In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#511
Geschrieben 30. Oktober 2006, 19:10
Street Trash ~ USA 1987
Directed By: Jim Muro
Ordnung im Chaos: "Seinen" Brooklyner Schrottplatz hat der obdachlose, psychotische Vietnam-Veteran Bronson (Vic Noto) gut im Griff: Vor dessen Jähzorn kuschen alle, auch die beiden dort hausenden Brüder Fred (Mike Lackey) und Kevin (Mark Sferazza). Auswüchse bekommt die Situation, als der Schnapshändler Ed (M. D'Jango Krunch), bei dem sich sämtliche Penner der Gegend eindecken, eine alte Kiste mit Hochprozentigem in seinem Keller entdeckt, das die Aufschrift 'Viper' trägt. Wer davon trinkt, löst sich wahlweise auf oder explodiert gleich komplett. Ed verkauft das Zeug für einen Dollar die Flasche und bald ist in der Gegend der Teufel los.
Ihren kleinen Beitrag zum Subgenre der melting movies haben Regisseur Muro und Autor Roy Frumkes in mühseliger Kleinarbeit und u.a. mit dem erklärten Vorsatz, möglichst Anstößiges zu liefern, fertiggestellt. Der Film ist ein schlammiges Juwel des New Yorker Independent-Films, in der Tradition des frühen Ferrara und Frank Hennenlotters, gepaart mit ein wenig Troma-Feeling (dem auch der dicke Pat Ryan Rechnung trägt). Eine kleine Liebeserklärung an die sonnige Existenz der Obdachlosen in Brooklyn kam dabei heraus, mit wahrlich denkwürdigen Szenen. Jeder Schluck Viper entwickelt sich zum visuellen Alarm: Wenn eins der Opfer schmilzt, dann schmilzt es eben nicht einfach, sondern zerläuft in den schillerndsten Farben. Auch die Jagd nach dem abkastrierten Pillemann vergisst keiner mehr, der sie jemals erleben durfte. Dazu noch einige weitere abstoßende Geschichtchen, versammelt zu einer großen Melange stinkenden Mülls. Traumhaft. Den fiesen Bildern des Films steht die sich in glasklarer Brillanz präsentierende Qualität der "Meltdown-Edition" von Synapse gegenüber, ebenso wie die mehr als reichhaltige Ausstattung des Doppeldeckers, für den ich hier mal ganz unverhohlen die Werbetrommel schlagen möchte. Wer "Street Trash" irgendwann mal in sein Herz geschlossen hat, schlage bitte zu.
8/10
#512
Geschrieben 30. Oktober 2006, 19:38
1941 ~ USA 1979
Directed By: Steven Spielberg
Die Hysterie, die der Überraschungsangriff auf Pearl Harbor am 7.12.1941 nach sich zieht, erreicht zu Weihnachten ihren Höhepunkt. Die ganze Westküste hinauf meint jeder Popanz, die japanische Invasion gleich vor sich zu sehen. Tatsächlich taucht bald ein U-Boot mit roter Sonnenflagge auf, das sich Hollywood als Ziel auserkoren hat.
Einer der großen legendären Flops der Filmgeschichte, der, ein Blinder mit Krückstock sieht's, zum Flop geboren ist. Mit ungeheurem visuellen Aufwand, maßlos über alle Grenzen und einer Länge von über 140 Minuten in der ungeschnittenen Fassung widerspricht "1941" jedem Komödiengesetz und konnte daher bis heute nur eine kleine Schar Anhänger, dafür aber umso mehr Verständnislosigkeit erobern. Die Besetzung, die ein bekanntes Gesicht in jeder Einstellung ermöglicht und mit John Belushi und Dan Aykroyd von 2 vorreitenden SNL-Komikern angeführt wird, sucht auch nach 27 Jahren ihresgleichen, der liebevoll arrangierte period style mit weichzeichnender Kamera (incl. Louma-Kran) und episodenhafter Erzählweise lehnt sich indes an Altman an - mit der visuellen Larmoyanz eben eines Steven Spielberg, der gerade seinen vierten Kinofilm ausufern ließ. Humor ist allerdings nur selten eine bombensichere Kiste, gerade wenn er so verschroben ist, wie in diesem Fall, und konnte daher insbesondere auf dem US-amerikanischen Kontinent kaum zu Begeisterungsstürmen hinreißen. Viele Testzuschauer empfanden den Film in seiner frechen Rasanz bereits zu laut und zu grell und so reagierte wohl auch der große Rest der anvisierten Publikumsschichten.
Man dürfte sich nicht ganz zu Unrecht über diese für die US-Bevölkerung derart schmerzhaften historischen Lektion hinaus ziemlich veralbert vorgekommen sein: Einer der bezeichnendsten Momente zeigt den authentischen General Stilwell (im Film gespielt von Robert Stack - nachdem John Wayne abgelehnt hatte), wie er in einer Vorführung von "Dumbo" die Tränen nicht zurückhalten kann und später jeden zweiten ranghohen Offizier als "wahnsinnigen Hurensohn" bezeichnet. Daneben ist die Zahl der überzogenen Charaktere Legion und bietet ein kaum mehr überschaubares Panoptikum herrlichster Kuriositäten.
Für mich ist dies einer der formvollendetsten Scheiterhaufen des Kinos.
8/10
#513
Geschrieben 01. November 2006, 10:28
Body Snatchers ~ USA 1993
Directed By: Abel Ferrara
Die 17-jährige Marti (Gabrielle Anwar) reist mit ihrem Vater Steve (Terry Kinney), einem Umweltamts-Inspizienten für Militärbasen, ihrer Stiefmutter (Meg Tilly) und ihrem kleinen Halbbruder (Reilly Murphy) umher. Steves aktueller Arbeitsplatz erweist sich als Brutstätte außerirdischer Invasoren, die von hier aus weitere große Forts in den USA zu infiltrieren und so nach und nach die Herrschaft über die Erde an sich zu reißen trachten.
Ferraras einziger Ausflug ins Major-Fach, die dritte Adaption von Jack Finneys apokalyptischem Sci-Fi-Roman, leidet zwar stilistisch unter genau dem, was sein Film thematisiert, ist aber dennoch eine sehenswerte Variation. Finneys Geschichte dient "Body Snatchers" dabei bestenfalls als Blaupause, die das interessante Autorentrio (Stuart Gordon, Dennis Paoli und Ferraras langjähgriger Schreibassi Nicholas St. John) nutzt, um eine dem Regisseur gemäße, vielschichtige Parabel über verlorene Individualität und Assimilierung zu erstellen. Letztere droht nicht nur durch die Aliens, sondern auch durch militärischen Gehorsam und v.a. das Erwachsenwerden. Wenn der übernommene Stützpunkt am Ende von höchst terrestrischen Bombern attackiert wird, dann finden sich die dazu passenden Bilder und Anwars beinahe mitleidiger Off-Kommentar (samt der berechtigten Frage nach dem Segen eines emotionslosen Daseins) fernab jeden bollerigen Triumphgeschreis eines "Independence Day" und der sonnenbebrillte Fluglotse am Ende gibt ein letztes Rätsel auf. Alien- oder Militärmarionette? Keine eindeutige Identifikation mehr möglich.
Filmhistorisch sicher die unbedeutendste Ausgabe der "Body Snatchers", dafür aber auch die bislang gescheiteste. Fragt sich, was uns Hirschbiegel aus dem Stoff macht ...
7/10
#514
Geschrieben 01. November 2006, 16:57
The Quiet Earth ~ NZ 1985
Directed By: Geoff Murphy
Der neuseeländische Wissenschaftler Zac (Bruno Lawrence) arbeitet für ein weltumspannendes Netz von Atomphysikern, das durch ein verhängnisvolles Experiment das Raum-Zeitgefüge unterbricht und fast alles organische Leben spurlos verschwinden lässt. Zac irrt durch Wellington, auf der Suche nach weiteren Überlebenden, findet kurz Gefallen an dem neu gewonnen, materiellen Luxus, droht dann aber, aufgrund seiner Mitschuld an der Katastrophe, dem Irrsinn zu verfallen. Schließlich findet ihn Joanne (Alison Routledge) und zusammen stoßen sie auf den Maori Api (Peter Smith). Die Dreier-Konstellation erweist sich bald als verhängnisvoll, zumal Zacs Labor weiterhin eine existenzielle Gefahr darstellt.
Viele kleine starke Momente ergeben noch nicht einen großen starken Moment. Möglicherweise wurde aus dem untrüglichen Bewusstsein heraus, dass ein Ein-Personen-Stück das Publikum wohl kaum bei der Stange würde halten können, eben eine Dreiecksgeschichte, wie sie so ähnlich auch bei Konsalik vorkommen könnte. Kurzum: Der starke philosophische Gehalt, der der Idee einer leeren Welt, die deren einziger Überlebender verschuldet hat, innewohnt, wurde spätestens nach der Hälfte etwas leichtfertig verschenkt. Die Vorlage kenne ich nicht, aber ich gehe nicht davon aus, dass das Filmscript das Opfer umwälzend radikaler Änderungen wurde. Innerhalb seiner sich selbst gesetzten Prämissen funktioniert "The Quiet Earth" aber, was auch der starken Leistung der drei Prota- (bzw Anta)gonisten zu verdanken ist, die für manch dämliche Dialogzeile (gegen welche prinzipiell nichts zu sagen ist - in diesem Fall aber doch) wohl wenig können.
Als Endzeit-Kammerspiel eine weithin gefällige Angelegenheit, aus den Latschen gekippt bin ich aber nicht gleich.
7/10
#515
Geschrieben 02. November 2006, 19:55
Predator 2 ~ USA 1990
Directed By: Stephen Hopkins
In naher Zukunft hält ein Drogenkrieg zwischen Jamaikanern und Kolumbianern mitten im kochend heißen L.A. die Polizei in Atem. In den Schlagabtausch mischt sich ein Predator (Kevin Peter Hall), der die unruhige Gegend zu seinem Jagdrevier auserkoren hat. Seine oberste Beute ist der wehrhafte und damit sehr reizvolle Lt. Harrigan (Danny Glover). Derweil ist ein Trupp FBI-Agenten (u.a. Gary Busey, Adam Baldwin) ganz wild darauf, das Alien zu fangen und auf Eis zu legen.
Ein unterhaltsam-routiniertes Produkt aus der Gordon/Silver-Abteilung, das dem hervorragenden Vorgänger keine Konkurrenz, aber auch keine Schande macht. Glücklicherweise hat man den Plot in halbwegs angenehmer Art und Weise variiert (was man von Silvestris Score nicht sagen kann, dieser zitiert sich fast nur selbst). Viele bekannte Gesichter blitzen in und zwischen den Reihen auf, dazu gibt es den hanebüchnen Voodoolord King Willie (Calvin Lockhart), der gleich nach seinem ersten mysteriösen Auftreten enthauptet und flugs zur Trophäe umfunktioniert wird. Ein Fünkchen intellektueller Substanz sucht man inmitten der inflationär dargebrachten Ballereien und Explosionen zwar vergebens, fühlt sich aber auch ohne dieses ganz gut bedient am Ende. Vorausgesetzt, einem steht der Sinn danach.
6/10
#516
Geschrieben 02. November 2006, 20:16
Marked For Death (Zum Töten freigeben) ~ USA 1990
Directed By: Dwight H. Little
Der frustrierte Cop Hatcher (Steven Seagal) will sich zur Ruhe setzen, weil er sämtliche Anstrengungen mittlerweile für überflüssig hält. Also zieht er zunächst zu seiner Schwester (Elizabeth Gracen) und deren Familie in einen biederen Vorort. Doch selbst hier schwappt das Crack hin: Der jamaikanische Voodoo-Gangster Screwface (Basil Wallace) entdsendet seine Boten, um den weißen Spießern ein paar high times zu verschaffen. Hatcher und sein alter Kumpel Max (Keith David) sehen das gar nicht gern und geben dem Rastapsycho Zunder bis in die Karibik.
Die enge zeitliche Verwandtschaft und der jeweils Dreadlock-bewährte Obermotz legten nahe, dass nach dem zwoten "Predator" noch diese stets erfreuliche Pappschachtel nachgeschoben wurde. In punkto Derbheit spielt der Film in der allerobersten Liga der Seagal-Epen mit; was hier an Knochen gebrochen und Gliedmaßen zwangsamputiert wird, sucht wirklich seinesgleichen. Dazu der doofe Hauptdarsteller mit Pomade, dünnem Pferdeschwänzchen und der unmöglichsten Garderobe seiner gesamten Karriere. Auffällig, dass selbst Seagals Körpereinsatz sich (neben seiner bekanntermaßen limitierten Mimik) in Grenzen hält. Auch gerät er, trotz weitgehender Reglosigkeit nie wirklich in ernsthafte Gefahr, während er seine Gegner wie Kerzenlichtlein ausbläst. Absolute Gipfelstürmer sind die Szenen, in denen wirtschaftliches Elend thematisiert wird, etwa die, in der Keith David und Tom Wright durch Kingston schlendern und mit einem halben Nebensatz anreißen, dass hinter Screwfaces kriminellem Portential doch tatsächlich eine gestörte Sozialisation stecken könnte.
Stark noch der Auftritt von Jimmy Cliff, der einen Song speziell für Mr. Seagal zum Besten gibt. Wow!
6/10
#517
Geschrieben 04. November 2006, 08:01
Frankenstein Unbound (Roger Cormans Frankenstein) ~ USA 1990
Directed By: Roger Corman
In zukünftigen Zeiten wird eine Erfindung des Wissenschaftlers Buchanan (John Hurt), die Raum-Zeit-Anomalien verursacht, der gesamten Menschheit zum langsamen Verhängnis. Der Forscher selbst wird samt seinem Auto durch einen Riss in die Schweiz des 19. Jahrhundert katapultiert, wo er, zunächst unerkannt, dem Prozess gegen das Frankensteinsche Hausmädchen Justine (Catherine Corman) beiwohnt, dem Doktor himself (Raul Julia) und seinem Geschöpf (Nick Brimble) begegnet und die Schöpferin des entsprechenden literarischen Ergusses (Bridget Fonda) kennen und lieben lernt.
Die letzte Regiearbeit Cormans, dieses ausnehmend sympathischen und gescheiten Gottvaters des B-Films, ist die weitgehend geglückte Umsetzung eines Sci-Fi-Romans von Brian Aldiss. Selbiger verbindet auf clevere Art und Weise den ruchlosen Aufenthalt des Trios Byron / Shelley / Shelley am Genfer See mit den fiktiven Ereignissen um Baron Frankenstein und der Geschichte um einen fortgeschrittenen und doch hilflosen, futuristischen Frankenstein, der der Welt ihr ultimatives Monster erschafft. Cormans Film zeugt in seiner verschrobenen Machart nur noch selten von der wahren Klasse des Meisters, wirkt aber auf der anderen Seite so lässig und abgeklärt, wie es eben nur der Film eines alten Pros zu sein vermag. Heraus kam dabei ein beispielloser Zwitter aus trashiger, satirisch angehauchter Fiction und Kostümdrama, mit deftiger Optik und gebührendem Ernst andererseits, der das brillante Frankenstein-Thema um ein paar interessante Facetten erweitert. Eine Riege schätzenswerter Darsteller haben sich dafür eingefunden, u.a. sogar Michael Hutchence, der verstorbene INXS-Sänger in einem Mini-Auftritt als Percy Shelley. Raul Julia als Baron enthebt den Namenspatron aller mad scientists jeder menschlichen Tragik und macht daraus, noch weit mehr als ein Peter Cushing, einen gewissen- und rücksichtslosen Egozentriker.
7/10
#518
Geschrieben 04. November 2006, 19:03
Cool Hand Luke (Der Unbeugsame) ~ USA 1967
Directed By: Stuart Rosenberg
Luke Jackson (Paul Newman), ein Dissident im Mini-Format, muss wegen einer Lappalie eine zweijährige Haftstrafe in einem der in den USA häufig anzutreffenden Road Prisons verbüßen. Durch seine dickköpfige, aber herzliche Art verschafft er sich schnell den Respekt seiner Mitinsassen, allen voran den des polterigen Dragline (George Kennedy). Trotz kleiner Sticheleien und Seitenhiebe gegen das herrmetisch-totalitäre Gefängnissystem führt Luke sich den Regeln gemäß - bis er die Nachricht vom Tod seiner Mutter (Jo Van Fleet) erhält. Luke bricht mehrfach aus, wird jedoch immer wieder eingefangen. Dennoch wird sein rebellisches Verhalten argwöhnisch beäugt und die Aufseher (u.a. Luke Askew) versuchen, ihn zu brechen.
Ich habe "Cool Hand Luke" das letzte Mal wohl vor 10 Jahren gesehen und darüber hinaus einfach vergessen, wie gut er doch ist. Wenn ich mich recht erinnere, muss die erste Sichtung sich irgendwann in den späten Achtzigern datieren, jedenfalls war dies einer von vielleicht vier, fünf Filmen, die mir den bewussten Zugang zum Kino von vor meiner Zeit verschafft haben. Eine Schande also, dass ich ihn so sträflich vernachlässigt und aus den Augen verloren habe.
"Cool Hand Luke" als metaphorisch verklausuliertes Politkino funktioniert unglaublich gut wegen seines scheinbar naiven Drehbuchs, das ja im Prinzip unverhohlene Heldenverehrung feilbietet. Das auf diktatorischen Grundfesten aufgebaute, repressive Knastsystem, welches gewissermaßen jede beliebige Staatsform symbolisieren kann, tritt jegliche Menschenwürde mit Füßen, erstickt den freien Geist schon im Ansatz und duldet keinerlei Aufbegehren. Das fängt sogleich mit dem Prolog an, in dem wir Luke dabei beobachten können, wie er volltrunken Parkuhren demoliert. Dafür wandert er zwei Jahre ein. Auf seine Motive hin befragt, äußert er nur, dass er aus einer Kleinstadt komme und "man da doch irgendwas tun müsse". Später wird dann aus ihm ein rebel with a cause, den seine Knastbrüder nur aus dem Grunde als alles überstrahlend anhimmeln, weil sie sich dadurch umso bequemer hinter ihrer eigenen Lethargie verschanzen können.
Rosenbergs Film hat aber auch was von fadenscheinigem Abenteuer, jeder erinnert sich an die Eierszene, an die staubige Landstraße im Spiegel der sonnenbebrillten Augen des Oberaufsehers und an Newmans Lächeln, genau wie Kennedy es am Ende beschreibt. Und genau wie dieser lieben wohl alle kleinen Jungs und erwachsenen Männer Luke und Newman (der sich mit dieser Rolle ein Denkmal gesetzt hat).
Der wohl wichtigste Vorläufer des modernen Knastfilms und ein früher Vertreter New Hollywoods zudem.
10/10
#519
Geschrieben 04. November 2006, 19:21
Gridlock'd ~ USA 1996
Directed By: Vondie Curtis-Hall
Als ihre Sängerin Cookie (Thandie Newton) mit einer Überdosis in die Notaufnahme einliefern, beschließen die beiden Musiker und besten Freunde Spoon (Tupac Shakur) und Stretch (Tim Roth), clean zu werden. Wie sich erweist kein einfaches Vorhaben angesichts der Odyssee durch die Behörden und Ämter und angesichts des schlecht gelaunten Großdealers D-Reper (Vondie Curtis-Hall) sowie der diversen Bullen (u.a. John Sayles), die die Jungs durch ihr Viertel jagen.
Ein schöner kleiner Film über zwei sympathische Junkies auf ihrem Marsch durch die Institutionen. Das funktioniert einerseits als Sozialsatire, bedeutet zeitgleich aber auch, dass die Welt sich nicht andersherum drehen muss, bloß weil ein Fixer den glorreichen Entschluss trifft, seinem Spritzchen zu entsagen.
Im Laufe des Films erfährt man viel über die beiden Kaputten, die sich einen Tag lang Schüsse setzen, abhauen, dummes Zeug erzählen und die Hacken wundlaufen. Manchmal schießt Curtis-Hall ein bisschen übers Ziel hinaus, wenn er unbedingt die vor zehn Jahren modischen Pulp-Crime-Elemente unterbringen muss. Dennoch läuft "Gridlock'd" nie wirklich Gefahr, in schwache Gefilde abzurutschen. Man wird sogar richtig wehmütig angesichts des frühen Todes Tupacs, denn Jesses, war das ein guter Schauspieler. Ihm hätten sicher noch ruhmreiche Rollen zugestanden.
8/10
#520
Geschrieben 04. November 2006, 19:42
Innocent Blood (Bloody Marie - Eine Frau mit Biss) ~ USA 1992
Directed By: John Landis
Aktuell hat sich die Vampirin Marie (Anne Parillaud) italienische Gangster auf den Speiseplan gesetzt. Den Mafiaboss Macelli (Robert Loggia) jedoch knabbert sie nur an, so dass er bald selbst zum Blutsauger wird. Zusammen mit dem Undercover-Cop Gennaro (Anthony LaPaglia) geht Marie gegen den Mobster und seine alsbald auch infizierten Kollegen vor.
John Landis ist einer der wenigen Regisseure, bei denen nach revolutionären Leistungen im Alter tragischerweise einfach irgendwer die Luft rausgelassen hat. Das fing schon mit dem "Oscar"-Remake an und setzt sich dann bis heute weiter fort. "Innocent Blood" hat aber zumindest noch seine Momente und kann wohl als das letzte Werk des Ex-Genies bezeichnet werden, das trotz mancher Einbrüche noch ein bisschen Klasse vorweist. Robert Loggia, eine sichere Bank für böse alte Männer im Film, gibt dabei eine herrlich exaltierte Performance ab, Parillaud ist ziemlich sexy, LaPaglia ziemlich schwach. Nette Kontaktlinsen, ein paar lustige F/X und vor allem die (damals noch bei Landis üblichen) Gastauftritte von Fachkollegen (diesmal Savini, Argento, Raimi und Ritchie) überdecken dabei die manchmal im Einschlafen begriffene Inszenierung, die nur selten Höhepunkte zu setzen weiß und gegen Landis' elf Jahre älteren, sensationellen Gruselspaß "American Werewolf" ziemlich gnadenlos abstinkt.
6/10
#521
Geschrieben 05. November 2006, 14:55
20 Million Miles To Earth (Die Bestie aus dem Weltenraum) ~ USA 1957
Directed By: Nathan Juran
Eine bemannte Rakete, die von der Venus heimkehrt, stürzt vor Sizilien ins Mittelmeer. Nur ein Mitglied der Besatzung, Col. Calder (William Hopper) überlebt das Unglück. Dessen größte Sorge ist der in einem Behälter aufbewahrte Embryo eines Venustieres, des sogenannten Ymir. Selbiger wurde längst von einem geschäftstüchtigen, arglosen Fischerjungen (Bart Bradley) an einen römischen Zoologen verscherbelt. Der Ymir, der sich von Schwefel ernährt, wächst in rasender Geschwindigkeit, wird dabei zunehmend gefährlich und büchst aus. Nachdem er zunächst wieder eingefangen und in den zoologischen Garten nach Rom gebracht werden konnte, währt sein Aufenthalt in Ketten wiederum nur kurz: Das mittlerweile haushohe Ungetüm flieht und macht die römische Innenstadt unsicher.
Der Ymir ist eine von Ray Harryhausens schönsten Kreationen. Noch angesteckt von seiner Arbeit für "Mighty Joe Young", für welchen er ebenfalls ein Monster auf zwei Beinen zum Leben erwecken konnte, schuf der Meister der stop motion ein wiederum humanoides Wesen mit lustig wedelndem Schwanz und üblich hoher Kreischstimme. Harryhausens größte Leistung bestand stets darin, fast jede seiner Kreaturen so zu gestalten, dass diese gleichzeitig monströs und putzig wirkten und so eine richtige emotionale Bindung zum Zuschauer aufbauen konnten; so auch der Ymir, der im Grunde nur deshalb aus der Haut fährt, weil ihm sämtliche irdischen Lebewesen mit Furcht oder Aggression begegnen.
"20 Million Miles" ist und bleibt ein feiner Monsterstreifen, sogar einer der liebenswertesten seiner Zunft, mit tricktechnisch meisterlichen Szenen (Ymirs Kampf gegen den Elefanten sei hier primär erwähnt) und einem obligatorischen, aber hoffnungslos deplazierten Schlusskommentar.
8/10
#522
Geschrieben 06. November 2006, 16:36
Grand Prix ~ USA 1966
Directed By: John Frankenheimer
Die Formel 1 - Saison '66 aus der Sicht der vier besten Fahrer (James Garner, Yves Montand, Brian Bedford, Antonio Sabato) und wie sie gegen mordsgefährliche Streckenführungen, Intrigen und Liebesleiden anzukämpfen haben.
Das Schöne an Film ist ja nebenbei auch, dass man sich kurzzeitig in Gefilde begeben kann, mit denen man sonst nicht die geringste Identifikationsebene findet. Dazu gehört in meinem Falle Sport im Allgemeinen und der Rennsport im Besonderen. Die Fanatiker, die Samstag nachts aufstehen, nur um sich irgendwelche endlosen, todlangweiligen Pistenumrundungen anzusehen, habe ich nie recht begriffen. Wenn ein John Frankenheimer aber einen Film über die Formel 1 dreht, so ist davon auszugehen, dass das Ergebnis zumindest interessant ausfällt. Auch wenn die Soap-Elemente in "Grand Prix" sich als genau solche präsentieren: Die einzelnen Rennen und wie sie inszeniert wurden, das dürfte mit zum reizvollsten und kühnsten gehören, was Hollywood in den Sechzigern ins Kino entlassen hat. Montage, Schnitt und Bildgestaltung in höchster Perfektion. Die Darsteller sitzen sichtbar selbst in den Wagen und drehen ihre Runden, alles präsentiert sich so authentisch wie nur möglich. Allein diese Momente rechtfertigen das Anschauen und Goutieren von "Grand Prix" und mit Maurice Jarres Musik hinter den breiten Bildern wähnt man sich manchmal ganz unbeabsichtigt bei David Lean.
8/10
#523
Geschrieben 08. November 2006, 21:28
The Pawnbroker (Der Pfandleiher) ~ USA 1964
Directed By: Sidney Lumet
Als Überlebender eines Konzentrationslagers ist Sol Nazerman (Rod Steiger) nicht mehr in der Lage, Gefühle zu äußern und sublimiert seine unterschwellig brodelnden Hassgefühle, indem er als Pfandleiher in einer New Yorker Brennpunktgegend den Menschen ungerührt ihr letztes Hemd abnimmt. Erst nach und nach wird er sich der Vertracktheit seiner Situation bewusst.
Der Mensch, seine unerträgliche Welt und das Leben darin: Ein vielbehandeltes Sujet bei Lumet. Diesmal rennt jedoch kein einsamer Gerechtigkeitsstreiter gegen die Windmühlen der Korruption an, sondern ein entleerter, alternder Mann gegen seine geraubte Vergangenheit. Als einer der ersten Filme nahm sich "The Pawnbroker" in psychologisch relevanter Weise des seinerzeit noch frischen Themas der ehemaligen KZ-Häftlinge an, die, wenn auch nicht ihr Leben, so möglicherweise doch entscheidende Teile ihrer Identität verloren hatten. Rod Steiger (in der bisher leisesten und doch intensivsten Darstellung, die ich von ihm gesehen habe) wandelt sich als Mann ohne Lachen mit schütterem weißen Haar vom Resignierten zum Erkennenden und durchbricht seine störrische Apathie zunächst mit angesetzten Schreien (die sein verzerrtes Gesicht jedoch nie verlassen) und später durch borderline-Verhaltensweisen, typisch für misshandelte Menschen.
Der Volksmund würde "The Pawnbroker" wohl als "Problemfilm" einordnen; eine sperrige, unangenehme und doch unbedingt sehenswerte Charakterstudie, ein weiterer Beleg für Lumets weitläufige Könnerschaft.
9/10
#524
Geschrieben 10. November 2006, 14:37
The Tingler (Schrei, wenn der der Tingler kommt) ~ USA 1959
Directed By: William Castle
Der Pathologe Dr. Chapin (Vincent Price) ist an der Artikulation von Panik interessiert und nebenbei der Überzeugung, dass sich "unabgeführte" Angst im Moment ihres Höhepunkts körperlich manifestieren kann. Dieser Manifestation gibt er den streng wissenschaftlichen Namen "Tingler". Durch befreiendes Schreien kann die Inkarnation des Tinglers verhindert werden, also ist Chapin ganz besonders an der taubstummen, verhärmten Frau (Judith Evelyn) des Stummfilmkinobesitzers Ollie (Philip Coolidge) interessiert, eben weil dieser die Möglichkeit des Schreiens verwehrt bleibt. Tatsächlich gibt es bald einen Tingler, der aussieht, wie ein armdicker Tausendfüßler und mit seiner Kopfzange nach Opfern sucht.
William Castle war noch ein richtiger Kinomagier, ein Schausteller alter Schule, der mit kleinen Tricks wie vibrierenden Sesseln im Theater und wichtigen prologischen Ansprachen gegen die 3D-Effekte und Scope-Bilder der sensationsheischenden Konkurrenz anzutreten versuchte. Dabei half ihm der formidable Vincent Price mit seinem arrogant-verschmitzten Habitus mehrfach hervorragend über die Runden. Im "Tingler", der - bewusst oder unbewusst - zu einer Reflexion über das Wesen des Kinos wird, und einen trefflichen B-Movie-Kommentar zum state of the art abgibt, wird das Publikum direkt in die Handlung miteingebunden, so dass es eigentlich eine Pflicht ist, sich ihm direkt im Kino hinzugeben. Nicht umsonst hört man einmal ein rigides Statement für den verloren gegangenen Zauber der Pioniertage des Films und nicht umsonst spielt sich der Showdown im Zuschauerraum eines Kinos ab. Man mag die unfreiwillige Komik, die manchmal hervorschimmert, bemäkeln, dennoch, soviel ist sicher: Es gibt im preisgünstigen Genreumfeld der 50er Jahre kaum Beispiele, die Castles Filmen in punkto Einfallsreichtum und Entertainmentfaktor das Wasser reichen können.
Der "Tingler" jedenfalls ist klares Pflichtprogramm für Chronisten des Grauens. Und Vincent Price im LSD-Selbstversuch gehört eh auf jeden Schein.
9/10
#525
Geschrieben 11. November 2006, 15:41
The Old Dark House (Das Haus des Grauens) ~ USA 1932
Direected By: James Whale
In einer stürmischen walisischen Nacht suchen insgesamt fünf Durchreisende (Melvyn Douglas, Raymond Massey, Gloria Stuart, Charles Laughton, Lilian Bond) Zuflucht im Hause der - wie sich bald herausstellt - ziemlich durchgedrehten Familie Femm (Ernest Thesiger, Eva Moore, Brember Wills, Elspeth Dudgeon) samt furchteinflößendem Butler (Boris Karloff).
Ein früher, selten gezeigter und wenig bekannter Meilenstein der gotischen Universal-Grusler, inkl. eines wiederholt prachtvoll chargierenden und lustig daherseiernden Karloffs (bei dem es sich, wie in einer Schrifttafel vor dem Film versichert wird, um denselben Schauspieler handele, der zuvor als Frankensteins Monster zu sehen war - er besäße halt eine ungeheure Wandlungsfähigkeit und man wolle auf diese Weise Diskussionen über die Identität des Schauspielers vorbeugen). Die Hauptnarration wird immer wieder durchbrochen durch kleine Nebenhandlungen, die zur Unterstreichung der Charaktere dienen und in welchen insbesondere die Darsteller um Thesiger und Laughton Gelegenheit haben, ihr Können unter Beweis zu stellen. James Whale, den man sich in etwa wie einen filmischen Ahnvater von Tim Burton vorstellen kann, versäumte es dabei nicht, seinen auf manch unbedarfteren Zuschauer wohl etwas befremdlich wirkenden Humor einzubringen, dem insbesondere die herrliche Eva Moore Ausdruck (u.a. als Störerin eines Wandschattenspiels) geben darf. Und wo wir gerade bei Urahnen sind: Die Femms dürften weitläufige europäische Verwandte der texanischen Sawyers sein - zwar nicht ganz so unmanierlich, aber doch in einem ähnlich derangierten Geisteszustand.
9/10
#526
Geschrieben 12. November 2006, 11:55
Dr. Jekyll And Mr. Hyde (Dr. Jekyll und Mr. Hyde) ~ USA 1931
Directed By: Rouben Mamoulian
Der angesehene Londoner Arzt Jekyll (Fredric March) ist besessen von dem Gedanken, den Menschen zu einem von moralischen Abgründen und Triebhaftigkeit reinen Wesen zu machen und strebt daher nach einer Trennung des Es vom Ich. Als er die nötige Mixtur kreiert hat, trinkt er diese in einem Selbstversuch und verwandelt sich in sein alter ego Mr. Hyde (Fredric March), einen omnipotenten, aber abstoßend aussehenden, ruch- und skrupellosen Schläger und Frauenverächter. Sein Opfer wird das Straßenmädchen Ivy (Miriam Hopkins), das er nach seinen Verwandlungen quält und schlussendlich ermordet. Als Jekylls Verlobung ansteht, will er der Droge entsagen, doch es ist zu spät - er kann die Verwandlungen in Hyde nicht mehr selbst steuern.
Die Paramount hat im goldenen Zeitalter des Hollywood-Horrors vergleichsweise wenige Spuren hinterlassen, wovon diese jedoch die markanteste und denkwürdigste sein dürfte. Angefangen mit der subjektiven Kamera in der Anfangssequenz (March spielt Bach und fährt danach in der Kutsche zu einem Vortrag in der Universität - erst dort verlässt ihn die Kamera) über diverse Symbolismen bis hin zu Marchs markantem Spiel als distinguierter Gentleman einerseits und als äffischer Unhold andererseits, ist diese filmische Variante von Stevensons phantastischem Roman die bis heute definitive. Die Verwandlungen, das viktorianische London, die Kostüme - alles feinster Augenzucker.
Mamoulians Karriere fand, nachdem er sich in mehreren Genres als versierter Regisseur zu behaupten wusste, ein unrühmliches Ende, nachdem er bei seinen letzten Jobs jeweils von Kollegen abgelöst wurde. Auch "Jekyll & Hyde" ist ein Opfer dummer Umstände geworden, nachdem die Konkurrenz von MGM Anfang der 40er die Rechte von Paramount gekauft hatte, um ihre eigene Version des Films mit Spencer Tracy ungestört pushen zu können. Jahrzehnte lang war Mamoulians Film nicht mehr öffentlich verfügbar und wurde in der prachtvollen ungekürzten Fassung erst spät wieder freigegeben.
10/10
#527
Geschrieben 12. November 2006, 19:05
Raiders Of The Lost Ark (Jäger des verlorenen Schatzes) ~ USA 1981
Directed By: Steven Spielberg
Als 1936 der US-Geheimdienst Wind davon bekommt, dass Hitler Ausgrabungen in Ägypten veranstaltet, um die verlorene Bundeslade des Volkes Israel zu finden (welche riesige okkulte Macht verheißt), schickt man den Archäologen und Abenteurer Indiana Jones (Harrison Ford) hinterher. Zusammen mit der Tochter (Karen Allen) seines ehemaligen College-Professors erwartet Jones ein atemloser Wettlauf gegen die Nazis.
Wenn ich Blumenbergs zeitgenössische Rezension aus der "Zeit" lese, in der er jene berühmte Szene, in der Harrison Ford den Sarazenen mit Krummsäbel wie beiläufig über den Haufen schießt, auseinandernimmt, muss ich jedesmal herzlich lachen. Blumenberg war ja sonst für manch schönen (stets traditionsverhafteten) Text verantwortlich, aber hier schießt er doch ein wenig übers Ziel hinaus, wenn er, schwer beleidigt, aufgrund der oben beschriebenen Sequenz Lucas und Spielberg als erstklassige potenzielle Demagogen für die Regierung Reagan klassifiziert. Tatsächlich stecken in genau diesem Augenblick zugleich ein großes Stück Bitterkeit und eine ironische Überführung romantischer Hollywoodmythen in die "Neuzeit" des Blockbusterkinos, von dessen Miterschaffern erdacht. Überhaupt ist "Raiders" eine grandiose Aufbereitung vergangener Unterhaltungsware, Abenteuergroschenheftchen und Cliffhanger für eine neue Kinogeneration, mit zum Teil beißend schwarzem Humor angerichtet. Eine große Spielwiese für Spielberg, der sicher ein großes Maß der ihm entgegengeschleuderten Kritik verdient, der sich aber ebenso mit diesem großen bunten Blödsinn ein ewiges Denkmal als Mainstreamfilmer gesetzt hat, dessen Faszination man sich wohl nur unter größter Gegenwehr verweigern kann. Das Ende, in dem Spielberg seiner damals latenten Obsession Richtung Horrorfilm stattgibt (und das nebenbei ein untrügliches Indiz dafür ist, wie sehr der Regisseur seine Finger bei "Poltergeist" im Spiel hatte), erzeugt noch immer eine Gänsehaut bei mir. Ein Film, der an nichts verliert, im Gegenteil.
10/10
#528
Geschrieben 13. November 2006, 20:29
Curse Of The Werewolf (Der Fluch von Siniestro) ~ UK 1961
Directed By: Terence Fisher
Der in Spanien lebende Leon Corledo (Oliver Reed) ist der verwaiste, aus einer Vergewaltigung hervorgegangene Sohn eines stummen Dienstädchens (Yvonne Romain) und eines eingekerkerten, wahnsinnig gewordenen Bettlers (Richard Wordsworth). Über Leons unheiliger Geburt steht ein böser Stern: Er verwandelt sich seit Kindheitstagen bei Vollmond in einen Werwolf. Einzig die Liebe eines Mädchens kann ihn von diesem Fluch erlösen, doch obwohl er eine passende Kandidatin (Catherine Feller) findet, kommt es alsbald zu manchem Unglück.
Ein weiterer schöner Fisher aus der Hammer-Schmiede. Das Studio hat sich im Zuge der Wiederbelebung der alten Horrormotive aus den 30ern natürlich irgendwann auch des Werwolf-Themas angenommen, wobei "Curse" so ziemlich der einzige Beitrag geblieben sein dürfte. Eigentlich schade, denn die wie immer rundum sorgfältige und zugleich kunterbunte wie melodramatische Qualität des Films spricht ganz für seinen Erfolg und für mögliche Nachzügler. Leider jedoch muss man sich mit Oliver Reeds gleichermaßen erquicklichen Interpretation des unglücklichen Fluchopfers [klare Parallelen zur Universal-Vorlage mit Lon Chaney jr. und Claude Rains, auch in der Erlösung durch den (Ersatz-) Vater] zufrieden geben. Immerhin blieben uns damit auf der anderen Seite auch potenziell mediokre Genremitläufer wie in Hammers Mumienreihe erspart.
8/10
#529
Geschrieben 13. November 2006, 20:53
The Protector ~ HK/USA 1985
Directed By: James Glickenhaus
Billy Wong (Jackie Chan) vom New Yorker Police Department muss zusammen mit seinem Partner Garoni (Danny Aiello) nach Hong Kong, um dort einer Heroin-Connection in die USA, gesteuert von dem bösen Ko (Roy Chiao), den Hahn zuzudrehen. Dabei gehen die beiden alles andere als zimperlich vor.
Der (abgesehen von den beiden "Cannonball Run"-Teilen natürlich) einzige Film mit Jackie Chan, den ich mir ansehen kann ohne gleich Fracksausen zu kriegen. Im Gegenzug missfällt er wohl den meisten Fans seiner Slapstick-Stunt-Künste. Dies liegt schätzungsweise zu ähnlich großen Teilen an der vergleichsweise ausgeglichenen, durchweg unalbernen Art, in der sich Chan hier einen raren Auftritt genehmigt, wie an Glickenhaus' knochentrockener, wie immer überharter Optik mit spektakulären Todesarten und immens blutigen shoot-outs. Chan macht hier beinahe ebenso oft Gebrauch von der Schusswaffe wie von seinen Handkanten und Füßen und das steht ihm, was mich angeht, gar nicht mal schlecht. Er selbst war mit dem Ergebnis wohl sehr unzufrieden, weswegen er für Golden Harvest eine aufgelockerte Fassung in Hong Kong nachschnitt, die offenbar eher dem Bild entspricht, das die meisten seiner Anhänger von ihm haben. Diese Melange würde ich schon aus Traditionsgründen nicht sehen wollen. Den ausgleichend und ausreichend witzigen Part gibt dafür übrigens Danny Aiello, einmal mehr als typisierter Italoamerikaner und sprücheklopfender Buddy. Gefällt mir immer wieder gut, der Mann, ebenso wie ich überhaupt den - wenn auch meinetwegen strunzdummen - "Protector" seit nunmehr rund 20 Jahren sehr schätze.
7/10
#530
Geschrieben 16. November 2006, 16:20
Indiana Jones And The Temple Of Doom (Indiana Jones und der Tempel des Todes) ~ USA 1984
Directed By: Steven Spielberg
Nachdem Indiana Jones (Harrison Ford) ein Geschäft mit dem üblen Gangster Lao Che (Roy Chiao) mehr schlecht als recht über die Bühne gebracht hat, landet er in Begleitung des kleinen Short Round (Ke Huy Quan) und der Nachtclubsängerin Willie Scott (Kate Capshaw) mitten in der indischen Provinz. Dort wurden aus einem Dorf nicht nur ein magischer Stein, sondern auch sämtliche Kinder gestohlen. Das Trio reist zum Palast von Pankot, um der Sache auf den Grund zu gehen und findet sich bald Aug in Aug mit einem Satanskult.
Die Fortsetzung um den peitscheschwingenden Archäologen ist chronologisch vor "Raiders" anzusiedeln, ohne, dass es dafür wohl einen rechten Grund gibt. Viel von der Doppelbödigkeit des Erstlings geht verloren, "Temple Of Doom" ist ganz infantiles Abenteuerkino mit noch ausgeprägteren Horrormotiven als im Vorgänger und ohne sich groß um eine plausible Geschichte oder gar physikalische Gesetzmäßigkeiten zu scheren.
Tatsächlich ist die Verwandtschaft mit "Raiders" - bis auf den Titelhelden und ein paar Selbstreferenzen - bestenfalls rudimentär erkennbar. Spätestens ab der Hälfte wohnt man einer Nummernrevue bei, die die gezielt gesetzten Atempausen des Vorgängers bewusst ignoriert und analog zu der unglaublichen Lorenrallye im Bergwerk des Todes oft und treffend als 'Achterbahnkino' bezeichnet wurde.
Obwohl ich ihn immer noch toll fand, ging doch ein bisschen von der langjährigen Faszination, die der Film stets bei mir auslösen konnte, verloren. Wie erwähnt vermisste ich die Verve von "Raiders" und musste doch einige strapaziöse Nervengeiger feststellen, als da wären die einmal zuviel kreischende Capshaw und der ausnehmend blöde und desinteressierte Ablauf der Erzählung.
Freche, denkwürdige Stellen sind aber glücklicherweise immer noch zu vermelden: Das absolut widerliche Mahl im Palast des Maharadscha, das mit Sicherheit kein Mensch auf der Welt in dieser Form äße, der Eintritt in den Tempel durch die Insektenhöhle oder die Opferung des unglücklichen Minenarbeiters. Das Design des Tempels ist und bleibt prachtvoll und hätte einem Mario Bava sicher anerkennenden Respekt abgenötigt.
9/10
#531
Geschrieben 18. November 2006, 09:38
The Soldier (Der Söldner) ~ USA 1982
Directed By: James Glickenhaus
Der Söldner (Ken Wahl) ist der Kopf einer CIA-Spezialeinheit, die uneingeschränkte Handlungsfreiheit genießt und ihre taktischen Entscheidungen autark trifft. Als der KGB einen Plutoniumsprengkopf in den saudischen Ölfeldern plaziert und somit über Umwege Israel erpressen will, sich aus dem Westjordanland zurückzuziehen, schlägt der Söldner mitsamt Truppe (u.a. Steve James) und Mossad-Kollegin (Alberta Watson) unerbittlich zu, indem er den Spieß einfach umdreht, eine Raketenabschussbasis in Kansas besetzt und Moskau bedroht.
Glickenhaus in explosiver Hochform präsentiert einen Proleten-Bond, ein aggressives Vehikel für erzreaktionäre Weltanschauungen, das sich nahtlos in den Korso ähnlich bedenklicher Werke wie "Invasion USA" und "Red Dawn" einreiht - mit nicht ganz so fatalen Konsequenzen (der Weltfrieden bleibt angreifbar, aber gewahrt), dafür realpolitischen Zitaten (Nahost-Konflikt, Deutscher Herbst) und der erschreckend radikalen Feststellung, dass barbarische Zeiten barbarische Mittel rechtfertigen und auch erfordern. Wem dabei die Sympathien gehören, zeigt spätestens die Schlusseinstellung, ein Rundflug um die Freiheitsstatue, unmissverständlich.
Wahl, der unpassenderweise in der deutschen Fassung als 'Söldner' und nicht mehr als 'Soldat' ausgegeben wird, ist mit gewohnt arroganter Miene genau der richtige für den klobigen Titelpart, der sich eher durch Körperlichkeit definiert. Unpassend auch der groß geschriebene Name Kinskis, der einen dreiminütigen Auftritt (und wohl einen halben Drehtag) absolviert und dann ganz schnell wieder verschwindet. Schade.
Die SloMo, eine von Glickenhaus' besten Freundinnen, offeriert auch hier wieder feierliche Explosionen und blutigste shootouts nebst kürbisgroßen Einschusslöchern. Bemerkenswert erstklassig und gleichermaßen zur eiskalten Inszenierung passend wie flächig: Der Score von Tangerine Dream.
6/10
#532
Geschrieben 18. November 2006, 10:02
An American Werewolf In London ~ UK/USA 1981
Directed By: John Landis
Die beiden US-Touris Jack (Griffin Dunne) und David (David Naughton) werden im englischen Moor von einem Werwolf attackiert. Jack wird getötet, David erwacht ein paar Wochen später in einem Londoner Hospital, vernarbt und von grauenhaften Albträumen geplagt. Jack erscheint ihm und warnt David, dass er sich beim nächsten Vollmond in ein Monster verwandeln und Menschen töten werde. David hält diese Auftritte für einen Ausbund seiner Fantasie und vergnügt sich mit der Krankenschwester Alex (Jenny Agutter). Doch der runde, blaue Mond wartet.
Einer der Filme, für die ich John Landis immer und ewig auf dem goldenen Sockel halten werde. Die Mischung aus wirklich gruseligem Horror und hochkomischer Satire, mit etlichen Genrezitaten und höchst beeindruckenden Effekten nutzt sich einfach nicht ab, ganz egal wie oft ich sie mir ansehe. Die Verwandlungsszene vor Sam Cookes Interpretation des Schnulzenklassikers "Blue Moon" (am Anfang hört man die Version von Bobby Vinton, am Schluss die der Marcels) ist die allerbeste ihrer Art, man kann sich förmlich vorstellen, wie es sich anfühlen muss, zum Wolf zu mutieren. Und dann der ewige Stempel Landis', sein Fake-Film "See You Next Wednesday", der in jedem seiner Werke irgendwie zitiert wird (durch Poster o.ä.) läuft diesmal in einem Pornokino am Picadilly Circus, in dem David im Kreise seiner wiedergehenden Opfer sitzt und Tipps für den fälligen Selbstmord bekommt. Purster Zucker. Das Ende, nach dem blutigen Massaker, entbehrt dann vollständig des kurz zuvor genossenen Brachialhumors: Trocken, traurig, endgültig. Dahinter wartet die Verdammnis. Das sind natürlich nur Blitzlichter. Tatsächlich ist praktisch jede einzelne Szene denkwürdig, keine irgendwie überflüssig. Das gibt's so rund und dicht nicht oft.
10*/10
#533
Geschrieben 18. November 2006, 16:02
Erst die Arbeit und dann! ~ BRD 1984
Directed By: Detlev Buck
Der junge Bauer Gerhard (Detlev Buck) möchte unbedingt nach Hamburg in den neuen Club "Cadillac". Also schnappt er sich den Familienbenz, pumpt die Oma an und ab geht's vom Dorf in die große Stadt. Im "Cadillac" lernt er die gemäßigt arrogante Designerin Chantalle (Ela Nitzsche) kennen.
Mit seinem Debüt, einem dreiviertelstündigen Kurzfilm, empfiehlt sich Buck gleich für alles Nachfolgende aus seiner Hand, mit supertrockenem, nordisch-lakonischem Schmunzelhumor. Mit Papa und Oma redet Gerhard in einem solch unverständigen Platt, dass man als Mittelwestdeutscher bestenfalls einen Bruchteil des Gesagten versteht.
Die herzliche Filmsprache ist indes sehr aufschlussreich und das alte Thema "Landei trifft auf Großstadtsnob" hübsch pointiert in Bilder gefasst worden. Gefällt.
8/10
#534
Geschrieben 18. November 2006, 16:26
The Black Cat (Die schwarze Katze) ~ USA 1934
Directed By: Edgar G. Ulmer
Auf seiner Hochzeitsreise durch Ungarn lernt das amerikanische Ehepaar Alison (David Manners, Jacqueline Wells) Dr. Werdegast (Bela Lugosi) kennen, der auf dem Weg zu einem früheren Festung ist, in welcher er während des 1. Weltkriegs als Kriegsgefangener eingesessen und offenbar Schreckliches erlebt hat. Der ehemalige, grausame Obere des Gefängnisses, Hjalmar Poelzig (Boris Karloff), hat auf dessen Ruinen ein feudales Haus errichtet. Die Alisons und Werdegast haben einen Unfall, der alle drei zwingt, in Poelzigs Haus zu nächtigen. Der sinistre Eigentümer entpuppt sich zu allem Überfluss als Satanist, der Mrs. Alison in einem Ritual opfern möchte.
Das erste Aufeinandertreffen der Giganten Karloff und Lugosi lebt natürlich ganz von der knisternden Rivalität der beiden und von Ulmers geometrischer Inszenierung. Insbesondere die Architektur von Poelzigs Haus mit seinen gespenstischen Kellergewölben, das selbst heute noch modern wirkt, hat die Kamera meisterlich eingefangen. Die Geschichte, die extrem lose auf Poe basiert, ist im Gegenzug beinahe uninteressant und teilweise schon konfus, wohl auch, um in das vorgegebene Zeitkorsett zu passen. Das Ende ist für 30er Jahre-Verhältnisse recht grausam, wenn der betreffende Vorgang auch nur verbal angedeutet wird.
Lugosi zeigt sich in einer seiner schönsten Rollen, als charmanter, wenn auch verlorener Held auf persönlichem Rachefeldzug gegen seinen größten realen Konkurrenten (welcher, das muss eigentlich nicht gesondert erwähnt werden, wie immer Großartiges vollbringt).
8/10
#535
Geschrieben 19. November 2006, 08:41
Indiana Jones And The Last Crusade (Indiana Jones und der letzte Kreuzzug) ~ USA 1989
Directed By: Steven Spielberg
Indiana Jones (Harrison Ford) nimmt einen Auftrag seitens des finanzstarken Donovan (Julian Glover) an, nach dem Heiligen Gral aus der Artuslegende zu suchen. Von persönlichem Interesse ist dieses Abenteuer für Indy insbesondere deshalb, weil sein Vater (Sean Connery), ein Experte für Gralsmythen, bereits auf der Suche nach dem Artefakt verschwunden ist.
Nach dem 'entarteten' zweiten Teil passt "Indy 3" sich wieder sichtbar dem Stil von "Raiders" an, und ist um Einiges behäbiger, sanfthumoriger und durchdachter geraten als der ungestüme Indientrip. Denholm Elliott und John Rhys-Davies spielen in ihren aus dem Erstling bekannten Rollen wieder auf und erweitern sie jeweils um eine gehörige Portion Ironie. Mit Alison Doody ist die hübscheste, wenn auch ruchloseste Heldenfreundin an Bord, die nebenbei mit ihrer Doppelbeziehung zu Jones sr. und Jones jr. für kleine, pikante Verwicklungen sorgt und der ihr aus Gier geborenes Ende wahrlich recht geschieht. Herzstück dieses Films ist das famose Spiel Sean Connerys, der den weltentrückten und urweisen Henry Jones als die prototypische Vaterfigur darstellt und damit die Herzen uneingeschränkt für sich gewinnt.
Nachdem ich "Temple" trotz Begleitung der Mama 5 Jahre zuvor noch nicht auf der großen Leinwand sehen durfte, war dieser in der an Blockbustern reichen Herbst-/Wintersaison '89 (es gab noch "Back To The Future II", "Lethal Weapon 2", "Cocoon 2", "Licence To Kill", "Star Trek V", "The Abyss" und "Batman") der erste und bislang einzige "Indiana Jones", den ich im Kino erlebte und eine prägende Erfahrung. Ein rundum gelungener Abschluss für Spielbergs schöne Trilogie, die, zu dieser Auffassung tendiere ich zunehmend, besser eine solche bleiben sollte.
9/10
#536
Geschrieben 19. November 2006, 18:52
Karniggels ~ Deutschland 1991
Directed By: Detlev Buck
Koeppe (Bernd Michael Lade) möchte Polizist werden und das ausgerechnet mitten auf dem Land, im nördlichen Teil der Republik. Jedenfalls muss er den Praxisteil seiner Ausbildung an einer Station verrichten, die auch der letzte Außenposten der Welt sein könnte. Ab und zu eine durchdrehende Hausfrau, der Hallodri Elle (Ingo Naujoks) und natürlich ein wahnsinniger Kuhkiller - darauf beschränkt sich das Aufgabengebiet der Beamten. Als Koeppe an einen moralischen Wendepunkt gerät, bricht er aus, was seiner Karriere nicht eben dienlich ist, seinem persönlichen Wohlbefinden jedoch sehr wohl.
Die alte Geschichte vom Simplicissimus, der sich erst im Leben zurechtfinden muss, bevor er leben kann, ist als Filmsujet stets beliebt. Oft dient dazu das Roadmovie-Genre, in diesem Fall, Bucks erstem Langfilm, bleibt die topografische Ausdehnung relativ überschaubar. Ist aber auch gar nicht nötig, groß in die Welt hinauszuschweifen, denn das kleine Glück, in Form der wunderhübschen Julia Jäger, wohnt quasi gleich nebenan und bleibt zum Glück selbst nicht faul. Und 'nen besten Kumpel braucht der Mensch, wenn auch etwas am Gesetz vorbeigeschrappt. Buck hat mit der Bullerei offenbar nicht die allerbesten Erfahrungen gemacht, denn sie kommt bei ihm alles andere als ungeschoren davon. Herrlich und zugleich deprimierend beispielsweise der seriös-verpeilte Kollege Bauhaus (Anton Rattinger), der in einer existenziellen Sackgasse steckt. Das neblige, graue Nordwetter adaptiert sich unterdessen ganz hervorragend an Bucks trockenen und ganz speziellen Witz.
"Karniggels" ist ein kantiges kleines Kunstwerk, das aufzeigt, welches Potenzial im deutschen Film steckt.
9/10
#537
Geschrieben 20. November 2006, 15:06
Hud (Der Wildeste unter Tausend) ~ USA 1963
Directed By: Martin Ritt
Im staubigen Südwesten der USA gibt es nicht viel zu tun - wenn man als Sohn eines Rinderfarmers (Melvyn Douglas) ohne jegliche eigene Befugnisse aufwächst und seine Freizeit mit kurzen Affären, Suff und Prügeleien totschlägt. Hud Bannon (Paul Newman), ungeliebter Filius und Onkel eines verwaisten 17-jährigen Jungen (Brandon De Wilde), der mehr im Leben steht als Hud selbst, ist wohl der Inbegriff des Opportunisten und steuert sein Leben geradewegs in die selbstverantwortete soziale Isolation.
Eine rundum typische Rolle für Newman, der während dieser Zeit vornehmlich Einzelgänger, Rebellen, Säufer und Womanizer in einer Person verkörperte. Zumeist gab er dabei ja immer einen zwar rauen, aber doch liebenswerten Charakter, als "Hud" jedoch macht er es selbst seinen Bewundern schwer, ihn zu mögen. Sicher, Hud dürfte keine angenehme Jugend hinter sich haben, sein Vater gibt sich zwar als weiser Patriarch, man kann aber - nicht zuletzt aufgrund seiner "Zinseinforderungen" erahnen, dass Hud in früheren Jahren mehr als schwer schuften musste, um es seinem alten Herrn recht zu machen. So kam es, dass sein Publikum die Ikone Newman trotz aller Widrigkeiten auch in dieser Rolle liebte.
Als reiner Schauspielfilm ist "Hud", der natürlich ganz seiner Titelfigur gehört, rundherum geglückt, die Kombination Scope / sw ist, sofern richtig zur Geltung gebracht, ohnehin stets ein Blickfang. Newman, mit seiner ungebrochenen Trotzigkeit am Ende garantiert der große Verlierer, zeigt eine seiner besten Leistungen und verleidet dem involvierten Zuschauer die heiß ersehnte Katharsis. Rüpelhaft schön.
8/10
#538
Geschrieben 21. November 2006, 20:42
Mephisto ~ BRD/HU/AU 1981
Directed By: István Szabó
In der Weimarer Republik gefeiert, im 3. Reich geduldet: Der zunächst links außen angesiedelte Theaterakteur Hendrik Hoefgen (Klaus Maria Brandauer) "braucht die deutsche Sprache", um seinen Beruf adäquat ausüben zu können und bleibt daher auch nach '33 im Land. Seine politisch andersdenkende Frau (Krystyna Janda) verlässt das Reich beizeiten, seine dunkelhäutige Geliebte (Juliette Martens) wird ausgewiesen, sein bester Freund (Péter Andorai) exekutiert, während Hoefgen, aufgestiegen zum Intendant des Preußischen Staatstheaters, emsig damit beschäftigt ist, eine "Hamlet"-Aufführung in Deutschland zu rechtfertigen.
Der erste Teil von Szabós deutsch-deutscher Trilogie mit Brandauer ist zugleich der, der mir stets am besten gefallen hat. Die Studie um Opportunismus und Stellungsbezug in widrigen Zeiten lebt natürlich in erster Linie vom exaltiertem Spiel ihres Hauptdarstellers, das ich jederzeit unter die 10 weltbesten schauspielerischen Leistungen setzen würde. Szabós Inszenierung ist sehr gekonnt, aber ihrer Zeit gemäß eher verhalten und naturalistisch, ohne großes Brimborium. Man könnte sagen, er überlässt Brandauer als Buckler für den "Ministerpräsidenten" (Rolf Hoppe) quasi das Feld.
Höfgen, schon in Klaus Manns Roman als Ebenbild des vielverachteten Gustav Gründgens angelegt, lügt sich unentwegt selbst etwas vor, lokalisiert die Bühne zunächst im Autarken von Staat und Politik, um dann mit Kompromissen zu leben und sich immer weiter breit grinsend und zugleich ängstlich umherschauend in die Ecke drängen zu lassen. "Ich halte mich in der Reserve", entgegnet er seinem sozialistischen Freund Ulrichs, kurz bevor dieser im Gefängnis landet, zu dessen Aufruf, als Teil des kulturellen Lebens der vergangenen Republik gegen die neue braune Übermacht aufzustehen.
Ein starker Film, pathosbefreit, gescheit, wichtig.
10/10
#539
Geschrieben 22. November 2006, 18:51
Stone Cold ~ USA 1991
Directed By: Craig R. Baxley
Der fiese Chains Cooper (Lance Henriksen) beherrscht mit seiner Rockergang, der allerorten gefürchteten "Bruderschaft", den Staat Misissippi. Das FBI rekrutiert den suspendierten Cop Huff (Brian Bosworth), um Chains und seine Leute undercover zu infiltrieren und ihnen so den Garaus zu machen.
Nette Proletenaction aus den frühen 90ern, deren kantiger Hauptdarsteller es nie zum rechten Ruhm gebracht hat. Sieht man "Stone Cold", dann möchte man diesen Umstand zuallererst beim geschmacklosen Äußeren dieses Primaten mit Mantamatte und Sonnebrille verorten. Zumindest was Gewalttätigkeiten und furiose Actionszenen anbelangt, liegt der Streifen aber recht weit vorn. Im ersten Drittel mangelt es zugunsten der Porträtierung der Rockerenklave (man fühlt sich unwillkürlich an die Hippiekommune im seligen "Easy Rider" erinnert) zwar ein wenig an der Ent- und Geschlossenheit, die den Showdown rund um die Besetzung der city hall auszeichnet, dafür geht es später aber umso brachialer zur Sache. Solange "Boz" sich nicht mit darstellerischen Verrenkungen herumschlagen muss, ist er halt so gut wie jeder andere in seinem Fach, und dafür langt's dann auch voll und ganz. Interessant für mich: Der Nostalgiebonus, der solchem Stoff in meinem Fall sonst so gut wie immer vorauseilt, fehlt wegen der Erstsichtung diesmal gänzlich. Trotzdem fand ich den Streifen - bis auf das grauenhafte Bild der DVD - ganz witzig anzuschauen.
5/10
#540
Geschrieben 23. November 2006, 22:41
Il Gatto A Nove Code (Die neunschwänzige Katze) ~ I/F/BRD 1971
Directed By: Dario Argento
Der blinde Ex-Reporter Arno (Karl Malden) und sein aktiver Berufsgenosse Giordani (James Franciscus) versuchen, einige Morde aufzuklären, die zunächst gar nicht als solche identifizierbar sind. Die Spur führt geradewegs zu einem Labor für Genforschung, in dem an der Entdeckung der genetischen Determinante für kriminelle Handlungen herumgedoktert wird.
Ein bisschen lang, dieser frühe Argento, dafür aber erwartungsgemäß hübsch gefilmt und mit schönem Score von Morricone unterlegt. Sicher hat der Regisseur sich von Hoppers "Easy Rider" beeindrucken lassen, denn manche Szenenwechsel sind, genau wie dort, mit zunächst für ein paar frames angedeuteten Übergängen gestaltet. Hat dieser Kunstgriff jedoch drüben durchaus Berechtigung und Wirkung, bleibt er hüben seltsam schleierhaft. Bemerkenswert daneben ist, diesmal gebe ich's mit einem lachenden Auge gern zu, die deutsche Fassung von Rainer Brandt (der gleich selbst Franciscus' Stimme übernommen hat). Dieser war sich mal wieder nicht zu blöd, selbst einen solch durchweg ernsthaften Giallo durch flatterhafte Sprüche und enervierte Stöhner, die garantiert nur auf der deutschen Fassung zu hören sind, "anzureichern" (Original: "Nice place of yours." - "Thanks." / Brandt: "Eine schöne Wohnung haben Sie hier." - "Bausparkasse."). Da prallen Welten aufeinander.
Die Anchor Bay wird mittelfristig nachgekauft.
7/10
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