In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#361
Geschrieben 04. Juli 2006, 10:34
Prime Cut (Die Professionals) ~ USA 1972
Directed By: Michael Ritchie
Der irische Ableger der Chicagoer Mafia ist ziemlich sauer auf den Hillbilly-Gangster Mary Ann (Gene Hackman), der sich in Kansas mit Vieh, Prostitution und Drogen ein ansehnliches Unternehmen aufgebaut hat. Nicht nur, dass dieser sich weigert, den Mobstern einen Kredit zurückzuzahlen, er verarbeitet auch noch einige Eintreiber kurzerhand zu Würstchen. Daher muss der Mann fürs Grobe, Nick Devlin (Lee Marvin), runter nach Kansas City, um die Sache zu klären. Nachdem er unfasslicher Zustände ansichtig wird und ein Mädchen (Sissy Spacek) aus der Gewalt der Gangster befreit, ist er noch ungehaltener als zuvor.
Wow. Ein ziemlich harter Brocken. Man wundert sich zunächst, zwei hochkarätigen Akteure wie Marvin / Hackman in einem so sleazig-derben Gangsterstreifen zu sehen, der sich in seiner schlurrigen Dreckigkeit aber andererseits so deutlich von der Masse abhebt, dass das Engagement der beiden dann doch wieder verständlich wird.
Hackman als Mary Ann (welch ein Name) lebt, grinsend und Innereien futternd, den amerikanischen Albtraum auf seiner bizarren Farm, auf der es Mädchenhandel und Kirmesveranstaltungen gibt. Sein noch verrückterer Bruder (Gregory Walcott) hingegen zieht es vor, in einem von versoffenen Pennern bevölkerten Hotel zu hausen.
Marvin hätte hier auch Walker oder Charlie Strom heißen können, da er einmal mehr den eiskalten Typen mimt, dem kaum etwas an den Karren pisst. Arschcool, der Mann. Und holt den Ballermann erst aus'm Sack, wenn's wirklich nötig ist. Und Sissy Spacek als Quasi - Judy Garland, die von Marvin ruckartig aus ihrem drogenumnebelten Oz zurück nach Kansas gezerrt wird. Die konnte ja richtig niedlich sein. Musik: Lalo Schifrin. Kein weiterer Kommentar erforderlich.
Wenn ich's mir recht überlege, ist der Film astrein.
9/10
#362
Geschrieben 05. Juli 2006, 12:51
The Crimson Pirate (Der rote Korsar) ~ USA 1952
Directed By: Robert Siodmak
Piratenkapitän Vallo (Burt Lancaster) kennt bei der Profiterwirtschaftung - getreu dem Piratengesetz - eigentlich keinerlei Skrupel. Doch als er sich in die hübsche Rebellentochter Consuelo (Eva Bartok) verliebt, sieht er sich gezwungen, mit seinen Grundsätzen zu brechen und Partei gegen den ausbeuterischen Baron Gruda (Leslie Bradley) zu beziehen.
So muss ein richtiger Piratenfilm sein: Quietschbunt und vergnügt. Lancaster und dessen alter Artistenkumpel Nick Cravat als sein stummer Adlatus Ojo geben eine sagenhafte Zirkusvorstellung, die sämtliche andere Genreauswüchse in punkto Ausgelassenheit toppt. Kaum zu glauben, dass der kindlich umherturnende Lancaster schon im Folgejahr den bierernsten Part des Sergeant Warden in "From Here To Eternity" ebenso überzeugend verkörperte. Als "Crimson Pirate" hat er jedenfalls ausgiebig Gelegenheit, seine strahlenden Beißerchen zu blecken. Ansteckend.
Die Actionsequenzen kommen schon beinahe cartoonesk daher, was durch William Alwyns Musik noch verstärkt wird. Zeitweilig fühlt man sich wie in einem "Tom und Jerry"-Short der frühen Tage. Hinzu kommen die prachtvollen Kulissen und Kostüme in einem Szenario, dass man genauso mit seinem Playmobil-Piratenschiff nachstellen möchte.
Ein herzhaftes, unbekümmertes Vergnügen aus "besseren Tagen".
9/10
#363
Geschrieben 05. Juli 2006, 13:17
The Blues Brothers ~ USA 1980
Directed By: John Landis
Aus dem Knast entlassen, sieht sich "Joliet" Jake Blues (John Belushi) mit seinem Bruder Elwood (Dan Aykroyd) einer ziemlich prekären Aufgabe gegenüber: Sie müssen 5000 $ für ihr altes Waisenhaus auftreiben. In einer gospeligen Messe kommt Jake die Erleuchtung: Die alte Band muss wieder zusammengebracht werden. Im Laufe der göttlichen Mission legt man sich mit Jakes Verflossener (Carrie Fisher), einer Horde Neonazis (unter Vorsitz von Henry Gibson), einer Countryband (unter Vorsitz von Charles Napier), sowie dem gesamten Illinoiser Polizeiapparat (unter Vorsitz von John Candy) an.
Angesichts meiner eigenen und der nationalen Katerstimmung brauchte ich heute das Richtige zum Aufstehen: Landis' objektiv gesehen wohl größtes filmisches Geschenk an die Menschheit, den schwärzesten weißen Film der Welt. Eine einzigartige Mischung aus Action, Comedy und Musical, die einem der größten Musikstile mitsamt seinen Auswüchsen (vom Memphis Blues bis hin zu Motown) ein wohlverdientes Denkmal setzt. Und was für eines: Jede einzelne Sequenz ist mindestens ebenso von höheren Gnaden, wie der Auftrag der Bluesbrüder und entweder von groovenden Hörnern, brüllendem Humor oder beidem durchsetzt. Landis nimmt sich sämtliche Freiheiten, die ihm in den Kram passen und lässt seine anfänglich schon skurril wirkenden Szenen (etwa Carrie Fishers misslingende Anschlagsserie) zum Ende hin ins Absurdeste ausufern. Was da an Karossen zu Bruch und Schrott geht, ist legendär. Und einundsiebzig gelistete stunt people zeugen wohlweislich davon, was hier abgeht. Dass Belushi und Aykroyd ihre für die SNL-Show kreierten Charaktere mit solchem Schmiss auf die Leinwand bringen sollten, möchte ich als einen einzigen Riesenglücksfall bezeichnen. Und von der musikalischen Prominenz, welche sich die Ehre gibt, träumen andere Filmemacher bestenfalls.
Ewige Lieblingsszene: Jake und Elwood wollen ihren alten Kumpel Mr. Fabulous (Alan Rubin) aus dessen neuem Job als Maitre d' auslösen und benehmen sich in seinem Restaurant - gelinde gesagt - etwas daneben.
Auch die geschätzte vierzigste Betrachtung war mal wieder pures Gold.
10*/10
#364
Geschrieben 05. Juli 2006, 19:48
The Punisher ~ AUS 1989
Directed By: Mark Goldblatt
Die Unterwelt macht sich in die nadelgestreiften Hosen, denn der abtrünnige Gesetzeshüter Frank Castle (Dolph Lundgren) führt als 'Punisher' nach der Ermordung seiner Familie einen gnadenlosen Rachefeldzug gegen das organisierte Verbrechen. Mafiaboss Franco (Jeroen Krabbé) hat aber noch größere Sorgen. Sein Sohn (Brian Rooney) ist, zusammen mit anderen Kindern prominenter Gangster, von der fiesen Yakuza-Chefin Lady Tanaka (Kim Myori) entführt worden. Der Punisher soll ihm helfen, den Filius aus der Patsche zu holen.
Marvels Comicreihen um den grantigen Attentäter stehen bis heute immer etwas abseits der Superheldennorm. Bereits bei seinem ersten Auftritt in der Serie "The Amazing Spider-Man" (Ausgabe #129) zeichnete sich der Charakter des in einer Grauzone agierenden Kostümierten ab: Gnadenlos, wortkarg, tödlich. Keine Superkräfte, aber ein unbändiger Wille, mit einem riesigen Waffenarsenal alles niederzumachen, was nach Kriminalität riecht.
Der schwedische Kleiderschrank Lundgren ist die perfekte Verkörperung des emotionslosen Vigilanten, besser auch als der eher schauspielernde Thomas Jane in der 04er-Version. Die kompromisslose Gewalt der vorliegenden Fassung ist der der graphischen Vorlage entsprechend und im Gegensatz zu weichgespültem Krempel wie Dippés "Spawn"-Adaption ganz einfach nur adäquat umgesetzt. Überhaupt wird viel von der gezeichneten Atmosphäre auf die Leinwand hinübergerettet, was den "Punisher" zu einer Zeit, in der Marvel noch keinen Zelluloidableger hatte, zu einer gelungenen Comicverfilmung macht (trotz des fehlenden Totenkopf-Logos). Der Bodycount dürfte im Bereich der 80er-Action ohne Kriegsschauplätze einen der vordersten Plätze belegen, so wird hier geballert und massakriert.
Mark Goldblatt ist in Filmkreisen eher als Cutter bekannt und so blieb seine zweite Regiearbeit bis dato auch die letzte. Aus Kostengründen wurde der Film übrigens in Australien hergestellt, als einzige Produktion der eigens hierfür von Corman gegründeten "New World Australia".
8/10
#365
Geschrieben 06. Juli 2006, 07:33
Brain Damage (Elmer) ~ USA 1988
Directed By: Frank Henenlotter
Brian (Rick Hearst), ein netter Junge von nebenan, bekommt unangekündigten Besuch: Ein phallischer Parasit nistet sich bei ihm ein und beschert ihm halluzinogene Räusche durch die Injektion eines blauen Saftes direkt ins Nervenzentrum. Doch das süchtig machende Zeug hat seinen Preis: Elmer, so der Name des kleinen Sauhunds, benötigt als Nahrung frische Gehirne. Wie jeder Abhängige bemerkt Brian zunächst gar nichts von dem Übel, das seine psychedelischen Visionen durchsetzt und begibt sich mit Elmer auf nächtliche Streiftouren durch New York, die für zahlreiche andere Nachtschwärmer tödlich enden.
Henenlotters zweiter Film, sechs Jahre nach "Basket Case" entstanden, erzählt wie sein Vorgänger die Geschichte einer merkwürdigen Symbiose von Mensch und Monster vor dem Hintergrund von Times Square und der 42. Dass sich Brian und Duane Bradley (Kevin Van Hentenryck), jeweils mit ihrem seltsamen Anhängsel in Mund bzw. Weidenkorb, einmal in einer U-Bahn gegenübersitzen, und misstrauisch beäugen ist da nur konsequent.
Elmer (oder Aylmer, wie er eigentlich buchstabiert wird) entpuppt sich als uraltes Wesen, das schon historische Prominenz mit seinem Säftchen beglückt hat. Von orientalischen Königen über die Borgias und afrikanische Stammeshäuptlinge bis hin zum Wehrmachtsoffizier war alles von Rang dabei. Dass nun ein schlichter New Yorker Bub nicht die geringste Chance hat, über einen selbst angesetzten cold turkey in einem dreckigen Hotel mit dem verführerisch schwadronierenden Elmer fertigzuwerden, versteht sich da wohl von selbst.
Eine hervorragende Allegorie auf Sucht und Drogenmissbrauch, letzten Endes das missing link zwischen "Christiane F." und "Requiem For A Dream". Traurig, dass Henenlotter bis heute nur fünf Spielfilme realisieren konnte. Doch nach vierzehn Jahren zeichnet sich endlich ein Lichtstreif ab: "Bad Biology" ist in Pre-Production.
8/10
#366
Geschrieben 07. Juli 2006, 08:30
Lemora: A Child's Tale Of The Supernatural ~ USA 1975
Directed By: Richard Blackburn
In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts kommt die junge Lila Lee (Cheryl Smith) in die Obhut eines bibelfesten Reverends (Richard Blackburn), nachdem ihr Vater (William Whitton), ein Gangster à la Dillinger und Capone, die Mutter samt Liebhaber im Bett erledigt hat. Als der böse Papa Lila eines Tages einen Brief sendet, demzufolge er todkrank sei und um Verzeihung bitte, macht sich das Mädchen auf eigene Faust auf und gerät in die Fänge der verführerischen Lemora (Lesley Gilb).
Ein wunderschönes, poetisches Gruselmärchen, das mit seinen werwolfartigen Kreaturen und schwarzgewandeten Vampiren an infantile Urängste rührt und dabei ungeheuer vielschichtig zu Werke geht. Man kann die Reise Lilas durch ihre abgründige Welt und den finsteren Wald ohne Weiteres als verschlüsselte Verlockungsgeschichte mit unverhohlen christlichen Motiven deuten. Diese gipfelt darin, dass der zuvor schon schwer an sich haltende Reverend, der sich aufmacht, seinen Schützling zu suchen, am Ende unversehens für seinen Fehltritt bestraft wird. Auch könnte man "Lemora" als einen frühen Vorläufer von Jordans "Company Of Wolves" sehen, da es auch hier um sprießende weibliche Sexualität und daraus erfolgende Unsicherheiten geht. Doch man sollte Blackburns Film nicht zerreden, dazu ist er einfach zu schade.
Lesley Gilb als hochelegante Vampiresse ist ein einziger Augenschmaus und die bereits vor vier Jahren an Hepatitis in Folge von Heroinsucht verstorbene Cheryl 'Rainbeaux' Smith, die mir bisher immer entgangen ist, hat nunmehr noch einen späten Verehrer hinzugewonnen.
9/10
#367
Geschrieben 09. Juli 2006, 16:23
Me And You And Everyone We Know (Ich und Du und Alle, die wir kennen) ~ USA 2005
Directed By: Miranda July
Schuhverkäufer Richard (John Hawkes) wird von seiner Frau (JoNell Kennedy) verlassen und übernimmt fortan zu großen Teilen die Erziehung der beiden gemeinsamen Söhne (Miles Thompson, Brandon Ratcliff) selbst. Angesichts seiner exzentrischen Lebenseinstellung keine leichte Aufgabe für Richard. Beinahe zeitgleich beginnt sich die träumerische Künstlerin Christine (Miranda July) für Richard zu interessieren. Und dann ist da noch der Rest der eigentlich gar nicht mal so seltsamen Nachbarschaft: Ein Ausbund herrlich verrückter und zugleich doch ganz ordinärer Menschen.
Der erste von vier Filmen, die Kollege Munson und ich gestern bzw. heute geschaut haben (die drei weiteren folgen hier im Anschluss) und einer von zweien, deren Erlebnis ich ihm (bzw. in diesem Fall seiner vehementen Verehrung für selbigen) verdanke. Ich selbst konnte da wohl weniger brillant auftrumpfen, hatte es aber auch ein wenig schwerer.
Doch zum Objekt an sich: Sicher wird man diesem kleinen Wundertütchen bei einmaligem Sehen gar nicht gerecht, so vielschichtig und interessiert porträtiert es seine Figuren. Es gibt dermaßen viele zauberhafte kleine Augenblicke, im Prinzip ist der Film eine ganze Kette davon und wird somit schließlich selbst zu einem einzigen großen Moment. Der Hinweis, dass der Score von "Donnie Darko"-Komponist Mike Andrews stammt, erscheint mir rückblickend doch äußerst einleuchtend, da beide Filme auch atmosphärisch durchaus verwandt miteinander sind.
Ich kann mich rückblickend insgesamt gar nicht entscheiden, was mir am Besten gefallen hat, aber ich glaube, es war der zugleich so komische und schöne Erzähsltrang der Chat-Bekanntschaft von zweien der zahlreichen einsamen Personen, die Julys Film bevölkern, welche augenscheinlich unpassender nicht sein könnte. Ihr reales Treffen schließlich kulminiert in einer jeweils gigantischen Lebenslektion.
Auch sonst steckt viel drin in diesem fast schon zu kurzen 90-Minüter: Seelenverwandtschaft, Medienlandschaft, Zufallsbekanntschaft. Und ein kleines bisschen Sexualpsychologie.
Passt nicht? Passt doch. Ansehen.
9/10
#368
Geschrieben 09. Juli 2006, 17:00
The Delta Force ~ USA/IS 1986
Directed By: Menahem Golan
Als ein amerikanisches Passagierflugzeug von Athen auf dem Weg nach Rom von palästinensischen Terroristen entführt wird, sieht sich der militärische Führungsstab gezwungen, die Delta Force, eine Spezialeinheit zur Terrorabwehr unter Führung des alten Hasen Colonel Alexander (Lee Marvin) über Umwege in den Krisenherd Libanon, wo die Maschine zuletzt landet, zu entsenden. Die Truppe, der auch der schlagkräftige McCoy (Chuck Norris) angehört, hat es nicht leicht, den die Araber nutzen die Innenstadt Beiruts wie einen Irrgarten und ändern den Aufenthaltsort der einbehaltenen Geiseln unentwegt.
Als es hieß: "Chuck Norris", entschied ich mich für meinen persönlichen Lieblingsfilm mit dem Guten. So hatte ich zumindest einmal die Gelegenheit, diese alte Terroristen-Mär endlich im Original zu sehen.
"The Delta Force" nimmt im Schaffen der Cannon Films und, global betrachtet, auch im Rahmen des 80er-Jahre-Actionkinos eine außerordentliche Stellung ein. Der verhältnismäßig realistische Bezug zur Situation im Mittleren Osten, den der Film beinhaltet, wurde in dieser Form von kaum einem anderen der politisch unkorrekten Ballerstreifen aufgegriffen. Ansonsten entschied man eher verlorene Kriege nachträglich um oder betrieb pro-imperialistische Propaganda. Großstadtszenarios mit Selbjustizinhalten nicht zu vergessen. Doch dieser konkrete Fall lag anders. Hinzu kommt, dass mit Golan, der einen Hälfte des produzierenden Duos, ein Mann auch inszenatorisch tätig war, der die "Delta Force" als Israeli politisch einseitiger wohl kaum hätte bewerkstelligen können. Rückblickend wirkt das alles zwar oberflächlich, naiv und mit Alan Silvestris überpatriotischem musikalischen Leitmotiv mitunter sogar lächerlich, ist für einen Genrefilm aber bis heute bemerkenswert inszeniert. In dramaturgischer und technischer Hinsicht sind wirklich kaum Schwächen auszumachen. Schon die Kaltschnäuzigkeit, mit der Golan seinen Film auf über zwei Stunden aufbläst, findet man sonst nirgends. Jeder andere artverwandte Streifen ist nach höchstens 95 Minuten beendet. Im vorliegenden Fall zersplittert das Drehbuch sogar ganz bewusst in episodenhaftes Gebahren, das, so muss ich nachhaltig feststellen, in seiner verqueren Logik keinen überflüssigen Moment enthält.
Bei mir sitzt das Ding jedenfalls nach wie vor, und es sitzt gut, trotz aller berechtigter Vorwürfe betreffs hochnotpeinlicher Scriptfallen.
8/10
#369
Geschrieben 09. Juli 2006, 17:25
The Wanderers ~ USA 1979
Directed By: Philip Kaufman
Die Wanderers sind eine Gang italo-amerikanischer Jugendlicher in der Bronx zu Beginn der 60er Jahre. Wie viele Jungs in diesem Alter, so plagen auch sie Nöte wie ethnische Rivalitäten, Revierstreitigkeiten, Familienzwist, Freundschaftsbrüche, Fremdgehereien und ungewollt verursachte Schwangerschaft.
Kaufmans liebevolles Porträt einer Generation am Rande der Unschuld ist mir mit seinem engagierten Lokal- und Zeitkolorit bis heute eins der liebsten seiner Art. Meinem Mitseher war jenes bisher unbekannt, also musste es her. Wirkungsvoller Musikeinsatz (eine derart wohlpassend zusammengestellte Kollektion von zeitgenössischen Rockabilly-Songs ist rar gesät) und eine nahezu durchweg sympathische Zeichnung sämtlicher Hauptfiguren (das betrifft auch die benachbarten Gangs) machen die üblichen Stilmittel dieses Subgenres, Action, Gewalt und überhöhte Melancholie, beinahe überflüssig. Sicher, den einen oder anderen Fight (u.a. die Massenschlacht gegen die fiesen Ducky Boys) konnte sich das Drehbuch nicht verkneifen, aber dies ist ja keineswegs verwerflich. Stattdessen befleißigt sich die Geschichte vornehmlich kleiner, humorvoller Episoden und Anekdötchen.
Ken Wahl als einer der Protagonisten führt den Zuschauer durch das drohende Ende einer Ära, die politisch und kulturell, ebenso wie die Wanderers selbst, ihre Unschuld und damit sich selbst verlieren wird. Zusammen mit ihm erleben wir die Ermordung Kennedys und das damit einhergehende, betretene nationale Schweigen, ebenso wie am Ende den Auftritt eines jungen Folksängers mit Mundharmonika, der in einem kleinen Klub "The Times, They Are A-Changin'" zum Besten gibt. Der letzte Vorhang für den Rock'n Roll ist damit gefallen. Und wen habe ich nunmehr erstmals entdeckt? Ken Foree als hochgewachsenen 'Black Godfather' in einem kleinen, feinen Nebenpart. Zu einer Dialogzeile hat's zwar nicht gereicht, dafür aber zu einer bedeutungsvollen Mimik.
9/10
#370
Geschrieben 09. Juli 2006, 17:55
The Three Burials Of Melquiades Estrada ~ USA / F 2005
Directed By: Tommy Lee Jones
Der Bitte seines Freundes Estrada (Julio Cedillo) nachkommend, im Falle seines Ablebens seinen Leichnam nach Mexiko zu eskortieren und dort zu begraben, entführt der alternde Cowboy Perkins (Tommy Lee Jones) den Mörder (Barry Pepper) Estradas, einen Grenzschutzbeamten, und zwingt diesen, ihn per Pferd über die Grenze zu begleiten.
Die schönste Überraschung dieses Filmwochenendes war das bemerkenswerte Regiedebüt des knarzigen Jones fürs Kino. Ein bleischwerer, dramatischer Neowestern, der um existentielle Fragen kreist und dermaßen eingängige Charakterstudien liefert, wie man sie unlängst nur noch selten zu Gesicht bekommt. "The Three Burials" zerfällt in zwei Hälften: Keiner linearen Erzählweise nachgehend, muss man sich den chronologischen Ablauf der Ereignisse zu Anfang selbst zusammenpuzzeln. Dank der Kenntnis anderer Filme des Autors Arriaga ist man glücklicherweise bereits an diese eigenwillige Praxis gewöhnt und kann selbiger rasch folgen. Sind die personellen und narrativen Hintergründe dann erst etabliert, schlägt der Film nach halber Laufzeit einen stringenten Weg hin zum ungewissen Ende ein. Dieser zweite Teil behandelt den Ritt durch das mexikanische Grenzgebiet und erzählt in gewohnt wehmütiger Weise die Geschichte aller nennenswerten Spätwestern: Um den Verlust von Freiheit und damit einhergehend die Erkenntnis der persönlichen/individuellen Einschränkung, die im Falle von Jones' Charakter geradewegs in die psychotische Einsamkeit führt. Pepper erlebt eine im wahrsten Sinne des Wortes schmerzhafte Katharsis, die ihn möglicherweise als geläuterten, besseren Menschen in die Feiheit zurück entlässt. Doch darüber kann man nur noch mutmaßen, denn der Film findet seinen Schlussstrich glücklicherweise an einer goldrichtigen Stelle.
Ich fühlte mich oftmals an Peckinpah erinnert, respektive an seinen "Alfredo Garcia". Oberflächlich betrachtet haben die beiden Filme nur eine kleine Schnittmenge, doch die gefühlten Parallelen, schon im eigenartigen Wohlklang der beiden Titel, sind kaum überlesbar.
Alles andere als ein leichtes Vergnügen, aber dennoch ungemein hervorragend.
9/10
#371
Geschrieben 10. Juli 2006, 12:42
At The Earth's Core (Der 6. Kontinent) ~ UK/USA 1976
Directed By: Kevin Connor
Dr. Perry (Peter Cushing) und sein jüngerer Kollege David (Doug McClure) testen einen gigantischen Bohrer, mit dem sie sich durchs Sedimentgestein bis hin zum Mittelpunkt der Erde vorwagen wollen. Bereits die erste Testfahrt quer durch die Waliser Berge geht schief und die beiden landen an ihrem eigentlichen Ziel. Dort bekommen sie es mit allerlei überdimensionalem Getier und prähistorisch lebenden Menschen zu tun.
Eine der letzten Amicus-Produktionen und Teil einer Welle ganz ähnlich inszenierter, britischer Fantasystreifen, die allesamt eine nahezu identische Geschichte erzählen: Vor dem Hintergrund der viktorianischen Ära entdeckt eine kleine Gruppe von Menschen ein archaisches Fleckchen Erde und befreit Unterdrückte von Unterdrückern. Fast immer spielt der zeitlebens glücklose Doug McClure die Hauptrolle. "At The Earth's Core", der auf einer Vorlage von E.R. Burroughs basiert, im Prinzip aber schamlos bei Jules Verne (und der schönen Levin-Verfilmung) klaut, geht mit seiner selbst für diese Preisklasse holprigen Inszenierung noch so gerade eben durch. Immerhin bietet das Minispektakel einige sagenhaft blöde Pappmaché-Monster (Riesenvögel mit hypnotischen Fähigkeiten, aufrecht gehende, menschenfressende Nashörner) und wenig professionell eingesetzte Rückprojektionen. Mit einem gewissen Faible für hübsch angestrahlte Gipskulissen und Caroline "le Decolleté" Munro kann man aber doch noch ein klein wenig infantilen Spaß an der Sache haben. Etwas schade ist es um Peter Cushing, der als wirrer Einstein-Verschnitt schwer unter Wert verkauft wird. Immerhin beweist er Selbstironie.
4/10
#372
Geschrieben 10. Juli 2006, 19:29
Poliziotto Superpiù (Der Supercop) ~ I/E/USA 1980
Directed By: Sergio Corbucci
Der etwas dösige Polizist Dave Speed (Terence Hill) gerät in die Explosion einer Testbombe und entwickelt fortan Superkräfte. Sergeant Dunlop (Ernest Borgnine) hat allerlei Probleme, sich mit den neuen Begabungen seines Kollegen abzufinden. Dummerweise hat das ganze Superbrimborium auch einen entscheidenden Nachteil: Sieht Dave die Farbe Rot, sind seine Fähigkeiten dahin.
Hills herrlich beknackter Alleingang zwischen zwei Filmen mit seinem Dauerpartner wäre natürlich nur die Hälfte wert ohne Rainer Brandts übliches Synchronspektakel, das aus jedem flauen Witzchen der tonalen Originalversion eine flotte Derbheit macht. In dem o.a. Dialog, den Hill mit seinem Chef führt, wird etwa aus dem grünen Marsianer ein schwarzer Neger. Ein weiteres Highlight ist Hills kurze Unterwasserunterhaltung mit einem Fisch. So lustig ist italienisches Kino. Wenn man denn drüber lachen kann. Selbstverständlich gewinnt der Streifen spielend jeden Dämlichkeitswettberwerb, mit oder ohne Brandt, aber genau das erwartet man ja auch bei einem solchen Aufgebot. Erstklassig der Titelsong, der diesmal nicht von den Zwiebelbrüdern stammt, deren Klasse aber mit flottem Discosound trotzdem erreicht. Die Nebenbesetzung ist groß: Neben Ernest Borgnine, der sich nicht entblödet, eine Menge guter Laune in die Waagschale zu werfen und 27 Jahre nach "From Here To Eternity" ein niveauloses Wiedersehen mit Joanne Dru feiern darf, erlebt man den ewigen Gangsterdarsteller Marc Lawrence als 'Don Torpedo'.
6/10
#373
Geschrieben 11. Juli 2006, 13:31
The New World ~ USA 2005
Directed By: Terrence Malick
Die unglückliche Liebesgeschichte zwischen dem aufmüpfigen englischen Seefahrer John Smith (Colin Farrell) und der Algonquin-Prinzessin Pocahontas (Q'Orianka Kilcher) vor dem Hintergrund der zögerlichen Eroberung und Besiedlung Amerikas. Später wird Pocahontas, irrigerweise im Glauben, Smith sei tot, einen anderen Engländer (Christian Bale) heiraten.
Gewohnt elegisches Kino des Ausnahme-Auteurs Malick, das einmal mehr einlädt, sich neu zu verlieben. Ich bin ja festen Glaubens, dass es eigentlich unmöglich ist, den einen Malick zu mögen und einen anderen abzulehnen, speist sich doch sein gesamtes (spärliches) filmisches Schaffen aus derselben, erd- und naturverbundenen Philosophie - Mensch und Boden existieren von- und füreinander.
In seiner ihm einzigartigen Spiritualität werden Wälder, Auen und Flüsse in bestechender Reinheit abgelichtet vor dem gleichen Stück von Francesco Lupica, dass Malick schon so wirkungsvoll in "The Thin Red Line" einzusetzen wusste. Wie immer spielt die Natur die eigentliche Hauptrolle, wobei die Geschichte mit all ihren kleinen Nebenschauplätzen und Interpretationsofferten diesmal tatsächlich um ein Individuum kreist - Pocahontas, bezaubernd gespielt von der Neuentdeckung Kilcher. Gedanken, Emotionen und Eindrücke der beteiligten Personen werden, auch das ist hinlänglich bekannt, in poetischen, leisen Versen aus dem Off geschildert
Ein bisschen schade ist es schon, dieses neuerliche Meisterwerk erstmals auf der Mattscheibe zu erleben. Dass es hier aber dennoch tadellos funktioniert, ist ein Beweis für seine Qualität. Ich bin mir auch nicht ganz schlüssig, ob ich es begrüßenswert fände, wenn Malick seine schaffensfreien Perioden verkürzen würde (wonach es ja derzeit aussieht), denn die Befüchtung ergibt sich, dass sein Gesamtwerk damit an Besonderheit zu verlieren droht.
9/10
#374
Geschrieben 11. Juli 2006, 22:33
The Abominable Snowman (Yeti - Der Schneemensch) ~ UK 1957
Directed By: Val Guest
Von einem Kloster im Himalaya aus will Dr. Rollason (Peter Cushing) an einer Expedition zu einer Hochebene teilnehmen, die beweisen soll, dass der legendäre Yeti existiert. Der gefährliche Anstieg, geführt von Dr. Friend (Forrest Tucker), hat tatsächlich jedoch ein ganz anderes Ziel: Die Gefangennahme eines Schneemenschen zu kommerziellen Zwecken. Rollason wahrt als einziger die Ehrfurcht vor der unbekannten Naturgewalt, was ihm sehr zu Gute kommt.
Noch bevor Hammer im selben Jahr ihren legendären ersten, bunten gothic horror "Curse Of Frankenstein" ins Rennen schickten, brachten sie diese Adaption eines vormaligen Fernsehspiels, in dem Cushing bereits denselben Part gab, in die Kinos. In schwarz-weiß und trefflich eingesetztem Breitbild (wurde damals als "Horrorscope" angepriesen) erwartet den Zuschauer alles andere als der abgeschmackte, reißerische Mummenschanz, den die Filmwerbung ankündigt. Tatsächlich werden die Schneemenschen, um deren Existenz anfänglich noch ein großes Geheimnis gemacht wird und die während des ganzen Films nicht einmal in voller Größe zu sehen sind, als eine dem Menschen mindestens ebenbürtige Spezies dargestellt, welche weder böse, noch offensive Absichten hegt. Der zu dieser Zeit innerhalb des Phantastischen Films schon fast übliche Tenor, der vor Missbrauch und Zerstörung natürlicher Ressourcen und Geheimnisse warnt, greift damit auch beim "Snowman". Dass man auf die frontale Visualisierung der Yetis verzichtet, erweist sich keineswegs als misslich, sondern im Gegenteil als wohlweislich ausgefeilter Schachzug, um die Kreaturen nicht der Lächerlichkeit preiszugeben.
Und natürlich kommt der mit feinstem englischen Verve aufspielende Cushing schlussendlich als geläuterter Mann vom Berge hinab.
7/10
#375
Geschrieben 12. Juli 2006, 07:26
The Abominable Dr. Phibes (Das Schreckenskabinett des Dr. Phibes) ~ UK 1971
Directed By: Robert Fuest
Dr. Phibes (Vincent Price), ein ehemals gefeierter Organist, gilt, ebenso wie seine Frau Victoria, seit einem Unfall als verstorben. Als dann aber eine grausige Mordserie in Form biblischer Plagen genau jenes Ärztepersonal hinwegfegt, das Victoria kurz vor ihrem Ableben operierte, wird klar: Phibes ist am Leben und schwer ungehalten über die Nachlässigkeit der Mediziner, allen voran der des Dr. Vesalius (Joseph Cotten).
Eine der letzten beiden (von diversen) Rächerrollen des am Horrorfirmament alles überstrahlenden Vincent Price und eine seiner allerschönsten. Eigentlich handelt es sich bei "Dr. Phibes" gar nicht um einen Horrorfilm, sondern um eine tiefschwarze englische Komödie mit witzigem Dialog, der die zahlreichen illustren Morde in ihrem Schrecken stark abmildert. Das von Phibes bewohnte Anwesen mitsamt seiner seltsam schönen, stummen Dienerin Vulnavia (Virginia North) ist ein bemerkenswertes Refugium, in dem der durchgedrehte Doktor mit Vorliebe swingende Big Band-Konzerte mit Puppen oder elegante Diners zu zweit arrangiert. Selbst hoffnungslos entstellt und eine Maske tragend, muss Phibes dabei den Champagner durch einen Ersatzeingang am Hals schlürfen, den er auch zum Sprechen benutzt. Ein wenig abträglich ist diese Maskerade leider Prices geliebtem Minenspiel, denn Phibes kann sein Gesicht nicht mehr rühren. Zwar trägt die wächserne Maske Prices Züge, diese bleiben aber eben unbewegt. Nur manchmal konnte sich der Mime wohl ein sadistisches Grinsen nicht verkneifen, das unlogischer- eigentlich jedoch gnädigerweise im Film belassen wurde. Kaum verwunderlich - wer verzichtet schon gern auf ein bös-verschmitztes Lächeln von Vincent Price?
9/10
#376
Geschrieben 12. Juli 2006, 07:55
Theatre Of Blood (Theater des Grauens) ~ UK 1973
Directed By: Douglas Hickox
Als man ihm den Kritikerpreis verwehrt, stürzt sich der Shakespeare-Mime Edward Lionheart (Vincent Price) in die Themse und in den vermeintlichen Tod. Bald darauf wird jedoch Londons Kritikergilde von einer Anschlagsserie erschüttert: Diese gleichen exakt jenen aus Shakespeare-Stücken, die Lionheart vor seinem Ableben gegeben hat. Seine Tochter Edwina (Diana Rigg) ahnt scheinbar von nichts.
Nach "Dr. Phibes" Prices letzter Rachepart, in dem er noch einmal so richtig reüssieren kann: Hier wird sein Antlitz nicht von einer Maske verdeckt und jede ausgespielte Boshaftigkeit spiegelt sich in seiner genießerischen Mimik, ebenso wie Triumph, Wahn und natürlich die diversen dramatischen Rezitationen, die darzubieten Price die sichtlich größte Freude bereitet haben.
Ein Vergleich mit "Phibes" bietet sich an: Während dieser noch ein ernstzunehmendes Motiv für seine Taten hat, ist Lionheart einfach "nur ein arroganter Schauspieler", der sich für jahrelange Verschmähungen rächt, welche ihm das Herz gebrochen - und offensichtlich den Verstand gekostet haben. Dass sich als Opfer eine Reihe hochklassiger britischer Akteure - darunter Jack Hawkins und Robert Morley - die Ehre geben, verleiht "Theatre" natürlich einen gewissen Hochglanz. Ebenso bemerkenswert die im Vergleich zu "Phibes" ungleich blutigere Inszenierung, die Shakespeare kurzerhand in Grand Guignol verwandelt - ein folgerichtiger Schluss ob der zahlreichen ihrerzeit erdachten Grausamkeiten des Dramatikers. Dafür fehlt Hickox, der Lionhearts durchgedrehte Pennerclique nur allzu gern surreal und mit rotierendem Fischauge darstellt, ein wenig die vormalige inszenatorische Eleganz von Fuest. Alles in allem ein klares Patt.
Andererseits: Die wenig subtile Kritik am Feuilleton, die im "Theatre" mehrfach anhand flammender Monologe zu Gunsten des unglücklichen Schauspiels geübt wird, lässt sich ohne weiteres auch auf Filmschaffende übertragen und so hat die etablierte Kritik, trotz der zeitgenössisch untypisch deftigen Mordakte, "Theatre" fast durchweg überdurchschnittliche Qualiät attestiert. Möglicherweise hatte man ganz einfach Angst vor der Rache des Vincent Price ...
9/10
#377
Geschrieben 13. Juli 2006, 12:50
Two Thousand Maniacs! ~ USA 1964
Directed By: Herschell Gordon Lewis
Pleasant Valley, ein lustiges kleines Städtchen im Süden der USA, feiert ein besonders, 100-jähriges Jubiläum. Um was es dabei geht, schwant den 6 Hals über Kopf eingeladenen Durchreisenden (u.a. William Kerwin, Connie Mason) erst, als die ersten von ihnen verschwinden. Ihnen widerfährt ein blutiges Schicksal.
Die Idee eines "Southern Brigadoon" ist wohl eine von Lewis' größten filmischen Errungenschaften und der ultimative Südstaaten-Albtraum. Der dicke Bürgermeister (Jeffrey Allen) und seine tumbe Redneck-Gemeinde, die gemeinsam fröhlich und Fähnchen schwenkend den Dixie gröhlen, bevor sie die Yankees in sadistischen Ritualen zu Tode foltern, müssen wohl jedem "zivilisierten" Amerikaner wie das ultimative Grauen vorkommen und gliedern sich vorzüglich und mit Sonderstatus in die traditionell lange Reihe von filmischen Hinterwäldlern ein. Lewis lässt hier wie üblich das Blut in grellst rotem DeLuxe über die Leinwand spritzen und springt ziemlich unflätig mit seinen Protagonisten um. Nur ein heldenhaftes Pärchen (zumindest dieses musste als Identifikationsbasis für die ersten Gorehounds bereit stehen) darf das seltsame Fest überleben, dessen Anlass sich bald herausstellt: Pleasant Valley wurde genau 100 Jahre zuvor von Unionssoldaten dem Erdboden gleich gemacht. Die Einwohner kehren nun als Geister zurück und rächen sich für das ihnen Zugefügte.
Schrill, bunt, blutig: So muss ein echter Lewis sein.
6/10
#378
Geschrieben 14. Juli 2006, 21:34
Giornata Nera Per L'Ariete (Ein schwarzer Tag für den Widder) ~ I 1971
Directed By: Luigi Bazzoni
Unversehens gerät der Journalist Andrea Bild (Franco Nero) in eine Mordserie hinein. Als sich der Opferkreis zunehmend seinem Privatumfeld annähert, bekommt er es nicht nur mit der Angst zu tun, sondern wird zudem von der Polizei verdächtigt, selbst der Killer zu sein.
Der Plot ist im Grunde völlig nebensächlich bei diesem feinen Giallo, der seine Qualität fast ausschließlich aus den Formalia bezieht. Absolute Spitzenkönner waren hier am Werk: Neben Bazzoni Ennio Morricone (der mit ganz hervorragenden, eher untypischen Klängen aufwartet) und vor allem Vittorio Storaro. Es scheint, als habe dieser das zu Beginn sicher mittelmäßig anmutende Projekt genutzt, um sein ganzes Können zu demonstrieren. Etliche Einstellungen sind so wunderbar photographiert, dass man seine Behausung damit tapezieren möchte. Die Bildgestaltung ergeht sich in Symmetrien, wird durch horizontale oder vertikale Linien zerschnitten, spaltet sich in Ellipsen auf oder beeindruckt ganz einfach durch ihre perfekte Ausleuchtung. Stilistisch läuft "Giornata" sich also quasi selbst den Rang ab, auch, wenn Franco Nero als versoffener, in die Enge getriebener Schreiberling mit dicken Koteletten eine prima Vorstellung liefert und außerdem der sympathische Wolfgang Preiss als Commissario zu sehen ist.
Eine ganz tolle Szene versteckt sich kurz vor dem Showdown, als der Mörder ein Kind, das sich allein in einem dunklen Haus befindet, bedroht. Da kommen regelrecht Urängste wieder zum Vorschein.
7/10
#379
Geschrieben 15. Juli 2006, 12:57
Broadway Danny Rose ~ USA 1984
Directed By: Woody Allen
Ein paar hart arbeitende Stand Up - Comediens sitzen in einem Café in Manhattan und erzählen sich kleine Anekdötchen über den größten Agenten, den man als Varieté-Künstler in New York haben kann: Danny Rose (Woody Allen).
Ich könnte keinen Film von Woody Allen benennen, der mir nicht gefällt, selbst seine von Strindberg und Bergman beeinflussten, schweren Dramen kann ich mir in den richtigen Momenten ansehen. Ein unbestreitbarer Meister jedoch ist und war Allen stets im Komödienfach. Zwar gleichen sich seine Arbeiten alle in irgendeiner Form, etwa, was die Gestaltung der Protagonisten angeht, aber so läuft der notorisch bebrillte auteur niemals, ebenso wenig wie sein Rezipient, Gefahr, einem Risiko aufgesessen zu sein, das sich am Ende womöglich nicht auszahlt. Ich finde diesen Gedanken sehr beruhigend.
In "Broadway Danny Rose" geht es nicht um einen Komiker, Schriftsteller oder Filmemacher, sondern um einen Manager in der New Yorker Kleinkunstszene, der finanziell zumeist auf der Kippe steht, weil er sich so voller Herz für seine häufig versagerischen Mündel einsetzt. Im Wesentlichen erzählt Allen dann die verschlungene Liebesgeschichte zwischen Rose und Tina (einmal mehr Mia Farrow, diesmal fast unentwegt eine Sonnenbrille tragend), die mit der Mafia in Konflikt geraten und persönliche Differenzen beilegen müssen, bevor ihnen die Tür zur gemeinsamen Zukunft offensteht. Dazwischen, quasi zur Komplettierung der alten Dreiecksgeschichte, erscheint noch der Oldiesänger Lou Canova (Nick Apollo Forte), Roses erfolgreichster Klient und Bindeglied zwischen den Beiden.
Trotz brüllend komischer Szenen, u.a. im Italo-Milieu (dies dürfte Allens "italienischster" Film sein, in manchen Szenen erinnert er sogar stark an Scorsese), behält sich Allen die kleinen, leisen Momente der Schönheit und Romantik in seinem vierten s/w-Film vor und gewinnt damit einmal mehr Herz und Zwerchfell gleichermaßen.
9/10
#380
Geschrieben 17. Juli 2006, 08:41
Butch Cassidy And The Sundance Kid (Zwei Banditen) ~ USA 1969
Directed By: George Roy Hill
Butch Cassidy (Paul Newman) und Sundance Kid (Robert Redford) sind dicke Kumpel und außerdem zwei ziemlich ausgebuffte Gauner. Als sie mit ihrer "Hole-In-The-Wall"-Bande in kürzester Zeit gleich zweimal denselben Zug überfallen, schickt ihnen der Gesellschaftseigner einen unnachgiebigen Killertrupp hinterher. Zusammen mit Sundances Freundin Etta (Katharine Ross) fliehen die beiden über Umwege nach Bolivien, wo sie zahlreiche Banken ausnehmen und sich unter Polizisten und Soldaten wenig Freunde machen.
Wenn mich nicht alles täuscht, dürfte dies noch immer der profitabelste Western sein, der je im Kino gelaufen ist. Den Hauptgrund dafür stellt unzweifelhaft das charismatische Darsteller-Gespann Newman/Redford dar, das sicher auch eine Menge Damen zu einem Besuch dieses an sich so ungeliebten Genres umstimmen konnte. Nebenbei spielt der Film mit viel Humor, Romantik und Burt Bacharachs easy listening - Klängen aber auch in einer anderen Liga als die meisten Pferdeopern. Spürbar zeitgemäß und mit zahlreichen formalen Elementen des 'New Hollywood' versetzt, negiert "Butch und Sundance" zugleich auch viele der neuen Wertmaßstäbe durch die ungebremste Heroisierung der beiden Titelfiguren, mit denen man, obgleich sie unbelehrbare Gesetzesbrecher sind, lacht, leidet und mitfiebert, als seien sie gute Bekannte.
Conrad Hall hat hier einige der schönsten Bilder seiner an Höhepunkten nicht armen Karriere eingefangen, darunter die legendäre Fahhradszene mit Newman und Ross, unterlegt von dem notorisch-schönen "Raindrops Keep Fallin' On My Head", die in dämmerndem Morgenlicht und teilweise durch die Spalten eines Bretterzauns aufgenommen wurde.
Ebenso wie der später folgende "The Sting" von derselben Mannschaft ein rundum perfekter Spaß, den man nicht müde wird, sich wieder und wieder anzusehen.
10/10
#381
Geschrieben 17. Juli 2006, 16:25
2019 - Dopo La Caduta Di New York (Fireflash - Der Tag nach dem Ende) ~ I/D 1983
Directed By: Sergio Martino
Anno 2019 haben die Weltmächte es nicht nur geschafft, den Globus durch den atomaren Holocaust zur Ödnis werden zu lassen, es gibt außerdem weltweit nur noch eine Frau, die gebärfähig ist. Diese liegt im Dornröschen-Schlaf mitten in dem skelettierten und von Mutanten bevölkerten Manhattan. Der Einzelkämpfer und Autoartist Parsifal (Michael Sopkiw) muss für die "Föderation" die schöne Maid aus New York herausholen, auf dass sie in einer außerweltlichen Kolonie für den Fortbestand des Menschengeschlechts sorge. In der befestigten Stadt warten jedoch schon die bösen "Euraks", die wie Ritter auf ihren Zossen umherreiten und gemeine Waffen und Foltermethoden ihr Eigen nennen.
Dieses hemmungslos blöde Endzeit-Rip-Off macht natürlich turbomäßig Laune, wenn man auch ein wenig bedauern muss, dass der sicher sehr talentierte Martino es mit zunehmend geringer werdenden Budgets und dünneren Stoffen zu tun gehabt hat. Die Liste der Vorwürfe, die man "2019" (übrigens auch das "Blade Runner" - Jahr) machen kann, ist gefährlich lang, angefangen mit der talentfreien Zone Sopkiw, über die dünnen Dialoge bis hin zu der gewissenlos dreisten Räuberei, die da betrieben wurde. Die Grundidee und den gesamten Look des Films trifft man zwei Jahre zuvor bei "Escape From New York" an, witzigerweise ist eine Prügelszene sogar fast dialoggetreu aus dem jüngst gesichteten "Butch Cassidy & Sundance Kid" übernommen worden. Und wie plump man hier versucht, sich einer Metaebene zu befleißigen, ist schon ein starkes Stück. 'Parsifal' ist ja in der Artussage der Gralsritter und die nach diversen Gewaltorgien aufdringlich dargebotene Message, dass wahre Liebe selbst ein verstrahltes Leben mit grün eiternden Ekzemen lebenswert macht, wirkt, vorsichtig betrachtet, etwas überheblich.
Dennoch: Wenn der wie immer beeindruckende George Eastman als Mischung aus Affenmensch (seine Brauenprothese ist phänomenal!) und Pirat nach der letzten fruchtbaren Frau raunzt, um seine ach so wertvolle DNA weiterzugeben, dann wird einem wieder schlagartig bewusst: Hier ist man goldrichtig. Und was die alte VHS-Fassung von Starlight an blutigen Federn lassen musste, das gibt es auf dem vorliegenden Silberling alles in hübscher Detailtreue zu sehen. Auch nach Jahrzehnten noch eine Supersause.
5/10
#382
Geschrieben 18. Juli 2006, 07:15
La Mala Ordina (Der Mafiaboss - Sie töten wie Schakale) ~ I/D 1972
Directed By: Fernando Di Leo
Eine wertvolle Heroinladung, die auf dem Weg über den Atlantik verloren geht, veranlasst die New Yorker Mafia, den vermeintlich Schuldigen in Italien auszuknipsen. Dabei handelt es sich um den kleinen Mailänder Zuhälter Luca (Mario Adorf), der nichts von seinem Unglück ahnt. Neben dem hiesigen Paten, Don Tressoldi (Adolfo Celi) treiben ihn zwei amerikanische Killer (Woody Strode, Henry Silva) mit zunehmender Unnachgiebigkeit in die Enge. Als Luca endgültig mit dem Rücken zur Wand steht, schlägt er zurück.
Ein schmutzig-schmackhafter Gangsterstreifen, der sogleich durch seine illustre Besetzung ins Auge fällt. Insbesondere Adorf liefert eine große Vorstellung als kleiner Gauner, der unversehens in ein Komplott gerät. Man sieht ihm am Ende, beim Showdown auf einem Autofriedhof, die Mischung aus Wut und Angst förmlich an. Doch weniger der narrative Hauptstrang, eher die zahlreichen kleinen Nebensächlichkeiten sind interessant. Die Mailänder Unterwelt mit all ihrem Gesindel wird schön facettenreich dargestellt. Das reicht von der Höhle des Oberlöwen Tressoldi über den miefigen Straßenstrich bis hin zu einer konspirativen Hippiekommune, in der ständig alle nackt und zugedröhnt unterm Che Guevara - Poster hängen. Luca ist sowas wie das letzte Kettenglied und muss einige persönliche Opfer darbringen, bis er zur Gegenwehr übergeht.
Die internationale Titelauswertung ist höchst interessant: In den Staaten wurde im Rahmen der Blaxploitation-Welle aus "La Mala Ordina" kurzerhand das Woody Strode - Vehikel "Black Kingpin", dabei hat der wortkarge Hüne eher wenig Screentime und reißt seine versteinerte Mimik nur selten zu Muskelanstrengungen hin. Silva im Gegenzug lässt ordentlich die Puppen tanzen.
8/10
#383
Geschrieben 18. Juli 2006, 11:19
Dr. Phibes Rises Again! (Die Rückkehr des Dr. Phibes) ~ UK 1972
Directed By: Robert Fuest
Dr. Phibes (Vincent Price) führt seine mörderische Tätigkeit in Ägypten weiter, wo er den 'Fluss des Lebens' zu finden sucht, um seiner toten Frau Victoria (Caroline Munro) ein Weiterleben zu ermöglichen. Zur gleichen Zeit begibt sich der englische Lebemann Biederbeck (Robert Quarry) auf die Suche nach dem sagenhaften Gewässer. Phibes dezimiert dessen Expeditionsteilnehmer mit größtem Einfallsreichtum.
Nicht mehr ganz so elegant wie der Erstling, dafür um einige Grade durchgedrehter, präsentiert Fuest nur ein Jahr später die Fortsetzung um den gnadenlosen Organisten. Prices Mimik hat nun trotz Maske und weiterhin mit Sprechgerät, einiges mehr an Spielraum und der Doktor mit Robert "Graf Yorga" Quarry wiederum einen mehr als respektablen Gegenspieler. Phibes' ausgeklügelte Todesarten sind diesmal noch etwas gemeiner, wovon vor allem die stets übel enstellten Überreste der Opfer zeugen. Zudem hat man dem ganzen einen noch humorigeren Anstrich verpasst. Die bereits im Vorgänger aktiven Yard-Beamten (Peter Jeffrey, John Cater) haben nunmehr eine reine Funktion als Gagspender und bringen sich gegenseitig mit ihrem verkniffen-englischen Habitus auf die Palme. Mir gefällt der im ersten Teil noch überwiegende, sanfte Grusel da doch etwas besser. Dennoch muss man Fuest bescheinigen, auch mit Teil 2 noch einen sauberen, schönen Genrefilm abgeliefert zu haben, der auch ausreichend Potential für weitere Fortsetzungen gelassen hätte. Aber gut, so behält man die Figur des Dr. Phibes wenigstens in rundum untadeliger Erinnerung.
7/10
#384
Geschrieben 18. Juli 2006, 11:47
Human Nature ~ USA/F 2001
Directed By: Michel Gondry
Vierecksbeziehung zwischen einer ganzkörperbehaarten Frau (Patricia Arquette), einem verwilderten und dann re-sozialisierten Affenmann (Rhys Ifans), einem schwer gestörten Verhaltensforscher (Tim Robbins) und dessen verlogener Assistentin (Miranda Otto).
Ich schätze, wenn man einen Film liebt, für den Charlie Kaufman das Buch geschrieben hat, dann mag man alle. Sein nach "Being John Malkovich" zweiter Film, für den Gondry die passenden Bilder gefunden hat, nimmt es an groteskem Humor sowohl mit seinem Vorgänger als auch mit den Nachfolgern auf.
Ergänzend dazu werden wiederum die üblichen verqueren Liebesgeschichten erzählt und existenzielle Grundfragen gestellt; in diesem Fall u.a. die nach dem Wert einer domestizierten, kultivierten Existenz, die Kaufman ganz frech und unerwartet bejaht.
Man muss natürlich ein Faible für Kaufmans abseitigen Humor haben, aber wenn der triebgesteuerte Ifans in edelstem Vokabular über die Vorzüge von Corned Beef schwadroniert, um dann mit wichtigem Blick eine Kellnerin zu berammeln und hernach den konditionierenden Stromstoß verpasst bekommt, dann liege zumindest ich vor Lachen unterm Tisch.
Herrlich.
8/10
#385
Geschrieben 18. Juli 2006, 23:06
Sleepwalkers (Schlafwandler) ~ USA 1992
Directed By: Mick Garris
Sie sind Zwischenwesen, sogenannte 'Schlafwandler': Charles (Brian Krause) und seine Mama (Alice Krige) ernähren sich von der Lebensenergie von Jungfrauen. Die Zwei reisen von Kleinstadt zu Kleinstadt, wo Charles jedesmal eine hübsche Unberührte ausfindig und danach futterfertig machen muss. Dass Filius und Erzeugerin nebenbei ein inzestuöses Verhältnis pflegen, macht die beiden nicht eben nahbarer. Trotz ihrer übernatürlichen Fähigkeiten haben die Schlafwandler allerdings eine Schwachstelle: Gewöhnliche Hauskatzen.
Katzennarr Stephen King konnte in seinem exklusiven Drehbuch einmal mehr die heißgeliebten Samtpföter zu Helden verklären. Dazu gibt's noch eine wenig innovative Gruselgeschichte, die altbekannte Motive aus diversen Vampirfilmen und der Schrader-Version von "Cat People" zusammenmixt. Garris' Inszenierung ist angemessen anspruchslos, aber recht flott und geizt nicht mit einigen Deftigkeiten, die dem Unterhaltungswert sehr zuträglich sind. Die glücklicherweise spärlich eingesetzten Morphingeffekte sind eher belanglos. Dass der mitunter recht komische Streifen noch immer auf dem Index steht, erscheint nunmehr eher unberechtigt.
Neben King selbst sind Clive Barker, Tobe Hooper, John Landis und Joe Dante in Cameos zu sehen. Eigentlich doch ganz nett von denen, sich zur Ehrenrettung einzufinden.
5/10
#386
Geschrieben 18. Juli 2006, 23:34
Red Dawn (Die Rote Flut) ~ USA 1984
Directed By: John Milius
Nachdem die weltpolitische Situation einen kräftigen Linksruck erhalten hat, stehen die USA fast ohne Verbündete da. Der richtige Zeitpunkt für Sowjets und Kubaner, die stolze Nation zu überfallen. Ein paar Kids aus einer Kleinstadt in den Rocky Mountains retten sich in die Berge und führen als 'Wolverines' einen harten Partisanenkampf gegen die Besatzer.
Ein bis heute äußerst berüchtigtes Stück Zelluloid, von dem man sich noch immer fragt, wie es denn je das Licht der Welt hat erblicken können. Soviel ungezügelter, triefend peinlicher Patriotismus, gekoppelt mit einer trotz des Kalten Krieges haltlosen Paranoia und Völkerablehnung ist tatsächlich beispiellos im amerikanischen Film.
Der einzige Ort, wo "Red Dawn" guten Gewissens gelistet werden dürfte, wäre eigentlich die SciFi - Enzyklopädie. Hat man sich damit abgefunden, dass man hier genau das (nämlich Science Fiction) zu sehen bekommt und dass neben den ehemaligen Brat Pack - Rotznasen gestandene Darsteller wie Harry Dean Stanton und Ben Johnson ihre unfassbaren Parolen schmettern, erhält man ein unersätzliches Porträt dessen, was noch vor rund 20 Jahren willige Abnehmer im Kino gefunden hat - einen radikalen Abenteuerspielplatz, der schlichte Gemüter bei ihrer empfindlichsten Stelle packt. Glücklicherweise darf man das Ganze nunmehr aus der gebührenden Distanz betrachten und braucht sich nicht mehr so zu ereifern, wie anno '84. Im Gegenteil: Losgelöst von aller politischen Ambition kann man sich sogar passabel unterhalten und sich diebisch freuen, wenn Patrick Swayze seiner späteren Tanzpartnerin Jennifer Grey aktive Sterbehilfe in Form einer Handgranate verabreicht. "Nobody puts Baby in a corner." Yeah!
5/10
#387
Geschrieben 19. Juli 2006, 10:12
WarGames ~ USA 1983
Directed By: John Badham
Der junge Computerhacker David Lightman (Matthew Broderick) wählt sich mit seiner Freundin Jennifer (Ally Sheedy) durch einen dummen Zufall in das elektronische Verteidigungshirn der Vereinigten Staaten ein und provoziert durch ein Kriegsspiel den Ausnahmezustand.
Um den kleinen gestrigen (und unfreiwilligen) Themenabend "Brat Pack & WW3-Szenarien" zu einem versöhnlichen Abschluss zu bringen, schoben wir diesen ungemein spannenden Badham-Thriller hinterher. Seit Kindertagen habe ich mir den Film immer wieder gerne angeschaut und muss sagen, er gefällt mir heute noch mindestens genauso gut wie anno dazumal. Die Prämisse, dass ein Schuljunge mit zahllosen Flausen im Kopf sich in das Verteidigungssystem NORAD einhacken und potentiell für den Untergang der Zivilisation verantwortlich sein könnte, zählt, abgesehen von dem versöhnlichen Happy End, zu den größten Schreckensvisionen, die das Kino in punkto "atomare Ängste" hervorgebracht hat. Klar ist die Aufbereitung recht publikumswirksam, manchmal arg vereinfachend und den üblichen Formeln des Erzählkinos verhaftet, vielleicht gerade deshalb aber umso eindrucks- und wirkungsvoller. Es gab seinerzeit, ebenso wie kurz darauf bei Milius' "Red Dawn" einen Öffentlichkeitsaufschrei, da beide Filme den immer noch latent brodelnden Kalten Krieg ins allgemeine Bewusstsein hievten, wenn auch in ziemlich diametraler Herangehensweise. Wo Milius ein unverhohlen kriegstreiberisches Machwerk feilbietet, spricht sich Badham, respektive seine Autoren, für Pazifismus und Menschlichkeit aus - zwei Pole des naiv-politisierten Unterhaltungskinos.
8/10
#388
Geschrieben 19. Juli 2006, 21:00
Le Solitaire (Der Profi 2) ~ F 1987
Directed By: Jacques Deray
Als sein Kollege Pignon (Francois Dunoyer) ermordet wird, ist es auch für Kommissar Jalard (Jean-Paul Belmondo) vorbei mit dem karibischen Aussteigertraum. Stattdessen verbeißt er sich in die Suche nach dem Täter, dem psychotischen Schneider (Jean-Pierre Malo), und nimmt Pignons Sohnemann (Franck Ayas) in seine Obhut.
Ein letzter Versuch, von und mit Bebel innerhalb des Actionthriller-Fachs Kasse zu machen. Der deutsche Titel ist dabei völlig irreführend, da der Film natürlich nicht das Geringste mit Lautners 81'er-Original zu tun hat. Stattdessen geht es hier einmal mehr um das Thema "Flic jagt Gangster", wobei eingestanden werden muss, dass der Hauptdarsteller und sein Regisseur schon durchaus bessere Tage gesehen haben. Ich möchte nicht unbedingt behaupten, dass Belmondo müde wirkt, aber so beweglich und übermütig wie in dem vier Jahre älteren, stark verwandten Streifen "Le Marginal" kommt er hier bei Weitem nicht mehr aus der Hüfte. Mit den Stunts ist es nun ein für allemal vorbei. Angeblich soll Bebel ja höchstselbst deren Verwendung untersagt haben, weil er um sein Image als ernstzunehmender Akteur fürchtete, aber nun ja.
Überhaupt wirkt alles wie eine 'Light-Version' vergangener Großtaten: Morricones erstklassige Musik weicht farblosem Popgedudel, selbst Brandts Synchro-Künste wirken, passend zu Bebels aufopferungsvoller Patenmission im Film, nichts weniger als familientauglich. Der kommerzielle Erfolg blieb dem immerhin soliden Krimi denn auch rundum versagt. Dafür darf wenigstens am Schluss nochmal die Pumpgun gezückt und bedient werden.
Auch wenn der Lack ab ist: Man kann 92 Minuten sehr viel schlechter investieren.
6/10
#389
Geschrieben 20. Juli 2006, 09:25
Cop (Der Cop) ~ USA 1988
Directed By: James B. Harris
Ein wahrer Fanatiker vor dem Herrn ist Gesetzeshüter Lloyd Hopkins (James Woods) vom LAPD. Um einen wahnsinnigen Serienkiller zu fassen, ist ihm jedes noch so amoralische Mittel recht. Auf dem Weg zum "Erfolg" hinterlässt er Frau und Tochter, die reißaus vor ihm nehmen, diverse gebrochene Frauenherzen, einige Leichen, sowie seinen Job.
James Ellroys zugrunde liegender Roman "Blood On The Moon" ist mir nicht bekannt und insofern kann ich auch nichts zur Umsetzung des Stoffes sagen. Im Polizeifilm-Gros der 80er Jahre nimmt "Cop" aber schon deswegen eine Sonderstellung ein, weil der Protagonist fernab aller Klischees nicht glorifiziert, sondern als das dargestellt wird, was er tatsächlich ist: Ein neurotischer, promiskuitiver, gewalttätiger Mensch, bei dem nicht klar ist, ob ihm seine unliebsamen Charaktereigenschaften schon immer zu Eigen waren, oder ihn der Job erst zu dem gemacht hat, was er ist. Insofern geht es weniger um die Jagd nach dem Killer und die übliche kathartische Entladung im Showdown (der dann auch ganz abrupt durch die Schlusscredits unterbrochen wird), als vielmehr um das Psychogramm der zerknitterten Hauptfigur. James Woods ist für solche scheiternden Halbhelden eine Idealbesetzung und gibt eine dementsprechend gelungene Vorstellung. Der dritte James im Bunde, Regisseur Harris, ist mit 5 Filmen in 41 Jahren tatsächlich ein noch spärlicherer Arbeiter als Terrence Malick, allerdings auch ein weniger erfolgreicher.
7/10
#390
Geschrieben 20. Juli 2006, 19:10
L'Animal (Ein irrer Typ) ~ F 1977
Directed By: Claude Zidi
Stuntman Mike (Jean-Paul Belmondo) muss sich allerlei einfallen lassen, um seine widerspenstige Braut Jane (Raquel Welch) zu zähmen und endlich vor den Traualtar zu bekommen. Dazwischen liegen einige Erlebnisse mit beknackten Regisseuren (Aldo Maccione, Claude Chabrol), einem eitlen Grafen (Raymond Gérôme) und natürlich dem tuntigen Filmstar Bruno Ferrari (Jean-Paul Belmondo).
Offenbar sind hier bei zumindest vier FTB-Schreibern wahre Bebel-Tage ausgebrochen. Meinen Lieblingsfilm mit ihm aus Kindertagen habe ich aktuell einem Freund vorgestellt, der selbigen noch nicht kannte.
"L'Animal" ist eine reine Komödie, vollkommen anspruchslos, die mit einigen gelungen-blöden bis blöd-blöden Witzen sowie halsbrecherischen Stunts im Scopeformat aufwartet. Belmondo gibt hier ganz die Mischung aus Sonnyboy und Gewinnertyp, dem trotz Sozialhilfe und Krankenhausaufenthalt nichts misslingt.
Die Welch hatte hier wohl einen ihrer letzten funktionierenden Auftritte als Sexbombe, mit großzügigen Dekolletés und noch größerer Spielfreude. Einige bekannte Gesichter des französischen Kinos finden sich noch ein, darunter Julien Guiomar, De Funès-Freunden als Feinkostzar Tricatel ein Begriff, sowie ein paar Sternchen (Jane Birkin, Johnny Halliday) in Cameos.
7/10
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