In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1291
Geschrieben 15. Juli 2008, 08:27
Last Man Standing ~ USA 1996
Directed By: Walter Hill
Der Einzelgänger John Smith (Bruce Willis) kommt während der Zwanziger Jahre in das texanische Grenzstädtchen Jericho, in dem sich die zwei Gangsterclans des Iren Doyle (David Patrick Kelly) und des Italieners Strozzi (Ned Eisenberg) das Leben schwer machen. Schon nach Minuten gerät Smith empfindlich mit den Doyles aneinander und beschließt kurzerhand, sich ein paar schnelle Dollar zu verdienen, indem er die beiden Gangs gegeneinander ausspielt.
Hills "Yojimbo"-Variation, die zweite offizielle nach "Per Un Pugno Di Dollari" gefällt sich in der ästhetisierten Darstellung diverser Kugelhagel, die Willis zumeist beidhändig feuernd begeht und die daher nicht von ungefähr an John Woos Choreographien derartiger Bleigefechte erinnern, sowie seinen terracottafarbenen Wüstenbildern, die Hill von "Geronimo" mit herüber genommen hat. Inmitten all dieser übermächtigen Stilisierung, der die period der roaring twenties mit ihren feingeschnittenen Anzügen und den Oldtimern das letzte Tüpfelchen aufsetzt, geht jedoch viel an inhaltlicher Substanz verloren, die Kurosawa selbst und auch Leone noch sehr wohl zu beherzigen wussten. "Last Man Standing" schleppt sich über weite Strecken dahin und lässt bestenfalls erahnen, zu welchen Leistungen Hill tatsächlich fähig ist - oder war, denn bezeichnenderweise kamen in der Folge nur noch TV-Arbeiten, Mäßiges, Unbedeutendes.
6/10
#1292
Geschrieben 16. Juli 2008, 08:01
Murphy's Law (Murphys Gesetz) ~ USA 1986
Directed By: J. Lee Thompson
Nachdem Cop Jack Murphy (Charles Bronson) von seiner Frau (Angel Tompkins) verlassen wurde, die sich nun als Striptänzerin verdingt, spricht er vermehrt dem Alkohol zu. Als er das Opfer einer Intrige wird, die auf ihn als Mordverdächtigen abzielt, flieht Murphy und ermittelt auf eigene Faust - aneinandergekettet mit der kodderschnäuzigen Arabella (Kathleen Wilhoite), mit der er zuvor schon unangenehme Erfahrungen hat machen müssen.
Unter den zahlreichen Kooperationen von Thompson und Bronson in den reiferen Jahren der beiden Pros, von denen die meisten für die Cannon entstanden, ist "Murphy's Law" vermutlich die harmonischste und ausgefeilteste. Obgleich von vornherein eindeutig ist, dass Bronson auch hier einen Bullen spielt, mit dem im Zweifelsfall noch zu rechnen ist, so ist die Rolle des Jack Murphy unter seinem kompletten Spätwerk doch die einzige, in der er Schwäche zeigen darf und die somit Leistung von ihm erfordert, die über das übliche Maß seiner Rollen hinausgeht. Wenn Murphy morgens mit einem ordentlichen Schluck Bourbon aus dem Flachmann gurgelt und abends seiner Ex-Frau nachstellt, dann bedeutet das einen gehörigen Einbruch in die übliche Ikonografie des Vigilanten-Bullen mit lockerem Schießeisen. Interessant auch die Zeichnung der Beziehung zu der jungen Delinquenten, die zugleich eine Art Tochter-Ersatz wie eine mögliche neue Partnerin für Murphy darstellt - zwischen all dem pädagogischen Gehabe des Älteren und der sexuellen Andeutungen seines unfreiwilligen Mündels wird bis zum Ende nicht transparent, in welche Richtung ihr Verhältnis zueinander sich entwickeln wird.
Vielschichtigkeit aller Orten also - für einen Bronson Mitte der Achtziger ein beträchtliche Errungenschaft.
7/10
#1293
Geschrieben 16. Juli 2008, 08:26
Sullivan's Travels (Sullivans Reisen) ~ USA 1941
Directed By: Preston Sturges
Der erfolgreiche Hollywood-Regisseur James Sullivan (Joel McCrea) entschließt sich, einen sozialkritischen Stoff über arme Menschen von der Straße zu seinem nächsten Sujet zu machen. Das Endprodukt soll den Titel "O Brother, Where Art Thou?" tragen. Um das entsprechende Lebensgefühl einfangen zu können, verkleidet er sich selbst als Tramp und zieht durch die Lande. Dabei lernt er ein bezauberndes Mädchen (Veronica Lake) kennen, das ihm von nun an auf Schritt und Tritt folgt. Sullivans letzter Abstieg in die Sandlerszene bringt dann eine unerwartete Wendung.
Sturges' Sozialmärchen um den humanistischen Wert des Humors und des Lachens birst so vor Einfällen, Ideen und Reminiszenzen, dass der Film selbst sich kaum noch davor retten kann. Als große Hommage an die Slapstick-Komiker der Stummfilmzeit (besonders natürlich Chaplin, dem Sullivans Tramprolle größten Tribut zollt), bleiben ganze Einstellungen ohne Dialog und werden einzig mit Musik unterlegt; um brachialen Witz ist "Travels" ebensowenig verlegen wie um Momente stiller Andacht und solche großen Melodramas. Der Stoff selbst steht ganz in der Tradition Lubitschs (der im Film freilich Erwähnung findet) und Capras und zählt zu den großen Traumfabrik-Humoresken seiner Tage. Der mit Weitblick gesegnete Sturges derweil hat schon damals erkannt: Der Weg führt stets zurück nach Hollywood, egal wie sehr man in eine andere Richtung strebt.
9/10
#1294
Geschrieben 17. Juli 2008, 08:45
The Sorcerers (Im Banne des Dr. Monserrat) ~ UK 1967
Directed By: Michael Reeves
Der Hypnotiseur Monserrat (Boris Karloff) hat eine Maschine konstruiert, mittels derer er zu seinem Suggestionssubjekt mentale Verbindung aufnehmen kann. Jene sorgt dann nicht nur dafür, dass Monserrat alles hautnah miterleben kann, was der Hypnotisierte durchmacht, sie ermöglicht es auch, ihm telepathische Befehle zukommen zu lassen. Als erstes Studienobjekt macht sich Monserrat den jungen, unzufriedenen und mürrischen Mike (Ian Ogilvy) zu eigen. Monserrat möchte seine Erfindung nutzen, um gealterten Menschen in aller Welt wieder die Freuden der Jugend zugänglich zu machen. Seine Frau Estelle (Catherine Lacey) jedoch, die als Anwesende ebenfalls hypnotische Kräfze auf Mike ausübt, giert nach gehäuften Adrenalinstößen. Sie stiftet Mike zu kriminellen Aktionn bis hin zum Mord an. Monserrat bleibt nur ein Ausweg, um Estelle/Mike aufzuhalten: Die mentale Verbindung ist auch zu einer physischen geworden ...
Dieser kleine, leider viel zu wenig beachtete Geniestreich ist ein weiterer Beleg dafür, dass Michael Reeves lange vor seiner Zeit von der Lebensbühne abgetreten ist. "The Sorcerers" beleuchtet, weit über seine Oberfläche als preisgünstig gearteter Horrorfilm hinaus reichend, diverse Facetten des Lebens im England der späten sechziger Jahre und ist dabei im Prinzip nichts anderes als ein kleiner Bruder von Antonionis "Blow-Up" Die Beat-Ära ist bereits dabei, sich aufzuzehren. Mike, ein eigentlich relativ straighter, junger Mann läuft ziellos und depressiv durch die Straßen, weil er die immerselben Clubabende mit seiner Freundin (Elizabeth Ercy) und seinem Kumpel (Victor Henry) nicht mehr erträgt und wird damit zum idealen Opfer für Monserrat und Frau - beide in grandioser Weise interpretiert. Besonders die anfänglich so unscheinbare, tatsächlich aber nach Jugend gierende Estelle, die beginnt, sich alles versagt Gebliebene mit Gewalt zurückzuholen, berauscht sich zeitgleich an Hormonen und Alkohol. Monserrat, von seiner Gattin niedergeschlagen am Boden ihrer kargen Wohnung kauernd, bleibt nichts übrig, als dem Monster, in das sich seine Frau urplötzlich verwandelt hat, bei seinen Untaten zuzusehen.
Das alles bietet eine für einen Genrefilm dieser Klassifizierung ungewöhnlich poetische Analogie über die Unmöglichkeit des glücklichen Alterns in einer sich zunehmend verschnellernden Moderne.
Tolle Spätrolle für Karloff. Und eine junge Susan George gibt's auch zu bewundern.
9/10
#1295
Geschrieben 17. Juli 2008, 09:20
The Evil That Men Do (Der Liquidator) ~ USA 1984
Directed By: J. Lee Thompson
Der zurückgezogen lebende Ex-Auftragskiller Holland (Charles Bronson) lässt sich ein letztes Mal reaktivieren, um den Folterarzt Dr. Molloch (Joseph Maher), der im Auftrage diverser Diktatoren hunderte fürchterlicher Greueltaten an Gefangen verübt hat, in Lateinamerika zu eliminieren. Getarnt als Familienvater mit der Frau (Theresa Saldana) und der Tochter (Nicole Thomas) eines ermordeten Freundes reist Holland nach Guatemala, wo sich Molloch, der dort Asyl gefunden hat mitsamt seiner Clique von Leibwächtern aufhält. Holland bringt einen nach dem anderen von ihnen zur Strecke.
Konnte ich gestern noch von einer relativ "weichen" Zusammenarbeit des Regisseurs und seines Hauptdarstellers berichten, so findet sich hier das diametrale Ende ihres Spektrums: "The Evil That Men Do" ist eine bittere, völlig humorlose, in Zelluloid gegossene Aggressionsphase, ein reaktionärer Costa-Gavras. Besonders die realen politischen Hintergründe um internationale Militärberater und Folterärzte verleihen dem Film nämlich sein gemeißelt steinernes Antlitz. Tatsächlich ist die politische Aussage - abgesehen davon vielleicht, dass die Bösewichte allesamt auch sexuelle Andersartigkeiten kennzeichnen, was Holland jeweils mit einem angewiderten Gesichtsausdruck kommentiert - eine für einen Genrefilm der Reagan-Ära bemerkenswert linke. Lateinamerikanische, antikommunistische Militärjuntas und ihre Despoten, namentlich "El Generale" Montt, werden mitsamt der korrumpierten CIA-Interventionen böse denunziert und offen der Antipathie anheim gestellt. Das ließe sich ebensogut auf Nicaragua, Argentinien oder Chile projizieren, in denen der "Doktor" vermutlich ebenfalls mal aktiv war.
Die Gewalt, die von Holland ausgeht, mag nicht ganz so zynisch sein wie die seines Widerparts, sie ist aber ebenso effektiv. Ein unglaublich brutaler Film, der dem Actiongenre resümierend kaum zugehörig erscheint.
6/10
#1296
Geschrieben 17. Juli 2008, 16:27
One False Move ~ USA 1992
Directed By: Carl Franklin
Die beiden Gangster Ray (Billy Bob Thornton) und Pluto (Michael Beach) überfallen in L.A. mithilfe von Rays Freundin Fantasia (Cynda Williams) einen Dealer und erbeuten ein paar Kilo Kokain sowie ein paar tausend Dollar. Mit der Beute wollen sie nach Chicago fliehen. Fantasia möchte unterwegs noch in dem Nest Star City in Arkansas Halt machen, wo ihre Familie lebt. Die Ermittler haben durch Zufall Wind von dem Etappenziel bekommen und schicken zwei Cops (Jim Metzler, Earl Billings) nach Star City um dort mit Sheriff Dixon (Bill Paxton) zusammenzuarbeiten und dem Trio eine Falle zu stellen. Dixons Verbindung zu Fantasia stellt sich als enger heraus, als der naiv wirkende Kleinstadtpolizist zunächst erahnen lässt.
Zu Beginn der Neunziger kam eine kleine Welle von neo noirs aus dem Indie-Umfeld, die mit Vorliebe in ländlichen Gebieten angesiedelt wurden und daher noch zusätzliche Westernelemente in sich bargen. Beeinflusst wurden diese verhältnismäßig zeitnah entstandenen Filme offenbar primär von "Blood Simple", der eine Art atmosphärische Blaupause für nachfolgende, ähnlich angelegte Filme darstellt und sich im Laufe der vorangegangen Jahre zum cult sleeper entwickelt hatte. "One False Move", dessen Script von Billy Bob Thornton stammt, macht Gebrauch von einer Art "High Noon" - Prämisse: Der Sheriff sieht sich, auf die narrative Klimax hindeutend, gezwungen, ohne äußere Hilfe (obwohl sie in diesem Falle ausdrücklich angeboten wurde) seinem Schicksal und dem Kampf mit den Gangstern entgegenzugehen. Der besondere Kniff liegt darin, dass der Rezipient zuvor gelernt hat, Dixon durch dieselben vorurteilsbehafteten Augen zu sehen wie seine Großstadtkollegen und ihm demzufolge nicht allzuviel zutraut. Zudem sind die jeweiligen Dreieckskonflikte zwischen den Ganoven und den Cops im steten Wechsel klug beschrieben und kongenial umgesetzt worden.
Saubere Arbeit.
8/10
#1297
Geschrieben 18. Juli 2008, 16:04
The Wind That Shakes The Barley ~ IE/UK/D/I/E/F 2006
Directed By: Ken Loach
Irland, 1919: Bevor Damien (Cillian Murphy) eine Stelle in einem Londoner Krankenhaus als Mediziner antreten kann, überreden ihn seine Landesgenossen, von denen die meisten Mitglieder der IRA sind, vor Ort zu bleiben und sie bei ihrem Unabhängigkeitskampf gegen die Briten zu unterstützen. Damien entwickelt sich nach und nach zum leidenschaftlichen Aktivisten und Partisanen, der selbst vor der eigenhändigen Hinrichtung von Landesverrätern nicht zurückschreckt. Die Unterzeichnung des anglo-irischen Vertrages schließlich führt zu einer Spaltung der Rebellen, von denen die eine Hälfte sich zu Regierungstruppen der neuen Republik mahen lässt und die andere weiter im Zeichen sozialer Gerechtigkeit vom Untergrund aus agiert. Bald steht Damien seinem eigenen Bruder (Pádraic Delaney) im Konflikt gegenüber.
Engagiertes polithistorisches Drama des leidenschaftlichen Sozialporträtisten Loach. Wie in den meisten der jüngeren filmischen Geschichtsstunden, die sich mit England als Herz des Empire oder als Besatzungsmacht befassen werden auch hier die Briten zu den größten Bastarden des Planeten stilisiert, die doch bitte auf ihrem eigenen Fleckchen Erde zu bleiben haben. Aber das liegt wohl schlicht daran, dass die globale Historie voll ist von entsprechenden Beispielen, die zumeist noch dazu spannende Filmstoffe abgeben. Bei Loach werden die Imperialisten sogar zu den sekundären Verursachen einer der größten biblischen Sünden: Der des Brudermords. Damit erhält "The Wind" eine geradezu gleichnishafte Note, ist aber dennoch klug genug, auf die Mündigkeit seines Zuschauers zu setzen und keinerlei aufdringliche Demagogie zu betreiben.
Ich muss zugeben, dass ich den großen, monumentalen Atem Hollywoods bei solcherlei Epen sehr - um nicht zu sagen mehr - schätze, aber auch in der vorliegenden Produktionsklasse fährt "The Wind" letztendlich gut.
8/10
#1298
Geschrieben 19. Juli 2008, 10:12
Night Passage (Die Uhr ist abgelaufen) ~ USA 1957
Directed By: James Neilson
Der Tagelöhner Grant McLain (James Stewart) lässt sich von der Eisenbahngesellschaft anheuern, um Lohngelder zum Linienende in den Bergen von Colorado zu bringen, die von den Arbeitern dort sehnlichst erwartet werden. Der Bandit Whitey Harbin (Dan Duryea) und seine Gang überfallen allerdings sämtliche Züge, die sich auf dem Weg zum Pass befinden. Für McLain ergibt sich eine weitere Schwierigkeit dadurch, dass er zu Harbins Vize Utica Kid (Audie Murphy) eine ganz persönliche Beziehung hegt.
You can't get far without the railroad: Stewart als Akkordeon spielender Musikus, der bei jeder sich bietenden Gelegenheit in die Tasten haut, ist ein verhältnismäßig ungewohnter Anblick. Als ein weiterer Pionierwestern aus der Feder von Borden Chase, der sich diesmal die Erschließung des Westens durch die Eisenbahn vornimmt (seltsam nur, das kein einziger Chinese zu erblicken ist), passt diese Qualitätsarbeit hervorragend in den bisherigen Stewart/Mann-Zyklus. Überhaupt weist er nahezu sämtliche Attribute auf, die einen Mann-Western üblicherweise auszeichnen: Stewart, Jay C. Flippen, William H. Daniels hinter der Kamera, ein lehrstückhaftes, um tiefe moralische Konflikte kreisendes Script. Allein: Anthony Mann ist nicht der Regisseur. Jener hatte sich nämlich mit Stewart überworfen, als es um die Besetzung Audie Murphys ging, den Stewart schon allein aufgrund ihrer alten Kriegskameradschaft dabei haben wollte. "Night Passage" hätte somit ein schöner Abschluss ihrer erfolgreichen Kollaboration werden können, Universal legte ihn dann jedoch in die Hände des Fernsehregisseurs Neilson, der seinen Vorgänger zumindest würdig ersetzt. Mit dem Technirama-Verfahren kam er jedenfalls erstklassig zurande, weswegen "Night Passage" voll ist von prachtvollen Bildern des herbstlichen Colorado und allein deshalb schon durchweg sehenswert.
8/10
#1299
Geschrieben 19. Juli 2008, 10:51
Se7en (Sieben) ~ USA 1995
Directed By: David Fincher
Detective Somerset (Morgan Freeman) steht kurz vor der Pensionierung, da erhält er noch einen perfiden Mordfall, bei dem ein fetter Mann gezwungen wurde, sich zu Tode zu fressen. Dieser markiert jedoch nur den Anfang einer Serie. Zusammen mit seinem jungen Kollegen Mills (Brad Pitt), der gerade neu in der Stadt ist, erwartet ihn eine Woche voller grausiger Lektionen, die selbst sein zynisches Weltbild noch erschüttern wird.
Wollte Finchers Klassiker schon lange mal wieder anschauen; "WΔZ" war nun wohl der finale Auslöser.
Ich schätze, formal perfekter kann man einen Genrefilm kaum herstellen. Fincher kommt ja aus der Werbe- und Videoclipbranche und kennt sich daher sehr gut mit Oberflächen und ihrer Gestaltung aus. Anders lässt es sich wohl kaum erklären, dass bereits ein Zweitlings(lang)film so inszenatorisch fehlerfrei und makellos das Licht der Welt erblicken kann. Das komplette Szenario ist - bis auf den erschütternden Showdown - in ein permanent verregnetes, nihilistisches Dunkel getaucht, überall herrschen Halblicht und Freudlosigkeit (mit Ausnahme der Wohnung der Mills und der Bibliothek, die Somerset zu Recherchezwecken aufsucht), man gewährt Einblicke in schäbig-verkommene Wohnungen, verlotterte Hinterhöfe und Sackgassen. Das Setting, ein namenloser, repräsentativer Großstadt-Moloch, lässt sich schwer lokalisieren. Am naheliegendsten wäre, dass es sich um Los Angeles handelt, da die "Se7en"-Stadt sich in direkter Wüstennachbarschaft befindet (und in L.A. gedreht wurde). Andererseits sprechen der viele Regen und die Erwähnung, man befände sich hier im Süden, für St. Louis oder New Orleans.
Kleinere Schwächen und Einbrüche im Script kann man ohne Weiteres nachsehen, dafür übersteigen andere Aspekte alles, was das Serienkiller-Fach üblicherweise zu bieten hat. Der gewaltige Nachhall des Films jedenfalls ist bis heute spürbar. Großes Werk.
10/10
#1300
Geschrieben 20. Juli 2008, 11:02
La Settima Donna (Verflucht zum Töten) ~ I 1978
Directed By: Francesco Prosperi
Ein Gruppe Klosterschülerinnen verbringt ein paar Tage mit Schwester Cristina (Florinda Bolkan) in einem Strandhaus, um dort ein Theaterstück einzustudieren. Ausgerechnet dieses Domizil suchen sich drei brutale Bankräuber (Ray Lovelock, Flavio Andreini, Stefano Cedrati) auf ihrer Flucht als Versteck aus. Die Frauen nehmen sie kurzerhand als Geiseln und erniedrigen und misshandeln sie mit zunehmender Grausamkeit. Als es schließlich zu einem widerlichen Mord an einem der Mädchen kommt, legt Schwester Cristina das Kreuz ab.
Guter Terrorfilm im Gefolge von "Last House On The Left" mit rape & revenge - Thematik und einer für einen Italo-Exploiter wirklich bedrückenden Intensität. Letztere wird, im Gegensatz zu dem Verzicht auf allzu offensichtliche Visualierungen der Verbrecher-Umtriebe wohl in erster Linie für die deutsche Beschlagnahmung des Films gesorgt haben. Prosperi kann jedenfalls ein sicheres Gespür für Atmosphäre und Bilder unterstellt werden, denn seine Montage und der mitunter verstörende Einsatz von SloMos und Reprisen wirken zu keiner Sekunde billig oder unmotiviert. Hinzu kommt, dass die drei Darsteller der drei Verbrecher offenbar allesamt einen Intensivkurs für Ekelcharaktere besucht haben, denn man nimmt ihnen (besonders Flavio Andreini - keine Schönheit vor dem Herrn) ihre Rollen nur allzu gern ab. Kompliment insbesondere an Ray Lovelock, der als Aldo seine zutiefst böse Natur nur sehr sachte entblättern darf und erst ganz am Schluss offenbart, was für ein Höllenhund er wirklich ist.
7/10
#1301
Geschrieben 20. Juli 2008, 11:49
Blood Simple ~ USA 1984
Directed By: Ethan Coen
Abby (Frances McDormand) hat sich von ihrem Mann, dem Kneipier und Verlierer Marty (Dan Hedaya) abgewandt und geht eine Affäre mit Martys Barkeeper Ray (John Getz) ein. Durch das Engagement des Privatdetektivs Visser (M. Emmet Walsh) bekommt Marty Wind von der Sache und entscheidet sich in seinem Gram schließlich, Visser erneut anzuheuern, um Abby und Ray zu ermorden. Visser jedoch hegt ein höchst individuelles Verständnis von Gerechtigkeit, was Marty bald am eigenen Leibe zu spüren bekommt.
Ein böser, gemeiner neo noir in den kargen Weiten von Texas, dazu eine Art Humor von der allerlakonischsten Sorte - das Kinodebüt der Coens ist eine beinahe formvollendete Angelegenheit. Eine Menge ihrer später immer wieder aufgegriffenen Motive kommt hier bereits zum Einsatz, allen voran der dicke, aggressive Mann mit Hang zur Cholerik. "Blood Simple" ist als Dreiakter konzipiert, zunächst werden ohne überflüssigen Ballast an Kommentaren oder Erklärungen die fünf handlungstragenden Figuren eingeführt, daraufhin folgt der die spätere Katastrophe auslösende Mord (der selbst freilich nicht als allzu verwerflich verstanden werden will, erst seine "Nachbereitung" ergibt Probleme) mit einem Wust an unbestätigten Verdachtsmomenten und schließlich das Gipfeltreffen von Schöner und Biest in einer nicht lokalisierbaren Wohnung mit hohen Fenstern und rohen Backsteinwänden. Und ganz am Schluss dann jener unvergessliche Wassertropfen, dessen Fallen Tod bedeutet. Man kann nicht umhin, "The Same Old Song" von den Four Tops, das die Coens leitmotivisch und am treffendsten zum Abschluss einsetzen, danach kurzzeitig zu seinem Lieblingsstück zu erklären. Zumindest wird man es dann nicht so schnell wieder los.
Ach, wenn mir jemand noch folgende Frage beantworten kann / möchte (der dramaturgische Zweck ist klar, allein an rationaler Sinnhaftigkeit mangelt es mir): Warum langt Visser am Ende um das Fenster und griffelt so ungeschickt auf der anderen Seite herum, dass Abby ihn mit dem Messer nageln kann? Danke.
9/10
#1302
Geschrieben 25. Juli 2008, 18:29
20,000 Leagues Under The Sea (20.000 Meilen unter dem Meer) ~ USA 1954
Directed By: Richard Fleischer
Der französische Meeresforscher Professor Arronax (Paul Lukas), sein Diener Conseil (Peter Lorre) und der Harpunier Ned Land (Kirk Douglas) werden zu Opfern der Attacke eines um die Mitte des 19. Jahrhunderts Schlagzeilen machenden, angeblichen Seeungeheuers. Diese "Kreatur" entpuppt sich jedoch als martialisches Untersee-Boot 'Nautilus', das der rachsüchtige Kapitän Nemo (James Mason) für seinen Vergeltungsfeldzug gegen die Kriegsmaschinerien der sogenannten "zivilisierten" Menschheit einsetzt.
Schon seit meiner Kindheit bin ich begeistert von diesem ersten und wohl einzig bedeutsamen Versuch Walt Disneys, in das Realfilmgeschäft einzusteigen und großes Kino mit echten Stars auch für ältere Kinder zu schaffen. Mittels einer vorzüglichen Besetzung und einer versierten Inszenierung vollbrachten es die Mickymäuse seinerzeit, mit ihrer Verne-Verfilmung einen echten Klassiker des naiven Fantasyfilms zu kreieren. Leuchtendes Technicolor und breites CinemaScope, dessen Linse seinerzeit noch von der Fox gemietet werden musste - neben einem akkuraten Produktionsdesign war tatsächlich gerade das Beste an Technischem gut genug. Unvergessliche Szenen finden sich in "20,000 Leagues", darunter Kirk Douglas' Säuferballade vom "Seefahrer, der geladen hat" (wundervoll zu deutsch interpretiert von Günter Pfitzmann), ein Erntezug durch einen Unterwassergarten, Kämpfe gegen Kannibalen und einen Riesenkalmar. Nicht zu vergessen Nemos Seehund Esmeralda, der am liebsten Zigarren futtert.
Für die drei großen amerikanischen Verne-Verfilmungen (Zeman spare ich hier bewusst aus, den habe ich erst viel später kennen und schätzen gelernt) kann ich aus den genannten Gründen daher das Kind in mir stets wieder problemlos reaktivieren. Hollywood - und Onkel Walt - sei Dank.
10/10
#1303
Geschrieben 25. Juli 2008, 18:47
Batman: Gotham Knight ~ USA/J 2008
Directed By: Yasuhiro Aoki/Futoshi Higashide/Toshiyuki Kubooka/Hiroshi Morioka/Jong-Sik Nam/Shoujirou Nishimi
In insgesamt sechs Episoden begleitet der Zuschauer Bruce Wayne respektive sein alter ego Batman durch die Gothamer Nacht. Der Dunkle Ritter gerät in mafiöse Grabenkämpfe, probiert neue Waffen und Abwehrsysteme aus, trifft auf furchterregende Gegner wie Scarecrow, Deadshot und Killer Croc. Die Kids sprechen in Ehrfurcht von ihm und machen aus Batman in ihren Erzählungen eine metaphysische Kreatur, die Beziehung zu seinem Freund James Gordon festigt sich, seine Erfahrungen machen ihn in vielerlei Hinsicht reicher.
Ersonnen von innerhalb der Comicwelt wohlklingenden Namen wie Greg Rucka oder Brian Azzarello und animiert von innovativen japanischen Künstlern, reicht diese gezeichnete Batman-Variante recht weit weg vom Animated-Stil Bruce Timms und Paul Dinis in den Neunzigern. "Gotham Knight" versteht sich wohl primär als fleischfüllendes Bindeglied zwischen den beiden jüngsten Kinofilmen beziehungsweise als cleverer Appetizer für "The Dark Knight". Seine Ambitioniertheit kann man dem recht knapp gehaltenen Kleinspektakel dennoch permanent ansehen. Ich bin ja weder ein allzu großer Freund japanischer Animes noch hat mir "Batman Begins" so gut gefallen wie er mir wohl eigentlich hätte gefallen müssen / sollen, dennoch kann ich nach dem angenehm ernsten und finsteren Genuss von "Gotham Knight" postulieren, dass selbiger geholfen hat, die Vorfreude auf Nolans Neuen zu schüren. Ich bange darum, dass sie sich dieses Mal bestätigt findet.
7/10
#1304
Geschrieben 25. Juli 2008, 19:08
Virus (Die Hölle der lebenden Toten) ~ I/E 1980
Directed By: Bruno Mattei
Auf einer kleinen Pazifikinsel vor Papua-Neuguinea dringt ein biologischer Kampfstoff aus einem Werk, der jeden Menschen, der mit ihm in Kontakt gerät, umgehend zombifiziert. Vier Elitesoldaten, die auf eine Reporterin (Margit Evelyn Newton), welche sich mit den hiesigen Eingeborenenstämmen auskennt und deren Freund (Luis Fonoll) treffen, nehmen sich der Sache an.
Brutal bescheiden plagiiertes Mitbringsel der italienischen Splatterwelle, das sich ganz unverhohlen bei Vorbildern wie "Dawn Of The Dead" oder Landeseigenem wie "Papaya Dei Caraibi" bedient. Die Musik, die laut Vorspann von der Band Goblin stammt, ist aus mindestens zwei früheren Filmen (again "Dawn" & "Buio Omega") recycelt worden. So steht diese kurze Beschreibung eines Flickwerks im Prinzip repräsentativ für den ganzen Film: Zerfahren und weitgehend sinnlos. Die Aktionen der Hauptfiguren (das Kommandoquartett schaut nebenbei aus wie ein Blaumann-Rudel inkl. Mütze) sind himmelschreiend doof, dazu kommt der Wunsch nach einer modernen, anti-imperialistischen Message, die man sich allerdings irgendwo aus Gekröse und Dumpfdialog selbst herausfiltern muss. Ein ganz spezielles Rebus. Und, was wesentlich entscheidender ist: ein mediterraner Klopper wie man sich ihn wünscht.
5/10
#1305
Geschrieben 25. Juli 2008, 19:26
San Duk Bei Do (Das Schwert des gelben Tigers) ~ HK 1971
Directed By: Chang Cheh
Der Schwertkämpfer Lei Li (David Chiang) gerät in einen scharfen Konflikt mit dem Räuberhauptmann Lung (Feng Ku), was Li seinem zuvor gemachten Versprechen gemäß den rechten Arm kostet. Li legt das Schwert ab, schwört, nie mehr zu kämpfen und verdingt sich als Kellner in einer Gaststätte. Einige Zeit später lernt Li Feng Chun (Ti Lung) kennen, der sich ebenfalls als Meister im Umgang mit dem Schwert erweist. Die Beiden schließen Freundschaft und hegen Zukunftspläne, da wird auch Chun von Lung besiegt und ermordet. Lei Li schwört blutige Rache und macht das Versteck Lungs, die Tigerburg, im Alleingang dem Erdboden gleich.
Recht starker Tobak, den Chang Cheh hier auftischt, ein ordentliches Blutbad oberster Garnitur. David Chiang muss sich ja lange zurückhalten (immerhin kann er allerlei pfiffige Tricks im Umgang mit Küchenwerkzeug und Lebensmitteln zur Schau stellen), was er dann aber am Ende präsentiert, einen einarmigen Kampf gegen eine Hundertschaft von uniformierten Übeltätern, denen die Blutfontänen nur so aus den Leibern spritzen, das lässt selbst einen seltenen Shaw-Gast wie mich durch die Schneidezahnlücken pfeifen. Auch Ti Lung beim Fechten und Philosophieren zuzusehen macht Freude, umso schmerzlicher sein überaus gewalttätiger Abgang im letzten Filmdrittel. Dass "San Duk Bei Do" tatsächlich ein wehmütiges Gefühl bei der Darstellung der zum abrupten Ende verurteilten Männerfreundschaft aufkommen lässt, gereicht ihm sehr zur Ehre und hinterlässt den wohligen Eindruck, etwas Großem beigewohnt zu haben.
8/10
#1306
Geschrieben 25. Juli 2008, 19:49
Cannibal Ferox (Die Rache der Kannibalen) ~ I 1981
Directed By: Umberto Lenzi
Die Anthropologin Gloria (Lorraine De Selle) reist zu Forschungszwecken mit ihrem Bruder (Bryan Redford) und dem Model Pat (Zora Kerowa) in den Amazonas-Urwald. Sie will das Dorf Manioka ausfindig machen, um zu beweisen, dass die angeblich dort hausenden Kannibalen tatsächlich harmlos sind und die Ergebnisse dann später in ihrer Dissertation veröffentlichen. Mitten im Busch treffen sie auf Mike (John Morghen) und den verletzten Joe (Walter Lloyd), die mit den Eingeborenen angeblich furchtbare Erfahrungen gemacht haben. Diese stellen sich bald darauf als Lügenmärchen Mikes heraus, der nach seinem gehäuften Kokaingenuss selbst zum Monster wird. Die Manioka üben barbarische Vergeltung.
Unter den Vertretern des italienischen Kannibalenfilms dürfte "Cannibal Ferox" wohl derjenige sein, der den Würg-Faktor am Höchsten ansetzt. Ich bin ja eigentlich kein Mensch, der sich sonst über derlei oberflächliche Themen auslässt, aber bei "Ferox" kann ich mich - und ich habe ihn mittlerweile recht oft gesehen - nie des Eindrucks erwehren, Lenzi muss eine ganz böse psychische Phase durchgemacht haben als er das Ding ins Leben gerufen hat. Ich möchte diesen Eintrag nicht mit einer banalen Aufzählung der illustren Scheußlichkeiten füllen, derer man sich hier befleißigt hat, aber denkwürdig sind sie allesamt und allemal. Für Tiersnuff-Hobby-Ereiferer stellt Lenzis Film jedenfalls das beste aller vorhandenen Argumente dar, auch wenn die meisten Dschungelviecher hier aufeinander losgelassen und nur ein paar gleich vor Ort von Zweibeinern ausgenommen werden. Der arme kleine Ameisenbär quiekt dann aber doch ziemlich ohrenerweichend. Die finale Aussage, nach der es so aus dem (Ur-)Wald herausschallt, wie man vorher hineingerufen hat, soll wohl analog zu Deodatos Meisterwerk "Cannibal Holocaust" bestehen, verdeutlicht aber lediglich den himmelweiten Unterschied zwischen den beiden Arbeiten. Doch sei's drum, als heißluftbetriebener Diskussionsballon und selbst als Underground-Sleaze ist und bleibt "Ferox" eine echt beständige Kiste.
5/10
#1307
Geschrieben 25. Juli 2008, 20:13
Jesse James ~ USA 1939
Directed By: Henry King
Nachdem der skrupellose Eisenbahner Barshee (Brian Donlevy) die Mutter (Jane Darwell) der James-Brüder Jesse (Tyrone Power) und Frank (Henry Fonda) ermordet hat um an das Grundstück der Familie zu kommen, werden die beiden zu gefürchteten Desperados. Sie haben es zunächst vornehmlich auf die Eisenbahn abgesehen, was die Farmer in der Gegend zu wahren Jubelstürmen zugunsten der James-Bande veranlasst. Später jedoch - Jesse beginnt, das Banditenleben zu genießen und immer waghalsigere Aktionen durchzuführen - müssen auch Banken für die Raubzüge herhalten. Schließlich setzt man einen Detektiv (J. Edward Bromberg) auf die Fährte der Bande und erlässt eine Generalamnestie für jenes Mitglied der James-Gang, das sich traut, Jesse zu erschießen. Bob Ford (John Carradine) wird hellhörig.
Kings hervorragender Film aus einer Zeit, in der es noch keine allzu verlässliche Schablone für den klassischen Hollywood-Western gab und der noch vor Fords "Stagecoach" auf die Leinwand kam, ist nicht nur für sein Genre von elementarer historischer Bedeutung, er demonstriert auch, was der so salopp benutzte Begriff "Farbdramaturgie" wirklich bedeutet. Ein Kinostück, dazu noch einen Western, in Technicolor auf die Leinwand zu bringen, war eben seinerzeit keinesfalls alltäglich, umso bedeutsamer Kings meisterhafter Umgang mit dem Medium. Interessanterweise habe ich mir den Film mit einem Freund angeschaut, der in Filmgeschichte nicht allzu versiert ist, und der mir anschließend nicht glauben wollte, aus welchem Entstehungsjahr "Jesse James" stammt, so viel hat er seiner Zeit voraus. Wo bei Warner Bros. Errol Flynns bzw. Michael Curtiz' "Robin Hood" im selben Jahr in den saubersten und leuchtendsten grünroten Strumpfhosen durch die Baumwipfel stieg, die je ein Mensch im Mittelalter getragen haben muss, da ist King bei seinem Foxfilm sogar mutig genug, Zeit- und Lokalkolorit erschöpfend darzustellen sowie dazu, historische Zusammenhänge zumindest halbwegs akkurat wiederzugeben. Die Straßen sind staubig, die Stiefel und Hemden schmutzig. Auch das keine Selbstverständlichkeit für einen Film dieses Alters.
9/10
#1308
Geschrieben 26. Juli 2008, 09:11
Detroit Rock City ~ USA 1999
Directed By: Adam Rifkin
Jam (Sam Huntington), Hawk (Edward Furlong), Lex (Giuseppe Andrews) und Trip (James DeBello) freuen sich ein Loch in den Bauch: Ihre Rockgötter KISS treten in Detroit auf. Jams Mutter (Lin Shaye) jedoch, eine fanatische Gottesanbeterin, die Rock'n Roll für Teufelswerk hält, verbrennt demonstrativ die Eintrittskarten der Jungs und steckt Jam in ein christliches Jungeninternat. Zeit für seine Kumpels, die Initiative zu ergreifen.
Als KISS-Fan kommt man an diesem selbsterbauten Denkmal der vielleicht größten Showband des Hardrock unmöglich vorbei. Die Mädels heißen hier Beth und Christine, zwischendurch traut man sich sogar, auch mal Thin Lizzy, Nugent, AC/DC und sogar die Ramones über die Soundtrackspur zu hetzen. In einer waghalsigen Montage bemüht sich der Film nicht nur, den soliden KISS-Sound als absolut überirdisch zu präsentieren, sondern auch, ein möglichst kompaktes Panoptikum des 78er-Lebensgefühls darzubieten. Disco-Musik schleicht sich heimtückisch von hinten an, weiße Jungs tragen Silberkettchen unter breitkragigen Hemden mt Rüschen und drei offenen Knöpfen. Die Rocker werden zur verschrobenen Alternative, der nur noch die eigene Rotzigkeit bleibt.
Nebenbei ist "Detroit Rock City" eine weitere gelungene Geschichte über den finalen Schritt zum Erwachsenwerden in einer widrigen, sich selbst überzeichnenden Umwelt. Immerhin bleibt den Jungs ihr Traum, und wenn der sich in einer pyromanischen Liveshow erfüllt, dann ist das doch alles noch höchst irdisch.
8/10
#1309
Geschrieben 26. Juli 2008, 09:22
The Hitcher ~ USA 1986
Directed By: Robert Harmon
Jim Halsey (C.Thomas Howell), ein Teenager aus Chicago, überführt einen PKW nach Kalifornien. Unterwegs liest er einen Anhalter auf (Rutger Hauer), der sich ihm als 'John Ryder' vorstellt. Bereits nach Sekunden entpuppt Ryder sich sich als Serienkiller, der es auch auf Jim abgesehen hat. Dieser jedoch schafft es, Ryder aus dem Auto zu werfen. Keineswegs jedoch aus der Welt. Von nun an verfolgt der Psychopath den Jungen auf Schritt und Tritt und verwandelt dessen Leben in einen Landstraßen-Albtraum.
Leider hat "The Hitcher" bis heute nicht die Anerkennung erhalten, die ihm zusteht. Als ein Höhepunkt in der Schaffung von Atmosphäre und Hoffnungslosigkeit, ohne auch nur das geringste Quentchen Humor oder Ironie, berichtet "The Hitcher" von der furchtbaren Erfahrung, durch die Willkür eines Gegenübers an den Abgrund getrieben zu werden. John Ryder, dessen Name natürlich nicht der richtige ist, ist eine Irrealis, ein Symbol für Jim Halseys Unschuldsverlust und die Erweckung seiner Destrudo. Als eine perverse Vaterfigur lockt er seinen Quasi-Sohn schließlich auf die dunkle Seite der Existenz und macht ihn damit zum Mann. Der Film ist voll von erschreckenden und zugleich wunderschönen Bildern, Autos fliegen wie in einem Blechballett synchron über den Highway, Hubschrauber explodieren und in den Fritten verbirgt sich urplötzlich ein Finger. Das alles ergibt in Kombination ein waghalsiges Drei-Personen-Armageddon, ein Meisterwerk der 80er Jahre und vor allem einen Film, der längst eine gründliche Revision verdient hat.
10/10
#1310
Geschrieben 26. Juli 2008, 09:42
Soldier Blue (Das Wiegenlied vom Totschlag) ~ USA 1970
Directed By: Ralph Nelson
Der unerfahrene Kavallerist Honus Gent (Peter Strauss) ist bei einer Abordnung, die ein gutes Kontingent Gold sowie die zukünftige Offiziersbraut Cresta Lee (Candice Bergen) zu einem Armeestützpunkt eskortieren soll. Zwischendurch werden sie von den Cheyenne überfallen. Honus und Cresta überleben den Angriff als einzige und fliehen zu Fuß durch die Wildnis. Die resolute junge Frau lehrt den Naivling, wie man sich in der Prärie behaupten kann und bringt ihm etwas über die indianische Kultur nahe. Als Frau des Gefleckten Wolfs (Jorge Rivero) hatte Cresta bereits einige Zeit bei den Cheyenne verbracht. Schließlich finden sie den soeben einen Überfall auf jenes Cheyenne-Dorf, dem die Krieger entstammen, welche zuvor Honus' Truppe überfallen haben vorbereitenden Colonel Iverson (John Anderson).
Ein noch immer schwer zu ertragender Film, dessen emotionale Basis sich näher bei "Cannibal Holocaust" verorten lässt als bei dem thematisch verwandteren und zeitnaheren "Little Big Man". Der Grund dafür ist altbekannt: "Soldier Blue" orientierte sich historisch nicht nur an dem von General Custer verübten Sand-Creek-Massaker, sondern auch am My-Lai-Vorfall, der 68 in Vietnam stattgefunden hatte. Hier wie dort wurden Hunderte von schutzsuchenden Frauen und Kindern von amerikanischen Soldaten vergewaltigt, verstümmelt und dahingeschlachtet. Sprachlos machende Grausamkeiten, die der Film gegen Ende, da er beinahe zu gefrieren scheint, in einer Welle von Schocks über den Zuschauer ergießt. "Soldier Blue" wurde daher oft vorgeworfen, seine spekulative Erscheinung stünde nicht im Verhältnis zu seinen filmischen Qualitäten. Eine hilflose und wohl auch entlarvende Sichtweise angesichts der Empörung, die man unweigerlich angesichts des blutberauschten Militärs verspürt. Tatsächlich sind die dargestellten Gräueltaten keinesfalls überzeichnet, sondern eher noch verharmlosend.
Der legendär-berüchtigte Ruf, den der Film nun jahrelang genoss, basierte dann wieder mehr auf seinem ungeschlachten Erscheinungsbild. Bedauerlich, denn "Soldier Blue" hat weitaus mehr zu bieten.
8/10
#1311
Geschrieben 27. Juli 2008, 10:46
Rapid Fire ~ USA 1992
Directed By: Dwight H. Little
Der Kunststudent Jake (Brandon Lee) wird in eine Mafiafehde zwischen Italienern und Chinesen hineingezogen. Dank seiner Kampfkünste, welche er seinem verstorbenen Vater verdankt, einem Kung-Fu-Experten, der sein Leben beim Massaker auf dem Platz des himmlischen Friedens verloren hat, weiß sich Jake allerdings vorzüglich zur Wehr zu setzen. Der FBI-Agent Ryan (Powers Boothe) wird zu einem väterlichen Freund Jakes, der sich fortan auch im offiziellen Einsatz mehr als wacker schlägt.
Sauber gefertigter Actionfilm alter Schule, ohne großes Tamtam und ohne seinen eigenen Status überzustrapazieren. Ungewöhnliche Aspekte gibt es nichtsdestotrotz, darunter den Protagonisten Jake Lo, der in einem hitchcockesken Szenario wider Willen in die verbrecherischen Kampfhandlungen involviert wird, eher ein Intellektueller als ein trutziger Kampfhahn und mit politischem Hintergrund, der in einem Aktmalereikurs seiner Kunst gern einen typochinesischen Unterbau verleiht. Außerdem muss er selbst verhältnismäßig viel einstecken und wirkt daher wesentlich geerdeter als die Kollegen Seagal oder Van Damme. Brandon Lee, ein charismatischer Darsteller, der die ausgeglichen wirkende Persönlichkeit seines Vaters geerbt zu haben schien, ist für diesen Part eine sehr treffliche Wahl. Nick Mancuso als Bösewicht ist ebenfalls beachtlich, Tzi Ma dafür lächerlich. Eine kognitive Überbeanspruchung steht erwartungsgemäß nicht zu befürchten, nichtsdestotrotz ist die sauber-gefahrlose Inszenierung eine Erwähnung wert. Sicherlich kein Muss, aber ein durchaus solides Kann.
6/10
#1312
Geschrieben 27. Juli 2008, 11:23
Zahn um Zahn ~ BRD 1985
Directed By: Hajo Gies
In Duisburg-Ruhrort gibt es Bürgeraufstände, da der Großindustrielle Grassmann (Charles Brauer) im Begriff ist, sein existenzspendendes Werk zu schließen. Mittendrin Schimanski (Götz George), der freilich mehr Verständnis für seine Nachbarn aufbringt als für den polizeilichen Großeinsatz. Während der Scharmützel kommt es zu einer vermeintlichen Verzweiflungstat: Schimanskis alter Freund Alf Krüger, der für Grassmann gearbeitet hatte, hat zunächst seine Familie und dann sich selbst gerichtet. Schimanski, der davon ausgeht, dass es sich keineswegs um Selbstmord handelt und aus den entsprechenden persönlichen Motiven hart gegen Grassmann vorgeht, wird vom Dienst suspendiert. Dennoch verfolgt er eine Spur nach Marseille und zu einer Gruppe ehemaliger Fremdenlegionäre, der mehr in den Fall verwickelte Personen angehören als Schimanski ahnt.
Um den 200. ARD-"Tatort" gebührend zu begehen, brachte man diese aufwändig produzierte, zwölfte Schimanski-Episode ins Kino. Unmissverständliche Bezüge zum aktuellen Zeitgeschehen (der Krupp-Konzern plante damals die Schließung einer Eisenhütte in Rheinhausen) sowie ein äußerst hart und persönlich agierender Schimanski, der zur Selbstjustiz greift, um seine Ziele zu erreichen, heben "Zahn um Zahn" von den bislang bekannten, eher kammerspielhaften Fällen des Ermittlers ab. Eine tragisch endende kleine love affair mit der attraktiven Journalistin Ulli (Renan Demirkan) sorgt dafür, dass die menschliche Seite des harten Polizisten nicht zu kurz kommt. Leider bleibt nur wenig Platz für Schimmis Partner Thanner (Eberhard Feik) und ihren Chef Königsberg (Ulrich Matschoss), Charaktere, die den TV-Filmen neben der Titelfigur ihr kantiges Profil verleihen. Mit den leichten Zugeständnissen an Kintopp-Traditionen büßt Schimanski überhaupt ein wenig an Typologie ein, was aber keinesfalls bedeutet, dass sein Leinwand-Ausflug misslungen wäre. Erinnerungen an "French Connection 2" werden wach, wenn Schimanski sich durch Marseille prügelt und "Zahn um Zahn" hatte inmitten des eitlen Autorenwahns als seltener Genre-Lichtblick im kommerziell orientierten Fach durchaus das Zeug dazu, dem Deutschen Film zu internationaler Konkurrenzfähigkeit zu verhelfen. Leider blieb dies eine Ausnahme, der zweite Kinofilm "Zabou" ließ bereits qualitativ nach und wurde zugleich der letzte.
8/10
#1313
Geschrieben 27. Juli 2008, 11:49
Squadra Antimafia (Der Superbulle jagt den Paten) ~ I 1978
Directed By: Bruno Corbucci
Nico Giraldi aka Tony Marroni (Tomas Milian) muss in die USA reisen, um einen Mafiamord in Rom aufzuklären. Zu diesem Zweck schleicht er sich in die Organisation des Paten Don Gerolamo (Eli Wallach) ein, dessen hässliche Tochter Maria "Ich hab' das Samstagnachtfieber" Sole (Margherita Fumero) sich unsterblich in Tony verkuckt.
Um den Humor des von Rainer Brandt zu einem weiteren Kalauer-Feuerwerk hochgezüchteten Rohdiamanten wiederzugeben, bedarf es neben der Umschreibung von Marronis Outfit (er trägt permanent einen Blaumann, selbst in der Kirche) wohl nur eines ausgewählten Zitats. Etwa dieses: Marroni (mit der formidablen Stimme Thomas Dannebergs) erzählt einem Croupier in Vegas einen Witz. "Hey, kennst du den? Ein Einäugiger mit einem Glasauge kommt in ein Gemüsegeschäft. '20 Pfund Kartoffeln, bitte.' Sagt der Verkäufer: 'Haben Sie einen Plastiksack?' - 'Nee, ich bin auch so schon behindert genug.'"
Der chronologisch vor "Squadra Antigangsters" anzusiedelnde Marroni-Schlager erblickte in Deutschland unsinnigerweise erst nach selbigem das Licht der Kinoleinwand. Überhaupt wurden die "Superbullen"-Filme, wie ich an anderer Stelle bereits erwähnte, in einer hoffnungslos verquasten Reihenfolge bei uns auf die Menschheit losgelassen, ebenso nun als DVD-Veröffentlichungen. Was andererseits kein Problem ist - man muss auch so einfach für jedes dieser Schätzchen auf die Knie fallen. Die nächsten drei Titel sind bis zum Jahresende bereits angekündigt und meine Finger qualmen schon vom Reiben.
8/10
#1314
Geschrieben 28. Juli 2008, 08:01
Tom Jones ~ UK 1963
Directed By: Tony Richardson
England, um die Mitte des 18. Jahrhunderts: Squire Allworthy (George Devine), Gutsherr im Südwesten des Landes, entdeckt eines Abends ein vermeintliches Findelkind im Bett seiner Schwester (Rachel Kempson). Er schreibt den kleinen Jungen kurzerhand der mangelnden Sittsamkeit seiner Dienerschaft zu, nimmt ihn bei sich auf und nennt ihn Tom Jones. Zum jungen Mann herangereift, erobert Tom (Albert Finney), der einen wenig schmeichelhaften Ruf als "Bastard" genießt, sämtliche Frauenherzen der Umgebung. Als sich herausstellt, dass er auch mit der Tochter (Susannah York) des benachbarten Squires Western (Hugh Griffith) eine heimliche Liebesbeziehung pflegt, bleibt ihm nur noch die Flucht nach vorn. Durch zahlreiche Fügungen, die Tom allesamt kaum selbst zu verantworten hat, wendet sich sein weiteres Schicksal mehr und mehr dem Galgen zu.
Die Bigotterie und falsche Verklemmtheit der Engländer wird lustvoll aufs Korn genommen in dieser verfilmten Schelmenburleske. Die besonderen Verdienste des Films liegen in seinen narrativen Brüchen; "Tom Jones" beginnt wie ein Stummfilm mit Texttafeln und Musik und macht auch später noch von ähnlichen Stilmitteln Gebrauch. Mitten im Geschehen beginnen die Darsteller mehrfach urplötzlich, die Zuschauerschaft mittels rhetorischer Fragen und Appelle in das Geschehen einzubeziehen. Innovation und gepflegter Humor können jedoch nicht über die eine oder andere Länge hinwegtäuschen, die sich hinter der bisweilen recht zähen Geschichte des unbedarft-unmoralischen Jünglings auf seinem steinigen Weg in die Angepasstheit verbirgt. Gegen Kubricks ebenfalls während dieser Periode angesiedeltes Gemälde "Barry Lyndon" - der Vergleich drängt sich förmlich auf -, der das barocke Zeitkolorit auf noch viel unnachahmlichere Weise einfängt, verliert "Tom Jones" jedenfalls klar nach Punkten.
7/10
#1315
Geschrieben 28. Juli 2008, 08:20
Bang Boom Bang - Ein todsicheres Ding ~ D 1999
Directed By: Peter Thorwarth
Keek (Oliver Korittke), Kleinganove, Dauerkiffer und Ruhrgebiets-Slacker aus Überzeugung, muss sich immense Sorgen um seine Gesundheit machen. Sein gefürchteter Ex-Partner Kalle Grabowski (Ralf Richter) ist aus der JVA getürmt, nachdem er einen Home-Porno zu Gesicht bekommen hat, in dem ausgerechnet seine Frau (Sabine Kaack) die Hauptrolle spielt. Das wäre alles halb so tragisch, nur hat Keeck die gesamte Beute eines Banküberfalls, den die beiden vor ein paar Jahren zusammen gedreht haben, beim Pferdewetten auf den Kopf gehauen. Da kommt ihm der geplante Versicherungsbetrug des Spediteurs Kampmann (Diether Krebs), den dessen versoffener Vorarbeiter Schlucke (Martin Semmelrogge) durchziehen soll, gerade recht.
"Bang Boom Bang" war damals bei seinem Kinoeinsatz eine kleine Sensation. Nicht nur, dass ein deutscher Film auf gelungene Weise in die Fußstapfen der damals noch nicht ganz so plattgewalzten Tarantino-Connection zu treten vermochte, er spielte auch noch quasi vor unserer Haustür. Die zahlreichen Charakterköppe (Ingo Naujoks vermisse ich noch) aus der Region, darunter tatsächliche Brummer wie Richter und Semmelrogge, veredelten das gute Stück in besonderer Weise. Hinzu kamen Thorwarths dynamische Regie, ein durchweg zitierfreudiges Dialogbuch sowie diverse Kleinstdetails, derer man erst beim vierten, fünften Ansehen gewahr wurde und deretwegen sich der Film noch eine gute Zeit als Obligatorium bei einem jeden Videoabend zu halten vermochte. Nach ein paar Jahren selbst zwangsverordneter "Bang Boom Bang"-Losigkeit, irgendwann hatte man sich doch ein bisschen dran tot gesehen, ist die Euphorie freilich etwas abgeebbt. Für ein paar herzliche Lacher und prächtig unterhaltende Minuten langt es aber noch immer und die sehr traditionelle Beziehung zum Film mit seiner originären Bildsprache kann mir sowieso nichts mehr nehmen. Auch wenn ich am Westende des Potts lebe.
9/10
#1316
Geschrieben 29. Juli 2008, 11:01
Was nicht passt, wird passend gemacht ~ D 2002
Directed By: Peter Thorwarth
Architektur-Student Philip (Peter Thorwarth) macht sein Praktikum auf einer Baustelle des Unternehmers Werner Wiesenkamp (Dietmar Bär). Zusammen mit Kalle (Ralf Richter) und Kümmel (Hilmi Sözer) erfährt er bald die Härten des Berufs. Besonders Vorarbeiter Horst (Willi Thomcyk), auf dessen reizende Tochter Astrid (Alexandra Maria Lara) Philip ein Auge geworfen hat, nimmt den armen Jungen hart ran. Allerlei Ränkespiele, darunter ein versuchter Beschiss an Wiesenkamp, in den ein nur vermeintlich toter polnischer Schwarzarbeiter (Armin Dillenberger) verstrickt ist, sowie Übervorteilungen durch Wiesenkamps cschmierigen Bruder Ernst (Michael Brandner) treiben Philip fast zur Verzeiflung.
Mit seinem zweiten Langfilm, der in lokaler Nachbarschaft zu "Bang Boom Bang" spielt (eine Szene bietet sogar eine eindeutige Reverenz), wurde deutlich, dass Thorwarth wie seinerzeit Adolf Winkelmann eine Ruhrgebiets-Trilogie zu erstellen plante. "Was nicht passt" ist weitaus weniger "tarantinoesk" als sein Kinodebüt, interessiert sich mehr für die Menschen als ihre Handlungen und hat vor allem erkannt, wo bestimmte Stärken des Vorgängers lagen und wie diese auszubauen sind. Pott-Original Thomcyk etwa, der bereits in "Bang Boom Bang" als enervierter aber herzensguter Tankstellenbesitzer eine bravouröse Vorstellung gab, wird hier deutlich mehr Platz eingeräumt - ein sehr wertstiftender Umstand. Dietmar Bär ist ein beinahe würdiger Krebs-Ersatz (der die entsprechende Rolle in Thorwarths gleichnamigem Kurzfilm von 97 gab) und Sözer und Richter als nette Asis von nebenan sind sowieso stets formidabel. Diverse witzige Vorurteile werden liebevoll gefüttert, darunter in Form des Grundschullehrer-Ehepaars, für das Wiesenkamp baut und das die drei Malocher allenthalben als "Körnefresser" titulieren.
Die Brachialität und Ruppigkeit des ersten Films hat "Was nicht passt" nicht mehr zu bieten, dafür mehr Sinn für Surreales, welcher sich jedoch nicht immer mit dem basalen Sujet verträgt. Auf der anderen Seite hat Thorwarth hinzugelernt. Nur sich selbst in einer Hauptrolle zu besetzen, diese Entscheidung wäre noch recht streitbar. Trotzdem ein Klassefilm, der nach den damaligen ersten enttäuschten Stimmen im Laufe der letzten Jahre sehr dazugewonnen hat. Knebel im Abspann - der Hit!
8/10
#1317
Geschrieben 29. Juli 2008, 11:25
The Gunfighter (Der Scharfschütze) ~ USA 1950
Directed By: Henry King
Jimmy Ringo (Gregory Peck), der gefürchtetste Revolverheld des Mittelwestens, kehrt in das Städtchen Cayenne zu Peggy (Helen Westcott), der Mutter seines kleinen Jungen (B.G. Norman) zurück, der ihn noch nie gesehen hat; des Kämpfens müde, des Flüchtens überdrüssig. In der Folge seines letzten Duells, das wie immer ein übereifriger Milchbart angezettelt hat, verfolgen ihn noch drei zornige Brüder. Dabei ist auch Cayenne keineswegs frei von jugendlichen Heißspornen. Strett (Millard Mitchell), Marshall von Cayenne und ein alter Freund Ringos, der es lange vor ihm geschafft hat, rechtschaffen und ehrlich zu werden, will jegliche Schießereien in seiner Stadt vermeiden und komplementiert Ringo mehr oder weniger deutlich aus der Stadt heraus. Zuvor räumt Strett ihm jedoch noch so viel Zeit ein, mit Peggy ins Reine zu kommen und endlich seinen Sohn zu kennenzulernen.
Ein gradliniger, wehmütiger Abgesang auf die Mythen des alten Westens. Jimmy Ringo, angeblich noch härter als Wyatt Earp und Wild Bill Hickok, ist natürlich eine reine Erfindung, ein Metacharakter, der jeden heimatlosen Pistolenhelden des späten 19. Jahrhunderts, denen jeweils ihr zunehmend schlechter Ruf vorauseilte, in Personalunion repräsentiert. Dass diese Männer keinesfalls ein glückliches Dasein führten und sich auf den Lorbeeren ihrer angeblichen Heldentaten ausruhen konnten, belegt das sehnsüchtige Gesicht Ringos (Peck in einer seiner drei besten Vorstellungen). In den späten Dreißigern angekommen, hat er längst genug vom pubertären, adrenalingetränkten Leben des ewigen Tötens und Beweisens. Werte und Maßstäbe ändern, Lebensentwürfe verschieben sich. Allein die zuvor gewählte Existenzhülle mit all ihren Nebeneffekten lässt sich nicht mehr abstreifen und für Sühne oder gar Erlösung ist es längst zu spät.
Nachdem King bereits mehrfach Erfahrungen mit Farbe gemacht hatte, wählte er für "The Gunfighter" ein körnig-karges, staubiges Schwarzweiß voller Close-Ups, das seinen Film jeglicher Epik enthebt und ihn zu einem traurigen Kammerspiel macht, insbesondere als Genrefilm seiner Zeit weit voraus.
9/10
#1318
Geschrieben 29. Juli 2008, 20:11
Popcorn und Himbeereis ~ BRD 1978
Directed By: Franz Josef Gottlieb
Als ihre liderliche Freundin Bea (Gesa Gabor) das Geld verschlampt, das Vivi (Olivia Pascal) eigentlich für ihren Chef zur Bank bringen sollte, sitzen die beiden in der Zwickmühle. Das Tütchen mit der Penunze befindet sich nun in einem von mehreren Betten, die unterwegs zum Wörthersee sind. Des Chefs Sohn, der flotte Bob (Benny) liefert die "Gymnastikmatten" aus. Vivi und Bea, die fix hinterherdüsen, lernen im Zug den gewitzten Johnny (Zachi Noy) kennen. Zusammen macht man sich, am Reiseziel angekommen, auf, das Unglück wieder gutzumachen.
Gottlieb am Wörthersee - um sich vorstellen zu können, was dabei herumkommt, braucht man selbst in seliger Nichtkenntnis von "Popcorn" wenig bis keine Fantasie. Benny (Schnier), der seinerzeit zusammen mit der jungen Anke Engelke das "Ferienprogramm für Kinder" moderierte, zeigt sich mit seinem flotten Hit "Zufrieden mit mir" auch gerne in dieser Tittenkomödie, in der die damalige Crême der deutschsprachigen Auslagen sich durch die Bank hüllenlos präsentiert. Eine Auflistung ist in diesem Falle mal mehr Schmelz als Schmalz: Neben Pascal und der Gabor erleben wir noch Bea Fiedler, Uschi Buchfellner und Milchgeschäft Dolly Dollar. Doch auch die übrige Besetzung zeugt von Geschmack und Klasse. Herbert Fux als Pfaffe mit Spaghetti auf dem Kopf, Alexander Grill als Hotelchef und natürlich LISA-Spezi Otto W. Retzer, als Schauspieler ein absoluter ground zero, der Witze mit seiner Glatze treibt, geben sich noch die Ehre. Schade, dass Richter und Carrell anno 78 schon erwachsen waren. Dufter Disco-Sound dazu und die Party kann steigen.
5/10
#1319
Geschrieben 30. Juli 2008, 10:29
Hollow Man ~ USA 2000
Directed By: Paul Verhoeven
Dr. Sebastian Caine (Kevin Bacon) hat im Auftrage der Regierung mit seinem Team ein Unsichtbarkeitsserum entwickelt, mittels dessen er bereits diverse Tiere hat "verschwinden" lassen. Allein die hundertprozentige Formel für ein Mittel zur Phasenumkehrung, d.h. die Wieder-Sichtbarmachung fehlt ihm noch. Dennoch wagt er einen Selbstversuch, der tatsächlich glückt. Allerdings stellt sich die menschliche DNA als zu komplex heraus: Caine bleibt trotz mehrerer Anläufe unsichtbar. Sein Zustand verursacht auch psychische Veränderungen bei ihm: Er wird zunehmend aggressiv, flieht mehrfach aus dem Labor und beginnt, seine neuen "Fähigkeiten" gegen seine argwöhnischen Partner einzusetzen.
Der Traum absoluter physischer Transparenz: Als Motiv in der Phantastischen Literatur wird er häufig zur Ursache von Heimtücke und Größenwahn. Streiche werden gespielt, Geheimnisse aufgedeckt. Sexualität und Bösartigkeit vermengen sich und lassen den Unsichtbaren zum anonymen Monster werden. Das haben H.G. Wells und sein Verfilmer James Whale in der Moderne bereits eindrucksvoll durchgespielt; "Hollow Man" nutzt das Thema zu Zwecken seiner eigenen Generalevaluation, kombiniert mit einer etwas aufdringlichen Demonstration brillanter Animationseffekte.
Es ist gut, dass Verhoeven die kreative Leitung übernommen hat, denn somit kommen Subversion und Bedrohlichkeit des Themas zu ihrem Recht. Der Regisseur macht die dem Thema "Unsichtbarkeit" innewohnende Konnotation aus der männlich-adoleszenten Perspektive ausfindig. Der verwerfliche Wunsch danach, sich unerkannt in der Wohnung einer schönen Frau aufzuhalten und sie beim Ausziehen zu beobachten, dürfte universelle Gültigkeit haben. Caine nutzt alle seine Möglichkeiten, erst, als er brutal einen kleinen Hund tötet, treibt er es spürbar zu bunt: Eine explizite dramaturgische Markierung jenes Zeitpunkts, an der die Verschmitztheit sich zu blanker Dämonie wandelt. Von hier an wird der Filou zum Killer. Am Ende haben wir ein übernatürliches Monster, das, ganz in der Tradition seiner langen Ahnenreihe, beinahe unverwundbar scheint.
Die partiell sehr aufdringlichen logischen Brüche versagen "Hollow Man" eine allzu hohe Klassifizierung, dennoch ist der Film weit besser als sein Ruf, der ihn in der Regel mit dem bald überstrapazierten Siegel des 'Hochglanz-Trash' versieht.
7/10
#1320
Geschrieben 01. August 2008, 08:53
Short Circuit (Nummer 5 lebt!) ~ USA 1985
Directed By: John Badham
Die Nummer 5 aus einer Serie von Killerrobotern, die Computergenie Newton Crosby (Steve Guttenberg) für das Militär konstruiert hat, wird von einem Blitz getroffen und verhält sich von da ab vollkommen irrational. Das technische Wunderwerk sucht Zuflucht bei der Imbissverkäuferin Stephanie (Ally Sheedy), liest in Sekundenbruchteilen sämtliche Bücher im Haushalt und beginnt neben einer unstillbaren Wissbegier sogar Emotionen zu entwickeln. Die Firma 'Nova' jedoch, aus der Nummer 5 stammt, geht von einer tödlichen Gefahr aus und will die lebendig gewordene Maschine dringend außer Gefecht setzen.
So sah das pazifistische Ideal einer Patchworkfamilie im Kalten Krieg aus: Ein verschrobener Philosophieprofessor, dem das mangelnde Sonnenlicht zwischenzeitlich die vormaligen Wertmaximen eingeödet hat, eine Greenpeace-Aktivistin mit übermächtigem Helfersyndrom und als ihr Adoptivkind eine verdrehte Ex-Killermaschine, die dem Töten abgeschworen hat und Blumen und Schmetterlinge liebt.
Nachdem Badham zuvor bereits seine Kalter-Kriegsparanoia im Zeichen unkontrollierbarer bzw. missbrauchter Technologie in Form von "Blue Thunder" und "WarGames" ausgelebt hatte, beschloss er seine zunehmend familientaugliche Trilogie mit dieser Metapher, die mittels vermeintlicher Naivität brauchbare Dogmen um Friedfertigkeit und Gutmenschentum didaktisiert. Ein Kinderfilm demnach? Bestimmt, einer jedoch, der als Antwort auf die anti-kommunistischen Vehikel der Reagan-Ära nicht nur Raritätswert bekleidet, sondern als Objekt logischer Kausalität sogar unumgänglich, ja, wichtig ist. Während ihre Brat-Pack-Kollegen also in "Red Dawn" gegen die Rote Armee ins Feld zogen, "verkaufte" sich die bezaubernde Ally Sheedy (wie schon bei "WarGames") im Zeichen der Friedensbewegung. Auch damit lässt sich gut leben. Denn wenn sie mit Nummer 5 zu den Bee Gees ein rührendes Tänzchen aufs Parkett legt, bleibt kein Auge trocken. Bezeichnend, dass nach der Abblende der entsprechenden Szene Nummer 5 bei der Frühstückbereitung zu sehen ist. Vielleicht ist auch Steve Guttenberg das Findelkind und "Short Circuit" doch kein Film für Kinder ...
8/10
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