In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1231
Geschrieben 03. Juni 2008, 06:24
Control ~ UK 2007
Directed By: Anton Corbijn
Ian Curtis (Sam Riley), sensibler Jugendlicher aus Manchester, wird Sänger der Band Joy Division und verliert sich dann inmitten seiner sich verschlimmernden Epilepsie, dem Hin- und Hergerissensein zwischen Familie (Samantha Morton) und Freundin (Alexandra Maria Lara) und dem unerwarteten Erfolg seiner musikalischen Gehversuche.
Das filmische Porträt des fragilen Menschen und Musikers Curtis, der als eine der maßgebenden Persönlichkeiten der britischen Rockgeschichte in den Orkus eingegangen ist, war im Prinzip bereits überfällig. Der Bandfotograf und Clipregisseur Anton Corbijn schließlich hat sich für seine erste Spielfilmarbeit Curtis' Bio angenommen und ein seiner Reputation gemäß ästhetisch hochglänzendes Werk geschaffen, das den Erwartungen entsprechend wie ein bewegter Bildband ausschaut. Corbijn erforscht die Geometrie der Traurigkeit, seine Bilder sind voller Linien und Symmetrien, dazwischen Rileys Curtis ungeheuer ähnliches, fragendes bis schmerzverzerrtes Gesicht.
Für Connaisseure und Fans hat Corbijn wohl wenig Neues zu erzählen, darauf kommt es aber auch kaum an. Viel wichtiger und letztlich entscheidend ist, dass Ian Curtis endlich ein künstlerisch achtbares Denkmal erhalten hat, das vielleicht noch ein paar weitere Menschen in den Sog seiner bleibenden, minimalistisch-schneidenden Musik zieht. Wenn das jemand verdient hat, dann er.
8/10
#1232
Geschrieben 04. Juni 2008, 14:21
The Train (Der Zug) ~ USA/F/I 1964
Directed By: John Frankenheimer
Oberst von Waldheim (Paul Scofield) hat während seiner Zeit als Besatzer in Paris ein schier unglaubliches Kontingent an namhaften Gemälden gehortet. Im Angesicht der Invasion will er seine Schätze, die unter seinen Vorgesetzten als "entartete Kunst" verschrieen sind, in einem Zug nach Berlin schaffen. Die Bilder werden in Kisten verladen und in Güterwagons untergebracht. Ausgerechnet das Resistance-Mitglied Labiche (Burt Lancaster) soll als Eisenbahner nach den ersten erfolglosen Sabotageakten seiner Mitstreiter die unschätzbar wertvolle Fracht über die Grenze bringen. Labiche, wenig überzeugt von seiner doppelt oktroyierten Mission als Kunstwahrer, lässt sich allerhand einfallen, um den Zug und seine Ladung weder dem Reich noch der drohenden Zerstörung durch Fliegerangriffe anheim fallen zu lassen.
Eine meisterliche Meditation über den existenziellen und ideellen Wert von Kunst bzw. darüber, wie weit der Schutz von Kunstwerken unter lebensbedrohlichen Konditionen überhaupt gehen darf, ohne unverhältnismäßig zu werden. Labiche, ein Proletarier, der von Tyrannei und wie man ihr zu begegnen hat weitaus mehr versteht als vom Impressionismus oder den Nabis, zweifelt von Anfang an an der Sinnhaftigkeit seines aktuellen Auftrags: Dass der Schutz der Bilder mehrere Menschenleben kosten wird, ist gleich zu Anfang unzweifelhaft; dass Labiches beste Freunde während der folgenden Gefechte ihr Leben lassen müssen, ahnt er noch nicht. So wird der Zug irgendwann zum höheren Objekt, zu einem Gegenstand, den es, ganz unabhängig von seinem materiellen Inhalt, vor einer weiteren ungefragten Annexion zu schützen gilt. Frankenheimer fängt dieses vor allem humanistische Drama in knackigen Schwarzweiß-Bildern ein, die Gesichter mitsamt Dreck und Schweiß in Porentiefe darstellen und spornt den alten ZirkusakrobatenLancaster zu beeindruckenden physischen Höchstleistungen an.
Weltkino.
9/10
#1233
Geschrieben 05. Juni 2008, 07:11
Ace In The Hole (Reporter des Satans) ~ USA 1951
Directed By: Billy Wilder
Charles 'Chuck' Tatum (Kirk Douglas), von sich selbst über alle Maßen überzeugter Klatschjournalist, landet mit leeren Taschen in Albuquerque und beginnt für die dortige Tageszeitung zu arbeiten. Nach einem Jahr wittert er endlich seine große Chance: Auf dem Weg zu einer Klapperschlangenjagd, über die er berichten soll, erfährt Tatum von einem Schatzsucher namens Leo Minosa (Richard Benedict), der in einem alten Indianergrab verschüttet wurde. Tatum nimmt Kontakt zu dem Eingeklemmten auf, interviewt und fotografiert ihn und macht die Geschichte per Leitartikel zum Tagesgespräch. Bald greift eine beispiellose Massenhysterie um sich, die Minosa in seinem Loch zum unfreiwilligen Helden deklariert. Tatum sorgt derweil dafür, dass seine "Entdeckung" nicht ganz so schnell gerettet wird ...
Wilders gallige Mediensatire, ein Gegenentwurf zu allen filmischen Plädoyers pro Pressefreiheit, ist Erzählkino in höchster Vollendung. Seine thematische Daueraktualität, die bisweilen fast prophetisch anmutet, wird ergänzt durch das pointierte Dialogbuch und die brillante Photographie Charles Langs, die jenes kleine Nest in New Mexico zu einem bizarren, karnevalesken Höllenschlund voller überkandidelter Gaffer und Katastrophentouristen werden lässt. Kirk Douglas liefert als egomanischer Schreiberling eine der besten Vorstellungen seines Lebens, vielleicht sogar seine persönliche Schaffenskrone. Für Charles Tatum bedient er eine riesige Bandbreite an inneren Zuständen - seine Mimik spiegelt von der absoluten Selbstsicherheit über dämonischen Opportunismus bis hin zur Erkenntnis absoluter Schuld Tatums komplettes, widersprüchliches Wesen.
Wilder befindet sich hier bereits auf dem Höhepunkt seiner Könnerschaft. Die emotionale und intellelektuelle Intensität seiner Arbeit hat bis heute keinen Deut eingebüßt und zählt in ihrer Perfektion zum Größten des amerikanischen Kinos überhaupt.
10/10
#1234
Geschrieben 06. Juni 2008, 07:08
Dolores Claiborne ~ USA 1995
Directed By: Taylor Hackford
Selena St. George (Jennifer Jason Leigh) erfährt nach 15 Jahren als Journalistin in New York ohne jeglichen Kontakt zur eigenen Vergangenheit, dass ihre Mutter Dolores (Kathy Bates), die auf einer kleinen Insel vor der Küste von Maine lebt, wegen Mordes vor Gericht steht. Sie soll ihre Arbeitgeberin, die wohlhabende Vera Donovan (Judy Parfitt) umgebracht haben. Selena kehrt zurück zu ihrer Herkunftsstatt, harte Konflikte mit Dolores und mit sich selbst vor der Brust, die insbesondere den 20 Jahre zurückliegenden, mysteriösen Tod ihres Vaters (David Strathairn) thematisieren werden.
Nach dem furchtbar misslungenen, ekelhaftem "Fried Green Tomatoes" neulich hat mich diese thematisch nicht unähnliche King-Verfilmung, zudem wiederum mit Kathy Bates, wieder mit dem traditionellen, amerikanischen Frauen-Kino versöhnt. Hackford ist nämlich ein psychologisch rundum fundiertes Kammerspiel geglückt, das mit großer formaler Finesse überrascht (die Wechsel zwischen der kaltblauen Gegenwart und den farbenfrohen Rückblenden sind sehr ansprechend gestaltet, ebenso die Sonnenfinsternis als dramatische Klimax) und nebenbei noch äußerst spannend anzusehen ist. Hackford steht zudem eine großartige Besetzung zur Verfügung; neben den beiden Haupt-Aktricen wären da besonders Christopher Plummer als obsessiver alter Polizist und David Strathairn als Symbol aller hassenswerten Maskulinität zu nennen. Mann, kann der Kerl eklig sein.
Hatte "Dolores" bei Weitem nicht so spendabel in Erinnerung und wurde einmal mehr darin bestärkt, dass King-Filme des öfteren zum Tagesmenü zählen sollten. Klasse.
9/10
#1235
Geschrieben 06. Juni 2008, 07:29
Fast Times At Ridgemont High (Ich glaub', ich steh' im Wald) ~ USA 1982
Directed By: Amy Heckerling
Das Abschlussjahr der Oberklasse an der Ridgemont High gestaltet sich für viele der Schülerinnen und Schüler als reich an Lebenslektionen.
Nachdem Cameron Crowe bereits als Jugendlicher für einen Journalismus-Posten beim "Rolling Stone" tätig war (die entsprechende Geschichte erzählt "Almost Famous"), kehrte er an die High School zurück, um dort seinen Abschluss nachzuholen. Einige der authentischen Beobachtungen, die er dort, zwei, drei Jahre älter als seine MitschülerInnen, machte, finden sich in "Fast Times", dem Buch und dem Script, wieder.
In den USA genießt der Film als archetypisches Teenager-Portrait einen Status, der ihm bei uns niemals zuteil wurde. Tatsächlich handelt es sich um den Urvater einer langen Ahnenreihe, der sich - zwar mit klamaukigen Untertönen, aber ebensolcher Bemühung um Ernsthaftigkeit - einer gegenwärtigen Generation von Jugendlichen annimmt, ihre Empfindungen, Sehnsüchte und ihr Lebensgefühl widerspiegelt ohne sich dabei mit soziologischem Anstrich passabler zu machen. In Ermangelung des immensen Erfolgs dieses unscheinbaren Werks hätte es später weder die diversen Hughes-Filme noch die etlichen High-School-Komödien gegeben, wie man sicher mit Fug und Recht konstatieren kann. Die WASP-Kids in "Fast Times" interessieren sich vornehmlich für Sex, Dope, coole Autos, Musik und Surfboards, was den ordinären, kalifornischen Teenie zu Beginn der Achtziger recht akkurat nachzeichnen dürfte. Da Crowe der Mastermind hinter alldem ist, kann man mit einem ziemlich hervorragenden Soundtrack rechnen. Schließlich sollte die Besetzung nicht unerwähnt bleiben. Für etliche der damals noch frischen Gesichter bedeutete "Fast Times" ein elementares Karriere-Sprungbrett.
8/10
#1236
Geschrieben 07. Juni 2008, 07:09
Deadlier Than The Male (Heiße Katzen) ~ UK 1967
Directed By: Ralph Thomas
Versicherungsdetektiv Hugh Drummond (Richard Johnson) muss gegen zwei gnadenlose Killerinen (Elke Sommer, Sylvia Koscina) und einen mysteriösen Hintermann (Nigel Green) ins Feld ziehen, die dabei sind, sich die global bedeutendsten Öl-Konzessionen unter den Nagel zu reißen und gegen Wucherpreise zu verkaufen.
Eines von vielen Bond-Plagiaten aus einer schier unübersichtlichen Menge von selbigen. Das unumstößliche Problem dieser Filme liegt zumeist darin, dass sie das große Vorbild bestenfalls ankratzen, nie aber mit ihm gleichziehen können. "Deadlier Than The Male" geht es da nicht anders. Man ahnt, dass technische Gimmicks, mondäne Schauplätze etc. gern zum Einsatz gebracht würden - allein wenn das Budget dies in höherem Maße gestattet hätte. So langt es zumindest für einen flotten Krimi, der in der deutschen Vertonung mit zusätzlichen Flapsigkeiten garniert wurde. Interessant ist noch, dass Richard Johnson, der mir v.a. aus "The Haunting" und "Zombi 2" im Gedächtnis ist, glattrasiert einen erstklassigen James Bond abgegeben hätte. Nach Connerys Weggang damals hätte man sich darüber eigentlich mal Gedanken machen können. Andererseits hat der Gute sich wahrscheinlich mit dem Part des Hugh Drummond (den er noch ein weiteres Mal übernehmen sollte) bereits im Vorfeld disqualifiziert.
6/10
#1237
Geschrieben 07. Juni 2008, 07:39
Soldier (Star Force Soldier) ~ USA 1998
Directed By: Paul W.S. Anderson
2036: Der Soldat Todd (Kurt Russell), der zusammen mit einigen Leidensgenossen von Geburt an einem unbarmherzigen Trainings- und Ausbildungsprogramm unterzogen wurde, lebt eine Existenz für den Krieg. Ohne jedwede menschliche Freuden genießen zu können, wird er, einer Maschine gleich, einzig für Konfliktsituationen aktiviert und verharrt ansonsten im Ruhezustand. Als er gegen einen Soldaten (Jason Scott Lee) einer jüngeren Generation im Zweikampf versagt, wird er auf einem Müllplaneten "entsorgt". Dort macht er dann die Bekanntschaft einiger Aussiedler, die sich auf dem unwirtlichen Fleckchen eine neue Existenz aufgebaut haben. Dem schweigsamen, aggressiven und schwer traumatisierten Todd begnet man mit Argwohn uns schmeißt ihn schließlich aus der Kolonie heraus - bis der ganze Planet vom Militär unter die Lupe genommen wird. Sämtliche Siedler werden als Feinde eingestuft und sollen eliminiert werden. Jetzt schlägt Todds große Stunde.
Der "Shane"-Mythos verfolgt mich noch immer. "Soldier" allerdings ist hart daran, durch seinen unfreiwilligen Humor als Lachschlager zu enden. Die meta-inhaltliche Prämisse gestattet auch kaum etwas anderes. Nachdem der Film geradezu dafür (und davon) lebt, die inhumanen Verfahrensweisen der zukünftigen Militärs darzustellen und zu beschreiben, was für eine arme Sau Todd eigentlich ist, wird er am Ende zum gloriosen Heilsbringer stilisiert, indem er seine Existenzberechtigung wiederfindet und diesmal für edle Zwecke nutzen kann. Dass dafür David Webb Peoples, der einmal das Script für "Blade Runner" co-verfasst hat, verantworlich zeichnet, erscheint mehr als bizarr.
Bringt man es jedenfalls zustande, über diese verhängnisvollen Widersprüchlichkeiten hinwegzusehen, reduziert sich das Ganze auf ein inszenatorisch durchaus versiertes action piece rauer Machart mit guter Effektarbeit, das eindrucksvoll vor Augen führt, warum der deutlich deftigere "Starship Troopers" ein Jahr zuvor ohne Zensurauflagen ins Kino gebracht werden konnte und im vorliegenden Fall die Schere angesetzt werden musste: "Soldier" gibt sich als harter, dystopischer Kriegsfilm völlig ironiefrei. Neben einigen wenigen, dramaturgisch ausgesprochen gelungenen Momenten läuft unser Soldat aber zuweilen frontal gegen die Wand.
Vermutlich kein guter Film zum Bier, da man leicht angesäuselt auf die unwirsche Idee kommen könnte, ihn als reine Comedy zu begreifen und ihm damit womöglich Unrecht täte.
5/10
#1238
Geschrieben 07. Juni 2008, 19:58
Indiana Jones And The Kingdom Of The Crystal Skull (Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels) ~ USA 2008
Directed By: Steven Spielberg
1957 gerät der mittlerweile etwas betagte Archäologe Indiana Jones (Harrison Ford) mitten in den Kalten Krieg: Wie er von einem eitlen Halbstarken (Shia LaBeouf) erfährt, war dessen väterlicher Freund und ehemaliger Kommilitone Indys, Henry Oxley (John Hurt), im Amazonasgebiet auf der Spur eines der geheimnisvollen Kristallschädel, als er plötzlich verschwand. Bald erweist sich eine spitzfindige Abordnung des KGB unter der Leitung der martialischen Irina Spalko (Cate Blanchett) als ebenso dicht auf den Fersen des Geheimnisses wie Indy und sein junger Partner. Hinzu kommt, dass sich hinter den vorgeblichen Ammenmärchen um den Kristallschädel offenbar eine unfassbare Wahrheit verbirgt.
Indy goes von Däniken? Von mir aus gern, wenn dabei eine so umfassend erquickliche Fortsetzung herauskommt, wie ich sie eben gesehen habe. Dass Spielberg ein Faible für Begegnungen der dritten Art hegt, ist längst bekannt und somit war das Gipfeltreffen des alten Pulphelden mit "interdimensionalen Wesen" (O.-Ton John Hurt) eigentlich längst überfällig. Angesichts der Tatsachen, dass Jones jr. es bereits mit einem 1000 Jahre alten Gralsritter, einem Sikh mit magischen Kräften und der Macht Gottes itself zu tun hatte, sind die Eierköpfe from outer space auch nicht weiter spekulativ. Ansonsten gibt es keine Gründe, sich mit "Indy 4" nicht anzufreunden. Wenn jemand die ehemalige Trilogie wirklich liebgewonnen hat, sollte er auch mit der aktuellen Fortsetzung glücklich sein, denn die Rezeptur ist so reibungslos geblieben, wie sie es seit eh und je war. Spielbergs Qualitäten als Dirigent so halsbrecherischer wie augenzwinkernder Abenteuer- und Actionsequenzen haben keinen Deut nachgelassen und das Beste: Harrison Ford - ich habe es immer gehofft, aber nie richtig glauben wollen - ist nicht zu alt. Der Film reiht sich inszenatorisch wie atmosphärisch so gut wie nahtlos in die wohlbekannte Parallel-Realität der bisherigen "Indiana Jones" - Reihe ein, weist vergleichbare zwangsaktualisierte Serienfiguren wie etwa James Bond in die Schranken und zeigt all dem jungen Gemüse auf, vor und natürlich hinter der Leinwand, wie patentes Unterhaltungskino auszusehen hat. Wunderbar.
9/10
#1239
Geschrieben 08. Juni 2008, 07:19
52 Pick-Up ~ USA 1986
Directed By: John Frankenheimer
Der gesetzte Unternehmer Harry Mitchell (Roy Scheider) bereut seinen Seitensprung mit einer 22-Jährigen (Kelly Preston) gar fürchterlich: Drei Gangster (John Glover, Clarence Williams III, Robert Trebor) versuchen, ihn mit kompromittierenden Videoaufnahmen zu erpressen. Mitchell beichtet seiner Frau (Ann-Margret) schweren Herzens die Wahrheit und weigert sich, auf die Forderungen der Ganoven einzugehen. Dann greift man zu härteren Bandagen - doch nicht nur auf der Seite der Kriminellen ...
Frankenheimers spezielles Talent lag darin, ein so hohes Empathiemaß für sein jeweiliges Sujet aufzubringen, dass sich Stil und Inhalt stets zu einer Einheit fügten, ganz unabhängig von dem vorgeblichen "Niveau" des Stoffes. Daher kann man ihm zwar ungeheure Professionalität unterstellen, im Gegensatz zu anderen Filmemachern ähnlichen Ranges aber nur wenig Wedererkennungswert ausmachen. "52 Pick-Up", ein Cannon-Produkt, wird gemäß seiner Herkunft gern als Sleaze oder "dreckiger B-Krimi" abgetan. Mir scheint diese Kategorisierung angesichts ihres Regisseurs etwas zu banal. Vieles spricht dafür, dass Frankenheimer genau um den muffig-trivialen Gehalt der Vorlage wusste, die von ihrem Autor (Elmore Leonard) dann auch gleich leinwandkompatibel umgestaltet wurde. Die Niederungen des Prostituierten-Biz und der Pornografie bieten jedenfalls Anregungen genug. Es scheint, als ahnte der Regisseur recht sicher, dass sein Publikum aus größenteils unbedarften Normalverbrauchern bestehen würde und so schmiert er diesem mit breiter Vorliebe den symbolischen Schmutz der Erotikmafias um den sabbernden Mund. Das erscheint heute keinesfalls mehr so skandalös wie vor 20 Jahren, bot aber seinerzeit augenscheinlich genügend Gründe für höchste Altersfreigaben allerorten. Eine so hilflose wie spannende Rezeptionsgeschichte findet man sicher nicht allzu oft.
7/10
#1240
Geschrieben 09. Juni 2008, 06:19
Khartoum ~ UK 1966
Directed By: Basil Dearden
Nachdem der Mahdi (Laurence Olivier) die Armee von Colonel Hicks (Edward Underdown) vernichtend geschlagen hat, schickt der Premierminister (Ralph Richardson) den Sudan-Erfahrenen General Gordon (Charlton Heston) nach Khartum, um die Stadt zu halten und sich ein militärisches Wunder einfallen zu lassen. Tatsächlich dient die Entsendung des Generals nur der Wahrung von Britanniens internationalem Renommee. Gordon erhält keine weitere Unterstützung gegen den Mahdi, das eigenmächtige Eingreifen General Wolseleys (Nigel Green), der mit seiner Armee in Ägypten ausharrt, kommt 2 Tage zu spät. Zwar verteidigt Gordon Pascha, wie die Einheimischen ihn nennen, die Stadt tapfer und bis auf den letzten Mann, hat in letzter Konsequenz aber keine Chance gegen die Übermacht.
Ein typisches, breitwandiges Kolonialpamphlet, wie sie die Engländer in den Sechzigern gern anfertigten, als Requiem auf alte Commonwealth-Träume sozusagen. Das Ganze gerät zum unkritischen Heldenporträt eines idealistischen Weißen, der sich in einer Region, in der er eigentlich nichts zu suchen hat, als Halbgott feiern lässt und seinem Antagonisten damit zunehmend ähnelt. Für einen solchen Typ Geschichtsheroisierung war Heston genau der Richtige und so spielt er den Gordon Pascha mit der ihm eigenen Inbrunst, inmitten von einer durchweg angemessenen britischen Besetzung.
Abgesehen von ein paar zu vernachlässigenden Schwächen in der Ausführung (in der Wüste angesiedelte Schlachtentableaus sollten nicht unbedingt Gebrauch von Rückprojektionen machen, das bremst) ein farbenprächtiges Weltpolizei-Abenteuer, das man angesichts seiner pompösen Erscheinung mit einem zugedrückten Auge sehr genießen kann.
7/10
#1241
Geschrieben 09. Juni 2008, 14:29
A Foreign Affair (Eine auswärtige Affäre) ~ USA 1948
Directed By: Billy Wilder
Um die moralische Festigkeit der Besatzungstruppen im amerikanischen Sektor zu überprüfen, kommt die gestrenge Kongressabgeordnete Phobe Frost (Jean Arthur) aus Iowa in das zerbombte Berlin der Nachkriegstage. Sie macht die Bekanntschaft des filouhaften Captains Pringle (John Lund), der eine Affäre mit der Nachtclubsängerin Erika (Marlene Dietrich) unterhält. Diese hatte während des Reichs Verbindungen zu hohen Parteimitgliedern und daher ist Pringle besorgt, Miss Frost könnte seine etwas pikante amour fou aufdecken. Um Phoebe abzulenken beginnt er, sie zu umgarnen und kennt sich in seinem baldigen Gefühlschaos selbst kaum noch aus. Hinzu kommt, dass Erikas früherer Liebhaber, der Ex-Gestapo-Offizier Birgel (Peter von Zerneck), krankhaft eifersüchtig ist ...
Lange vor "One Two Three" kehrte Wilder bereits zu seiner früheren Wirkungsstätte Berlin zurück und unterzog die Trümmer der Weltstadt einem ebenso wehmütigen wie komischen Blick. Wilder fand ein, wenn auch bitteres, Fünkchen Humor in jeder noch so verfahrenen Situation. Daher ist der Humor - neben der Liebe - sein Lebensindikator Nummer Eins und daher glimmt das Herz des für einen Moment toten Berlin bereits wieder in frivoler Regsamkeit. Das Leben bahnt sich seinen Weg - ob auf dem Schwarzmarkt, in zwielichtigen Spelunken, oder in Form liebestoller G.I.s, die per Tandem all den hübschen deutschen "Fraulein" hinterhergondeln. Und die Dietrich singt jetzt anglais.
Zusammen mit dem weichherzigen Colonel Plummer (Millard Mitchell) unternimmt der Zuschauer eine Sightseeing-Tour durch die zerstörte Metropole und bekommt jeweils zu Gesicht, was mal hier oder dort stand - die Frage danach, ob diese rigorose Form der Destruktion nötig war, beantwortet Wilder nicht, man ahnt aber, dass er die eine oder andere Straßkreuzung lieber unversehrt vorgefunden hätte. Hätte anstelle von John Lund ein etwas großformatigerer Darsteller wie etwa Cary Grant die männliche Hauptrolle übernommen, es gäbe keinerlei Anlass zu Kritik an "A Foreign Affair". Lund aber ist mir eine winzige Spur zu unsympathisch. Nun, da die ausführende Hand zu Billy Wilder gehörte, bleibt dieser Punkt Marginalie.
9/10
#1242
Geschrieben 10. Juni 2008, 17:02
The Birdman Of Alcatraz (Der Gefangene von Alcatraz) ~ USA 1962
Directed By: John Frankenheimer
Robert Stroud (Burt Lancaster) landet wegen Mordes in Leavenworth. Als er dort bei einem Gerangel noch einen Aufseher niedersticht, hat er jede Möglichkeit auf Freiheit verwirkt. Fortan fristet er sein Leben hinter Gittern, in Einzelhaft noch dazu, und beginnt irgendwann, sich der Ornithologie zu widmen. Seine langjährigen Studien machen ihn schließlich zu einer wissenschaftlichen Autorität und ändern nach und nach auch sein inneres Wesen, dennoch wird er wegen seiner recht aufmüpfigen Aktionen, die vermehrten Kontakt zur Außenwelt mit sich bringen, irgendwann nach Alcatraz abgeschoben. Selbst als alter Mann hat er keine Chance, dass jedwede Gnadengesuche Gehör finden.
Frankenheimers Film liefert das eindrucksvolle Porträt der Wandlung eines Menschen vom Gewaltverbrecher zum Bildungsbürger und Menschenrechtsplädierer, wiederum intensiv von Lancaster interpretiert. "Birdman" strahlt eine gleichförmige, fast meditative Ruhe aus, die trotz seines bitteren Themas und obwohl er in letzter Konsequenz sehr ergreifend ist, nie in Melodramatik abgleitet oder sonstwie auf die Tränendrüse drückt und die trotz der thematisch bedingten Beschränkung auf ganz wenige settings zu keiner Sekunde durchhängt.
Ein stiller, sehr lebensaffiner Film, auch von hoher ästhetischer Wertigkeit, der das Knast-Genre um einen intellektuell tragfähigen Beitrag bereicherte.
10/10
#1243
Geschrieben 11. Juni 2008, 06:25
Find Me Guilty ~ USA 2006
Directed By: Sidney Lumet
In den 90er Jahren setzt Rudolph Giuliani einen beispiellosen Justiz-Feldzug gegen das organisierte Verbrechen in Gang. Unter anderem werden gleich 20 Mitglieder zweier berüchtigter Familien aus New Jersey vor Gericht gestellt. Einer der Angeklagten ist Jackie DiNorscio (Vin Diesel), der, frustriert von den vormals misslungenen Diensten seines Anwalts, beim aktuellen Prozess seine Verteidigung selbst übernimmt. In der rund zwei Jahre andauernden Verhandlung entpuppt sich DiNorscio als zwar häufig grobklotziger, nichtsdestotrotz aber gewiefter Laienadvokat.
Altersweise Fingerübung von Lumet, die mit sanftem Humor Giulianis erzrepublikanische "Zero Tolerance"-Politik aufs Korn nimmt und Prozesse wie den dargestellten in erster Linie als Belastung für den Geldbeutel des New Yorker Steuerzahlers denunziert. Hauptattraktion ist natürlich Vin Diesel, der glaubwürdig unter Beweis stellt, dass er zu mehr in der Lage ist als glatzköpfige Proleten zu verkörpern. Zwar ist "sein" Jackie DiNorscio auch nicht eben ein Intellektueller, die selbstironische Darstellung Diesels aber ist sehr nuanciert und überrascht durch zahlreiche stille Augenblicke. Gegen seinen Kollegen Peter Dinklage als kleinwüchsigen Anwalt kommt er allerdings nicht an.
Was Lumet anbelangt, so kann man mit ihm größter Bewunderung attestieren, dass er trotz (oder gerade wegen) seines Alters deutlich hellsichtiger ist und inszeniert als zahlreiche vermeintlich frischere Kollegen. Eine fünfzig Jahre währende Fachkompetenz lässt sich eben nicht so ohne Weiteres in den Ruhestand versetzen. Dennoch kann selbst eine Koryphäe wie er offenbar nicht umhin, all die altbekannten Italiener-Klischees zu beleben. Nun, Anlass zu massig Gags bieten diese immer noch, es sei also.
7/10
#1244
Geschrieben 12. Juni 2008, 07:37
Hundra ~ USA/E 1983
Directed By: Matt Cimber
In einer archaischen Männerwelt hat es die Amazone Hundra (Laurene Landon) nicht leicht, ihrem Schicksal zu folgen, nachdem ihr Heimatdorf von einer Horde Stierkult-Krieger niedergestampft wurde. Hundra soll, auch wenn es ihr gar nicht gefällt, nämlich als Letzte ihres Volkes ein Kind empfangen. Der erste Versuch, sich einen Vater in spe zu angeln, geht katastrophal daneben. Schließlich landet Hundra in der Feste des Stierkult-Chefs (Ramiro Oliveros), wo sie den schnieken Heiler Nepakin (Cihangir Gaffari) trifft und sich außerdem endlich an ihren Erzfeinden rächen kann.
Cimber ist schon ein ausgesprochen frecher Zeitgenosse, zumindest sucht die Dreistigkeit, mit der er ganze Einstellungen nebst Erzählstimme aus "Conan The Barbarian" abkupfert und in sein wildes Trash-Spektakel einfließen lässt, ihres Gleichen. Nachdem die Italiener schon mit Milius gleichzogen und ihre Plagiate schneller aus dem Boden stampften, als Arnie das Schwert schwingen konnte, hatten die "Hundra"-Ersinner zumindest den gloriosen Einfall, eine taffe Dame in den Mittelpunkt zu stellen, die quasi als Ur-Emanze die schmerzliche Erfahrung machen muss, dass Männer zumindest zu einem Zwecke taugen. Das ist recht witzig anzuschauen, kann aber kaum über den allgemeinen Dilettantismus hinwegtäuschen, mit dem hier zu Werrke gegangen wurde. Die Schauspieler sind größenteils spanische Gelegenheitsakteure, die offenbar kurz vor dem Dreh vor Ort an Land gezogen wurden, die aufgeblasenen Scope-Bilder beweisen ein ansehnliches Faible für Landschaftstotalen, dafür wirken die Montage und der inflationäre Gebrauch von SloMos gelinde gesagt erbärmlich. Schade auch, dass in letzer Konsequenz die gewohnt exploitativen Zutaten eher moderaten Einsatz fanden.
Macht aber alles nichts. "Hundra" ist in erster Linie Comic. Er wird nie langweilig, und das rettet ihn innerhalb seiner bescheidenen Grenzen vor den schlimmsten Anfeindungen. Außerdem klirren die Schwerter und das mag ich.
Mit Busserl an Schischa.
5/10
#1245
Geschrieben 15. Juni 2008, 10:20
Konga ~ UK 1961
Directed By: John Lemont
Nachdem er infolge eines Flugzeugabsturzes über dem Dschungel von Uganda ein Jahr bei Eingeborenen verbracht hat, kehrt Dr. Decker (Michael Gough) nach London zurück, den kleinen Schimpansen Konga und bahnbrechende Erkenntnisse über die elementare Verwandtschaft zwischen Pflanze und Primat im Gepäck. Unglücklicherweise haben sich in Deckers Schaltzentrale über die Zeit im Busch auch ein paar Schräubchen gelockert, denn er züchtet Konga zu einem veritablen 2-Meter-Gorilla hoch, den Decker dazu nutzt, sich seiner Geisteskontrahenten zu entledigen. Als er sich seiner Schülerin Sandra (Claire Gordon) unsittlich nähert, rastet Deckers eifersüchtige Lebensgefährtin Margaret (Margo Johns) aus und gibt Konga eine letzte Injektion, so dass dieser Hochhausformat erreicht und Amok läuft.
Spitzentrashgranate mit Michael Gough in einer seiner schönsten Rollen. Goughs diabolische Mimikverformungen sind das Salz im aufregenden Exploitationsüppchen der Anglo Amalgamated, die sich im Gegensatz zu der etwas stilsichereren Konkurrenz nicht mit Vampiren oder deren gotischem Anhang zufriedengeben mochte, sondern gleich illustre fleischfressende Pflanzen und einen Riesenaffen auf London losließ. Das alles ist sehr beherzt und gewinnbringend in Szene gesetzt. Gough als immens gewissenloser und böser mad scientist offenbart nach einer (wie immer) freundlich erscheinenden Einführung sein wahres Wesen, als er ohne zu Zucken ein unschuldiges Kätzchen namens Tabby mit zwei gezielten Revolverschüssen niederstreckt (weil es sich sonst, wie uns sogleich erläutert wird, in einen Leoparden verwandelt hätte). Später wird er dann zum mehrfachen Mörder pro Wissenschaftsraison und möchte sogar eine Schülerin und gezwungene HiWi vergewaltigen (was hier jedoch - aus Pietätsgründen sicherlich - nur symbolisch als aufrdingliche Knutscherei dargestellt ist), die, wie Decker zuvor schmierigst sabbernd konstatiert hat, "im Laufe der Zeit deutlich reifer und fraulicher geworden" ist.
Lemont befleißigt sich am liebsten diverser Gesichtsgroßaufnahmen zur Intensitätssteigerung. Die Tricks mit dem Riesenaffen am Schluss sind allerliebst und putzig anzuschauen, besonders der in Kongas Faust strampelnde Gough hat dann nur unwesentlich mehr zu tun als anführende Zeile en gros zu wiederholen, so dass man sie bald frohgemut mitspricht.
Ein feiner alter Spaß.
6/10
#1246
Geschrieben 15. Juni 2008, 10:54
The Godfather (Der Pate) ~ USA 1972
Directed By: Francis Ford Coppola
Michael Corleone (Al Pacino) kommt gerade rechtzeitig aus dem Zweiten Weltkrieg nach New York zurück, um mitzuerleben, wie sich sein Vater Don Corleone (Marlon Brando), örtlicher Mafiapate und Kopf einer der einflussreichsten "Familien" des Landes, mit einem neuen Konkurrenten namens Virgil Sollozzo (Al Lettieri) anlegt. Dieser will die New Yorker Unterwelt dazu bringen, ihm ins Rauschgiftgeschäft zu folgen. Der Don, dessen illegale Aktiva sich auf Glücksspiel und die Korrumpierung von Politikern beschränken, lehnt ab und wird kurz darauf auf offener Straße niedergeschossen. Mike sorgt für Blutrache und taucht danach in Sizilien unter.
Sein älterer Bruder Santino (James Caan), der traditionsgemäß den Don während dessen erzwungener Ruhepause vertritt, bezahlt seine Impulsivität bald mit dem Leben, so dass Mike, der selbst in Sizilien nicht vor dem langen Arm des Mobs sicher ist, nach Amerika zurückkehrt und das Familiengeschäft übernimmt. Nachdem sein Vater gestorben ist, erweist sich der vormals so ausgeglichen wirkende Mike als noch wesentlich unbarmherzigerer und gewissenloserer Fortführer des Familienerbes.
"The Godfather", die Verfilmung des Mafia-Bestsellers von Mario Puzo, bedeutete einen ersten, frühen Dolchstoß für die ungeschriebenen Dogmen des New Hollywood. Coppola, ein Mitbegründer der noch verhältnismäßig jungen Bewegung, inszenierte ein sehr stilisiertes und breit angelegtes, fünf Jahre erzählte Zeit umfassendes Epos als blutige Familienchronik, der die italienische Gemeinde in den USA mit großem Protest begegnete, deren Erfolg jedoch beispiellos wurde. Puzo und Coppola verwursteten zahlreiche reale Ereignisse dieser Jahre, darunter Sinatras Mafiaverbindungen und den Einzug des Drogenhandels in New York. Er präsentierte als erster Filmemacher die strenge Struktur der Cosa Nostra auf amerikanischem Boden und zeigte auf, dass die Kriminalität neben der staatlichen Gewalt eine gesellschaftliche Instanz bedeutete, mit der man rechnen müsse. Dabei ist die Narration des Films ungeheuer gefällig und einnehmend, was die knappen drei Stunden, die sich Coppola nimmt, um seinen Bericht zu erstatten (tatsächlich nötigte die Paramount ihn bereits zu massiven Kürzungen), wie im Fluge vergehen lässt. "The Godfather" ist Erzählkino in höchster Vollendung, voll von allseitigem Ehrgeiz, im besten literarischen Sinne großartiger Momente und prächtigem Chiaroscuro. Die neben den Hauptrollenstars panitalienisch besetzte Darstellerriege wird in den folgenden Jahren und Jahrzehnten immer wieder in ähnlich angelegten Rollen zu sehen, sämtliche weiteren großen Gangsterepen von De Palma, Leone und Scorsese werden sich fortan an Coppolas makellosem Epos messen lassen müssen.
Jedes meiner mehr oder weniger regelmäßigen Wiedersehen mit dem Film bzw. seinen Nachfolgern ist wie das stundenlange Blättern in alten, leicht vergilbten Fotoalben. Man erinnert sich, allerdings mit gleichermaßener Wehmut wie zunehmendem Unbehagen, denn man weiß ja um den gemächlichen Niedergang, der da folgen soll.
10*/10
#1247
Geschrieben 15. Juni 2008, 19:02
The Godfather: Part II (Der Pate - Teil 2) ~ USA 1974
Directed By: Francis Ford Coppola
Zum Ende der 50er Jahre hin hat die Corleone-Familie sich endgültig in Nevada niedergelassen und bewohnt am Lake Tahoe ein stattliches Anwesen. Michael (Al Pacino) führt den Clan nach wie vor mit eiserner Hand und ist dabei, sich die letzten bedeutenden Glücksspielkonzessionen im Wüstenstaat zu sichern und in einige Spielbanken in Havanna einzukaufen - auf Geheiß des alternden Gangsterbosses Hyman Roth (Lee Strasberg). Mike jedoch ahnt bereits, dass die mondäne Regierung Batistas im Sturz begriffen ist. Pünktlich zum 1. Januar 1959 flieht Mike aus Kuba, nachdem er einen Verräter in den eigenen Reihen lokalisiert: Seinen älteren Bruder Fredo (John Cazale), der ihn an Roth verkauft hat. Kurz nach seiner Heimkehr muss Mike sich einem großangelegten Unterweltsprozess durch das FBI stellen und wird darüberhinaus von seiner frustrierten Frau Kay (Diane Keaton) verlassen. Selbst diese Schläge übersteht Mike mit der ihm eigenen, kühlen Selbstsicherheit. Nach dem Tode seiner Mutter (Morgana King) jedoch rechnet er mit sämtlichen Feinden ab und lässt Fredo als Zeichen seiner späten Vergeltung ermorden.
Parallel dazu wird berichtet, wie der kleine Vito Andolini (Oreste Baldini) als Waise von Sizilien in das Land der Verheißung kommt und sich in New York, zum jungen Mann (Robert De Niro) herangewachsen, langsam aber sicher um jene Position verdient macht, die ihn so berühmt machen soll.
Der schleichende Niedergang des Michael Corleone: Um den Preis seiner Macht und des geschäftlichen Einflusses verliert der neue Pate nach und nach alles, das persönliche Bedeutung für ihn besitzt. Seine Frau hat sich längst von ihm abgewendet, seine beiden Kinder spüren die emotionale Kälte ihes Vaters, sein Adoptivbruder Tom Hagen (Robert Duvall) genießt bestenfalls noch die Hälfte des Vertrauens, das ihm als Consigliere der Familie eigentlich zustünde. Michaels Schwester Connie hasst ihren Bruder wegen seiner übermächtigen Einflussnahme auf ihr Leben. Fredos (meisterlich: John Cazale) innere Schwachheit lässt ihn zum Verräter werden, Frankie Pentangeli (Michael V. Gazzo), ein alter Freund von Michaels Vater, tritt schließlich als Kronzeuge gegen Mike vor Gericht auf. Alles droht einzustürzen, einzig Michaels untrüglicher Sinn für monetäre Gewinnmaximierung funktioniert nach wie vor tadellos.
Wie Coppola diese Geschichte und die von Mikes Vater im Manhattan der 20er Jahre gegeneinander montiert, das trug ihm eine Menge verdienter Lorbeeren ein. Der manchmal ungestüme Zeigegestus der Vorgängers wurde zurückgenommen und stattdessen zerreißende innere Konflikte zum Spannungsobjekt erkoren; mehr noch als im Vorgängerfilm verknüpft das Buch Historizität und Fiktion zu einem zu jeder Sekunde faszinierenden Panoptikum in finsterem Moll, an deren Ende ein einsamer Held der Unterwelt allein und in Denkerpose vor seinem herbstlichen Schloss hockt.
"The Godfather: Part II" ist ein populäres Exempel wenn es darum geht, Fortsetzungstitel zu bemühen, die mit dem Original gleichziehen oder es sogar noch übertreffen. Mir erschien diese Diskussion immer reichlich müßig, da ich beide Teile stets als Einheit verinnerlicht habe. Erst die lange, fünfzehn Jahre währende Pause bis zur zweiten und letzten Fortsetzung sorgte dann für gewisse Einbrüche in der Meisterlichkeit des Gesamtwerks. Dazu dann in Kürze mehr.
10*/10
#1248
Geschrieben 16. Juni 2008, 18:57
The Godfather: Part III (Der Pate - Teil 3) ~ USA 1990
Directed By: Francis Ford Coppola
Michael Corleone (Al Pacino) bemüht sich um die Legalisierung seiner Macht und seines Vermögens. Gegen Ende der 70er versucht ein sichtlich gesetzter und gealterter Don daher, mit einem gigantischen Vermögen die Aktienmehrheit einer global operierenden Immobiliengesellschaft von der Vatikanbank zu erwerben. Die übrigen Teilhaber, größenteils zwielichtige Gestalten wie der Schweizer Keinszig (Helmut Berger), sind mit dieser Entwicklung alles andere als einverstanden. Außerdem leidet der amtierende Papst Paul VI an einer langwierigen Krankheit, die Mike dazu zwingt, diverse Aufschübe hinzunehmen. Seine privaten Probleme sind unterdessen kaum geringer: Mike hat eine schwere Form von Diabetes, in New York macht ihm der Gangster Joey Zaza (Joe Mantegna) zu schaffen, Michaels Neffe Vincenzo (Andy Garcia), unehelicher Sohn von Sonny, ist ein ungestümer Haudegen und außerdem in seine Tochter und damit Vincenzos Cousine Mary (Sofia Coppola) verliebt, sein Sohn Anthony (Fran D'Ambrosio) wendet sich dem Operngesang zu und stößt damit bei seinem Vater auf wenig Gegenliebe. Eine ausgedehnte Reise nach Sizilien führt für Mike schließlich zur Klärung einiger Schwierigkeiten - und geradewegs in die Katastrophe.
Michael Corleones Suche nach Absolution: Im großen Gangsterfilmjahr 1990 war es nur recht und billig, dass auch Coppola sein von langer Hand geplantes Finalstück der gewaltigen Gangster-Trilogie fertigstellte. Wiederum hangelte er sich an realen Ereignissen und Verschwörungstheorien entlang. Diesmal nahm er das Dreipäpstejahr mit dem überraschenden Tod Johannes Pauls I, der nach einem nur 33-tägigen Pontifikat auf mysteriöse Weise das Zeitliche segnete, zum Anlass, die Involvierung der Mafia in Vatikangeschäfte zu durchleuchten und erneut Fiktion und Authentisches zu vermengen. Bei Michael Corleone hat sich indes viel getan in den vergangenen zwanzig Jahren. Von der versteinerten Miene des eiskalten Paten ist kaum noch etwas zu sehen. Mike präsentiert sich alterserfahren und weltmännisch, er lacht herzhaft und weint sogar. Außerdem bemüht er sich wieder um sein Frau Kay (Diane Keaton) und gibt Entscheidungen nach, an die er ehedem nicht einen Gedanken verschwendet hätte. Als Mike in Sizilien Kardinal Lamberto (Raf Vallone), dem zukünftigen Papst, begegnet, wird dann auch der Grund für seine Wandlung transparent: Mike erträgt die Last seiner Sünden nicht mehr, besonders der Mord an seinem Bruder Fredo macht ihm schwer zu schaffen. Dennoch ist es dem Verzweifelten nicht möglich, seiner Vergangenheit endgültig den Rücken zuzukehren. Die finale Abrechnung findet zwar exekutiv durch Michaels Nachfolger, seinen Neffen Vincenzo statt, wird jedoch wiederum von Mikes langer Hand geplant. Der göttliche Vergeltungsschlag dafür folgt auf dem Fuße und hinterlässt einen gebrochenen alten Mann. Pacinos Aufschrei auf den Stufen der Oper von Palermo, in den er sämtliche Reue legt, die sich über die Dekaden des Verbrechertums bei ihm aufgestaut hat, zählt denn auch zu den Sternstunden des Schauspielers.
Zu Coppolas Arbeit ist zu sagen: Dass die erzählte Zeit - ein logisches Faktum - von der Realität längst einge- und überholt wurde, tut der "Godfather"-Saga nicht allzu gut. Der golden-braune Chiaroscuro-Charme der beiden Vorgänger lässt sich zwar hier und da noch einfangen, bei der Besetzung der neuen Charaktere jedoch sind deutliche Schwächen auszumachen und die Verstrickung von Kirche und organisiertem Verbrechen ist - bei aller respektablen Aktualität - ein dramaturgischer Bremsklotz. Was bleibt, ist ein vergleichsweise noch immer beeindruckender Abschluss, der den unter deutlich günstigeren Bedingungen arbeitenden Konkurrenten eine diamantene Nase dreht.
8/10
#1249
Geschrieben 19. Juni 2008, 07:33
Napoli Violenta (Camorra - Ein Bulle räumt auf) ~ I/F 1976
Directed By: Umberto Lenzi
Commissario Betti (Maurizio Merli) tritt kaum seinen Dienst in Neapel an, da wird er bereits mit dem kriminellen Alltag der Stadt konfrontiert. Er sieht sich gezwungen, zunehmend härtere Bandagen gegen seine Gegner einzusetzen, besonders gegen die beiden Fädenzieher, den scheinbar allmächtigen "Commandante" (Barry Sullivan) und seinen Schatzmeister Capuano (John Saxon).
Qualitäts-Poliziottesco von Lenzi, mit viel Sleaze und frecher deutscher Synchronarbeit angereichert. Ein guter Mann für die geringfügig niveauerleichterte Genreabteilung war stets Rotzbalken Merli (hier zum dritten und letzten Mal als wackerer Commissario Betti im Einsatz), der mit wichtig blitzendem Blick und adäquatem physischen Einsatz nicht des schauspielerischen Talents der besser bezahlten Kollegen bedurfte, um in Filmen wie dem vorliegen hinreichend zu glänzen. Gute Unterstützung gibt es ja auch in Form der beiden Amerikaner Saxon (hier ausnahmsweise mal als verweichlichter, Anzug tragender Prügelknabe zu sehen) und Barry Sullivan, der seit Fullers "Forty Guns" zwar zwei, drei Falten dazubekommen hat, seine schon damals so beliebte Augenpartie aber auch hier wieder zu freudigem Einsatz bringt. Wie es sich für Lenzi gehört, gibt es ein paar hübsche Kunstblutszenen mit sanftem Gore-Einschlag und ein Szenario, das den Rezipienten-Geist garantiert nicht überansprucht. Ein spaßiges Produkt aus besseren Kinotagen.
7/10
#1250
Geschrieben 19. Juni 2008, 13:32
Walking Tall (Der Große aus dem Dunkeln) ~ USA 1973
Directed By: Phil Karlson
Buford Pusser (Joe Don Baker), Ex-Wrestler und Ex-Marine, kehrt in sein Heimatnest in Tennesse zurück, Frau (Elizabeth Hartman) und die beiden Kinder (Leif Garrett, Dawn Lynn) im Schlepptau. Bufords Vater (Noah Beery jr.) warnt die Familie bereits vor, dass sich hier einiges geändert habe, doch es kommt noch dicker als erwartet. Es hat sich eine regelrechte Schnapsbrenner-Mafia gebildet, die das ganze Umland mit billigem Fusel versorgt und bei ihrem schmutzigen Geschäft auch gewissenlos über Leichen geht. Buford legt sich alsbald mit den betreffenden Drahtziehern an und wird prompt krankenhausreif geprügelt. Doch er zahlt mit barer Münze und Baseballkeule zurück - was ihm einen Sheriffsposten und noch mehr Ärger einbringt.
Buford Pusser, eine authentische "Heldenfigur" des amerikanischen Südens, war tatsächlich für seine Knüppeljustiz bekannt. Als künstlerischer Berater stand er dem "Walking Tall" - Team hilfreich zur Seite und nutzte die Gelegenheit sicherlich, um komplexere Vorgänge zu vereinfachen und sich selbst in einem für seine Begriffe angemessenen Licht erscheinen zu lassen. Zahlreiche der dargestellten Ereignisse - so kann man nachlesen - haben sich offenbar wirklich so abgespielt, was dem Film inmitten all der anderen zeitgenössischen Polizeifilme und Selbstjustizdramen einen gewissermaßen modifizierten Kontext verleiht. Wo ein Harry Callahan oder Paul Kersey kontroverse Randfiguren darstellen, deren Handlungen nicht selten selbstzweckhaft erscheinen, da bleibt ein Buford Pusser ein integrer Mensch, der sich nur in seltensten Fällen metalegaler Methoden oder gar eines süffisanten Zynismus befleißigt. Als liebenden Familienvater sieht man ihn, als herzlichen Menschen, der allerdings recht ungemütlich werden kann, wenn man seine Intimspähre nicht unangetastet lässt. Thema Eskalation: Zu der kommt es dann gegen Ende, nachdem der größer und größer dimensionierte Schglagstock sich längst seinen Platz mit einem effektiveren Schießeisen teilen muss.
Was die rein filmischen Qualitäten anbelangt, so kann man "Walking Tall" zumindest unterstellen, einen thematischen Archetypen entscheidend mitgeprägt bzw. einen kleinen normativen Meilenstein auf dem Weg zur realistischen Gewaltdarstellung gesetzt zu haben. Außerdem ist er sehr aufregend anzuschauen.
8/10
#1251
Geschrieben 19. Juni 2008, 22:32
The Killer Elite (Die Killer Elite) ~ USA 1975
Directed By: Sam Peckinpah
Mike Locken (James Caan) arbeitet in der Abteilung Personenschutz für eine gewerbliche Firma, die wiederum im Dienste des CIA steht. Als sein Partner Hansen (Robert Duvall) ihn eines Tages um des schöden Mammons willen verrät und zum Krüppel schießt, packt Locken ein besonderer Ehrgeiz, es Hansen heimzuzahlen. Nach einer langen Zeit der Rekonvaleszenz nimmt er erneut einen Auftrag an: Er soll einen japanischen Staatsmann (Mako) vor seinen Gegnern schützen. Die Mission entpuppt sich als Kehraus im eigenen Stall, in den natürlich auch Hansen verwickelt ist.
Peckinpah on the loose: Seine "Killer Elite" markiert einen Umbruch im Schaffen dieses stilgewaltigen Filmemachers. Zerfahrenheit, Ungeschlossenheit, ein gewisses Desinteresse im Vergleich zu vergangenen Großtaten sind feststellbar. Die ziemlich laue Agentenstory um einen verratenen Profi, der sich während seiner Genesung gleich noch ein paar asiatische Kampftechniken aneignet, gibt wenig Substanzielles her, das bisschen Systemkritik, die das Buch übt und die die Texteinblendungen zu Beginn verspricht, besitzt am Ende dann doch nur wenig Zugkraft. Seine besten Momente hat der Film in der Vorstellung seiner Nebencharaktere Mac (Burt Young) und Miller (Bo Hopkins), die Locken zur Unterstützung heranzieht und die in ihrem unebenen Auftreten deutlich interessanter sind als der main character himself.
In den SloMos und Gegenschnitten erkennt man noch den Meister. Denkt man jedoch an die rauen und kompromisslosen Arbeiten, die er erst kurz zuvor zu Wege gebracht hat, muss "The Killer Elite" zwangsläufig leicht enttäuschen, obgleich es sicher kein schlechter Film ist.
7/10
#1252
Geschrieben 22. Juni 2008, 18:23
La Via Della Droga (Dealer Connection - Die Straße des Heroins) ~ I 1977
Directed By: Enzo G. Castellari
Rauschgiftfahnder Fabio (Fabio Testi) taucht undercover in die römische Drogenszene hinab und arbeitet sich zum Genossen des Großdealers Gianni (Joshua Sinclair) hoch. Mit Pauken und Trompeten hebt er schließlich das verbrecherische Nest aus und bringt sämtliche Finstermänner gnadenlos im Alleingang zur Strecke.
Testi könnte in seiner Rolle glatt als Schwulenikone durchgehen, wenn er mit Dreitagebart, schickem Tarncap, schwellendem Brustpelz und der Jeans in den Wildlederstiefeln auf seine aktionsreiche Mission geht. Ansonsten gibt es aber wenig auszusetzen an Castellaris komplexitätsreduzierter "Traffic"-Version. Der Regisseur schafft es wie immer, seine Atmosphäre zwischen Kinderspielplatz und großangelegter Sensation einzupegeln und kann daher mit großen Blicken und offenen Mündern rechnen. Ihm standen ja stets gute Leute vor dem Objektiv zur Verfügung, neben Testi war das in diesem Falle David Hemmings als sympathischer Polizeichef.
Natürlich verpasst Castellari die Chance, mit seinem teils explizit dokumentarischem Stil den Weg der Droge bis hin zum Endkonsumenten wirklich ernsthaft oder gar realitätsorientiert nachzuverfolgen, aber man erwartet schließlich keine Operetten, wenn Castellari draufsteht.
7/10
#1253
Geschrieben 23. Juni 2008, 12:34
The Body Snatcher (Der Leichendieb) ~ USA 1945
Directed By: Robert Wise
Im Edinburgh des vorletzten Jahrhunderts macht der Fall um die beiden Leichendiebe Burke und Hare, die dem Mediziner Knox frische Körper zu Studienzwecken "besorgten" und dafür kassierten, Schlagzeilen. Kurz nach der Verhandlung geben weitere Fälle von Leichendiebstahl der Bevölkerung Rätsel auf. Dahinter steckt der sinistre Kutscher Gray (Boris Karloff), der Knox' Schüler Dr. MacFarlane (Henry Daniell) ehemals mit einer Falschaussage vor der Verurteilung bewahrt hat und selbigem nun permanent mit seinen mitunter ungefragten Studienobjekten auf die Bude rückt. MacFarlanes Student Fettes (Russell Wade) wittert schließlich den Braten.
Diese Lewton-Produktion für die RKO stellt eine der schönsten Arbeiten des entsprechenden Zyklus dar und kann noch heute mit zahlreichen dramatischen Momenten überzeugen. Karloff und Lugosi sind einmal mehr in einer bravourösen Doppel-Performance am Start, wobei erster in der Titelrolle mit das Großartigste liefert, was er jemals an Schauspielkunst feilgeboten hat. Seine stets sonore, einschläfernde Stimme in Verbindung mit einem diabolisch-süffisanten Äußeren ist unvergesslich. Kein Wunder, dass Lugosi später so neidisch auf seinen Intim-Konkurrenten war - zumal dieser ihm hier wirklich die Schau stiehlt.
Komplettiert werden die schaurigen Eindrücke von einer wundervollen, expressionistischen Fotografie, die "The Body Snatcher" zu einem der letzten wirklichen Gipfelstürmer des Horror-Golden-Age machen. Man beachte insbesondere die in jeder Hinsicht vollkommene Schlusszene mit stürmischer Kutschfahrt. Sahnestück.
9/10
#1254
Geschrieben 24. Juni 2008, 13:44
Grizzly Park ~ USA 2008
Directed By: Tom Skull
Eine Truppe krimineller Jungzwanziger soll zu Sanktionszwecken unter der Aufsicht des flotten Ranger Bob (Glenn Morshower) ein paar nordkalifornische Wanderwege säubern. Gleich auf dem Hinweg begegnet ihnen ihnen ein entsprungener Mörder (Jerry Sword), der jedoch nicht dazu kommt, mehr als zwei Leute um die Ecke zu bringen, denn zeitgleich ist ein gefräßiger Grizzlybär auf der Jagd.
Müllige Filmchen mit hypergefährlichen oder mutierten Monstertieren reizen mich stets sehr, daher dachte ich mir, ich nehme für schlanke 10 Mäuse mal den "Grizzly Park" im Hertie mit. Leider war das nichts - ich habe mich bei der Entscheidungsfindung zwischen bewusst dadaistischer Fingerkunstübung und missratenem Teenslasher schließlich zu zweiterem hinbiegen lassen. Es dürfte wohl außer Frage stehen, dass die ganze Kiste sich zu keiner Sekunde ernst nimmt und nicht mehr als ein hirnloses, bekifftes Spektakel für die Generation Couchkartoffel zu sein wünscht, genau diese Art Film mag ich aber prinzipiell nicht. Das Ganze erinnerte mich an hier ähnlich schlechtgelittene Streifen Marke "Idle Hands", "Monster Man" oder "Undead", die Enthusiasmus mit Könnerschaft verwechseln und am Ende dann zu nichts taugen. Selbst "American Pie" ist da noch lustiger. Die paar netten Splatter-F/X zum Ende und die allerletzte Einstellung sichern "Grizzly Park", den ich, dazu habe ich mich in dieser Sekunde entschlossen, für den Fall der Fälle erstmal behalten werde, immerhin seine itzo folgenden, mageren zwei Qualitätsstandards:
2/10
#1255
Geschrieben 24. Juni 2008, 14:00
Bringing Up Baby (Leoparden küßt man nicht) ~ USA 1938
Directed By: Howard Hawks
Der kurz vor der Heirat stehende, verschrobene Paläontologe David Huxley (Cary Grant) lernt die durchgeknallte Millionärserbin Susan Vance (Katharine Hepburn) kennen, die sich prompt in den nüchternen Schüchternen verliebt und es mittels chaotischer Aktionen, in die u.a. zwei Leoparden verwickelt sind, schließlich schafft, ihn auf ihre Seite zu ziehen.
Die Definition von "screwball". Wer temporeiche und wahnwitzige Hollywood-Comedy mag, der kommt um dieses Schätzchen von Hawks nicht herum, zeigt es doch beispielhaft die Qualitäten auf, die das gesamte Subgenre auszeichnen: Zwei glänzend aufgelegte Stars in einer gleichnishaften Geschichte um eines Widerspenstigen Zähmung im Snobisten-Milieu. Von Depression, aufziehenden Kriegsaggressionen oder ähnlich lästigen Gesellschaftsströmungen ist nichts zu spüren, nur die Liebe zählt - und Dialogfeuerwerke mit Tempo 200, Verwechslungen und andere Wirrungen nicht zu vergessen. Obrigkeitsexekutiven wie etwa ein überforderter Sheriff (Walter Catlett) sind zu nicht mehr wert, als dem Spott eine weitere Zielscheibe zu liefern. That's entertainment!
"Bringing Up Baby" quillt über von unvergesslichen Augenblicken und Zitaten, angefangen und abgeschlossen mit Grant auf dem Brontosauriergerippe und gefüllt von skurrilen Nebencharakteren wie dem Tantenfreund Applegate (Charlie Ruggles), der Leopardenschreie mit denen von Eulen verwechselt und sich dann selbst an Großwildlauten versucht oder dem Neurologen Dr. Lehman, mit dem David und Susan in regelmäßigen Abständen aneinander geraten.
Ein Film, der die Sonne scheinen lässt.
9/10
#1256
Geschrieben 25. Juni 2008, 06:32
Milano Calibro 9 (Milano Kaliber 9) ~ I 1972
Directed By: Fernando Di Leo
Der Mailander Gangsterboss 'Americano' vermisst 300.000 US-Dollar, die augenscheinlich der soeben aus dem Knast entlassene Ugo (Gastone Moschin) hat verschwinden lassen. Die Männer des Amerikaners drangsalieren und belagern Ugo, doch jener beteuert seine Unschuld in diesem Fall. Zugleich sitzt ihm die Polizei ihm Nacken. Ugo jedoch erweist sich als cleverer als alle seine Gegner zusammen.
Di Leos prachtvoller Gangsterfilm ist einer der schönsten Repräsentanten des italienischen Genrekinos. Hier sehen Banditen noch aus wie Banditen, hier wird der traditionellen Mafia nachgeweint und das stillose neue Verbrecherwesen, das mehr mit Politik als mit Straßenehre zu tun hat, beklagt. Die Damen sind hübsch, die Musik flott, die Drinks trocken und die Kippen kurz. "Milano" gibt viel preis über sein Entstehungsland und die Motivation ihn anzufertigen, ist dreckig und zugleich glatt, spannend, hart und brutal. Von allem das Beste. Außerdem spielt Mario Adorf auf als wäre der Leibhaftige ihm auf den Fersen. Immer wieder ein Hochgenuss.
9/10
#1257
Geschrieben 26. Juni 2008, 09:13
Io Sto Con Gli Ippopotami (Das Krokodil und sein Nilpferd) ~ I 1979
Directed By: Italo Zingarelli
Die beiden Vettern Slim (Terence Hill), genannt "Krokodil" und Tom (Bud Spencer), genannt "Nilpferd" nehmen es im zentralafrikanischen Busch u.a. mit blutgeilen Japanern auf Safari und dem miesen Tierhändler Mr. Ormond (Joe Bugner) auf, denen sie mit flotten Sprüchen und gezielten Ohrfeigen den Hahn abdrehen.
Dankenswerterweise hat das feine DVD-Label e-m-s diesen Spencer-Hill-Klassiker nun endlich in einer ordentlichen Fassung, d.h. in digitaler Qualität, mitsamt der Originaltonspur, ohne Bildsprünge und vor allem ungekürzt veröffentlicht. Dem Vernehmen nach ist dies - zusammen mit "Zwei außer Rand und Band" der Anfang einer Re-Release-Reihe, die die Filme des Duos HD-remastered beinhalten soll. Mich täte es immens freuen.
Zum Film selbst: Die üblichen Beliebtheitsmerkmale sind - bis auf den erwigen Prügelknaben Riccardo Pizzuti, der es immerhin schon zu T-Shirt-Ehren gebracht hat - allesamt vorhanden. Man könnte das Ganze mit viel Wohlwollen als Reprise von "Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle" ansehen, da die Konstellation der beiden Titelfiguren - sie lieben und necken sich - sowie das exotische setting in Verbindung mit den urig angelegten Nebenfiguren - zweifellos an den Erfolg von damals anzuknüpfen versucht. Was "Kroko & Nilpferd" allerdings etwas abgeht, sind die wehmütigeren Szenen, von denen nunmehr zumindest die, in der Hill einen Schmetterling fängt und dann wieder freilässt, wieder enthalten ist. Ohne hier die kommerziell orientierte Reklametrommel schlagen zu wollen: Ein Pflichtkauf für Spencer/Hill - Enthusiasten.
7/10
#1258
Geschrieben 26. Juni 2008, 09:27
Sea Of Love ~ USA 1989
Directed By: Harold Becker
Det. Frank Keller (Al Pacino) vom NYPD ist der typische Polizist am Boden - von der Frau zugunsten eines Kollegen (Richard Jenkins) verlassen, vom Schnaps getröstet. Als ein Serienkiller beginnt, Männer, die kurz zuvor lyrische Kontaktanzeigen in die Zeitung gesetzt haben, zu erschießen, beginnt Frank zusammen mit dem Kollegen Sherman (John Goodman) aus Queens zu ermitteln - und stößt auf die heißblütige Nachteule Helen (Ellen Barkin) ...
Sogenannte "Erotik-Thriller", für die anno dazumal mit Vorliebe Ellen Barkin und später Sharon Stone hinzugezogen wurden, verkauften sich vom Ende der Achtziger bis zur Mitte der Neunziger hin wie geschnitten Brot. "Sea Of Love" zählt zu den beständigsten dieser Filme, was weder den überaus gebraucht klingenden Saxofon-Ergüssen von Trevor Jones noch der klischeebehafteten Figurenkonstellation zuzuschreiben ist, sondern in erster Linie dem Duo Pacino-Goodman. Die beiden sind, besonders in den gemeinsamen Szenen, eine Wonne vor der Kamera und spielen mit spürbarer Herzlichkeit. Dazu tragen allein schon die physischen Differenzen bei. Freilich bringt besonders Pacino Bewundernswertes: Mit dem hängenden Blick eines Basset und der entsprechenden Zeitlupensprache schlurrt er durch die Manhattener Nacht, Goodman als quirliger, hopsender Familienpapa ist der ideale Ergänzungspart dazu.
Inszenatorisch solide bis bieder und garantiert überraschungsfrei, ist "Sea Of Love" also nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein guter Schauspielerfilm.
7/10
#1259
Geschrieben 26. Juni 2008, 13:15
Der Commander ~ BRD/I 1988
Directed By: Antonio Margheriti
Major Colby (Lewis Collins), genannt "Der Commander", wird mitsamt seiner Truppe von dem Waffenschieber Colonel Mazzarini (Lee van Cleef) angeheuert, um einen thailändischen Drogenbaron (Potacio Dee) übers Ohr zu hauen. Das DEA bekommt Wind von der Sache und tauscht einen von Colbys Männern (Manfred Lehmann) gegen einen Doppelgänger aus den eigenen Reihen aus, der eine ominöse CD-ROM aus dem Drogenhauptquartier stehlen soll. Natürlich ist der Commander sämtlichen Beteiligten stets um eine Nasenlänge voraus.
Für den leicht verspäteten Abschluss ihrer Söldnertrilogie mit Lewis Collins und guten drei Vierteln der deutschen Synchronsprechergarde gingen Margheriti und sein Traditionsproduzent Erwin C. Dietrich auf Nummer Sicher und vermieden es, die bei "Commando Leopard" gemachten Fehler zu wiederholen. Hierbei handelt es sich eher um ein verklausuliertes Remake von "Geheimcode Wildgänse". Schauplatz ist wiederum das Goldene Dreieck und auch im "Commander" geht es um Interessenskonflikte zwischen Drogen- und Waffenschiebern sowie der internationalen Rauschgiftbehörden. Collins als gutherziger und überintelligenter Kaufsoldat mit bordeauxrotem Barett ist eine sichere Nummer, geringfügige internationale Prominenz gibt es mit Lee Van Cleef und Donald Pleasence, wobei letzterer manchmal wirkt, als wisse er nicht, in welches Objektiv er gerade grienen müsse und als habe er außerdem einen über den Durst getrunken. Und: Auch wenn der Film garantiert kostspieliger ausschaut, als er tatsächlich gewesen sein dürfte - die Verwendung von Archivmaterial und in die Luft fliegenden Maßstabsmodellen fällt hier und da doch sehr offensichtlich aus. Macht aber nichts weiter, denn langweilig ist ganz was anderes.
5/10
#1260
Geschrieben 26. Juni 2008, 19:27
The Flame And The Arrow (Der Rebell) ~ USA 1950
Directed By: Jacques Tourneur
Mitte des 12. Jahrhunderts annektiert Kaiser Barbarossa weite Gebiete der Lombardei. Einer seiner Statthalter, der als "Falke" (in der deutschen Version: "Geier") gefürchtete Graf Ulrich (Frank Allenby), regiert die Gegend mit eiserner Hand. Der vogelfreie Bauer Dardo (Burt Lancaster) kämpft mit einer kleinen Rebellenschar gegen den Tyrannen. Ulrich lässt schließlich Dardos kleinen Sohn (Gordon Gebert) entführen, um Dardo zur Aufgabe zu pressen. Der gewandte Guerillero denkt jedoch nicht daran, seinen Kopf hinzuhalten und hat fortan alle Hände voll zu tun, den Jungen wiederzubekommen.
Noch vor "The Crimson Pirate" gab Lancaster zusammen mit seinem früheren Zirkuspartner Nick Cravat den kreglen, ewig grinsenden Freibeuter-Akrobaten, der sich durch nichts erschüttern lässt und allseits die Oberhand behält. Warner Bros. versuchten damals mit aller Macht, Lancaster zum neuen Helden des Swashbuckler-Genres auszurufen. Dabei sollte dieses überdeutlich an der "Robin Hood" - Sage orientierte Mittelalterabenteuer helfen, den Weg zu ebnen. Farben und Kulissen sind die hervorstechendsten Merkmale des ansonsten recht braven Kleinspektakels, das nicht ganz so reibungslos zündet wie viele ähnlich geratene Gattungsexemplare, die über einen Errol Flynn oder Tyrone Power verfügen. Vielleicht liegt es auch daran, dass Tourneur in diesem Fach ganz einfach nicht daheim war und sich viel lieber mit visuell spartanischen und aussagekräftigeren Stoffen abzugeben pflegte. Nun, good-old-fashioned ist das Gebotene in jedem Fall und damit noch immer um Ellen besser als all der moderne Scheiß.
7/10
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