In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1141
Geschrieben 23. März 2008, 10:42
Missionary Man ~ USA 2007
Directed By: Dolph Lundgren
Ein kleines Städtchen in Nevada, das von dem miesen Ganoven Johnny Reno (Matthew Tompkins) beherrscht wird. Dessen aktuelle Gaunerei besteht darin, den Indianern die Konzesion für ein Fleckchen Land abzuluchsen, um dort ein Casino für den Rocker Jarfe (John Enos III) bauen zu können. Da kommt ein mysteriöser Biker (Dolph Lundgren) in die Stadt, der puren Tequila trinkt und stets eine kleine Bibel mit sich herumzutragen pflegt, aus der er denn auch gern mal liest (nicht ohne sich vorher seine Gläser aufzusetzen). Außerdem ist er mit den Fäusten gut bei der Hand. Der Biker steht den Indianern bei und räumt am Ende mit Jarfe und seiner Bande auf.
Für seine neueste Produktion hat sich Lundgren den "Shane"-Mythos und dessen spätere Variation "Pale Rider" vorgeknöpft, um sie in die Gegenwart und in das Motorrad-Milieu zu transponieren. Die personelle Konstellation gleicht fast aufs i-Tüpfelchen der in Eastwoods Film und dementsprechend vollzieht sich die narrative Entwicklung. Auch ansonsten ist "Missionary Man" freilich ein typischer Neowestern mit allem, was dazu gehört. Lundgren erweist sich mehr und mehr als ein echtes Regiewunder: Er reduziert mittels Filtern die Farbwerte auf ein Minimum, so dass das 16mm-Bild die meiste Zeit ausschaut wie sepiafarben viragiertes Schwarzweiß, also eine ganz bewusste visuelle Hinwendung den Kinoursprüngen zu. Inszenatorisch wie thematisch ist der Film resümierend recht gelungen, größere Schwächen liegen sicherlich noch in der hölzernen Dialogarbeit. Ein wirklich störendes und penetrantes Faktum stellt die Anhängerschaft von Lundgrens Figur an die Bibel dar, die er einmal als "Lebensführer" bezeichnet und sich passend dazu pausenlos zum überirdischen Missionar stilisiert, der als Racheengel unter die Heerscharen des Bösen fährt. Diesen Kniff haben Stevens und Eastwood jeweils deutlich subtiler gemeistert. Dennoch: Es dürfte sich lohnen, Lundgren weiter im Blick zu behalten; der Weg den er einschlägt ist in jedem Fall der richtige und ich bin überzeugt, dass er eine größere Aufmerksamkeit verdient und diese auch bekommen wird.
7/10
#1142
Geschrieben 23. März 2008, 10:57
Love In The Afternoon (Ariane - Liebe am Nachmittag) ~ USA 1957
Directed By: Billy Wilder
Ariane (Audrey Hepburn), die Tochter des auf außereheliche Liebesaffären spezialisierten Pariser Privatdetektivs Chavasse (Maurice Chevalier) verliebt sich, bei dem erfolgreichen Versuch dessen Leben zu retten, ausgerechnet in des Vaters investigatives Hauptobjekt, den amerikanischen Playboy Frank Flannagan (Gary Cooper). Flannagan ist selbst verzaubert von dem anmutigen Mädchen, bis er seine wahren Gefühle für sie entdeckt, braucht es allerdings noch eine Menge weiblicher Taktik, väterlicher Vorwürfe und Eingeständnisse.
Einige seiner schönsten Liebesfilme hat Wilder an dem fürentsprechende Arrangements wohl idealsten Ort angesiedelt: In Paris. Allein die Schwingungen der Metropole, das wird gleich zu Beginn von "Love In The Afternoon" glaubwürdig versichert, tragen dazu bei, dass (sich) die Menschen hier überall und andauernd küssen. So wird denn auch der betagte, in Liebesdingen abgeklärte Charmeur eines Tages vor Ort gezähmt - interessanterweise steht er, trotz seiner eindrucksvollen Erfahrungswerte, auf derselben, wenn nicht auf einer deutlich naiveren emotionalen Stufe als die jungfräuliche Ariane, die ihre Gefühle für ihn wesentlich pünktlicher evaluieren kann. Als der weiseste von allen entpuppt sich fraglos der Vater der zukünftigen Braut, der Detektiv (herrliche Altersrolle für Chevalier), der seinen baldigen Schwiegersohn aller bisherigen Kenntnisse über ihn zum Trotze nur einmal in die Zange nehmen muss, um zu wissen, was die Stunde geschlagen hat.
"Love In The Afternoon", eine in diesen Tagen pathologische Wilder-Obsession von der jungen knabenhaften Frau (wer würde sich nicht in sie verlieben, in Audrey), die die emotionale Autarkie eines älteren Herrn zum Schmelzen bringt (s. auch "Sabrina"), in edlen Bildern aufgenommen, erwärmt das Herz in seufzvoller Weise, ein wunder-, wunderschöner Film.
9/10
#1143
Geschrieben 24. März 2008, 12:01
Mad Max 2 ~ AU 1981
Directed By: George Miller
Max (Mel Gibson) pilgert mit seinem V8 durch ein postapokalyptisches Niemandsland mit dem Weg als Ziel und auf der steten Suche nach rarem Benzin um vorwärts zu kommen. Dabei macht er die Bekanntschaft eines leicht durchgedrehten Hubschrauberpiloten (Bruce Spence), der weiß, wo sich eine Ölraffinerie befindet, deren Bewirtschafter sich wie die Bewacher einer Oase vorkommen. Tatsächlich wird ihr Hort von einer Gruppe verwahrloster Straßenpunks belagert, die mit allen Mitteln an das Öl und die Pumpen kommen wollen. Die Bewohner des Forts denken längst an Ausbruch, benötigen dafür aber ein Vehikel, um das Öl zu transportieren. Max übernimmt den Job und will danach in die Wüste entkommen. Die Rocker jedoch kriegen ihn und lassen ihn vermeintlich tot zurück. Zurück im Fort bietet Max an, den beschafften Lastzug Richtung Küste zu steuern.
"Mad Max 2", vielleicht der poetischste aller Actionfilme, ist ein immer wieder überwältigendes Kraft- und Kunstwerk der Physis und der Zerstörung. Miller zelebriert seinen einzigartigen Blechwestern in halsbrecherischer Weise und legt seinen Film ansätzlich noch weit hinter dem in ganz anderer Weise verstörenden Vorgänger (der sich zu "Mad Max 2" verhält wie ein Horrorfilm zu einem finsteren Märchen) an. Wo in "Mad Max" noch Refugien existierten, zivilisatorische Reste, Gewaltenteilung und Infrastruktur, da ist hier zu Beginn von einem Krieg die Rede, der jede menschliche Vernunft im Zuge einer ultimativen Energiekrise endgültig hinfort geblasen hat. Die Überbleibsel des Humanen rotten sich wahlweise sich in hippieesken Enklaven zusammen oder stromern als Todesboten durch die Ödenei. Dann gibt es noch Einzelgänger wie Max. Der "Shane"-Mythos hat mich in letzter Zeit ganz unwillkürlich und regelrecht beängstigend häufig beschäftigt, hier ist er wieder ganz präsent. Das mythische Erlösermotiv des rettenden Engels, der kommt, sieht, siegt und verschwindet setzt nach der Rachegeschichte des ersten Teils hier und im Nachfolger "Beyond Thunderdome" die inhaltlichen Schwerpunkte. Äußerlich und formal ist der Film indes Kino in seiner pursten Form, laut, gewalttätig und in permanenter Bewegung. Ein Archetyp, wie alle großen Genrefilme, der in erster Linie die italienische Filmindustrie zu zahlreichen mehr oder minder gelungenen Ablegern angespornt hat, welche im Vergleich zu diesem Urgestein allerdings zwangsläufig bloß zu Staube kriechen (können).
Darüberhinaus mein erstes Blu-Ray-Erlebnis, mit einem der sicherlich passendsten Filme. Monumental.
10*/10
#1144
Geschrieben 24. März 2008, 12:25
Cannonball Run II (Auf dem Highway ist wieder die Hölle los - Highway 2) ~ USA 1984
Directed By: Hal Needham
Das zweite Anarcho-Rennen quer durch die USA, diesmal von der West- zur Ostküste, finanziert Scheich Falafel (Jamie Farr) selbst. Die meisten Chaoten und Schwachsinnigen des Vorgänger-Wettbewerbs sind wieder am Start, darunter J.J. (Burt Reynolds), sein Kumpel Victor / Captain Chaos (Dom DeLuise) und natürlich Fenderbaum (Sammy Davis jr.) mitsamt Jamie Blake (Dean Martin). Die große Prügelei gegen Ende richtet sich hier gegen ein paar kahlköpfige Vegas-Gangster unter dem Vorsitz des Kredithais Hymie (Telly Savalas).
Das zweite große Sequel am gestrigen Filmabend bei maX daheim. Von Blu-Ray zu VHS, von Hieronymus Bosch zur Kindergartenkunst. Mehr noch als der Vorgänger "Cannonball Run" ein Festival der Infantilität. Meine These bezüglich der Fortsetzung, der, analog zu seinem inflationär ansteigendem, albernen Kleinkindhumor (der Orang Utan!) mit mehr Prominenz gespickt ist als Teil Eins, ist die, dass der Dreh für sämtliche Beteiligten eine Dauerparty gewesen sein muss, bei der das Gros der Leute schwer besoffen war. Man sehe sich nur Jack Elam an, der nach der erstaunlich verquasten Darstellung in "Cannonball Run" unglaublicherweise noch präfinaler ausschaut oder natürlich den guten Dino, dessen Gesichtszüge mehr über den Zustand seiner Leber verraten als ihm lieb sein kann. Besonders pikant ist dieser Film natürlich wegen seiner Rat-Pack- und-Vegas-Reminiszenen, Sinatra, der im letzten Drittel als "König" eingeführt wird, muss sich sogar eine schnippische Anspielung auf seine Mafia-Verbindungen gefallen lassen.
Ein Film, der heutzutage in dieser Form völlig undenkbar wäre, und der sicher nicht jedermanns Sache sein soll. Meine ist es schon, und das nach unzähligen Jahren und Sichtungen der innigen Sympathie.
8/10
#1145
Geschrieben 24. März 2008, 15:54
Das Millionenspiel ~ BRD 1970
Directed By: Tom Toelle
In naher Zukunft werden die ethischen Statuten der Fernsehmacher tatsächlich noch lockerer gehandhabt als heute und es ist längst Usus, das Menschen vor laufender Kamera ihre Leben aufs Spiuel setzen. In der beliebten und vieldiskutierten Show "Das Millionenspiel" wird ein Kandidat sieben Tage lang von drei Killern (Dieter Hallervorden, Theo Fink, Josef Fröhlich) durch die Lande gehetzt und muss pausenlos um sein Leben fürchten. Schafft er es zurück ins Aufnahmestudio, bekommt er eine Million DM. Aktuell flüchtet Bernhard Lotz (Jörg Pleva).
Es ist begeisternd, wenn man feststellen kann, einer bestimmten Sache lange Zeit völlig zu Recht entgegengefiebert zu haben. Darauf, "Das Millionenspiel" zu sehen, warte ich seit bestimmt schon 15 Jahren. Dafür gab es mehrere Gründe, darunter sein bereits legendärer Status (nicht zuletzt begründet durch jahrelangen Rechtesteit und rare Ausstrahlungen) als TV-Event, Jörg Pleva, den ich sehr schätze, Hallervorden, den ich unbedingt als Profikiller sehen wolllte, Dieter Thomas Heck, der so über alle Maßen gelobt wurde und nicht zuletzt die initiierende Wirkung des Films auf den Roman "The Running Man" und dessen Verfilmung. Jetzt bot sich mir endlich die Möglichkeit und ich bin tatsächlich schwer angetan. Der satirische Ansatz - zu demonstrieren, wie das Fernsehen nebst seiner Formate funktioniert und wie es mit Leichtigkeit die immer aufs Neue weithin unkritische Öffentlichkeit zu seinem Sklavenstab macht, ist fast schon als prophetisch zu bezeichnen. Immerhin gehört es heute schon zum guten Ton, sich vor den Augen der Nation / Welt entwürdigen zu lassen, die letzten paar Schritte schaffen wir da auch noch, vielleicht auch noch die hin zum Albtraum Monokapitalismus.
Besonders stark ist die Improvisation der Darsteller, die gerade Heck, der eine herzhaft mutige Performance abgibt, indem er sich als schmieriger, heuchelnder Moderator kurzerhand selbst reflektiert und persifliert, unvergesslich macht. Dazu die Methode, product placement in Form aufdringlicher Werbeclips an den passenden Stellen unterzubringen - der berühmte Lacher, der im Halse stecken bleibt, begegnet einem in Toelles Film gar nicht mal selten.
Tatsächlich, wenn Fernsehen immer so gut wäre wie hier - ich könnte eine Menge (Vor-) Urteile einpacken.
9/10
#1146
Geschrieben 25. März 2008, 10:10
Blackboard Jungle (Die Saat der Gewalt) ~ USA 1955
Directed By: Richard Brooks
Der frisch examinierte, idealistische Lehrer Richard Dadier (Glenn Ford) erhält eine Stelle an einer High School mitten in der Bronx. Die ihm zugewiesene Klasse besteht aus durchweg undisziplinierten, renitenten Haudegen unterschiedlichster ethnischer Herkunft. Während Dadier aber nach und nach das Vertrauen und den Respekt der meisten Schüler, allen voran des intelligenten Miller (Sidney Poitier) gewinnen kann, schraubt sich der Konflikt mit dem hasserfüllten, verbohrten West (Vic Morrow) empor bis zur Eskalation.
Richard Brooks' neben der Williams-Verfilmung "Cat On A Hot Tin Roof" beste und aufwühlendste Kinoarbeit zeichnete schon vor über fünfzig Jahren ein dermaßen pessimistisches Porträt sozialer Zukunft, dass es sämtlichen Nachziehern und Quasi-Remakes, die besonders in den Achtzigern und Neunzigern beliebt waren, trotz größerer äußerer Tragik ("187"), bemühterer Szenarien ("Dangerous Minds") und drastischerer Bilder ("Class Of 1984") nicht gelang, seine Intensität aufzugreifen. Glenn Ford gibt als Dadier einen bewusst naiven didaktischen Simplicissimus, der nicht annähernd mit dem rechnen kann, was ihn da erwartet - ein Dschungel, wie der Originaltitel des Films es bereits signalisiert. Delinquente Jugendliche, denen man mit offenen Armen begegnet, strafen einen dafür mit Verschlossenheit und Missachtung, im schlimmsten Fall sogar mit offensiver Aggression. Zu demonstrieren, dass es trotz dieser Unwegsamkeiten möglich ist, seine berufliche und vor allem ethische Integrität zu wahren, ist vielleicht das größte Verdienst von Brooks' Film und bewahrt ihn im Gegensatz zu sämtlichen anderen Vertretern seiner Gattung vor der Hilflosigkeit, am Ende althergebrachte Genreformeln bemühen zu müssen. Nach wie vor ein nicht nur brillanter, sondern sogar ein immens wichtiger Film.
10/10
#1147
Geschrieben 26. März 2008, 18:26
Some Like It Hot (Manche mögen's heiß) ~ USA 1959
Directed By: Billy Wilder
Chicago, 1929. Die beiden Musiker Joe (Tony Curtis) und Jerry (Jack Lemmon) werden Zeuge des Valentinstags-Massakers und sind gezwungen, vor dem Gangster Gamaschen-Colombo (George Raft) nach Florida zu fliehen. Der Haken: Sie müssen sich einer Damen-Kapelle anschließen und sich selbst als Mädchen verkleiden. Erwartungsgemäß kommt es bald zu diversen romantischen Kapriolen und Verwechslungsspielchen.
Normalerweise kann ich über Travestie-Farcen nicht lachen, umso schöner finde ich diese Ausnahme von der Regel. Es gibt keinen anderen Film, den ich so sehr mit der an sich banalen Bezeichnung 'Evergreen' assoziieren würde. In Sachen Dialog-Timing ein Lehrstück, mit einem ganzen Fundus ausgezeichneter Sequenzen, die einen Zitatenreichtum mitbringen, wie man ihn nur selten erlebt. Ich finde weder, dass es Wilders witzigster, noch dass es sein romantischster Film ist, aber er bemüht das Beste beider Welten. Obwohl Wilder ein bekennender Musical-Hasser war, ließ er die Monroe (die für ihre Rolle als Sugar offensichtlich mehr als üblich von selbigem genascht hat, ihr sprichwörtlicher Kurvenreichtum war jedenfalls nie deutlicher - was ihr dennoch ausgezeichnet steht) gleich ganze drei Stücke vortragen, "sein" Jack Lemmon blüht im Fummel so sehr auf wie nie wieder. Dazu der unglaubliche Joe E. Brown als Lustgreis - mit einem Gesicht, das in der Tat nur eine Mutter lieben kann.
Wahre Brillanz macht sich im Film immer dann bemerkbar, wenn das jeweilige Objekt frei von Abnutzungserscheinungen bleibt, um nicht zu sagen 'zeitlos' ist. Auch dafür ist "Some Like It Hot" ein Musterbeispiel. Talkin' 'bout Evergreens.
10/10
#1148
Geschrieben 26. März 2008, 18:47
One, Two, Three (Eins, Zwei, Drei) ~ USA 1961
Directed By: Billy Wilder
Berlin, 1961. Unmittelbar nach dem Mauerbau hat Charley MacNamara (James Cagney), der Chef der hiesigen Coca-Cola-Abfüllung, alle Hände voll zu tun. Nicht nur, dass er sein Firmenprodukt auch hinter dem Eisernen Vorhang unentbehrlich machen möchte, sein Chef Hazeltine (Howard St. John) aus Atlanta quartiert auch noch sein heißblütiges Töchterlein Scarlett (Pamela Tiffin), das gerade auf Europatour ist, bei Macs Familie ein. Innerhalb zweier Monate ist Scarlett mit dem KP-treuen DDR-Bürger Piffl (Horst Buchholz) verheiratet und erwartet ein Kind von ihm. Anstatt infolge dieser Neuigkeit jedoch einem Nervenzusammenbruch anheim zu fallen, bewerkstelligt Mac das Unmögliche und macht aus dem krakeelenden roten 'Umstürzler' einen adligen Schwiegersohn, Demokraten und Erzkapitalisten, rechtzeitig bevor Scarletts Eltern in Berlin eintreffen.
Ist "Some Like It Hot" schon unglaublich temporeich, so erlebt man "One, Two, Three" als ein noch schmissigeres Feuerwerk treffendster Politsatire. Vom zeitgenössischen, sensiblen Publikum geflissentlich übersehen, avancierte der Film erst bei einer Wiederaufführung in den Achtzigern zum Renner. Mit Berlin, wo er vor seiner Emigration gelebt hatte, verband Wilder ohnehin stets eine recht eigenartige Beziehung. Schon in "A Foreign Affair" machte er die Stadt zum Handlungsschauplatz, damals zerbombt und aufgeteilt unter den Alliierten und war bereits mit jenem Film wenig wohlgelitten. Natürlich tat man beiden Werken mit der jeweils ignoranten Haltung Unrecht - im vorliegenden Fall ist der Humor mitunter zwar recht bissig und durchaus als parteiisch lesbar, dabei aber so wahr und herzerfrischend, dass er schon wieder als metapolitisch bezeichnet werden darf. Neben der Ost-/ West-Teilung bekommen auch die preußische Akribie der Deutschen und die Nazi-Vergangenheit vieler vermeintlich unbescholtener Bürger ordentlich eins auf den Deckel und sorgen durch ihre Offenlegung für gnadenlose gesellschaftliche Sezierung - stets unter dem Deckmäntelchen geistreicher Komik, versteht sich. Viele heimische Darsteller spornt Wilder zu Höchstleistungen an, darunter den großartigen Hubert von Meyerinck im witzigsten Part des ganzen Films als blaublütiger, korrupter Klopage und Liselotte Pulver, die in jungen Jahren verflucht spritzig sein konnte.
Bombastischer Film.
10/10
#1149
Geschrieben 27. März 2008, 10:16
Halloween ~ USA 2007
Directed By: Rob Zombie
Der zehnjährige Michael Myers (Daeg Faerch) ist ein Junge, der, so scheint es, den Hass der Welt auf sich geladen hat. Seine ältere Schwester Judith (Hanna Hall) nimmt ihn nicht ernst, sein verkrüppelter Stiefvater (William Forsythe) kompensiert seine mangelnde physische Bedrohlichkeit durch pausenlose verbale Erniedrigungen. In der Schule ist Michael aufsässig und wird von Mitschülern drangsaliert, die auch noch den einzigen Menschen, dem etwas an Michael liegt, nämlich seine Ma (Sheri Moon Zombie), welche sich als Striptänzerin verdingt, durch den pubertären Kakao ziehen. Der Psychologe Loomis (Malcolm McDowell) ist bereits auf Michael aufmerksam geworden, da dieser - eine weitere "Eigenart" - mit Vorliebe kleine Tiere zu Tode quält. An Halloween entlädt sich dann die vollendetste seiner Obsessionen, die, sein Gesicht hinter Masken zu verstecken, in einen Strudel der Gewalt: Michael ermordet, nachdem er einen seiner Schulfeinde (Daryl Sabara) erschlagen hat, seinen Stiefvater, Judith und ihren Liebhaber (Adam Weisman). Danach landet er für viele Jahre in einer Anstalt, aus der er, zum Hünen (Tyler Mane) herangewachsen, entflieht, um seine noch verbleibende Schwester (Scout Taylor-Compton), damals ein Säugling, wiederzufinden ...
Zombies Klassiker-Variation ist, primär als Summe seiner zahlreichen beeindruckenden Teile, ein hervorragender Horrorfilm geworden. Zum einen versteht er es, dem Meisterwerk Carpenters noch manche inhaltlichen Aspekte hinzuzusetzen, zum anderen, und darin ist sicher die Hauptschwere zu finden, ist der Film die liebevolle Arbeit eines Aficionados für Aficionados. Schätzt man klassische Rockmusik der etwas härteren Gangart, darf man sich auf zahlreiche, mitunter brillant arrangierte Einsätze derselben freuen. Das beginnt gleich mit dem paukenschlagenden Anfang, in dem an einem sonnendurchfluteten Tag die Kamera an das Myers-Haus heranfährt, untermalt von "God Of Thunder" (Kiss). Zombie dürfte diese Einstellung sicher schon lange im Kopf herumgespukt sein. Später gibt es dann unter anderem noch Alice Coopers "Only Women Bleed" pünktlich zum Teenagerkoitus, gefolgt vom unausweichlichen Doppelmord an den Beiden, sowie bereits etwas früher Rushs "Tom Sawyer", das den Gastauftritt eines kotelettenbewährten Ken Foree einleitet, den obligatorischen, mehrfachen Einsatz von "(Don't Fear) The Reaper" (Blue Öyster Cult) nicht zu vergessen. Stichwort Cameo: Davon hat es diverse, mitunter sagenhafte. Dergleichen bereitet dem Liebhaber entsprechender Trivia natürlich allerhöchsten Spaß.
Und was bleibt vom Grundkonstrukt des Films? Da wäre zunächst Zombies gescheiter Ansatz, aus Michael Myers, der gesichtslosen, untötbaren Slasher-Ikone, einen Menschen zu machen. Einen schwer psychotischen zwar, dennoch aber einen Menschen. Er verleiht Michael ein entwicklungspsychologisches Fundament, das (O.-Ton Loomis) "denkbar ungünstigste Zusammentreffen von Anlage- und Milieu-Faktoren", das in finaler Konsequenz nur das inkarnierte Böse auf zwei Beinen hervorbringen kann. Jener Michael geht quantitativ und qualitativ deutlich harscher zu Werke als sein 29 Jahre älterer Urahn und erweckt dennoch - Zombies Verdienst - Mitleid und -gefühl. Das ist nicht zuletzt der differenten Anlage des ambivalenten Dr. Loomis - Charakters zu verdanken, der hier weniger als abgeklärter, zerzauster Geisterjäger auftritt, denn als ein zwischen Reputationssucht und professionellem Ehrgeiz umhertaumelnder (und dabei gnadenlos versagender) Ersatzvater, dessen Entsetzen gegenüber jeder weiteren Untat seines Mündels der Rezipient mit ihm teilt.
Michael Myers - unser aller Adotivsohn.
8/10
#1150
Geschrieben 28. März 2008, 13:13
Primeval (Die Fährte des Grauens) ~ USA 2007
Directed By: Michael Katleman
Ein Team aus US-Journalisten (Dominic Purcell, Brooke Langton, Orlando Jones) soll im bürgerkriegsdurchwalkten Burundi eine Reportage über ein gigantisches Killerkrokodil, welches die Eingeborenen 'Gustave' getauft haben und sein geplantes Einfangen, das ein Sensations-Tierfilmer (Matthew Collins) und ein alter Buschkenner (Jürgen Prochnow) besorgen wollen, erstellen. Natürlich bereitet Gustave den Leuten immense Probleme, doch damit nicht genug - ein Hutu-Milizen-Führer (Dumisani Mbebe), der den passenden Beinamen 'Little Gustave' trägt, fürchtet um die Veröffentlichung eines kompromittierenden Videos, weswegen auch er sich als Schlächter gebärdet.
Es ist kein Geheimnis, dass ich ein ganz spezielles Faible für Filme mit menschenfressenden Riesenkrokodilen hege. Auch wenn ein wenig Vertrautheit mit diesem Sub-Sub-Genre recht klarsichtig seine Beschränkung auf zwei, drei beständige Restposten offenlegt; hier wären dann Teagues "Alligator" und Miners "Lake Placid" zu erwähnen. "Primeval" ist nun ganz bestimmt kein guter oder gar origineller Film. Er tappt in nahezu jedes erdenkliche Loch der vollendeten Blödheit, kramt Klischees aus dem Sack, die selbst ein letztklassiger B-Autor gegenwärtig nicht mehr bemühen dürfte, wollte er sich nicht vollends der Lächerlichkeit preisgeben. Man kann Katlemans inhaltlich extrem unbeholfenen Film jedoch freimütig als Edeltrash bezeichnen, denn immerhin handelt es sich ausnahmsweise nicht um eine DTV-Produktion, sondern ein sich zumindest äußerlich professionell gebendes Scope-Monsterspektakel für den internationalen Kinoeinsatz. Der liebe Gustave - leider schlägt er vornehmlich nachts zu - sieht dann auch recht ordentlich aus für seine CGI-Herkunft und zumindest was seine Spannungsdramaturgie anbelangt, ist "Primeval" hier und da ganz ansprechend geraten.
5/10
#1151
Geschrieben 28. März 2008, 13:37
The Apartment ~ USA 1960
Directed By: Billy Wilder
Der kleine Buchhalter C.C. Baxter (Jack Lemmon) vermietet sein Apartment stundenweise an leitende Angestellte seiner Firma, damit diese dort ungestört ihre außerehelichen Techtelmechtel austragen können. Das kostet C.C. zwar Nerven und Gesundheit, bringt ihm aber immerhin auch manchen Nebenverdienst. Das Ganze geht solang, bis er in der Weihnachtsnacht die Fahrstuhlführerin Fran (Shirley MacLaine) nach einem erfolglosen Selbstmordversuch in seiner Wohnung findet - den sie unternommen hat, nachdem Sheldrake (Fred MacMurray), der oberste Chef der Gesellschaft, sie hat sitzen lassen. C.C., der schon immer etwas mehr für Fran empfunden hat, nimmt die Schuld für die prekäre Situation zunächst auf sich.
Wilders schönster und reifster Film. Nicht nur erwärmt er sich hier einmal mehr für die kleinen Räder der Gesellschaft, er führt auch in gleichnisartiger Märchenhaftigkeit zwei Menschen nach zahlreichen Irrwegen zusammen, die sich schon längst verdient haben und macht sein Meisterwerk damit bigger than life. Wenn das Kino dies nicht ohnehin schon immer war.
Die Außerordentlichkeit dieses speziellen Films liegt in seiner rundum universellen Art der Narration, in der Weise, jeden zu berührern und niemanden ab- oder vor den Kopf zu stoßen. Dazu kommt die Einbindung des Ganzen in den Alltag einer vielköpfig belegten Versicherungsgesellschaft und den dazugehörigen Einblick in die hierarchischen, organisiert-chaotischen Strukturen innerhalb eines beinahe hyperreal bürokratischen, albtraumhaften Systems. "The Apartment" handelt auch von New York. Und zwar konzentriert auf die Zusammenführung und die umständliche Interaktion eines zukünftigen Liebespaars. So reduziert und zugleich omnipotent sind nur ganz wenige der großen "New-York-Filme". Als Chronist des großstädtischen Alltags war und ist Wilder der Größte. Und sein "Apartment" ist ein Film, den man, da bin ich mir sicher, nicht nicht mögen kann.
10*/10
#1152
Geschrieben 28. März 2008, 13:55
Witness For The Prosecution (Zeugin der Anklage) ~ USA 1957
Directed By: Billy Wilder
Trotz eines soeben überstandenen Herzinfarkts übernimmt der alte Advokat Sir Wilfrid Roberts (Charles Laughton) die Verteidigung des Ex-G.I. und Lebenskünstlers Leonard Vole (Tyrone Power) vor dem Londoner Gericht. Vole soll eine betagtere Dame ermordet haben in Erwartung einer größeren Erbschaft. Er leugnet seine Schuld tapfer, bis ausgerechnet seine Frau Christine (Marlene Dietrich) als Zeugin der Anklage auftritt ...
"Witness" wurde häufig als "bester Hitchcock-Film" bezeichnet, "den Hitchcock nie gemacht hat". Nun, das ist wohl lediglich die halbe Wahrheit. Es gibt zwar gewisse Analogien zu Hitchcocks eigenem Courtroom-Drama "The Paradine Case" (darunter Charles Laughton als feisten Justiziar), das Script von "Witness" ist auch ebenso schlagfertig und fesselnd wie man es von Hitchcock gewohnt ist, im Prinzip ist die mise-en-scène im vorliegenden Fall, das bedingt schon ihr Sujet, jedoch zu statisch, um wirklich einer Gegenüberstellung mit dem Suspense-Meister standhalten zu können. Aber darum soll es ja eigentlich überhaupt nicht gehen. "Witness" kann auch ohne Vergleichsbemühungen ganz hervorragend für sich bestehen. Er enthält als klassischer und v.a. exzellenter Gerichtsfilm durch die Bank darstellerische Bravourleistungen und vermag mit witzigen Nebenparts für Una O'Connor und Laughtons Ehefrau Elsa Lanchester selbst noch die Freunde der alten Universal-Grusler zu erfreuen. Wie es sich für einen Wilder gehört, ist er wie beiläufig mit einem solch potenziellen Zitatenreichtum gespickt, dass er einen geradezu lehrbuchartigen Charakter annimmt ohne auch nur einmal an Fahrt zu verlieren.
10/10
#1153
Geschrieben 29. März 2008, 10:06
Curse Of The Crimson Altar (Die Hexe des Grafen Dracula) ~ UK 1968
Directed By: Vernon Sewell
Der Londoner Antiquitätenhändler Manning (Mark Eden) begibt sich auf die Suche nach seinem verschwundenen Bruder (Denys Peek), dessen Spur sich auf einem Landsitz im mittelenglischen Greymarshe verliert. Dort wird gerade der alljährliche Jahrestag einer Hexenverbrennung gefeiert, bei der vor 300 Jahren die böse Lavinia Morley (Barbara Steele) auf dem Scheiterhaufen landete. Manning erweist sich als direkter Nachfahre eines der damaligen Ankläger, während sein Gastgeber (Christopher Lee) der Blutlinie Lavinias entstammt. Doch welche Rolle spielt der undurchsichtige alte Professor Marsh (Boris Karloff)?
Ein verrücktes kleines Schauerstück, das den gothic horror der Hammer mit dem flotten, bunten Treiben der Beatära verbindet. Morleys Nichte, die hübsche Eve (Virginia Wetherell), hält auf dem Schloß ihres Onkels ausschweifende Partys ab, die man als Zuschauer zunächst unweigerlich mit der tollen Satansmesse, derer man gleich zu Beginn des Films ansichtig wurde, in Verbindung setzt. Bei Sewell sollte man sich allerdings hüten, jedwede losen Enden miteinander verknüpfen zu wollen und sie stattdessen besser dort baumeln lassen, wo sie eben baumeln. Das gilt auch für Prof. Marshes Aufsehen erregenden Rollstuhlchauffeur (Michael Warren), der mit dunkler Sonnenbrille und Ballermann durch den Film tapert und seinen rechten Platz nie so ganz findet. Oder Michael Gough in seinem traurig überbesetzten Part als stotternder Butler Elder, der ebenfalls bloß Verwirrung um der Verwirrung Willen stiftet. Immerhin: Die spaßige Affinität zum marihuana- und räucherstäbchendurchwaberten, samtenen Untergrund, die man Sewells Film zu jeder Sekunde anmerkt, macht ihn zu einem prima Seherlebnis für Freunde des klassischen Brithorrors.
6/10
#1154
Geschrieben 29. März 2008, 15:21
The House That Dripped Blood (Totentanz der Vampire) ~ UK 1971
Directed By: Peter Duffell
Um das Verschwinden des letzten Mieters eines Landhauses zu klären, bekommt ein Inspektor (John Bennett) verschiedene Geschichten über die wechselnden Vorbewohner des Gebäudes zu hören: Ein Horrorautor (Denholm Elliott) will hier seinen neuesten Roman fertigstellen, als sich dessen Hauptfigur, ein verunstalteter Würger (Tom Adams), plötzlich auf merkwürdige Weise in der Realität manifestiert; Ein älterer Herr (Peter Cushing) sucht Muße und Abstand von seiner Verflossenen und wird zum Stammbesucher eines schauerlichen Wachsfiguren-Kabinetts; Ein vermeintlich verbohrter Vater (Christopher Lee) beweist der neuen Hauslehrerin (Nyree Dawn Porter), dass die strikten Erziehungsmethoden bezüglich seiner kleinen Tochter (Chloe Franks) durchaus ihre Berechtigung haben; Ein betagter Horrordarsteller (Jon Pertwee) erwirbt für seine aktuelle Rolle als Vampir einen staubigen Mantel, mit dem es eine besondere Bewandnis hat.
In Amicus-Episodenhorror Nr. 3 werden die komischen Elemente zugunsten einer etwas behäbigeren Schaueratmosphäre zurückgenommen, mit Ausnahme der letzten Folge mit Jon Pertwee, die sich im Gegensatz zu den drei ersten Segmenten durchaus als horror comedy versteht. Tatsächlich finden die besonderen Stärken sich in der Episode um den bizarren Strangulierer Dominic, zu dessen Erscheinen der Literat Charles Hillyer parallel den Verstand zu verlieren glaubt und in der mit Lee, dessen süßes Filmtöchterlein gar nicht so süß ist, wie man uns zu Anfang glauben macht.
Insgesamt wieder ein tratiditionell feines Potpourri, ersponnen von Short-Story-Mastermind Robert Bloch und wie erwähnt aus dem sehr renommierten Hause Amicus stammend, das mit seinen Omnibussen zu ihrer Zeit ernsthaft zum besseren Anbieter im Horrorfach avancierte.
7/10
#1155
Geschrieben 30. März 2008, 09:48
Asylum ~ UK 1972
Directed By: Roy Ward Baker
Dr. Martin (Robert Powell) möchte einen Posten in einer Anstalt für kriminelle Geisteskranke annehmen. Im Zuge einer Art Einstellungstest soll er herausfinden, welcher von vier Patienten Dr. Starr, der ehemalige Leiter der Klinik, der selbst dem Wahnsinn anheim gefallen ist, sein könnte. Zu diesem Zwecke hört er sich ihre Geschichten an: Bonnie (Barbara Parkins) bringt zusammen mit ihrem Liebhaber (Richard Todd) dessen Ehefrau (Silvia Syms) um. Diese ist jedoch versiert in Voodoo-Dingen und rächt sich posthum an ihren Mördern; Bruno (Richard Morse), ein armer Schneider, soll für einen seltsamen Klienten (Peter Cushing) einen Anzug aus einem ganz speziellen Stoff anfertigen, der Tote wieder lebendig machen kann; Barbara (Charlotte Rampling), eine schizophrene junge Frau, bzw. ihr alter ego Lucy (Britt Ekland) hat ihren Bruder (James Villiers) und eine Krankenschwester (Megs Jenkins) auf dem Gewissen; Byron (Herbert Lom) konstruiert lebende, mörderische Puppen als Abbilder ihre realen Muster.
"Asylum" ist (nach "Tales From The Crypt") der fünfte Episodenschocker der Amicus und unter der versierten Regie von Roy Ward Baker wieder etwas lebendiger inszeniert als der im Direktvergleich leicht statisch wirkende "House That Dripped Blood". Mit einer höchst charmanten Besetzung, die außer den Erwähnten noch den für sich schon gruslig wirkenden Patrick Magee vereint, verfügt "Asylum" über die wohl spannendste Rahmenhandlung der bisherigen fünf Schauerstücke, da man als Zuschauer selbst permanent zum Mitraten angehalten ist, wer denn nun dieser ominöse Dr. Starr sein könnte. Etwaige Hinweise und Vermtungen führen garantiert in die Irre. Wie immer stehen einem aber selbstredend alle Freiheiten offen, sich sein Lieblingssegment herauszupicken. Meines ist das mit dem verwirrten (?) Schneider Bruno (Richard Morse fährt einen erstklassigen Dialekt auf) und seiner schnurrbärtigen Schaufensterpuppe Otto (Dan Jones).
Insgesamt gilt as usual: Qualitätsarbeit auf diesem Sektor zahlt sich aus. "Made in Shepperton, Middlesex" eben.
8/10
#1156
Geschrieben 30. März 2008, 10:55
American Gangster ~ USA 2007
Directed By: Ridley Scott
Die wahre Geschichte des afroamerikanischen Drogenhändlers Frank Lucas (Denzel Washington), der während des Vietnamkriegs zum Multimillionär und Paten von Harlem aufstieg, indem er reines Heroin aus Südostasien importierte und es unverschnitten unter dem Trademark 'Blue Magic' unter die Leute brachte, respektive seines Gegenspielers, des unbestechlichen New Jerseyer Polizisten und späteren Anwalts Richie Roberts (Russell Crowe), der Lucas schlussendlich dingfest machen und ihn zur Aussage gegen Hunderte von korrupten Cops nötigen konnte.
Klassisches Erzählkino, das sich noch traut, ungefiltert und mit einer Steadycam zu arbeiten. Neben dem Western ist der großstädtische Gangsterfilm im Laufe der Zeit zu einem weiteren uramerikanischen Phänomen herangereift, weswegen von dort auch die auf diesem Sektor nachhaltigsten Werke stammen. "American Gangster" bereichert und ergänzt jene Sparte um eine authentische Note, die in mehr oder weniger codierter Form schon in diversen Filmen, die in die entsprechende Subkultur eingetaucht sind, anzutreffen ist. Man kennt sie längst, den promisken aber beruflich einwandfreien Bullen, der über seine Verbissenheit hinaus sein Privatleben vernachlässigt und den an sich liebenswürdigen und gescheiten Kapitalverbrecher, der ständig zwischen wachsender Gier und wachsender Paranoia wechselt.
Scott als sehr versiertem, wenn auch wenig innovativem Filmemacher dürfte es eingeleuchtet haben, dass sein Film in einem verhältnismäßig übersättigten Genre, das nahezu sämtliche möglichen narrativen Nuancen zumindest gestriffen hat, keine Offenbarung mehr würde darstellen können und so verlässt er sich auf das, was er hat: Starke, emotional aufgeladene und naturalistische Bilder, zwei ausgezeichnete Hauptdarsteller in Lebensform und einen etymologischen Background, für den schon Namen wie Nicholas Pileggi in seinem Produktionsstab stehen. So findet man in Inszenierung und Charakterschraffur Scorsese, Lumet, Mann, Coppola und selbst die Hughes Brothers irgendwo wieder, was keinesfalls bedeutet, dass "A.G." nicht noch genug eigene Identität besäße.
8/10
#1157
Geschrieben 30. März 2008, 16:13
¿Quién Puede Matar A Un Niño? (Tödliche Befehle aus dem All) ~ E 1976
Directed By: Narciso Ibáñez Serrador
Der englische Biologe Tom (Lewis Fiander) und seine schwangere Frau Evelyn (Prunella Ransome) sehnen sich im Spanien-Urlaub nach Ruhe und so beschließt man, die Insel Almanzora vor der katalonischen Küste anzusteuern. Sie finden das kleine Eiland bis auf die Kinder jedoch fast völlig entvölkert vor. Nach und nach entdeckt Tom Hinweise auf die schreckliche Wahrheit. Ein verletzter Mann (Antonio Iranzo) klärt ihn schließlich auf: In der vorhergehenden Nacht haben sich die Kinder sich mittels einer Art Staatsstreich der Insel bemächtigt und sämtliche Erwachsenen, derer sie habhaft werden konnten, ermordet. Bald sehen sich auch Tom und Evelyn der tödlichen Gefahr gegenüber.
Kinder an die Macht! Sich irrational bzw. böse verhaltende Wechselbälger sind im Bereich des Phantastischen Films kein unbeschriebenes Blatt. Ihr Einsatz als kleine Monster lässt sich vermutlich primär mit der rhetorischen Frage beantworten, die Serradors Film im Original stellt: Die Hemmschwelle, gegen ein Kind vorzugehen ist im Allgemeinen ja doch wesentlich größer als bei einem Erwachsenen. Eben darum war Patty McCormack so zuckersüß, dass die Füllungen schmerzten und das "Dorf der Verdammten" so unheimlich, aus diesem Grunde hatte Deborah Kerr stellvertretend für uns im "Schloss des Schreckens" so fürchterliche Angst vor Flora und Miles und deshalb ist die Szene mit den Kinderzombies in "Dawn Of The Dead" als besonders perfid angesehen. Hier auf Almanzora rebellieren die Kinder, weil sie als wehrlose, unschuldige Opfer unter den internationalen Konflikten der Erwachsenen lange genug zu leiden hatten - angesichts der Opferzahlen, die während der Titelsequenz aufgelistet werden, zusätzlich eine recht verständliche, wenn nicht längst überfällige Reaktion. Ich persönlich frage mich bei derartigen Szenarien ja immer, wie der gesellschaftliche Fortbestand gesichert werden soll, wenn die Revoluzzer erst alles in der Hand haben... obwohl solche Logiken angesichts der Höchstspannung, die der Film bietet, wirklich ins Hintertreffen geraten (dürfen). Auch wenn "Night Of The Living Dead" als überdeutliches Vorbild den überaus wohlgefälligen Rahmen säumt (besonders das Ende tut sich an Romero gütlich), wirklich ein bemerkenswerter Genrebeitrag.
8/10
#1158
Geschrieben 31. März 2008, 06:09
Sabrina ~ USA 1954
Directed By: Billy Wilder
Sabrina Fairchild (Audrey Hepburn), die Tochter des Chauffeurs (John Williams) der auf Long Island wohnhaften, reichen Industriellenfamilie Larrabee, ist unsterblich in David (William Holden), den jüngeren der beiden Söhne des Hauses verliebt, der sie seinerseits jedoch gar nicht beachtet. Als Sabrina dann als mondäne, examinierte Gourmetköchin nach einem längeren Aufenthalt aus Paris zurückkehrt, lässt David alles stehen und liegen für sie. Das passt seinem älteren Bruder Linus (Humphrey Bogart) gar nicht, der mit Davids Zukünftiger (Martha Hyer) eine große Firmenfusion einzustielen plant. Also überlegt er sich eine Patentlösung, um Sabrina zurück nach Paris zu schicken.
Die Menschwerdung des Hochfinanzmoguls oder auch: Bogey im Clinch. Der Legende nach gab es bei der Arbeit an "Sabrina" das Triumvirat Wilder-Holden-Hepburn, dem Bogart ziemlich argwöhnisch und neidbehaftet gegenüberstand. Glücklicherweise bemerkt man im fertigen Film davon nichts mehr. Sein trauriger Dackelblick als alternder Geschäftsmann mit ewiglich gebrochenem Herzen berichtet von einer der schönsten Rollen, die Bogey in den Fünfzigern gespielt hat. Den Hauptdank für sein Engagement muss man freilich Wilder aussprechen, der nach einigen hochklassigen, aber ernsten Dramen mit "Sabrina" zu seinem wahren Leisten fand. Ausgelassener Humor kommt jedenfalls nicht zu kurz, wenn Sabrinas Kochlehrer (Marcel Hillaire) Eier zerschlägt , der alte Larrabee (Walter Hampden) seine Brasils pafft und auf Olivenfischzug geht oder natürlich, wenn Holden sich auf die Sektgläser setzt.
Ein Märchen auch, besonders für den gesetzten Herrn von Welt, der sich ein letztes Mal eine Jungbrunnenromanze mit einer Fee im Tochternalter herbeisehnt.
9/10
#1159
Geschrieben 03. April 2008, 12:51
The Seven Year Itch (Das verflixte 7. Jahr) ~ USA 1955
Directed By: Billy Wilder
Richard Sherman (Tom Ewell), ein New Yorker Spezialist für Groscheneditionen von Weltliteratur, teilt sein Sommerschicksal mit Millionen von Leidensgenossen: Frau (Evelyn Keyes) und Kind (Butch Bernard) werden aus dem glühend heißen Manhattan an die See verschifft, während der verbleibende Familienteil seine Einsamkeit mit Fassung trägt - sprich mit Alkohol, Zigaretten, Pokerspiel und hier und da einem kleinen Seitensprung. Obwohl Richard gelobt, allem Laster zu entsagen, lauert das Unheil bereits im ersten Stock, in Form einer hinreißenden Blondine (Marilyn Monroe), die das auf einen Sommer befristete solitäre Dasein des Strohwitwers auf den Kopf stellt.
In "Sabrina" gibt es bereits eine Andeutung bezüglich dieses, des nächsten Projekts Wilders, das zuvor bereits mit großem Erfolg am Broadway lief. Und im Film selbst, seinem zweiten in Farbe, wird auf die Vorzüge von CinemaScope und stereophonischem Ton hingewiesen. Wilder scheut sich eben nicht vor Selbstreferenz. "The Seven Year Itch" weist DAS ikonographische Bild der Monroe auf: Sie über dem Lüftungsfilter eines U-Bahn-Schachts, das weiße Kleid bei der Durchfahrt eines Zugs schwingt sich in ungeahnte Sphären, nachdem die beiden Turteltauben zuvor im Kino "Creature From The Black Lagoon" gesehen haben, für die Monroe - ebenso wie für den rein optisch mäßig attraktiven Sherman - ein Herz hat. Man muss sich wohl selbst entscheiden, ob "das Mädchen", ihren Namen erfährt man trotz Nachfrage nicht, bloß ein Sommertrugbild, eine urbane Fata Morgana des Kurzzeitsingles ist (ähnlich wie dessen sonstige Fantasien rund um sein neurotisches Verhältnis zum anderen Geschlecht), oder ob sie möglicherweise doch real sein mag. Der Film lässt das offen - ebenso wie die Spekulation darüber, ob ein aufpoliertes Selbstbewusstsein einen besseren Familienmenschen hinterlässt. Wilders Humor jedenfalls ist um einiges erdiger und bissiger denn im vergleichsweise braven Vorgänger und somit darf man "The Seven Year Itch" als seinen erstes großes Werk auf dem künftig noch tiefer zu beackernden Feld der Komödie bezeichnen. Ein Wahnsinn.
10/10
#1160
Geschrieben 03. April 2008, 17:23
Houseboat (Hausboot) ~ USA 1958
Directed By: Melville Shavelson
Zum frischen Witwer geschlagen, entschließt sich der Regierungsbeamte Tom Winters (Cary Grant) nach ein paar Jahren im Ausland die Vormundschaft für seine drei Kinder (Mimi Gibson, Paul Petersen, Charles Herbert) zu übernehmen. In Erziehungsfragen äußerst unbeholfen, kommt ihm die kesse Italienerin Cinzia (Sophia Loren) als Kinderfrau gerade recht. Zu der turbulenten Beziehung der Patchwork-Familie passt dann auch ihr mehr oder weniger unfreiwilliger, in jedem Falle aber unkoventioneller neuer Wohnsitz: Ein Hausboot am Flussufer.
Irgendwie begleitet der Film die Peripherie meines Lebens schon solang ich denken kann. Als Kind habe ich mich immer gefreut, wenn er freitags mal im Ersten lief oder vielleicht samstags unter den drei ZDF-Wunschfilmen dabei war. In seiner Funktion als ausgesprochen sauberes, amerikanisches Familienentertainment ist "Houseboat" auch ein tatsächlicher Glückstreffer, so eine Art 'klassisches' Äquivalent zu den aktuellen, leicht verkitschten Romanzen mit Tom Hanks und Meg Ryan. Ganz ehrlich gesagt sind es auch bloß Cary Grant und VistaVision, die diesen alten Hobel gegenüber den erwähnten neuen Hobeln hervorheben. Grant veredelte einfach alles, was er angefasst hat. Wäre an seiner Statt Alan Ladd oder Tony Randall in die Rolle des ratlosen Familienvaters geschlüpft, es könnte sein, dass heute niemand mehr über "Houseboat" spräche. So aber ist die ganze Angelegenheit nach wie vor besagt gefälliges, harmloses Entertainment, nach dem man sich auf entspannte Weise wohlfühlt und zudem über ein kristallinreines Gewissen verfügt.
7/10
#1161
Geschrieben 03. April 2008, 17:41
Blue Steel ~ USA 1989
Directed By: Kathryn Bigelow
Die just examinierte Polizistin Megan (Jamie Lee Curtis) muss gleich bei ihrer ersten Streife einen Räuber (Tom Sizemore) erschießen. Die Tatwaffe, mit der der Halunke Megan bedroht hat, streicht kurzerhand der Zeuge Eugene Hunt (Ron Silver) ein, der daraufhin den Psychopathen in sich entdeckt und zum Serienkiller avanciert. Zudem verschafft er sich bewusst Zutritt in Megans Privatleben und beginnt, an seinen Tatorten Hinweise auf sie zu hinterlassen. Zusammen mit dem ehrbaren Cop Nick Mann (Clancy Brown) macht Megan Jagd auf das Menschenmonster, nachdem es seine wahre Natur offenbart hat.
Die Directrice Kathryn Bigelow ist nach wie vor bemerkenswert, die Autorin Bigelow leider weniger. "Blue Steel" belegt als evidentes Exempel dafür den stilistisch gelungenen und durchaus ehrenwerten Versuch, eine Frau in einer filmischen wie gesellschaftlichen Männerdomäne zu etablieren, was in diversen beachtlichen Augenblicken auch sauber funktioniert. Als Thriller, der das klassische Duell Cop <--> Serienkiller bebildert, ist der Film indes kaum mehr als mäßig. Da gibt es einige mehr als offensichtlich falsche Abzweigungen im Geschehen, die die ganze Kiste abseits von ihrer fiktionalen Natur nahezu fürchterlich unglaubwürdig erscheinen lassen. Glücklicherweise ist (und bleibt) die ästhetische Oberfläche jedoch permanent reizvoll und stimulierend, so dass "Blue Steel" am Ende doch noch ein knapp überdurchschnittlicher Polizeifilm geworden ist. Curtis wirft - womit man nicht unbedingt rechnet - ein recht ordentliches Maß an Können in die Waagschale und das Glück, den an sich sympathischen Clancy Brown ausnahmsweise auch in einem einwandfrei sympathischen Part zu erleben, hat man ja nun auch nicht alle Tage.
6/10
#1162
Geschrieben 04. April 2008, 06:12
Night Of The Burning Heat (Brennender Tod) ~ UK 1967
Directed By: Terence Fisher
Die Kanalinsel Fara dient als Vorbereitungsstation für eine außerirdische Invasion. Die seltsamen Aliens benötigen alledings große Hitze, um überleben zu können. Der sich tapfer gegen die aus dem All stammende Brut zur Wehr setzende Schriftsteller Callum (Patrick Allan) hat aber noch ein weiteres Problem: Das unerwartete Zusammentreffen von Ehefrau (Sarah Lawson) und Betthäschen (Jane Merrow). Gut, dass Dr. Hanson (Christopher Lee) da den Überblick behält.
Angesichts dieses wenig geistreichen Streichs möchte man nicht glauben, dass der selbe Regisseur mit den selben Darstellern keine 10 Jahre zuvor den britischen Horrorfilm zu Weltformat geführt hat. "Night Of The Big Heat" ist ein zwar komischer, zugleich aber ausnehmend schlichter Sci-Fi-Trasher, mit sex & crime garniert, mit hanebüchnem Dialog und sichtbar geringem monetären Polster hergestellt. Glücklicherweise hielt das Mimen wie Lee und Peter Cushing nicht davon ab, ihre wichtigen Gesichter mit dem üblichen kiefermahlenden Ernst in die Kamera zu halten, denn gerade ihnen schuldet der Film sein letztes Fünkchen Niveau. Wieso mir das schiefe Antlitz Patrick Allans so vertraut vorkam, fiel mir zum Schluss dann noch ein: Aus "The Wild Geese" natürlich. Ansonsten ist das Ganze eher zum Schießen und eine lustige Gurke allererster Kajüte.
4/10
#1163
Geschrieben 06. April 2008, 07:29
Pillow Talk (Bettgeflüster) ~ USA 1959
Directed By: Michael Gordon
Die Innenausstatterin Jan Morrow (Doris Day) und der Komponist Brad Allan (Rock Hudson) teilen sich gezwungenermaßen einen Telefonanschluss - sehr zum Bedauern Jans, der die permanenten telefonischen Flirts des notorischen Schürzenjägers ziemlich zusetzen. Als sie sich per Zufall in natura begegnen, gibt Brad, der Jan erkannt hat, sich als texanischer Galan Rex Stetson aus und erobert das Herz der reservierten Geschäftsfrau im Sturm.
Die erste von drei Zusammenarbeiten des 'Traumpaars' Day/Hudson, der uramerikanischen, koketten Familienmutter und dem schwulen Schönling. In "Pillow Talk" harmonieren sie hervorragend und bewältigen, mit der Unterstützung des ebenfalls stets zugegenen Drittpartners Tony Randall, eine Menge herzlich komischer Momente. Darunter sind auch manche, die zugleich tragisch anmuten, ein paar Querschläger Richtung Homosexualität, die auch noch auf Hudsons Kosten gehen.
In Verbindung mit seinem zeitlichen Kontext kann man "Pillow Talk" kaum als bieder bezeichnen; heute wirkt er sicher manchmal so. Nichtsdestotrotz ist und bleibt er ein netter Beitrag zur klassischen romantischen Hollywood-Komödie des ansonsten eher unbeschriebenen Blatts Michael Gordon.
7/10
#1164
Geschrieben 06. April 2008, 07:52
Swordfish (Passwort: Swordfish) ~ USA/AUT 2001
Directed By: Domic Sena
Superhacker und Ex-Knacki Jobson (Hugh Jackman) lässt sich trotz strenger Bewährungsauflagen von Supergangster Shear (John Travolta) anheuern, unter Offerierung eines Angebots, das er nicht ablehnen kann, versteht sich. Es geht um die Transferierung von ein paar Milliarden gewaschenen Drogengelds, das Shear zur Untergrund-Bekämpfung gegen anti-amerikanische Terrorakte zu nutzen gedenkt. Dabei rückt den Beiden das FBI gefährlich nah auf die Pelle.
Ein exzellentes Beispiel für die neue Oberflächlichkeit im amerikanischen Film. Ein Superblender für Supernerds, die in der Darbietung all des umfangreichen Luxus (teure Autos, Discos, Interieurs, Computer, Weinkeller und natürlich Halle Berrys unbezahlbarer Luxusleib) die Erfüllung ihrer intimsten Daseinswünsche in naiver Konnexion mit staatsraisonistisch hehren Zielen sehen. Das ist bisweilen sogar halbwegs spaßig anzuschauen, zumal Sena den bunten Affekt und die damit verbundene Manipulation recht kompetent beherrscht, ansonsten ist der Film aber durch die Bank indiskutabel und bar jedweder Tiefe. Die Anlage der Charaktere besitzt bestenfalls Reißbrettformat, der Plot ist als Alibigeber peinlich blöde und dem Actiongenre hat "Swordfish" garantiert überhaupt nichts zu geben.
Eineinhalb Stunden schwachsinnige Berieselung mit leicht bitterem Beigeschmack.
4/10
#1165
Geschrieben 06. April 2008, 18:25
Irma La Douce (Das Mädchen Irma La Douce) ~ USA 1963
Directed By: Billy Wilder
Der etwas unbedarfte, aber grundehrliche Pariser Flic Nestor Patou (Jack Lemmon) muss neuerdings ausgerechnet im Rotlichtbezirk Streife gehen. Blitzschnell wird er suspendiert, geht eine Romanze mit der Hure Irma (Shirley MacLaine) ein und avanciert zum Zuhälter wider Willen. Um seine Geliebte nicht mehr auf den Strich schicken zu müssen, nimmt er die Doppelidentität des steinreichen englischen Lord X an, der künftig als Irmas einziger Kunde zweimal die Woche zum Passeancenlegen erscheint und danach umgehend wieder verschwindet. Lord X wird Nestor jedoch alsbald lästig ...
"Irma La Douce" mit dem in "The Apartment" installierten Leinwandpaar Lemmon/MacLaine kommt dem, was man landläufig als 'Erwachsenenmärchen' bezeichnet, wohl am nächsten. Bewusst gestaltet Wilder seine kleine Straße, in der sich fünf Sechstel aller Szenen des Films abspielen, wie eine Bühnenkulisse, der man unverhohlen zu jeder Sekunde ansieht, dass sie im Atelier entstanden ist. Das passt zur Musical-Herkunft des Stoffs. Als Ablehner des entsprechenden Mediums verzichtet er jedoch fast vollständig auf musikalische Einlagen. Dennoch lebt der Film von seiner permanent hyperrealistischen Atmosphäre, die in der letzten Einstellung, in der Lord X plötzlich ein Eigenleben zu führen beginnt, konsequenterweise endgültig in den Surrealismus kippt. Außerdem ist es Wilders längster Film, in einer fast schon unverschämten Art und Weise pfeift er auf jegliche Konvention und nimmt sich alle Zeit der Welt, um diese oder jene Szene so zu erzählen, wie es ihm passt, mitsamt allem nötigen Detailreichtum und aller Ausführlichkeit, die das Sujet eben gebietet. Das ist gut so, jede einzelne Sekunde trägt ihre Berechtigung in sich, denn Wilders Filme können eigentlich gar nicht lang genug sein - zumal wenn sie so lebensbejahend sind wie "Irma La Douce".
9/10
#1166
Geschrieben 08. April 2008, 17:12
Two-Lane Blacktop (Asphaltrennen) ~ USA 1971
Directed By: Monte Hellman
Ihr Leben kreist um ein Auto: Zwei junge Männer (James Taylor, Dennis Wilson) in einem wenig schmucken aber schnelle 55er Chevy tingeln, scheinbar ohne richtige Heimstatt, von einem Dragsterrennen zum nächsten und verdienen sich damit ihren spärlichen Lebensunterhalt. Ein Mädchen (Laurie Bird), das sie am Straßenrand auflesen, entlockt ihnen anfangs nur mäßige Gefühlswallungen, während der Fahrer (Warren Oates) eines schicken Pontiac, den sie allenthalben auf der Straße treffen, ihnen größere Aufmerksamkeit abverlangt. Man kommt schließlich überein, dass ein Rennen bis Washington D.C. entscheiden soll, wer am Ende über beide Wagen verfügen darf.
Von 0 auf 100 in 98 Minuten - "Two-Lane Blacktop", ein Markstein des New Hollywood, vereinigt in sich alle Qualitäten seiner Entstehungszeit. Von einem strikten Plot kann man kaum sprechen, es geht allerhöchstens um Blitzlichter und vertane Chancen. Wo Wyatt und Billy aus "Easy Rider" ihre Freiheit und politische Entsprechung noch auf der Weite der Landstraße finden, da ist diese letzte Möglichkeit der inneren und äußeren Grenzenlosigkeit für den "Fahrer" und seinen "Mechaniker" (Namen sind längst zu Schall und Rauch geworden) bereits nicht mehr vorhanden. Ihr Weg ist geprägt von einer bleiernen Ziellosigkeit. Ihr gleichermaßener Konterpart und ältere Entsprechung, der Pontiacfahrer, den sie nur kurz "G.T.O." nennen, flüchtet sich in Lügen und Ammenmärchen, die er den seltsamen Trampern erzählt, die bei ihm einsteigen und es selten über mehrere Meilen auf dem Beifahrersitz aushalten. Seine etwas fundierter anmutende Erscheinung rettet ihn auch nicht mehr vor der unausweichlichen Leere, die am Horizont wartet. Die einzige halbwegs existenzielle Perspektive scheint das junge Mädchen zu haben, die sich jedoch auch mehr und mehr ihres materiellen Ballasts erledigt ohne selbst zu begreifen, warum.
"Two-Lane Blacktop" ist trotz seiner Flatline-Narration das ungeheuer komplexe und lyrische Porträt einer verglühenden Generation, das viel zeigt, ohne viel zu verraten. Ich musste mich nach dem Film nochmal vergewissern, ob zu Beginn wirklich das Universal-Logo zu sehen ist, denn wie ein exemplarischer Studiofilm sieht dieses hypnotisierende Meisterwerk des amerikanischen Realismus weiß Gott nicht aus.
10/10
#1167
Geschrieben 09. April 2008, 19:23
Valdez Horses (Wilde Pferde) ~ I/E/F 1973
Directed By: John Sturges
Chino Valdez (Charles Bronson) züchtet Wildpferde und reitet sie zu. Eines Tages lässt sich der junge Jamie (Vincent Van Patten) bei ihm nieder, um ihm auf seiner Ranch behilflich zu sein. Zugleich zieht ein prägnanter Konflikt mit Chinos Nachbarn, dem Großgrundbesitzer Maral (Marcel Bozzuffi) auf, in dessen Stiefschwester (Jill Ireland) sich Chino verliebt.
Sehr kleiner Western aus Sturges' Spätphase, ein Film, dem man die herzliche Lust am Unspektakulären anmerkt. Bronson gibt als Abenteurer und Pferdenarr zwar gewohnheitsmäßig eine ziemlich harte Sau, steht aber als Chino Valdez in Anbetracht seiner sonstigen zeitgenössischen Action-, Western- und Rächerrollen doch eher hinten an. Bemerkenswert bleibt "Valdez Horses", neben seiner prachtvollen Naturaufnahmen aus der spanischen Sierra Nevada letztlich vor allem wegen des Endes, das sich, ganz anders als 99 Prozent aller sonstigen Genreproduktionen, einem vollkommen sensationsfreien Realismus verschreibt. Da wird einem erst bewusst, wie bodenständig-erdig selbst Starvehikel sein können, wenn sie es nur wollen.
In seinem primären Status als De Laurentiis - Produktion weit von Sturges' Meisterwerken aus den Fünfzigern und Sechzigern entfernt, dennoch eine zur Abwechslung angenehm schmale Arbeit.
6/10
#1168
Geschrieben 10. April 2008, 17:06
Q & A (Tödliche Fragen) ~ USA 1990
Directed By: Sidney Lumet
Der junge New Yorker Staatsanwalt Al Reilly (Timothy Hutton) wird bei Nacht und Nebel vom Chef des Morddezernats (Patrick O'Neal) herbeigerufen, um den Hergang eines Polizeieinsatzes routinemäßig abzusichern: Captain Brennan (Nick Nolte) hat vor einem Schwulenclub einen Dealer erschossen, nach eigener Aussage in Notwehr. Reilly, dessen verstorbener Vater einst selbst ein renommierter Detective beim NYPD war, ist zunächst geneigt, Brennan Glauben zu schenken, eine Rücksprache mit seinem Mentor (Lee Richardson) wirft jedoch erste Zweifel an Brennans rauer Integrität auf. Reilly geht in die Offensive und sticht in ein Wespennest aus Mord und Korruption.
Einer der vielen Filme Lumets, in denen er sich mit dem Machtmissbrauch durch die staatliche Exekutive befasst - ein Topos, der dem Meisterregisseur stets sehr am Herzen gelegen hat. Im Gegensatz zu den beiden früheren Oeuvre-Höhepunkten "Serpico" und "Prince Of The City" treten die dort genauestens sezierten Mechanismen des Radwerks aus Polizei und Staatsanwaltschaft in "Q & A" hinter die ansonsten recht konventionelle und sehr individualisierte Geschichte um einen auf ganzer Linie pervertierten, hochgestellten und geschätzten Beamten der New Yorker Polizei zurück. Dass sein Geschwätz über den "Straßenabschaum, den es vom Normalbürger fernzuhalten" gilt, bloß vordergründige Lügen sind, wird spätestens in jenem Augenblick offensichtlich, in dem er sich als Handlanger der Mafia zu erkennen gibt. Überhaupt überquert Lumet häufig die Grenze zum Gangsterfilm (angesichts des gangsterreichen Entstehungsjahrs eigentlich nur konsequent).
Nick Nolte offeriert als felsengleicher, furchteinflößender Beamter mit Walross-Schneuzer eine der allerbesten Vorstellungen seiner Karriere und liefert die Studie eines sexuell desorientierten, bis ins Letzte verkommenen und verlorenen Weltenwanderers, den Lumet in einer Mischung aus Ekel und Faszination porträtiert. Damit nimmt er so ziemlich alles an korruptem und bösem Bullengesocks vorweg, das bis heute die Kinoleinwände bevölkert. Natürlich ist auch der Rest der Besetzung großartig und - auf unserer Realitätsebene - unbedingt vertrauenswürdig, ebenso wie Lumets Dialoge und seine großartige Regie. Allein der Musikeinsatz (ein zeitgenössischer Popsong von Ruben Blades dudelt alle Nase lang zwecks Steigerung der Spannung) wirkt häufig seltsam inkonsequent.
8/10
#1169
Geschrieben 12. April 2008, 07:40
Lover Come Back (Ein Pyjama für Zwei) ~ USA 1961
Directed By: Delbert Mann
Die in gegenüber liegenden Gebäuden tätigen New Yorker Werbeagenten Carol Templeton (Doris Day) und Jerry Webster (Rock Hudson) sind sich noch nie begegnet - und können sich wegen ihrer unterschiedlichen Methoden beim Klientenangeln dennoch nicht ausstehen. Um einer Aufsichtsratsbeschwerde seiner Konkurrentin zu entgehen, muss Webster eines Tages Fernsehwerbung für das nichtexistente Produkt VIP erstellen, nach dem, weil die Clips unabsichtlich ausgestrahlt werden, plötzlich alle Welt verrückt ist. Der Wissenschaftler Tyler (Jack Kruschen) soll Abhilfe schaffen und VIP nach-erfinden. Als Carol ihn besucht, trifft sie im Labor auf Webster, der sich kurzerhand als Tyler ausgibt. Der Beginn einer gehörigen Verwirrungskette.
Um einiges pointenreicher und frecher als ihr gemeinsamer Erstling kommt die zweite Day/Hudson - Komödie daher. Die Installation der Charaktere und des Plots gleicht dabei verblüffend der des Vorgängers: Er ein alkoholbewährter Sexprotz, sie eine keusche, karrierefixierte Spießerin, begegnen sich, wobei er weiß, wen er vor sich hat und sich in sie, beim Versuch sie um den kleinen Finger zu wickeln, verliebt und die böse Maskerade schlussendlich bereut. Tony Randall ist als geringfügig abseitiger, neurotischer Snob natürlich auch an Bord. Was der Nachfolger "Pillow Talk" voraushat, ist sein unbändiger Drang zum Klamauk und die traumhafte Fähigkeit, auf der Comedy-Klaviatur zu spielen. Vom running gag über Verwechslungshumor bis hin zur Situationskomik wird so ziemlich alles bemüht, was das Hollywood-Repertoire zu bieten hat, und das in einer höchst lustvollen Art und Weise. Ein Klassiker, zum Schießen witzig.
8/10
#1170
Geschrieben 12. April 2008, 07:54
Send Me No Flowers (Schick mir keine Blumen) ~ USA 1964
Directed By: Norman Jewison
Der hoffnungslose Hypochonder George Kimble (Rock Hudson) hört bei einber Untersuchung durch seinen Hausarzt (Edward Andrews) ein Telefonat mit, bei dem er fälschlicherweise glaubt, es ginge um ihn und er habe demzufolge nur noch wenige Wochen zu leben. Kurzerhand begibt er sich mithilfe seines Nachbarn Arnold Nash (Tony Randall) auf die Suche nach einem potenziellen Nachfolger für seine Frau Judy (Doris Day). Als diese erfährt, dass George gar nicht wirklich krank ist, hagelt es Hiebe.
Nach der Etablierung des Traumpaars findet selbiges sich nun folgerichtig im Hafen der Ehe wieder. Das Ehepaar Kimble könnte auch Allen oder Webster heißen, die Figuren gleichen ihren von dazumal bekannten alter egos, bloß, dass ihre gemeinsame Biografie eben ein paar unwesentliche Jährchen fortgeschritten ist. Ein Eigenheim mit Garten in einem Vorort, die Ehefrau hat die Hausarbeit übernommen - das amerikanische Spießerglück scheint perfekt. Fehlt nur noch der Nachwuchs, für den in "Send Me No Flowers" jedoch - glücklicherweise - (noch) kein Platz ist. Die klassische Geschichte um den eingebildeten Kranken konzentriert sich ganz auf die nunmehr festen Größen Day - Hudson - Randall, wobei letzter hier mit Abstand den besten seiner drei Auftritte bewerkstelligt. Kaum dass er erfährt, dass sein Kumpel und Nachbar bald das Zeitlich segnen wird, startet Arnold Nash eine mehrtägige Sauforgie, die sich gewaschen hat. Ob gespielt oder nicht, in keiner Szene ist der Gute mehr nüchtern und hat irgendein Glas mit Hochprozentigem in der Hand. Ein Hit. An Witz kann es "Send Me No Flowers" spielend mit "Lover Come Back" aufnehmen, und nicht nur dieses: Er hat sogar die beiden größten Lacher der Trilogie. Wie die Day ihren Film-Ehemann mit einer schallenden Ohrfeige aus den süßesten Träumen holt und danach so tut, als sei nichts gewesen und Randall einem Barkeeper lallend die Vorzüge seines Mahagoni-Tresens erläutert, das ist humoristische Schwergewichtsklasse.
8/10
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