In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#631
Geschrieben 05. Februar 2007, 18:47
Paura Nella Città Dei Morti Viventi (Ein Zombie hing am Glockenseil) ~ I 1980
Directed By: Lucio Fulci
In Dunwich, einem Nest an der Ostküste, geht's drunter und drüber, nachdem der örtliche Pfarrer (Fabrizio Jovine) sich erhängt hat. Frisch Verstorbene stapfen durch die Gegend und sehen aus wie durchgebrutzelt, die Bevölkerung scheißt sich vor Angst in die Hosen und macht zunächst den Delinquenten Bob (John Morghen) für die Untaten verantwortlich. Als diesem jedoch ein besorgter Vater einen Schraubstock durchs Hirn ballert, scheidet Bob als Täter aus - zumindest bis er selbst wiedergeht. Ein New Yorker Reporter (Christopher George) und ein Medium (Catriona MacColl), das er unter seltsamen Umständen kennenlernt, fahren nach Dunwich, um zu klären, was los ist.
Im Gegensatz zu den meisten anderen seiner Filme aus dieser Ära fand ich Fulcis "Città" immer eher mäßig. Das lag und liegt wohl in erster Linie an der versatzstückartigen Präsentation. Wo bei "Zombi 2" und "Quella Villa Accanto Al Cimitero" jeweils alles der Narration dient und "L'Aldilà" der Kreierung reinster Atmosphäre gewidmet ist, kommt der Glockenseil-Pfaffe sehr durchwachsen daher. Manche Szenen sind nichts weiter als lustlose Lückenfüller, andere, wie die Flucht durch die Familiengruft der Thomas' wiederum glänzend gelungen. Trotz des Spaßes, den man mit dem Teil haben kann: Es überwiegt die Konfusion nebst einer großen Denkblase mit dickem Fragezeichen, durchbrochen von ein paar Lachern (Christopher George befreit die lebendig begrabene MacColl mit einer Spitzhacke aus ihrem Sarg - und prügelt dabei immer punktgenau auf Schädelhöhe) - dennoch bleibt das unerklärlich gute Gefühl, "Città" jederzeit griffbereit im Regal stehen zu haben.
5/10
#632
Geschrieben 06. Februar 2007, 07:38
I Walked With A Zombie (Ich folgte einem Zombie) ~ USA 1942
Directed By: Jacques Tourneur
Krankenschwester Betsy (Frances Dee) lässt sich per Agentur auf die Karibikinsel San Sebastian versetzen, um Jessica, die paralysierte Frau (Christine Gordon) des Zuckerrohrpflanzers Holland (Tom Conway) zu pflegen. Jessicas merkwürdiger, unheilbarer Zustand bereitet Betsy Kopfzerbrechen - zumal sie sich in den verbitterten Holland verliebt und alles tun möchte, dass dieser wieder glücklich wird.
Dem Phantastischen Film ist "I Walked" bestenfalls sekundär zuzuordnen - es stehen unerfüllte Liebe, kolonialistische Arroganz und ein bisschen Voodoo-Zauber im Vordergrund. Die wenigen Schauerszenen sind Tourneur aber vorzüglich geglückt und gewissermaßen wegweisend für die karibische Subsektion im Zombie-Genre. Diese interessierte sich stets für die ethnischen Hintergründe und die Herkunft des Glaubens an derartigen Hokuspokus, der, wie man weiß, so mächtige suggestiv-hypnotische Aspekte beinhaltet, dass mancher Rationalist da kaum noch hinterherkommt.
Wie dem auch sei, "I Walked" ist einer von Tourneurs schönsten Filmen, romantisch, bedrückend und sehr, sehr traurig.
9/10
#633
Geschrieben 07. Februar 2007, 06:17
Shadows (Schatten) ~ USA 1959
Directed By: John Cassavetes
Momentaufnahmen aus dem Leben dreier New Yorker Geschwister (Lelia Goldoni, Ben Carruthers, Hugh Hurd), die als Bohémiens nicht nur mit der Sicherung ihrer jeweiligen Existenz, sondern auch mit dem alltäglichen Rassismus zu kämpfen haben, dem äußeren wie dem nach innen gerichteten. Pikanterweise sieht man im Gegensatz zu Hugh, dem ältesten, den beiden jüngeren Geschwistern Lelia und Ben ihre schwarze Herkunft nicht an.
"The film you've just seen was an improvisation." In der Absage an jegliche Artifizialität und Distanz, die dem Medium in diesen Tagen, gerade in den USA, noch wie selbstverständlich zu Eigen waren, erkennt man bereits den späteren Cassavetes. Sein Debüt als auteur zeichnet sich bereits durch ungebremsten Realismus aus, erzählt von den kleinen, alltäglichen Katastrophen im Kern, von der Demontage der glücklichen Familie, herbeigeführt von innen heraus. Die Charakterzeichnungen erklären sich allein durch Gespräche und lassen jederzeit Interpretationen zu. Ben, der Mittlere, ist dabei am Rätselhaftesten. Was ihn umtreibt, kann man nur erahnen.
Interessant, wie Spike Lee in "Jungle Fever" das Thema rund 30 Jahre später wiederaufnahm, zum gleichen Resümee kam (schwarz und weiß zusammen geht gegenwärtig nicht - das bedarf harter Arbeit, und die zu leisten ist man - noch - nicht im Stande) und dafür als Radikaler abgefeiert wurde.
Gäbe es Cassavetes' bewusst revolutionär angelegten Formalismus, der sich in späteren Werken der Intensität von Spiel und Dialog unterordnen sollte, nicht, "Shadows" wäre rundum stark.
8/10
#634
Geschrieben 07. Februar 2007, 21:54
Edge Of Sanity (Split) ~ USA 1989
Directed By: Gérard Kikoine
Eine chemische Reaktion in seinem Labor führt dazu, dass Dr. Jekyll (Anthony Perkins) Kokaindämpfe einatmet, um sich dann in sein böses alter ego Mr. Hyde zu verwandeln und im Londoner East End auf Hurenjagd zu gehen. Das Pfeifchen hat er zu Anfang immer griffbereit, später benötigt er es nicht mehr, weil die beiden Persönlichkeiten mehr und mehr verschmelzen. Einzig Jekylls Gattin (Glynis Barber) merkt, dass etwas nicht stimmt mit ihrem Angetrauten.
Ermüdende und misslungene Neuinterpretation der Stevenson-Geschichte, für die man - welch cleverer Schachzug - den in schizophrenen Mordangelegenheiten erfahrenen Perkins an Bord holte. Dieser wirkt arg verloren in dem unterklassigen Streifen, der auf unpassende Weise das viktorianische Zeitkolorit mit dem Neonchic der ausgehenden 80er zu verbinden sucht. Das Ganze sieht dann aus wie ein Falco-Video und hat auch einen ebensolchen Unterhaltungswert. Selbst die Idee, zwei klassisch-britische Schauergeschichten des späten 19. Jahrhunderts (die fiktive Jekyll/Hyde-Mär und die realen Whitechapel-Morde um Jack The Ripper) miteinander zu koppeln, ist im Grunde ein alter Hut. Der Ripper etwa wurde auf der Leinwand zuvor schon mehrfach von Sherlock Holmes entlarvt. Wie dem auch sei - eine große Enttäuschung ist "Edge Of Sanity" nicht - höchstens Zeitverschwendung. Und kein Ruhmesblatt für den in späten Lebensjahren bedauernswert unterforderten Anthony Perkins.
2/10
#635
Geschrieben 08. Februar 2007, 21:07
Internal Affairs ~ USA 1990
Directed By: Mike Figgis
Der junge Polizist Raymond Avila (Andy Garcia) beginnt eine Karriere bei der Behörde für interne Angelegenheiten des LAPD. Alsbald zeichnet sich sein erster Ermittlungsfall ab: Der vorgeblich erfolgreiche, in Wahrheit aber durch und durch verdorbene Streifenbulle Dennis Peck (Richard Gere) hat seine schmutzigen Finger in mancherlei üblem Geschäft.
Dieser leicht untergegangene Polizeifilm ist eine Wiederentdeckung wert. Ein bisschen fürchtet man sich ja schon vor dem Schönlingsduo Garcia / Gere, aber Figgis respektive sein Autor sind zu gescheit, um sich von so viel Machismo einfach plump über den Haufen fahren zu lassen. Die beiden Parts werden eher ironisiert und auch wenn die Divergenz der zwei Antagonisten offensichtlich ist, so erliegt das Skript nicht etwa einem banalen Schwarzweiß-Schema. Der Ausgang der Geschichte ist zwar bereits im Vorhinein sonnenklar, lässt den Rezipienten aber keinesfalls mit einem komplett geradegerückten Weltbild zurück.
Sicher, es gibt auch Schwachpunkte. So ist Avilas Ritterlichkeit in Bezug auf das weibliche Geschlecht und seine Frau (Nancy Travis) im Speziellen doch etwas latinomäßig überzogen und bricht ihm ein ums andere Mal fast das Genick - angesichts seiner sonstigen Cleverness und Professionalität ist das ein wenig unglaubwürdig. Überhaupt werden die Beziehungsgeflechte zwischen Männern und Frauen häufig angerissen und kurz, aber interessiert beleuchtet, nie jedoch konsequent seziert.
Dennoch überwiegen insgesamt die Qualitäten von Figgis' Inszenierung und das durchweg brauchbare Spiel der beiden hübschen Kerle, was vergleichbare zeitgenössische Kandidaten jeweils im Regen stehen lässt.
7/10
#636
Geschrieben 10. Februar 2007, 10:11
The Black Dahlia ~ USA/D 2006
Directed By: Brian De Palma
Die beiden boxenden Police Officers Bucky Bleichert (Josh Hartnett) und Lee Blanchard (Aaron Eckhart) verbeißen sich in den Fall der "schwarzen Dahlie", eines dahingeschlachteten Hollywoodmodels namens Elizabeth Short (Mia Kirshner). Während Blanchard sich völlig von seinen Ermittlungen vereinnahmen lässt, fördert Blanchard nach und nach ein Netz aus Lügen, Korruption, Perversion zu Tage.
Nein, der Film ist schon klasse. Auch wenn ich jetzt, nach dem ersten Sehen, ganz ehrlich gestehen muss, keinesfalls jede inhaltliche Wendung wiedergeben zu können. Vermutlich war auch ein Bier zuviel im Spiel. Grundsätzlich mag ich in den 20er bis 50er Jahren angesiedelte neo noirs, schon allein ihres regelmäßig exquisiten Looks wegen. Vilmos Zsigmonds sepiafarbene, sonnengebleichte Bilder füttern diese meine Vorliebe geradezu meisterlich aus. Hinzu kommt der groteske Humor in Verbindung mit messerscharfem Dialog - das hatte ich vorher so gar nicht erwartet, war dann aber umso begeisterter (bei der Dinner-Szene im Hause Linscott hätte ich mich fast totgelacht). Im Prinzip gehört Zynismus ja ebenso zum film noir wie ein gut sitzender Stetson, den Hartnett auch nach dem Beischlaf trägt.
Bezüglich der vielen Fettnäpfchen, in die man bei der Herstellung eines period crime movies wie diesem hier treten kann, muss man De Palma natürlich attestieren, dass er zahlreiche derselben nicht auslässt. Andererseits unterstelle ich ihm als Meister stilistischer Mechanismen, dass er mit vollkommener Absicht mittenreintritt. Ein lustvolles, zuckerwattiges Spiel mit altbekannten Ingredienzien. Zwei Punkte schließlich geben "Black Dahlia" innerhalb De Palmas Oeuvre Oberwasser: Die Bahnhofstreppenszene (als obligatorisch würde ich sie - noch - nicht bezeichnen, nach ihrem dritten Einsatz), ein Geschenk an seine Verehrer, und der Einsatz von Lenis "The Man Who Laughs" als Leitmotiv und Schlüsselelement. Ein vielsagender, brillanter Schachzug (ist der eigentlich bereits Ellroy zuzuschreiben?), bestens ausgespielt. Muss "Black Dahlia" bald wieder schauen, dann aber nüchtern, damit das letzte Drittel Geschichte sich mir auch noch erschließt, der Vollständigkeit halber.
9/10
#637
Geschrieben 10. Februar 2007, 14:15
Hard Ticket To Hawaii ~ USA 1987
Directed By: Andy Sidaris
Zwei blonde, dralle Agentinnen (Donna Speir, Hope Marie Carlton) geraten zufällig auf die Spur einer Diamantenschieberbande und nehmen diese vor Aloha-Kulisse mitsamt ihrer zwei muskelbepackten Spezis (Ronn Moss, Harold Diamond) hoch. Dummerweise treibt auch noch eine mutierte Riesenschlange ihr Unwesen, die alle Nase lang aus der Versenkung auftaucht.
Alles, was Männern Spaß macht. Oder wahlweise der totale meschuggene Blödsinn. Sidaris bringt in seinen Streifen sämtliche Versatzstücke unter, die einen zünftigen Trashklopper auszeichnen, vollbusige Playmates mit dicken Knarren, scharfe Autos, Gadgets (Frisbeescheibe mit Rasierklingen), Stunts. Und das alles zum Spartarif und mit splattrigen shoot-outs garniert. Sidaris feiert sich noch heute selbst total ab, wie neben einigen Autoreferenzen (Poster) im Film das Bonuszeug der ordentlich aufbereiteten DVD offenbart. Soll der alte Racker seinen Spaß haben.
Natürlich ist "Hard Ticket", ebenso wie sämtliche anderen Sidaris-Streifen, genau die Art infantiler Unterhaltung, die einzig und allein den niederen Körperregionen verpflichtet ist, das aber dann auch aus vollster Seele. Ich erinnere mich, die damals bei uns als Videopremiere erschienene Mär richtig toll gefunden zu haben, besonders die vollkommen beschissen aussehende Kunstboa hatte es mir angetan. Dann war da noch ein Film namens "Sevano's Seven" (dt. "Seven - Die Superprofis"), der noch schärfer daherkam und den ich ebenfalls seit 20 Jahren nicht mehr gesehen habe. Das wird sich mal ändern müssen.
5/10
#638
Geschrieben 11. Februar 2007, 10:14
First Blood (Rambo) ~ USA 1982
Directed By: Ted Kotcheff
Vietnamveteran John Rambo (Sylvester Stallone) will im Nordwesten der USA einen alten Kriegskameraden besuchen. Als er erfährt, dass diesen eine aus Südostasien eingeschleppte Krebserkrankung hingerafft hat, wandert Rambo ziellos in Richtung der Kleinstadt Hope. Der örtliche Sheriff (Brian Dennehy), dem Landstreicher zuwider sind, nimmt Rambo nach einer unwesentlichen Protestaktion fest und entfesselt damit ein Drama von ungeahntem Ausmaß.
Wahrhaft exzellente Filme zeichnen sich in erster Linie dadurch aus, dass sie ihr Publikum immer wieder mitnehmen und packen, obwohl es sie schon sein ganzes Leben mit sich herumschleppt, auswendig kennt vielleicht und ständig aufs Neue in Medien und Konversation mit ihnen konfrontiert wird. Mir hat man "First Blood" nie verleiden können. Dass ich als Piccolo den zweiten Teil mit seinen bombastischen Schauwerten, Dschungelschauplätzen und Massenmord viel toller fand, ist längst vergessen. Der wegweisendere, bedeutungsvollere Film ist hier. Dass Jerry Goldsmiths Musik kaum für Actionstimmung sorgt, sondern Drama- und Horrorelemente der Geschichte betont, ist mir erst viel später aufgefallen. Überhaupt ist da ganz viel Backwood-Stimmung drin, wenn Rambo, freilich ohne einen von ihnen zu töten, seine Verfolger im verregneten, kalten Forst mattsetzt. Sein Zusammenbruch am Ende, als er gegenüber seinem alarmierten Platoonleader (Richard Crenna) den ganzen Rotz, der ihn seit Jahren bedrückt, herauslässt, gegen Pazifisten, Regierung und Verständnislosigkeit wettert und anheult, ist die beste Szene des Films, ja, der Trilogie, und eines der wenigen wirklichen darstellerischen Glanzlichter, die Stallone in seiner Karriere setzen konnte.
Unangefochtenes Meisterwerk.
10/10
#639
Geschrieben 11. Februar 2007, 10:51
Zombi Holocaust (Zombies unter Kannibalen) ~ I 1979
Directed By: Marino Girolami
Krankenschwester Lori (Alexandra Delli Colli) wird auf einen Fall von Kannibalismus mitten in New York aufmerksam und reist, nachdem der Schuldige sich angstvoll aus dem Fenster gestürzt hat, mit dem kecken Dr. Chandler (Ian McCulloch) zu den Molukken. Ein immer wieder auftretendes Symbol, das in Verbindung mit dem rätselhaften Begriff "Kito" steht, treibt sie mitten in die primitive Inselwelt, wo Naturvölker hausen, die ratzfatz fachmännisch ausweiden können und am liebsten rohe Gedärme futtern. Außerdem gibt es da noch den nur scheinbar kooperativen Dr. O'Brian (bzw. Dr. Obrero, Donald O'Brien), der das Einzige hervorbringt, das selbst die Kannibalen das Fürchten lehrt: Waschechte Zombies, die nach einer Gehirntransplantation jeweils gesichtsentstellt durch die Gegend wanken und ihrem Herrn gefügig sind. Eine echte Klemme für die Großstadtkinder.
Ein schönes Kindergartenfest. Ich bin als 76er Jahrgang ja leider ein bisschen (zu) spät dran, aber allein der Gedanke, dass anno 80 die Leute ins Kino gegangen sind, um sich von Streifen wie "Zombi Holocaust" schockieren zu lassen, ist ebenso amüsant wie widersinnig. Ich mag mich irren, bin mir aber ziemlich sicher, dass dies der erste Italo-Splatterer ist, den ich ehedem zu Gesicht bekommen habe. Jedenfalls sind mir zahlreiche denkwürdige Stellen, ebenso wie die grandiose Synchronisation nach wie vor im Gedächtnis.
"Zombi Holocaust" markiert gleichermaßen Höhepunkt und Hilflosigkeit der mediterranen Filmmetzger: Extreme Bilder gab es zuhauf schon bei Fulci und Deodato, was also tun, um dem zunehmend abgehärteten Publikum neuerliche Ekelschauer in die Mundwinkel zu zaubern? Gut, dass es da Genies wie Fabrizio De Angelis (aka Larry Ludman) gab, die der Weisheit letzten Schluss entlockten, und auf die einzig folgerichtige Idee kamen, Zombies UND Kannibalen in einen Film zu stecken. Den wahnsinnigen Wissenschaftler samt halbgescheitem Helfershelfer (Gruß an uns molotto) obendrauf und fertig ist einer der abgewichstesten, schönsten Filme seiner Zeit. Total plemplem, aber irgendwie auch seltsam großartig.
6/10
#640
Geschrieben 11. Februar 2007, 19:21
Tarzan, The Ape Man (Tarzan - Herr des Urwalds) ~ USA 1981
Directed By: John Derek
Jane Parker (Bo Derek) kommt aus dem wohlbehüteten England ins koloniale Zentralafrika, wo ihr Vater (Richard Harris), ein Aussteiger, der seinerzeit Frau und Kind im Stich gelassen hat, sich gerade auf der Suche nach einem legendären Elefantenfriedhof machen will. Die Expedition übersteht allerlei Gefahren und trifft bald auf den stummen Dschungelmann Tarzan (Miles O'Keeffe), der an der knackigen Jane ein wahrhaft animalisches Interesse entwickelt.
Wieder mal ein Film mit einer persönlichen Geschichte: Mein Großvater hat mich damals im Vorschulalter mit ins Kino geschleppt, wohl in dem naiven Glauben, mir einen ordentlichen, kindgerechten Abenteuerstreifen vorführen zu können. Dass es sich tatsächlich um eine Nabelschau Bo Dereks handelt, die von ihrem Mann wie eine bewegliche Alabasterstatue in Szene gesetzt wird, konnte mein Opa nicht ahnen - dabei hat die betuliche Altherrenerotik des Films mich wesentlich weniger interessiert als die Attacke einer Riesenschlange und eines muskelbepackten, fiesen Pygmäen mit Iro (Wrestler Steve Cepello). Ich erinnere mich jedenfalls noch sehr gut an dieses prägende Erlebnis. Unser Kleinstadtkino besaß seinerzeit noch eine Empore, die nach einem Brand nicht wiederhergestellt wurde, und auf der ich damals mit meinem Opa saß. Es war der letzte Kinobesuch seines Lebens und den hat er immerhin mir gewidmet.
Zum Film und seinen Qualitätsaspekten ist zunächst zu sagen, dass hier einer der vielen spektakulären, seinerzeit obligatorischen Tode des bravourösen Richard Harris gezeigt wird. Jener Mime ist es auch, der mit seiner überhöhten, ausgelassenen Darstellung "Tarzan" sehenswert macht - abgesehen von der wirklich abartigen Schönheit Bo Dereks und der netten Musik von Perry Botkin. Ansonsten kann man den Streifen mit Fug und Recht in die Müllecke bugsieren, denn technisch ist er mitunter wirklich unterirdisch. Da werden völlig unmotivierte Zeitlupen eingesetzt, um Szenen zu strecken und für ein zünftiges Dschungelabenteuer ist überhaupt viel zu wenig Aktion im Bild. Aber wie erwähnt dürfte das ohnehin ein sekundäres Interesse des Machers gewesen sein. Den dicksten Vogel schießt aber O'Keeffe ab, der meilenweit davon entfernt ist, der Bezeichnung "Schauspieler" gerecht zu werden und den Titelcharakter zur reinen Staffage degradiert. So kommt es dann dazu, dass man sich längst überfällige Fragen zu stellen beginnt, die einem bei Weissmuller nie in den Sinn gekommen wären - zum Beispiel wieso Tarzan stets sauber rasiert ist, warum sein definierter Bodybuilderleib aussieht wie wachsenthaart und weshalb er eigentlich einen Lendenschurz trägt.
Trotzdem, mir macht er großen Spaß, dieser Quatsch.
6/10
#641
Geschrieben 12. Februar 2007, 21:23
Rio Lobo ~ USA 1970
Directed By: Howard Hawks
Nach dem Bürgerkrieg begegnen sich der Unionsoffizier McNally (John Wayne) und sein ehemaliger Gegner, der Südstaatencaptain Cordona (Jorge Rivero), wieder. Aus der ehemaligen Rivalität wird langsam Freundschaft, die ihre Bewährungsprobe erhält, als man einem weiteren Kumpel (Chris Mitchum) zur Hilfe kommen muss, der im Städtchen Rio Lobo der Willkür eines Gauners (Victor French) und seiner Bande ausgesetzt ist.
Die Zeiten haben sich geändert. Duke, von Alter und Krebs gezeichnet, übergewichtig und unbeweglich (wenn auch nichtsdestotrotz mit gewohntem Elan bei der Sache), spielt in seiner fünften Kooperation mit Hawks zusammen mit einem recht zweitklassigen Ensemble. Statt Robert Mitchum steht ihm nun dessen Filius Chris zur Seite, ein eher bescheidener Akteur. Anstelle von Dimitri Tiomkin kommen die untermalenden Klänge nun von Jerry Goldsmith, der sicher ein guter Komponist, für einen klassischen Western dann aber doch nicht so ganz der Richtige ist. Leigh Bracketts Drehbuch wirkt als letzter Teil einer Trilogie um ungewöhnliche Partnerschaften (nach "Rio Bravo" und "El Dorado") beinahe so, als wäre alles Wichtige längst gesagt worden. Dass in einem Hawks urplötzlich 4-letter-words auftauchen, verursacht ebenfalls ein gewisses Stirnrunzeln. Die biedere Inszenierung übertrifft kaum TV-Niveau und ähnelt der einer "Gunsmoke"-Folge.
So ist der Schwanengesang des 73-jährigen Hawks leider kein Ruhmesblatt für seinen ansonsten so ruhmreichen Regisseur und offeriert kaum mehr als eine in allen Belangen äußerst durchschnittliche Vorstellung.
5/10
#642
Geschrieben 12. Februar 2007, 21:53
Missing In Action ~ USA 1984
Directed By: Joseph Zito
Vietnam-Heimkehrer Jim Braddock (Chuck Norris) ist überzeugt, dass noch immer amerikanische G.I.s ihr Dasein in Gefangenenlagern des Vietcong fristen. Als er einsehen muss, dass sämtliche diplomatische Verhandlungen nichts bringen, startet er von Thailand aus ein Ein-Mann-Kommando mithilfe seines alten Kumpels Tucker (M. Emmet Walsh). Braddock ist tatsächlich erfolgreich.
"M.I.A." ist ein klassisches und recht aggressives Beispiel für den in den 80ern mehrfach gestarten, publikumswirksamen Versuch seitens der Verlierer, den Südostasien-Feldzug wenigstens auf der Leinwand für sich zu entscheiden. Als frühes Konkurrenzprodukt der Cannon zu dem aufwändigeren und gerade in der Präproduktion befindlichen "Rambo: First Blood Part II" ins Leben gerufen, zeigt sich immerhin ein Film, der wesentlich authentischere Einblicke in die damals gegenwärtige Situation im goldenen Dreieck gewährt, als es Cosmatos' grobschlächtige Dschungeloper tut. Faszinierend die klischeehaft überhöhte Gegenüberstellung des erzkommunistischen Vietnam, das von einer Clique aalglatt auftretender, aber verlogener und intriganter Fu-Manchus regiert wird, die hinter den Kulissen nichts als Gemeinheiten im Sinn haben auf der einen und des verräucherten Bangkok auf der anderen Seite, in dem man, Zitat, "für Geld alles kriegen kann." Dass die elende Existenz der meisten Menschen dort, bedingt durch die liberale Wirtschaftslage, jedoch keinen Deut angenehmer anzuschauen ist, liegt vermutlich nicht in der Absicht des Films, der mitunter gefährlich nahe am offenen Rassismus vorbeischlittert.
Überhaupt waren politische Beweggründe bei der Herstellung von "Missing In Action" sicher kaum der treibende Motor, auch wenn das Thema Kriegsgefangene zu Beginn der 80er kurzzeitig tatsächlich vermehrte Beachtung fand. Wer sich von derlei plumpem Populismus mitreißen lässt, ist sowieso nicht mehr zu retten. Als zeitgenössischer Actionfilm hingegen taugt er, wie das Meiste aus der Golan-Globus-Schmiede, noch immer.
5/10
#643
Geschrieben 16. Februar 2007, 13:51
The Greatest Show On Earth (Die größte Schau der Welt) ~ USA 1952
Directed By: Cecil B. DeMille
Ein großes Zirkusunterenehmen unter der Leitung des geschäftstüchtigen Brad Braden (Charlton Heston), in dessen "Adern Sägemehl anstelle von Blut fließt", tingelt durch die Staaten und bekommt es mit Liebesaffären, Intrigen, Unfällen und Ganoven zu tun.
Das Schöne: Man muss kein Zirkusfreund sein, um DeMille auf den Leim zu gehen. Gut, die Einlagen, die das Unternehmen "Ringling Bros. - Barnum and Bailey"vorstellt, sind schon mächtig ausgewalzt und beanspruchen einen großen Teil der Laufzeit. Doch mindestens ebenso lang kann man sich an der wankelmütigen Holly (Betty Hutton), dem Filou Sebastian (Cornel Wilde) oder dem geheimnisvollen Clown Buttons (James Stewart, nie ohne Maske) gütlich tun, die mit ganz viel Einsatz ihr Etablissement auf Trab halten.
DeMille war einer der letzten Hollywood-Filmemacher, die noch ehrliches, naives Unterhaltungskino im Sinn hatten, ruhig überlang, dafür aber auch speltakulär und unverhohlen sensationsheischend. Wenn er fasziniert die eisschleckenden Gesichter des Zirkuspublikums ins Visier nimmt, die jede denkbare Emotion, die an das pure Erstaunen gekoppelt ist, reflektieren, dann weiß man: Genau diese Audienz hätte DeMille gern selbst, und zwar im Kinosaal. Große Kinderaugen, dicke, laut lachende Männer, verliebt dreinblickende Fräulein - Verzauberung und Weltflucht. Dazu grellstes Technicolor - Betty Hutton bei einer Parade als Marie Antoinette, respektive ihre violett gepuderte Perücke, gibt einem kurz das Gefühl, als hätte man justament sein Bewusstsein erweitert. Irre.
8/10
#644
Geschrieben 17. Februar 2007, 10:21
Wolf Creek ~ AU 2005
Directed By: Greg Mclean
Zusammen mit zwei jungen Engländerinnen (Cassandra Magrath, Kestie Morassi) unternimmt ein Sunnyboy (Nathan Phillips) eine Reise ins Outback, wo man nach einer Wagenpanne auf einen nur scheinbar hilfsbereiten Aussteigertypen (John Jaratt) stößt.
Eine weitere Meditation zum Thema "menschliche Leidensgrenzen", wobei diese hier wohl gar nicht bis ins Letzte getrieben werden. Der lustige Mörder foltert zwar gern, fackelt aber auch nicht lang, wenn es darum geht, mit seinen Opfern kurzen Prozess zu machen. Seine Perfidie, die ihn für das etablierte Feuilleton möglicherweise interessanter macht als die meisten US-Pendants der letzten Zeit, bezieht der Film aus der Tatsache, dass er seinen Protagonisten eine lange Exposition einräumt, in der der Betrachter ausgiebig Zeit hat, ein Trio sympathischer junger Leute kennenzulernen - typische Identifikationsfiguren im Übrigen. Und kein ganz unbekannter Genrekniff mehr, schlage nach unter "Blair Witch Project" oder "Open Water".
Der Psychopath ist natürlich greifbarer und weniger realitätsentrückt als der durchschnittlich geisteskranke Maskenmann oder der altbekannte amerikanische Hinterwäldler. Mick Taylor, so sein (angeblicher) Name, macht auf den ersten Blick sogar einen recht sympathischen Eindruck.
Leider hat dies zur Folge, dass er nie ganz zu dieser kontinentalen Nemesis wird, als die ihn Mclean nur allzugern verkaufen möchte. Wesentlich interessanter ist da, unter Einbeziehung der Information, dass die Story auf Fakten beruht, die Tatsache, dass zwar die beiden Mädchen verschwunden sind, der Irre aber nie gesehen ward. Ein wenig weitergesponnen wird daraus eine singulär-perspektivische Form der Wahrheitsfindung. Denn ehrlich gesagt hat die Mär vom zigfachen Serienmörder im Hinterland doch etwas schwer Greifbares. Jedenfalls lässt erst dies "Wolf Creek" etwas aus dem Rahmen fallen. Unterdessen fragte ich mich noch pausenlos, ob ein Filmemacher, der mit verwackelter Handycam, extremen close-ups und einem nervösen Zeigefinger am Schärferegler auf die Jagd nach Eindrücken geht, sich noch als innovativ bezeichnen möchte oder überhaupt darf. Immerhin teilen wir, Mclean und ich, eine Vorliebe für dämmrige Firmament-Panoramen.
Als Genrefilm in Ordnung, aber nichts Besonderes.
6/10
#645
Geschrieben 17. Februar 2007, 13:31
Lucky Number Slevin ~ USA 2006
Directed By: Paul McGuigan
Slevin (Josh Hartnett) wird nach einigen ziemlich dummen privaten Fügungen von seinem Kumpel Nick (Sam Jaeger) nach New York eingeladen. Nick aber steht jeweils bei den beiden größten Gangstern der Stadt, den Konkurrenten Boss (Morgan Freeman) und Rabbi (Ben Kingsley) in der Kreide. Nachdem Nick durch einen Profikiller (Bruce Willis) das Zeitliche segnet, halten alle Slevin für den Schuldner und der junge Mann hat bald großen Ärger am Hals.
Fein, dass es noch Überraschungen gibt. Der größte Star dieser Gangstergeschichte ist - trotz der eindrucksvollen Besetzung - das Script, denn selbiges spielt mit der Rezeption, sowie den daraus folgenden Erwartungen und, im besten Falle, den Erfahrungswerten des Rezipienten selbst. Mag sein, dass das ein riskantes Konzept ist, das nicht immer und überall seine Erfüllung findet - zumindest in meinem Falle aber ist es glücklicherweise (für "Slevin" und mich selbst) erfolgreich aufgegangen. Das Ergebnis: Man beendet einen anderen Film, als jenen, den man glaubt, begonnen zu haben, so dass die ganze Ritchie-Tarantino-Connection, auf die man sich gelangweilterweise schon einmal mehr einzulassen befürchtet, am Ende fast vollständig verpufft ist.
Wenn man nur genau hinschaut, liegt die Lösung dessen, was man da längst zu kennen und zu wissen glaubt, eigentlich von Anfang an auf der Hand und kann doch kaum durchschaut werden. Ich würde fast soweit gehen, das als ein narratives Meisterstück zu bezeichnen.
9/10
#646
Geschrieben 17. Februar 2007, 19:42
Reds ~ USA 1981
Directed By: Warren Beatty
Die letzten Lebensjahre des linken amerikanischen Autors und späteren Politikers John Reed (Warren Beatty): Seine Bekanntschaft und Ehe mit der Journalistin Louise Bryant (Diane Keaton), die Konkurrenz zu seinem "Rivalen" Eugene O'Neill (Jack Nicholson) und vor allem die Gründung der Kommunistischen Arbeiterpartei im Widerstreit mit ursprünglichen Gesinnungsgenossen sowie der Versuch der Etablierung seiner Fraktion vor den sowjetischen Revolutionären.
Beattys gewaltiges biographisches Werk wird in Aufzählungen, die populäre Mounementalepen und Biopics vereinen, häufig unterschlagen. Vermutlich ist diese sträfliche Vernachlässigung darauf zurückzuführen, dass im Gegensatz zu den meisten ähnlich angelegten Filmen sowohl imposante Massen- und Actionszenen als auch zwischenmenschliche Tragödien zu großen Teilen ausbleiben. Stattdessen erhält man eine ausführliche Lehrstunde über Ideen, Ideale und Realitäten, über die bisweilen auftretende Diskrepanz zwischen Geist und Emotion und persönliche Integrität im Angesicht größter äußerer Widerstände. Beatty gibt seinem Film einen dokumentarischen Anstrich durch die regelmäßige Einblendung von Interviewmaterial, das er mit Zeitzeugen, Bekannten, Freunden und Gegnern Reeds aufgenommen hat und das auf höchst interessante Weise Hintergründe beleuchtet und Empathie für damalige Strömungen und Gedankenwelten begünstigt. Das Thema "amerikanische Linke" hat somit durch diesen engagierten, wichtigen Film ein bis heute einmaliges Monument erhalten, das fernab von politischer Romantisierung ein kaum beleuchtetes Thema der US-Geschichte in Angriff nimmt. Dass Beatty dabei durchaus an typisch amerikanischen Erzählkonventionen festhält, ist keineswegs verwerflich, sondern durchaus verdauungsfördernd.
10/10
#647
Geschrieben 17. Februar 2007, 23:46
Flags Of Our Fathers ~ USA 2006
Directed By: Clint Eastwood
Drei Soldaten (Ryan Phillippe, Adam Beach, Jesse Bradford) werden umgehend aus dem Pazifik zurück nach Hause beordert, nachdem eine Fotografie von ihnen und drei bereits gefallenen Kameraden erstellt wurde, auf der sie beim Hissen der US-Flagge auf Iwo Jima zu sehen sind. Das Bild schürt die patriotische Stimmung und den Siegeswillen der Amerikaner daheim und soll dem Verteidigungsministerium dazu verhelfen, möglichst umfangreich ausfallende Spendengelder in die maroden Rüstungskassen zu schleusen. Also schickt man das ganz unterschiedlich mit seinen Kriegserlebnissen umgehende Trio auf eine Art Promotour durch die Staaten.
Das Wesen des Krieges wurde nun schon so häufig und unter verschiedensten Gesichtspunkten beleuchtet, dass man bitteschön nicht dem erwartungsvollen Glauben anheim fallen sollte, Eastwood zeige noch nie Dagewesenes oder liefere gar ein bahnbrechend neues Visualisierung erschütternden Kriegsgrauens. In punkto Naturalismus gliedern sich die Gefechtsszenen des Films praktisch nahtlos in den jüngeren Kanon der sogenannten "Antikriegsfilme" ein, ohnehin legt "Flags" aber das größere Augenmerk auf die bizarre Art der Ausbeutung, die die Veröffentlichung jener legendären Fotografie nach sich zog. Unverhohlen wird den drei Soldaten vor Antritt ihrer umfangreichen Klingelbeuteltournee mitgeteilt, sie sollten bei ihren öffentlichen Auftritten und Reden möglichst oft den Begriff "Kriegsanleihen" verwenden, auf dass die aufgeputschte Bevölkerung mit ihrer Finanzkraft die Militärmaschine in Übersee stärke. Dass bereits vor fünfundsechzig Jahren die Krisenregulierungspolitik des Weißen Hauses zu großen Teilen von kommerziellen Interessen bestimmt war, ist nun keine ausgesprochene Offenbarung, dass Soldaten, die um ihr nacktes Leben fürchten, nicht die großen Helden sind, zu denen sie im Nachhinein gern überhöht werden, ebensowenig. So sind es gar nicht mal so sehr die - ungeheuer effektvoll inszenierten - Gefechtsszenen, sondern die nachdenklichen, stillen Momente, die dem Film Kraft und Auftrieb verleihen und die alte Ehe Eastwood - Krieg im Jahre Zwanzig nach "Heartbreak Ridge" um ein gesundes Stück versöhnlicher erscheinen lassen.
8/10
#648
Geschrieben 18. Februar 2007, 15:38
Ryan's Daughter (Ryans Tochter) ~ UK 1970
Directed By: David Lean
Das kleine Dorf Kirrary an der irischen Westküste, in dem Rose (Sarah Miles) lebt, ein junges Mädchen, das wesentlich weltoffener ist als ihre Nachbarn und für den Dorflehrer Charles (Robert Mitchum) schwärmt, bleibt von den Auswirkungen des Ersten Weltkriegs weitgehend verschont. Einzig die englischen Besatzer sind verhasst wie die Pest. Kurz nachdem Rose und Charles geheiratet haben, kommt der von einer Kriegsneurose gezeichnete englische Offizier Doryan (Christopher Jones) in das Kaff. Rose beginnt eine stürmische Affäre mit dem traurigen jungen Mann und wird, als die übrigen Dorfbewohner von dem Doppelverrat an Gatten und Vaterland erfahren, zur persona non grata. Einzig Charles und der Ortspfarrer (Trevor Howard) halten ihr trotz des Ehebruchs die Stange.
Gewissermaßen der Abschluss einer Trilogie, deren Beginn und erste Fortsetzung "Lawrence Of Arabia" und "Dr. Zhivago" markieren. Zwar galt Lean bereits seit "The Bridge On The River Kwai" als Spezialist für epische Stoffe, doch zahlreiche Parallelen, die die drei Folgefilme aufweisen sollten, sind bei "Bridge" noch abwesend. Die Verwandtschaft von Leans drei Großprojekten zwischen 1962 und '70 äußert sich in der periodischen Nähe der Erzählungen (alle drei Filme sind zwischen 1915 und 1920 angesiedelt und zeigen Nebenschauplätze oder politische Folgen des Ersten Weltkriegs; das Drehbuch stammt jeweils von Robert Bolt), sowie formal in den Bildern Freddie Youngs und der unübertroffenen Musik Maurice Jarres.
Lean prägt Vorstellungen, die, ist man einmal Zeuge seiner Werke geworden, sich im Gedächtnis als ewige visuelle Parallele zu ihrer abgebildeten Ära festsetzen. Wer an den Kriegsschauplatz Arabien denkt, hat "Lawrence" vor Augen, die entbehrungsreiche Oktoberrevolution sieht dann aus wie in "Zhivago" und exemplarische Eindrücke von Irlands satten Wiesen und Steilküsten samt ihrer starrsinnigen Bevölkerung zeigt "Ryan's Daughter". Zwar erlaubt die erzählerische Grundkonstellation desselben, eine Dreiecksgeschichte vor historischem Hintergrund, eine sehr viel bescheidenere Herangehensweise, aber Lean war eben Lean.
Die etablierte Kritik zerfetzte den wildromatischen Film, dessen Script sich zugegebenermaßen gelegentlich vergisst, wenn es um die Symbolkraft der Natur oder bildhafte Verbindungen zwischen einzelnen Charakteren geht, in der Luft. Lean war so frustriert, dass er 14 Jahre lang seinen Beruf ruhen ließ. Verständlich, denn dass "Ryan's Daughter", wie alle Filme dieses Regisseurs, wahres Herzblut in sich trägt, kann niemand bestreiten.
9/10
#649
Geschrieben 20. Februar 2007, 10:02
Outland ~ UK 1981
Directed By: Peter Hyams
Die weltraumkoloniale Zukunft gehört nicht den Regierungen, sondern großen Industriekonzernen. Auf dem Jupitermond Io hat die "Company" eine gigantische Titanium-Mine errichtet, in der die schwer malochenden Arbeiter zwar kein Sonnenlicht sehen oder echten Sauerstoff atmen, dafür aber mit anderen Amüsements wie Huren, Alkohol und Amphetaminen ihre Laune aufmöbeln können. Zumindest harte Drogen sind jedoch nach wie vor illegal und als es zu den entsprechend induzierten Todesfällen kommt, wird der neue, unbestechliche Marshall O'Niel (Sean Connery) schnell hellhörig und legt sich mit Sheppard (Peter Boyle), Rauschmittelimporteur und darüberhinaus Boss der Förderstation, an. Bald erweist sich, dass O'Niel allein gegen seine Gegner bestehen muss, alle anderen haben zu große Angst.
Ein Film kann sich als gelungen betrachten, wenn er aus seinen Prämissen das Bestmögliche macht. Hyams, guter Handwerker und Routinier, konnte dieses hehre Ziel hier zumindest einmal realisieren. Sein pessimistisches, überhaupt nicht realitsfern wirkendes Bild einer großkapitalistischen Astro-Zukunft ist in Bezug auf die lokalen Begrenzungen, die das Buch ihr auferlegt (und die zweckmäßigerweise gleich für die klaustrophobische Stimmung sorgen), mehr als geschlossen. Für eine Sci-Fi-Geschichte hält sich der Einsatz von Spezialeffekten weitgehend zurück. Allein das große technokratische Monster in Form der Förderstation gibt den Ausstattern Gelegenheit zu einer meisterhaften Variation der in diesen Tagen so beliebten, "gebrauchten" Zukunft, wie sie bereits in "Alien" zu sehen war. Die Parallelen zu demselben werden auch mittels Jerry Goldsmiths ähnlich angelegter Musik deutlich. Das ausschließlich unnatürliche Licht und die kalten Farben, die das Aussehen der Minenkolonie bestimmen, sind tatsächlich die eigentlichen Auslöser für die niederschmetternden Depressionen der Arbeiter, das psychotisch machende Amphetamin, wiederum durch den bösen Geldsack besorgt, ist da bestenfalls der Katalysator.
Zu dieser recht finsteren Kapitalismus-Allegorie gesellt sich dann noch das bekanntere Motiv des "High Noon"-Showdowns, der "Outland" zu einem wahrhaft zünftigen Stück Action macht. Connery spielt famos abgeklärt, das wahre Schmuckstück ist aber Frances Sternhagen als freche, aber hilfreiche Dr. Lazarus. Mit der zusammen würde man sich wirklich gern mal (Zitat) "besinnungslos saufen".
9/10
#650
Geschrieben 20. Februar 2007, 10:23
Rocky ~ USA 1976
Directed By: John G. Avildsen
Als der eigentliche Herausforderer Apollo Creeds (Carl Weathers), des Weltmeisters im Schwergewicht, ausfällt, entschließt dieser sich zu einem PR-Gag: Ein kleiner weißer Boxer aus den Slums von Philadelphia soll gegen ihn antreten. Das Los fällt auf Rocky Balboa (Sylvester Stallone), dessen Privatleben gerade an mehreren Fronten Feuer fängt. Seine miese Arbeit für den Kredithai Gazzo (Joe Spinell) stinkt ihm, seine große Liebe, die schüchterne Adrian (Talia Shire) lässt ihn kaum an sich heran, deren Bruder Paulie (Burt Young), ist ein frustrierter Säufer. Hinzu kommt noch Rockys Konflikt mit seinem alten Coach Mickey (Burgess Meredith), der sich jahrelang nicht um sein Mündel kümmern wollte, jetzt aber, da der Erfolg an die Tür klopft, als sein Manager arbeiten möchte.
In der Person von Rockys love interest Adrian findet sich gleich die beste Beschreibung für den Film: Ein scheinbares Mauerblümchen, das sich als wunderschöner Schwan entpuppt. Hört sich kitschig an? Dann passt es umso besser, denn "Rocky" definiert sich selbst unverhohlen als Kitsch und das mit so stolz geschwellter Brust, dass man ihm einfach verfallen MUSS. New Hollywood klingt noch ein bisschen nach in den authentischen Aufnahmen hässlicher, grauer, vorweihnachtlicher Straßenzüge Philadelphias, wo die Leute quatschen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist und Stallone, als dessen alleiniges Baby man den Film verorten darf, nie den Fehler begeht, Menschen zu deplazieren. Man nimmt jeder der auftretenden Personen sofort ihre Rolle ab, der Realismus wird zum Hyperrealismus. Und: Jede einzelne Sequenz, von denen mit dem großen Spinell (toll, wie der hier als Gangster mit Herz rüberkommt), über Paulies Ausraster bis hin zu der berühmten Laufszene ("Flying Higher") ist für sich genommen magisch und Gold wert, es gibt keinerlei überflüssige Momente - eine Seltenheit. Dabei ist der Film so herrlich romantisch wie wenige andere. Wenn Rocky seiner Adrian Brille und Mütze abnimmt und flüstert: "Ich hab's gewusst. Du bist wunderschön.", dann bleibt einem nichts zu denken übrig, als: Verdammt, der Kerl hat recht.
10/10
#651
Geschrieben 20. Februar 2007, 22:17
Revenge Of The Ninja (Die Rückkehr der Ninja) ~ USA 1983
Directed By: Sam Firstenberg
Cho (Shô Kosugi), ein in den alten Kampfküsten des Ninjitsu bewanderter Geschäftsmann, gerät zwischen die Fronten zweier rivalisierender Gangster, wovon der eine, Braden (Arthur Roberts), vorgibt, ein guter Freund Chos zu sein um ihn von Japan nach Amerika zu locken. Dort verspricht er sich durch Chos unfreiwillige Mithilfe eine legale Fassade für seine Drogengeschäfte. Dass Braden fast Chos gesamte Familie auf dem Gewissen hat, erfährt dieser erst, als es fast schon zu spät ist. Es kommt zum Duell der Ninja.
Neben den "Death Wish"-Fortsetzungen und der "Eis am Stiel"-Reihe war die Ninja-Trilogie Cannons drittes, erfolgsbegründendes Standbein in den frühen 80ern. Während im Startschuss "Enter The Ninja" noch gestandene Gesichter wie Franco Nero und Christopher George zu sehen waren, gründete sich diese Fortsetzung ganz auf die etwas hölzernen Schauspielkünste des beliebten Kosugi, die bissl schlampige, aber temporeiche Abwicklung der garantiert hirnfreien Geschichte (einen Anlass zu ausführlichen Prügeleien gibt es ja immer) und einige patente Splattereffekte, die Firstenbergs Folgefilme mit Dudikoff schmerzlich vermissen ließen.
In den 80ern galten die seinerzeit sogenannten "Ninja-Videos" (darunter natürlich größenteils Konkurrenzprodukte, denen Kosugi auch immer wieder seine Mitwirkung zusagte), als die mit verrohendsten Medien, die überhaupt zu bekommen waren, was besonders für mich als Schulkind spürbar wurde. Zu verdanken war diese üble Polemik Menschen wie dem selbsternannten Materiekenner Werner Glogauer, mit dem ich Jahre später im Rahmen meines Studiums wieder konfrontiert wurde. Eine absolute Knallschote, der Mann. Ich erinnere mich jedenfalls noch an ganze Debatten und Informationsabende, die mit und für Eltern geführt und ausgerichtet wurden, deren Söhnchen in der Schule mit ebenjenen Raubkopien im Tornister erwischt wurden, an miefige Politikbücher, in denen allenthalben vor Zombies und Ninjas gewarnt wurde und meine (dankenswerte) absolute Resistenz gegen derlei Ratschläge. Im Gegenteil, was solchen Wirbel verursachte, musste, klarer Fall, gesehen werden - also her damit. Mittel und Wege gab es genug damals. "Revenge" lag nur in einer ziemlich verstümmelten Fassung vor, trotzdem gehörte er zu den Streifen, die jeder, der was auf sich hielt, gesehen haben musste. Von den Kürzungen wusste man ja ohnehin nichts.
Heute dann das Wiedersehen nach langer Zeit. Dieses fiel, bei aller Ernüchterung über die doch recht naive Präsentation, ganz schön aus, nicht zuletzt dank des Stauneffekts, den die noch unbekannten Extrabrutalitäten auslösen konnten.
7/10
#652
Geschrieben 22. Februar 2007, 14:53
Rocky II ~ USA 1978
Directed By: Sylvester Stallone
Nach dem harten Titelkampf gegen Apollo Creed (Carl Weathers) winkt Rocky (Sylvester Stallone) nur das private Glück: Er heiratet seine Adrian. Finanziell läuft es weniger gut. Zunächst versucht Rocky sein Glück als Werbeträger, merkt jedoch rasch, dass er in dieser Branche wenig zu bestellen hat. Ein Job beim Fleischgroßhandel ist ebenfalls nicht von Dauer, also landet Rocky als Mädchen für alles in Mickeys (Burgess Meredith) Boxschule. Apollo, dessen Fans ihm einen gefakten Kampf unterstellen, will derweil bei einer Revanche beweisen, dass er der unangefochtene Weltmeister ist und bleibt. Nach diversen inneren und äußeren Konflikten entscheidet Rocky sich, ein weiteres Mal mit Creed in den Ring zu steigen.
Eigentlich ist dieser Film ein Fluch. Alles, was den ersten Teil so auszeichnet, die menschliche Wärme, das große Herz, wird hier rücksichtslos ausgeblendet, um eine klischeeberstende, prinzipiell langweilige Gewinnergeschichte zu erzählen, die zahlreiche Vorzüge und Elemente des Originals zu Missbrauchszwecken aufgreift. Harte Worte, wahre Worte. Und nicht nur das, mit dem zweiten Teil "wächst" "Rocky" zugleich zum Serial und zum Franchise, das seine Wurzeln bald komplett vergessen haben wird.
Doch das große Aber ist nicht fern: Man möchte schon irgendwie wissen, wie die Geschichte weitergeht, wenn sie dann schon weitergehen muss, zumal pedantisch sämtliche inhaltlichen Anknüpfungsmöglichkeiten erkannt und berücksichtigt werden. Immerhin ist diese Fortschreibung der Ereignisse sogar recht schlüssig. Gute Ideen gibt es hier und da immer wieder, Burgess Merediths Leistung zieht sogar mindestens mit der im Vorgänger gleich. Mancherorts versucht Stallone auch, diesen mit Biegen und Brechen zu überstrahlen; Rockys Lauf durch Phillys Straßen mit Schlusssprint zum Denkmal, bei dem ihm diesmal hunderte von begeisterten Kindern folgen, ist um einiges mitreißender und schwitziger inszeniert als das große Vorbild, ganz zu schweigen von dem alles überschattenden Fight am Ende, der - der größte Bruch mit den Mechanismen des ersten Teils - in jeder Beziehung das Zentrum dieses Films darstellt. Umso merkwürdiger, wie man sich bereitwillig einwickeln und trotz der gelegentlich aufkeimenden Bedenken ob der zahlreichen Unebenheiten von "Rocky II" fesseln lassen kann. Wenn man es denn zulassen mag.
7/10
#653
Geschrieben 23. Februar 2007, 19:03
Rocky III ~ USA 1982
Directed By: Sylvester Stallone
Nach dem zweiten Titelkampf gegen Apollo Creed (Carl Weathers) ist Rocky (Sylvester Stallone) neuer Weltmeister im Schwergewicht. Die folgenden Duelle gewinnt er allesamt, seine vormals angestrebte Selbstvermarktungskarriere kommt ins Rollen und er lässt sich sogar zu einem dusseligen Wohltätigkeitsfight mit einem noch dusseligeren Wrestler (Hulk Hogan) herab. Zeitgleich arbeitet sich ein neuer Star zum Boxhimmel hinauf wie eine Dampfwalze durch Butter: Clubber Lang (Mr. T), großmäuliges Muskelpaket, hat es auf den Champ abgesehen. Der nimmt den bevorstehenden Kampf nicht weiter ernst, was seinem Trainer Mickey (Burgess Meredith) im wahrsten Sinne das Herz bricht. Rocky kann die Schmach nicht auf sich sitzen lassen, gewinnt Apollo als neuen Trainer und fordert Lang zur Revanche.
Mit dem Eintritt in die 80er Jahre verkommt der "Rocky"-Mythos endgültig zum lauen Aufguss seiner selbst. Mit dem Verlust seiner Kantigkeit büßt der Titelcharakter auch eine Menge an Charisma und Vitalität ein: Stallone, kein Kraftpaket mehr, sondern ein sichtbar disziplinierter Bodybuilder, hat ein wesentlich schmaleres Gesicht mit melancholisch-wichtigem Blick aufgesetzt, dazu eine Fönfrisur und maßgeschneiderte italienische Anzüge. Ob man das der Filmrealität und ihrer grundsätzlich logischen Ereignisabfolge vorwerfen kann, weiß ich nicht, es kostet die Figur und ihre Geschichte aber eine Menge Sympathie. Stallones Regie wirkt teilweise geradezu unbeholfen. Auf der Suche nach trademarks wiederholt er ganze Passagen des zweiten Teils, darunter auch bereits vormals redundante Schwachheiten wie die Gladiatorenfanfaren während des Schlusskampfs.
Liebevoll gezeichnete Figuren verlieren entweder jedwede narrative Funktion und sind einfach nur noch da (Schwager Paulie), erleben einen hypermelancholischen Abgang (Mickey), oder werden gleich vollständig aus der Geschichte getilgt (Gazzo - wegen persönlicher Streitigkeiten stand Spinell seinem ehemals guten Freund Stallone nicht mehr zur Verfügung). Die Sache mit Hulk Hogan ist kaum mehr als peinlich. Damit gehen "Rocky III" die letzten Boni des Vorgängers auch noch verlustig.
Irgendwie wirkt der ganze Streifen retrospektiv mehr wie "der Film zum Lied" - "Eye Of The Tiger" und so. Schade, wirklich.
4/10
#654
Geschrieben 24. Februar 2007, 08:43
Rocky IV ~ USA 1985
Directed By: Sylvester Stallone
Rocky (Sylvester Stallone) lässt es sich mit seiner Familie und seinem neuen besten Freund Apollo (Carl Weathers) gutgehen - bis die Russen kommen. Der hünenhafte sowjetische Boxer Ivan Drago (Dolph Lundgren) soll gegen die besten US-Konkurrenten antreten. Schnell wird es offensichtlich, dass die Sportinvasoren mit einem Sieg ihres Vorzeigeobjekts auch ihre gesellschaftliche Überlegenheit demonstrieren wollen. Apollo lässt sich auf einen Schaukampf mit Drago ein und wird im Ring zu Tode geprügelt. Nun ist es an Rocky, den american way of life in der Boxarena zu verteidigen - dass er dies mitsamt vorheriger Trainingseinheit in der Sowjetunion tut, gibt dem Ganzen noch zusätzlich Pfeffer.
"Rocky IV" habe ich immer losgelöst vom Rest der Reihe betrachtet. Er hat mit den anderen Teilen eigentlich herzlich wenig zu tun und erzählt nach "Rambo: First Blood Part II" nichts anderes als eine weitere, etwas versöhnlichere Propagandageschichte. Um die Person Rockys tut sich nicht viel, als ehrgeizgen Sportler, liebenden Vater, Ehemann und Freund kennen wir ihn nunmehr - auch, dass er härteste Schicksalsschläge in persönliche Motivation zu sublimieren weiß, ist seit dem Vorgänger nichts Neues. Da aber der Osten auf den Westen trifft, knallt's nochmal im Boxring. Stallone nimmt sogar in Kauf, dass seine finale Begegnung mit Drago eines gewissen optischen Humors nicht entbehrt, denn Lundgren ist lockere zwei Köpfe größer als sein Widersacher. Wenn nun Rocky nach so vielen persönlichen Triumphen jetzt auch noch den Kalten Krieg gewinnt - und dass in einer Weise, der sogar Genosse Gorbatschow applaudierend zustimmt - dann fliegt das Script samt seinem fortgeschriebenen Boxuniversum mindestens bis zum Mars, wenn nicht weiter.
Formal betrachtet ist dies wahrscheinlich Stallones beste Leistung - eine Blaupause, nicht nur für seine Zeit, sondern auch gleich für die zwei Folgefilme "Cobra" und "Over The Top", die das erfolgreiche und mitreißende Konzept "schneller Schnitt trifft treibende Popmusik" gleich wieder aufgriffen. Der Film birst vor visuellen Ideen, die sich Stallone sicher größenteils bei MTV abgeholt hat - was aber nicht weiter tragisch ist. Denn so absurd, wie die ganze Idee des Films ist, so passgenau findet er sich hergestellt. Der Auftritt von James Brown zur Einläutung des Vegas-Fights ist genau von dem oberflächlichen Wahnsinn beseelt, der die ganze Entstehungsperiode des Films kennzeichnet; Rockys obligatorisches Rennen, bei dem er diesmal seine ihm auferelegte Überwachungsmaschinerie abhängt und einen sibirischen Berg erklimmt, braucht kein "Flying Higher" mehr, sondern bekommt ein dulles, aber passendes Synthie-Stakkato spendiert. Burt Young schließlich ist eine weniger tragische denn komische Figur, was angesichts seiner auflockernd gestalteten Szenen recht konsequent wirkt (der Roboter - oh Mann).
Wahrscheinlich bin ich einer der wenigen, denen "Burning Heart" von Survivor stets besser gefallen hat, als ihr "Eye Of The Tiger". Dass ersteres noch zur Untermalung des Übergangs Okzident - Orient verwendet wird, ist natürlich ein... Schachzug.
7/10
#655
Geschrieben 24. Februar 2007, 11:19
Rocky V ~ USA 1990
Directed By: John G. Avildsen
Der harte Kampf gegen den Superrussen Drago geht an Rocky (Sylvester Stallone) nicht spurlos vorbei. Er behält ein irreparables Gehirntrauma zurück, dass ihn in den Ruhestand zwingt. Dummerweise sorgt Schwager Paulie (Burt Young) durch seine Naivität dafür, dass die Balboas ihr gesamtes Hab und Gut verlieren und gezwungen sind, in die Slums von Philadelphia zurückzukehren. Rocky eröffnet Mickeys alte Boxschule wieder und erhält bald ein eigenes Mündel, den hatnäckigen Provinzboxer Tommy Gunn (Tommy Morrison). In diesem erkennt Rocky sein eigenes, früheres Ich und setzt seine gesamten Hoffnungen in ihn. Doch Gunn ist mehr an Geld und Ruhm interessiert und lässt sich von dem schmierigen Promoter Duke (Richard Gant) korrumpieren. Rockys größter Kampf steht bevor, der gegen seinen eigenen Ziehsohn - und das auf der Straße.
Ein ganz tragischer Fall. Im zwingenden Bedürfnis, seiner Schaffenskrone einen letzten Stein zuzufügen, musste Stallone unbedingt noch diesen völlig überflüssigen Film hinterherschieben. Dafür gewann er sogar seinen Altregisseur Avildsen, seinerzeit ebenfalls in finanzieller Verlegenheit, zurück. Doch was dann aus dem Projekt wurde, ist kaum mehr als eine klägliche Nachgeburt, die sämtliche Vorgänger mit ihrem moralinsauren Auftreten in den Schatten stellt. Dass es den "Rocky"-Filmen von jeher an intellektueller Tragweite und Feingeist mangelte, ist altbekannt, darin liegt also nicht die große Schwäche des Films. Es ist mehr das knallchargenhafte Agieren der beiden Neuzugänge in der Rocky-Familie, Richard Gant (selbst in seinem blutigen Kurzauftritt in "Jason Goes To Hell" gewinnbringender) und des echten Boxers Morrison, sowie die Tatsache, dass man den Champ wieder fallen sehen muss. Die altbackene Geschichte um die eifersüchtelnde Vater-Sohn-Beziehung setzt das Ding dann endgültig in den Sand. Über "Rocky V" bleibt mir nur das Vernichtendste zu sagen, das man einem Film bescheinigen kann: Er ist unangenehm anzuschauen, macht zu keiner Sekunde Freude oder ist in irgendeiner Form stimulierend. Ein peinliches, (ursprünglich) letztes Aufbäumen einer Legende. Traurig.
2/10
#656
Geschrieben 24. Februar 2007, 15:34
The Island Of Dr. Moreau (Die Insel des Dr. Moreau) ~ USA 1976
Directed By: Don Taylor
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts strandet der schiffbrüchige junge Matrose Braddock (Michael York) auf einer kleinen Pazifikinsel. Dessen scheinbar einzige Bewohner sind der mysteriöse Dr. Moreau (Burt Lancaster), sein Verwalter (Nigel Davenport), eine junge Exotenschönheit namens Maria (Barbara Carrera) und Moreaus seltsame Dienerschaft. Braddock registriert bald, dass es noch mehr Wesen auf dem Eiland gibt: Seltsame Mensch-Tier-Hybriden laufen - aufrecht und mit Lumpen bekleidet - brüllend durch den Dschungel. Und nicht nur das: Die Kreaturen können sogar sprechen und haben ein mehr oder weniger eigenes Gesellschaftssystem. Natürlich handelt es sich bei den Wesen um Schöpfungen des sich als wahnsinnig entpuppenden Moreau, deren animalische Seite jederzeit die Oberhand zu gewinnen droht.
Ich habe es immer als persönlichen Bildungsmangel betrachtet, die Erstverfilmung des Wells-Romans, "Island Of Lost Souls" mit Charles Laughton als Moreau, nie gesehen zu haben. Bisher bot sich mir einfach nicht die Gelegenheit. Daher möge bitte baldigst eine adäquate Veröffentlichung erscheinen. Diese Version kenne ich indes schon ewig. Als Kind fand ich den Film immer besonders grauslich, da die Hybridenwesen lange Zeit nur als geheimnisvolle Umrisse, oder durch die Urwaldvegetation hindurch zu erkennen sind und die Spannung bis zur ersten bedrohlichen Begegnung mit ihnen doch ziemlich stark geschürt wird. Dazu trägt übrigens - mindestens ebenso sehr wie die erstklassige Arbeit des Makeup-Departments - besonders der hervorragende Score von Laurence Rosenthal bei. Ganz erfreulich ist es, zu sehen, dass Lancaster seine Arbeit an diesem Film sichtlich ebenso ernst nahm, als würde er bei Bertolucci oder Visconti spielen. Er wirkt keineswegs so desinteressiert oder bewusst zynisch, wie man es von einem Schauspieler seines Formats im Rahmen einer derartigen Produktion erwarten könnte und wie es ihm dereinst mancher Kritiker gern vorzuwerfen geneigt war. Alter Schlag eben. Aber auch Michael York ist durchaus sehenswert, seine präanimalischen Szenen im "Haus der Schmerzen" haben es mir besonders angetan.
Ein schöner Phantastikbeitrag der AIP, immer noch fein anzuschauen.
8/10
#657
Geschrieben 24. Februar 2007, 20:21
Squirm ~ USA 1976
Directed By: Jeff Lieberman
Geri (Patricia Pearcy), ein rothaariges Landei aus einem Südstaatennest, freut sich schon auf den Besuch ihres New Yorker Fernfreundes Mick (Don Scardino). Geris Nachbar Roger (R.A. Dow), ohnehin nicht ganz dicht, reagiert grundlos eifersüchtig auf den Besuch des Großstädters, will Geri doch gar nichts von ihm wissen. Richtig drunter und drüber geht es, als Heerscharen aggressiver, fleischfressender Würmer wegen einer losen Stromleitung aus dem Erdreich hochgescheucht werden und auf die Jagd nach Menschenfleisch gehen.
Ein zeitloser Glitschi-Horrorstreifen, der über die Jahre nichts von seinem Reiz eingebüßt hat. Für die in den 70ern modischen Filme um Invasion von Kleingetier und Insekten ist "Squirm", der sich selbst ganz locker und unbefangen gibt, ohnehin ein Aushängeschild der Marke B. Aus seinen schmalen monetären Mitteln macht Lieberman das Beste, zumal man Würmer nicht dressieren muss und sie als tierische Akteure relativ billig zu bekommen sind. Ironische Szenen gibt es en masse, besonders der schmierige blonde Sheriff muss allenthalben dafür herhalten, wenn es darum geht, den Hillbilly an und für sich sich durch den Kakao zu ziehen.
Ein grundehrlicher Genrebeitrag und für seine Verhältnisse ein kleines Bravourstück.
7/10
#658
Geschrieben 25. Februar 2007, 08:03
El Laberinto Del Fauno (Pan's Labyrinth) ~ E/MEX/USA 2006
Directed By: Guilermo del Toro
Die schwangere Carmen (Ariadna Gil) und ihre Tochter Ofelia (Ivana Baquero) reisen nach der Machtübernahme Francos in die kastilischen Berge. Dort befindet sich das Quartier von Carmens zweitem Ehemann, dem Hauptmann Vidal (Sergi López), der einen harten Kampf gegen die Guerilleros führt. Vidal ist ein willfähriges Instrument des Faschismus und hält seinen Posten mit unmenschlicher Grausamkeit. Auch ist er weniger an Carmen interessiert, als vielmehr an seinem ungeborenen Sohn. Ofelia träumt sich derweil von der für ein Kind unfassbaren Realität hinweg an einen phantastischen Ort, das Labyrinth des Pan (Doug Jones). In dessen Reich ist das Mädchen die lang erwartete Prinzessin, die zu ihrer Regentschaft drei schwierige Prüfungen erfüllen muss.
Der Faschismus durch die Augen eines Kindes. Für die kleine Ofelia sicht- aber nicht fassbar erfüllt ihr Stiefvater, ein größenwahnsinniger Egomane und Minidiktator, seine Aufgaben reglos und endgültig. Was bleibt dem fantasiebegabten Mädchen da übrig, als die Flucht nach vorn - in diesem Fall geradewegs in ihr Inneres - anzutreten. Zwar ist auch diese Parallelwelt nicht frei von Schrecknissen und Grausamkeiten, aber zumindest gibt es keine Schusswaffen, Folter oder Zynismus. Die schwangere und kranke Mutter könnte durch eine Alraunewurzel geheilt werden - würde man Ofelia doch nur glauben. Das Selbstverständnis der Francoisten jedoch erlaubt keine solch naiven Welt- oder Wertvorstellungen.
Abgesehen von "El Espinazo Del Diabolo" kenne ich Sämtliches von del Toro. "El Laberinto" würde ich bis dato nicht nur als sein uneingeschränktes Meisterwerk, sondern auch als eines der wichtigsten filmischen Manifeste wider den Faschismus einordnen. Dennoch und bei aller Düsternis ein gleißend schönes Stück Kino. Ging schwer an meine Substanz und es wird lange dauern, bis ich ihn mir wieder ansehen kann.
10/10
#659
Geschrieben 25. Februar 2007, 11:01
Horror Hospital (Frankensteins Horrorklinik) ~ UK 1973
Directed By: Antony Balch
Beatsänger Jason (Robin Askwith) hat dringend Ausspannung nötig. Darum verordnet sich der schlagfertige junge Mann ein paar Tage auf der Wellnessfarm des Dr. Storm (Michael Gough), gebucht bei der obskuren Agentur "Hairy Holidays". Im Zug lernt Jason die flotte Judy (Vanessa Shaw) kennen, die sich justament im selben Sanatorium um eine Erbschaft bemühen will. Die beiden finden schnell zueinander, im Storms Schloss wimmelt es aber von zombieesken Gehirnamputierten mit langen Narben an der Stirn. Dr. Storm führt nämlich satanische Experimente durch, die seine Opfer zu willenlosen Marionetten machen.
Balchs Sinn für Humor ist absolut unschlagbar. "Horror Hospital" ist der letzte Schluss, den das vormals so strahlende, um '73 aber orientierungslose englische Genrekino zulässt: Eine Groteske, der totale Humbug, und dabei nichts weniger als genial. Den absoluten Coup gibt es in der Person Michael Goughs, once more sinistrer mad scientist (in der deutschen Fassung ohne jegliche vorherige Verdachtsmomente seitens der jungen Opfer in Dr. Frankenstein umgetauft), der die größte Genugtuung dabei empfindet, seine Finger knacken zu lassen und auf irgendwelche Knöpfchen zu drücken, die seine Zombies radschlagen lassen. Warum Storms Wachmannschaft durch die Bank mit Motorradkleidung samt Helm durch die Gegend läuft, ist dabei mindestens so spannend, wie die Klärung der Frage nach dem waldmeistergrünen Gesöff, dass alle sich ständig hinter die Binde kippen (mein Tipp: Escorial grün, ein ganz gemeines Zeug, von dem sämtliche Produktionsbeteiligten offensichtlich literweise konsumiert haben). Auch wundert man sich, weshalb der Zwerg Frederik sich bei aller selbstbeklagten, schicksalhaften Unbill ein derart cooles, kettenrauchendes Wesen bewahrt hat.
Aber was soll's, im "Horror Hospital" wartet man ohnehin vergeblich auf Antworten und sollte die anderthalb Stunden im muffigen, quietschen Gruselkeller lieber zufrieden genießen. Schlager.
6/10
#660
Geschrieben 25. Februar 2007, 19:03
Another Woman (Eine andere Frau) ~ USA 1988
Directed By: Woody Allen
Um in Ruhe ihr Buch fertigstellen zu können, mietet die Mittfünfzigerin und Psychologiedozentin Marion (Gena Rowlands) eine kleine Wohnung in Manhattan. Durch den Belüftungsschacht belauscht sie zunächst unfreiwillig, dann zunehmend interessiert die Therapiegespräche einer Patientin (Mia Farrow) und ihres Analytikers (Michael Kirby). Die Beichten der jüngeren Frau versetzen Marion regelrechte Tiefschläge, denn in der Verzweiflung und emotionalen Verkrüppelung erkennt sie sich selbst. Marion zieht Bilanz.
Von Allens "ernsten" Filmen der schönste, ohne die bleierne Gezwungenheit eines "Interiors" oder die aus "September" bekannte, fast prätentiöse Anlehnung an immanente Vorbilder. "Another Woman" ist, seine große Stärke gegenüber den genannten Beispielen, schlicht mehr an seinen Menschen interessiert als an sich selbst. Durch den einmaligen Auftritt Rowlands' bei Allen kann man sich kaum des unfreiwilligen Gefühls erwehren, dass dieser Autor einen anderen großen trifft, nämlich Cassavetes. Eine weitere Parallele liegt in der Porträtierung der Protagonistin, die, um möglichst ungestört zu Werke gehen zu können, die restlichen Charaktere zu Nebenfiguren deklariert. Das scheint jedoch die großen Namen, die einem sonst noch so begegnen, nicht weiter gestört zu haben, oder zumindest lassen sie es der enormen Qualität ihrer Darbietungen nicht anmerken. Rowlands trägt die darstellerische Bürde der pausenlos fokussierten Lebenskriseopfers mit absoluter Bravour und sorgt dafür, dass Allen sein primäres Ziel, nämlich eine der klassischen Psychoanalyse (beziehungsweise deren Repräsentanten Freud und Jung) gewidmete Geschichte zu erzählen, reibungslos und ohne Aneckungen durchbringen kann. Vergleichsweise wenig beachtet, nach meinem Dafürhalten aber einer der elementarsten Filme des Regisseurs.
9/10
Besucher die dieses Thema lesen: 11
Mitglieder: 0, Gäste: 11, unsichtbare Mitglieder: 0