In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#841
Geschrieben 13. Juli 2007, 09:23
Going To Pieces: The Rise And Fall Of The Slasher Film ~ USA 2006
Directed By: Jeff McQueen
Ausgehend von Carpenters "Halloween" wird die Geschichte des neuzeitlichen Slasherfilms mittels der oberflächlichen Untersuchung einiger repräsentativer Beispiele und mit netten Interview-Schnipseln durchsetzt nachgezeichnet.
Unterhaltsame, wenn auch zwiespältige Dokumentation. Im Gegensatz zum wesentlich bemerkenswerteren "American Nightmare" beschränkt sich der wissenschaftliche Gehalt, der die Wechselbeziehungen zwischen gesellschaftlichen Strömungen und popkulturellem Echo untersucht, bei "Going To Pieces" auf ein notwendiges Minimum. Im Musikfernsehtakt, mit stressigen, zuweilen nervigen Klängen von dem in Szenekreisen bekannten Harry Manfredini unterlegt, gibt man sich vielmehr Mühe, ein möglichst rundes Bild des Subgenres abzudecken - mit der Erwähnung zahlreicher Titel und v.a. anhand diverser Filmschnipsel, die sich in erster Linie der unappetlichen Effektarbeit von Altmeistern wie Savini (der ziemlich abgefeiert wird) widmen. Der Dokumentarstil ist ungewohnt grell - viele der Interviewpartner geben ihre Statements, begierig von der Kamera verfolgt und vor "pittoresken" Hintergründen (Carpenter, Fred Walton und Jasonmama Betsy Palmer etwa wurden auf einem Friedhof abgelichtet) ab. Der Seriösität einer solchen Reportage ist das nicht eben zweckdienlich. Überhaupt ist das Augenmerk des Films gänzlich unkritisch und lässt sein Schmuddelsujet widerstandslos hochleben - was selbigem aber wiederum auch mal ganz gut tut. Und darin liegt doch ein gewisser Trost.
6/10
#842
Geschrieben 13. Juli 2007, 11:23
Seminole (Seminola) ~ USA 1953
Directed By: Budd Boetticher
Der junge Lt. Caldwell (Rock Hudson) kommt nach seiner militärischen Ausblidung zurück in seine Heimat Florida, wo er seiner guten Gebietskenntnisse wegen dem indianerkriegserfahrenen Kavalleriemajor Degan (Richard Carlson) unterstellt wird. Degan, ein profilierungssüchtiger Buckler, gerät bald mit Caldwells nüchterner Art, die Dinge anzugehen aneinander. Die Situation eskaliert schließlich, nachdem Degan infolge einer herben, aber verdienten Niederlage gegen die Seminolen versucht, den Häuptling Osceola (Anthony Quinn), zugleich auch Halbblut und ein Jugendfreund Caldwells, zu hintergehen.
Mit den drei Seminolenkriegen hatte die US-Regierung ein erstes kleines Vietnam vor der eigenen Haustür. Den Guerillakrieg in den Everglades konnte die Armee nur mit herben finanziellen und humanen Verlusten für sich entscheiden, eine letzte versprengte Gruppe von Seminolen blieb sogar unbesiegt.
Der hochgelobten Ranown-Filme zum Trotz ist eigentlich dies mein liebster Boetticher-Western. Er wird seit seiner Premiere in der Literatur stoisch gemieden oder übergangen - eine himmelschreiende Ungerechtigkeit! Neben Daves' "Broken Arrow" und Manns "Devil's Doorway" handelt es sich bei "Seminole" nämlich um einen der wichtigsten frühen proindianischen Western. Die Seminolen werden nicht als zivilisatorisch rückständiges, sondern allerhöchstens exotisches, dabei aber auch stolzes und friedliebendes Volk porträtiert, das in vielerlei Hinsicht den weißen Invasoren überlegen ist. Weiterhin definiert sich 'Frieden' hier ausnahmsweise (wie etwa in Aldrichs "Apache") einmal nicht über die finalen Alternativen "Assimilierung oder Tod". Die Unbeugsamkeit der Seminolen und ihr Recht auf ihren Grund sind unantastbar, diese Tatsache muss gar nicht erst eruiert werden. Zudem bügelt "Seminole" - für einen Film dieser Ära sehr eindrucksvoll - militärische Taktiken und Ehrbegriffe gründlich über. Richard Carlson als seelenkranker Profilneurotiker erinnert nicht selten an die großen Captain Blighs der Filmgeschichte und leistet auch sonst Denkwürdiges. Nun könnte man noch die historischen Ungenauigkeiten und Romantisierungen kritisieren, auch, dass der Schluss ein bisschen versöhnlich ausgefallen ist und der Gesamteindruck darunter leidet. Zweitrangig. Das revolutionäre Potenzial von "Seminole" schmälert sich auch dadurch nicht.
Außerdem begeistert ganz nebenbei das für einen Western ungewöhnliche, tropische Setting samt der herrlichen Farbdramaturgie. Prächtig.
10/10
#843
Geschrieben 13. Juli 2007, 19:34
Kingo Kongu Tai Gojira (Die Rückkehr des King Kong) ~ J/USA 1962
Directed By: Ishirô Honda
Klassische Koinzidenz: Während ein lustiger Großpharmazeut (Ichirô Arishima) auf die gloriose Idee kommt, sich den Riesenaffen King Kong von der Südseeinsel Faroa nach Tokio zu holen um ihn als Werbeträger einzusetzen, scheucht ein amerikanisches U-Boot den alten Godzilla hoch. Natürlich lassen die beiden Monster sich nicht lumpen und hauen und trampeln zahlreiche Wolkenkratzer und Pagoden zu Klump. Wie so oft hilft da am Ende nur noch eins: Die zwei werden aufeinander losgejagt und prügeln sich gegenseitig die Birne weich.
Irgendwie ist ja immer alles Miniatur in den japanischen Monsterheulern. Ich schätze, wer sich als Kind für elektrische Eisenbahnen begeistern konnte, wird besonderen Spaß an den filigranen Anreihungen von ferngesteuerten Baggern und Modelllandschaften haben, die auch diese Produktion mit viel Liebe auffährt. Weniger ernst hat man wohl die Monsterkostüme genommen: Dass Godzi um die Hüften herum mal ein wenig abnehmen sollte, ist ja ein alter Hut, doch was haben unsere japanischen Freunde bloß aus Kingu Kongu gemacht? Mit unentwegt scheel grinsendem Entenschnabel samt ruinösem Gebiss und Silberblick begutachtet er sein von der Konkurrenz versengtes Fell. Au weh, au weh. Die glitschige, schleimige Riesenkrake, die sich geräuschvoll schmatzend ein paar Philipinos einverleiben will, haut da schon in eine andere Kerbe.
Doch damit nicht genug: Die Fernseh-Kommentatoren - fairerweise aus den USA und Japan zugeschaltet - die, wohl in erster Linie für das anvisierte Kinderpublikum, jeweils ergänzend die gegenwärtige Lage schildern, fahren Weisheiten von sensationeller Tragweite auf. Sinngemäß: "Wie alle Tiere hegen wahrscheinlich auch diese beiden Urzeitmonster einen instinktiven Hass auf andere Arten. Man vermutet, dass sie sich selbst auf Hunderte von Meilen noch wittern. Daher könnte es schon bald zum Duell der Giganten kommen!" Der Trailer - in den Film eingebaut.
Natürlich muss man sagen, dass diese Fassung des Films viel von seiner bravourösen Naivität der deutschen Synchronfassung verdankt, in der man immerhin Sprechlegenden wie Elmar Wepper und Horst Sachtleben aufgetischt bekommt. Außerdem sollte man nicht die kunterbunte Farbgestaltung außer Acht lassen, die besonders den Südpazifik fein ausschauen lässt. Wolke.
6/10
#844
Geschrieben 14. Juli 2007, 12:38
Phantom Of The Paradise (Das Phantom im Paradies) ~ USA 1974
Directed By: Brian De Palma
Nachdem der genialische, aber mit einem unspektakulären Äußeren ausgestattete Musiker Winslow (William Finley) von dem exaltierten Popproduzenten Swan (Paul Williams) um Hab und Gut betrogen wird, will er sich an seinem Erzfeind rächen. Doch es kommt zu einem schrecklichen Unfall, der Winslow entstellt und ihn fortan als Phantom in Swans Club "Paradise" sein Unwesen treiben lässt. Die unerfüllte Liebe zu der Sängerin Phoenix (Jessica Harper) bereitet Winslow noch zusätzlichen Kummer.
De Palma entdeckt seine Liebe zum Speed - seine quietschbunte pop art - Variation von Leroux' "Phantom der Oper" ist vielleicht der ungewöhnlichste Film innerhalb des Oeuvres seines Regisseurs. Ganz viel wird da in wildem Mix durcheinandergemengt - Horror, Komödie, Musical, Satire, Romanze, Surrealismus und bestimmt noch manches mehr, das ich gerade vergesse. So funktioniert der Film auch auf vielerlei Ebenen - am stärksten beeindruckt mich immer wieder die scharfe Kritik an den Profiteuren des Massenentertainments als Seelenhändler, wobei der charismatische, aber durch und durch böse Produzent witzigerweise von einem echten Songwriter (größenteils durchschnittlicher Kitschmusik) interpretiert wird.
Hat eben alles Hand und Fuß bei De Palma - nicht zuletzt auch sein Können als Filmemacher, das aus jeder der prachtvollen Einstellungen spritzt. Jene, die "Phantom" noch nicht kennen, seien allerdings gewarnt: Es bedarf schon eines flexiblen Geschmacks, um der grellen Bilder und der eigenwilligen Musik (die gewissermaßen Jim Steinmans klebrige Mischungen aus Doo Wop und Progrock antizipiert) ersteinmal habhaft zu werden. Dann aber, um im Jargon des Films zu bleiben, erwartet einen ein phantomastisches Erlebnis!
8/10
#845
Geschrieben 15. Juli 2007, 05:40
Spur der Steine ~ DDR 1966
Directed By: Frank Beyer
SED-Sekretär Werner Horrath (Eberhard Esche) wird von der Partei wegen mangelhafter Pflichterfüllung und Verbreitung von Unwahrheiten angeklagt und muss vor einer Kommission Rechenschaft ablegen. Horraths letzte, scharf beäugte Aufgabe umfasste u.a. die Aufsicht über den Baugrund Schkona, auf dem der Baubrigadier Balla (Manfred Krug) und seine Truppe zwar zuverlässige, im sozialistischen Sinne aber wenig repräsentative Arbeitsmethoden walten lassen. Zwischen Horrath und Balla entbrennt eine von gegenseitigem Respekt geprägte, dennoch aber offene Rivalität, die sich nicht nur im Prinzipienkonflikt, sondern insbesondere in der Liebe zu der Bauarbeiterin Kati (Krystyna Stypilkowska) manifestiert.
Systembrüchigkeit, zurückzuführen auf sozialistische Dickköpfigkeit und Bürokratie, zeigte Beyer in seinem schönen Film so unzweideutig, dass er eine Woche nach seinem Kinoeinsatz zurückgezogen wurde und für 23 Jahre in den Partei-Giftschränken verschwand. Für einen geborenen "Wessi" wie mich ist mit Manfred Krug, dessen Wuzeln in direkter regionaler Nachbarschaft liegen, sogar ein mentaler Agent in der Hauptrolle zu bewundern, der die ansonsten unvorstellbaren Lebensumstände nachvollziehbarer macht. Die Gegensätzlichkeiten zwischen verschwiegenem politischen Idealismus und subversiver Lebensart tragen die beiden Protagonisten in hervorragender Weise aus.
Von den übrigen Filmen, die sich mit dem Phänomen DDR befassen, grenzt sich "Spur der Steine" aber nicht bloß deshalb mit Auszeichnung ab, weil er mitten in und z. Zt. der "Zone" entstanden ist, sondern auch, weil er seine Gegenwart dem Vernehmen nach sehr sachlich ablichtet und nicht retrospektiv romantisiert oder dramatisiert.
Im republikeigenen Breitformat "TotalScope" gefilmt, wirken die schwarzweißen Bilder trotz ihrer gänzlich unluxuriösen Gegenstände stets eindrucksvoll und edel.
9/10
#846
Geschrieben 15. Juli 2007, 12:49
The League Of Extraordinary Gentlemen (Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen) ~ USA/CZ/D/UK 2003
Directed By: Stephen Norrington
Um im Jahre 1899 die Welt von der Klippe des Krieges zu holen, an die sie ein mysteriöser Hightech-Schurke namens "Das Fantom" gerückt hat, rekrutiert der britische Geheimdienst sechs Persönlichkeiten, die die viktorianische Jugend vornehmlich als Romanhelden kennt: Den Jäger Allan Quatermain (Sean Connery), den U-Boot-Kapitän Nemo (Naseeruddin Shah), den ewigjungen Dorian Gray (Stuart Townsend), den unsichtbaren Rodney Skinner (Tony Curran), die Vampirin Mina Harker (Peta Wilson), sowie den Wissenschaftler Dr. Jekyll (Jason Flemyng), der sich bei Gelegenheit in sein alter ego Mr. Hyde verwandelt. Dazu gesellt sich noch der junge Tom Sawyer (Shane West) vom US-Secret-Service.
Die brillante Idee, einige der tollsten Romanhelden des viktorianischen England zu einer Art historischer Superheldentruppe zu vereinen, stammt natürlich von Alan Moore und wurde von ihm in zwei herrlichen Comicerzählungen bereits zur vollen Blüte getrieben. Der Film hätte dementsprechend ordentlich werden können und in der visuellen Übersetzung der Hauptfiguren ist er das auch tatsächlich. Die Charaktere sehen durch die Bank aus, als wären sie ohne Umschweife vom Papier aufs Zelluloid gerutscht, doch, und damit beginnen sogleich die ernsthaften Probleme: Von Wildes Dorian Gray ist bei Moore nie die Rede und mit Twains Tom Sawyer musste wohl unbedingt auch eine uramerikanische Gestalt Einzug in den Film halten. Wells' Unsichtbarer Griffin wird zu einem beliebigen Dieb, der die Original-Formel gestohlen hat und seine Funktion innerhalb der Story sehr abgeschwächt. Dass Mina Harker zu einer Vampirin mutiert, ist eine weitere wenig gloriose Idee der Drehbuchautoren. Quatermain schließlich ist keineswegs der opiumsüchtige, ausgemergelte und gebrochene Ex-Strahlemann, den Moore aus ihm macht, sondern "bloß" ein altersheroischer Sean Connery.
Moores prächtiger Dialogwitz weicht weitestgehend einer unspektakulären, auf CGI-Knallerei setzenden Filmsprache und wo die Comics eine Bebilderung viktorianischen Pulpzaubers sind, ist der Film eben kaum mehr eine Hollywood-F/X-Orgie anno 04. Nach wiederholter Sichtung kann man sich als Rezipient zumindest andeutungsweise von dem Zwang lösen, eine adäquate Moore-Verfilmung zu erwarten und sich halbwegs auf das tosende, hohle Spektakel einlassen, das da vor sich hin flimmert. Dieses jedoch verpufft nach dem Abspann ebenso schnell wie eine von des Fantoms venezianischen Karnevalsbomben.
4/10
#847
Geschrieben 15. Juli 2007, 17:45
Little Big Man ~ USA 1970
Directed By: Arthur Penn
Im Interview mit einem jungen Historiker (William Hickey) berichtet der 121-jährige Jack Crabb (Dustin Hoffman) von seinen Erlebnissen im Wilden Westen, die sich zwischen roter und weißer Zivilisation abspielen. Nachdem seine Eltern von Pawnee ermordet werden, gelangt Jack in die Obhut der Cheyenne, wo er als einer der ihren aufwächst. Danach kommt er, zurück bei den Weißen, in das Haus eines fanatischen Reverends (Thayer David) und dessen bigotter Frau (Faye Dunaway), zieht mit einem Wundermittelhändler (Martin Balsam) überland, wird erfolgloser Gunman, erfolgloser Krämer, heiratet, verliert seine Frau (Kelly Jean Peters) an einen Cheyenne (Cal Bellini), wird Armeescout, kehrt zurück zu seinem roten Volk, heiratet dort erneut, erlebt die Massaker am Sand Creek und am Washita und die Morde an seiner Frau (Aimée Eccles) und seinem Neugeborenen, wird danach Alkoholiker und Trapper und kehrt in Custers (Richard Mulligan) Korps zurück, um dem Massenmörder endlich den Garaus zu machen - was dieser aber am Little Bighorn ganz allein besorgt.
Wenn man den schönsten Hollywood-Abriss des Wildwest-Historie sehen möchte, kann man wahlweise den prachtvollen, aber nicht ganz unkitschigen Cinerama-Western "How The West Was Won" vorziehen, oder - letztendlich die bessere, weil erwachsenere Alternative - Penns gewaltiges Satyricon, das immer noch die fürchterlichste Szene enthält, die mir aus einem Western bekannt ist. Im klassischen Stil der Schelmen- und Bildungsgeschichten lässt Penn seinen unbedarften, in Gefahrsituationen aber stets wachsamen Helden durch einen Westen tapern, den man so auf der Leinwand bislang nicht zu sehen bekommen hat. New Hollywood hat selbst vor dem epischen Breitwandwestern nicht halt gemacht.
"Little Big Man" ergreift ohne jedes Zugeständnis Partei für die "Menschenwesen", wie sich die Cheyenne selbst nennen und präsentiert die weißen Siedler ausnahmslos als moralisch verkorkstes (Mrs. Pendrake), profitgieriges (Merriweather), skrupelloses (Wild Bill) und psychotisches (Custer), letzten Endes trauriges Völkchen, das man "einfach nicht los wird. Es gibt zuviele davon."
Die spirituell und universell wahre Sicht der Dinge teilt der Film durch den Cheyenne-Häuptling Old Lodge Skins (Chief Dan George) mit, der sich längst mit dem Gedanken, dass sein Volk langsam dahingeschlachtet wird, arrangiert hat.
Einzigartig ist "Little Big Man" vor allem deshalb, weil er sich zu jeder Sekunde zugleich ernst nimmt und komisch ist, sein Genre zugleich parodiert und ihm einen der letzten großen Marksteine setzt. Ein wundervoller Film, der mich zu Tränen rührt.
10/10
#848
Geschrieben 16. Juli 2007, 06:44
Ulzana's Raid (Keine Gnade für Ulzana) ~ USA 1972
Directed By: Robert Aldrich
Der rebellische Apachenhäuptling Ulzana (Joaquín Martínez) bricht mit einem kleinen Gefolge aus dem Reservat aus, um einen umfassenden Raubzug samt Brandschatzung und Mord zu starten. Zur Verfolgung werden der junge Kavallerie-Leutnant DeBuin (Bruce Davison) und seine Truppe hinterhergeschickt, begleitet von dem erfahrenen Scout McIntosh (Burt Lancaster). Die blutigen Spuren, die die Indianer hinterlassen, sind nur allzu deutlich.
Fernab von jeder Winnetou-Romantik und ein harscher Gegenentwurf zu den hyperliberal gesonnenen Western der vorhergehenden Jahre, ist Aldrichs Film auch ein bärbeißiger Selbstkommentar. In seinem eigenen Film "Apache", der, ebenfalls mit Lancaster in der Hauptrolle (als Indianer) 18 Jahre vor "Ulzana" entstanden war, hatte Aldrich noch Partei gegen die Knechtschaft der Apachen und für ihre Unbeugsamkeit bezogen; diesmal lieferte er ein weitaus weniger schmuckes, im direkten Vergleich sogar geradezu karges Altersstatement, in dem er den Indianern zwar wiederum eine eigensinnige Mentalität zugesteht, sich dieser allerdings mit weitaus weniger Verständnis nährt: Was Ulzana und seine Männer den Siedlern im Zuge ihrer degoutanten Neigungen antun, ist mitunter schwer zu fassen. Glücklicherweise wird daraus aber keine plumpe Demagogie. Aldrich gesteht den Apachen zu, dass sie einem menschlichen Naturell folgen, das für strenggläubige Weiße (der frischgebackene Leutnant stammt aus puritanischem Hause) selbst dann nicht recht nachvollziehbar ist, wenn die eigenen "Rassegenossen" es ausleben. Aldrich wähnt die Barbarei nicht bei den Indianern, sondern beim Menschen.
Eine bedrückende Feststellung in einem sehr finsteren Western.
9/10
#849
Geschrieben 16. Juli 2007, 17:37
Buffalo Bill ~ USA 1944
Directed By: William A. Wellman
William F. Cody (Joel McCrea) alias Buffalo Bill, Freund der Indianer, Büffeljäger, Groschenromanheld zu Lebzeiten und Zirkusclown. Einiger seiner Lebensstationen kann man hier ansichtig werden, darunter der Hochzeit mit der Senatorentochter Louisa (Maureen O'Hara), seines gloriosen Scheiterns in der feinen Oststaaten-Gesellschaft, nachdem er seinen kleinen Sohn verloren und dem Ausschuss für Indianerfragen ordentlich Zunder gegeben hat und schließlich seines größten Erfolges, eines fahrenden Show-Unternehmens.
Wellman selbst hat seinen Film nicht besonders gemocht, da die Darstellung der berühmten Figur des Buffalo Bill Cody auf der Leinwand kaum dem entsprach, was sie im realen Leben repräsentierte. Das hier ist Legendenfütterung, allerdings gerade so schön und prunkvoll, wie sie eben nur der große Studiowestern zustande bringt. Joel McCreas Darstellung ist, ganz so, wie die anderer abenteuernder Kinohelden dieser Tage - sehr erhaben und edel angelegt. Das Bärtchen und den Schopf stets gewichst und in Form gebracht und den Lederrock immer im korrekten Sitz - vermutlich treffen sich McCrea und der echte Cody darin am ehesten. Codys kleinere Fehler, wie etwa sein Analphabetismus, werden mit verschmitztem Grinsen aufs Korn genommen, die größeren vornehmlich kunstvoll umgangen - seine Qualitäten als Westmann sind hier ohnehin die entscheidenderen. Da wird selbst die ehemalige Freundschaft zum Cheyenne-Häuptling Yellow Hand (Anthony Quinn) auf eine so harte Probe gestellt, dass sie ihr nicht standhalten kann.
Feinstes Technicolor, äußerste Sorgfalt in Ausstattung und Actionregie (die Kavallerieschlacht gegen die Cheyenne gilt als fast legendär) und ein epischer Anstrich bei knapp 90 Minuten kurzweiliger Laufzeit zeichnen "Buffalo Bill" nach wie vor aus und machen ihn zu einem der beständigsten Western der Vierziger.
9/10
#850
Geschrieben 16. Juli 2007, 20:31
Logan's Run (Flucht ins 23. Jahrhundert) ~ USA 1976
Directed By: Michael Anderson
Im 23. Jahrhundert lässt es sich leben: Innerhalb einer riesigen Kuppelstadt gibt es Berauschung, Sex allerorten, Spaß ohne Hinterfragen. Doch halt: Niemand ist älter als 30, und da liegt der Hase im Pfeffer. Um sich selbst vor der Überbevölkerung zu schützen, sind die Leute irgendwann auf die Idee gekommen, jedes Gesellschaftsmitglied zu seinem dreißigsten Ehrentag ins "Karussell" zu schicken. Dort werden in einem gigantischen Festakt die Geburtstagskinder während einer bunten Veranstaltung verbrannt. Die Sozialstruktur gliedert sich in "Läufer" und "Sandmänner", wobei letztere so eine Art Polizei darstellen, die Revoltierende auf der Stelle eliminieren. Als der Sandmann Logan-5 (Michael York) eines Tages den Auftrag erhält, die "Zuflucht", in der sich angeblich die Rebellen aufhalten, ausfindig zu machen und ihm als Ansporn seine verbleibende Lebenszeit entzogen wird, wird er zu einem Läufer und flüchtet mit Jessica-6 (Jenny Agutter) in die Außenwelt.
Die Siebziger waren unter anderem auch das Jahrzehnt der großen Film-Dystopien. Im Angesicht von mannigfaltigen Bedrohungen wie der Energiekrise, Überbevölkerung, Hungersnöten und dem allgegenwärtigen Schatten des Kalten Krieges schürten die Studios ihre kreativen Energien und brachten (sicher nicht ganz uneigennützig), angefangen noch in den späten Sechzigern mit "Planet Of The Apes", einige der bis heute eindrucksvollsten Untergangsszenarien auf die Leinwand. "Logan's Run" zehrte ein bisschen von dem Ruhm etwas glorioserer Vorgänger wie "Soylent Green", kann aber inmitten all der Postkatastrophen-Szenarien noch immer ganz gut bestehen, zumal es mit Ausnahme von Boormans "Zardoz" wohl auch der bedröhnteste Vertreter seiner Art ist. Die immerjunge Stadt unter den sterilen Kuppeln gleicht einem Hippie-Albtraum, alle sind permanent gut drauf, körperlichen Konflikten geht man generell aus dem Weg (es sei denn natürlich, man ist ein Sandmann), jederzeit gibt es irgendwo Sexwillige und neben Alkohol ähnlichen Substanzen verabreicht man sich ein pinkfarbenes Gas, das tollste Wirkung zeigt. Dabei interessiert sich niemand mehr für Ursachen und das "Woher", man geht lieber in "love shops", in denen sich alles in Zeitlupe abspielt. Auf ihrer Flucht geraten Logan und Jessica an Box (Roscoe Lee Browne), ein seltsames Roboterwesen, das alles und jeden tiefgefrieren will. Und wie zum Gipfel sitzt Peter Ustinov in den Ruinen von Washington D.C. und faselt etwas von Katzen und deren Dreifachnamen.
"Logan's Run" dreht einen auch nach wiederholtem Sehen ein bisschen durch den mentalen Wolf, was man sich bei entsprechender Präparierung aber sehr gut gefallen lassen kann.
8/10
#851
Geschrieben 18. Juli 2007, 13:59
Ghostbusters II ~ USA 1990
Directed By: Ivan Reitman
Sechs Jahre nach ihrer glorreichen Rettung New Yorks sind die Ghostbusters schon wieder Geschichte. Venkman (Bill Murray) moderiert eine parapsychologische TV-Show, Stantz (Dan Aykroyd) und Zeddemore (Ernie Hudson) treten auf Kindergeburtstagen auf und Spengler (Harold Ramis) widmet sich grenzschwachsinnigen Psychostudien. Dann bedroht der auf einem Gemälde verewigte Karpatenfürst Vigo (Wilhelm von Homburg) ausgerechnet das Baby von Venkmans Ex Dana (Sigourney Weaver) und lässt unter Manhattan Ströme von psychoaktivem rosafarbenen Schleim fließen.
Doch, auch die Fortsetzung ist noch sehr witzig, wenngleich sie an das supertolle Original nicht ganz heranreicht. Aykroyd und Ramis, die wiederum auch das Script zu verantworten haben, ist noch genug an aberwitzigen Dialogen eingefallen, um den zweiten Film wieder über weite Strecken zu einem Lachschlager zu machen. Wie viele Sequels lebt auch dieses davon, dass die Charaktere bereits ein Fundament haben und ihre Eigenarten vertieft werden können. Die meisten Gags liegen bei Murray, der während des ganzen Films nicht eine ernste Zeile von sich gibt und offensichtlich manches improvisiert. Aykroyd und Ramis werden wieder als große Kinder veralbert und Hudson bleibt der sehr diskutable Quotenfarbige ohne großes Mitspracherecht. Zu dem ohnehin inflationär vorhandenem Irrsinn gesellen sich dann noch herrliche Einfälle wie Danas Kollege Janosz, der von Peter MacNicol mit einem slawischen Akzent interpretiert wird, dass sich die Balken biegen und der einmal sogar als Albtraum-Gouvernante auf einem Fahrrad durch die Lüfte radeln darf. Habe mich bestens amüsiert und plädiere hiermit für eine dringend fällige Reunion des Quartetts.
8/10
#852
Geschrieben 18. Juli 2007, 14:19
The Lost Boys ~ USA 1987
Directed By: Joel Schumacher
Sam (Corey Haim) zieht mit seinem älteren Bruder Mike (Jason Patric) und seiner geschiedenen Mutter Lucy (Dianne Wiest) zum Großvater (Barnard Hughes) in das kalifornische Küstenstädtchen Santa Carla, letzte Zuflucht für Hippies und Punks und überflutet von Vermisstenmeldungen. Mike gerät bald an den seltsamen Gangleader David (Kiefer Sutherland) und seine Clique, die sich als Vampire entpuppen. Zusammen mit den Frog-Brüdern (Corey Feldman, Jason Newlander), zwei durchgeknallten Comicladen-Besitzern, versucht Sam, seine Familie vor den unheilvollen Ereignissen zu beschützen.
Habe ich immer schon sehr gerne gemocht, diesen noch recht frühen Schumacher und fand, es war ein guter Einstieg zu Kollege Munsons und meinem diesjährigen movie marathon. Alte Liebe rostet nicht und so konnte ich mich für den bunten und sehr oberflächlich glänzenden Vampirspaß auch aufs Neue erwärmen, auch wenn ich wohl seit rund 15 Jahren aus der ursprünglich avisierten Zielgruppe des Films herausfalle. Eindrucksvoll macht "Lost Boys" Appetit aufs Vampirdasein, denn wer möchte nicht eine immerwährende Party feiern als ewiger Jugendlicher? Doch kann man dem Film auch eine leicht deplazierte, pädagogische Note ausmachen - David und seine Kumpels könnten auch als Vertreter einer wie auch immer gearteten, non-konformistischen Subkultur verstanden werden, von denen es aufrechte Teenager fernzuhalten gilt. Aber das wäre womöglich etwas überinterpretiert. Wesentlich lieber denke ich da schon an bunte Panavisionbilder, abgefuckte Comicläden, den Opa mit seinem Rootbeer und der "La Cucaracha" spielenden Autohupe und natürlich an Corey Haims prächtigen Malamute Nanook, der sich für die Vampirbekämpfung als unverzichtbar erweist.
8/10
#853
Geschrieben 18. Juli 2007, 14:33
Amazon Women On The Moon ~ USA 1987
Directed By: John Landis/Joe Dante/Carl Gottlieb/Robert K. Weiss/Peter Horton
In parodistischer und dabei höchst vergnüglicher Weise werden das US-Kabelfernsehen und seine Zuschauer veralbert. Kernstück ist dabei der (fiktive) Science-Fiction-Klassiker "Amazon Women On The Moon".
Noch so ein Schlager, den ich anno dazumal so häufig gesehen habe, dass das Mitzählen müßig ist. "Amazon Women" gilt als inoffizielle Fortsetzung zu "Kentucky Fried Movie" von Landis und der ZAZ-Truppe, schlägt diesen aber nach meiner Ansicht eindeutig nach Punkten. Mit einer Besetzung, die an Kuriosität kaum zu überbieten ist (um nur ein paar wenige zu erwähnen: Neben Steve Guttenberg, Rosanna Arquette, Marc McClure und Michelle Pfeiffer tummeln sich Monique Gabrielle, Sybil Danning und Henry Silva - auch Russ Meyer und Andrew Dice Clay geben sich die Ehre) liefern insbesondere die beiden Schwergewichte Landis und Dante, die in der Historie phantastischer B- und C-Filme bewandert sind, wie kaum jemand anders in der Branche, ein Dauerfeuerwerk an Gags, die zwischen infantil und genialisch pendeln, dabei aber fast alle ins Schwarze treffen. Jedes Wiedersehen mit diesem persönlichen Klassiker bedeutet für mich, wieder einer komödiantischen Sternstunde ansichtig zu werden. "Amazon Women On The Moon", der Film im Film, zieht übrigens ganz gezielt einen echten Trash-Klassiker durch den Kakao: "Queen Of Outer Space". Ganz, ganz toll.
10/10
#854
Geschrieben 18. Juli 2007, 14:47
Kentucky Fried Movie ~ USA 1977
Directed By: John Landis
Sketchhafte Abfolge von medialen US-Heiligtümern, die schamlos, aber auch grandios in den Dreck gezogen werden.
... musste dann noch sein, weil Howie den noch nicht kannte und ich bei steigendem Alkoholpegel etwas Niveauvolleres kaum noch zu würdigen gewusst hätte. Der Beweis, dass "Amazon Women" besser ist, konnte für mich jedenfalls einmal mehr unmissverständlich erbracht werden. Aber das heißt ja nicht, dass "Kentucky Fried Movie" deshalb nichts taugt, ganz im Gegenteil. Nur muss man in Kauf nehmen, dass das, was hier vergackeiert wird eigentlich einer anderen Generation "gehört", womit die Rezeption sich immer etwas schwieriger gestaltet. Außerdem kann man glaube ich festhalten, dass der Humor in diesem Film um Einiges schmieriger und anarchischer daherkommt. Blaxploitation und Katastrophenkino, Odorama und interaktives Fernsehen, Gerichtsshows und - auch hier wieder zentral - ein veritables Spottkonzentrat, nämlich "Enter The Dragon", werden Opfer der gemeingefährlichen Spaßattacken von Landis und den ZAZs, die, eine Rarität, sogar allesamt im Film (als Teil des "Kentucky Fried Theaters") auftreten. Daneben leistete man sich noch Donald Sutherland, Bill Bixby, George Lazenby und Henry Gibson, die den ganzen Schwachsinn mit viel Elan supporten.
8/10
#855
Geschrieben 18. Juli 2007, 14:49
If ... ~ UK 1968
Directed By: Lindsay Anderson
Die Schüler eines englischen Elite-Colleges lernen Subordination unter brachliegendem Verstand und sollen mittels permanenten Drucks und Disziplinierung zu respektablen, d.h. unmündigen Gesellschaftsmitgliedern herangezogen werden. Eines Tages kommt es dann zur unausweichlichen Katastrophe.
Hier wurde es dann etwas schwieriger. Der einzige Beitrag, der aus dem filmischen Rahmen fiel, war dieser, eine ähnlich bittere Gesellschaftssatire wie "A Clockwork Orange", die zufälllig auch noch über denselben Hauptdarsteller verfügt.
Mit formalen Mitteln, die sich mitunter nicht so ohne Weiteres decodieren lassen, die zumindest aber dem Auge etwas Gutes tun, packt Lindsay Anderson sein komplexes Sujet, die absolut herzfreien Erziehungsmethoden im steifen Königreich. Und hat damit rückblickend einen Film geschaffen, dessen revolutionäres Potenzial, gerade heute, im Angesichte divereser Schul-Amokläufe, absoluten Zündstoff bereithält, eine im Prinzip zeitlose Message transportiert und eigentlich für jeden Lehrer zum Pflichtprogramm in der Ausbildung erklärt werden sollte. Howie hat der Film, obwohl es denn sein eigener war, leider nicht zugesagt und so hat er ihm wohl keinen sittlichen Nährwert gebracht (näheres dazu bitte unter entsprechender Adresse nachlesen), mir aber dafür ein tolles verspätetes Geburtstagsgeschenk. Herzlichen Dank nochmal dafür!
8/10
#856
Geschrieben 18. Juli 2007, 15:35
Dirty Rotten Scoundrels (Zwei hinreißend verdorbene Schurken) ~ USA 1988
Directed By: Frank Oz
Erfolgreich hochstapeln will gelernt sein. Das bemerkt auch der etwas liderlich wirkende amerikanische Minigauner Freddy Benson (Steve Martin) recht fix, nachdem er seinen weitaus professioneller agierenden Berufsgenossen Lawrence Jamieson (Michael Caine) durchschaut hat. Mit seinen dreisten, aber charmanten Betrügereien, deren Opfer allesamt reiche, gutgläubige, aber dumme Ladys sind, hat Jamieson ein beträchtliches Vermögen zusammengerafft, das er in seine Villa im pittoresken Beaumont-sur-mer an der französischen Riviera investiert. Freddie geht bei ihm in Lehre und als der Schüler dem Meister zur ernsthaften Konkurrenz wird, muss einer das Feld räumen - bleiben darf derjenige, der der vermeintlichen Millionenerbin Janet Colgate (Glenne Headley) als erstes 50.000 $ aus dem Handtäschchen jöckelt ...
Zum Abschluss noch ein humoristisches Kleinod, ein Remake ("Bedtime Story") mit zwei herrlich aufgelegten Stars, die perfekt harmonieren und sich die Bälle nonchalant zuspielen. Darin gibt es unbezahlbare Szenen, die meistens auf Kosten von Martins Charakter gehen, selbiger aber mit einem solchen Faible für alberne Quatschmachereien gespielt, dass es eine wahre Freude ist. Michael Caine indes gibt das, was man von ihm erwartet - einen sehr britischen Snob mit einem halben Pfund Pomade im Haar und galantem Auftreten. Ihren Reiz bezieht diese Komödie natürlich primär aus dem Wechselspiel der beiden völlig diametralen Charaktere und der (nur halbwegs erfolgreichen) Umschulung Freddies zu einem respektablen Frauenverführer. Gerade für solche Fälle ist Frank Oz ja bekanntermaßen ein guter Mann. Dazu noch die sommerliche, mediterrane Kulisse und das Filmherz füllt sich mit Sonne und Wonne.
8/10
#857
Geschrieben 18. Juli 2007, 21:01
Designing Woman (Warum hab' ich ja gesagt) ~ USA 1957
Directed By: Vincente Minnelli
Nach einer stürmisch-kurzen Kennenlernphase heiratet der Sportreporter Mike Hagen (Gregory Peck) die Textildesignerin Marilla Brown (Lauren Bacall). Erst in der Ehe aber beginnen die beiden sich kennenzulernen und haben diverse Prüfungen zu bestehen, bevor sie zusammenfinden.
Auch ohne ausufernde Stepptänzeleien (wobei, so ganz ohne kommt er auch hier nicht aus, Jack Cole besorgt sie) machte Minnelli schöne Filme. In "Designing Woman" bringt er einige Regieeinfälle, die auch nach 50 Jahren noch so urkomisch sind wie am Premierentag, wagt sich, Gregory Peck als passionierten Whiskeysäufer und Pokerspieler auszugeben (was man diesem allerdings nur augenzwinkernd abnimmt) und bringt vor allem einige Nebenfiguren aus dem Halbwelt-Boxmilieu mit in die Geschichte ein, die mittlerweile unsterblich sind - als da wären der "Mann ohne Nase", Maxie Stultz (Mickey Shaughnessy), der, wenn auch äußerst komisch, mir immer so unheimlich war wie der Bacall im Film, sowie Chuck Connors als heiserer Johnny O.
Das Thema Ehe und ihre Beständigkeit war ja klassischerweise eher das Metier des Doppels Tracy / Hepburn, man muss aber feststellen, dass auch Peck und Bacall in ihrer einzigen gemeinschaftlichen Arbeit ein sehr hübsches Paar abgeben.
Die Scope-Kamera (John Alton), die in erstklassiger Weise Räume (der Film spielt zu 98 Prozent in Innenbereichen) und ihre Aufteilung einzufangen versteht, wäre noch unbedingt zu nennen wie nochmals die Tatsache, dass "Designing Woman" als eine der erwachensten und köstlichsten Hollywood-Comedies der Fünfziger leider nie die ihm gebührende Anerkennung erfahren hat.
8/10
#858
Geschrieben 19. Juli 2007, 12:40
Cheyenne Autumn (Cheyenne) ~ USA 1964
Directed By: John Ford
Im Jahre 1878 weigern sich ein paar der letzten Verbliebenen des dezimierten Volks der Cheyenne, ihr Dasein in einem kargen Reservat in Oklahoma zu fristen und wagen den Exodus. Das Ziel ihrer 1500 Meilen langen Wanderung ist das ursprüngliche Territorium des Volks in Wyoming. Captain Archer (Richard Widmark) nimmt mit seinen Männern die Verfolgung auf. Aus seinem Ziel, die Cheyenne nach Oklahoma zurückzutreiben, wird zunächst der Wille zu beidseitiger Schadensbegrenzung und später tiefes Verständnis für die geknechteten Menschen, die er verfolgt. Seine politische Intervention führt schließlich dazu, dass die letzten paar Cheyenne nach entbehrungsreichem Marsch ihr Ziel erreichen können.
Ford konnte die Zeichen der Zeit nicht länger ignorieren, hinzu kam die zumindest ansatzweise schmerzliche Erkenntnis, dass große Teile seines filmischen Schaffens ein - gelinde gesagt - undifferenziertes Bild der nordamerikanischen Indiander transportierten. Ironischerweise wurde diese Verneigung vor dem Stolz der ewigen Opponenten Fords Genre-Vermächtnis. Formal so stark wie eh und je, machte er ein einziges Mal (sieht man von seinem teamwork zu "How The West Was Won" ab) Gebrauch von einem Breitbildverfahren (Super Panavision 70), um seinen bereits zu Lebzeiten so hoch geschätzten Bildern der urwüchsigen Prärie den gebührenden Glanz zu verleihen. Tatsächlich ahnt man erstmals, dass Ford, zum Entstehungszeitpunkt knappe siebzig Jahre alt, ein abweichendes Verständnis für den Boden entwickelt, den er so oft betreten hat. Auch wenn er die eigentlich gebührende Empathie, die die großen proindianischen Western auszeichnet, nicht zur Gänze aufbringen kann (das wäre womöglich auch zuviel verlangt), liest man ein deutliches Bedauern aus dem Film heraus. Am stärksten fängt diesen Eindruck jene Szene ein, in der Karl Malden, der in seiner Rolle als Offizier aufgrund blinden Gehorsams ein Massaker zu verantworten hat, halbwahnsinnig zwischen den Toten umherläuft. Für Ford-Verhältnisse ein wirklich bewegender Moment. Zu typischer Form aber läuft der Regisseur besonders bei der im Gesamtkontext etwas exotisch gefärbten, dafür umso berühmteren Dodge City-Sequenz auf, in der James Stewart und Arthur Kennedy als Wyatt Earp und Doc Holliday auf sehr komische Art und Weise die altersmüde Dekadenz der späten Wildwest-Prominenz verdeutlichen und von einem geplanten Feldzug gegen die an Dodge vorbeiziehenden Cheyenne ganz schnell wieder an den Pokertisch zurückkehren. Das ist dann wieder Ford par excellence, temporeich und mit feinstem Augenklappenhumor versehen.
"Cheyenne Autumn", der immerhin einen der schönsten Westerntitel überhaupt trägt, ist ein würdiges, wenn auch bitteres Relikt, das gleich in mannigfaltiger Weise von Abschied und Aufbruch erzählt.
9/10
#859
Geschrieben 19. Juli 2007, 20:50
Salon Kitty ~ I/BRD/F 1976
Directed By: Tinto Brass
Das Charlottenburger Bordell der Kitty Kellermann (Ingrid Thulin) wird von einem hochrangigen NS-Offizier (John Steiner) als Abhörstätte für ausländische Staatsgäste und Parteigenossen, die subversive Gedanken veräußern, missbraucht. Selbst die Prostituiertenbrigade, die dort arbeitet, steht, ohne um die Verwanzung zu wissen, ganz unter der Fuchtel des schmierigen und größenwahnsinnigen Wallenberg (Helmut Berger), bis die Hure Margherita (Tersa Ann Savoy) zusammen mit Kitty plant, den Spieß umzudrehen.
Brass' neben "Caligula" wohl größter Skandalfilm macht es seinem Zuschauer nicht gerade leicht. Zwar grenzt der Regisseur sich durch diverse Szenen deutlich von der faschistischen Ideologie ab, missbraucht aber andererseits - ganz in bester Exploitationtradition - den historischen Hintergrund, um (unzweifelhat selbsterklärt) abstoßende Bilder zu zeigen oder zu suggerieren. Nebenbei erliegt er, ähnlich wie Fosse mit "Cabaret", der Faszination der alten, zwielichtigen Berliner Kleinkunstbühnen mit Tanz, Schalk und Schamhaar, nur dass es hier nicht um die Bedrohung ebenjener freigeistigen Kleinkunst durch die Nazis geht, sondern um ein authentisches Haus, das während seiner Hochzeit von der Parteispitze toleriert und der übelsten Politprominenz besucht wurde, die man sich vorstellen kann. Das ganze im bekannten, grenzpornographischen Brass-Stil, den man prinzipiell goutieren mag, wie eigentlich auch "Salon Kitty" itself, sofern man es mit sich persönlich ausmachen kann, ein etwas ungewohnteres, ungezügelteres Film-Image von NS-Deutschland durchzuwinken. Als Nazipolitation würde ich Brass' Film übrigens nicht bezeichnen, dafür ist er noch immer eine Spur zu anspruchsvoll und künstlerisch viel zu versiert gemacht. Bin vielleicht einfach ein wenig hypersensibel, was das Thema anbelangt - aber ebenso wie zuletzt Verhoevens "Zwartboek", der in eine ähnliche Kerbe schlägt, kann ich resümierend festhalten, dass mir auch "Salon Kitty" unterm Strich noch zugesagt hat.
6/10
#860
Geschrieben 20. Juli 2007, 18:54
Buffalo Bill And The Indians, Or Sitting Bulls History Lesson (Buffalo Bill und die Indianer) ~ USA 1976
Directed By: Robert Altman
1885 gelingt William Cody (Paul Newman) alias Buffalo Bill im Winterlager seiner Wildwest-Show ein besonderer Coup: Er engagiert Sitting Bull (Frank Kaguitts), um ihn als Starattraktion in seiner Schau auftreten zu lassen. Bill selbst hat für die angereisten Sioux nur wenig Respekt übrig und so treiben ihn die eigenartigen Kommunikationswege des Häuptlings (u.a. spricht er nie selbst, sondern nutzt sein Faktotum William Halsey (Will Sampson) als Medium zur Außenwelt) in die annähernde Verzweiflung.
Nachdem Präsident Cleveland (Pat McCormick), der Bills Show samt Gattin (Shelley Duvall) besucht, Sitting Bull ein Gespräch verweigert, ohne überhaupt zu wissen, worum es geht, verlässt der Häuptling Bills Show ohne ein weiteres Wort. Bill erträgt die Schmach, die ihm dadurch zuteil wird, nur mittels praktikabler Verdrängungstaktiken.
Im zweiten seiner beiden Western demythifiziert Altman abermals seine Landesgeschichte, diesmal allerdings historisch sehr konkret und dabei noch wesentlich abgeklärter als es bei "McCabe & Mrs. Miller" der Fall ist. Paul Newman gibt den großen Selbstverklärer Cody in einer der besten Leistungen seiner Karriere als großmäuliges, vom späten kommerziellen Erfolg und Whiskeygenuss berauschtes, lebendes Fabelkonstrukt, dessen Talente zum Geschichtenerzählen die Größe seiner vermeintlichen ehemaligen Heldentaten bei weitem in den Schatten stellen. Codys verlogene Welt wird zwischen Wehmut und Weisheit kommentiert von seinem früheren Kompagnon und Groschenheftschreiber Ned Buntline, gespielt von Burt Lancaster, einem anderen großen Ex-Film-Westerner, der die Zeichen der Zeit ebenfalls längst erkannt hat.
Zur Mitte der siebziger Jahre hin war es endgültig vorbei mit dem alten Studioglanz. Der Western war tot, wovon ein Film wie "Buffalo Bill And The Indians" in markiger Weise zeugt. Im typischen Altman-Stil - die Kamera an einem Fleck postiert, ereignen sich im selben Bild oft mehrere Geschehnisse parallel - reift diese Erkenntnis immerhin zu einem ironischen Genuss, im Gesamtwerk seines Regisseurs eine Schlüsselposition einnehmend.
8/10
#861
Geschrieben 21. Juli 2007, 10:13
Didi - Der Doppelgänger ~ BRD 1984
Directed By: Reinhard Schwabenitzky
Als der milliardenschwere Unternehmer Immer (Dieter Hallervorden) bemerkt, dass er entführt werden soll, engagiert er den nichtsahnenden Kreuzberger Kneipier Koob (Dieter Hallervorden) als seinen öffentlichen Vertreter. Koobs Kneipe steht auf Immer-Baugrund und ist im Begriff, abgerissen zu werden - so wird der Handel perfekt. Der Doppelgänger erkennt jedoch bald, was Immer wirklich im Schilde führt.
Damit der gestrige CineClub eine zusätzliche Erinnerungsstütze erhält, muss der dort gesehene Klassiker selbstredend noch mit einem Tagebucheintrag verewigt werden.
Hallervorden war, bis ich Helge Schneider kennenlernte, mein deutscher Lieblingskomiker. Ich fand seinen Witz immer ansprechender als den von Otto Waalkes, obwohl sich zahlreiche der spitzen "Doppelgänger"-Anspielungen auf das Wirtschaftsgeschehen erst wesentlich später erschließen sollten. Mitte der 80er konkurrierten die beiden mit ihren Kinofilmen und es gab damals heiß geführte Schulhofdiskussionen, welcher von ihnen denn der lustigere Zeitgenosse sei. Ich stand dabei mit meiner sturen Ansicht immer ziemlich allein auf weiter Flur und auch an den Kinokassen hatte der Emdener die Nase sehr weit vorn. Das war mir aber egal. Berlin stand mir mental wohl näher als Ostfriesland, obwohl ich letzteres bereits kannte - Berlin allerdings noch nicht.
Noch heute überzeugt mich jede neuerliche Sichtung des "Doppelgängers" vollends und führt mir immer wieder vor Augen, dass der Film, was seine inszenatorischen und darstellerischen Qualitäten anbelangt, immense Klasse besitzt und bis in minimale Details absolut durchdacht ist. Und das ist keinesfalls nostalgische Verklärung, sondern eine unumstößliche Tatsache. Im Gegensatz zu den LISA-Kollegen oder eben Otto muss man hier seinen Blick auch nicht auf infantil stellen, um selbst als gebildeter Erwachsener herzhaft lachen zu können.
9/10
#862
Geschrieben 22. Juli 2007, 10:18
Wild Bill ~ USA 1995
Directed By: Walter Hill
Die letzten Tage des legendären Abenteurers, Büffeljägers, Kriegsveteranen, Marshalls, Landstreichers, Spielers und Revolverschützen Wild Bill Hickok (Jeff Bridges) in Deadwood, bevor er im August 1876, inmitten seines vierzigsten Lebensjahres, von dem frustrierten Jack McCall (David Arquette) hinterrücks während eines Pokerspiels abgeknallt wird.
Dass es verhältnismäßig wenige Filme mit Wild Bill als zentralem Charakter gibt, ist ein wenig verwunderlich, repräsentiert er doch mit jeder Faser den alten Westen wie kaum eine andere historische Figur. Nicht nur, dass er während seiner recht kurzen Biographie selbst in nahezu jede "Rolle" geschlüpft ist, die ein Weißer zu Wildwestzeiten innehaben mochte, er kannte auch andere Geschichtsgrößen jener Tage oder es verbanden ihn kurze Lebensabschnitte mit ihnen - darunter General Custer, Buffalo Bill und Calamity Jane, wobei letztere auch in Hills Film auftreten (Keith Carradine / Ellen Barkin).
Kurz nach "Geronimo" nahm sich Hill also dieser tatsächlich 'wilden' Gestalt an und lieferte damit - wie die meisten Spätwestern - einen Abgesang auf jene historische Epoche.
Das damals junge Deadwood, wo angesichts des legalisierten Glückspiels anarchische Zustände herrschen, lockt die letzten Pistolengrößen ihrer Zeit an wie Kuhscheiße die Fliegen, allerdings ist Wild Bill, mit grünem Star im fortgeschrittenen Stadium und der Opiumpfeife sehr zugeneigt, mit sich und seinem Leben sehr unzufrieden. In diversen Rückblenden schildert uns Hill die mutmaßlichen Gründe dafür - mit verblüffender Wirkung in Szene gesetzt mittels z.T. überbelichteter und farbentledigter Steadicam. Zahlreiche frustrierende Erlebnisse, Begegnungen mit todessehnsüchtigen Indianern, das versehentliche Erschießen seines eigenen Hilfssheriffs, Auftritte in Bill Codys Westernzirkus und eine verflossene Liebe tragen zu Wild Bills grenzdesolatem Zustand bei. Dennoch gestattet ihm Hill auch kurz vor seinem Tod noch diverse verklärende Momente. Den Derringer zieht er trotz Opiumvollrauschs noch immer so flink wie kein zweiter und auch seine Potenz lässt ihn nicht im Stich. Hill liebt solche Momente einfach zu sehr als dass er sie einer pietätlosen Nüchternheit anheim fallen ließe. Wie sein Film in ganz besonders diesem Zusammenhang liebenswert ist.
8/10
#863
Geschrieben 23. Juli 2007, 08:56
Saturday Night Fever (Nur Samstag Nacht) ~ USA 1977
Directed By: John Badham
Unter der Woche ungelernter Verkäufer im Malerzubehör-Laden, am Wochenende in der Disco: Das Leben des 19-jährigen Brooklyners Tony Manero (John Travolta) bietet nur wenig Abwechslung. Seine Höhepunkte findet es auf der Tanzfläche, denn hier ist Tony ein echter Star. Seine Freunde lobpreisen ihn, die Mädels himmeln ihn an wie nur was. Interessant sind natürlich ausschließlich jene, an die schwer ranzukommen ist, wie Stephanie (Karen Lynn Gorney), die sich wegen ihres Jobs in einer Manhattaner Agentur für etwas Besseres hält. Und es gibt noch die weiteren üblichen Problemchen, die ein junger Italoamerikaner so haben kann - Ärger mit einem neurotischen Freund (Joseph Cali), Ärger mit Puertoricanern, Ärger mit der Familie.
"Saturday Night Fever" schlug seinerzeit ein wie eine Bombe und für die folgenden paar Jahre verwandelte sich der Globus in eine glitzernde Discokugel. Alle Jungs wollten tanzen können wie Travolta und alle Mädels wollten seine Hüften. Der Soundtrack mit Bee Gees - Schwerpunkt war über Jahrzehnte der erfolgreichste überhaupt. Worin der außerordentliche Erfolg des Konzepts lag, ist nicht schwer zu mutmaßen: Es geht um einen "ethnisch vorbelasteten" Jungen aus proletarischem Hause, dessen Talente sich samt und sonders in der Lendengegend konzentrieren - potenzielle Wunschprojektion und Identifikationsfigur für Milliarden. Dass Badhams Film auch kritische Stimmen erhebt, Oberflächlichkeit und Bildungsmangel als wenig erstrebenswerte Ideale preisgibt, hat angesichts des glam'n glitters niemand mehr wahrgenommen. So legte "Saturday Night Fever" nicht nur einen wichtigen Grundstein für die Disco-Kultur, sondern läutete gewissermaßen bereits die verstandsbefreite Körperlichkeit der Achtziger ein. Darüber, dass der Film für seinen Hauptdarsteller ein Fluch werden sollte, braucht man kein Wort mehr zu verlieren, dass Badham für das Subgenre der Jugendkulturfilme aber ein unerlässliches, sauberes Werk von schönster Zeitverbundenheit und mit infizierender Atmosphäre geschaffen hat, darf man glaube ich mittlerweile mit Fug und Recht behaupten.
9/10
#864
Geschrieben 23. Juli 2007, 09:22
Flash Gordon ~ USA 1980
Directed By: Mike Hodges
Der grausame Imperator Ming (Max von Sydow), Herrscher des Planeten Mongo, greift nur zum Zeitvertreib die Erde an. Dort hat allerdings der leicht spinnerte Wissenschaftler Zarkov (Topol) längst Wind von den extraterrestrischen Zerstörungsplänen bekommen und will mutig einen Ein-Mann-Gegenangriff starten. Unfreiwilligerweise kommen ihm dabei dann noch der Footballspieler Flash Gordon (Sam Jones) und seine neue Freundin Dale Arden (Melody Anderson) zur Hilfe. Mit einer selbstgebauten Rakete geht es gegen Mongo, wo die geknechteten Völker des Sternensystems nur darauf warten, dass ein Rebell sie anführt.
Der frechste Blockbuster aller Zeiten. Erwartungsgemäß bös gefloppt und dabei für eine mehr als stattliche Summe hergestellt, fragt man sich noch heute, ob der italienische Produzent Dino De Laurentiis sich die Filme auch manchmal angeschaut hat, in die er da so bereitwillig investierte. Mit vorsätzlich artifiziellen, surrealistisch angehauchten Bildern versteht "Flash Gordon" es, der an sich schon bizarr konzipierten Comicstripreihe von Alex Raymond aus den Dreißigern, das passende Flair für die Breitwand zu verleihen und weiß dabei in jeder einzelnen Sekunde ganz genau und mit größtem Scharfsinn um die Absurdität seiner narrativen Prämisse. So ist "Flash Gordon" denn zuallererst eines: Komödie, Satire, Parodie. Es gibt eltliche liebevolle Referenzen an den sich im Vergleich bitterernst nehmende "Star Wars" und seine ersten, billigen Epigonen. Die exquisiten Kostüme, Bauten und set pieces sind dabei von erlesener Schönheit und einer Farbpracht, dass die Kamera in jeder Sekunde zu explodieren droht. Die Besetzung (neben den erwähnten hat man Ornella Muti, Timothy Dalton, Peter Wyngarde und Richard O'Brien) ist passend zu dem ganzen verrückten Rest unglaublich in ihrer Konstellation und dass für den pompösen Soundtrack Queen engagiert wurde, ist in diesem Zuge auch nur konsequent. Unverhohlen billigster pulp zu cineastischer Größe aufgeblasen - dass das seinerzeit niemand verstehen wollte oder konnte, verwundert wenig. Ist man bereit, sich darauf einlassen, nimmt "Flash Gordon" einen mit auf eine trippige Reise. Purstes Leinwand-Halluzinogen und für mich ein ewiger Lieblingsfilm.
10/10
#865
Geschrieben 24. Juli 2007, 11:41
Orca ~ USA 1977
Directed By: Michael Anderson
Um endlich seine Schulden abbezahlen und in die irische Heimat zurückkehren zu können, plant der Fischer Nolan (Richard Harris), einen Killerwal zu fangen und ihn an einen Zoo zu übergeben. Die Ozeanographin Rachel (Charlotte Rampling) warnt ihn vor der hohen Intelligenz und der Merkfähigkeit der Tiere, aber Nolan zieht den Plan stur mit seiner Mannschaft durch - und erwischt ein trächtiges Weibchen, das an Bord sein Kalb verliert und kurz darauf selbst stirbt. Der Gefährte des getöteten Tiers startet daraufin eine beispiellose Vergeltungsaktion, unter der das gesamte Küstenstädtchen zu leiden hat und der nach und nach Nolans Mannschaft zum Opfer fällt - bis der Reumütige sich entschließt, sich dem Orca zum Duell auf See zu stellen.
Ennio Morricones Titelthema zu "Orca", "My Love, We Are One", ist so unendlich traurig, dass es nur angespielt werden muss, um mich auf Kommando losheulen zu lassen wie einen Schlosshund - und daher passt es auch so hervorragend zu diesem völlig humorbefreiten Film. Mit dem absolut großartigen Richard Harris, der um diese Zeit eine große Sterbeszene nach der anderen absolvierte, in einer weiteren Qualitätsdarstellung und nettem Support wie der Rampling (deren Charakter zugleich als Erzählerin fungiert), Will Sampson, Keenan Wynn und Bo Derek kann man "Orca" in vielfacher Weise auslegen: Zunächst einmal ist es einwandfrei ein Tierhorror- /Katastrophenstreifen, der auf dem Erfolg von "Jaws" fußt und ironischerweise, um die Macht seiner Titelfigur zu demonstrieren, zu Anfang des Films gleich einen weißen Hai von einem Killerwal erledigen lässt (was sich Universal nicht gefallen und ein Jahr später im zweiten "Hai" die Retourkutsche folgen ließ). Dann ist des öfteren zu lesen, "Orca" sei eine tierische "Death Wish"-Variante. Auch nicht so verkehrt, stammen doch beide Filme aus der Produktion von De Laurentiis, nur dass Orca, wie Paul Kersey erst in späteren Filmen, ganz gezielt gegen die Übeltäter vorgeht und das moralische Recht als Naturgewalt uneingeschränkt auf seiner Seite hat. Überhaupt ist der Spiritualitätsanteil, der Mensch im Einklang mit seiner Umwelt bzw. als Störfaktor darin, wie bei vielen phantastischen Filmen dieser Ära unübersehbar. Daher auch Will Sampson, der stets mit Vorliebe als Vorzeigeindianer besetzt wurde und ebendiese Denkrichtung repräsentiert. Mir persönlich hat immer sehr der Gedanke gefallen, dass "Orca" eine umgekehrte Version von Melvilles "Moby Dick" ist. Der Wal ist Kapitän Ahab und recht sich für sein zerstörtes Leben an seinem Peiniger, dem weißen Fischer.
Produktionstechnisch nicht ganz holperfrei, gibt es doch zumindest diverse schöne Einstellungen der neufundländischen Drehorte und den wie gesagt beißend schönen Morricone-Score.
7/10
#866
Geschrieben 24. Juli 2007, 12:07
Deja Vu ~ USA 2006
Directed By: Tony Scott
Ein Bombenanschlag auf eine mit Matrosen und deren Familien vollbesetzte Fähre in New Orleans fordert hunderte von Menschenleben. Der Polizist Doug Carlin (Denzel Washington) wird daraufhin von FBI-Agent Pryzwarra (Val Kilmer) eingeladen, an einer neuartigen Aktion zur Terrorbekämpfung teilzunehmen, die ermöglichen soll, die Täter schnellstmöglich zu identifizieren. Es zeigt sich, dass es sich bei besagtem Projekt um eine Gerätschaft handelt, die einen Brückenschlag in die Vergangenheit ermöglicht. Fasziniert stellt Carlin fest, dass es nicht nur möglich ist, in die Vergangenheit zu blicken, sondern sie auch physikalisch zu beeinflussen. Um ein Mordopfer (Paula Patton), zu dem er sich im Zuge der rückblickenden Ermittlungen mehr und mehr hingezogen fühlt, vor dem Tod zu bewahren, wagt Carlin schließlich das Unmögliche.
Um's kurz zu machen: Mit "Deja Vu" hat sich Scott fürs Erste wieder rehabilitiert bei mir. Nach dem grauenhaften "Domino", bei dem er seine ästhetischen Konzepte zwischen Reißschwenk, Stakkatoschnitt und Überbelichtung zur Gänze und bis zur Brechreizgrenze ausgekostet hat (mit verdient ausbleibendem kommerziellen Echo) nun also wieder ein etwas gemäßigteres Werk, das sich uneingeschränkt der guten alten Bezeichnung "Spielfilm" erfreuen darf. Auch wenn mir seine Schnittfrequenz noch immer zu hoch erscheint, ergibt sie sich dann doch irgendwann der Erzählung, die, wie viele Zeitreisestreifen, bereits durch ihren wissenschaftlichen Ansatz grundsätzliches Interesse zu wecken vermag. Zwar wird die innere Logik nicht selten dem Filmfluss geopfert, die nahezu permanent auf den Punkt konzentrierte Aufmerksamkeit, die gegen Ende in einem wirklich immens spannenden Finale kulminiert, kann dieses Manko aber nicht schmälern. Die metaphysischen Gedankenspiele um die Endgültigkeit und Determiniertheit des Schicksals haben ihren Reiz; noch als angenehm zu vermerken ist weiterhin die verhältnismäßig geringe Anzahl an spektakulären Actionsequenzen - wenn es eine gibt (wie die Fahrt mit dem Hummer), dann ist sie sinnvoll. Auch finde ich es durchaus probat und keinesfalls unangebracht, mit einer solchen Großproduktion der von der Flutkatastrophe gebeutelten Stadt New Orleans ein ausdrückliches Denkmal zu setzen. Damit bekommt "Deja Vu" einen geradezu dokumentarischen Charakter. Als "domestizierter" Scott bestes Entertainment.
8/10
#867
Geschrieben 24. Juli 2007, 18:47
Harsh Times ~ USA 2005
Directed By: David Ayer
Nach seinem Einsatz im Irak hat Jim Davis (Christian Bale) mit einer schweren Kriegsneurose zu kämpfen, die ihm selbst nicht bewusst ist. Er sucht den Einsatz bei der Polizei von Los Angeles, wird dort aber wegen seines psychologischen Profils abgelehnt. Also verbringt er die Tage damit, mit seinem besten Freund Mike (Freddy Rodríguez), ebenfalls auf sehr oberflächlicher Beschäftigungssuche, durch die Stadt zu kreuzen, den Gangsta heraushängen zu lassen und sich an kleinen illegalen Geschäften zu versuchen. Schließlich kommt eine seiner Bewerbungen bei einer Regierungsbehörde durch, die ihn in einer Beraterfunktion nach Kolumbien führen soll. Auch Mike hat Glück und bekommt einen Job. Zwischen ihrem Arbeitsantritt liegt allerdings noch ein Ausflug nach Mexiko, wo Jims Verlobte in ärmlichen Verhältnissen haust.
"Harsh Times" schlägt in eine ähnliche Kerbe wie "Training Day", dessen Buch ebenfalls von David Ayer stammt. Hier wie dort steht die flirrende Downtown L.A. im Zentrum des Geschehens, hier wie dort geht es um zwei durch ihre Lebensumstände miteinander verbundene Individuen, der eine im Prinzip solide, der andere dessen Schulterteufelchen, das seinen Kompagnon mehr und mehr Richtung Abgrund zieht. Damit enden die offensichtlichen Parallelen aber auch, denn Bales Charakter fußt doch auf einer etwas anderen Basis als Washingtons in "Training Day". Es sind unzweifelhaft äußere Faktoren, nämlich seine Kriegserlebnisse, die ihn zum Psychotiker werden ließen (eine ähnliche Basis wie in Friedkins "The Hunted"), was sich durchaus als diesbezügliche Kritik zu verstehen gibt. Damit will "Harsh Times" ein bisschen viel auf einmal: Moralinsaure Verliererstudie, Ghettofilm, Kriegsheimkehrerdrama in einem? Ein Themenfeld abzudecken hätte genügt - besondere Stärken entwickelt Ayer in der Schilderung der Betrugstaktiken von Mike an seiner Frau (Eva Longoria) oder der Unfähigkeit der beiden Freunde, etwas Vernünftiges auf die Beine zu stellen. Christian Bale macht seinen Job sicher sehr gut, warum er aber ausgerechnet den latin-caucasian muthafucka auf den Leib geschrieben bekam, das bleibt wiederum ein Geheimnis Ayers. "Harsh Times" wirkt somit stellenweise inhomogen und krude, wo er es eigentlich gar nicht nötig hätte. Vor 35 Jahren hat man sich noch getraut, ebensolche Alltagsgeschichten weitaus unspektakulärer, glaubhafter und vor allem wertiger zu erzählen.
6/10
#868
Geschrieben 24. Juli 2007, 19:21
Babel ~ USA/F/MEX 2006
Directed By: Alexajandro González Inárritu
Ein verschenktes Jagdgewehr stößt Familien auf drei Kontinenten ins Unglück oder lässt sie zumindest haarscharf daran vorbeischrappen.
Keine Ahnung, ob "Babel" der letzte Teil einer Ensemblespiel-Trilogie von Inarritu und seinem Schreiber Guillermo Arriaga sein soll, passen würde es ja ganz gut. Ich muss sagen, dass mir "Amores Perros" immer noch am besten von den drei Filmen gefällt. Was "21 Grams" und nun "Babel" weniger gut bekommt, sind ihre Starbesetzung bzw., in letzterem Falle, ihre kosmopolitische Wichtigtuerei. "Babel" verrennt sich ein wenig in seiner auf interkontinentalen Schauplätzen angelegten Komplexität und bewirkt damit in seiner Gesamtheit das Gegenteil seiner Intention: Er bleibt jederzeit als Leinwandprodukt in Erinnerung. Nichtsdestotrotz verstehen Inárritu bzw. Arriaga es, ihre dreieinhalb Geschichten äußerst mitreißend und empathisch zu erzählen und darauf liegt ja immer noch das Hauptgewicht. Das Geschehen ist immer ganz nah bei seinen Figuren, die teilweise nur durch Andeutungen festen charakterlichen Grund erhalten und somit, unabhängig von ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft allesamt sehr zur Identifikation taugen. Darin liegt dann auch wiederum ein großer Verdienst von "Babel", der bis auf die o.a. - recht persönlich gewichteten - Defizite sehr ansehnlich geraten ist.
8/10
#869
Geschrieben 25. Juli 2007, 11:02
Legal Eagles (Staatsanwälte küsst man nicht) ~ USA 1986
Directed By: Ivan Reitman
Staatsanwalt Logan (Robert Redford) und Verteidigerin Kelly (Dabra Winger) nehmen sich zu gleichen Teilen einer Mandantin (Daryl Hannah) an, einer jungen, exzentrischen Künstlerin unter Mordverdacht. Als Logan gefeuert wird, gestaltet sich die Zusammenarbeit freilich noch widerstandsärmer.
Gesittete Zwanzigfuffzehn-Unterhaltung mit A-Besetzung, die weder Geist noch ästhetisches Empfinden allzu sehr reizt. Dass Robert Redford ein gutaussehender Charmeur ist, dürfte auch anno '86 schon Tante Hedwig aus Buxtehude bekannt gewesen sein - welchen Zweck die hier vorliegenden permanenten Anhimmelungen seiner Person durch Winger und Hannah (steiler Zahn, klarer Fall) erfüllen sollen, bleibt demnach schleierhaft. Unter der Etikettierung "Redford-Vehikel" geht der Film, sofern man den Schauspieler mag und zumal nicht langweilig, dennoch halbwegs durch, andererseits demonstriert er aber auch die Limitierungen seines Regisseurs respektive die Abhängigkeit der Qualität seines Werks vom Drehbuch. Begibt sich Reitman nämlich aus dem SNL-Dunst heraus, büßt seine Arbeit entlarvenderweise einen Großteil an hintergründigem Witz ein und bleibt irgendwo in den Niederungen gepflegten, aber gelackten Biedermannentertainments stecken. Im unmittelbaren Gefolge von "Ghostbusters", diesem grantelnden Comedy-Blockbuster-Meilenstein, also eher Ernüchterndes vom (nur vermeintlichen) Meister.
5/10
#870
Geschrieben 25. Juli 2007, 17:53
Tempo Di Massacro (Django - Sein Gesangbuch war der Colt) ~ I 1966
Directed By: Lucio Fulci
Tom Corbett (Franco Nero), genannt Django, wird von seiner Goldschürferei nach Hause beordert, um seinem Bruder Jeff (George Hilton) zu Hilfe zu kommen. Daheim angekommen stellt Django fest, dass Jeff mitsamt der Mutter (Rina Franchetti) von der familieneigenen Ranch vertrieben wurde und nun sein Leben als verlachter Säufer fristet. Außerdem prangt auf sämtlichen Ladengeschäften der Stadt groß der Name "Scott". Just derselbe (Giuseppe Addobbati), ein Großgrundbesitzer, bzw. sein durchgedrehter Filius (Nino Castelnuovo) stecken erwartungsgemäß auch hinter den unheilvollen Entwicklungen. Da die Suche nach einem vernünftigen Gespräch sich als fruchtlos erweist, lassen Django und Jeff ihre flinken Schießeisen sprechen.
"Tempo Di Massacro" ist einer von drei Nero-Western, die in Deutschland das "Django"-Schild angeheftet bekamen, ohne mit der eigentlichen Figur auch nur das Geringste zu tun zu haben. "Django" erwies sich bekanntermaßen als durchschlagender Erfolg und da es sich nicht um ein geschütztes Trademark handelte, wurde jedem dritten italienischen Ballerbruder hierzulande völlig unberechtigterweise jene Bezeichnung in Titel und Synchronisation zuteil.
Wenn Nero den finster dreinblickenden Rachegesellen gab, so kamen bisweilen immerhin annährende Assoziationen auf, die Richtung Corbucci deuteten. Dass sich hinter dem Titelwirrwarr tatsächlich der ein oder andere wirklich wichtige Italowestern verbirgt, lässt sich angesichts der "Django"-Legionen noch heute schwerlich ausmachen.
"Tempo Di Massacro" jedenfalls, im Trailer reißerisch als der "dritte echte Django-Film" (nach "Texas Addio" aka "Django der Rächer") angepriesen, hat die wichtigsten Attribute gelungener europäischer Genrefilme an Bord: Schlagfertige Dialoge, sadistische Gewalt, einen patenten Pistolero und einen finsteren Fiesling. Hilton als ewig kichernder Gintrinker macht Nero sogar die Bühne streitig, da der Löwenanteil der flotten Schießereien, ruinning gag inklusive, auf sein Konto geht. Fulci bringt einige schöne Einstellungen, experimentiert hier und da mit der Tiefenschärfe und beweist, dass er als Westernregisseur was auf dem Kasten hatte - eine vergleichsweise leider seltene Demonstration.
7/10
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