In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1261
Geschrieben 26. Juni 2008, 19:46
Frankenstein ~ USA 1931
Directed By: James Whale
Der junge Baron Henry Frankenstein (Colin Clive) ist davon besessen, totes Gewebe wieder zum Leben zu erwecken und in letzter Konsequenz eine aus Leichenteilen selbst hergestellte Kreatur zu erschaffen. Das Experiment gelingt, das entstandene Ungetüm (Boris Karloff) erfährt jedoch von der ersten Sekunde seines neuen Daseins an Feindschaft und Abscheu und flieht schließlich aus dem Labor des Barons. Die Bewohner des naheliegenden Dorfs bilden einen Lynchmob, als das Monster ein kleines Mädchen (Marilyn Harris) buchstäblich "aus Versehen" tötet und Henrys Braut (Mae Clarke) bedroht.
Whales "Frankenstein" zählt zu den Säulen, auf denen das moderne Kino errichtet ist. Dieser Film, der, kaum, dass er vom Ton Gebrauch machen konnte, sich weit von der Statik zuvor entstandener Werke entfernt, ist auch nach über 75 Jahren nichts weniger als ein atemberaubendes Erlebnis. Gleich von Beginn an von einer Morbidität, die ihresgleichen sucht, in der Abbildung von Architektur und Schattierungen vollendet und auch auf dem dramaturgischen Sektor - ganz ohne Begleitmusik erzeugt die Szenerie einen oftmals suggestiven Sog - bahnbrechend, ist dies mein liebstes Horrorstück der frühen Tonfilmära, auch wenn diese Kür sicher wenig innovativ erscheint. Aber besser ging's eben nicht.
10/10
#1262
Geschrieben 27. Juni 2008, 09:28
Bride Of Frankenstein (Frankensteins Braut) ~ USA 1935
Directed By: James Whale
Frankensteins Monster (Boris Karloff) überlebt ebenso wie sein Schöpfer (Colin Clive) den Brandanschlag auf die alte Mühle und zieht auf der Suche nach Verständnis durch den Wald. Die immer noch wütenden Dorfbewohner fangen die Kreatur und sperren sie ein - erfolglos, denn sie befreit sich und tötet auf der Flucht mehrere Menschen. Bei einem blinden Eremiten (O.P. Heggie) findet das Monster schließlich Zuflucht, lernt die menschliche Sprache und ein paar Freuden des Lebens kennen - bis es auch hier vertrieben wird. Unterdessen will der exzentrische Dr. Pretorius (Ernest Thesiger) den genesenden Baron nötigen, der Kreatur eine Gefährtin zu erschaffen, was dieser jedoch ablehnt, den zuvor angerichteten Schaden an Menschheit und Moral noch präsent. Als Pretorius und das Monster sich in einer Gruft begegnen, erfolgt eine unheilige Partnerschaft.
Vier Jahre nach "Frankenstein" kam diese großartige Fortsetzung, ein theatralisches Meisterwerk der Schauerkomödie, das den mit dem Vorgängerfilm eingeschlagenen Weg in eine vollkommen unerwartete Richtung weiterführt. "Bride" zehrt, eingebettet in eine Rahmenhandlung, die die Genese des Romans thematisiert, von der Poesie des Schreckens. Mit Dr. Pretorius (eine Wonne: Thesiger) tritt eine weitere beeindruckende Gestalt in den Gruselkosmos der Universal ein, die lustige kleine Märchenwesen in Puppengröße erschafft. Von einer naturwissenschaftlichen Erläuterungsbasis sieht man völlig ab - Frankenstein bezeichnet die an sich beeindruckende Vorführung der Däumlingswesen relativ ungerührt und kurz und knapp als Werk der Scharlatanerie. Karloff - nachdem er in den Credits des Erstlings mit einem Fragezeichen geführt wurde, wird nun allein sein Nachname angegeben - hat ausgiebig Gelegenheit, die ikonische Figur des Ungeheuers um weitere Nuancen zu ergänzen. Der Charakter des Monsters wird nun noch tragischer und mitleiderregender. Der Beweis für seine wesentliche Gutartigkeit (die im Vorgänger installierte Prämisse um das Verbrechergehirn steht nunmehr hintenan) ist die Freundschaft mit dem Einsiedler, die vielleicht das berühmte Zitat von Saint-Exupéry, demzufolge nur das Herz wirklich gut sieht, genährt hat.
Die wahrhaft orgiastische Klimax, eine künstlerische Explosion visueller und atmosphärischer Kreativität, findet man schließlich in der "Geburt" der weiblichen Kreatur (Elsa Lanchester). In einer wilden Montage aus Lichtblitzen und entgegengesetzten Schrägeinstellungen präsentiert Whale hier eine Szene, die für sich betrachtet vielleicht sogar den expressionistischen Höhepunkt des Klassischen Horrorfilms markiert.
10/10
#1263
Geschrieben 30. Juni 2008, 18:28
Son Of Frankenstein (Frankenstein Sohn) ~ USA 1939
Directed By: Rowland V. Lee
Jahre nachdem das Monster (Boris Karloff) selbst für seinen vermeintlichen Tod in den Trümmern des Labors gesorgt hat, kehrt Wolf von Frankenstein (Basil Rathbone) mit Frau (Sophie Hutchinson) und Kind (Donnie Dunagan) in das Haus seines Vaters zurück. Die Dorfbewohner begegnen dem neuen Baron gleich bei seiner Ankunft mit Argwohn. Sehr zu Recht, denn kaum, dass Frankenstein Haus und Labor inspiziert hat, ergreift eine übermenschliche Begeisterung von ihm Besitz, die, kombiniert mit dem unheilvollen Einfluss des mysteriösen Krüppels Ygor (Bela Lugosi), bald böse Folgen nach sich zieht.
"Son Of Frankenstein" beinhaltet den letzten Auftritt Karloffs als Monster, der nach diesem in jeder Hinsicht nachlassenden Film wohlweislich auf weitere Verkörperungen seiner lebenslangen Hauptfigur verzichtete. Der deutlich zu lange "Son" verfügt weder über den Geist noch die Exaltiertheit der beiden Whale-Filme. Mit spürbarer Schwerenot soll die Drittauflage an die expressionistischen Wurzeln der ersten Laemmle-Produktionen gemahnen, dabei werden aber bestimmte, an sich unabdingbare Kontinuitätsmerkmale völlig außer Acht gelassen. Das beginnt schon mit der szenischen Topographie: Frankensteins Schlösschen weist unergründlicherweise eine vollkommen andere und deutlich bedrohlichere Erscheinung auf als noch in den Vorgängern, das Labor steht plötzlich in direkter Nachbarschaft zum Haus und ist mit diesem sogar durch scheinbar uralte Geheimgänge verbunden. Diese "Wendungen" ist man gezwungen hinzunehmen, kommt dann aber zumindest in den Genuss einer Weltklasse-Genre-Besetzung in Lebensform, die neben Karloff, Lugosi und Rathbone noch Lionel Atwill umfasst, der als Dorfpolizist Krogh mit künstlichem rechten Arm (das Original hat er als Kind des Monsters wegen einbüßen müssen) und Monokel wahre Sternstunden zum Besten gibt.
"Son" bietet noch immer sauberen Universal-Grusel mit vielen der zu erwartenden, obligatorischen Merkmale. Archetypische Genrekost wie seine beiden Vorläufer aber liefert dieser Film längst nicht mehr.
7/10
#1264
Geschrieben 30. Juni 2008, 22:08
Ghost Of Frankenstein (Frankenstein kehrt wieder) ~ USA 1942
Directed By: Erle C. Kenton
Das Monster (Lon Chaney jr.) ist nicht totzukriegen: Ygor (Bela Lugosi), der verschlagene Geistesmentor der Kreatur, der die fünf Revolverschüsse in "Son" spurlos weggesteckt hat, erweckt das Ungeheuer mit seiner Tröte zu neuem Leben und sucht mit ihr sogleich Ludwig (Cedric Hardwicke), einen weiteren Sohn Frankensteins und Arzt für Geisteskrankheiten, auf. Der Grund dafür ist nicht ganz einsichtig, jedenfalls reagieren auch hier die Dorfbewohner recht ungehalten auf die beiden Neuankömmlinge und auch dieser Frankenstein entscheidet sich nach anfänglichem Zögern zu einer bahnbrechenden Transplantation mit der Hilfe seines früheren Lehrers Bohmer (Lionel Atwill).
Dieser "Frankenstein" gefällt mir wieder ganz gut. Die Universal hat mit Beginn der frühen Vierziger eine seltsame, schleichende Entwicklung hin zum B-Sektor vollzogen und sich insbesondere auf dem Sektor des Phantastischen vornehmlich mit Stoffen (darunter diverse Sequels & Crossover) abgegeben, die, was einen ernsthaften Mindestanspruch anbelangt, bereits von Anfang an wenig vielversprechend gewirkt haben dürften. Dafür ist "Ghost" aber noch recht ordentlich gelungen: Handwerklich durchweg solide und ohne die mitunter aufgesetzte Künstlichkeit des unmittelbaren Vorgängers ist der vorliegende Teil ein echter Vollblut-Grusler aus der zweiten Reihe mit einigen zum verschmitzten Grinsen anhaltenden Blödsinnigkeiten, aber wiederum auch mit einer Darstellerriege, die sich sehen lassen kann. Sehr bedauerlich bloß, dass Karloff ab jetzt fehlt. Chaney jr. ist mit seinen Pausbacken zwar ein namhafter Ersatz, sicherlich aber nicht der bestmögliche. Für die rührenden Szenen mit dem kleinen Mädchen (Janet Ann Gallow) hätte es eines Akteurs von Karloffs Fähigkeit zum nuancierten Spiel selbst unter Latex bedurft. Ansonsten aber, wie erwähnt, noch sehr brauchbar.
7/10
#1265
Geschrieben 01. Juli 2008, 07:51
Frankenstein Meets The Wolf Man (Frankenstein trifft den Wolfsmenschen) ~ USA 1943
Directed By: Roy William Neill
Ein paar Grabräuber öffnen die Ruhestätte Larry Talbots (Lon Chaney jr.), und das ausgerechnet bei Vollmond. Umgehend verwandelt sich der Langschläfer wieder in den Wolfsmenschen und büchst aus. Verzweifelt über seinen neuerlichen Blutdurst und die Unfähiggkeit, in Frieden zu sterben, sucht Larry die alte Maleva (Maria Ouspenskaya) auf, die ihn zu Ludwig von Frankenstein bringen will. Dieser ist jedoch in den Flammen seines Hauses umgekommen - nicht jedoch das Monster (Bela Lugosi), das in einem Eisblock ruht und von Larry befreit wird. Larry kommt auf die Idee, durch Energieübertragung endlich aus dem Leben scheiden zu können und macht sich die Fachkraft des Dr. Mannering (Patric Knowles) zunutze. Doch auch er lässt sich von der Faszination der bösen Wissenschaften anstecken und sorgt dafür, dass beide Monster zusätzlich erstarken. Es folgt das unausweichliche Duell.
Die absolute Spitzenidee eines Crossovers zweier langlebiger Serienmonster muss bei Universal einen geradezu umwerfenden Effekt gehabt haben. Die Geschichte des Gipfeltreffens zwischen Frankensteins Monster (das korrekterweise auch im Filmtitel diese Bezeichnung hätte tragen müssen) und des Wolfsmenschen Larry Talbot wurde immerhin von Curt Siodmak erdacht, glänzt aber nicht eben durch Inovation oder besondere Spannung. Zwar kann man auch hier die Annahme bestätigt finden, dass es sich um eine Traditionsproduktion handelt und dass man somit von Schlampereien weitestgehend verschont bleibt, dennoch nutzt sich das Konzept insbesondere des Frankenstein-Franchises langsam aber sicher ab. Die wütenden, fluchenden Hinterwäldler (diesmal von Lionel Atwill als rechtschaffenem Burgomaster angeführt) laden nurmehr zu herzlichem Gähnen ein und die Tatsache, dass das Monster, unter dessen (von Jack Pierce immer noch sorgfältig angefertigter) Maske diesmal Lugosi steckt, bereits zum zweiten Mal in seiner Universal-Karriere die Sprache eingebüßt hat und nebenbei urplötzlich wieder sehen kann, nachdem es im Finale des letzten Films wegen der Unverträglichkeit mit Ygors Gehirn erblindet war, reißt zudem kaum vom Hocker.
6/10
#1266
Geschrieben 02. Juli 2008, 08:15
Sneakers ~ USA 1992
Directed By: Phil Alden Robinson
Martin Bishop (Robert Redford) ist Hacker aus Überzeugung und für einst liberal-hehre Zwecke, bis ihn seine Frechheiten fast für Jahrzehnte ins Gefängnis gebracht hätten. Gegenwärtig macht er den Kopf einer semilegalen Truppe, die im Auftrag großer Firmen Einbrüche im eigenen Hause unternimmt, um ihre Sicherheitsstandards zu überprüfen. Eines Tages wird Bishop von ein paar NSA-Leuten in die Zange genommen und mehr oder weniger mit seiner Vita erpresst: Wenn seine Akte gesäubert werden soll, muss er eine Dechiffriermaschine stehlen. Der Auftrag gelingt - kurz darauf gibt es jedoch Mord und Totschlag. Ein alter Bekannter (Ben Kingsley) von Bishop, der zum Größenwahn tendiert, stellt sich als tatsächlicher Urheber des Schlamassels heraus.
In der Tradition von "Three Days Of The Condor", bloß ein bisschen braver und familienfreundlicher, bot "Sneakers" eine Redford-Hauptrolle par excellence. Zusammen mit der liebenswürdigen übrigen Besetzung, die durchweg für Charaktere steht, von denen nichteinmal der Oberbösewicht wirklich böse ist (und im Prinzip sanktionsfrei ausgeht), ergibt das die Basis für einen der schönsten amerikanischen Erzählfilme der frühen Neunziger. Auf der Klaviatur des dramaturgischen Registers werden zwischen Höchstspannung, Witz und gescheitem Dialog sämtliche Tasten absolut gekonnt angespielt. Das ergibt ein sympathisches Kinostück im besten Wortsinne, das ohne viel Tamtam oder ausgefeilte Effekte zwar nicht in Sphären reicht, in denen man außerordentliche Genialität wittert, dort aber auch - nachdrücklich - überhaupt nicht hin möchte.
8/10
#1267
Geschrieben 02. Juli 2008, 08:36
Horrors Of The Black Museum (Das schwarze Museum) ~ UK 1959
Directed By: Arthur Crabtree
Der Londoner Schreiberling Edmond Bancroft (Michael Gough) entwickelt ein sich zunehmend steigerndes Interesse für eine Serie von Frauenmorden, die die britische Hauptstadt unsicher macht. Mit ausgefeilten Mordwerkzeugen, darunter ein Fernglas, aus dessen Linsen kleine Spieße dringen, oder eine Guillotine für den Heimgebrauch, geht der Täter seinem Handwerk nach. Für Bancroft, der in seinem Haus ein makabres Kriminalmuseum beherbergt, ein tatsächlich nur scheinbar 'gefundenes' Fressen ...
Crabtrees prächtiges, vom Grand Guignol beeinflusstes Horrorabenteuer für die Anglo Amalgamted (in Übersee war AIP für den Verleih verantwortlich) präsentiert in groß angekündigtem CinemaScope einen Michael Gough, der in Höchstform eine erste Studie jenes Parts gibt, für den er bis heute zu den vielgeliebten britischen Gruselakteuren zählt: Den wahnsinnigen Killer zwischen Arroganz und Distinguiertheit, erhaben, mit süffisantem Blick und Rauchgerät. In seinem eigenen "Schwarzen Museum", zu dem im Vergleich das von Scotland Yard, so Bancroft, lächerlich und kaum erwähnenswert sei, hat er neben diversen Schuss- und Schlitzwerkzeugen sowie dem obligatorischen Säurebottich auch eine ominöse Computerwand mit allerlei Leuchtdioden, vor der er mit Notizkladde zu stehen pflegt, deren eigentlicher Zweck jedoch nie aufgeklärt wird. So etwas gehört wohl schlicht zum guten Ton eines Irren (Wissenschaftlers).
Ein herrlicher Film, zwar nicht frei von unfreiwilliger Komik, dennoch aber unverwechselbar britisch und allein damit schon qualifiziert fürs große Finale.
8/10
#1268
Geschrieben 03. Juli 2008, 08:15
House Of Frankenstein (Frankensteins Haus) ~ USA 1944
Directed By: Erle C. Kenton
Der einsitzende, verrückte Wissenschaftler Dr. Niemann (Boris Karloff), der sich seine Zelle mit seinem buckligen Faktotum Daniel (J. Carrol Naish) teilt, wagt den Ausbruch und gerät prompt an den Schausteller Lampini (George Zucco), der das Skelett Draculas (John Carradine) in seinem Wagen herumkutschiert. Niemann bringt Lampini kurzerhand um die Ecke, gibt sich als selbiger aus und plant, seine langgehegte Rache gegen das Gericht in Visaria, das ihn einst verurteilt hat, durchzuführen. Dazu macht er nicht nur Ge- bzw. Missbrauch von dem transsilvanischen Grafen, sondern auch von Frankensteins Monster (Glenn Strange) und dem Wolfsmenschen Larry Talbot (Lon Chaney jr.), die er beide aus dem Eise befreit.
Als eine Art "Best Of" verfügt "House Of Frankenstein" über nahezu sämtliche Zutaten, die den Universal-Filmen stets ihre Güte verliehen, darunter eine zeit- und realitätsentfremdete Landschaft, eine wütende Dörfleransammlung, schöne set pieces und einfallsreiche Verwandlungssequenzen sowie eine Zusammenfassung der beliebtesten Gruselfiguren (mit Ausnahme der Mumie und des Unsichtbaren natürlich). Einmal mehr gibt sich eine Vielzahl von Genreprofis die Ehre und Karloff ließ sich zum ersten Mal nach fünf Jahren wieder in einem Film mit dem Namen Frankenstein im Titel sehen, wenn auch diesmal ohne Maske. Unglücklicherweise sorgen die multiplen Elemente des Films dafür, dass viele Pfade beschritten werden, aber keiner davon zum Ziel führt; das Potenzial, das in der Zusammenführung der für einen Film dieser Länge unüberschaubaren Anzahl von Personen liegt, kann unmöglich ausgeschöpft werden, daher wirkt der Film oftmals, als zerfalle er ins Episodenhafte. Davon zeugt bereits die pfropfende, unbeholfene Unterbringung der Dracula-Figur in den ersten Filmminuten. Zudem ist es schade, dass Glenn Strange, dessen Physiognomie wie geschaffen erschien um des Monsters Make-Up zu tragen, nur eine so winzige Nebenrolle spendiert bekam (ähnlich wie im Quasi-Nachfolger "House Of Dracula"). Man hat ihm offenbar nicht genug Zutrauen geschenkt.
6/10
#1269
Geschrieben 04. Juli 2008, 07:25
Käpt'n Rauhbein aus St. Pauli ~ BRD 1971
Directed By: Rolf Olsen
Nachdem der Hamburger Kapitän Jolly (Curd Jürgens) im Streit seine ihn hintergehende Frau unglücklich geschubst hat (sie fällt durch ein mehrstöckiges Treppenhaus zu Tode), ist er mit der Welt unzufrieden. Zehn Jahre später sehen wir ihn als ungepflegten Seebären vor einer südamerikanischen Küste, der gerade dabei ist, seine Fracht durch die hinterfotzigen Tricks der dortigen Behörden einzubüßen. U.a. werden ihm wichtige Medikamente für eine deutsche Krankenstation entwendet und gleich noch die dort arbeitenden Krankenschwestern (u.a. Christine Schuberth) entführt. Käpt'n Jolly, der nicht nur gern einen trinkt, sondern dazu auch noch schief singt, haut aber alles wieder raus.
Die Phantasie des Rolf Olsen trieb ja mitunter schillernde Blüten. Auch dieser - wie immer bei ihm recht spekulativ angerührte Film - zeugt davon. "Käpt'n Rauhbein" ist ein dicker, welliger Groschenroman für die Leinwand, der seine Charaktere, die er auf Deibel komm raus als "Originale" verkauft wissen möchte, viel mehr liebt als sie sich selbst, und der seinem durchschnittlich fünfzigjährigen Publikum, das eine Art domestiziertes Freddy-Quinn-Abenteuer erwartet, ein lüsternes Räuspern zu entlocken plant, wenn die Schuberth ihren knackigen Popo zeigt oder ein empörtes "Huch!", wenn der arme Sieghardt Rupp (als einer der Latinogangster) unvermittelt einen ordentlichen Spritzer Salzsäure ins Gesicht kassiert und danach per Maschinenpistole alles umballert, was sich bewegt. Aber so ist Olsens Universum - knallhart, juchzromantisch, und dabei doch so bemerkenswert unwirklich.
5/10
#1270
Geschrieben 04. Juli 2008, 10:17
Frankenhooker ~ USA 1990
Directed By: Frank Henenlotter
Jeffrey Franken (James Lorinz) - eigentlich Elektriker von Beruf, tüftelt mit Vorliebe auf dem Gebiet der Chirurgie - und bringt beide Disziplinen zu erstaunlichen Fusionen. Als ein Geburtstagsgeschenk für seinen künftigen Schwiegerpapa (J.J. Clark), ein selbstführender Rasenmäher, seine Verlobte Elisabeth (Patty Mullen) überrollt und zu Tatar verarbeitet, kann Jeff seine bahnbrechenden Erkenntnisse zur Blüte bringen. Nachdem er eine Art Super-Crack kreiert hat, das seine Konsumenten umgehend explodieren lässt, lädt er ein paar Straßennutten in ein Hotelzimmer ein und bietet ihnen seine Detonationsdroge an - mit dem gewünschten Erfolg. Elisabeths noch erhaltener Kopf bekommt einen schicken Patchwork-Körper, dessen Puzzleteile jedoch nicht ruhen und weiter ihrem alten Gewerbe nachgehen wollen. Dabei ist die Franken-Elisabeth nicht ganz ungefährlich, denn sie hat die Eigenschaften des Explosivcracks übernommen.
Wenn Frank Henenlotter der klassischen Horrorliteratur eine Hommage zudenkt, dann ist davon auszugehen, dass das Resultat deutlich wüster ausfällt als seine Wurzeln. In seinem zweiten Film (nach "Brain Damage"), der nichts mit Duane und Belial zu tun hat, scharwenzelt Henenlotter dennoch wieder in der Gegend herum, die ihm am vertrautesten ist: Times Square und 42., inmitten von Zuhältern, Huren, Rausch und Schmierenkinos. Hier fühlt sich der auteur stets am wohlsten, hier ist er so richtig daheim. Ohne Rücksicht auf jedwede Form von Ästhetik oder Geistesreife nutzt Henenlotter Film als dicke, fette Heckenschere und verfährt in oberflächlich unsensibler, ebenso aber unverwechselbarer Art. Bei ihm sind die Freaks das tonangebende Sozialelement, wird das Abseitige zur Norm und erfährt das Schreckliche eine zärtliche Romantisierung, die vielleicht nicht jedem, der seiner Werke ansichtig wird, zwingend gewahr ist. Schlussendlich unbedeutend, denn Henenlotter macht keine Filme für jedermann.
Ein Hutzug noch für sämtliche Beteiligten, die sich erfolgreich dafür eingesetzt haben haben, dass "Frankenhooker" nunmehr in einer 16er-Freigabe ungekürzt und zudem günstig auf einer erstklassigen DVD zu haben ist. Das sind die kleinen Blitzlichter, die aufzeigen, dass im Zensurpfuhl hierzulande Hopfen und Malz noch nicht ganz verloren sind.
7/10
#1271
Geschrieben 05. Juli 2008, 08:06
We Own The Night (Helden der Nacht) ~ USA 2007
Directed By: James Gray
NYC, Ende der Achtziger: Während Joe Grusinsky (Mark Wahlberg) dem Papa (Robert Duvall) alle Ehre gemacht hat und wie er zur Polizei gegangen ist, fühlt sich Bobby (Joaquin Phoenix) eher in der Halbwelt der Discos und Drogen wohl. Für den exilrussischen Patriarchen Buzhayev (Moni Moshonov) leitet er erfolgreich einen Club. Vater und Sohn Grusinsky sind an den Verbindungen Bobbys immens interessiert, zumal dieser auch Kontakte zum berüchtigten Großdealer Vadim (Alex Veadov) unterhält. Nachdem Joe lebensgefährlich angeschossen wird, gerät Bobby zwischen alle Fronten.
Traditionsbewusster, spannender Polizeifilm, der sich ganz ungeniert an die ungeschriebenen Genre-Statuten klammert und das Altbewährte den modernen Innovationszwängen vorzieht. Das Ethno-Drama des widerfamiliären Einzelgängers ist ebenso wohlbekannt wie die zigmal durchexerzierten Spannungssequenzen um den verdrahteten Spitzel in Bedrängnis. Da Gray allerdings zu gescheit ist und zu professionell zu Werke geht, um plumpes Plagiieren walten zu lassen und vor allem aus seinen Einflüssen keinen Hehl macht, ist davon auszugehen, dass sein Film sich als Reminiszenz an all die großen Vorbilder versteht.
Vielleicht kein filmischer Erdrutsch, aber ein durchweg ansehnliches, mit Herz und Hirn gefertigtes Familiendrama.
8/10
#1272
Geschrieben 05. Juli 2008, 11:10
Speed ~ USA 1994
Directed By: Jan de Bont
Der durchgeknallte Ex-Polizist Payne (Dennis Hopper) präpariert einen Linienbus mit einer Bombe, die scharf wird, sobald das Fahrzeug schneller als 50 Meilen fährt und die detoniert, wenn es diese Geschwindigkeit wieder unterschreitet. Der wackere Bombenexperte Jack Traven (Keanu Reeves) kümmert sich um die Sache.
Eines der großen originären Kunstwerke des Actionfachs. Die inhaltlichen Drähte um kapitalorientierten Terrorismus und den von der Außenwelt isolierten Handlungsort verfolgen bereits eine gewisse Tradition, auch die Verbindung von Katastrophenfilm- mit Actionelementen ist nicht mehr neu. Angesichts des technischen und zugleich (genau darin liegt der Kniff) höchst organischen Wunderwerks, das man mit "Speed" kreiert hat, sind diese Aspekte aber marginal. Von Klimax zu Klimax im Stile alter Cliffhanger hangelt sich der Film, jeder scheinbar unüberwindlichen Herausforderung folgt eine weitere, die bereits zu erwarten war und dem Rezipienten eine eigentümlich funktionale Kombination aus Aha-Effekt und vorgeblich aktiver Mitgestaltung zuteil werden lässt, besonders bei wiederholtem Anschauen.
Dem motivspendenden Titel entsprechend ist alles permanent in motorisierter Bewegung, sowohl die Vehikel als auch die Kamera selbst. Stillstand bedeutet Tod und Zerstörung, wenn etwas zum Stehen kommt, dann mit einem gewaltigen Knall.
De Bont nutzt in seinem Erstlingswerk als Regisseur jenen Erfahrungsreichtum, den er als langjähriger Kamerann, der u.a. für Paul Verhoeven und Joel Silver gearbeitet hat, ansammeln konnte und der eine Menge über Bewegung gelernt hat. Das Ergebnis ist ein atemberaubender Archetypus, einer der letzten echten, die die Trivialkultur geschaffen hat.
9/10
#1273
Geschrieben 05. Juli 2008, 17:09
WΔZ ~ UK 2007
Directed By: Tom Shankland
Die beiden Polizisten Eddie Argo (Stellan Skarsgård) und Helen Westcott (Melissa George) klären eine Mordserie, bei der jeweils zwei Opfer zu beklagen sind, die in bestimmter enger Beziehung zueinander stehen. Über Umwege geraten die Ermittelnden an eine Frau namens Jean Lerner (Selma Blair), die vor einiger Zeit selbst das Opfer eines grausamen Verbrechens wurde.
Moral- und bibelfeste Mörder mit einem Meisterplan sind innerhalb des Serienkillergenres mittlerweile zu einer festen Institution herangereift. "WΔZ", dessen Titel auf einer tatsächlich existenten Formel beruht, die die natürlichen Grundfesten altruistischen Aufopferungswillens in algebraischer Form zusammenfasst, darf sich rühmen, einen weiteren Beitrag zu ebendieser Unterklassifikation geliefert zu haben. Zusätzlich interessant wird das Ganze, weil der zuständige Beamte, der gleich von Beginn an als sehr unvitaler und freudloser Mensch beschrieben wird, selbst manche Aktionen in einer ethischen Grauzone zu verantworten hat, deren Motivation erst gegen Schluss aufgeklärt wird. Trotz manch überdeutlicher Zitiererei bekannter (und besserer) Vorbilder bleibt am Ende ein speziell für hartgesottene Freunde dunkelfarbiger Kriminalstücke sehenswerter Beitrag, dessen Konstrukt als vielgerühmten Beitrag zu humanistischen Lehren ich persönlich jedoch für überschätzt halte.
7/10
#1274
Geschrieben 07. Juli 2008, 08:27
I Due Superpiedi Quasi Piatti (Zwei außer Rand und Band) ~ I 1976
Directed By: Enzo Barboni
Die zwei Tagelöhner Matt (Terence Hill) und Wilbur (Bud Spencer) geraten eher widerwillig als Beamtenanwärter an die Polizei von Miami. Nach Beendigung ihrer Ausbildung kommen sie einer Bande von Drogenschmugglern auf die Spur, die ihr Geschäft gut getarnt in den Docks vollführt.
Die Vorzüge des schönen Florida, das manchem Italiener vorkommen muss wie die Erfüllung aller amerikanischen Träume, finden hier erstmals als Kulisse für ein Spencer/Hill-Abenteuer Verwendung. Mit Ausnahme von David Huddleston, den die Welt später als den 'großen' Lebowski in Erinnerung behalten soll, gibt es nichtsdestotrotz eine durchweg importierte Besetzung, darunter den unvermeidlichen Riccardo Pizzuti, aber auch Überraschungen wie den aus Bavas "Operazione Paura" bekannten Luciano Catenacci und die schöne Laura Gemser. Eine illustre Gesichterschar also, der zuzusehen wie üblich viel ehrliches Entertainment beinhaltet. Höhepunkt wie imer: Die obligatorische, große Fress- und Saufszene, diesmal mit zwei kriminellen Bikinischönheiten im Schlepptau.
6/10
#1275
Geschrieben 07. Juli 2008, 08:41
The Devil Dared Me To ~ NZ 2007
Directed By: Chris Stapp
Seit seiner Kindheit träumt der Naivling Randy Cambell (Chris Stapp) von einer Karriere als Stuntman. Sein größter Traum liegt darin, einen motorisierten Sprung über den 15 Meilen breiten Cook-Kanal zu vollfühen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg, dem besonders Randys Vorbild, der fiese Dick Johansonson (Matt Heath) diverse Steine in den Weg legt.
Diese derbe Stuntmilieu-Pendant zu "Almost Famous" ist voll von Witz und Gemeinheiten, die kombiniert die Grenzen der Geschmacklosigkeit gern und mit Vorliebe überschreiten. Wie es bei neuseeländischen Filmen, die filmische Ästhetizismen ausloten, so üblich ist, dürften diese kleinen Schrecknisse aber bloß beim ersten Anschauen eine leichte Empörung provozieren und spätestens ab dem zweiten Mal für herzhaftes Kichern sorgen. Die Ambition, mit der "The Devil Dared Me To" entstanden ist, merkt man ihm jedenfalls zu jeder gekonnten Sekunde an und mit seinem Bollohumor und dem frechen Erscheinungsbild schlägt er als Kiwikomödie in der Tradition des frühen Peter Jackson vor so manchem Übersee-Produkt einen scharfen Haken.
7/10
#1276
Geschrieben 07. Juli 2008, 09:05
The Dark Half (Stark) ~ USA 1993
Directed By: George A. Romero
Nach einem Erpressungsversuch durch einen schmierigen Kleinkriminellen (Robert Joy) entscheidet sich der Autor Thad Beaumont (Timothy Hutton) nicht nur zur Offenlegung seines Pseudonyms George Stark, unter dessen Namen Thad gewalttätige und pornografische Ausverkaufsliteratur zu schreiben pflegt, die ironischerweise sehr viel besser geht als Thads "richtige" Romane. Nein, Stark soll im Zuge seiner Vorstellung auch gleich "sterben" und rituell zu Grabe getragen werden. Über dieses medienträchtige Ereignis hinaus beginnt der bislang imaginäre, überaus rüpelhafte Schriftsteller jedoch plötzlich ein inkarniertes Eigenleben zu führen, das er dazu nutzt, sich an sämtlichen Personen, die an seiner "Ermordung" beteiligt waren, zu rächen.
Romero hatte mit "The Dark Half", der bei Orion rund zwei Jahre lang seiner Premiere harren musste, recht immense Probleme. Diese waren immerhin so groß, dass der Regisseur sich neun Jahre lang von weiteren Inszenierungen fernhielt und seine Studioerfahrungen zum Anlass nahm, bis auf Weiteres unabhängig zu arbeiten. Ich muss sagen, dass ich angesichts des Resultats geflissentliche Schwierigkeiten mit Romeros Protesten und seiner Ablehnung des Films habe. Tatsächlich halte ich ihn für glänzend gemacht und sogar eines der Kronjuwelchen in Romeros Schaffenskrone. Sicher, es gibt viele Aspekte, die dazu beitragen, dass "The Dark Half" zu einer unbedingten Qualitätsarbeit gereift ist, als da wären das Thema des sich verselbstständigenden alter egos, das nicht nur Stephen King als Autor der Romanvorlage beschäftigen dürfte, die gekonnte bis spannende Ausarbeitung von Starks Dämonie mit wiederkehrenden, atmosphärischen Motiven (Elvis' "Are You Lonesome Tonight" wird man danach nie mehr harmlos finden) und schließlich eine erstklassig aufspielende Darstellerriege, die große Namen wie Michael Rooker und Julie Harris verzeichnen kann. Toller Film.
8/10
#1277
Geschrieben 07. Juli 2008, 18:22
Undisputed II: Last Man Standing ~ USA 2006
Directed By: Isaac Florentine
Der Box-Schwergewichts-Weltmeister George Chambers (Michael Jai White) ist in der Ukraine unterwegs, um dort Werbegelder einzufahren. Das freut den Mafioso Gaga (Mark Ivanir), der ein ganzes Gefängnis kontrolliert, in dem illegale Wettkämpfe nahezu ohne Regeln stattfinden. Deren Champion ist der einsitzende Boyka (Scott Adkins), ein sehr ungemütlicher Zeitgenosse mit einem irrationalen Hang zur Philatelie. Chambers landet, nachdem Gaga ihm umtriebigerweise kurzerhand Drogen untergeschoben hat, in der entsprechenden Strafinstitution und darf nur wieder heraus, wenn er sich Boyka zum Kampf stellt.
Leider ist mir der Vorläufer dieses hübsch asozialen Klopperfilms, in dem der Hauptcharakter von Ving Rhames gespielt und vorgestellt wird, noch unbekannt. Wie man liest und hört, spielt dies aber keine wesentliche Rolle für das Verständnis von "Undisputed II", was ich nach dem Genuss des Films auch umgehend bestätigt fand. Es bedarf ohnehin keiner besonderen geistigen Anstrengung, um sich in dem DTV-Universum, in dem, wie so häufig in jüngerer Zeit, östliche Formen des Strafvollzugs, der Korruption und des Organisierten Verbrechens den Ton angeben, zurechtzufinden. Nicht so unbarmherzig trist wie Ringo Lams "In Hell", ansonsten aber eine ganz ähnliche Spur verfolgend, bietet der Film sämtliche Knacki-Klischees, die man eben so kennt, einen kernigen Proletenprotagonisten, der seinem Konterpart eigentlich in nichts nachsteht, sowie einige Kameraspielereien mitsamt split screen und Drehereien an der Zeitraffereinstellung. Guter Spaß, der keinem (vor der Glotze) wehtut.
6/10
#1278
Geschrieben 07. Juli 2008, 18:45
Glengarry Glen Ross ~ USA 1992
Directed By: James Foley
Ein paar Mitarbeiter (Al Pacino, Jack Lemmon, Alan Arkin, Ed Harris) der Immobilien-Agentur Mitch & Murray werden von einem der Manager (Alec Baldwin) vor ein simples Ultimatum gestellt: Bis zum Ende der Woche die Tabellenspitze anführen oder auf der Straße stehen. Der Haken besteht darin, die entsprechenden Parzellen an Kunden zu verkaufen, denen die nötige Kaufkraft oder das rechte Interesse fehlen und die in der Branche längst beschriebene Blätter sind. Wie zum Hohn hält man den verzweifelten Klinkenputzern ein Bündel Kundenadressen unter die Nasen, mit denen problemlos Geld zu machen wäre. Am nächsten Morgen sind just diese sogenannten "Glengarry-Adressen" aus dem Firmensafe entwendet worden.
Der dem Film zugrunde liegende Zweiakter von David Mamet, welcher außerdem das Script für die Verfilmung erstellt hat, ist eine der hervorstechendsten literarischen Kritiken am Kapitalismus, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufzufinden ist und reicht in seiner Konturenschärfe sogar an Millers "Death Of A Salesman" heran. Gewidmet ist auch diese Geschichte dem letzten Nahrungskettenglied der Geschäftswelt: Dem Vertreter. Egal in welcher Branche er tätig ist, er führt ein denkbar undankbares Berufsleben, abhängig allein von individuellen Erfolgszahlen und Provisionen. "Glengarry Glen Ross", der sich speziell das real-estate-business vorknöpft, macht unbarmherzig spürbar, wie beschissen es Menschen gehen muss, die unter einem derartigen existenziellen Druck stehen, der zusätzlich noch in fürchterlich herablassender und beleidigender Form von ihren Vorgesetzten auf sie niedergeht. Die von Baldwins mysteriösem BMW-Fahrer und Rolex-Träger vorgestellten "ABC"- und "AIDA"-Formeln sind dabei keinesfalls dramaturgische Erfindungen, es gibt sie tatsächlich.
Die Chance, in einer Mamet-Verfilmung mitspielen zu können lockt Personal auf den Plan und so kann man ein durchweg männliches Ensemble bewundern, das in dieser Zusammenstellung absolute Königsklasse bietet und mit der Intensität seines Spiels in Ergänzung zu Foleys dynamischer Inszenierung jede Behauptung Lügen straft, verfilmte Bühne sei statisch. Einer der packendsten und intensivsten Filme seiner Dekade.
10/10
#1279
Geschrieben 07. Juli 2008, 21:21
The Yards ~ USA 2000
Directed By: James Gray
Nachdem Leo (Mark Wahlberg) aus dem Knast entlassen ist, besorgt sein bester Freund Willie (Joaquin Phoenix) ihm umgehend einen neuen Job: Leo fängt bei seinem Stiefonkel Frank (James Caan) an, der eines der führenden U-Bahn-Unternehmen New Yorks betreibt. Da Frank sich nicht immer legaler Methoden befleißigt und zudem einen ganzen Rattenschwanz der Korruption bis in obere Führungsetagen der Stadt bewirtschaftet, gibt es bald Ärger um einen erstochenen Rangiermeister und einen schwer verletzten Polizisten. Leo, dem fälschlicherweise beide Delikte vorgeworfen werden, flieht und versteckt sich, Willie und Frank vergeblich um Hilfe ersuchend. Schließlich bleibt ihm lediglich die Flucht nach vorn.
"We Own The Night" gab mir neulich Anlass genug, "The Yards" wieder aufzufrischen, den Zweitfilm des bis dato leider recht spärlich arbeitenden auteurs James Gray. Die Beziehungsstränge und Konflikte erscheinen hier noch deutlich schwerer und tragischer, wozu nicht zuletzt das komplexe Familien- und Freundschaftsgeflecht beiträgt, das Gray entspinnt. Die Grundzüge der Geschichte um die Korruptionsverwicklungen im öffentlichen Nahverkehr wirken dabei eher wie der vielzitierte Sturm im Wasserglas und erinnern mit einem James Caan an der Spitze, der um nichts in der Welt seine sauer eroberten Territorien wieder feilbieten würde, an ähnliche Branchen- oder Gewerkschaftsdramen, die die Grauzonen zwischen legaler Fassade und rücksichtslos arbeitenden Hintergründen ausloten. Ganz wunderbar Harris Savides' geheimnisvoll ausgeleuchtete und vorzüglich arrangierte Sepiagemälde, die häufig mehr von den abgebildeten Gesichtern und Profilen verbergen als sie preisgeben.
8/10
#1280
Geschrieben 09. Juli 2008, 09:23
Fresh ~ USA 1994
Directed By: Boaz Yakin
Michael (Sean Nelson), genannt "Fresh", ist ein dreizehnjähriger Junge, der sich, in Brooklyn aufwachsend, längst seinem Umfeld gestellt hat. Mit ungeheurer Cleverness meistert er seinen trostlosen Alltag, adaptiert sich an die bestehenden Verhältnisse, funktioniert seine hohe Intelligenz zu krimineller Energie um. Als er eines Tages Zeuge zweier völlig unsinniger Morde wird, entwickelt Fresh einen allumfassenden Racheplan.
Leider hat man "Fresh" nie die Reputation der übrigen in den frühen Neunzigern entstandenen Ghetto-Filme angedeihen lassen, dabei handelt es sich um einen der komplexesten Beiträge zu diesem Themenkreis. Gerade die Sicht eines Kindes, das sukzessive aus der Unschuld herausgedrängt wird und dem ein Aufwachsen mitsamt der Erfüllung gewöhnlicher kindlicher Bedürfnisse nicht gestattet ist, bietet die Möglichkeit zu einer allumfassenden Parabel mit einer perspektivischen Vielfalt, die ähnlich gelagerte Filme bestenfalls streifen. Der Hauptdarsteller Sean Nelson leistet Phantastisches, sein vorgeblich emotionsloses Gesicht spiegelt zugleich das Brodeln wider und die Ängste, die sich hinter Freshs aufgesetzter Abgeklärtheit verbergen.
Sollte es jemals einen globalen Filmkanon pädagogisch relevanten Pflichtprogramms geben, "Fresh" müsste unbedingt dazugezählt werden.
9/10
#1281
Geschrieben 09. Juli 2008, 10:00
Shivers (Parasiten-Mörder) ~ CAN 1975
Directed By: David Cronenberg
In naher Zukunft: Die Mieter des Starliner, eines riesigen Wohnkomplexes außerhalb von Montreal, leben in praktischer Autarkie. Sämtlicher Existenzbedarf findet sich in den vier Wänden des Gebäudes wieder, darunter neben Konsumgelegenheiten aller Art auch Ärzte und Apotheken. Eines Abends gerät Dr. St. Luc (Paul Hampton) auf eine eigenartige Spur. Es scheint, als pflanze sich im Starliner in Windeseile ein phallisch geformter Parasit fort, der seinen Wirt zur absoluten, triebhaften Haltlosigkeit treibt. Bald wird das ganze Gebäude von Orgien durchschüttelt, die zwischen Libido und Thanatos alles feilbieten.
Cronenbergs erster Langfilm von internationaler Bedeutung, noch etwas holprig hergestellt und primär der Exploitation verpflichtet, verhandelt gleich seine beiden Lieblingsthemen: Medizinische Fehlentwicklungen und die Untiefen psychischer Abartigkeiten, beides in ein Kausalitätsschema gesetzt. Wo sich der spätere Cronenberg von dem alten politphantastischen Motiv der unbändigen Angst vor der uniformen Gesellschaft distanzieren wird, da lässt der frühe dies noch als Drittprinzip walten. Um nicht Gefahr zu laufen, seine entfesselten Zombies der ultimativen Geilheit am Ende ihren Schrecken zu nehmen und als allzu idealisierte Wunschsymbole erscheinen zu lassen, kommt kurzerhand das Ansteckungselement hinzu, das jede Freiwilligkeit ausschließt. Dennoch: Wer die Wahl hätte zwischen body snatchers, tumben kannibalistischen Zombies oder eben den "Shivers", dürfte sich ohne zu zögern für letztere entscheiden. Warum auch nicht? Das (Rest-)Leben - ein ewiger Koitus.
7/10
#1282
Geschrieben 09. Juli 2008, 18:09
The Hurricane ~ USA 1999
Directed By: Norman Jewison
Als der junge Schwarze Lesra Martin (Vicellous Reon Shannon), der in einer Torontoer Kommune von Freidenkern aufwächst, auf einem Bücherflohmarkt auf die Autobiographie des unschuldig inhaftierten Boxers Rubin Carter (Denzel Washington) stößt, packt ihn dessen Geschichte und lässt ihn fortan nicht mehr los. Er knüpft Kontakt zu dem Verurteilten, der wegen dreifachen Mordes hinter Gittern sitzt und überzeugt sogar seine Mentoren, sich mit dem längst medienträchtigen Fall zu beschäftigen. Das Engagement aller Beteiligten sorgt schließlich für eine Revision des Falles und Carters anschließenden Freispruch.
Hollywood kotzt amerikanische Geschichte aus: Wenn ein Studio sich einer authentischen Story annimmt, die solche Wellen geschlagen hat wie die des "Hurricane" Carter, der bereits zahlreiche vornehmlich linksliberale Fürsprecher auf seine Seite zu ziehen wusste (prominentestes Beispiel: Bob Dylan), dann ist im Regelfall ein zweischneidiges Schwert zu erwarten. Und tatsächlich hagelte es gleich nach der Premiere von Jewisons Film enorme Kritik wegen unsachgemäß dargestellter Zusammenhänge, Mythisierungen, Unterschlagungen. Soweit das sozialkulturelle Echo. Auf der feuilletonistischen Seite erfolgen in solchen Fällen mit Vorliebe gesäter Spott, Belächelung, Ignoranz. Schließlich spielt ein typischer Vorzeigeethniker, der mit Tränendrüsen erfahrungsgemäß ausnehmend geschickt umgeht, den schwierigen Hauptpart, schließlich werden hier ernsthafte Politika zugunsten von kommerz- wie publikumsorientierter Narration und fesselnder Dramaturgie simplifiziert.
Sich von "The Hurricane" mitreißen zu lassen, ist leicht, ihn als filmische Nichtigkeit zu verdammen, vielleicht sogar noch leichter. Ist man allerdings bereit, den unzureichenden Authentizitätsanspruch des Films sowie die Tatsache, dass er kaum mehr hält als er verspricht, im Hinblick auf seine treffende, bissige Kritik an einem von innen heraus verfilzten Machtapparat zu übersehen, so kann man nicht umhin, bei aller schlussendlichen Versöhnlichkeit ein gehöriges Maß an Fulminanz zu entdecken. Dann wird "The Hurricane" zu einem filmischen Offenbarungseid, zu einem solchen jedoch, dem zu allgemeiner Schande weithin leider ebenso ungerecht mitgespielt wurde und wird wie seinem Titelhelden.
8/10
#1283
Geschrieben 10. Juli 2008, 18:49
F.I.S.T. ~ USA 1978
Directed By: Norman Jewison
Mittlerer Westen, Depression: Lagermalocher Johnny Kovak (Sylvester Stallone) stinken die Methoden seiner Bosse und Vorarbeiter schon lange und so schließt er sich zusammen mit seinem besten Kumpel Abe (David Huffman) bald der Fernfahrer-Gewerkschaft F.I.S.T. (Federation Of Interstate Truckers) an, in der er dank seiner Omnipräsenz und Unnachgiebigkeit schon bald eine führende Rolle bekleidet. Unter seiner Co-Leitung schießen die Mitgliederzahlen nach und nach in die Höhe, allerdings sieht sich Kovak bald gezwungen, mit Gaunern und sogar der Mafia zu paktieren, um bestimmte organisatorische Ziele zu ermöglichen. Diese Verbindungen werden ihm Jahrzehnte später zum Verhängnis.
Sich mehr oder weniger lose an der Biographie Jimmy Hoffas orientierend, ersann der ehedem noch respektable Autor Joe Eszterhas sein erstes Drehbuch, das mit viel Zeitkolorit (zur Reaktivierung einer authentischen Atmosphäre wurden Teile des Films in England gedreht) und typischer Americana-Romantik von Jewison verfilmt wurde. Was für Eszterhas gilt, gilt für Stallone schon lange: Dem haftete damals noch das Image eines ernstzunehmenden, aufstrebenden Akteurs für Sozialdramen an und so ähnelt die Herangehensweise an seinen Part nicht von ungefähr an seine eigene, noch junge Erfolgsgeschichte um "Rocky".
In fesselnder Weise den Gangsterfilm streifend und mit viel Gespür für historisch relevante, zwiespältige Persönlichkeiten, die zur falschen Zeit falsche Entscheidungen trafen, bleibt "F.I.S.T." trotz seiner recht imposanten Laufzeit zu jeder Minute mitreißend und schildert ein wichtiges Kapitel amerikanischer Sozialhistorie in nicht zu komplexen, empathischen Bildern.
8/10
#1284
Geschrieben 10. Juli 2008, 19:13
Rollerball ~ UK 1975
Directed By: Norman Jewison
In der Zukunft wird die Erde nicht mehr von Regierungen beherrscht, sondern von einer einzigen großen, alles kontrollierenden Wirtschaftsmacht, den Corporations. Den größten Schlager in der Entertainment-Branche liefert der Kontaktsport "Rollerball", bei dem in einer kreisrunden Arena zwei Teams von Rollschuhfahrern mit je einem Quarterback auf einem Motorrad versuchen müssen, einen zuvor aus einer Schusscorrichtung abgefeuerten Metallball in das gegnerische Tor zu bringen. Dabei kommt es regelmäßig zu Verletzten und Toten. Star der Manege ist das Massenidol Jonathan E. (James Caan). Als die Corporations sich wegen dessen langjährigen Erfolges beim Publikum, der sich zunehmend jeder Obrigkeitskontrolle entzieht, Sorgen zu machen beginnen, will man E. zum Rücktritt bewegen. Nach und nach beginnt Jonathan, der nicht klein beizugeben gedenkt, hinter die Fassade der Corporations vorzudringen und findet sich schließlich als Rebell auf dem Spielfeld wieder.
Unter den großen Filmdystopien der Siebziger repräsentiert "Rollerball" einen vergleichsweise subtilen inhaltlichen Ansatz. Hier werden weniger die zeitgenössischen sozial- und wirtschaftspolitischen Alarmsignale um Überbevölkerung, Energiekrise und Kalten Krieg zum Anlass genommen um eine besorgniserregende Allgemeintendenz darzustellen, sondern eine denkbar logische Fortentwicklung der bestehenden Verhältnisse, die gegenwärtig sogar noch aktueller erscheint: Die langsame Herausschälung eines Monokapitalismus, der, nachdem sämtliche Wirtschafts- und Informationszweige fusioniert sind, keine Politik, keine Kriminalität und keine Kriege mehr benötigt, da er zum alleinigen Meinungsmacher avanciert ist. Bildung und Wissen sind für weite Teile der Bevölkerung zum überflüssigen Kuriosum geworden, da man mit seiner die primären und sekundären Bedürfnisse abdeckenden, gesicherten Existenz hinreichend zufrieden sein kann. Das Spiel "Rollerball" kanalisiert die letzten humanen Sehnsüchte nach Nervenkitzel und Blut, der Messias wird dabei völlig unbeabsichtigt und letztendlich sogar durch dessen provozierten Widerstand herangezüchtet.
Die bemerkenswerteste Szene des Films zeigt eine beinahe surreale Aktion: Benebelt von der Leibdroge der Zukunftsbourgeoisie, die jedermann in Pillenform mit sich herumzutragen pflegt, ballern ein paar Partygäste einige freistehende Bäume in Schutt und Asche. Gegenwartsbezogener Symbolismus in Reinkultur.
9/10
#1285
Geschrieben 11. Juli 2008, 06:57
The Thomas Crown Affair (Thomas Crown ist nicht zu fassen) ~ USA 1968
Directed By: Norman Jewison
Der Spaßmillionär Thomas Crown (Steve McQueen) kann es sich leisten, den Lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen und seinen Hobbys in aller Ausgiebigkeit zu frönen. Dennoch liebt er das Risiko: Er engagiert fünf Männer, die für ihn einen Bankraub durchführen und bleibt dabei als Mastermind selbst unerkannt im Hintergrund. Die Versicherungsdetektivin Vicki Anderson (Faye Dunaway) sitzt ihm schon bald im Nacken.
"Thomas Crown" gehört unbedingt in jede Liste mit substanziellen, repräsentativen Filmen seiner Dekade. Höchst unkonventionell und schwungvoll inszeniert, stilverliebt bis zur letzten Konsequenz und mit einem flott groovenden Soundtrack (Michel Legrand) unterlegt, feuert Jewison in seiner innovativsten Regiearbeit wilde split screens ab und lässt viel Inhaltliches einfach unkommentiert bzw. überantwortet es der Logik des Zuschauers.
Das alles ist mindestens so rotzig wie der Hauptcharakter, den man als kleinbürgerlicher Rezipient in einer Mischung aus aufrichtigem Neid und aufrichtiger Angewidertheit in seinen perfekten Anzügen und feist grinsend bei seinen Selbstgefälligkeiten beäugt. Und es ist auch ein politologisches Statement: Man benötigt lediglich ein paar Millionen, um es sich leisten zu können, aufrichtiger Anarchist zu sein.
8/10
#1286
Geschrieben 11. Juli 2008, 16:01
In The Heat Of The Night (In der Hitze der Nacht) ~ USA 1967
Directed By: Norman Jewison
Im Mississippi-Nest Sparta wird ausgerechnet in jener Nacht ein Mann umgebracht, in der der farbige Detective Tibbs (Sidney Poitier) aus Philadelphia am Bahnhof auf einen Anschlusszug wartet. Prompt wird er als Verdächtiger festgenommen, kann den Police Chief Gillespie (Rod Steiger) aber rasch von seiner Unschuld überzeugen. Dieser registriert dafür umgehend, dass Tibbs' investigatives know-how dem seinen völlig überlegen ist und bittet so den Kollegen zähneknirschend um eine Obduktion der Leiche. Tibbs' Ehrgeiz ist geweckt und obwohl ihm allerorten Rassismus und Feinseligkeit entgegenschlagen, klärt er den Fall binnen zwei Tagen auf.
Obschon ein Meilenstein in der Liberalisierung des amerikanischen Studiofilms, präsentiert sich die Perspektive doch weiterhin als eine unleugbar weiße, wird man doch mit der Darstellung des afroamerikanischen Detective im Nadelstreifenanzug eines recht exotischen Charakters gewahr, der zwar uneingeschränkten Respekt von Rezipientenseite genießt, im Prinzip aber dennoch und weiterhin einen Fremdkörper markiert. Da erscheint der raubeinige aber herzliche Gillespie um einiges zugänglicher. Nichtsdestotrotz ist die narrative Komponente durchweg als gelungen zu bezeichnen, das Sujet im Ganzen mitsamt seinen aufeinanderprallenden Gesinnungen, Sozialmechanismen und differierenden Lebensrealitäten ein sehr spannendes. Zu verdanken ist das neben Quincy Jones' phantastischem, bluesigen Score primär dem einfühlsamen und hervorragenden Spiel der Darsteller Steiger und Poitier, die letztlich den kompletten Film tragen.
8/10
#1287
Geschrieben 13. Juli 2008, 19:40
The Cincinnati Kid ~ USA 1965
Directed By: Norman Jewison
Eric Stoner (Steve McQueen), in südstaatlichen Pokerkreisen als "Cincinnatti Kid" respektiert und gefürchtet, fehlt nur noch ein letzter Triumph, bis er sich als wirklich ungeschlagen bezeichnen kann: Er muss den leicht betagten Champion Lancey Howard (Edward G. Robinson) entthronen. Dieser nimmt die Herausforderung an und verwickelt Kid in einen wahren Marathon von Poker-Partie.
Als Abschluss meiner kleinen, sehr selektiven Jewison-Reihe gab es dieses Exempel für eine sanfte Welle existenzialistischer Zockerdramen, die in den Sechzigern kurzzeitig ein sehr beliebtes Hollywood-Sujet und zugleich stets einen dankbaren Stoff für anspruchsvolles Schauspielkino abgaben. Steve McQueen, musterhaft in seiner Gabe, den schweigsamen Männertypus zwischen Unsicherheit und Selbstbewusstsein zu personifizieren, liefert als Eric Stoner jene Art Mann, die Jewison Zeit seiner Arbeit beschäftigte: Den großen Loner, der als unkonventioneller Mosaikstein in einem lebensfeindlichen System gegen seine eigene Demografie antritt. Seine offensichtlich proletarische Herkunft möchte Kid abstreifen, was ihm nur gelingen kann auf einem Gebiet, das seine Fähigkeiten schürt. Und dabei handelt es sich eben um den Pokertisch.
Edward G. Robinson, einer meiner Lieblingsakteure des Golden-Studio-Age, ist als Lancey Howard dabei nichts anderes als eine mögliche Zukunftsprojektion seines jungen Widerparts, ein fordernder Luxusmensch, höchst abgeklärt, nur vordergründig freundlich und auf subtile Weise absolut despektierlich gegenüber Zeitgenossen, die er nicht schätzt.
8/10
#1288
Geschrieben 13. Juli 2008, 20:07
Bound By Honor (Blood In, Blood Out - Verschworen auf Leben und Tod) ~ USA 1993
Directed By: Taylor Hackford
Als Miklo (Damian Chapa), ein junger, halber Chicano, 1972 in sein Barrio in East Los Angeles zurückkehrt, erwarten ihn seine beiden Cousins Paco (Benjamin Bratt) und Cruz (Jesse Borrego), die Miklo permanent wegen seines kaukasischen Äußeren aufziehen. Alle drei gehören der Gang 'Vatos Locos' an, die sich im ständigen Konflikt mit den Nachbargruppierungen befindet. Als es eines Tages infolge eines Überfalls auf Cruz zu einer tödlichen Schießerei kommt, die Miklo mitverschuldet, zerbricht der Zusammenhalt der drei Freunde. Paco geht zu den Marines und wird dann Drogenfahnder, Cruz widmet sich seiner Aktionsmalerei und wird heroinabhängig, Miklo landet in San Quentin und lernt dort die ethnischen Strukturen und Hierarchien des Knastalltags kennen. Es kommt zu mehreren verhängnisvollen Zusammentreffen. Für Miklo, der nach und nach zum Kopf der Latino-Organisation 'La Onda' aufsteigt, gibt es bald kein Zurück mehr aus der Kriminalität.
Hackfords mit Abstand bester Film, ein gewaltiges Epos über lateinamerikanische Familienbande in East L.A., bezieht viele authentische Elemente in seine komplexe Geschichte über Prinzipien und ihre Beständigkeit ein. Die Darstellung des Alltags in den großen kalifornischen Strafanstalten - neben San Quentin sind das Folsom und Chino - und der Machtverhältnisse die dort vorherrschen, wird mit großer Detailverliebtheit nachgezeichnet. Dass hier nebenbei die Straßenkriminalität rund um Drogen, Prostitution und Mord kompromisslos weitergeführt wird, kennzeichnet die Unfähigkeit der staatlichen Obrigkeit mit den Zuständen dort fertig zu werden.
In erster Linie aber geht es um drei gewissermaßen mustergültige Schicksale junger Mexikaner, die ihre Lebenswege trotz aller Widrigkeiten gewissermaßen meistern, jeder eben auf seine unterschiedliche Weise, und die es mal mehr, mal weniger bewerkstelligen können, in ihrem jeweils gewählten Metier erfolgreich geradeaus zu gehen. Das alles ist höchst komplex, bisweilen recht brutal, jedoch stets mit viel Emotion und Herz inszeniert, manchmal ein wenig kitschig, aber ebendas repräsentiert ja mitunter das porträtierte Lebensgefühl. Eine begeisternde Schar von bekannten Gesichtern aus der Indie-Szene verchromt das Ganze noch zusätzlich, so dass man sich nach dem Genuss von "Bound By Honor" am liebsten mit Unterhemd, Bandana und Sonnenbrille ausstaffiert in einen Low Rider schwingen möchte, eine Flasche Tequila in der Hand, um später noch mit Quetzalcoatl einen Danzón aufs Parkett zu legen und den Tag der Toten zu feiern.
Ein Film, den ich aufrichtig liebe.
10/10
#1289
Geschrieben 14. Juli 2008, 12:35
Mr. Smith Goes To Washington (Mr. Smith geht nach Washington) ~ USA 1939
Directed By: Frank Capra
Nachdem ein für die Pläne des gierigen Komplottisten Jim Taylor (Edward Arnold) wichtiger Senator stirbt, soll rasch ein Ersatzmann her. Dafür benutzt man kurzerhand den unbedarften Naivling Jefferson Smith (James Stewart), der sich durch wenig Ahnung von reeller Politik, dafür aber durch blinden Idealismus auszeichnet. In Washington zu einer Senatssitzung angekommen, präsentiert Smith sogleich den Plan für ein Jugendcamp auf ehrenamtlicher Basis. Dieses soll allerdings genau an der Stelle errichtet werden, wo Taylor einen gigantischen Grundstücksschwindel im Auge hat. Smith wird kurzerhand zum Opfer böser Diffamierungen und Lügen, die schließlich zur Entziehung seines Mandats führen sollen, Smith jedoch macht von seinem Recht auf Redefreiheit Gebrauch und hält einen Marathonvortrag über Integrität, Freiheit und Verfassungsrecht.
Capras hoffnungsvolles Pamphlet über die wahren Wunder Amerikas, die nicht innerhalb der beinahe hoffnungslos korrumpierten Politik, sondern beim einfachen Volk zu suchen sind, wurde zur bis heute größten Politfabel, die das Kino hervorgebracht hat. Mit seiner Charakterstruktur - es gibt da den heldenhaften Simplicissimus im Kampf gegen ein verkrustetes System (Stewart), eine taffe femme fatale, die dem Kleine-Jungen-Charme des Helden erliegt (wie so oft: Jean Arthur), den gutherzigen Trinker (Thomas Mitchell) und nicht zuletzt den alterswürdigen, gesetzten Patriarchen, der seine Ehre gegen Schluss wiederfindet (Claude Rains) - nimmt "Mr. Smith" eine repräsentative Stellung innerhalb des Gesamtwerkes von Capra ein; selbiges gilt freilich für die ganz typische Art und Weise der Narration und schließlich das bodenlos naive, aber romantisch Märchenhafte des braven Quasi-Don-Quichotte im Kampf gegen Windmühlen. Stewart, der seinen lebenslangen all american boy mit dieser Rolle gefestigt hat wie mit keiner zweiten, spielt seinem Universalcharakter gemäß wie ein Berserker.
9/10
#1290
Geschrieben 14. Juli 2008, 18:23
Der Schatz im Silbersee ~ BRD/YU/F 1962
Directed By: Harald Reinl
Winnetou (Pierre Brice) und Old Shatterhand (Lex Barker) stehen den Schatzsuchern Patterson (Jan Sid) und Fred Engel (Götz George) bei, dessen Vater man, weil er im Besitz einer Karte war, die den Weg zum Schatz im Silbersee weist, ermordet hat. Dahinter stecken der Colonel (Herbert Lom) und seine gierige Bande von Tramps. Weiterhin bekommt man es mit dem Stamm der Utah unter der Führung von Häuptling Großer Wolf (Jozo Kovacevic) zu tun, die Shatterhand und co. fälschlich verdächtigen, ein Massaker an ihrem Stamm begangen zu haben. Tatsächlich hat auch jenes der Colonel zu verantworten.
"Endlich von Angesicht zu Angesicht: Old Shatterhand und sein Blutsbruder Winnetou, der letzte Häuptling der Mescalero-Apachen!" leitet die berühmte Stimme von Rolf Mamero feierlich den Beginn dieser Wendlandt-Adaption eines Karl-May-Romans für die Rialto ein. Es handelt sich bei dieser um den ersten von insgesamt elf Winnetou-Filmen, die alle nach weitgehend identischer Rezeptur entstanden, zwei davon allerdings unter der Leitung von Wendlandt-Konkurrent Artur Brauner für die CCC. Neben den Wallace-Krimis erwiesen sich die May-Verfilmungen als zweites großes Post-Wirtschaftswunder-Standbein des deutschen Kinos. Mit internationaler Besetzung und einem amerikano-historischen Klischeeflair lockend, wie es sich wohl jeder Ledehosenjunge beim Cowboy-und-Indianer-Spielen vorstellte, kam der allererste "Winnetou" tatsächlich noch vielfach einer adäquaten Illustration der mayschen Wildwest-Romantik nahe. Dabei schienen insbesondere die beiden Haupthelden (nimmt man noch Ralf Wolter als Sam Hawkens hinzu sind es ja eigentlich drei) ihre perfekten realen Ebenbilder gefunden zu haben - Mameros große Ankündigung schien also keineswegs übertrieben. Handwerklich im Ganzen tadellos und detailfreudig gearbeitet, meint man irgendwann tatsächlich, man befände sich in Arizona und nicht etwa im schönen Kroatien. Die überaus atmosphärische Musik Martin Böttchers tut ein Übriges.
Ein wichtiges Stück deutscher Nachkriegsfilm-Historie.
8/10
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