In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1171
Geschrieben 12. April 2008, 08:25
Lethal Weapon II (Brennpunkt L.A.) ~ USA 1989
Directed By: Richard Donner
Martin Riggs (Mel Gibson), mittlerweile das sechste Familienmitglied der Familie Murtaugh, bereitet seinem besten Freund Roger (Danny Glover) nunmehr etwas weniger Kummer. Sein Selbstzerstörungstrieb ist in moderate Bahnen geraten und er wirft wieder ein Auge Richtung Damenwelt. Der neue Fall der Beiden richtet sich gegen den südafrikanischen Diplomaten Arjen Rudd (Joss Ackland), seine Drogengeschäfte und Geldverschiffungsaktionen. Mit drin hängen der Kronzeuge Leo Getz (Joe Pesci) und Rudds Sekretärin Rika (Patsy Kensit), in die Riggs sich verliebt.
Nach Day und Hudson gelüstete mir nach einem anderen heimeligen Comedy-Traumpaar, dem des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts.
Gleich der famose Anfang dieses, ihres zweiten Films, weist auf den Modus Operandi der kommenden zwei Stunden hin. Das WB-Logo wird von den ersten Takten der alten Looney-Tunes-Filme begleitet und prompt nach der Einblendung des Schriftzugs sitzt der Zuschauer schon mit Riggs und Partner im neuem Kombi von Murtaughs Frau (Darlene Love), der im Laufe des Films noch diversen weiteren harten Prüfungen unterzogen werden wird. Man kennt die beiden ja bereits und ahnt/weiß, was nun folgt: Halsbrecherische Manöver, gigantische Explosionen und grenzwahnsinnige Scharmützel. Donner lenkt den Stil seiner Reihe weg vom reaktionären Aktionsgestus der Achtziger, das Thema Vietnam, in "Lethal Weapon" noch akut, spielt keine Rolle mehr. Die Filmrealität ist wieder gesünder und mit Martin Riggs steigt zugleich der Rezipient mit ein in die heile kalifornische Familienwelt des gut verdienenden Police Sergeants Murtaugh. Wenn man es nicht besser wüsste, müsste man meinen, der Kerl streiche unerlaubte Provisionen ein angesichts seines Eigenheims, der neuen Garage mit Hobbyraum und der kleinen Privatyacht ... Doch es stehen kaum mehr Hinterfragung, Thrill oder Action im Vordergrund. Statt ihrer werden scheinbar nebensächliche, komödiantische Aktiva bereitgestellt: Murtaughs Tochter in einem Werbeclip über Kondome, der ewig plappernde Pesci, von nun an eine feste Größe in der Weapon-Family. Und Riggs' unermüdliche Guerillaarbeit im Kampf gegen die weißen Südafrikaner, von der man weiß, dass sie nicht nur von Berufswegen stattfindet; Gibson - hier noch ganz liberal. Erst die letzten zwanzig Minuten sind dann wieder bzw. noch ihrer Dekade geschuldet. Die lupenreine Komödie verwandelt sich in eine hitzige Vendetta, nach der Frage "Was dürfen die noch alles ungestraft tun?", die selbst die farbenblindeste Couchkartoffel nur noch mit einem zögernden, aber bestimmten "Äh, nichts." beantworten kann. Das ist Riggs, das ist Gibson, wie wir ihn kennen und lieben. Ganz so wie die kleine "Road Warrior"-Reminiszenz übrigens, in der diesmal Gibson anstelle von Vernon Wells am Kühlergrill hängt.
Die große Tragik des ansonsten perfekt gewebten Entertainment-Vehikels: Es beschließt die raue B-Härte seines Jahrzehnts im großen Stil und überführt sie mittels ebenjenem in den oberflächlichen A-Chic der Neunziger, mit moderaterem Habitus und chromglänzender Politur. Der Donner hallt, im eigenen, tief geschaufelten Grab.
9/10
#1172
Geschrieben 13. April 2008, 09:47
Angel Heart ~ USA/CAN/UK 1987
Directed By: Alan Parker
Der schmierige Brooklyner Privatdetektiv Harry Angel (Mickey Rourke) erhält von einem gewissen Louis Cyphre (Robert De Niro) den Auftrag, einen Schnulzensänger namens Johnny Favourite ausfindig zu machen, der sich als Schuldner von Cyphre, so scheint's, aus dem Staube gemacht hat. Seine Ermittlungen, die sämtliche Befragten als Leichen eines mysteriösen Mörders zurücklassen, führen Harry schließlich gen Südden, nach New Orleans, wo er in die Halbwelt des Voodoo eintaucht.
Schatten, Saxophon & Steppschuhe: Alan Parkers wundervolles Werk, eines der besten des gesamten Jahrzehnts, beginnt als klassischer film noir mit ebenso klassischer Figurenkonstellation und endet in einem verstörenden Horrorszenario. All die seltsamen Surrealismen, die man vorher nie so recht zuzuordnen wusste, bekommen einen nachträglichen Sinn und machen "Angel Heart" zu einem absolut geschlossenen und exzellent finalisierten Genrezwitter. 1987, das war die Zeit, in der Mickey Rourke, vielleicht der letzte große method actor, noch zum Vielversprechendsten gehörte, was Hollywood zu bieten hatte. Und eine Zeit, in der Alan Parker noch Filmmenüs von hoher Billanz zubereitete, mit einem Auge für Details und Akkuratesse, das ihm nur wenige Kollegen streitig machen konnten. Es bereitet, wie bei allen seinen Arbeiten aus dieser Zeit, kurzum allergrößte Freude, sich auf das dort porträtierte Milieu einzulassen. Und es fällt nicht schwer, denn Zeit- und Lokalkolorit könnten authentischer kaum dargestellt sein. Der Schluss, so oft ich ihn schon gesehen habe, sorgt noch immer für unablässige Gänsehaut, selten wurde ein Abspann so sinnig und sinnlich als Bestandteil seines Films kreiert. Seelenverkauf, Mord und zweifache Blutschande; dann die letzte Fahrt mit dem Lift, nach unten.
10*/10
#1173
Geschrieben 13. April 2008, 10:04
Road Trip ~ USA 2000
Directed By: Todd Phillips
Nachdem er seiner Jugendliebe Tiffany (Rachel Blanchard) versehentlich das falsche Video übersendet hat, muss Josh (Breckin Meyer) sich im Eiltempo auf den Weg nach Austin machen, um die entsprechende Cassette noch rechtzeitig abzufangen. Zusammen mit seinen Kumpels E.L. (Seann William Scott), Rubin (Paulo Costanzo) und Kyle (DJ Qualls), der den Wagen stellt, geht er auf eine turbulente Reise Richtung Süden.
Phillips gebührt für "Road Trip" höchstes Lob, denn er hat die College-Comedy nach dem eher flachen Start der "American Pie"-Reihe wieder zu einem gewissen Niveau zurückgeführt. Sicher ist auch sein Film nicht unbedingt der Kategorie 'sophisticated' zuzuordnen, dennoch wirkt der Humor hier wesentlich nachhaltiger und kann auch Menschen jenseits der 30 noch höchstes Vergnügen entlocken, wie ich gestern nach längerer Zeit wieder feststellen durfte. Die Songauswahl passt - wie immer bei Phillips. Fred Ward als Kombination aus Albtraum-Patriarch und schießwütigem "Dirty Harry"-Verschnitt hat einen erstklassigen Auftritt. Und: Es gibt drei komödiantische Evergreens, die es stets wieder schaffen, mich kurz vor die Hyperventilation zu treiben: Wie Scott es anstellt, einen Blindenbus zu kapern, der schmierige Koch (Horatio Sanz) mit den French Toasts sowie - das absolut höchste der Gefühle - Barrys (Tom Green) bekiffter Opa (Edmund Lyndeck), der urplötzlich seinen Hund (Corky) - ebenfalls bekifft - sprechen hört und sieht. Zum Sterben.
9/10
#1174
Geschrieben 13. April 2008, 13:25
The Miracle Worker (Licht im Dunkel) ~ USA 1962
Directed By: Arthur Penn
Helen Keller (Patty Duke), einem im Südstaat Alabama in den 1880ern aufwachsenden, taubblinden Mädchen, verwehrt sich der Zugang zu ihrer Umwelt. Zum einen fehlen ihr die kommunikatorischen Möglichkeiten, mehr als elementarste Bedürfnisse zu äußern, was sie zum anderen jähzornig werden lässt und frustriert. Zudem nimmt sie innerhalb der allseits hilflosen Familie eine völlige Sonderstellung infolge ihrer Behinderung ein. Erst die halbblinde Lehrerin Anne Sullivan (Anne Bancroft) schafft es, zu Helen vorzudringen, und ihr einen Weg aufzuzeigen, sich öffnen zu können.
Die authentische Biografie der Helen Keller gehört zu den wundersamsten und hoffnungsvollsten schwerstbehinderter Künstler. Ihren schweren Weg vom trotzigen, gehandycapten Kind hin zum verständigen und sich verständlich machenden Individuum zeichnet Penns zweite Kinoarbeit nach, die sich dabei lediglich auf ein kleines zeitliches Blitzlicht konzentriert - die ersten Wochen nach Anne Sullivans Ankunft auf dem Gut der Kellers. Penns größtes Verdienst bzw. das des Autors William Gibson liegt darin, den behinderten Menschen weder verloren noch mitleiderregend zu zeichnen, geschweige denn, ihm einen sozialen Extrastatus einzuräumen. "The Miracle Worker" präsentiert sich bar jeglicher Melodramatik und ist doch ein mitreißender, aufwühlender Film. Penn beginnt seine Charakterstudie mit den expressionistischen Bildern eines Horrorfilms und lässt seine Inszenierung parallel zur emotionalen Gletscherschmelze Helens zugänglicher und freundlicher werden. Dabei vermisst er es nicht, auch die Familie des Mädchens mit teils ironischer Tiefe zu versehen und v.a. die Motivation und den Background von Helens Lehrerin Anne Über die Meisterlichkeit der Darstellungen von Bancroft und Duke ist schon viel gesagt worden, dennoch ist ihre Leistung im Zusammenhang mit der Intensität des Resultats von allergrößter Bedeutung und daher unbedingt zu erwähnen.
Kein leichtes Filmerlebnis, aber ein unbedingt genießenswertes.
9/10
#1175
Geschrieben 13. April 2008, 19:19
Rampage ~ USA 1987
Directed By: William Friedkin
Staatsanwalt Fraser (Michael Biehn), der gegenwärtig versucht, über den Unfalltod seiner kleinen Tochter (Chelsea Crank) hinwegzukommen und die infolge dessen kriselnde Ehe mit seiner Frau (Deborah Van Valkenburgh) aufrechtzuerhalten, stürzt sich kopfüber in seinen neuesten Fall, die Anklageerhebung gegen einen Serienmörder (Alex McArthur). Dieser wird nur die Todesstrafe erhalten, wenn das Geschworenenkomitee ihn für voll zurechnungsfähig zum jeweiligen Tatzeitpunkt erklärt. Die schwere Psychose des Täters ist aber mehr als offensichtlich und Frasers taktisches Vorgehen, das sich zunehmend als von persönlichen Motiven geprägt zeigt, damit hinfällig.
Skandalös, wie stiefmütterlich Friedkins minutiöse Sezierung der Verhandlung eines Mörderfalls international beäugt wurde und noch heute wird. Nicht genug damit, dass "Rampage" aufgrund der Pleite der DEG erst mit mehrjähriger Verspätung ins Kino gelangte, gibt es bis dato weltweit keine DVD-Edition. Dabei ist der zuweilen schwer verdauliche Film, eine äußerst intelligente und vielseitige, weil multiperspektivische Serienkillerstudie, respektive eine starke Reflexion über Schuld und wie mit ihr zu verfahren sein mag, jeglicher diskursiver Ehren wert. Vielleicht ist der Grund darin zu suchen, dass es Friedkin seinem Publikum alles andere als leicht macht, denn wo am Ende zumindest die Frage nach göttlicher Gerechtigkeit beantwortet scheint, da bleibt die Unentschlossenheit des Anklagevertreters; wo die Verantwortlichkeit des Mörders keiner Hinterfragung bedarf - der auteur macht den Zuschauer sogar zum unmittelbaren Zeugen seiner Taten - da ist seine psychische Disposition längst nicht geklärt. "Rampage" wächst sich zum ethischen Crashtest für nahezu sämtliche Beteiligten aus und endet mit dem vielleicht schmerzlichsten Bild, das der gesamte Film bereithält. Nur den Hinterbliebenen gebührt uneingeschränktes Verständnis.
10/10
#1176
Geschrieben 13. April 2008, 19:36
The New Kids (Die Kids von Orlando) ~ USA 1985
Directed By: Sean S. Cunningham
Nach dem Unfalltod ihrer Eltern (Tom Atkins, Jean De Baer) ziehen die Geschwister Loren (Shannon Presby) und Abby (Lori Loughlin) zu ihrem Onkel (Eddie Jones), der in Forida einen kleinen Vergnügungspark bewirtschaftet. Bald kommt es zu ersten Zusammenstößen mit dem üblen Eddie Dutra (James Spader) und seiner Gang, einer sadistischen, drogeninfizierten Truppe. Der Streit schaukelt sich empor bis zur unausweichlichen Eskalation.
Cunninghams Minidrescher nimmt sich aus wie eine Horrorversion von "Karate Kid", nur mit ohne Kampfsport. Und mit dem Unterschied, dass hier gleich zwei Kids bis zum Limit gepusht werden und dabei mit deutlich härteren Bandagen gegeneinander vorgegangen wird. Dass delinquente Jugendliche längst nicht mehr den uneingeschränkten Schutz der MPAA genießen, ist ja spätestens seit "Class Of 1984" nichts Neues mehr. Die narrative Ausgangssituation des Films ist allerdings äußerst unglücklich gelöst, denn über den Doppeltod ihrer Eltern kommen Brüderchen und Schwesterchen so erstaunlich gut hinweg, als wäre bloß der Wellensittich Hansi eingegangen. Ist ja auch egal, wirklich interessant wird es erst, wenn der schon damals eine deutliche Bedrohlichkeit ausstrahlende Spader das Bild betritt und darüberhinaus seiner nicht weiter verfolgten Geistesstörung das Feld überlässt. Überhaupt besteht keine Gefahr der charakterlichen Differenzierung, Cunningham inszeniert Spannungsmomente und reiht sie aneinander. Zumindest dies beherrscht er aber zur Genüge und entsprechend spaßig ist sein Film. Mit kleinem Jason-Bonus am Ende.
5/10
#1177
Geschrieben 15. April 2008, 06:23
American Samurai ~ USA 1992
Directed By: Sam Firstenberg
Um den Machenschaften seines Stiefbruders Kenjiro (Mark Dacascos), eines Yakuza-Führers, nachzugehen, reist Reporter Drew Collins (David Bradley) nach Istanbul. Drew ist selbst bewandert in der Kunst des Schwertkampfes, da er als Findelkind bei einem entsprechenden Experten (John Fujioka), zugleich Kenjiros leiblicher Vater, aufgewachsen ist. Nun hat Kenjiro noch das Familienschwert aus Drews Besitz stehlen lassen, was diesen zusätzlich ansäuert. Kenjiro indes veranstaltet am Bosporus ein illegales Schwertkampf-Turnier auf Leben und Tod, bei dem allerlei illustre Gestalten antreten. Auch Drew wird zur Teilnahme gezwungen.
Große Schüssel Gurkensalat und vortrefflicher Partyfilm zugleich. In "American Samurai" fährt Cannon-Spezi Firstenberg nochmal eine große Ladung Blödsinn auf, die diese an und für sich recht blutige Holzhackerei vor allem für Unter-15-jährige zum Traum macht. Das Ganze ist schlechthin einfach so hanebüchen, dass man pausenlos vor Lachen in der Ecke liegen kann, wenn man möchte. Schon die tarzaneske Titelsequenz, die damit beginnt, das ein Flugzeug mit Drews Eltern und ihm selbst als Säugling an Bord über einem japanischen Gebirge abstürzt und den kleinen Ami in die wohlwollenden Samuraihände des bereits aus "American Ninja" bekannten Adoptivpapas treibt, ist absolut zum Schießen. Das setzt sich fort mit der womöglich plumpsten Liebesszene der Neunziger und findet seine Klimax beim bei "Bloodsport" plagiierten Wettkampf, bei dem u.a. ein leibhaftiger Barbar, ein Wikinger, ein Pirat und ein dicker texanischer Messerstecher mit Vollbart und Cowboyhut ins Rennen gehen. Nun, ich bitte euch, liebe Mitleser, was kann mehr verlangen? Ein paar appe Gliedmaßen? Auch die hat's - zumindest in der reiflich kultivierten ungekürzten Fassung. Notiz an mich für die Zukunft: N.m.n.s. (nie mehr nüchtern schauen).
4/10
#1178
Geschrieben 16. April 2008, 06:20
Hour Of The Gun (Die fünf Geächteten) ~ USA 1967
Directed By: John Sturges
Nach der Schießerei am O.K. Corall sieht sich Wyatt Earp (James Garner) einer Mordanklage ausgesetzt, bei der es sich natürlich um eine verlängerte Intrige seines Erzfeinds Ike Clanton (Robert Ryan) handelt. Earp geht aus dem Prozess als freier Mann hervor. Als die Wahlen zum Bezirksmarshall anstehen, schaltet Clanton hinterrücks die zwei Earp-Brüder Morgan (Sam Melville) und Virgil (Frank Converse) mittels gezielter Attentate aus. Unterstützt durch den Senat von Arizona macht sich Earp auf, den flüchtenden Clanton zu fassen, wobei Wyatts alter Freund Holliday (Jason Robards) erschrocken ist über die plötzliche Kaltblütigkeit des an sich ehernen Gesetzesvertreters.
Mindestens ebenso trocken wie den zehn Jahre älteren "Gunfight At The O.K. Corral" setzte Sturges diese späte Fortsetzung der Geschehnisse um das legendäre Scharmützel an der Tombstoner Pferdekoppel in Szene. Es geht hier - gemäß der Zeitzeichen - mehr um Politik, um den im Abseits wirtschaftenden Störenfried Clanton, der nicht nur seinem direkten Gegner Wyatt Earp ein Dorn im Auge ist, sondern auch den Politikern. Damit bekommt die geschilderte Ereigniskette eine ganz ähnliche Konnotation wie die Jagd Pat Garrets nach Billy The Kid. Hier wie dort wartet der Showdown in Mexiko. Die wiederum interessanteste Rolle bekleidet dabei Jason Robards als zunehmend der Tuberkulose anheim fallender Doc Holliday, bekanntermaßen stets der traditionell begehrteste Part in Wyatt-Earp-Filmen.
"Hour Of The Gun" bemüht sich um Authentizität, wie ein paar Titel nach dem Vorspann unmissverständlich ankündigen. Jene Tatsachenbindung brachte ihm häufig den Vorwurf ein, im Gegenzug die genreeigene Kinetik des Westerns vernachlässigt zu haben - letztlich eine ins Leere zielende Kritik, denn dass der Film seine bewusste finale Form erreicht hat, gereicht ihm nicht nur zur uneingeschränkten Ehre, sondern macht ihn zumindest innerhalb der Gattungsgrenzen zu einem wegweisenden Werk seiner Zeit.
8/10
#1179
Geschrieben 16. April 2008, 15:54
Disorderlies (Das Chaoten-Team) ~ USA 1987
Directed By: Michael Schultz
Um seinen steinreichen Onkel Albert (Ralph Bellamy) möglichst unauffällig unter die Erde zu bringen, engagiert der spielsüchtige Winslow Lowry (Anthony Geary) drei Brooklyner Vollpfosten von Krankenpflegern, die leicht bis schwer adipösen Markie (Mark Morales), Buffy (Darren Robinson) und Kool (Damon Wimbley). Bedingt durch deren allumfassende Tollpatschigkeit, so Lowrys böser Plan, dürfte Albert in Bälde das Zeitliche gesegnet haben. Die drei Schwergewichte sorgen jedoch dafür, dass bald des Onkels dritter Frühling naht und erweisen sich außerdem als Retter in der Not.
Die Korpulenten-Komik des ersten und einzigen Fat-Boys-Films ist eher eine Spezialität der von Kalauerkanone Arne Elsholtz eingedeutschten Fassung. Hier heißen die drei Rollmops, Roulade und Bulette und scheuen sich auch sonst nicht mancher Blödelei. Das Wunderwerk selbst sieht sich eher in der Tradition von "The Three Stooges", wobei besonders Morales diverse Backpfeifen seiner beiden Gespielen kassiert. Zahlreiche lautmalerische Töne, beim Auf- und Abhüpfen weiblicher Brüste etwa, erfreuen die infantile Seele und sorgen für manch herzhaften Lacher. Hier und da fühlt man sich trotz der zeitlichen und lokalen Distanz an die legendären Klamaukfilme von Franz Josef Gottlieb erinnert, so hemmungslos schwachsinnig wirkt der hundstolle Eintopf manchmal. Der etwas tattrige Ralph Bellamy dürfte mutmaßlich schon nicht mehr ganz beieinander gewesen sein, als er das Engagement für dieses buchstäbliche Klöpsetreffen angenommen hat, aber egal. Eine solche Art von Humor findet ihre Lieferadresse ohnehin nicht dort, wo sich der Kopf befindet.
5/10
#1180
Geschrieben 20. April 2008, 19:00
Night Falls On Manhattan (Nacht über Manhattan) ~ USA 1997
Directed By: Sidney Lumet
Der Aufstieg kommt schneller als erwartet: Gleich sein erster großer Fall, den ihm der publicitygeile Generalstaatsanwalt Morgenstern (Ron Leibman) zuschanzt, wird für den angehenden New Yorker Ankläger Sean Casey (Andy Garcia) zu Maßarbeit und Medienrummel. Der stadtbekannte Dealer Jordan Washington (Shiek Mahmud-Bey) hat bei seiner Festnahme drei Polizisten niedergeschossen, darunter Seans Vater (Ian Holm), und den Tod eines Vierten zu verantworten. Sean gewinnt den Fall, den Washingtons Verteidiger Vigoda (Richard Dreyfuss) dazu nutzen will, einige Korruptionsfälle in der New Yorker Polizei aufzudecken, haushoch - muss im Nachhinein aber feststellen, dass unter der Oberfläche noch wesentlich mehr brodelt, wobei der moralische Morast näher zu ihm schwappt, als er zunächst ahnt.
Das bislang letzte New Yorker Korruptionsdrama von Lumet vereint sämtliche Qualitäten seiner Vorgänger, ist allerdings etwas weniger emotional aufwühlend und deutlich kühler in Dramaturgie und Gestaltung. Wird womöglich auch mit dem Alter des Meisters, damals immerhin bereits 73, zusammenhängen. "Night Falls" ist auch aufgrund seiner gediegenen bis unauffälligen Inszenierung ein reiner Schauspielerfilm geworden, der seiner Cast Gelegenheit zu großartigen Performances gibt, welche man im Resultat dann auch nicht eben mit der Lupe suchen muss. Ausgerechnet Garcia als irischstämmigen Karriereaufsteiger mit strammem ethischen Rückgrat zu besetzen, das dürfte die einzige - allerdings verschmerzbare - Fehlentscheidung innerhalb der Besetzungsliste sein. Garcia kann sein schmieriges Latin-Lover-Grinsen einfach nie ganz ablegen. Sein Fluch. Dafür liefern Dreyfuss in einem leider sehr kurzen Part und besonders Ian Holm und der grandiose James Gandolfini als sein von Skrupeln aufgefressener Partner Unvergessliches. Über die Funktionsweise von Macht und Machtverteilung im großstädtischen Gewaltenapparat erfahren wir derweil wenig Neues. Von Lumet selbst wissen wir ja längst, dass hier sämtliche ideellen Pfeiler bis ins Innerste verfault sind und nur von wenigen ehrbaren Seelen noch aufrecht erhalten werden. Fast möchte ich festhalten: Gar nicht mal schlecht, denn damit bietet sich stets aufs Neue die Gelegenheit, spannende und großartige Filme zu schaffen.
8/10
#1181
Geschrieben 20. April 2008, 19:15
Point Break (Gefährliche Brandung) ~ USA 1991
Directed By: Kathryn Bigelow
Die "Ex-Präsidenten" sind eine gefürchtete Bande von Bankräubern. Zusammen mit seinem neuen Partner Pappas (Gary Busey) stellt der junge FBI-Agent Utah (Keanu Reeves) fest, dass es sich bei den Gangstern um Surfer handeln muss. Utah taucht in die Szene ab und lernt den wie einen Guru verehrten Wellenreitergott Bodhi (Patrick Swayze) kennen, der sich später als Kopf der Diebesbande herausstellt. Dennoch kann sich Utah einer immensen Faszination für das Surferethos von Freiheit und Spiritualität und auch für den charismatischen Bodhi nicht entziehen.
Ähnlich wie im Falle "Blue Steel" steht das Script in keinem Verhältnis zu den inszenatorischen Qualitäten der Regisseurin. In diesem Falle ist die Differenz jedoch noch bedeutender. "Point Break" erschien mir schon früher wie ein Genrefilm für Mädchen und tatsächlich habe ich ihn kürzlich wieder bei einer Freundin im Regal entdeckt und mir dort ausgeliehen, um ihn wieder aufzufrischen. Mein Urteil hat sich seit damals kaum gewandelt. Alles ist Hülse, alles ist leer. Wenn Swayze anfängt, über seine Systemfeindschaft zu sinnieren, dann muss man prusten vor lachen. Undercover-Cops, die ihrer infiltrierten Subkultur verfallen, sind ebenfalls eine ganz alte Staude und Keanu Reeves sah und klang mir in jüngeren Jahren einfach noch zu sehr nach Ted "dem Nashorn" Logan (aus). Kann ich einfach nicht ernstnehmen, das Ganze. Und ist bei all seiner Einfalt auch noch viel zu lang.
Der einzige Aspekt, der "Point Break" in meinen Augen nachhaltige Bedeutung verleiht, ist sein Status als Bestandteil des Oeuvres einer brillanten Filmemacherin, deren Auge und Sinn für Ästhetisches eine ganz besondere Note besitzt. Darum sieht der Film auch so toll aus, ohne selbiges zu sein.
4/10
#1182
Geschrieben 26. April 2008, 07:28
Friendly Persuasion (Lockende Versuchung) ~ USA 1956
Directed By: William Wyler
Indiana, 1862: Die Quäkerfamilie Birdwell begegnet zahlreichen Versuchungen des alltäglichen Lebens, die ihr strikter Glaube ihnen untersagt: Vater Jess (Gary Cooper) ist der Musik und dem Rennenfahren mit Nachbar Jordan (Robert Middleton) zugetan, Tochter Mattie (Phyllis Love) liebt das Tanzen - und Jordans Sohn Gard (Peter Mark Richman), Jess junior (Richard Eyer) ist ein Lausejunge wie er im Buche steht und Josh (Anthony Perkins), der Älteste, spielt mit dem dringenden Gedanken, sich einer Unionsmiliz anzuschließen, um Haus, Gut und Menschenrechte zu verteidigen. Nur Mutter Eliza (Dorothy McGuire) trotzt dem Müßiggang mit Leib und Seele.
In Wylers prächtig unterhaltendem Sittengemälde, einer Art spätem Prequel zu "The Best Years Of Our Lives", geht es um zweierlei: Das nicht immer einfachen Leben des von außen als verschroben beäugten Völkchens der Quäker sowie um ziviles, menschlich probates Verhalten in Zeiten des Krieges. Dass der Sezessionskrieg sich in Form einer todbringenden Maschinerie ausgerechnet den denkbar pazifistischsten Menschen nähert, ist dabei eine pikante Überspitzung, die "Friendly Persuasion" noch zusätzlich besonders reflexiv erscheinen lässt. Gute drei Viertel des Films beschäftigen sich mit einem Portrait der Birdwells, ihrer alltäglichen Nöte und Konflikte, aber auch der beneidenswert ungebrochenen Harmonie, die ihre kleine heile Welt auszeichnet. Der Krieg ist ein Gesprächsthema, erscheint aber lange Zeit lediglich wie ein ferner, böser Traum. Repräsentant des Militarismus ist der schneidige Gard Jordan, der als Offizier mit zunehmender Versehrung, aber stets untadeligem Verhalten bei den Birdwells auftaucht und Mattie den Hof macht. Während der kleine Jess Uniform und Anekdoten aus dem Krieg großäugig bewundert, interessiert sich Josh (großartig: Anthony Perkins) lediglich für den politischen Überbau des Konflikts und die entsprechende Form der Courage. Das Elternehepaar wird da fast zu Nebencharakteren.
Über das Wesen des Krieges, der dann erst gegen Ende physisch greifbar wird, aus den zunächst unbeteiligten Augen der Zivilbevölkerung berichtet "Friendly Persuasion" in einer weitgehend kommentarlosen, zugleich aber pädagogisch nahrhaften Art und Weise, so dass es sich um einen der wenigen Kriegsfilme handelt, die selbst einem sehr jungen, aufgeschlossenen Publikum uneingeschränkt zu empfehlen sind. Kein Wunder, dass ich selbst diesen Evergreen schon als Kind so ins Herz geschlossen habe.
9/10
#1183
Geschrieben 26. April 2008, 07:50
Tarantula ~ USA 1955
Directed By: Jack Arnold
Ein seltsamer Fall von Akromegalie in der Nähe des Wüstenstädtchens Desert Rock ruft den Landarzt Hastings (John Agar) auf den Plan, der nicht glauben will, dass der Betroffene, ein Kollege des eremitenhaft lebenden Professors Deemer (Leo G. Carroll), innerhalb weniger Tage erkrankt und gestorben sein soll. Bald kristallisiert sich die Wahrheit heraus: Deemer arbeitet an einem künstlichen Nährstoff, um den verschwindenden Lebensmittelressourcen der überbevölkerten Welt begegnen zu können. Seine Versuchstiere, darunter eine Tarantel, wachsein ins Riesenhafte, bei Menschen ruft das Serum Akromegalie im Endstadium hervor. Nach einem Unfal im Labor verschwindet die bereits wagenradgroße Spinne aus dem Labor des Professors und macht fortan die Wüste Arizonas unsicher, bis sie nach ein paar Tagen zu einem turmhohen Monstrum herangewachsen ist. Zusammen mit Deemers neuer Assistentin Steve (Mara Corday) macht sich Hastings an die Vernichtung des Ungeheuers.
"Tarantula" ist mein liebster Film des legendären Jack Arnold, wenn ich auch zugeben muss, dass der "Shrinking Man" die vielleicht nachhaltigeren Qualitäten aufweisen kann. Meine persönliche Zuneigung zu der Riesenspinne hat - wie so oft - biographische Ursachen, denn damals, als die Arnold-Reihen in den Dritten ausgestrahlt wurden, hatte ich das besondere Vergnügen, genau dieses Werk allein an einem Samstagabend im dunklen Wohnzimmer sehen zu können. Allein die Tatsache, dass ich mich so exakt an die Umstände erinnern kann, belegt, welche Wirkung der Film auf mich hatte und hat. Vielleicht war es sogar "Tarantula" (in Kombination mit "Jaws" freilich), der in mir die bis heute unerschütterliche Liebe zu monströsem Leinwandgetier geweckt hat. Die Attacken der Spinne, so possierlich sie heute auch erscheinen mögen, erzeugen jedenfalls noch immer eine Gänsehaut bei mir. Besonders eingebrannt hat sich der grell kreischende Farmer (Steve Darrell), der doch bloß seine Pferdekoppel beschützen wollte und von dem, wir erfahren es nur per späterem Polizeibericht, lediglich das Gerippe übrigblieb. Hinzu die brillante Szene, in der das Viech Deemers Haus überfällt und durchs Fenster hineinsieht - eine der wirkungsvollsten Spannungssequenzen, die ich im Phantastischen Film kenne. Ach, und Eastwood "lasst es uns jetzt mit Napalm versuchen" a Go-Go, man darf ihn einfach nicht unerwähnt lassen. Eine große alte Liebe.
10/10
#1184
Geschrieben 26. April 2008, 11:56
The Magnificent Seven (Die glorreichen Sieben) ~ USA 1960
Directed By: John Sturges
Ein mexikanisches Bauerndorf wird regelmäßig von dem Banditen Calvera (Eli Wallach) heimgesucht und um seine Ernte gebracht. Also engagiert man sieben Revolverhelden (Yul Brynner, Steve McQueen, Charles Bronson, Horst Buchholz, James Coburn, Robert Vaughn, Brad Dexter), die den Desperados vor Ort den Garaus machen sollen.
Obschon einer der beliebtesten Western, hat Sturges' Klassiker der Motivgeschichte des Genres kaum Neues hinzuzufügen. Als Remake des Kurosawa-Films um sieben Samurai (die Geschichte wurde später noch mehrere Male im B-Sektor variiert) ist "The Magnificent Seven" vielmehr zum historisch gewandeten Actionfilm geraten. Als ein solcher allerdings ist er meisterlich. Selten zuvor war eine Inszenierung, die vornehmlich auf den Transport von Aktion und die Erzeugung hautnah spürbarer Bleigefechte bedacht ist, derart dynamisch. Die Charakterzeichnung ist ungeheuer präzise und es gelingt dem Buch, jeden Einzelnen der sieben gunslinger [selbst den nur recht peripher vorgestellten Harry (Dexter) und Lee (Robert Vaughn)] eine mythifizierende Aura zu verleihen, was dann gewissermaßen doch die eigentlichen Gattungswurzeln bedient. Dazu kommen etliche Schnittfolgen und Dialoge, die unvergesslich sind, für Bernsteins später zum Zigarettenkitsch restverwerteten, sinfonischen Titelmusik gilt das ohnehin. Ein prachtvoller, perfekter Film, tatsächlich frei von jedweder Schwäche.
10/10
#1185
Geschrieben 27. April 2008, 13:36
The Charge Of The Light Brigade (Der Verrat des Surat Khan) ~ USA 1936
Directed By: Michael Curtiz
Der im kolonialen Indien stationierte Captain Vickers (Errol Flynn) rettet dem verschmitzten Surat Khan (C. Henry Gordon), Emir von Suristan, bei einer Leopardenjagd das Leben. Dennoch verschmäht der Emir später die Freundschaft Vickers' und der Kolonialherren und überfällt mit russischer Unterstützung die Feste Chukoti, bei der sogar Frauen und Kinder einem schrecklichen Massaker zum Opfer fallen. Vickers hat derweil noch private Probleme, denn seine Verlobte Elsa (Olivia de Havilland) hat sich in Vickers' jüngeren Bruder Perry (Patric Knowles) verliebt. Der später ausbrechende Krimkrieg bietet dem zum Major beförderten Vickers und dem Rest der 27. Kavallerie endlich Gelegenheit zur Rache. Khan hat sich nach Russland geflüchtet und unterstützt das Militär nun seinerseits im Kampf gegen die Türken. Vickers fälscht einen Angriffsbefehl und sorgt heldenhaft dafür, dass Perry nicht an der folgenden, fast aussichtslosen Schlacht teilnehmen kann und Elsa so erhalten bleibt.
Die zweite Zusammenarbeit zwischen Curtiz und Flynn, gleich nach "Captain Blood", bietet klassisches Abenteuerkino, wie man es von diesem Warner Bros. - Dreamteam gewohnt ist und gern sehen möchte. Etwas ernster und weniger beschwingt als die meisten übrigen Kooperationsfilme der beiden liefert "Charge" ein damals noch nicht angefeindetes Hohelied auf Kolonialpolitik und Patriotismus, das Flynn als Offizier und Gentleman alter Schule nur allzu harmonisch anzustimmen weiß. Basierend auf dem heroischen Gedicht von Tennyson, das dann während des Höhepunkts, der berühmt Schlacht auf der Krim, per mehrerer Textpassagen eingeblendet wird und kombiniert mit der hübsch kitschigen und etwas dick aufgetragenen Liebesgeschichte, die für Flynn unglücklich endet, sowie den ergreifenden Bildern um die Ereignisse in Chukoti gibt es somit ein recht lohnenswertes Exempel guten alten Kintopps zu bewundern, das seinen Schneid über die Jahrzehnte in beachtlicher Form zu bewahren wusste.
8/10
#1186
Geschrieben 27. April 2008, 13:49
Tobacco Road (Tabakstraße) ~ USA 1941
Directed By: John Ford
Der hungernden Farmerfamilie Lester, die an der einstmals prächtigen Tobacco Road in Georgia haust, geht es an den Kragen, als die Bank ihren Grund und Boden erwirbt. Vater Jeeter (Charley Grapewin) muss 100 Dollar auftreiben, um die fällige Pacht zu bezahlen, was ihm trotz diverser verrückter Pläne nicht gelingen mag.
Nach Caldwells berühmtem Depressionsroman, der den südstaatlichen Hillbillys ein literarisches Denkmal setzt und dem anschließenden Broadway-Stück inszenierte Ford diesen Schwank, der wie die meisten seiner Sozialdramen zwischen Humor und Tragik umhertaumelt. Die Lesters wirken wie die Urahnen aller Hinterwäldler-Leinwandgestalten, schmutzig, in der Sonne vor sich her faulenzend, sich um ein paar Rüben prügelnd und mit Schrottkarren durch die Gegend ziehend - dabei aber vor unheimlicher Vitalität berstend und in breitestem southern drawl parlierend. Man vermisst bloß noch den selbstgebrannten Bourbon.
"Tobacco Road" ist so weit weg von den üblichen, herausgeputzten Großstadtkomödien seiner Zeit, dass er so scheint, als entführe er seinen Zuschauer geradewegs in ein paralleles Amerika, eines, dass die Kultur bis dato eher bewusst verschmäht hat. Es kostet einen dann auch nicht wenig an Sympathiereserven, bis man den gammeligen Jeeter und seine Frau Ada (Elizabeth Patterson) als so etwas wie Identifikationsfiguren zu akzeptieren beginnt. Den bezauberndsten Auftritt hat Gene Tierney als vermeintlich stummes Sumpfblümelein, das unter seiner Schmutzschicht das hübscheste Antlitz des ganzen Südens verbirgt.
8/10
#1187
Geschrieben 28. April 2008, 06:14
The Rookie ~ USA 1990
Directed By: Clint Eastwood
Der alternde Detective Nick Pulovski (Clint Eastwood) von der Abteilung für Auto-Diebstähle stöhnt, als ihm der junge David Ackerman (Charlie Sheen) als Partner zur Seite gestellt wird. Ackerman symbolisiert alles, was dem alten Haudegen zuwider ist: Er ist ein Musterschüler, stammt aus wohlhabendem Hause und benimmt sich bei der Arbeit selten tollpatschig. Dennoch erweist sich der 'rookie' bei der Dingfestmachung des Automafioso Strom (Raul Julia) schlussendlich als wertvolle Unterstützung.
"The Rookie" kommt in Eastwoods Filmografie ein besonderer Status zu; es handelt sich um den letzten Rückfall des Regisseurs und Darstellers in die Gefilde des reaktionären Actionfilms. Zum letzten Mal gibt Eastwood den von archaischen Männlichkeitsriten zehrenden, rechtspopulistischen Bullen, der auf seinem Weg Richtung Rente zielsicher noch ein paar Gangster zur Strecke bringt. Natürlich finden sich in der Figur des Nick Pulovski auch Fragmente eines Harry Calahan, dem Eastwood zwei Jahre zuvor zum letzten Male sein Antlitz verlieh. Wie sein Kollege in Frisco ist Pulovski ein Mann, der die Lakonie zum obersten Charakterprinzip erhoben, der jedwede Ideale längst für einen erfahrungsbedingten Zynismus über Bord geworfen hat und dessen Sechsschüsser locker im Halfter sitzt. Einzig die Dienstgarderobe, bei Calahan stets tadellos mit Anzug und Krawatte, unterscheidet die beiden äußerlich. Man meint sogar, sich peu à peu ein wenig Einsicht und Milde bei Pulovski einschleichen zu spüren - Eastwood befindet sich mit 60 auf dem zögerlichen Weg in die Versöhnlichkeit. Was er jedoch sich, seiner Figur, seinem Mythos und vor allem seinen Anhängern schuldet, weiß der Mann, und so ist die finale Hinrichtung des villain mitsamt dem Jubelschreie hervorufenden oneliner zugleich ein letztes Aufbäumen des kalifornischen Old-School-Cops. Der folgende, familiär anmutende Abschluss, in dem die Fackel nach der verdienten Beförderung hinter den Schreibtisch an den jungen Kollegen, welcher exakt die Verhaltensweisen seines Beamten-Ziehvaters imitiert, weitergereicht wird, deutet dann bereits den späten, altersweisen Eastwood an. Jener wird in den nächsten Jahren seinen früheren Ungestüm gegen die Gelassenheit der Pensionskasse eintauschen.
7/10
#1188
Geschrieben 29. April 2008, 12:59
Truck Turner (Chicago Poker) ~ USA 1974
Directed By: Jonathan Kaplan
Kopfgeldjäger Mac "Truck" Turner (Isaac Hayes) und sein Partner Jerry (Alan Weeks) haben den Auftrag, den kautionsflüchtigen pimp Gator (Paul Harris) zurückzubringen. Dieser jedoch widersetzt sich seinen Verfolgern vehement und wird daher mit ein paar gezielten Schüssen niedergestreckt. Gators Geliebte Dorinda (Nichelle Nichols) tritt daraufhin sein Erbe an und setzt sämtliche früheren Berufsgenossen Gators, darunter den Oberzuhälter Harvard Blue (Yaphet Kotto), auf Truck an. Dieser jedoch erweist sich als ziemlich wehrhaft.
Obercooler Blaxploiter, der den Soulgiganten Isaac Hayes als neuen schwarzen Zelluloid-Supermann hätte zurücklassen können, wäre das Publikumsecho nur etwas größer gewesen. Das entsprechende Subgenre aber hatte seinen Zenit bereits überschritten und so blieb "Truck Turner" bedauerlicherweise bloß ein Krümel von dessen langer Tafel. Ob zu Unrecht oder nicht, darüber mag man sich streiten. Die Ansätze der Titelfigur sind nach deren Urahnen im Prinzip hinlänglich bekannt, andererseits wird alles geboten, was die Liebhaber dieser cineastischen Subkultur so sehr schätzen und daher ist der sehr trockene und gelassen wirkende Film genau für diesen Menschenschlag eine echte Goldgrube. Die Klamotten und Karossen sind purster Sleaze, die Einschusslöcher unverschämt groß und die Dialoge nebst dazugehöriger Sprüche vom Feinsten. Dass Hayes persönlich den überaus starken Soundtrack komponiert und eingespielt hat, versteht sich von selbst.
8/10
#1189
Geschrieben 29. April 2008, 13:12
Showdown In Little Tokyo ~ USA 1991
Directed By: Mark L. Lester
Der in Japan aufgewachsene, hellhäutige Cop Kenner (Dolph Lundgren) und sein neuer Partner Murata (Brandon Lee), ein US-Amerikaner halbjapanischer Abstammung, nehmen sich im fernöstlichen Teil von L.A. den Yakuza-Ableger des bösen Yoshida (Cary-Hiroyuki Tagawa), der zu allem Überfluss auch noch Kenners Eltern auf dem Gewissen hat, zur Brust.
Lesters spätes Kleinod der buddy comedy bezieht den Großteil seines Humors aus der Unfreiwilligkeit. Kenner und Murata lassen eine Unzahl von goons über die buchstäblichen Klingen springen und ab der 10. Minute ist von etwaigen Vorgesetzten weit und breit nichts mehr zu sehen, so dass Los Angeles scheint, als sei es der Gnade einiger holzköpfiger Bullen ausgeliefert, die die Willkür zum obersten Handlungsprinzip erkoren haben. Natürlich steckt in Wahrheit Lesters konzentrierte Abwicklung der Dramaturgie dahinter, die den ohnehin schon äußerst kurz geratenen Film auf seine zahlreichen Auseinandersetzungen und Gefechte kernreduziert. Eine hübsch plumpe Beischlafszene, eine der wenigen in des schwedischen Kleiderschranks Repertoire (in der dessen Partnerin Tia Carrere deutlich sichtbar gebodyoubelt wird), ist auch noch dabei. Dass der Regisseur eine Obsession für die fixe Zwangsamputation von Extremitäten im oberen Körperbereich hegt, ist seit "Class Of 1984" außerdem zu einer Art Markenzeichen avanciert, das es auch hier gleich mehrfach zu bewundern gibt.
Doof, sicher, aber auch unbedingt liebenswert.
5/10
#1190
Geschrieben 30. April 2008, 06:06
Young Warriors ~ USA 1983
Directed By: Lawrence D. Foldes
Nachdem seine jüngere Schwester (April Dawn) einer Horde Vergewaltiger zum Opfer fällt und an den Verletzungen stirbt, überschreitet der ohnehin psychisch getriebene Kevin (James Van Patten) die Grenze des Rationalen: Zusammen mit seinen Kommilitonen und ehemaligen Klassenkameraden macht er sich an die Suche nach den Übeltätern. Seinem Vater (Ernest Borgnine), der als Polizei-Lieutenant selbst in dem Fall ermittelt, traut Kevin keine hinreichenden Erfolge zu. Dabei werden er und seine Truppe zu Vigilanten, die zunehmend die Kontrolle über ihre Aktionen verlieren, bis es zur Katastrophe kommt.
"Young Warriors" steht sich selbst zu sehr im Wege, als dass er als nachhaltig ernstzunehmende Arbeit bestehen könnte - auch wenn er im Rahmen der übrigen Filme für die angepeilte Rezipientenschaft mit Sicherheit ein Unikat darstellt. Das Ganze beginnt als typischer College-Klamauk mitsamt Initiationsriten, flauen Witzchen um Alkohol, Sex und Kastrationsangst. Der Plot schlägt dann nach rund 20 Minuten Erzählzeit eine völlig andere Richtung ein, als die Vergewaltigungsszene, die in ihrer inszenierten Perfidie an die beiden ersten "Death Wish" - Filme erinnert, das vorherige Idyll bersten lässt. Von da ab erhält "Young Warriors" eine düstere Note, die ihn zum psychologischen Thriller macht oder besser: machen soll. Stammhalter des Erstdrittel-Genres ist lediglich ein ziemlich hässlicher Pudel, der stets mit Halstuch, Sonnenbrille und Cap herumzulaufen pflegt. Doch auch Seriosität trumpft. In einem "Kunst-Seminar" stellt Kevin regelmäßig selbstgeschaffene Animationsfilme vor, die seine innere Zerrüttung reflektieren sollen und sich tatsächlich vom anfänglich gefälligen, nett-bedröhnten eyecandy zum bösen Stroboskopspektakel entwickeln. Plump? Hm.
Die Idee, den Zuschauer in ein emotionales Wechselbad zu stoßen, erscheint durchaus innovativ und bis zu einem gewissen Punkt ist es auch die Umsetzung. Allzu häufig aber zeigen sich dann doch Limitierungen, werden psychologisch wichtige Sequenzen schlicht vergeigt und gibt der Autor letztendlich zu, doch nicht mehr als ambitionierten Trash bewerkstelligt zu haben.
5/10
#1191
Geschrieben 01. Mai 2008, 15:05
The Tall T (Um Kopf und Kragen) ~ USA 1957
Directed By: Budd Boetticher
Jungrancher Brennan (Randolph Scott) lässt sich, nachdem er sein Pferd infolge einer Wette an seinen Nachbarn (Robert Burton) verloren hat, von seinem Kumpel, dem Postreiter Rintoon (Arthur Hunnicutt), in der Prärie auflesen. An der Station angekommen, bietet sich den beiden wie den Insassen der Kutsche ein erschreckendes Bild: Der Stationsmeister (Fred E. Sherman) und sein kleiner Sohn (Chris Olsen) sind von drei Räubern niedergeschossen worden. Deren Anführer (Richard Boone) nimmt Doretta (Maureen O'Sullivan), den weiblichen Fahrgast aus der Kutsche, und Brennan als Geiseln, während Dorettas feige-opportunistischer Ehemann (John Hubbard) bei ihrem Vater für das Lösegeld vorsprechen soll.
Erstklassiger Western aus dem Ranown-Zyklus, einmal mehr von einem Boetticher in Topform inszeniert. Subtile Charakterzeichnungen (besonders Richard Boone als träumerischer Gangster und das frühere Tarzan-Liebchen Maureen O'Sullivan als alternde, enttäuschte Jungfer wären hier hervorzuheben), spannende, suspense-geprägte Szenen und eine brillante Farbdramaturgie (Charles Lawton jr.) sind die hervorstechendsten Merkmale des ausgezeichneten Films, der wieder in Rekordkürze sein dramaturgisches Päckchen schnürt und auspackt. Der Clou besteht in der antagonistischen Gegenüberstellung von Brennan und Boones Charakter Frank Usher, der als eine Art finstere Kehrseite des sich zuweilen selbst überschätzenden Ranchers beschrieben wird. Zweifelsohne gibt Usher, dessen große Schwäche seine moralische Flexibiltät ist, die auch rigorose Gewaltanwendung beinhaltet, den interessanteren, weil abgründigeren wie vielschichtigeren der beiden Männer ab. Er würde sicher gern die lichten Eigenschaften seines Gegners besitzen, das gibt er permanent zu verstehen, vermag aber am Ende bloß seine eigene, einseitige Weltsicht zu bedienen.
9/10
#1192
Geschrieben 02. Mai 2008, 09:24
Mogambo ~ USA 1953
Directed By: John Ford
Großwildjäger Marswell (Clark Gable) pflegt im Kongo eine lässige Existenz, neben seinem Job als internationaler Zoobelieferer veranstaltet er Safaris für Hausgäste. Aktuell beherbergt er die Tingeltangel-Sängerin Honeybear Kelly (Ava Gardner) sowie das Ehepaar Nordley (Donald Sinden, Grace Kelly), erstere eher unfreiwillig. Eine längere Expedition führt die kleine Gruppe ins Gebiet der Gorillas, in dem Nordley anthropologischen Forschungen nachgehen möchte. Marswell, der sich in Mrs. Nordley verguckt hat, plant, ihrem Ehemann die Wahrheit zu sagen, während Kelly die amourösen Entwicklungen um ihren heimlichen Schwarm missmutig beäugt.
Ford selbst hat einmal zugegeben, dass er zu dieser Auftragsarbeit für MGM keinerlei persönliche Beziehung hegte. Als reiner Unterhaltungsfilm ist "Mogambo", dafür bürgt selbst noch ein semi-interessierter Regisseur dieses Kalibers, dennoch durchweg goutierbar. Er entbehrt einzig der weiteren Faktoren, derer man bei Ford sonst versichert sein kann: Prägnanz und Widerhaken in der Anlage der Charaktere, ein existenzielles Echo vor wie hinter der Leinwand und ganz besonders jener tüchtige Schuss Epik, der seine großen Western und Familiendramen üblicherweise kenn- und auszeichnet. "Mogambo" ist ein Film der Farben und Schauwerte, mit viel Schmalz und verführerischem Schlafzimmerblick. Gable konnte seinen soeben im Sinken begriffenen Stern wieder emporhieven und lehnte jedes weitere Angebot des produzierenden Studios in Bezug auf eine Vertragsverlängerung ab, nachdem er dort zuvor recht unsanft vor die Tür gesetzt worden war. Grace Kelly ist die vermutlich schönste Frau, die je in Hollywood tätig war, während ihre dunkelhaarige Gegenspielerin, die Gardner, eher die ruchlose, schlampige Seite der Weiblichkeit verkörpert und damit mindestens ebenso viele harte Herzen weichkocht. Zudem dürften die Beteiligten - auch das gehörte ehedem quasi zum guten Ton der großen Studios - ihren bezahlten Urlaub in exotischen Gefilden sehr genossen haben.
Allerdings: "Hatari" ist um ein Vielfaches besser.
7/10
#1193
Geschrieben 03. Mai 2008, 14:02
Squadra Antigangsters (Ein Superbulle gegen Amerika) ~ I 1979
Directed By: Bruno Corbucci
Des Polizistendaseins angeblich müde, kommt Nico Giraldi (bzw. Tony Marroni, Tomas Milian) nach New York. Dort begegnet er seinem alten Kumpel Salvatore (Enzo Cannavale), der bei dem Gangster Cardone (Gianni Musi) wegen unbezahlter Rechnungen in der Kreide steht. Ehrensache für Nico, dem Freund zu helfen, und so spielt er kurzerhand die Ostküstenköpfe der US-Cosa-Nostra gegeneinander aus, dabei eine mannstolle Mafioso-Tochter (Margherita Fumero) auf den Fersen, aber dennoch stets die Oberhand behaltend.
Der sechste der insgesamt elf Teile umfassenden Reihe um den ehemaligen Kleinganoven und späteren Gammelpolizisten Nico Giraldi (aus dem Rainer Brandt ab dem dritten Teil den populäreren 'Superbullen' aka Tony Marroni machte, später wurde aus ihm dann noch das 'Schlitzohr'). "Squadra Antigangsters" war entgegen der eigentlichen Chronologie der erste Film, der unter dem neuen "Label" in die deutschen Kinos kam (die weiteren folgten in etwa monatlichen Abständen) und den hiesigen Zuschauer sogleich mit dem vertraut machte, was Brandt dem Publikum üblicherweise ohnehin zumutete: Der vom Filmdienst so gern gerügte "Berliner Kneipenjargon" schlägt hier einmal mehr voll durch, sicher noch ein bisschen rüder als aus den Spencer-Hill-Filmen bekannt. Nebenbei gibt es noch weitere Parallelen, etwa den Plattfuß-Kollegen Enzo Cannavale bzw. Caputo in einem ganz ähnlich angelegten Part.
Wie dem auch sei, Marroni hat die wahre Sprachdrastik: Ostasiaten müssen sich als "Schlitzaugen" titulieren lassen und korpulentere Zeitgenossen werden zur "fetten Qualle", ganz abgesehen von dem sonstigen Nonsens-Feuerwerk, das Brandt seinem Spezi Thomas Danneberg in den Mund legt. Sergio Corbuccis Sohn Bruno war für sämtliche Giraldi-/Marroni-Filme als Autor verantwortlich und wusste wohl ziemlich genau, dass nördlich der Alpen ein ganz besonderer Absatzmarkt auf seine Kalauertüten wartete, weswegen spätere Abenteuer dann sogleich lokal in der BRD angesiedelt wurden. Einigen Menschen in meinem Alter dürfte die Serie noch besonders deshalb geläufig sein, weil RTL Plus sie gegen Ende der 80er zur zweiten (Fernseh-) Blüte brachte, womit sie prompt zum Leibobjekt einer weiteren Publikumsgeneration avancierte.
Aktuell bringt ein deutsches Label die "Squadra (bzw. Delitto)"-Reihe auf DVD heraus und startet, quasi artgerecht, mit diesem besagten ersten deutschen Kino-"Superbullen". Es bleibt zu hoffen, das weitere Releases - und damit Begegnungen nebst Tagebucheinträgen - in naher Zukunft folgen werden. Mich jedenfalls hat das Fieber wieder.
7/10
#1194
Geschrieben 04. Mai 2008, 08:09
Cold Mountain (Unterwegs nach Cold Mountain) ~ USA 2003
Directed By: Anthony Minghella
Die Predigertochter Ada Monroe (Nicole Kidman) kommt mit ihrem Vater (Donald Sutherland) in das kleine Örtchen Cold Mountain in North Carolina. Sie verguckt sich in den edlen jungen Burschen Inman (Jude Law), doch beider Glück ist nur von kürzester Dauer: Die Konföderation verlangt nach Soldatennachschub. Reger Briefkontakt hält die beiden Liebenden zunächst bei der Stange, bis Inman in der Schlacht bei Petersburg schwer verwundet wird. Halbwegs genesen desertiert er und macht sich auf den Heimweg, während Ada zur Vollwaise wird und sich als vormals wohlbehütete Bildungsbürgerin urplötzlich sehr ungewohnten, physischen Aufgabenbereichen gegenübersieht. Bei der harten Bewirtschaftung ihrer kleinen Farm erhält sie dann unerwartete Hilfe von der burschikosen Ruby (Renée Zellweger), derweil der böse Teague (Ray Winstone) von der Heimmiliz Ada Avancen macht und gnadenlos sämtliche Fahnenflüchtige niederschießt.
Immerhin der erste Film von Minghella, der mir alles in allem überdurchschnittlich gut gefallen hat, erscheint "Cold Mountain" dennoch gerade so, als käme er runde 50 Jahre zu spät. Sicher ist der zugrunde liegende Roman kaum älter als der Film, Minghellas bewusst pathetische, offensiv-gefühlsduselige Inszenierung des Sezessionskriegs mitsamt all seinen Front- und Heimalbträumen dürfte jedoch kaum zeitgemäß sein. Seine gleißend schönen Bilder buhlen geradezu um Perfektionsraunen, seine Schlachtenporträts laden zum Stöhnen, seine Frauenschicksale zum Schluchzen ein. Das schafft gegenwärtig sonst nur noch ein Edward Zwick. Unterstützt wird das Ganze von einer Besetzung (mit vornehmlich britischen Namen, denn die Briten - das weiß man längst - sind die hochkarätigeren Akteure), die an Prominenz nichts zu wünschen übrig lässt und an die großen Darstellerlisten früherer Zeiten erinnert.
Schiebt man die Ratio finalmente so weit als möglich beiseite, bleibt allerdings noch immer die Option, sich fallen zu lassen in das pompöse, historische Melodram mit all seinem formalen Reiz und seiner unleugbar betörenden Ästhetik. "Schön" ist "Cold Mountain" dann nämlich doch. Irgendwie.
7/10
#1195
Geschrieben 04. Mai 2008, 16:33
Gone Baby Gone ~ USA 2007
Directed By: Ben Affleck
Patrick Kenzie (Casey Affleck) lebt direkt in einem Bostoner Arbeiterviertel, weil es sich, wie er sagt, für einen Privatdetektiv zieme, in direkter Nähe zu seiner Klientenschaft zu wohnen. Zusammen mit seiner Freundin (Michelle Monaghan) nimmt er von der verstörten Mrs. McCready (Amy Madigan) den publicityträchtigen Auftrag an, ihre kleine Nichte Amanda (Madeline O'Brien) zu suchen, welche seit kurzem verschwunden ist. Amandas Mom (Amy Ryan) führt ein Lotterleben zwischen Alkohol und Drogen und als sich herausstellt, dass sie den Dealer Cheese (Edi Gathegi) um eine größere Geldsumme betrogen haben soll, ist für Kenzie der Fall klar: Cheese muss das Kind entführt haben, um sein sauer Verdientes zurückzupressen. Doch so leicht liegt der Fall keineswegs.
Meine hellseherischen Fähigkeiten sollte ich mir patentieren lassen. Ohne auch nur einen Schimmer vom Plot des Films zu haben, war mir die Auflösung bereits nach wenigen Minuten zumindest zu drei Vierteln sonnenklar. Mag auch nur ein dummer Zufall gewesen sein, auf der Hand liegt jedenfalls, dass die weiteren, spärlichen Qualitäten dieses doch recht twistorientierten Krimis sehr unter der unterminierten Erwartungshaltung zu leiden hatten. Spannend war die ganze Kiste bis auf ein, zwei Momente zwischendrin jedenfalls kaum mehr und ohne den wie immer großartigen Ed Harris hätte "Gone Baby Gone" sicher einiges an Zugkraft eingebüßt. Nun, man darf wohl guten Gewissens festhalten, dass die Weinsteins mit Affleck dem Älteren, einem ihrer liebsten Drittbrüder, wohl einen durchaus fähigen Regisseur herangezogen haben - der Mann macht zumindest einen sehr gediegenen, professionellen Job.
Das weitverzweigte Hinarbeiten auf das große moralische Protagonistendilemma am Ende übertönt da leider eine Menge anderer potenziell aufmerksamkeitsbedürftiger Aspekte.
6/10
#1196
Geschrieben 05. Mai 2008, 06:20
Comanche Station (Einer gibt nicht auf) ~ USA 1960
Directed By: Budd Boetticher
Cody (Randolph Scott) löst die von Komantschen entführte Nancy Lowe (Nancy Gates) nach ein paar Verhandlungen aus der Gewalt der Kidnapper. Ihr Ehemann hat eine Belohnung von 5000 Dollar ausgeschrieben. Dieser jagen auch Ben Lane (Claude Akins) und seine beiden Kompagnons Frank (Skip Homeier) und Dobie (Richard Dust) nach, die Cody neiderfüllt in Augenschein nehmen, als er ihnen an der verlassenen Comanche Station begegnet. Der anschließende Ritt nach Lordsburg wird zur Zerreißprobe für alle Beteiligten, denn nicht nur die Indianer wandeln wegen ein paar weißer Skalpjäger auf dem Kriegspfad, auch Cody und Lane, die sich bereits länger kennen, umkreisen sich wie zwei Tiger in Lauerstellung.
Der letzte von Boetticher inszenierte Ranown-Film ist wieder ein Musterbeispiel für den schnörkellosen Western aus der zweiten Reihe, der dort eigentlich überhaupt nicht hingehört. Ihr gemeines B-Renommee bezieht die kleine Serie sicher lediglich aus den Tatsachen, dass die Filme mit wenigen Handlungsschauplätzen sowie ohne Stars auskommen und dass sie selten die 75-Minuten-Grenze überschreiten. Davon jedoch sollte sich niemand beirren lassen; wie die anderen Werke ist "Comanche Station" ein Musterbeispiel für den Aufbau innerer Spannung, für Präzision und psychologisches Raffinement im Westerngenre. Akins, der kurz zuvor schon in "Rio Bravo" sein süffisantes Grinsen zur Schau stellen durfte, liefert als Scotts Konkurrent ein weiteres Beispiel für die für Boetticher obligatorische Antagonisten-Konstellation: Weder ist er ein nach gängigen Schemata gezeichneter villain, noch hat er allzu viele unsympathische Züge - im Gegenteil stellt sich im Laufe der Story heraus, dass er für bestimmte Verdachtsmomente überhaupt nicht verantwortlich zu machen ist.
"Comanche Station" bedürfte einer dringend fälligenen Revision, um endlich den Status zugesprochen zu bekommen, der ihm wahrhaft entspricht!
9/10
#1197
Geschrieben 07. Mai 2008, 13:28
A Time To love And A Time To Die (Zeit zu leben, Zeit zu sterben) ~ USA 1958
Directed By: Douglas Sirk
1944 an der Ostfront: Landser Graeber (John Gavin) erhält drei Wochen Heimurlaub. Seine Eltern in der fast vollkommen zertrümmerten Heimatstadt zu finden, erweist sich angesichts der chaotischen Verhältnisse als fast unmöglich. Unter anderem sucht er bei seinem früheren Hausarzt Kruse nach Antworten, findet in dessen Haus jedoch nurmehr seine systemkritische Tochter Elsa (Liselotte Pulver) vor. Kruse selbst ist Inhaftierter in einem KZ. Graeber und Elsa verlieben sich ineinander und heiraten Hals über Kopf, überschattet von dauerndem Fliegeralarm, einer mehr und mehr zerbombten Wohnkulisse und dem drängelnden Terror der Gestapo - drei Wochen, die für ein ganzes Leben reichen müssen.
Sirks Meisterwerk, das Musterbeispiel einer gelungenen Literaturadaption. Remarques tragischer Roman um die Unmöglichkeit und gleichermaßen gesteigerte Intensität einer Liebesbeziehung vor Kriegshintergrund scheint wie für die Kunst des Regisseurs ersonnen; seine edlen Scope-Bilder, die völlig ohne expressive Gefechtseindrücke auskommen, verfehlen auch auf der Basis absoluter ästhetischer Integrität nicht ihre intendierte Wirkung. Gerade die Tatsache, dass der Krieg als katastrophalste aller inhumanen Erfindungen bereits ausreicht, um die Existenzen zweier Menschen zur Hölle zu machen, verleiht dem Film seine Nachhaltigkeit. Die bittere Ironie, dass Graeber seine Frau unter anderen, friedlichen Umständen womöglich nie kennengelernt hätte, erspart sich Remarques Roman dabei ebensowenig wie die unvermeidliche De-Klassifizierung der deutschen Führungsgarde: Gauleiter und SS-Offiziere werden zu ehemaligen Sitzenbleibern, die sich in ihrer jetzigen Position an ihren Geschichtslehrern rächen können bzw. zu Psychopathen zwischen Pianospiel und Exekutionskommando. Gleichermaßen als faszinierendes Zerrbild wie als Bestandsaufnahme von Geltung, ist die Tatsache, dass die kreativen Köpfe hinter dem Studio-Projekt (Universal) in der Hauptsache deutschstämmig sind, besonders aufwühlend. Ein großer, bedeutsamer Film.
10/10
#1198
Geschrieben 08. Mai 2008, 15:07
Jekyll And Hyde ... Together Again (Jekyll und Hyde - Die schärfste Verwandlung aller Zeiten) ~ USA 1982
Directed By: Jerry Belson
Dr. Daniel Jekyll (Mark Blanfield) ist zwar ein brillanter Chirurg, will sein Hauptmetier jedoch am liebsten der Vergangenheit überantworten - mittels eines selbstgebrauten weißen Pülverchens, das sämtliche Eingriffe überflüssig machen soll. Als er das Zeug durch einen blöden Zufall selbst schnieft, verwandelt er sich den dauererrigierten Punk Hyde, der zwar nicht ganz so brutal unterwegs ist wie sein literarisches Spiegelbild, dennoch aber als ausgesprochener Rüpel durchgeht. Hyde hat nichts anderes im Kopf, als die Hure Ivy (Krista Errickson) ranzunehmen, während Jekyll gegenüber seiner Braut (Bess Armstrong) zum leibhaftigen schlechten Gewissen wird.
Im Fahrwasser der ersten, erfolgreichen ZAZ-Filme entstand diese ziemlich fertige drug comedy, die Kokain, dem Rauschmittel der egomanischen Achtziger ein buchstäblich albern(d)es Mahnmal setzt. Blankfield rastet förmlich aus, wenn er als stressgeplagter Arzt durch sein bescheuertes Spital stiefelt oder sich wahlweise als stachelhaariges Schneemonster durch die Gegend bewegt. Zugegeben - nicht alle Gags sind durch die Bank gelungen, aber jene, die zum Lachen anregen, tun das mit Nachdruck. Denkwürdig etwa der Moment, in dem Jekyll sich zum ersten Mal in Hyde verwandelt und v.a. wie er das tut: Goldzahn, Kettchen und Ringe schälen sich einfach aus der Haut, ebenso wie der schmierige Schnorres des Mr. H.. Oder der erste "Morgen danach": Jekyll erblickt erstaunt die zahlreichen Stimulanzien, die er des nachts zuvor an Land gezogen hat - darunter ein quietschlebendiges Schaf. Gegen Ende - Hyde reist auf(!) dem Dach eines Flugzeugs über den Atlantik und führt danach eine völlig unmotivierte Musical-Nummer auf - lauert dann des Wansinns letzter Schluss. Da kann ein Robert Louis Stevenson ja nicht anders, als skelettiert im eigenen Grabe zu rotieren ...
7/10
#1199
Geschrieben 09. Mai 2008, 06:19
From Hell ~ USA 2001
Directed By: Albert Hughes / Allen Hughes
1888 schlägt der selbsternannte Jack The Ripper mehrfach im Londoner Slumviertel Whitechapel zu. Seine Opfer sind allesamt Prostituierte, die zudem untereinander gut bekannt sind. Der ermittelnde Inspektor Abberline (Johnny Depp) von Scotland Yard genießt einen exaltierten Ruf als Medium und Opiumraucher. Dennoch sind seine Untersuchungen immens effektiv und führen ihn geradewegs zum Königshaus und zu einer Freimaurerloge.
Alan Moores gewaltige, zehnteilige graphic novel auch nur halbwegs adäquat in einen Studiofilm zu verwandeln, ist unmöglich. Daher ist dessen Titel auch beinahe unpassend gewählt. Comic wie Film basieren nämlich gleichermaßen auf dem investigativen Buch von Stephen Knight ("Jack The Ripper: The Final Solution"), dessen Ausführungen unter Historikern als nicht unwahrscheinlich gelten. Knight erachtete die wahre Identität Jack The Rippers als Beweis für eine bis in höchste Adelskreise reichende Verschwörung. Der Film der Hughes Brothers allerdings beweist nur in einer Beziehung Brillanz: Die Photographie ist atemberaubend. Man muss aber sogleich hinzusetzen, dass das London vor der vorletzten Jahrhundertwende - und "Ripper"-Filme gibt es, neben anderen viktorianischen Schauerdramen - ja nun nicht eben wenige - selten so antiseptisch auf der Leinwand wirkte. Heather Grahams arme Hure Mary Kelly ist nicht nur viel zu hübsch, sie ist klinisch rein. Als Unterstützung der These, dass ihr wahrer Charakter ein besonders edler ist, soll das meinethalben so sein; doch auch der ganze ausstatterische Rest verströmt keinerlei imaginären Gestank. Johnny Depp, obschon wie für diese Rolle gemacht (oder umgekehrt), ist viel zu jung für seinen Part. So sind es einmal mehr die Briten, Coltrane und Holm, die für den wahren darstellerischen Glanz sorgen.
Als mäßig spannender und eben prachtvoll aussehender Thriller ist "From Hell" durchaus passabel, als Literaturverfilmung und period piece jedoch ist er misslungen.
6/10
#1200
Geschrieben 10. Mai 2008, 08:30
Le Thé Au Harem D'Archimède (Tee im Harem des Archimedes) ~ F 1985
Directed By: Mehdi Charef
Die beiden Jugendlichen Madjid (Kader Boukhanef) und Pat (Rémi Martin) leben ein trost- und perspektivenloses Leben in einer Pariser Banlieue. Sie verschwänzen den lieben langen, grauen Tag mit kleinen kriminellen Aktionen, gelegentlichem Suff und ein bisschen freiem Sex, stets im vollen Bewusstsein, nur für den Moment zu existieren, denn eine gesicherte Zukunft ist reine Illusion.
Nach seinem eigenen Roman verfilmte der gebürtige Algerier Charef dieses ergreifende Sozialdrama, zudem eine der aufrichtigsten und wichtigsten Arbeiten über Teenager aus den Achtzigern. Nicht nur um die dumpfe Tristesse und Ausweglosigkeit der Klebstoff schnüffelnden Generation Leckt-Uns aus der Trabanten-Vorstadt geht es Charef, sondern auch um den Identitätsverlust der Auswanderer aus den ehemaligen Kolonien. Madjids Mutter (Saïda Bekkouche), eine ausnehmend tüchtige und resolute Frau, bemüht sich um jeden Preis, ihre Familie der Geistesabwesenheit ihres Ehemannes (Brahim Ghenaim) zum Trotze zusammenzuhalten und ihren Sohn im traditionellen Sinne der Heimat großzuziehen. Von Allah hat Madjid jedoch ebenso keinen Schimmer wie von der arabischen Sprache oder der konsequenten Suche nach einem festen Ausbildungsplatz. Sein bester Freund Pat, beinahe stolz auf seinen Analphabetismus, nimmt Tragik und Tücken des Alltags als frecher Zyniker. Dabei ist sein Leben mindestens ebenso dem Nihilismus ausgeliefert wie das Madjids.
Klassiker, Klassefilm.
9/10
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