auch wesenhaften) Jungfräulichkeit und ausgeprägter Sexualität werden von Perkins und Isabelle sehr konzentriert dargestellt. Überhaupt sind beiden Jung-Aktricen das größte Plus des Films, der ansonsten ziemlich unspektakulär und überraschungsarm daherkommt, dafür aber eine zumindest tendenziell weitestgehend originäre Stellung im Horrorfilm genießt.
6/10
#24
Geschrieben 14. Juli 2005, 20:56
The Eiger Sanction (Im Auftrag des Drachen) ~ USA 1975
Directed By: Clint Eastwood
Jonathan Hemlock (Clint Eastwood) ist ein Kerl aus richtigem Schrot und Korn: Gut aussehend, cool wie Sau, knallhart, einen akademischen Titel führend und ein Vollblut-Womanizer.
Ganz nebenbei ist er noch Profikiller für eine nicht näher betitelte Geheimdienstorganisation der US-Regierung. Sein neuester (und letzter) Auftrag birgt für Hemlock (obwohl er sich zunächst ziert) gleich eine dreifache Motivation: Einen Batzen Kohle, Rache für die Ermordung eines Kriegskameraden und die Besteigung des Eiger, die Hemlock bereits zweimal versucht, aber noch nie vollständig bewerkstelligt hat. Dass er einem Intrigenspiel aufgesessen ist, findet er viel zu spät heraus...
Es ist schon eine Wonne zu sehen, wie Eastwood der Regisseur Eastwood den Schauspieler vor 30 Jahren in Szene setzte. Sieht man das Alterswerk dieses Mannes, kann man ihm ja nur ein entsprechendes Maß an Intelligenz attestieren und inständig hoffen, dass Filme wie "The Eiger Sanction" zu großen Teilen der Selbstironie entstammen. Einen solch ultimativen Supermann wie hier gibt der gute Clint meines Wissens in keinem anderen seiner vielen Filme. Ob nun reaktionärer Inspektor oder übernatürlicher Racheengel - sonst beschränken sich seine Talente ja zumeist auf einen Sektor, aber hier? Gegen Hemlock ist wirklich kein Kraut gewachsen. Er wirkt beinahe wie eine frühe Version von Indiana Jones, der ja trotz seiner wissenschaftlichen Tätigkeit auch ein wahrer Teufelskerl ist.
Der Film selbst ist vollkommen eben: Hübsch doof lebt er allein von seinen Schauwerten und repräsentiert anschaulich und ganz typisch für die meisten 70er-Jahre-Actioner, die Verlegenheit der Studios gegenüber der neuen Autorenfilmergeneration.
Zu erwähnen sei noch, dass im Originaltitel das Wort "sanction" enthalten ist, das wörtlich mit Sanktion übersetzt werden kann und nichts anderes als ein Spionage-Slangwort für Bestrafung ist (bei der auch im Film "Eiger Sanction" betitelten Operation an der Eiger Nordwand geht es darum, Rache für die Ermordung eines Agenten zu üben). Die deutsche Synchronisation spart diesen Zusammenhang stoisch aus und spricht statt von einer "Eiger Sanktion" immer wieder nur von der "Eiger Besteigung".
Netter, alberner Krimskrams.
6/10
#25
Geschrieben 17. Juli 2005, 08:47
Clerks. ~ USA 1994
Directed By: Kevin Smith
Dante (Brian O'Halloran) und Randal (Jeff Anderson) sind beste Kumpel und arbeiten als Verkäufer in zwei benachbarten Läden. Dante steht hinter der Theke eines convenience stores, Randal jobbt in einer Videothek. "Clerks" berichtet von einem Samstag im Leben der beiden, an dem es zu diversen bizarren Ereignissen, turbulenten Verwicklungen und schließlich der reinigenden Katharsis kommt.
Kevin Smith ist ein Typ, den man beinahe mögen muss. Ein gescheiter, übergewichtiger Mensch mit einem äußerst angenehmen Humorverständnis, der nicht nur feine Filme dreht, sondern auch coole Comics textet ("Daredevil", "Green Arrow") und damit seine Vorlieben in exakt denselben Metiers hat wie ich. "Clerks", sein abendfüllendes Erstlingswerk, ist zugleich (O.-Ton Smith) sein einziger echter Independentfilm. Und nach meinem Gusto auch sein bester. Vieles, was mich an Smiths späteren Filmen ein klein wenig stört (das latente Pathos in "Chasing Amy", der ganze over-the-top-plot von "Dogma"), ist hier nicht vorhanden. In gänzlich unprätentiösen, kernigen Schwarz/Weiß-Bildern gibt es eine Vielzahl witziger Anekdötchen rund um die beiden Protagonisten.
Dantes Inferno: Dante ist ein eher ruhiger Charakter (offensichtlich eine Art alter ego Smiths), der im Grunde bloß seine Ruhe will, dabei aber von allerlei spinnerten Kunden und vor allem von seinem Freund Randal bisweilen empfindlichst gestört wird. Am Ende erweist sich dann Randal als wesentlich gefestigter als Dante, und beweist, dass er neben zahlreichen kleinen Gemeinheiten auch mal "lebensrettende" Ratschläge erteilen kann. Erwähnenswert auf jeden Fall auch die Leinwand-Premiere des Duos Jay (Jason Mewes) und Silent Bob (Smith himself), die später ihr ganz persönliches Franchise erhalten werden. Seinen kleinen Film hat Smith übrigens nach den strengen Vorgaben der griechischen Tragödie inszeniert, was sozusagen nochmal die Kirsche auf dem Sahnehäubchen ist. Ein Genuss!
10/10
#26
Geschrieben 17. Juli 2005, 17:32
Blowup ~ UK 1966
Directed By: Michelangelo Antonioni
Thomas (David Hemmings) bewegt sich als gefragter Fotograf sehr selbstsicher durch das London der 60er Jahre. Er ist eine Art Bohémien, der sich an seiner Kunst gesundstoßen konnte, auch wenn das Geld noch nicht reicht, um die Stadt zu verlassen. Die Damen fliegen auf ihn, was ihn letztendlich aber wirklich interessiert, sind seine Bilder. Eine gelungene Fotosession ersetzt den Orgasmus. Als Thomas eines Tages im Park aus der Entfernung einige Bilder eines Pärchens macht, verlangt die Frau (Vanessa Redgrave) erzürnt die Fotos. Er jedoch behält diese trotz wiederholter Überredungsversuche der Unbekannten. Nachdem er den Film entwickelt hat, entdeckt er auf einem der Fotos eine Hand mit einer Waffe, auf einem anderen scheint eine Leiche im Gras zu liegen. Thomas vergrößert die Bilder und ist bald Feuer und Flamme für das offensichtliche Verbrechen, das er dokumentiert hat. Später entdeckt er nächtens im Park sogar tatsächlich die Leiche eines Mannes. In seinem Bekanntenkreis scheint sich jedoch niemand für den Mord zu interessieren...
Blowup ist einer jener Filme, die untrennbar mit ihrer Entstehungszeit verbunden sind und denen man trotz aller unbestreitbarer Meisterschaft ein Attribut nicht zukommen lassen kann: Das der Zeitlosigkeit. Das Werk speist sich einerseits aus seiner Zeit und ist andererseits mitverantwortlich für das Bild, das wir uns von dieser Ära machen. Eine wechselseitige Beziehung, die in diesem Falle jedoch weit über das übliche Verhältnis Kunstwerk <--> Rezipient hinausgeht.
Antonioni gibt uns in äußerst klaren und streng komponierten Bildern ein Porträt der Ambivalenz, die die 60er auszeichnet und entzaubert: Engagement und Lethargie. Thomas sympathisiert augenscheinlich mit Ersterem (er fährt sogar kurzzeitig ein Schild für Friedensdemonstranten spazieren, das aber bald wieder aus seinem Wagen fällt), ist aber dennoch selbst die Arroganz in Person. Seine Models behandelt er beinahe wie Vieh und diese lassen sich das noch bereitwillig gefallen. Zwei offenbar minderjährige Groupies (u.a. Jane Birkin), die nichts sehnlicher wollen, als von Thomas fotografiert zu werden, benutzt er für ein kurzes Sexabenteuer und verweist sie dann, ohne ein Bild gemacht zu haben, seiner Wohnung.
Seine Entdeckung schließlich scheint ihm einen gewissen Auftrieb zu geben, in welche Richtung bleibt unklar. Analog zu seiner Aktivität wächst die Passivität, die ihn umgibt. Denkwürdig die Sequenz mit dem Gig der Yardbirds (schon mit Jeff Beck an der Klampfe), die sich den Arsch abspielen und sich dabei einem (bis auf zwei Ausnahmen) total apathischen Publikum gegenübersehen. Erst als der Bassmann sein Instrument zerlegt und die Teile ins Publikum wirft, rastet die Menge aus. Thomas, stets auf der Jagd nach außergewöhnlichen Objekten, ergattert ein Stück, das er kurz darauf desinteressiert auf die Straße wirft.
Zu Beginn schält die Kamera Thomas aus einer Menschenmenge heraus, am Ende steht er inmitten einer riesigen Grünfläche, allein. Sein ganz persönlicher vanishing point.
"Blowup" ist von einer selten gesehenen Vielschichtigkeit und voller kleiner, unverwechselbarer Momente. Stilistisch dabei wunderbar geschlossen (die ruhelose, motorisierte Pantomimen- Performancetruppe eröffnet und beschließt den Film) und mit einem schier unglaublichen Score von Herbie Hancock.
10/10
#27
Geschrieben 19. Juli 2005, 13:26
Verlierer ~ BRD 1986
Directed By: Bernd Schadewald
Die "Sharks" und die "Rats" sind die zwei Ton angebenden Gangs in einer nicht weiter bezeichneten Ruhrmetropole. Beide Banden sind als Hausbesetzer an gegenüberliegenden Stadtenden untergekommen. Einige von ihnen sind obdachlos, viele leben von der Stütze.
Jürgen, genannt Mücke, (Mario Irrek) ist der kleine Bruder von Richy, "Präsi" der Sharks (Ralf Richter). Eines Tages tut Mücke es dann seinem Bruder gleich, der bereits vor längerer Zeit den asozialen familiären Verhältnissen entflohen ist, und haut ab vor der Prügel des Vaters und der Apathie der Mutter. Er sucht Zuflucht bei Richy, der ihn jedoch vor einem ähnlichen Schicksal wie dem seinen bewahren will und ihn wegschickt. Auf der Straße lernt Mücke den gleichaltrigen Erdal (Yüksel Bicici) kennen, der allerdings Mitglied der Rats ist. Eine eventuelle Freundschaft ist somit von vornherein zum Scheitern verurteilt. Bald eskaliert die Situation zwischen Sharks und Rats.
Bei Filmen wie diesem neigt man sehr zur nostalgischen Verklärung, insbesondere, wenn man sie zum ersten Mal in besonders jungen Jahren (TV-Premiere 1987, war 11 seinerzeit) gesehen hat. "Verlierer" hat mein damaliges naives Verständnis deutscher Jugendkultur entscheidend mitgeprägt.
Mittlerweile erkennt man zahlreiche locations wieder (Essener City, Zeche Carl, Rhein-Ruhr-Zentrum Mülheim. Einmal fahren Mücke und Erdal sogar mit "meiner" U-Bahn von der Haltestelle Uni Essen Richtung Hbf), was dem Wiedersehen mit diesem alten Schätzchen noch eine zusätzlich amüsante Note verleiht.
Der Film zeigt das Ruhrgebiet im Winter: Dreckig, matschig, grau, von arbeitenden und verlassenen Schwerindustriefeldern durchsetzt. Hier ist man als Jugendlicher fast schon hoffnungslos verloren, gerade wenn man aus einem solchen Elternhaus kommt wie Richy und Mücke. Die Kids haben nichts zu tun außer randalieren, saufen und sich gegenseitig zu verschwarten. Sharks und Rats unterscheiden sich weder ethnisch, noch in ihrer politischen Gesinnung und schon gar nicht subkulturell: Nur ihre unterschiedlichen "Kutten" weisen sie jeweils als Zugehörige aus. Ihre Nöte und Sorgen jedoch sind die gleichen.
Schadewalds Milieustudie hat bei aller berechtigten Kritik (bisweilen strunzdumme Dialoge, darstellerische Rohrkrepierer, Hyper-Authentizität) auch heute noch einen nicht zu leugnenden, ganz eigenen Charme (und auch eine gehörige Bitterkeit) und ist mit Ralle Richter und Campino in Hauptrollen, Cameos von den Pott-Thrashern Violent Force und Kreator und der schlurrigen Musik (u.a. "Opel-Gang" (Hosen), "Eighties" (Killing Joke) und dem "Warriors"-Theme (sic!)) auf jeden Fall ein Juwel der letzten TV-Dekaden und beinahe schon ein kleiner Kultfilm.
Wie gesagt: Ein schönes déja-vu.
7/10
#28
Geschrieben 19. Juli 2005, 19:29
Die fetten Jahre sind vorbei ~ D 2004
Directed By: Hans Weingartner
Jan (Daniel Brühl) und Peter (Stipe Erceg) praktizieren so eine Art "sanften Terrorismus": Sie brechen in die Villen der oberen Zehntausend ein, nicht jedoch, um dort wertvolles Interieur zu stehlen, sondern einfach, um ein Chaos anzurichten. Und um eine erzieherische Botschaft zu hinterlassen: "Die fetten Jahre sind vorbei" (oder wahlweise: "Du hast zuviel Geld") .
Als Peters Freundin Jule (Julia Jentsch), die von den nächtlichen Aktionen der beiden nichts weiß, in die WG der beiden zieht, dauert es nicht lang, bis sie und Jan etwas miteinander anfangen. Als Peter für einige Tage ins Ausland muss, führt Jan Jule in die Kunst des Anarcho-Einbruchs ein. Als Objekt dient das Haus des Top-Managers Hardenberg (Burghart Klaußner), dem Jule wegen eines Unfalls noch einen Haufen Geld abbezahlen muss. Aufgrund eines Missgeschicks müssen die beiden in der Folgenacht dann nochmals in die Villa - und werden prompt von dem nach Hause kommenden Hardenberg erwischt. Kurzerhand weihen Jan und Jule den mittlerweile wieder zurückgekehrten Peter ein und zu dritt entführen sie Hardenberg in eine Almhütte. Die eigenartige Vierer-Konstellation hat dort so manche Grundsatzdiskussion vor sich...
Die 4. Generation schlägt zu: Mann, gerade noch die Kurve gekriegt. Anfänglich sagte mir der Film gar nicht so sehr zu. Das übliche teutonische Beziehungsgeplänkel, in ein etwas ungewöhnliches Umfeld versetzt, die auf-Teufel-komm-raus-innovative Kamera ein lupenreiner Godard-Klon, na ja.
Aber dann, in der zweiten Hälfte, da wird's interessant. Der Plot lässt völlig offen, in welche Richtung er sich weiterentwickeln mag, mannigfaltige Varianten erscheinen vorstellbar. Ab hier erhält der Film, trotz (oder gerade wegen) der lokalen Begrenzung einen ziemlichen Drive und ein gutes Stück Spannung. Die Photographie ist zwar immer noch aufdringlich, aber, und das war für mich ausschlaggebend für o.e. These: Man bemerkt davon kaum noch etwas.
Gut, die politischen Ansichten und Dialoge der Opponenten sind recht simplifiziert, dafür aber hübsch publikumsgerecht aufbereitet. Dafür jedoch, und darin liegt die große Stärke des Films, werden die zwischenmenschlichen Aspekte extrem differenziert dargelegt und entwickeln einen regelrechten Sog, weiß man doch nicht, ob Hardenberg nun wirklich eigentlich ganz sympathisch ist oder einfach nur das Entführer-Trio mit geschickter Psychologie auszutarieren versucht...
Das (erweiterte) Ende, soviel darf man verraten, ist ein symbolischer Schlag ins Gesicht aller Gesellschaftspessimisten.
8/10
#29
Geschrieben 20. Juli 2005, 21:32
Cradle Of Fear ~ UK 2001
Directed By: Alex Chandon
Der wahnsinnige, übersinnlich begabte Serienmörder Kemper (David McEwen) sitzt in einer Gummizelle. Dieser Umstand hält ihn jedoch nicht davon ab, sich über ein sich diabolisch gebärdendes, schwarzgewandetes Medium (Dani Filth), das zugleich wohl sein Sohn ist, an denen zu rächen, die seine Gefangenschaft verschuldet haben bzw. an deren Familien. Chief Inspector Roper (Barry-Lee Thomas), der noch ein besonderes Hühnchen mit Kemper zu rupfen hat, nimmt das Gesetz schließlich in die eigene Hand...
Auf Video gedreht entwickelt Chandons für seine bescheidenen Mittel recht ordentlich gemachter Amateurmetzler eine mir wenig angenehm erscheinende Unmittelbarkeit. Die F/X sind zwar für den Laien halbwegs durchschaubar, verfehlen ihre provokative Wirkung aber dennoch keineswegs.
Chandon scheint sich (jedenfalls laut DVD-Booklet) förmlich darin zu suhlen, wenn jemand ihm unterstellt, seine filmischen Ergüsse seien widerwärtig. Meinen Segen hat er. Ob die ausgiebig und genüsslich dargestellten Blut- und Folterexzesse jetzt einem grenzperversen Hirn entstammen oder nicht, kann ich ohnehin nur vermuten. Mir jedenfalls sagt diese episodenhaft erzählte Horror-Mär nicht zu.
Ergänzend sei angemerkt, dass mir die dark gothic-bzw. die black metal-Szene alles andere Faszinationsschauer über den Rücken jagen; beiden wird hier - visuell und akustisch - ausgiebig Platz eingeräumt.
Ungeachtet meines persönlichen filmästhetischen Empfindens, das i.d.R. unerschütterlich ist, wird der Plot (und diese Tatsache lässt sich weder durch Genrezugehörigkeit noch durch seinen Amateurstatus rechtfertigen) nicht nur recht dümmlich und plump abgehandelt, sondern ist mit genau 120 Minuten für seine Schmalbrüstigkeit auch entschieden zu lang geraten.
War weiß Luzifer nix Dolles.
2/10
#30
Geschrieben 21. Juli 2005, 11:20
The Dreamers (Die Träumer) ~ I/F/UK 2003
Directed By: Bernado Bertolucci
Paris, 1968: Bei einer Protestkundgebung, die zu Gunsten Henri Langlois', des Gründers und Verwalters der cinémathèque francaise, veranstaltet wird (hier sieht man u.a. Jean-Pierre Léaud im Wechsel neue -/Archivbilder), lernt der amerikanische Student Matthew (Michael Pitt) das Zwillingspärchen Theo (Louis Garrel) und Isabelle (Eva Green) kennen. Die drei entdecken eine gemeinsame Affinität zum Kino und verbringen fortan viel Zeit miteinander. Als Theos und Isabelles Eltern für einen Monat ins Ausland fahren, zieht Matthew bei ihnen ein, verliebt sich in Isabelle und lernt alsbald die seltsam exaltierten Spielchen der Geschwister kennen. Die drei führen für kurze Zeit ein sehr losgelöstes, hedonistisches Leben, während auf der Straße aus der kulturellen Revolution eine politische wird...
Vor dem Hintergrund der geschichtsträchtigen Maidemonstrationen siedelt Gilbert Adair, Verfasser der Romanvorlage und des Scripts, seine Geschichte um Revolution und Erwachsenwerden an. Matthew, ein eher einsamer, scheuer Amerikaner in Paris, gerät in die Fänge der zwar gebildeten, dabei aber hoffnungslos naiven upper-class-Zwillinge und erweist sich bald als weitaus erwachsener und bodenständiger als die beiden. Theo begeistert sich für Mao, hat dessen Poster an der Wand, rezitiert mit Vorliebe aus der kleinen roten Bibel, und träumt davon, statt eines gewalttätigen Umsturzes einen mentalen durchzusetzen. Dabei hat er als Sohn gut situierter Eltern von den wirklichen sozialen Problemen kaum einen Schimmer. Er und seine Schwester leben in einer Art Traumwelt, die seit frühester Kindheit Bestand hat. Matthews Versuche, ihre Symbiose zu sprengen, enden allesamt erfolglos.
Die Ära um 1968 war eine Zeit, die in vielerlei Hinsicht Denkwürdiges hervorgebracht hat: Kulturell und auch gedanklich. Ein aus heutiger Sicht sehr romantischer Schmelztiegel, den wohl so mancher später Geborene selbst gern bewusst miterlebt hätte. Bertolucci reanimiert den Mai 68 in schönen, sepiafarbenen Bildern und versetzt sie mit kurzen Fragmenten aus bedeutenden Filmen von Godard ("À Bout De Souffle", "Bande À Part"), Sternberg ("Blonde Venus"), Hawks ("Scarface") oder Browning ("Freaks"), sowie Songs von Dylan, The Grateful Dead und den Doors, alles wohldosiert und fein abgestimmt. So entsteht ein recht stimmiges Potpourri mit überzeugender Atmosphäre und grandiosen, mutigen Darstellerleistungen. Emotional freilich weiß der Film nicht richtig zu packen, er ist zwar schön anzuschauen und keine Sekunde langweilig, lässt einen aber irgendwie seltsam kalt und unbeteiligt. Zumal man für keine der drei Hauptfiguren wirkliche Sympathien entwickeln mag, weder für den leicht schmierig wirkenden Pitt, noch für die wunderschöne aber spinnerte Green und schon gar nicht für den Westentaschenrevoluzzer Garrel.Die nicht totzukriegende Aufregung rund um die Nacktszenen schließlich sagt mehr aus über deren Urheber aus als über das Dikussionsobjekt an sich, sind sie doch völlig unspektakulär und wirken weder anstößig noch sonderlich aufregend. Allenfalls Bertoluccis Vorliebe für weibliche Anatomie lässt sich nunmehr klar umreißen: Ein Vergleich Maria Schneider - Eva Green ist da recht unzweideutig.
7/10
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