In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#571
Geschrieben 24. Dezember 2006, 16:18
The Comedians (Die Stunde der Komödianten) ~ USA/F 1967
Directed By: Peter Glenville
Zu Regierungszeiten von "Papa Doc" Duvalier erleben ein englischer Hotelbesitzer (Richard Burton), seine deutschstämmige Geliebte (Elizabeth Taylor), deren Ehemann (Peter Ustinov), seines Zeichens US-Diplomat, ein britischer Hochstapler (Alec Guinness), ein älteres Touristenpaar aus den Staaten (Lillian Gish, Paul Ford) und ein haitianischer Chirurg (James Earl Jones) unterschiedlichste Schicksalswendungen in Haiti, die zumeist geprägt sind von Zusammenstößen mit der willkürlich verfahrenden Tonton Macoute, Duvaliers Geheimpolizei unter Führung des sadistischen Captain Concasseur (Raymond St. Jacques).
Nach Graham Greenes Roman und selbstverfasstem Script entstand ein recht betulicher, mit trockenem Humor angereicherter Lagebericht über die (nach wie vor) katastrophalen Zustände in der karibischen Bananendiktatur Haiti, die mit einem recht süffisanten und bewusst unterschwellig-leidenschaftlichen Burton in der Hauptrolle - ganz der Tradition der großen "neutralen" Kino-Opportunisten, die dann irgendwann doch die Flagge hissen und zum Helden werden, verpflichtet. Burton, nebenbei einer der größten Trinker des britischen Films, der ebenso wie seinen Hang zum Scotch stets kühle Professionalität walten ließ, war schon ein besonderes Original - speziell in gemeinsamen Auftritten mit seiner großen Hassgeliebten Elizabeth Taylor. Wie er hier am Ende, ganz der titelgebende Komödiant, seine Rede vor den zerlumpten Rebellen hält, die ihm trotz Unverständnisses aufopferungsvoll zujubeln, das gehört zu den denkwürdigsten Momenten in Burtons Schaffen. Und man vergesse nicht Guinness' ungewöhnliche Performance, die quasi im absoluten Kontrast zu seinen Lean-Rollen steht, was einmal sogar durch einen wenig hintergründigen Kommentar bezüglich "Lawrence Of Arabia" offenkundig wird.
8/10
#572
Geschrieben 25. Dezember 2006, 10:09
Blast Of Silence (Explosion des Schweigens) ~ USA 1961
Directed By: Allen Baron
Frankie Bono (Allen Baron) kehrt ins weihnachtliche Manhattan zurück, um Troiano (Peter Clume), eine Führungsspitze des "Syndikats", zu beseitigen. Die Tatwaffe muss er sich zuvor über den schmierigen Kleingangster Ralph (Larry Tucker) besorgen. Als dieser spitzkriegt, auf wen es Bono abgesehen hat, erpresst er ihn - sehr zu seinem eigenen Übel. Aus Angst, durch das "Beiseiteschaffen" Ralphs bereits auffällig geworden zu sein, will Bono dann seinen Auftrag aus dem Wind schlagen und sucht Trost bei einer neu entflammten Jugendliebe (Molly McCarthy) - ein jeweils verhängnisvoller Fehler.
... oder die Einsamkeit des Auftragskillers. Barons früher Independent ist für viele Genrenachzügler ein großes Vorbild und zugleich die große Demontage vom jüngst wiederbelebten Mythos des Sprüche klopfenden Mordexperten im schwarzen Anzug. Inmitten der trubelhaften Zeit zwischen Weihnachten und Jahreswechsel verliert sich der längst depressive und arbeitsmüde Bono, konfrontiert mit seiner Vergangenheit, in sich selbst und ist zugleich gezwungen, noch diesen einen Job zu erledigen. Barron ist immer ganz nah dran: Die Kamera verfolgt Bono auf langen Fahrten vor Schaufensterfassaden oder wartet am Ende einer Straßenschlucht auf ihn. Dazu gibt es eine fast unablässig aktive Off-Stimme (Lionel Stander im Original, Arnold Marquis in der deutschen Fassung), das Über-Ich des wortkargen Bono. Und wenn selbiges mal schweigt, dann tritt höllischer Jazz an seine Stelle. Für den Titel gilt demnach: 'nomen est omen'. Insgesamt ein radikales Meisterwerk, sicher zu großen Teilen der nouvelle vague verbunden.
10/10
#573
Geschrieben 25. Dezember 2006, 13:57
The Adventures Of Robin Hood (Robin Hood - König der Vagabunden) ~ USA 1938
Directed By: Michael Curtiz / William Keighley
Während König Richard Löwenherz (Ian Hunter) in Geiselhaft sitzt, schröpfen sein verräterischer Bruder Prinz John (Claude Rains) und dessen Adlatus Guy von Gisborne (Basil Rathbone) die Angelsachsen mittels horrender Steuern bis aufs Blut. Robin von Locksley (Errol Flynn) lässt sich diesen Zustand nicht länger gefallen und rebelliert mit einer Schar Geächteter aus seinem Unterschlupf im Sherwood Forest heraus gegen die Usurpatoren.
Dieser klassische Mantel- und Degenfilm mit einem von Hollywoods drei berühmten Schnurrbartabenteurern der 30er und 40er Jahre (die anderen beiden bekanntlich: Douglas Fairbanks jr. und Tyrone Power) wirkt wie ein längst vergangener Kinotraum. Das Unterhaltungskino jener Zeit glich in all seiner eskapistischen Ausrichtung mehr einer Schau des damals Möglichen - prachtvolles Technicolor und akrobatische Zirkusnummern, nunmehr unvorstellbar. In seiner scheinbaren Naivität gibt sich Flynns Hausregisseur Michael Curtiz (der von Keighley übernahm) alle Mühe, sein Miniepos vor Depression und drohendem Krieg in Europa so hell und bunt wie nur möglich aussehen zu lassen - was "The Adventures Of Robin Hood", unbekümmert wie er daherkommt, noch heute so schätzenswert dastehen lässt.
Angesichts klassischer Filmperlen wie dieser stelle zumindest ich mir immer wieder die wehmütige Frage, ob die Aufgabe dieser Unschuld zugunsten von Realismus und Naturalismus mehr Fluch oder Segen ist ...
9/10
#574
Geschrieben 27. Dezember 2006, 16:39
Casino Royale ~ UK/USA/D/CZ 2006
Directed By: Martin Campbell
Kurz nachdem James Bond (Daniel Craig) seinen Doppelnull-Status erhalten hat, soll er bei einem Pokerspiel dafür sorgen, dass der Terroristenbankier Le Chiffre (Mads Mikkelsen) einen Millioneneinsatz verliert. Dabei wird der Agent unterstützt von der Schatzbeamten Vesper Lynd (Eva Green).
So bin ich also doch noch dazu gekommen, den neuen Bond zu sehen. Bin mir selbst noch nicht ganz schlüssig, aber es könnte tatsächlich sein, dass die Art und Weise, in der dieser ganze Mikrokosmos umgekrempelt und aktualisiert worden ist, die bestmögliche Variante für eine neue Zuschauergeneration darstellt - wenn man voraussetzt, dass der bereits seit 17 Jahren anachronistische Bondmythos überhaupt noch eine Existenzberechtigung hat. Die Vorschusslorbeeren für Daniel Craig erwiesen sich jedenfalls als gerechtfertigt, wenigstens macht er den zuletzt immer flacher chargierenden Brosnan erfolgreich vergessen. Dann kommen ja noch zahlreiche psychologische Momente hinzu, die früher bestenfalls unterschwellig verhandelt wurden - woher Bonds Flatterhaftigkeit in Bezug auf das andere Geschlecht rührt zum Beispiel und dass seine vielgepriesene Lizenz zum Töten doch tatsächlich ein moralisch fragwürdiges Vertragswerk darstellt, einhergehend mit der Frage nach dem Gewissen des Killers (als welcher Bond hier mitunter und munter charakterisiert wird).
Ein paar Mängel gibt es auch - die unstete und phasenweise ermüdende Abwicklung der immerhin nicht uninteressanten Geschichte und der leider viel zu spartanisch eingesetzte, von Mads Mikkelsen beeindruckend gespielte Oberbösewicht, der im Vergleich zu seiner erlesenen Ahnenreihe wie ein kleiner mieser Gauner daherkommt. Immerhin sind Titelsong- und Sequenz die besten seit 89, David Arnolds bis dato eher unauffällige Musik erinnert nicht selten an selige Barry-Zeiten und überhaupt ist dies seit Dalton das erste Mal, dass ich wieder Vorfreude verspüre, wenn ich den Satz "James Bond will return" lese.
7/10
#575
Geschrieben 27. Dezember 2006, 19:37
Thief (Der Einzelgänger) ~ USA 1981
Directed By: Michael Mann
Frank (James Caan), ein Einbruchsprofi, plant, sich seinen Lebenstraum zu erfüllen und setzt diesen mit Gewalt in die Tat um: Eine kleine Familie möchte er gründen und von seinem sauer verdienten Vermögen zehren. Die Erfüllung seiner Visionen ist schon zum Greifen nah, da lässt er sich auf einen Deal mit dem undurchsichtigen Oberboss Leo (Robert Prosky) ein - eine Entscheidung, die Frank bald bereuen soll.
In diese frühe Regiearbeit lässt Michael Mann gleich viele seiner heute sattsam bekannten Qualitätsmerkmale einfließen: Ungeheure Präzision und Ökonomie, verbunden mit einer deutlich lesbaren, kühlen Bildsprache. Das Thema "Meisterdieb sehnt sich nach Normalexistenz" hat Mann ja noch mehrfach beschäftigt, hier findet es mit einem gloriosen James Caan sogleich eine erste Entsprechung. Dabei trumpft auch Manns Faible für sphärische Töne, für die er sich in diesem Falle eines phänomenalen Scores von Tangerine Dream bedient.
Ein kleiner Vorwurf, der sich mit bei jedem Anschauen des Films zurück ins Gedächtnis ruft, ist lediglich der, dass die erste Hälfte - in der die Charaktere mit äußerster Sorgfalt vorgestellt werden - ein wenig zäh aus der Hüfte kommt. Man muss sich schon gelegentlich des Gefühls erwehren, einer recht abziehbildhaften Schar von Individuen zu begegnen. Doch spätestens mit dem Hauptbruch zerstreuen sich diese Bedenken und der wahrhaft große Wurf gewinnt an Deutlichkeit.
9/10
#576
Geschrieben 27. Dezember 2006, 23:10
A Sound Of Thunder ~ USA/D/CZ 2005
Directed By: Peter Hyams
2055 a.d. sind Zeitreisen möglich geworden. Der windige Profithai Hatton (Ben Kingsley) hat prompt die clevere Idee, prähistorische Safaris zu veranstalten, bei der gelangweilte Zukunftsbonzen die Möglichkeit haben, einen Allosaurier mit der Laserkanone zu erlegen. Beinahe penibel wird darauf geachtet, dass der Lauf der Kreidezeit-Dinge nicht beeinträchtigt wird, um den reibungslosen Ablauf der Evolution nicht zu stören. Aber eben nur beinahe, denn wegen eines dummen Fehlers bekommt es der Time-Safari-Doktor Ryer (Edward Burns) in seiner Gegenwart mit tödlichen Lebewesen zu tun.
Zumindest die Idee dieser Bradbury-Verfilmung klang nett und ich fand das Photo mit der Pavianechse immer ganz ansprechend. Nun, der Film entpuppt sich - o Wunder - als ziemlich müd. Die CGIs sind angesichts dessen, was man sonst aktuell so geboten bekommt, sowas von schlecht, dass man nur noch staunend vor der Glotze hockt und sich fragt, in welchem Prager Edelpuff das Budget wohl verpulvert wurde. Ähnliches gilt natürlich für die hanebüchenen Dialoge in bester C-Film-Tradition und die groben logischen Schnitzer, die jeder Laie prompt durchschaut. Ungläubiges Staunen noch über die verirrten Landsleute Armin Rohde und Heike Makatsch, über den amüsiert mitspielenden Kingsley und sein Toupet und das war's. Dass dieser Regisseur vor 25 Jahren mal "Outland" inszeniert haben soll, mag man nach seinem Schmetterlingseffekt hier kaum mehr glauben.
3/10
#577
Geschrieben 28. Dezember 2006, 13:03
Hui Buh - Das Schlossgespenst ~ D 2006
Directed By: Sebastian Niemann
Der neue König auf Schloss Burgeck, Julius 111. (Christoph Maria Herbst), sieht sich alsbald mit dem Hausgeist Hui Buh (Michael Herbig) konfrontiert, der ihn trotz chaotischer Methoden vor einer Scheinehe mit der gierigen Etepetete (Heike Makatsch) bewahrt und der netten Konstanzia (Ellenie Salvo González) zuführt.
Das ist wahrster kultureller Verfall: Aus den herrlichen Hörspielen um das Schlossgespenst, ehedem klassisch interpretiert von Hans Clarin, musste wohl zwangsläufig irgendwann ein Schundfilm gemacht werden. Dass darin tragischerweise der erst kürzlich verstorbene Mime als Kastellan auftritt, ist leider ein nicht allzu würdiger Abschied.
Der Film will mit aller Gewalt liebenswürdiges Familienentertainment sein, setzt dabei, im Gegensatz zu den Hörspielvorlagen, auf bullyesken Holzhammerhumor, der für Kinder zu rasant und für Erwachsene zu infantil ist. Da helfen auch die plump eingesetzten Reminiszenzen an klassische Gruselgestalten in der Geisterstadt nicht viel, ebensowenig wie die Tatsache, dass ich Herbig nichts abgewinnen kann und Herbst mittlerweile dem "Stromberg"-Fluch anheim gefallen ist. Nee, lass ma.
2/10
#578
Geschrieben 29. Dezember 2006, 09:31
The Departed ~ USA 2006
Directed By: Martin Scorsese
Zwei irischstämmige Polizeischulabsolventen in Boston: Der eine (Mark Damon) im Dienste des größten lokalen Gangsters, Frank Costello (Jack Nicholson), stehend und von diesem sozusagen vorsorglich in die Exekutive eingeschleust, der andere (Leonardo DiCaprio) ein Undercovermann, der Costellos Unternehmen von hinten aufzäumen soll. Dazwischen Liebesleid, Verrat und noch mehr Schein statt Sein.
Die Adrenalinstöße, die gewaltige Mammutfilme wie "Raging Bull" oder "Goodfellas" über ihre volle Distanz auszulösen vermochten und deren Echo wohl ein Leben lang nachhallt (und glücklicherweise regelmäßig aufgefrischt werden kann), stellen sich bei Scorsese schon lange nicht mehr ein. Dass er seine professionelle Gelassenheit aber in einem Maße walten lässt, das sein Werk in die persönliche Routine überführt, ist mehr als bedauernswert. Selbstverständlich ist "Departed" kein ausgesprochener Fehlschlag. Aber im Gegensatz zu seinen letzten beiden (besseren) Filmen fehlt hier das letzte Fünkchen Visionarität, das diese immer noch spüren ließen. Es wird viel, zu viel palavert, die Stars stehen Spalier, so ähnlich wie auf einer der großen Polizeibeerdigungen mit "Amazing Grace" - Dudelsäcken - langweilig, alles schon zigmal dagewesen. Nicholson als er selbst, ein alternder Clown, vor dem man zwar immer noch höchsten Respekt verspürt, der dem stets drohenden menschlichen Vulkanausbruch Joe Pesci in der Rolle des Psychogangsters aber bestenfalls nacheifern kann.
Und dann das Hauptproblem, der Remakestatus. Dass ausgerechnet ein Martin Scorsese sich der mittlerweile gebräuchlichen Unart hingibt, ein fernöstliches Original für den Westmarkt nachzuprötscheln, ist ja für sich genommen schon fragwürdig. Dass das Original aber der wesentlich gelungenere, weil originellere Film, bleibt, zeigt dann aber Grenzen auf, die vielleicht einfach mal aufgezeigt werden mussten.
Natürlich werde ich mir auch diesen Film ins Regal stellen und ich möchte auch gar nicht ausschließen, dass ich nach späteren Wiederbegegnungen positiver urteile (das war schon bei "Gangs Of New York" der Fall), momentan jedoch würde ich "Departed" als Fußnote in des Regisseurs Schaffen einordnen.
6/10
#579
Geschrieben 29. Dezember 2006, 12:38
Das Leben der Anderen ~ D 2006
Directed By: Florian Henckel von Donnersmarck
DDR, 1984: Weil ein eifersüchtiger SED-Bonze (Thomas Thieme) seinen Nebenbuhler Dreyman (Sebastian Koch), einen erfolgreichen, systemtreuen Literaten, loswerden möchte, lässt er ihn von der Stasi, namentlich durch den einsamen Ab- und Verhörspezialisten Wiesler (Ulrich Mühe), bespitzeln.
Zwischen Staatsräson und bald eintretenden Gefühlsirrungen gefangen, fälscht Wiesler die Protokolle. Selbst, als Dreyman ein kritisches Essay für ein Westmagazin schreibt, lässt sein Bespitzler ihn nicht auffliegen. Dennoch kann er eine große Tragödie nicht verhindern.
Ein packendes Regiedebüt, das mir, besonders nachdem ich vor ein paar Wochen erstmals selbst ein paar Tage im Osten verbracht habe, sehr an die Substanz ging. Wie der real existierende Sozialismus, respektive dessen Funktionäre, angesichts zunehmender innerer Fäule Schicksale verbogen und gebrochen haben, das kommt bei aller Melodramatik hier erstmals in einem deutschen Erfolgsfilm wirkungsvoll zum Tragen. Interessant ist in diesem Zusammenhang vor allem die Herauskehrung der Perspektive des grauen, vermeintlich emotionslosen Schalterdrückers, der den einst unerschütterlichen Glauben an die Richtigkeit seines Tuns einbüßen muss und daran selbst zugrunde geht, respektive die persönlich-unpersönliche Beziehung zwischen Stasimitarbeiter und Überwachungsopfer, auch über den Zusammenbruch hinaus. So ist "Das Leben der Anderen" nicht nur eine spannende historische Lektion, sondern auch eine damit verbundene Reflexion über Schuld und Vergebung. Grandios.
10/10
#580
Geschrieben 29. Dezember 2006, 22:01
Pretty Persuasion (High School Confidential) ~ USA 2005
Directed By: Marcos Siega
Das aus reichem, aber wenig harmonischem Hause stammende Beverly-Hills-Luder Kimberly (Evan Rachel Wood) will nichts sehnlicher, als berühmt und der Star einer TV-Serie zu werden. Also denkt sie sich einen perfiden Plan aus, bei dem alle außer ihr selbst auf der Strecke bleiben.
Bissige Satire mit vielen bitterbösen Augenblicken, teilweise treffend, größenteils ziellos provokant, ein bisschen wie Larry Clark für Kids. Hauptfigur: Eine 15-jährige mit Unschuldsgesicht als durchtriebenes kleines Monster, das mit seinen Reizen so ziemlich alles becircen und zu willfährigen Opfern machen kann, die Amokläuferin ohne Kanone, der ultimative Lolita-Horror.
Das ist ja eigentlich nichts Neues und wird hier kombiniert mit einem Statement über arme Highschool-Kids reicher Eltern, bei denen Verzogenheit zum gefährlichen Opportunismus heranreift. Amüsant ist der Film allemal, wenn auch wenig innovativ. Der offensichtlichen Devise, nach der das Lachen im Halse stecken bleiben soll, konnte ich aber nicht Folge leisten.
Das Anschauen wert macht letztendlich allein James Woods, hier als schmierig-koksender Unternehmeralbtraum sozusagen der Lester Burnham der letzten Konsequenz.
5/10
#581
Geschrieben 30. Dezember 2006, 16:15
The Da Vinci Code ~ USA 2006
Directed By: Ron Howard
Der Symbologe Langdon (Tom Hanks) wird in einen Mordfall gezogen, dessen Aufklärung die Grundfesten der Kirche erschüttern könnte. Ferner darin verwickelt: Der Heilige Gral, ein irrer Albinomönch (Paul Bettany) und - aparterweise - die holde Weiblichkeit (in der Person Audrey Tautous) als göttliches Standbein.
Ich habe noch kein Buch von Dan Brown gelesen. Zu dick, zu wenig Bilder - und das auf der Vorderseite nervt schon gleich von vornherein. Und nun diese Verfilmung: Wahrlich, wahrlich, kein Streifen für den Blumentopfgewinn. Länger als verträglich, durchsetzt mit altbekannten "Enthüllungen", gepaart mit fadenscheinigen Theorien über den Machtmissbrauch der Kirche und modischem Verschwörungstrara. Im Endeffekt bleibt natürlich nur eine weitere Lektion über christlichen Glauben und dessen Gnade.
Und da soll auch noch die Welt aufhorchen ...
4/10
#582
Geschrieben 31. Dezember 2006, 10:44
Snakes On A Plane ~ USA 2006
Directed By: David R. Ellis
Um den unliebsamen Kronzeugen Jones (Nathan Phillips) auszuschalten, der von Hawaii nach Kalifornien mit dem Flugzeug transportiert wird, schmuggelt ein Gangster (Terry Chen) einen Riesenhaufen Schlangen an Bord. Diese, durch ein Pheromon besonders aggressiv gemacht, dezimieren alsbald die armen Flugpassagiere. Polizist Flynn (Samuel L. Jackson), der Jones eskortiert, hat bald alle Hände voll zu tun, das snake pack im Zaum zu halten.
Wie die meisten Horrorfilme, die sich um gefährliche Tiere drehen, ist "Snakes On A Plane" trotz (oder gerade wegen) seines Großproduktionsstatus' erwartungsgemäß nicht anderes als eine vollkommen durchgeplante Trashmaschine. Eigentlich sollte man sich davon also gar nicht beeindrucken lassen, denn wahre Billigheimer kommen auch als solche aus dem Brutkasten. Dennoch kann der Film mit all seinen Quatsch-Szenarien, den jedem Klischee gerecht werdenden Flugzeuginsassen und den frechen Reptilien, die offenbar ein Herz haben für sekundäre und primäre menschliche Geschlechtsorgane, zu großen Teilen Spaß machen. Erforderlich ist dafür ein hohes Toleranzmaß seitens des Zuschauers, der den (in diesem Fall besonders engen) Pfad zwischen Kalkül und Spaß willfährig zu beschreiten wünscht.
5/10
#583
Geschrieben 01. Januar 2007, 15:44
Death Wish 4: The Crackdown (Das Weisse im Auge - Death Wish 4) ~ USA 1987
Directed By: J. Lee Thompson
Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben? Nicht für Paul Kersey (Charles Bronson): Wieder in L.A. wird der sich eines zunehmenden Popularitätsgrads erfreuende Vigilant, nachdem seine Stieftochter in spe (Dana Barron) durch eine Überdosis Kokain gestorben ist, von dem obskuren Millionär White (John P. Ryan) engagiert. Kersey soll die beiden führenden Drogengangs der Stadt abservieren. Der alternde Rächer lässt sich nicht lange bitten und entfesselt ein wahres Inferno unter den Koksbaronen. Doch ist er selbst einem Riesenschwindel aufgesessen.
Nach den drei Winner-Klassikern nimmt sich der vierte Teil fast ein wenig bieder aus. Möglicherweise hat auch das doch recht fortgeschrittene Alter des Helden damit zu tun. Dennoch schlägt sich Bronson auch mit 66 noch mehr als wacker und liefert eine rüstige Rentnerballerei, garniert mit den hinlänglich bekannten Onelinern. Thompson, ein alter Routinier des Unterhaltungskinos, der häufig mit Bronson und in den 80ern fast nur noch für Golan / Globus gearbeitet hat, packt das altbekannte Schema in eine zünftige Inszenierung, die ein bisschen braver daherkommt als gewohnt, aber immer noch Zähne zeigt. Überhaupt ist "Death Wish 4" ein richtig typischer Cannon: John Ryan als ultraböser Buhmann und der sehr an ein paar andere Filme des Studios erinnernde Score tragen dazu bei.
Glücklicherweise wird der Versuch einer Psychologisierung der Hauptfigur, der gleich zu Anfang des Films unternommen wird, sang- und klanglos fallengelassen. Es wäre aber angesichts des stumpfen Sujets auch zu lächerlich geworden.
5/10
#584
Geschrieben 01. Januar 2007, 20:59
Death Wish V: The Face Of Death ~ USA 1994
Directed By: Allan A. Goldstein
Paul Kersey (Charles Bronson), unter einem Decknamen und dem Schutz eines befreundeten Staatsanwalts (Saul Rubinek) sesshaft geworden, muss erneut zur Wumme greifen, als seine Verlobte (Lesley-Anne Down) durch ihren Exmann, den fiesen Mobster O'Shea (Michael Parks), bedroht und schließlich ermordet wird.
Dies dürfte wohl der einzige Fall innerhalb der Filmgeschichte sein, in dem ein 72-jähriger eine solch zynische Rolle in einem dermaßen politisch unkorrekten Streifen übernommen hat. Nach der Liquidation von Cannon gründete Menahem Golan das kurzlebige Studio 21st Century, für das er den Grandseigneur des Genres ein letztes Mal in seiner berüchtigsten Rolle einspannen konnte. Zugleich war es Bronsons letzter Auftritt fürs Kino. "Death Wish V" steht tatsächlich noch in bester Tradition seiner Vorgänger, auch wenn die Actionelemente merklich zurückgefahren wurden und sich statt dessen das primäre Augenmerk auf derbe Folter- und Tötungssequenzen richtete. Kersey avanciert in seinem persönlichen Finale so langsam zu einem regelrechten Slasher, der sich für seine Opfer jeweils etwas ganz Besonderes einfallen lässt - wiederum mit einem markigen Sprüchlein auf den Lippen. Dass diese phantasievollen Exekutiönchen von einem so nett und freundlich auftretenden Senioren durchgeführt werden, verleiht dem Ganzen noch eine zusätzliche Portion Gemeinheit.
Selbst viele bekundende Freunde der Reihe stehen dem fünften "Death Wish" wenig wohlwollend gegenüber - ich bin der Ansicht, dass er seinen jüngeren Vorgängern kaum nachsteht und verneige mich vor einem der charmantesten Ballerbrüder des Lichtspiels.
5/10
#585
Geschrieben 02. Januar 2007, 13:31
They Died With Their Boots On (Sein letztes Kommando) ~ USA 1941
Directed By: Raoul Walsh
Die militärische Karriere des George Armstrong Custer (Errol Flynn): Vom vorlauten, undisziplinierten Westpoint-Absolventen über sein erfolgreiches Engagement als Unionsgeneral im Sezessionskrieg bis hin zu seinem Einsatz für die 7. Kavallerie und die vernichtende Niederlage am Little Bighorn.
Unter den (wie sie Joe Hembus gern bezeichnete) 'flamboyanten' Western der Warner Bros. in den späten 30er und 40er Jahren ist "They Died" einer der ambivalentesten. Nachdem Flynn sich endgültig mit seinem vormaligen Stammregisseur Michael Curtiz zerstritten hatte (die Partnerschaft der beiden dürfte sich am Ehesten mit der Hassliebe Kinski/Herzog vergleichen lassen), übernahm Raoul Walsh quasi dessen Position. Mit dem historisch äußerst ungenauen Porträt des exzentrischen Offiziers schuf Walsh einen seiner schönsten Filme mit Flynn in einer seiner denkwürdigsten Rollen."They Died" ist dem unbekümmerten Gestus seiner Zeit verpflichtet, glorifiziert Militarismus und aggressive Kampfhandlungen bis dorthinaus und schafft es trotzdem, als liebenswürdiges Hochglanzprodukt zu bestehen. Unangenehme Episoden wie das Washita-Massaker, das Custer 1868 unter den Cheyenne anrichten ließ, latenter Alkoholismus oder sein überharter Führungsstil, der das sofortige Erschießen von Deserteuren beinhaltete, werden konsequent übersehen oder verniedlicht. Stattdessen erleben wir einen charmanten Haudegen ganz nach bewährter Flynn-Manier, der seine Feinde (wie den von Anthony Quinn interpretierten Sioux-Häuptling Crazy Horse) mindestens ebenso schätzt wie Verbündete und dem Recht und Moral über alles gehen.
Ein ironischer Nebeneffekt: Der von Custer geliebte, heroische Marsch "Gary Owen", der in Max Steiners Partitur entsprechenden Einsatz findet, wurde für spätere Filme (z.B. Penns "Little Big Man") zu komplett diametralen Zwecken verwendet.
Filmisch ein Genuss, aber mit leicht bitterem Nachgeschmack.
8/10
#586
Geschrieben 02. Januar 2007, 22:58
Kiss Me Deadly (Rattennest) ~ USA 1955
Directed By: Robert Aldrich
Privatdetektiv Mike Hammer (Ralph Meeker) ermittelt auf eigene Rechnung, nachdem eine Anhalterin (Cloris Leachman), die er des Nachts mitgenommen hat, ermordet wird und er selbst beinahe mit. Die Spur führt zu diversen zwielichtigen Gestalten, darunter Gangster und Agenten, die alle über Umwege mit einem geheimnisvollen Koffer in Verbindung stehen. Dessen Inhalt scheint dem der Büchse der Pandora zu gleichen.
Spillanes hardboiled p.i. Mike Hammer spart im Gegensatz zu seinen Artverwandten aus den Federn Chandlers und Hammetts den Gentleman-Umweg meist aus und poliert Fressen, bis sein Gegenüber das tut, was der Polierer will, im Zweifelsfall auch für immer.
Die Vorlage des späten film noir "Kiss Me Deadly" ist mir bis heute leider unbekannt geblieben, dem Vernehmen nach soll ja kaum ein Stein des Romans auf dem anderen belassen worden sein. An Faszination jedenfalls büßt dieser verrückte Film partout nichts ein. Auch für die Kinotradition "Schwarze Serie" hat Aldrich wenig übrig; seine, respektive Ernest Laszlos Fotografie ist regelrecht antiexpressionistisch und nutzt die schwarzweißen, um nicht zu sagen grauschattierten Bilder zur Verdeutlichung des kaum definierbaren moralischen Konstrukts der Geschichte. Diese, wild verästelt, unmöglich vollständig durchschaubar und um atomare Waffen im Handtaschenformat kreisend, überschreitet gegen Ende die selten aufgezeigte (weil selten benötigte) Grenze zwischen Detektivfilm und Science Fiction und ergibt in Kombination mit der oft temporeichen, brutal-bizarren Inszenierung ein wirklich einzigartiges Erlebnis.
9/10
#587
Geschrieben 03. Januar 2007, 18:17
Q (American Monster) ~ USA 1982
Directed By: Larry Cohen
Eine riesige Flugechse, in der ein gestörter Aztekenpriester (Amir Aboulela) sogleich die Reinkarnation des Gottes Quetzalcoatl zu erkennen glaubt, hat sich ein Nest in einem Manhattaner Wolkenkratzer gebaut. Von dort aus fliegt sie über die sommerliche Skyline und schnappt sich Sonnenbadende und Fensterputzer von Dächern und Fassaden. Der Kleinganove Quinn (Michael Moriarty) entdeckt durch Zufall die Behausung des Viechs, will den Stadtoberen seine Informationen aber nur gegen ein passendes Entgelt preisgeben.
Sonderlich spannend ist "Q" (könnte gleichermaßen als Initial für das Monster oder den Protagonisten stehen) nicht geraten, was ich übrigens selbst als Steppke schon so empfunden hab. Seinen dennoch nicht zu leugnenden Charme zieht der Film aus einer kruden Mischung der ihn säumenden Verlierergeschichte um den wenig sympathischen Halunken Quinn (Moriarty: oscarreif!) und natürlich dem altbekannten Monsterplot, bezüglich dessen Cohen einen potenziellen, großen Fehler ausspart: Als der ermittelnde Detective Shepard (David Carradine) auf den vorsichtigen Trichter kommt, was da eigentlich seine Kreise über New York ziehen könnte, stellt ihn von vornherein erst gar niemand mehr in Frage. Anno '82 hat eben jeder seinen "Jaws" gesehen. Und so räuchert man die "geflügelte Schlange" kurzum mit vereinter Feuerkraft und massig Blei aus - übrigens nicht in spektakulären Luftkämpfen, nein, die Kuckluken an Skyscraper No. 41 reichen völlig aus.
Auch wenn die stop motion - Abteilung diesmal keinen riesigen Primaten, sondern nur ein fliegendes Reptil auf Manhattan loslässt, ein bisschen Mitleid darf und muss man schon haben am Ende. Schließlich will Q ja auch nur sein(e) Baby(s) großkriegen ...
7/10
#588
Geschrieben 04. Januar 2007, 10:48
Captain Blood (Unter Piratenflagge) ~ USA 1935
Directed By: Michael Curtiz
Während der verbrecherischen Regentschaft König James II (Vernon Steele) wird der vermeintliche Rebellensympathisant Dr. Blood (Errol Flynn) als Sklave in die Karibik verschachert, wo er zunächst zum Leibarzt des von Gicht geplagten Gouverneurs Steed (George Hassell) und dann, nach einem erfolgreichen Fluchtversuch, zum gefürchteten Piratenkapitän avanciert. Der heimische coup d'état Williams III schließlich amnestiert Blood und lässt ihn sogar gegen die Franzosen kämpfen.
Aaaah, herrlich. Der im Englischen landläufige, wenig wohlklingende Überbegriff für die glorreichen Mantel- und Degenfilme, die Curtiz und Flynn entscheidend mitkreiert haben, lautet "Swashbuckler", was zu deutsch "Säbelrassler" bedeutet. Jedem, der einen Grundkurs in Sachen swashbuckling absolvieren möchte, kann man "Captain Blood" nur wärmstens ans Herz legen. Hier ist alles in stimmigster Komposition vereint, was das Genre ausmacht: ein edler, raubeiniger Held, eine ganze Armee übler Gegenspieler, bestehend aus Despoten und Berufsgenossen (Basil Rathbone), sorgfältige Ausstattung, (pseudo-) exotische Kulissen, Romantik, Wortwitz im Dialog, Fechtduelle. Und ein damit einhergehender Unterhaltungsfaktor, den das gegenwärtige Mainstreamkino nicht im Traum erreicht.
Für den gebürtigen Australier Flynn legte die Rolle des Peter Blood den Grundstein seiner Erfolgslaufbahn: Sie nagelte ihn auf den Typus "romantischer Abenteurer" fest, bedeutete seine jeweils erste Zusammenarbeit mit Michael Curtiz und Olivia de Havilland (von zehn bzw. acht) und darf natürlich, trotz der Stummfilme um Douglas Fairbanks sen., als prägend-archetypisch angesehen werden. In zwei weiteren Filmen ("The Sea Hawk", "Against All Flags") sah man Flynn noch als Freibeuter mit Herz, wovon zumindest einer noch die Klasse dieses Originals erreichen konnte.
10/10
#589
Geschrieben 05. Januar 2007, 09:05
Greystoke: The Legend Of Tarzan, Lord Of The Apes ~ UK 1984
Directed By: Hugh Hudson
John Clayton, der junge Earl von Greystoke (Paul Geoffrey) reist 1885 mit seiner Frau (Cheryl Campbell) von Schottland nach Afrika. Auf Äquatorhöhe kentert ihr Schiff und die Claytons sind gezwungen, im tiefsten Urwald zu hausen. Bald sterben beide, nicht ohne einen Säugling zu hinterlassen, der von einer Horde Affen aufgezogen wird. Erwachsen geworden, wird der Affenmensch (Christopher Lambert) von einem belgischen Zoologen (Ian Holm) ausfindig gemacht und zurück in die Zivilisation überführt, wo er bald sein aristokratisches Erbe antreten soll. Doch das steife Schottland erweist sich als Hort der unangenehmsten menschlichen Eigenschaften.
Burroughs meets Austen in der einzigen Verfilmung des Trivialliteraten und Tarzan-Erfinders E.R. Burroughs, die das Romanoriginal nicht nur adäquat adaptiert, sondern deren geistige Auswüchse sogar noch überhöht und überspitzt. Der grundlegende, vermeintlich rüpelhafte Abenteuermythos dient Hudson als Initiation einer bleischweren symbolbefrachteten Allegorie über den Fluch der Kultur und ist die wohl "grünste" Studioproduktion der sterilen 80er Jahre. Zwar ist auch das Dschungelleben voll von tragischen Schicksalsfügungen, aber hier ist ihr Auslöser nicht menschliche Arroganz. "Greystoke" war Lamberts Kinodebüt, und er präsentiert sich mit seiner perfekt einstudierten Affigkeit gar nicht mal übel neben der gestandenen Garde britischer Schauspielgrößen um Holm und Ralph Richardson. Auch die Mannschaft hinter der Kamera, darunter der dreifache Kubrick-Kameramann John Alcott, der Hudsons Faible für gewaltige Landschaftstotalen mit ergrautem schwerem Firmament Rechnung trägt, Rick Baker mit seinen unschlagbaren Affenkostümen und Scriptautor Robert Towne, sorgt für genießerische Momente.
Für mich als damaligen Kinobesucher ist dies wieder ein Film mit besonderen Bezugspunkten, der mich schon als kleiner Junge mit klopfendem Herzen im Saal sitzen ließ.
Die perfekte Ergänzung zu allen Weissmüller-, Barker-, Ely- und Scott-Tarzanen.
9/10
#590
Geschrieben 05. Januar 2007, 09:30
Bugsy ~ USA 1991
Directed By: Barry Levinson
Ben "Bugsy" Siegel (Warren Beatty) kommt gegen Ende der 30er Jahre an die Westküste, um für sein Syndikat ein paar Gangsterkollegen einzuspannen. Er verliebt sich in die glamouröse Schein-und-Sein-Welt Hollywoods und ganz besonders in die Filmstatistin Virginia Hill (Annette Benning). Nach einem Trip in die Wüste Nevadas ersinnt Bugsy, der seinen Beinamen hasst, den fanatischen Plan, ein gigantisches Casino bei Las Vegas zu bauen. Dieses immer teurer werdende Vorhaben kostet ihn bald Kopf und Kragen.
Siegel, aus der Truppe um Meyer Lansky (Ben Kingsley) und Lucky Luciano (Bill Graham), war Gangster zu einer Zeit, in der es Spaß gemacht haben muss, Gangster zu sein. Vorausgesetzt natürlich, man war nicht ganz so narzisstisch, psychotisch und verschwenderisch wie Siegel. Wie die meisten Gangsterstreifen der frühen 90er, viele von ihnen zugleich period pieces, überzeugt auch "Bugsy" fast auf ganzer Linie. Ein hervorragendes Schauspielensemble (weiterhin Mantegna, Keitel, Gould), das detailträchtige, edle Ambiente, geschliffener Dialog und natürlich die unvermeidliche Musik Morricones (s. "The Untouchables" / "State Of Grace") tragen dazu bei. Der winzige Fehler, den das Buch macht (und der einem Kollegen wie Scorsese in seiner fast dokumentarischen Präzision niemals unterlaufen wäre) ist der, der Liebesgeschichte zwischen Siegel und Hill ein wenig zuviel Platz einzuräumen. Dass es letztendlich seine Vernarrtheit in das promiskuitiv-durchtriebene Weibstück ist, die Bugsy zu Fall bringt, wird so eingehend betont und durchexerziert, bis es auch wirklich der allerletzte verstanden hat. Ein kleiner Makel in einer ansonsten makellosen Vorstellung.
9/10
#591
Geschrieben 06. Januar 2007, 09:53
Flic Ou Voyou (Der Windhund) ~ F 1979
Directed By: Georges Lautner
Der Pariser Hauptkommissar Borovitz (Jean-Paul Belmondo) ist ein Mann fürs Grobe und soll daher in dem Sündenpfuhl Nizza, wo zwei gegnerische Gangster (Georges Géret, Claude Brosset) das Sagen haben, für Ordnung sorgen. Mit äußerst rüden Methoden geht er gegen die Halunken und den korrupten Polizeiapparat vor, gibt sich zunächst selbst als Kleinkrimineller aus und bringt in bester "Yojimbo"-Manier die beiden Banden gegeneinander auf. Als jedoch Borovitz' Tochter (Julie Jézéquel) ausbüchst, um ihren Papa an der schönen Côte D'Azur zu besuchen, wird der Kommisar angreifbar - was die Verbrecher wohlfeil auszunutzen wissen.
Traditioneller Bebel, eine Mischung aus den komödiantischen Tausendsassa-Sachen, wie er sie in den 70ern zuhauf brachte einerseits, und seinem noch etwas jüngeren Image als zur Selbstjustiz neigender Beamter. Borovitz' Methoden sind auf ganzer Linie unkoscher und wenn ihm mal einer wirklich böse ans Bein pinkelt, dann wird der auch gleich komplett abserviert (und zwar ziemlich farbenfroh mit Hochdruck in der Sauna). Zwischendurch macht er die Oberverbrecher zum Gespött, räuchert ihre Geschäftsräume aus und hetzt sie sich gegenseitig an die Kehle. Dazwischen bleibt - die schwächeren Szenen des Films, ohne die er sich wesentlich besser gemacht hätte - immer noch genug Zeit, um eine mondäne Dame (Juliette Mills) abzuschleppen und Familienzwistigkeiten mit seiner pubertierenden Tochter auszutragen. Alles in allem aber ein wendungsreiches, dank Rainer Brandt auch in der eingedeutschten Sprachfassung flapsiges Vergnügen, das wie immer seinen Hauptdarsteller über alle Sphären hievt.
6/10
#592
Geschrieben 06. Januar 2007, 10:20
The Punisher: Extended Cut ~ USA 2004
Directed By: Jonathan Hensleigh
Nachdem bei einem Undercover-Einsatz der Polizei einer der beiden Zwillingssöhne (James Carpinello) des Gangsterkönigs Saint (John Travolta) ums Leben gekommen ist, sucht dieser, auf Rache sinnend, nach dem vermeintlich Verantwortlichen. Namentlich handelt es sich dabei um Frank Castle (Thomas Jane), dessen gesamte Familie Saint nun im Gegenzug ermorden lässt. Castles perfider Rachefeldzug gegen Saint gerät zu einem Manifest der Vergeltung.
Mindestens ebenso gut wie die Verfilmung von 1989, aber mit einem deutlich differierenden Ansatz, ist der "Punisher" 04 als Adaption des gleichnamigen Marvel-Reihe ein wahrer Glücksfall in mehrerer Hinsicht: Er belebt in vorzüglicher Weise das längst totgeglaubte Genre der Rotseher-Filme bzw. transportiert es zurück auf die große Leinwand und zollt vor allem der Vorlage und damit deren Anhängern ein solches Tributmaß, wie es eine Comicverfilmung überhaupt nur kann. Dabei orientiert sich das Script vornehmlich an der letzten Inkarnation der Figur durch den nordirischen Autor Garth Ennis, dessen Stil stets besonders zynisch und graphisch ausfällt, sich aber auch großer Beliebtheit erfreut. Der ganze Subplot um Castles seltsame Wohngenossen (Rebecca Romijn, Ben Foster, John Pinette) und die verrückten Killer ("Mad Johnny Cash" Mark Collie, "Russe" Kevin Ness), die gegen ihn entsandt werden, entstammt fast exakt so Ennis' Geschichten. Da jauchzt das Kennerherz.
Auch das nun das Totenkopf-Shirt auf solch eine ergreifende Weise Einzug hält, ist äußerst erfreulich. Dieses dritte Anschauen war insgesamt mehr als überzeugend und lässt nur ein Urteil zu: Erste Klasse.
Ein Wort zum extended cut: Dieser erzählt vornehmlich (ähnlich wie die erweiterte "Daredevil"-Fassung) noch eine komplette, zusätzliche Geschichte um Castles Ex-Kriegskameraden und jetzigen Kollegen Jimmy Weeks (Russell Andrews), dessen Spielsucht Castles Familie letztendlich zum Verhängnis wird. Diese Szenen nehmen sich sehr bitter aus, gliedern sich aber auch vorzüglich in das Storygerüst ein und wirken keinesfalls überflüssig oder als künstlicher Dehner. Dass sie ehedem entfernt werden mussten, erklärt sich wohl mit der stattlichen Laufzeit von 140 Minuten. Zudem hat man nun noch die Möglichkeit, sich ein in Kuwait spielendes, teils mittels Rotoskopieverfahrens geschaffenes Präludium anzuschauen, das die Beziehung zwischen Castle und Weeks noch zusätzlich erhellt.
9/10
#593
Geschrieben 06. Januar 2007, 18:53
The Third Man (Der dritte Man) ~ UK 1949
Directed By: Carol Reed
Der amerikanische Groschenromanautor Holly Martins (Joseph Cotten) kommt auf Einladung seines alten Kumpels Harry Lime (Orson Welles) in das Wien der Nachkriegstage. Dort angekommen, wird Martins erstmal mit der überraschenden Nachricht konfrontiert, dass Lime kurz zuvor bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Bald darauf eröffnet ihm ein britischer Major (Trevor Howard), dass es nicht mal schade um Lime sei, schließlich wäre er der größte Penicilinschieber der zerstörten Stadt gewesen. Martins kommt das alles spanisch vor und so untersucht er die Umstände von Limes Tod. Alsbald stößt er auf ein paar Ungereimtheiten.
Lange Schatten auf zerbombter Architektur, Zither-Inferno, Kamera in Schräglage: 'S kann ja bloß "Der dritte Mann" sein. Reeds Film würde ich als einen von vielleicht zehn einstufen, deren (möglichst genaue) Kenntnis absolute Pflicht für jeden sich selbst 'kulturell versiert' schimpfenden Menschen ist. Ein Lehrstück in allen Belangen, die das Medium ausmachen und dabei auch noch so spannend und stimulierend anzuschauen. Auch zum x-ten Mal.
10/10
#594
Geschrieben 07. Januar 2007, 13:08
The Drum (Gefahr am Doro-Pass) ~ UK 1938
Directed By: Zoltan Korda
Im Indien der vorletzten Jahrhundertwende ergreift der despotische Hundsfott Prinz Ghul (Raymond Massey) die Herrschaft über das kleine Königreich Tokrot. Dem rechtmäßigen, anglophilen Thronfolger Azim (Sabu) gelingt die knappe Flucht. Doch kann er sich nicht lang im Untergrund versteckt halten, den sein Freund Captain Carruthers (Roger Livesey) soll mitsamt seinem Regiment in einem groß eingefädelten Massaker das Leben lassen. Der beherzte Azim erfährt von der geplanten Schweinerei und muss den Captain rechtzeitig warnen.
Ein interessanter Gedanke, wie die weltweite Kinolandschaft heute womöglich aussähe, hätte es keinen Zweiten Weltkrieg und die daraus erfolgende, marode europäische Filmindustrie gegeben.
Was dem Deutschen Reich die Ufa, war den Briten der ungarischstämmige Produzent Alexander Korda, der es mit großem Aufwand, prächtigem Technicolor und seinem Bruder Zoltan auf dem Regiestuhl verstand, schönste Abenteuergeschichten zu fertigen (meist kreisend um die seinerzeit wohl unvermeidbare Kolonialromantik). Diese vermochten mit ihrer technischen Vollkommenheit selbst Tinseltown erzittern zu lassen. Für die zweite Hauptrolle neben dem strahlenden erwachsenen Helden bediente sich Korda häufig des indischen Jugenddarstellers Sabu, der mit seinem attraktiv-athletischen Äußeren vortrefflich als exotische Identifikationsfigur für den europäischen Durchschnittsknaben diente. "The Drum" ist ein typisches Beispiel für Kordas Produktionsweise: Zu weiten Teilen am pittoresken Originalschauplatz gefilmt, mit großen Massenszenen, einem noch größeren Bösewicht (in diesem Falle Raymond Massey, dessen prägnante Gesichtszüge sich auch durch dichtes Make-Up und angeklebten Bart nicht kaschieren ließen) und einer herlich naiven Geschichte - das ganz, ganz große Abenteuer!
8/10
#595
Geschrieben 07. Januar 2007, 17:55
Invasion Of The Body Snatchers (Die Dämonischen) ~ USA 1956
Directed By: Don Siegel
Als Dr. Bennell (Kevin McCarthy) nach längerer Abwesenheit in sein Heimatstädtchen Santa Mira zurückkehrt, muss er feststellen, dass dort eine seltsame Art von Massenpsychose um sich greift: Diverse Menschen klagen urplötzlich darüber, dass Nachbarn und Familienmitglieder trotz unverändertem Äußeren nicht mehr sie selbst seien. Bald findet Bennell den Grund für diese Behauptungen heraus: Außerirdische Sporen ahmen menschliches Leben nach und ersetzen das Original durch ein seelenloses Duplikat.
Einer der wichtigsten Science-Fiction-Filme der 50er Jahre, von denen mehrere metaphorisch die kommunistische Machtübernahme aus paranoider US-Sicht nachzeichneten: unfreiwillige Affirmation, Individualitätsverlust und Kollektivwerdung, die entweder, wie hier, durch unmittelbare Substitution, in anderen Fällen auch durch die Umdrehung der Persönlichkeit oder direkte kriegerische Offensive stattfand oder stattzufinden drohte.
Bemerkenswert an "Body Snatchers" ist der kammerspielartige Aufzug seines Szenarios. Optische Spezialeffekte gibt es nur in Form einer einmal sichtbaren Schote im metamorphosen Stadium und der paar wenigen bohnenartigen Gummihülsen, die hier und da zu sehen sind. Anders als in Artverwandtem kommen keine außerweltlichen Untertassen oder monströse Aliens, um uns heimzusuchen. Die Invasion läuft im Gegenteil beinahe unbemerkt ab. Würde Bennell nicht zufällig gerade einen zweiten Frühling mit seiner Jugendliebe (Dana Wynter) und einen dementsprechend erhöhten Hormonspiegel erleben - man darf davon ausgehen, dass auch er sang- und klanglos abgelöst worden wäre. Das effektivste Allheilmittel gegen die Übernahme wäre also inbrünstige Liebe!
Doch im Ernst: Gerade seine einfachen Mittel machen den Film auch heute noch so außerordentlich spannend; seine Kürze macht ihn so pointiert und sowieso immer noch zur besten unter den bislang drei "Body Snatchers"-Variationen.
9/10
#596
Geschrieben 08. Januar 2007, 20:49
The Sea Hawk (Der Herr der sieben Meere) ~ USA 1940
Directed By: Michael Curtiz
Die Rivalität zwischen Königin Elizabeth I (Flora Robson) und Phillip II von Spanien (Mantagu Love) führt zu höfischen Intrigen und andauernden Scharmützeln zu Land und zu See. Captain Thorpe (Errol Flynn), galanter Seefahrer im Dienste Englands und erfolgreichster Streiter der "Seefalken", eröffnet der Königin den Plan, den Nachschub der spanischen Armada von Mittelamerika aus abzuschneiden. Doch fliegt seine Mission auf und Thorpe gerät in spanische Gefangenschaft. Sein Siegeswille bleibt jedoch ungebrochen.
In der Tradition von "Captain Blood" lieferte fünf Jahre später das fast identische Team diesen Quasi-Nachfolger ab, der natürlich um Einiges größer, schöner und teurer aussieht als das Original. Flynn war mittlerweile etabliert und das beste Pferd im Stall der Gebrüder Warner. Zudem wurde der Erfahrungsreichtum, den Curtiz und Flynn nebst dem restlichen Team aus den vorhergehenden Kostüm- und Abenteuervehikeln ziehen konnten, hier in professionellst möglicher Weise ausgespielt. Dennoch wirkt "Captain Blood" ingesamt etwas beseelter, wagemutiger und frischer als dieser neuerliche swashbuckler. Dem schieben auch ausgefallene Ideen wie die, den in der panamaischen Meerenge angesiedelten Mittelteil, in dem Thorpe und seine Mannen sich im tropischen Sumpf verlaufen, durch eine Sepiakamera zu fotografieren, keinen Riegel vor. Doch sich an "Captain Blood" messen zu müssen, ist auch ein allzu schweres Los. Festzuhalten bleibt weiterhin, dass auch "The Sea Hawk", ebenso wie viele andere ähnliche Werke aus jenen Tagen, von einer einzigartigen Qualität und Fertigkeit ist, die leider irgendwo auf dem Meer der Zeit über Bord gegangen sein muss.
9/10
#597
Geschrieben 09. Januar 2007, 19:59
The Brute Man ~ USA 1946
Directed By: Jean Yarbrough
Der ehemals gutaussehende Ex-Student Hal Moffett (Rondo Hatton) hat sich nach einem selbstverschuldeten Unfall im Chemielabor in einen entstellten Irren verwandelt, der in blindwütiger Raserei nahezu jeden, der ihn schief anschaut, mit bloßen Händen erwürgt. Nur bei der blinden Helen (Janes Adams) findet er Unterschlupf. Die Kosten für eine Operation, die ihr Augenlicht wiederherstellen könnte, sind astronomisch, aber der "Creeper", wie die Presse Moffett getauft hat, kennt keine Scheu bei der Geldbeschaffung.
"The Brute Man" war ursprünglich als Finalschuss für Universals Horrorzyklus gedacht, doch angesichts des Ergebnisses bekamen die Verantwortlichen kalte Füße und schusterten die Verleihrechte für 'nen Appel und 'n Ei der PRC zu. Der Streifen lässt denn auch tatsächlich die gelackte, studioübliche Qualität, die selbst noch spätere, wenig meisterhafte Universal-Grusler mitbrachten, vermissen und präsentiert sich ganz als schmutziges Schmierenmelodram der Kategorie Hinterhof - dabei macht gerade das sein einprägsames Erscheinungsbild aus. Das und die Tatsache, dass Rondo Hatton, der Darsteller des Creeper tragischerweise kein Make-Up trug, sondern tatsächlich über eine solch deformierte Erscheinung verfügte. Hatton litt an Akromegalie und erlebte bei der Universal eine kurze, seltsame Ruhmeszeit als eine Art "monster without mask". Zwei Monate nach Beendigung der Dreharbeiten verstarb er. Über die Art, in der er seine Krankheit exponierte, wurde seinerzeit viel diskutiert. Sein Antagonist im Film, Tom Neal, wurde indes einige Zeit später zu einer längeren Haftstrafe wegen Totschlags an seiner Gattin verurteilt - es sind eher die skandalösen Nachwehen, die "Brute Man" seinen Bekanntheitsgrad eintrugen. Nichtsdestotrotz ist der Film mit all seinen plüschigen Dreingaben - von den ziemlich unsinnigen Gewalttaten des Creeper bis hin zu der obligatorischen blinden Maid, deren Herz umso besser sieht - ein kleines Schmuckstück und jedem Genrefreund zuzutun.
7/10
#598
Geschrieben 10. Januar 2007, 16:58
Dragonwyck (Weißer Oleander) ~ USA 1946
Directed By: Joseph L. Mankiewicz
Die aus einem gottesfürchtigem Farmerhaushalt stammende Miranda Wells (Gene Tierney) nimmt Mitte des 19. Jahrhunderts eine Einladung des entfernten und unbekannten Verwandten Nicholas Van Ryn (Vincent Price) an, für einige Zeit auf dessen Anwesen Dragonwyck zu wohnen. Van Ryn ist ein feudalistisch lebender Großgrundbesitzer, dessen Exzentrik insbesondere seiner recht verhärmt wirkenden Frau (Vivienne Osborne) zusetzt. Als diese stirbt, dauert es nicht lang, bis Miranda einen Antrag von Van Ryn erhält. Verblendet von Van Ryns wohlhabendem Lebensstil willigt sie ein - eine Entscheidung, die sich bald als sehr unglücklich herausstellt.
In der Tradition von Schauerromantik-Epen à la "Gaslight" und "Rebecca" stehendes Kostümstück und die erste Regiearbeit von Mankiewicz. Um es kurz zu machen: Neben den sorgsam in Szene gesetzten Kulissen und Garderoben hebt einzig Vincent Price dieses offenbar sehr an gesenkte feminine Ansprüche gemahnende Drama mit Mysterytouch leicht über den Schnitt. Hier liefert er nämlich bereits eine ausgiebig-gekonnte Studie des Schlossherrn zwischen Diabolik und Irrsinn, den er rund zwei Dekaden später so oft für Cormans Poe-Verfilmungen geben sollte. Gleich in den ersten Sekunden seiner filmischen Einführung kommt man nicht umhin, zu registrieren, dass Van Ryn nicht alle Nadeln an der Tanne hat - umso verwunderlicher Mirandas späteres Ehegelübde. An Suspense oder gar Grusel ist derweil wenig zu erhaschen; lediglich eine kurze Szene, in der Van Ryns Tochter (Connie Marshall) glaubt, die längst verstorbene Urgroßmutter auf dem Spinnett spielen zu hören, lässt eine kurze Gänsehaut anfliegen - die dann jedoch eilig wieder abdreht.
Interessant noch die neuerliche Kombination Tierney - Price, die aufgrund des meisterlichen "Laura" eigentlich Besseres versprach, letztlich aber nicht zu halten wusste.
5/10
#599
Geschrieben 10. Januar 2007, 22:01
The Puppet Masters ~ USA 1994
Directed By: Stuart Orme
In Iowa landet ein Raumschiff mit widerlichen Parasiten an Bord, die sich über das Rückenmark mit anderen Lebewesen verbinden und diese kontrollieren können. Die Viecher verfügen dabei jedoch über einen Kollektivverstand, dessen Ziel es ist, die Erde zu erobern. Agent Nivens (Donald Sutherland) und Sohnemann (Eric Thal) haben aber etwas dagegen.
Hollywood Pictures, das für "Puppet Masters" verantwortliche Produktionsstudio, hatte wohl ziemliches Glück. Zumindest mir würden auf Anhieb mindestens zehn Parteien einfallen, die mit Fug und Recht die eine oder andere lustige Plagiatsklage hätten anstreben können.
Aber natürlich ist der große Klau Gang und Gäbe im Filmgeschäft, außerdem beruft sich der Film auf den gleichnamigen Roman von Robert Heinlein aus den frühen 50er Jahren. Demzufolge gibt es auch Paranoia-Sci-Fi par excellence, mit Welteroberungsphantasien, die anno '94 schon beinahe anachronistisch gewirkt haben. Immerhin ist der Film bei aller Abkupferei in Auftreten und Aussehen um Einiges ehrlicher und ansehnlicher als der zwei Jahre später nachfolgende "Independence Day" und das trotz (oder gerade wegen) deutlich preisgünstigerer Produktion. Doch gerade das große B, das Ormes Film aus allen Poren trieft, macht ihn interessant: Es wimmelt vor unverhohlen aufbereiteten Klischees und mit dem Wissen um die Verwandtschaft ihrer geistigen Herkunft entdeckte ich nach einigen Jahren Abstand so manche Parallele zu Verhoevens "Starship Troopers".
Trotz der zahlreichen kleinen Mängel würde ich "Puppet Masters" bedenkenlos auf die Programmliste "Ein Streifzug durch extraterrestrische Invasionen im amerikanischen Film" setzen, wenn auch vielleicht nicht gerade an erster Stelle.
5/10
#600
Geschrieben 12. Januar 2007, 15:05
Stille Dage I Clichy (Stille Tage in Clichy) ~ DK 1970
Directed By: Jens Jørgen Thorsen
Der brotlose Literat Joey (Paul Valjean) und sein Kumpel Carl (Wayne Rodda) leben als Bohemiens im Paris der ausgehenden 60er Jahre. Sie bekommen häufig kaum die Butter aufs Brot, aber haben stets einen Notgroschen für die Damen parat. Mit einer Hand im weiblichen Schritt und der anderen an der Schreibmaschine übersieht Joey dabei nicht selten die gewisse Grenze, die man nicht überschreiten sollte.
Die Wiederbegegnung nach langer Zeit mit diesem Film erinnerte mich an meine eigene Sturm- und Drang-Zeit, in der ich Bukowski und Miller für die beiden Stützsäulen des abendländischen savoir vivre hielt. Faszinierend ist der Film nach wie vor. Abgesehen von der Vielfalt an stilistischen Mitteln, mit denen Thorsen Millers autobiographischen Roman bebildert, sind vor allem die Ohrwurm-trächtigen Songs des Liedermachers Country Joe das Salz im Clichy-Süppchen. Streitbar hingegen die Freiheit, die sich der auteur in der Umsetzung des sorgsam umschriebenen Ambientes nimmt: Aus den ausgelassenen 20ern den Sprung in die trügerisch friedliche Hippiezeit zu wagen und sich der Themen "freie Liebe" und "Hedonismus" in der Gegenwart anzunehmen, das stieß und stößt sicher viele Freunde Millers vor den Kopf. Ich empfinde diesen Kniff nach wie vor als probates Mittel zur Unterstreichung des Lebensgefühls, das Thorsens Film gewissermaßen schon zu einer gelungenen Literaturverfilmung macht, gelungener jedenfalls als die sich adäquater gebende Variante von Chabrol aus den 90ern.
7/10
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