In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1321
Geschrieben 04. August 2008, 10:58
Year Of The Gun (Verliebt in die Gefahr) ~ USA 1991
Directed By: John Frankenheimer
1978: US-Journalist Raybourne (Andre McCarthy) kommt nach Rom, um, zunächst im Geheimen, einen Roman über die überaus aggressiv operierenden Roten Brigaden zu schreiben. Er pflegt in der Stadt bereits zahlreiche Verbindungen von früher, darunter zu seiner langjährigen Geliebten Lia (Valeria Golino) und dem Politik-Professor Bianchi (John Pankow). Außerdem lernt er die risikofreudige Fotografin Alison (Sharon Stone) kennen, die ebenfalls ein starkes Interesse für die Aktionen der radikalen Linken hegt. Als Raybourne in seinem Buch unwissentlich die geplante Entführung des Ministerpräsidenten Aldo Moro (Aldo Mengolini) zum Thema macht und dies bekannt wird, schweben er und seine Freunde in höchster Gefahr.
Habe diesen späten Frankenheimer im Zuge meines jüngsten Wiederaufflammens für die zahlreichen Talente des Ausnahme-Filmers zum ersten Mal gesehen. Anfangs haben es mir die etwas naive Darstellung der politischen Zusammenhänge sowie die eher mäßige Schauspielführung in Kombination mit einem nicht allzu starken Dialogscript es wenig leicht gemacht, den Einstieg in den Film zu begehen. Frankenheimer befindet sich - um es ganz deutlich zu benennen - bei "Year Of The Gun" bei Weitem nicht mehr auf alter Höhe und lässt erahnen, dass seine frühere Virtuosität in der Folge noch stärker abklingen wird. Erst in der zweiten Hälfte des Films besinnt er sich auf sein eigentliches Können und überbrückt die vorherige emotionale Distanz, um seinem Politthriller, in dem die authentischen Zusammenhänge um die Entführung und spätere Ermordung Aldo Moros (eine zeithistorisch übrigens sehr interessante Analogie zu Schleyer und der RAF ein halbes Jahr zuvor) aufgegriffen werden, ein gewisses Maß an Beklemmung und äußerer Spürbarkeit zu verleihen. Damit erst ergibt dann auch die anfängliche Gemächlichkeit einen Sinn, die bei etwas genauerer Analyse die Tradition um den italienischen Politkrimi aus den 70ern bedient. Dennoch bleiben unleugbare Schwächen, die in Frankenheimers nächstem Kinoprojekt "The Island Of Dr. Moreau" kulminieren sollen, bevor er dann mit "Ronin" zu bekannter Intensität zurückkehren wird.
6/10
#1322
Geschrieben 04. August 2008, 11:26
Call Northside 777 (Kennwort 777) ~ USA 1948
Directed By: Henry Hathaway
Der Chicagoer Journalist McNeal (James Stewart) wird von seinem Chef (Lee J. Cobb) auf eine interessante Story angesetzt: Die Witwe Wiecek (Kasia Orzazeski) setzt 5000 sauer ersparte Dollar Belohnung aus für Hinweise, die helfen können, ihren vermeintlich unschuldig inhafrtierten Sohn Frank (Richard Conte) aus dem Gefängnis holen. Wiecek jr. soll noch zu Prohibitionszeiten einen Polizisten erschossen haben. McNeal, treuer Staatsbürger mit unerschütterlichem Glauben an den Rechtsapparat, geht die Sache zunächst mit dem gebotenen Zynismus an und glaubt nicht, dass Wiecek zu Unrecht einsitzt. Mit der Zeit kommen ihm jedoch überraschende Fakten zu Aug und Ohr, die sehr wohl für einen ungeheuren Justizirrtum sprechen. McNeals Ehrgeiz ist geweckt.
In wunderbar trockenem, unpathetischem und fast dokumentarischem Stil brachte Hathaway in einem seiner Glanzstücke diese spannende investigative Krimi-Story zu Zelluloid. Stewart begeistert wie stets durch brillante Professionalität als Repräsentant für des Rezipienten Unentschlossenheit und ist in ausnahmslos jeder Szene in der Folge des streng spartanischen Prologes zu sehen. Sicherlich ist "Nothside 777" auch ein Meilenstein in der Geschichte des aufklärerischen Politthrillers, der später große Werke wie "All The President's Man" hervorbringen sollte. Allein gegen Ende verlässt den Film der Mut, einen letzten radikalen Schritt zu tun, ein Zugeständnis an seine Entstehungszeit und -umstände offenbar. Er hätte eine noch sehr potenzierte Wirkung haben können, hätte er sich entschlossen, seinem Bewegungsobjekt (Frank Wiecek) etwas mehr Profil zu verleihen, und ihn noch wesentlich deutlicher als Opfer rechtsstaatlicher Fehleranfälligkeit zu zeichnen. Am Schluss nämlich, als er durch die heldenhafte Unnachgiebigkeit freikommt, sind keine Spuren mehr zu vernehmen. Die Scheidung von seiner Frau (Joanne de Bergh), die Entfremdung von seinem Sohn (Michael Chapin), das ungeheuerliche Unrecht des langen, fehlerhaften Freiheitsentzugs, all das verblasst angesichts eines erleichterten Lächelns und der siegessicher und übermächtig im Hintergrund positionierten Silhouette Stewarts. Ein pathetischer Kommentar aus dem Off unterstreicht das wahrlich allzu "dicke Ende". Glücklicherweise kann selbiges den unstreitbaren Genuss der vorangegangenen 105 Minuten nicht zunichte machen.
8/10
#1323
Geschrieben 05. August 2008, 09:25
Ed Wood ~ USA 1994
Directed By: Tim Burton
Wie der später als 'Schlechtester Regisseur aller Zeiten' ausgezeichnete Edward D. Wood jr. (Johnny Depp) zum Film kommt, eine große Schar Exzentriker um sich schart und den morphiumsüchtigen Ex-Star Bela Lugosi kennenlernt. Wood finanziert seine Filme als Autor, Produzent und Regisseur in Personalunion unter bisweilen obskursten Bedingungen und schafft so das, was den heute überstrapazierten Begriff "Trash" sozusagen teilgeprägt hat.
Burtons schönster Film. Zwar durchweg als seine Arbeit erkennbar mit einem überdeutlichen Faible für morbide Romantik, dem Charme des vermeintlich Billigen und eine gewaltige Liebe zu den porträtierten Figuren, unterscheidet sich "Ed Wood" dennoch in vielerlei Hinsicht von des Regisseurs sonstigen Arbeiten. Er wirkt günstiger, im besten Sinne kleiner, weniger laut, kurzum: persönlicher. Burtons Sympathien für den in vielerlei Hinsicht ungewöhnlichen auteur Wood, der trotz seiner Verschrobenheiten ein überzeugter Philanthrop gewesen sein muss, wie Depp ihn mit großen Kinderaugen darstellt, sind jedenfalls unverkennbar Burton und könnten wohl kaum aufrichtiger und bravouröser ausgearbeitet sein. Bis in kleinste Details hinein ungeheuer authentisch wirkend, dekliniert Burton nahezu sämtliche Aspekte durch, die ein Gemälde des 'anderen' Hollywood in den Fünfzigern auszeichnen müssen und sollen. Nicht Woods ebenso ehrlich dargestellter Dilettantismus, sondern sein (zumeist) unerschütterlicher Glaube in die eigenen Fähigkeiten machen den Film so gleichermaßen witzig wie rührend. Rundum frei von jedweder Schwäche.
10/10
#1324
Geschrieben 05. August 2008, 09:42
Blutjung und liebeshungrig ~ BRD/CH 1972
Directed By: Franz Antel/Michel Caputo
Als seine älteste Tochter Elisabeth (Sybil Danning) ins heimische Dörfchen zurückkehrt, sieht sich der Apotheker Bumshäuptl (Paul Löwinger) veranlasst, nunmehr gleich drei Filletten (dazu noch Eva Garden, Alena Penz) vor dem Abstieg aus der Jungfräulichkeit in die Sexualhölle zu beschützen. Natürlich weiß Bumshäuptl nicht, dass Maria und Christel sich jede Nacht von den beiden fixen Burschen Amadeus (Gernot Möhner) und Peter (Sascha Hehn) bedienen lassen. Hinzu kommt noch, dass die beiden Jüngeren nun auch unbedingt dafür sorgen wollen, dass Elisabeths baldige Defloration mit Riesenschritten vorangetrieben wird. Zu diesem Zwecke kreieren sie mit ihren beiden Stechern ein Aphrodisiakum, dass unser heutiges Viagra weit in den Schatten stellt und das der Renner auf dem Dorf wird.
Abgesehen von ein paar wenigen geglückten Schoten (darunter die Szenen in der Klinik des schmierigen Dr. Körner (Claus Tinney), der seine Krankenschwestern im superkurzen Röckchen und mit planetengroßem Rundausschnitt zum Dienst antreten lässt) sah so wohl die Schattenseite der deutschen "Sexkomödie" aus: "Blutjung und liebeshungrig", der auf dem DVD-Markt als "Die liebestollen Apothekerstöchter" veräußert wird, ist nicht anderes als ein biederes Heimatklamöttchen mit ein paar Titteneinlagen. Wenn's hier mal promisk wird, dann nur aus Versehen, die Endmoral (vorgetragen von der später aus dem TV-Heuler "Unter Uns" bekannten Schreckschraube Christiane Maybach als sich durch die Äcker vögelnde Tante Lilofee) ist aufdringlich brav, wie der ganze Inszenierungsstil des auf solch moderate Stoffe abonnierten Herrn Antel überraschungslos und fade bleibt. Echte Lichtblicke gibt es einzig in Form der titelgebenden Apothekerstöchter, die wirklich ein ausnehmend flottes Trio abgeben. Darunter die ihrerzeit erst 25-jährige Danning, die ja mal ein ganz hübsch scharfes Pfefferschötchen war.
Ansonsten wie g'sagt: Freizügige Spießerglück-Propaganda fernab komödiantischer Anarchien und gleichfalls altersschwacher Mumpitz aus Onkel Jupps oller Mottenkiste.
2/10
#1325
Geschrieben 06. August 2008, 14:58
The Mist (Der Nebel) ~ USA 2007
Directed By: Frank Darabont
Eine kurze Fahrt zum Supermarkt mündet für David Drayton (Thomas Jane) und seinen kleinen Jungen (Nathan Gamble) direkt in die Apokalypse: Ein seltsamer Nebel breitet sich über dem ganzen Ort aus, in dem monströse, fleischfressende Kreaturen unterschiedlichster Art lauern, die zudem alles angreifen, was sich in ihrer Nähe bewegt. Drayton und die anderen Anwesenden verbarrikadieren sich so gut es geht, allerdings befindet sich auch innerhalb der Zuflucht eine immense Gefahr: Die fanatische Mrs. Carmody (Marcia Gay Harden) präsentiert sich als Gottes irdisches Sprachrohr und hetzt einige der Eingeschlossenen gegen die anderen auf. Bald stellt sich Drayton die unumstößliche Frage, wo sich der angenehmere Aufenthaltsort zum Verrecken befindet: Vor oder hinter der Eingangstür des Geschäfts...
Überraschend wohlgeratener Horrorfilm, der als Reprise einer Vielzahl bekannter Genremotive vereint und zu einem erstklassigen, klaustrophobischen Eintopf vermengt. Wie in den meisten Fällen kingscher Verfilmungen ist mir auch hier die zugrunde liegende Quelle unbekannt, dass der Autor jedoch gern verrückte Religionsfanatiker, die bisweilen angesichts todbringender Szenarien ihren lange erwünschten Widerhall finden, in seine Storys einbaut, war mir nicht neu. So steht die ekelhafte Carmody in langer Tradition und erfreut schließlich durch einen sauberen, längst fälligen Abgang. Zu den Monstern ist zu sagen, dass sie mal mehr, mal weniger erschreckend wirken. Als kleiner Intimus paraphysikalischer Erläuterungen und wahlweise Erklärungsnöte fand ich es ein wenig Schade, dass man nicht etwas mehr über ihre Herkunft erfährt. Da läge doch eindeutig noch Potenzial für allerlei Fabulierereien von lovecraftschen Gnaden. Andererseits ist die Entscheidung, alles so rational verschwommen zu belassen wie es ist, aus dramaturgischer Perspektive sicherlich die richtige.
Bevor ich die DVD in Händen hielt, wusste ich übrigens nicht, dass Darabont, dessen insgesamt vierte (und möglicherweise beste) King-Verfilmung dies ist, eine schwarzweiße Fassung seines Films bevorzugte, sich jedoch beim Kinoeinsatz - surprise - nicht gegen das Studio durchzusetzen konnte. Ich habe also lediglich die s/w-Version gesehen, die sich tatsächlich durch ein mehr als außergewöhnliches Erscheinungsbild auszeichnet.
Doch doch, ist schon ein prima Film, dieser "Mist".
8/10
#1326
Geschrieben 07. August 2008, 07:03
Zärtlich, aber fech wie Oskar ~ BRD 1980
Directed By: Franz Josef Gottlieb
Herzensbrecher Peter (Régis Porte) und sein noch jungfräulicher Kumpel Freddy (Tobias Meister) reisen im pinkfarbenen VW-Cabrio nach Italien, um dort heiße Zähne lockerzumachen. Doch sie kommen bloß bis zum Wörthersee: Unterwegs begegnen sie nämlich Peters Flamme Billi (Patricia Zenker) aus dem letzten Jahr, bei der Peter mehr als einen Stein im Brett hat.
Na ja, kommt trotz seines schön bescheuerten Titels etwas lahm aus der Hüfte, Gottliebs neuerliches Wörthersee-Epos. Mit Nackedeiereien hält man sich diesmal vornehmlich zurück (Nudistenkorps in Personalunion ist die zumindest wohlgebaute Renate Langer, die mehr entkleidet als umgekehrt durch den Film stiefelt). Herbert Fux wiederholt seinen Pfaffenpart aus "Popcorn und Himbeereis" und ist heuer auf der Jagd nach der Schamlosigkeit. Ausnahmsweise darf noch "Lederhosen"-Schwulchen Werner Röglin in einer LISA-Produktion mitmischen, selbstredend so eindimensional albern wie eh und je. Ja, und da war da noch Tobias Meister, ein heute maßgeblicher Faktor in der deutschen Synchronlandschaft, der später noch in Olsens "Ein Kaktus ist kein Lutschbonbon" erneut den Stereo-Typus 'Knalltüte vom Dienst' fütterte. Mit dicker Hornbrille und gelbem Schneidezahn (jener offenbar keine Kostümierung) wird losgelegt. Auf die Gefahr hin, dass sich das alles superlustig liest: Ist es leider nur bedingt.
4/10
#1327
Geschrieben 07. August 2008, 07:17
Sunnyboy und Sugarbaby ~ BRD 1979
Directed By: Franz Josef Gottlieb
Stefan (Ekkehardt Belle) und Kumpel Claus (Claus Obalski) belagern im Skiurlaub beide die fesche Eva (Sabine Wollin), die sich für keinen der Zwei entscheiden mag. Als Eva die Nachricht erhält, dass sie in Hong Kong und Manila eine vermeintlich dicke Erbschaft antreten soll, geht es zu dritt ab nach Ostasien. Bis die naheliegendste Entscheidung des komplexen Beziehungsgeflechts getroffen werden kann, stehen jedoch noch zahlreiche haarsträubende Abenteuer auf dem Plan.
Das war Disco-Comedy wie man sie sich wünschen kann: Schön doof, voller dufter Sprüche via (natürlich) urtypischer 78er Jugendsprache, amoralisch frivol und mit hübsch nostalgischer Glitzerkugel-Musik durchtränkt [es gibt sogar einen Auftritt der damaligen Kostümjockel Dschinghis Khan, die ihre gleichnamige Nummer (natürlich) in einem Hongkonger Nachtlokal zum Besten geben]. Es hat wenig Durchhänger und einige Bizarrheiten, die sogar ZAZ-Niveau erreichen. Das ausnehmend arrogante niederbayrische Bild vom findigen Exoten gegenüber auf der Weltkugel wird zwar freilich pausenlos bedient, aber damit kann man, so glaube ich, ganz gut leben angesichts der sonstigen Spaßwelle, die "Sunnyboy und Sugarbaby", dessen Titel allein schon das Filmband in Gold verdiente, über einen schwappen lässt.
6/10
#1328
Geschrieben 08. August 2008, 12:45
Goodfellas ~ USA 1990
Directed By: Martin Scorsese
Henry Hill (Ray Liotta) pflegt schon als Kind (Christopher Serrone) gute Verbindungen zu den Mafiosi aus dem Viertel. Henrys Vorbilder darunter sind insbesondere der große Boss Paul Cicero (Paul Sorvino) und der ausgebuffte Jimmy Conway (Robert De Niro). Für keine kriminelle Untat zu schade, beteiligt sich Henry an Raubüberfallen, Schutzgelderpressungen, Mord und Drogenhandel. Das Koks jedoch wird ihm zum Verhängnis als irgendwann seine Connection auffliegt und Henry beim FBI sitzt.
Meisterlicher Gangsterfilm und ein Musterbeispiel dafür, wie zugleich prächtig ausladend und wohltuend ökonomisch Scorsese zu erzählen versteht. Eine solch streng durchkomponierte und runde Narration wie in diesem Beispiel findet man nirgendwo sonst, außer beim Regisseur selbst natürlich. Der perfekt arrangierte Einsatz zeitgenössischer Musik (Klassiker wie "Gimme Shelter" oder "Layla" kommen dabei endlich einmal zu ihrem urangestammten Recht), eine Szenenmontage, der man nur pure Göttlichkeit unterstellen kann, kleine Spiele mit der Kamera, darunter minutenlange Einstellungen ohne Schnitt, dann wieder Schnittgewitter, Perspektivenwechsel,... diese Liste ließe sich vermutlich endlos weiterführen und das Beste: Alles fügt sich zu einer perfekt ausbalancierten, stimmigen Einheit.
Ein durchweg brillanter Film, über den ich selbst bei schärfster Suche nach Mängeln rein gar nichts auch nur ansatzweise Negatives zu berichten habe.
10/10
#1329
Geschrieben 08. August 2008, 12:56
Texas - Doc Snyder hält die Welt in Atem ~ D 1993
Directed By: Ralf Huettner/Helge Schneider
Doc Snyder (Helge Schneider), gefürchteter Desperado, kehrt heim zur Mama (Andreas Kunze) und muss gleich erfahren, dass sein Bruder Hank (Peter Berling) im Knast des Sheriffs (Werner Abrolat) von Texas sitzt und auf seine Hinrichtung wartet. Zudem macht ihm der Nasenmann (Peter Thoms), ein selbsternannter Revolverheld, das Leben schwer. Mittels einer List wird Hank von Doc befreit. Doch ein harmonisches Familienleben ist für einen prinzipiellen Einzelgänger wie Doc Snyder unmöglich.
Die illegitime Fortsetzung zu Jodorowskys "El Topo". Schneider hätte sich bloß jene Bezeichnung geben müssen und die Weiterschreibung jenes großen Surrealismus-Western wäre perfekt geworden. Doch auch für sich betrachtet ist "Texas" ein Meilenstein der Genregeschichte. Der Film ist die mit reinste Form filmischer Demontage, die es gibt. Auf alles scheißend und im Zeichen purster Selbsträson bietet "Texas" daher ein ganz spezielles Vergnügen und wäre ohne Einschränkungen wohl nur ausdrücklichen Freunden des Ausnahmekünstlers Schneider zu empfehlen. Jeder, der den Film nicht versteht oder begreift, ist daher ebenso im Recht wie jeder, der darin eine illustrierte Bibel der deutschen Komödie vorfindet.
9/10
#1330
Geschrieben 08. August 2008, 13:15
Maniac ~ USA 1980
Directed By: William Lustig
Frank Zito (Joe Spinnell), irrer Serienmörder mit Mutterkomplex, sucht sich im Schutze der New Yorker Nacht seine vornehmlich weiblichen Opfer, die er skalpiert und mit deren Haar er ausrangierte Schaufensterpuppen in seiner Wohnung bestückt. Als er die verständnisvolle Fotografin Anna (Caroline Munro) kennenlernt, scheint es, als könne sich vielleicht noch eine letzte Rettung für Frank einstellen. Der innere Zwang jedoch ist stärker.
Ein abgrundtiefes Serienkiller-Porträt von Lustig, dessen kunstguerillaartige, unter anderem in dem schönen Interview-Band "Dark Stars" nachzulesende Entstehungsgeschiche beinahe ebenso legendär ist wie sein vielzitierter Status als "Gewaltpornographie" und als früher Vertreter der hiesigen Beschlagnahmungswelle im Zeichen des unsäglichen Paragraphen 131 StGB. Dass - wie in solcherlei Fällen regelmäßig - der zumeist blind-empörte Umgang mit Lustigs aufwühlendem Werk einzig ein Signal für die Hilflosigkeit markiert, mit der ihm die Öffentlichkeit begegnet, ist im Prinzip jeder Erwähnung müßig.
Dabei ist diese Zeichnung der trostlosen, einsamen Welt einer quasianonymen Großstadtseele, die irgendwann den letzten Faden zur Ratio verliert und bestialisch zu morden beginnt, eine der eindringlichsten Studien zum Thema und gehört zum Wichtigsten, was der New Yorker Underground in der Folge von "Taxi Driver" (mit dem "Maniac" ohnehin in vielerlei Hinsicht verwandt ist) ausgespuckt hat. Für eine derartig kleine Produktion gehen die Beteiligten jedenfalls mit einiger Sorgfalt zu Werke, auch wenn hier und da sicherlich technische Mängel zu beklagen sind. Dass der Gewaltpegel, besonders in Kombination mit der erdrückenden Atmosphäre des Films, tatsächlich nicht von schlechten Eltern ist, hat wohl insbesondere exploitative Gründe. Lustig hat sein Ziel dann ja auch erreicht und einen Film geschaffen, der die Menschen selbst knappe drei Jahzehnte später noch umtreibt und dies vermutlich auch weiterhin tun wird.
8/10
#1331
Geschrieben 09. August 2008, 10:40
Ein dicker Hund ~ BRD 1982
Directed By: Franz Marischka
Der reiche Herr von Bittermagen (Gunther Philipp) und sein alter Freund und Hausarzt Dr. Pfiff (Willy Millowitsch) wetten um die Cleverness ihrer jeweiligen Schützlinge: Von Bittermagen legt fünf rote, mit Hinweisen gesäumte Samtkissen rund um den Wörthersee herum aus, deren Finder eine dicke Belohnung erhält. Bittermagens nichtsnutziger Neffe Tommi (Tommi Ohrner) und sein Lieblingspatenkind (und Pfiffs Töchterlein) Julia (Anja Schüte) begeben sich also in scharfer Konkurrenz auf die Suche nach dem "Schatz". Derweil macht eine durchgeknallte Krankenschwester (Helga Feddersen) von Bittermagen das Leben schwer, scharwenzelt der schmierige Jonny (Jonny Jürgens) um sämtliche rasierten Beinpaare der Gegend herum, ist ein Schönheitsfarmdirektor (Herbert Fux) um sein Antlitz besorgt, verliert der Elspe-Regisseur (Heinz Schenk) die Nerven und klärt ein Wörthersee-Kojak (Otto W. Retzer) den härtesten Fall seiner Laufbahn.
Marischkas recht braves Verwirrspiel um einen reichen, aber netten Onkel, der sich berechtigte Sorgen um seinen Nachwuchs macht, kann mit den beiden im nächsten Jahr folgenden Dall-Filmen zwar lange nicht mithalten, liefert aber doch gewohnt solide Blödsinns-Qualität. Auch Tommi Ohrner wurde ja für mehrere Filme (deren Meisterstück "Plem, Plem - Die Schule brennt" noch seines DVD-Release harrt) von der LISA eingespannt, die eigentlich allesamt für einen verhältnismäßig moderaten Zweig der Produktionsgesellschaft standen, sprich, da wurde mehr für Kinder als für den Samstagabend-Kinogänger vor der Disco gearbeitet. So bleibt "Ein dicker Hund" zumindest schamhaarfrei und trotz manch schäbiger Witze, von denen die meisten auf Kosten der Feddersen gehen, relativ behäbig. Vielleicht nicht der größte LISA-Klassiker, immerhin aber gediegenes Nachmittagsprogramm mit Schenkelklopf-Garantie.
4/10
#1332
Geschrieben 09. August 2008, 19:33
Blau blüht der Enzian ~ BRD 1972
Directed By: Franz Antel
Das haben sich die Jungs und Mädels von der Kitzbüheler Hotelfachschule Schloss Thannberg fein ausgedacht: Während der Ferien laden sie - in Abwesenheit des strengen Direktors Ponelli (Jacques Herlin) ihre Kumpels und Freundinnen ein und wollen sich einen schönen Lenz in dem leerstehenden Haus machen. Doch Lilo (Catharina Conti), die für Ponelli 15.000 Mark zur Bank bringen soll, passt nicht auf - und futsch ist die Penunze. Jetzt heißt es, das Geld wieder auftreiben. Das scheint allerdings nur möglich per Pseudo-Eröffnung des Hotels und der Beherbergung des steinreichen, aber permanent ungehaltenen Geschäftsmanns Morton (Heinrich Schweiger).
Die recht aufdringliche Unterbringung diverser nervtötender Schlager von den mit schmierigsten Gesellen des Business (Heino, Jürgen Marcus, Bata Illic & Drafi Deutscher), die gegen Ende in einem fürchterlichen, bibelfesten Gospelsingsang namens "David und Goliath" von der Gruppe 'Wir' kulminiert, macht es einem nicht leicht, den Charme dieser auf Spielfilmlänge gedehnten Wintersportreklame aufzufinden. Und doch, er lauert irgendwo, bei den dafür üblichen Verdächtigen. Denn glücklicherweise gibt es auch von diesen zur Genüge: Ilja Richter, Hansi Kraus, Sascha Hehn, Eddi Arent und Schluckspecht Hans Terofal, als halbgescheiter Pedell aus den "Lümmel"-Filmen bekannt, sorgen dafür, dass es inmitten all der Gehörvergewaltigung ein bisschen was zu grinsen gibt. Und auch für die lieben Omis ist ein kleiner Sonnenschein an Bord: Ein Heintje-Klon namens Nicky trällert in ebenso bombastisch-übersteuerter Aufnahmetechnik wie weiland der Käsejunge das Liedchen "Juppiduh" und grinst dabei wie ein Honigkuchenpferd, dass die Gletscherschmelze droht. Man weiß bisweilen nicht, ob man kotzen oder juchzen soll.
4/10
#1333
Geschrieben 10. August 2008, 14:27
There Will Be Blood ~ USA 2007
Directed By: Paul Thomas Anderson
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts findet der vormalige Goldgräber Daniel Plainview eine Ölquelle in Nordkalifornien und beginnt fortan, sich auf das boomende Geschäft mit dem Schwarzen Gold zu konzentrieren. Seine Verfahrensweisen in der immer neuerlichen Eroberung vielversprechender Landstriche, auf denen er seine Bohrkonzessionen ausbreiten kann, sind dabei zunehmend rücksichtslos und vom Hunger nach potenziertem Reichtum geprägt. Plainview geht buchstäblich über Leichen und legt jegliches ethische Empfinden ad acta. Sein persönlicher Erzfeind ist der junge Religionsstifter Eli Sunday (Paul Dano), der Plainview seinerseits für einen erklärten Sünder hält und ihn stets zum Beitritt seiner Kirche bekehren möchte.
Irgendwo zwischen Kubrick und Malick lässt sich Andersons eigenwilliges Werk vielleicht am Ehesten einordnen mit seiner Detailbesessenheit und seinen gleichfalls elegischen wie aufwühlenden Momenten. "There Will Be Blood" basiert in seinem losen Aufgreifen mancher inhaltlicher Aspekte auf dem Roman "Oil!" des sozialkritischen Literaten Upton Sinclair und behält dessen Anspruch als Americana bei. Kirche und Kapital sind demnach die größten Machtfaktoren beim Aufbau eines Staates - im Modell durchexerziert in der steinigen Wüstengemeinde New Boston und jeweils personifiziert durch einen Mann, der sich durch nichts und niemanden von seinem Ziel, alleiniger Herr über das umliegende Territorium zu sein, abbringen lässt. Das bietet Daniel Day Lewis eine neuerliche Gelegenheit, sein monströses Können unter Beweis zu stellen. In direkter Nachfolge des aus "Giant" bekannten Jett Rink (dort interpretiert von James Dean) liefert er das Porträt eines über seine Gewinnsucht dem Alkohol verfallenden, vereinsamenden Mannes, der schließlich, da er selbst sein letztes Verbindungsfädlein zur Menschlichkeit kappt, auch jegliche Kontrolle über sich verliert.
Die Entwicklung, die Anderson als auteur seit "Hard Eight" durchlebt hat, ist immer wieder interessant zu beobachten und gewinnt mit jedem weiteren Film an Konturenreichtum. Seine naheliegenden Vorbilder in diesem Falle habe ich ja oben bereits dargelegt, und wenn es mit seinem Werk in qualitativer Folge so weiter geht, könnte er - eine vorsichtige Mutmaßung - eines fernen Tages einen ähnlichen Status genießen.
9/10
#1334
Geschrieben 10. August 2008, 19:37
The Lady Eve (Die Falschspielerin) ~ USA 1941
Directed By: Preston Sturges
Während einer Kreuzfahrt lernt die Zockertochter und Expertin für gezinkte Pokerspiele Jean Harrington (Barbara Stanwyck) den linkischen Ale-Brauerei-Erben und Schlangenexperten Harry Pike (Henry Fonda) kennen. Anstatt ihn, wie zunächst geplant, rigoros auszunehmen, verliebt sie sich in ihn und verschweigt ihm zunächst ihre wahre Profession. Als Harry von anderer Seite um Jeans Gaunereien erfährt, lässt er sie dann kurzerhand stehen. Jean plant tief verletzt ihre Revanche, in der sie sich als Engländerin ausgibt und den trotteligen Harry um den Finger wickelt um ihn dann, gleich nach der Hochzeit, mit einer - natürlich erfundenen - verwerflichen Vergangenheit zu konfrontieren. Nach ihrem erfolgreichen Verwirrspiel bereut sie die ganze Sache jedoch wieder. Wird Harry sich nochmals erweichen lassen?
Als großer Künstler insbesondere auf dem Gebiet des Dialogscripts präsentiert sich Sturges mit dieser Screwball-Comedy, die von zwei großen Stars und drei äußerst witzigen Nebencharakteren (Charles Coburn als abgezockter Brautvater, Eugene Pallette als feist-braver Ale-Millionär, William Demarest als Wachhund, der sein "Herrchen" an Naivität noch übertrifft) getragen wird. Ausgelassener und weniger moralisierend als die Kollegenschaft um Cukor, McCarey oder Lubitsch lässt Sturges insbesondere den als besonders ernst bekannten Fonda als unbeholfenen Tollpatsch mit einem Gesicht, dem sich jedwede Rationalität verschließt, durch seinen Film stolpern. Der Stanwyck, die unterdessen als wohlbekannte femme fatale agiert und fast permanent die Kontrolle über das Geschehen innehat, ist Fondas Charakter derweil ausgeliefert wie ein Wasserball der Brandung. Speziell aus dieser - Henry Fonda betreffenden - Atypik heraus bezieht "The Lady Eve" einen Großteil seiner komischen Spannung. Sturges ist dieses Faktum natürlich vollkommen geläufig und entsprechend pointiert macht er davon Gebrauch.
9/10
#1335
Geschrieben 12. August 2008, 16:17
The Blue Dahlia (Die blaue Dahlie) ~ USA 1946
Directed By: George Marshall
Kriegsheimkehrer Johnny (Alan Ladd) findet seine Frau Helen (Doris Dowling) inmitten von Partys und Fusel wieder, den selbst verschuldeten Tod ihres kleinen Jungen kann sie nicht verkraften. Johnny nimmt kurzerhand Reißaus - und erfährt auf seiner ziellosen Flucht, bei der er der schönen Joyce (Veronica Lake) begegnet, von Helens Ermordung. Die Polizei verdächtigt Johnny - doch wer steckt tatsächlich dahinter? Vielleicht der aalglatte Nachtclubbesitzer Harwood (Howard Da Silva), mit dem sowohl Helen als auch Joyce ein offenbar sehr zutrauliches Verhältnis pflegt(e)? Oder gar Johnnys schwer traumatisierter Kriegskamerad Buzz (William Bendix), der unter starken Gedächtnislücken leidet und der in der Mordnacht bei Joyce war?
"The Blue Dahlia" hat vor allem aufgrund seines Scripts von Raymond Chandler für Furore gesorgt. Dessen scharfe Beobachtungsgabe bezüglich bestimmter Milieus, Typen und Situationen sind es dann auch in erster Linie, die dem Film seinen gattungsobligaten 'approche noire' verleihen. Veronica Lake, die vielleicht schönste unter all den Hollywood-Diven, mit ihrer edlen Langhaarfrisur, die manchmal das halbe Gesicht verbirgt, arbeitete recht häufig im Team mit Ladd (vor allem deshalb - so wird gemunkelt - weil die zwei außerordentlich klein waren und diese Eigenschaft so zu beider Gunsten verschleiert werden konnte) und tatsächlich - eine oder auch die Chemie ist deutlich spürbar. Es geht hier also vornehmlich um den Transport und die Fusion von Impressionen und Atmosphäre. Als Kriminalfilm im eigentlichen Bezeichnungssinne hingegen, soviel wird besonders nach der sehr zutraulichen Aufklärung des Falls deutlich, ist "The Blue Dahlia" sicher kein großer Wurf. Es geschieht schlicht zu wenig von Belang, als dass die Oberfläche dem Thema genug Reiz entlocken könnte. Und gerade das kann zuweilen doch lebensrettend sein.
7/10
#1336
Geschrieben 13. August 2008, 12:13
The Vampire Lovers (Gruft der Vampire) ~ UK 1970
Directed By: Roy Ward Baker
Die Vampirin Mircalla Karnstein (Ingrid Pitt) ist als eine der letzten Überlebenden ihres Geschlechts auf der steten Suche nach Blut. Dabei bevorzugt sie insbesondere den Lebenssaft hübscher Jungfrauen, wie das der Nichte (Pippa Steele) des Barons von Spieldorf (Peter Cushing). Nachdem Mircalla diese bis zum letzten Tropfen ausgesaugt hat, macht sie sich über das benachbarte Gut der Mortons her. Die hübsche Emma (Madeline Smith) soll ihr nächstes Opfer werden, doch die Familienväter bleiben nicht untätig.
Bravouröse Verfilmung der berauschend schönen Novelle von Le Fanu, der die später besonders im Film populäre Wechselbeziehung Vampirismus - Lesbierinnentum zu verdanken ist. Im Gegensatz zu dem Literaten macht Hammer kein weiteres Geheimnis aus den erotischen Subtönen der Sage, dafür sorgt schon die laszive Pitt, die mit samtenem Timbre und Schlafzimmer-Augenaufschlag ihre zumeist adoleszenten Opfer zur Ader lässt (vornehmlich durch einen Biss in die linke Brust). Auch was den Blutpegel anbelangt, dürfte "The Vampire Lovers" eine der zeigefreudigeren Produktionen der Hammer sein.
Bakers sorgfältige Regie läuft dennoch nie Gefahr, in die Schmuddelsackgasse zu geraten, seine Bilder bleiben stets geschmäcklerisch und gediegen. Auch wenn zu den romantischen Untertönen der Vorlage manch brithorror-typische Szene addiert wird, wie jene um den omnipräsenten Garf Karnstein (John Forbes-Robertson), der eigentlich nichts anderes tut als auf seinem Zossen zu sitzen und schaurig in die Gegend zu lachen. Das tut dem Gesamtgeschehen aber keinerlei Abbruch.
"The Vampire Lovers" zählt, trotz seines späten Entstehungsdatums, zu den ambitioniertesten und schönsten Hammer-Filmen.
Außerdem ein bravouröses Faktum, dass die Karnstein-Trilogie nunmehr vollständig auf deutsch vorliegt. Weitere Jüngst-Impressionen folgen umgehend.
9/10
#1337
Geschrieben 14. August 2008, 15:50
Lust For A Vampire (Nur Vampire küssen blutig) ~ UK 1971
Directed By: Jimmy Sangster
Als der Trivialautor Lestrange (Michael Johnson) in das Dörfchen Karnstein kommt zu Fuße des Berges, auf dem das gleichnamige, verlassene Schloss steht, erfährt er sogleich von uralten Flüchen und Verwünschungen, mit denen die Familie Karnstein in Verbindung steht. Lestrange verspricht sich ein interessantes Stöffchen für sein nächstes Werk und begegnet in den Trümmern des Schlosses ein paar Elevinnen der örtlichen Mädchenschule. Sowohl die Gymnastiklehrerin Miss Playfair (Suzanna Leigh) als auch die neue Schülerin Mircalla (Yutte Stensgaard) tun es Lestrange an und so stellt er sich mittels eines frechen Tricks als Ersatzlehrer zur Verfügung. Bald muss er dann feststellen, dass es sich bei den Vampirgeschichten keinesfalls bloß um abergläubisches Hinterwäldlergewäsch handelt.
Karnstein-Film Nr. 2, der Le Fanus Originalgeschichte um die schöne Vampirin Carmilla weiterspinnt (wie bei Hammer üblich, wird sie zu Beginn des Films - obgleich dies zum Ende von "The Vampire Lovers" unmöglich schien - im Zuge eines ziemlich fiesen Rituals ins untote Leben zurückgerufen), schafft es nicht ganz, die träumerische Atmosphäre des Vorgängerfilms zu konservieren, nimmt sich stattdessen aber auch nicht durchweg bierernst und überrascht mit einigen urkomischen Spitzen, darunter den erneut spärlichen Auftritten des Grafen Karnstein (Mike Raven), der sich hier als Internist ausgibt. Spätestens bei der zweiten seiner ausgefeilten Diagnosen kann man sich nicht mehr halten. Yutte Stensgaard indes ist ein würdiges Pitt-Substitut, warum jedoch Ralph Bates, der bestenfalls als Renfield für Arme durchgeht, hier die Besetzungsliste anführt, bleibt wohl ein Geheimnis des Film-Olymp. Vielleicht war Sangster ihm auch noch etwas schuldig.
Furios der feurige Abschluss, bei dem der Film zu explodieren scheint, da er sein vormals gemächliches Tempo völlig aufgibt zugunsten einer rasanten Vampirjagd mitsamt ein paar brillanter Einstellungen, an denen selbst Orson Welles seine Freude gehabt haben dürfte (so er sie sich denn jemals angetan hat). Schon jener sorgt dafür, dass man "Lust" nicht vergisst.
8/10
#1338
Geschrieben 15. August 2008, 13:21
Twins Of Evil (Draculas Hexenjagd) ~ UK 1971
Directed By: John Hough
Der erzreligiöse Pseudo-Inquisitor Gustav Weil (Peter Cushing) nimmt seine beiden verwaisten Zwillingsnichten Frieda (Madeleine Collinson) und Maria (Mary Collinson) bei sich auf. Besonders Frieda ist den weltlichen Dingen des Lebens alles andere als abgeneigt und lässt sich so von dem galant erscheinenden, dabei aber zutiefst dekadenten Grafen Karnstein (Damien Thomas) einfangen. Dieser betreibt satanistische Rituale gegen seine Langeweile und erweckt durch Zufall eines Tages seine Ahne Carmilla (Katya Wyeth) wieder zum Leben, die ihn sogleich beißt und zum Vampir macht. Karnstein seinerseits wetzt die verlängerten Eckzähne am Hals Friedas, deren Onkel Gustav naturgemäß gar nichts von der Dämonisierung seiner Nichte hält. Wäre nicht der adrette Jüngling Anton (David Warbeck), ihr identisches Äußeres würde der braven Maria zum Verhängnis.
Dritter und letzter "Karnstein"-Film, der sowohl als Pre- wie auch als Sequel lesbar ist; während er periodisch offenbar vor seinen Vorgängern ansetzt, steht die gute Carmilla ja bereits zum wiederholten Male von den Toten auf. Cushing, der unmittelbar zuvor seine Frau verloren hatte, wirkt ausgezehrt und um Jahre gealtert, ein Faktum, das zumindest seiner Rollengestaltung als verbitterter Puritaner zugute kommt. "Twins Of Evil" wagt nämlich den Spagat zwischen der für Hammer typischen Vampir-Thematik und den seinerzeit angesagten Hexenprozess-Filmen, was jeweils einige recht drastische Momente erlaubt, die deutlich über dem Durchschnitt des üblichen Blutlevels der Produktion liegen. Als pures Horrorstück ist "Twins" somit bestimmt der reinste Film der Trilogie, wobei sich im Gegenzuge die Erotik-Elemente eher auf dem Rückzug befinden. Mit viel Grün und Grau wirkt er dann auch eher dunkel und dazu ausnehmend 'britisch', der teils tolle Humor aus "Lust For A Vampire" ist allerhöchstens noch rudimentär vorhanden.
Mir gefällt der Film von den drei "Karnsteins" am wenigsten, was aber nicht heißt, dass es deshalb keinen Spaß machte, ihn sich anzuschauen. Es ist und bleibt ohnedies ein echter Hammer und damit Qualitätskino.
7/10
#1339
Geschrieben 15. August 2008, 13:37
Next Of Kin (Ruf nach Vergeltung) ~ USA 1989
Directed By: John Irvin
Appalachen-Hillbilly Gerald Gates (Bill Paxton) wird in Chicago von einen bösartigen Mafioso (Adam Baldwin) erschossen. Sein älterer Bruder Truman (Patrick Swayze), ebenfalls in der Großstadt ansässig und zudem Polizist, beschwört den Rest der Familie, allen voran Bruder Nr. 3 Briar (Liam Neeson), den Fall der Chicagoer Polizei zu überlassen. Briar jedoch ist ein klassischer Verfechter biblischer Rechtsprechung und rauscht mit seinem GMC kurzerhand nach Chicago, um den Italos Feuer unterm Arsch zu machen. Es bricht ein regelrechter Kleinkrieg aus zwischen Hinterwäldlern und Pomadeköpfen.
Interessanter Story-Ansatz, die Heldenmoral an der Seite der ansonsten im US-Film wenig wohlgelittenen Rednecks zu verorten, die sich mit ihrem ungepflegten Äußeren und ihrer anachronistischen Lebensweise ja selten Freunde zu machen pflegten. Ob das alles Vorurteile sind oder nicht, bleibt letztlich auch hier Makulatur. Im Prinzip füttert "Next Of Kin" die altbekannten Klischees ebenfalls bloß weiter aus, wenn auch unter verkehrten Vorzeichen.
Swayze, der sich gegen Ende der Achtziger in Windeseile von seinem Tänzer-Image wegzubewegen suchte, nahm mit "Next Of Kin" nach "Roadhouse" einen weiteren recht harten Genrefilm mit, der jedoch, wie es bei John Irvin typisch ist, lange zögert, bis er zeigt, was wirklich in ihm steckt. "Next Of Kin" ist gute zehn Minuten zu lang, die mit unsubstanziellem bis redundantem Geplänkel und Gefühlsduseleien gefüllt sind, offenbar Zugeständnisse an die noch immer beträchtliche Damenquote im Swayze-Publikum. Wesentlich interessanter - neben dem Showdown, der vieles wieder rausreißt, was vorher verloren schien (s. auch "Dogs Of War" / "Raw Deal") - die Besetzung, die eine illustre Schar seinerzeit noch unbekannter Namen vereint, selbst der junge Ben Stiller spielt hier auf.
Insgesamt ein eher zwiespältiges Vergnügen und für eine adäquate Actionwerkschau schlichtweg verzichtbar.
5/10
#1340
Geschrieben 16. August 2008, 09:30
Superfly ~ USA 1972
Directed By: Gordon Parks Jr.
Priest (Ron O'Neal), Koksdealer aus Profession, wil noch ein letztes Millionengeschäft durchziehen und sich dann zur Ruhe setzen. Bei der von langer Hand geplanten Durchführung des Jobs stößt er allerdings an einen korrupten Bullen (Floyd Levine), der mit Priest als Handlanger den großen Reibach machen will.
Für die häufig vorschnell gebrauchte Bezeichnung 'Blaxploitation' ist "Superfly" eigentlich viel zu schade. Als ein Meilenstein des Schwarzen Kinos hat der Film bis heute Bestand. Wo sein Vater Gordon Parks kurz zuvor den Superdetektiv "Shaft" inszenierte und dabei kaum mehr denn reinen Eskapismus lieferte, geht Parks Jr. pikanterweise ganz nah heran an den nassen Asphalt der Harlemer Straßen, dorthin, wo die pimps und hustlers jenseits der 110. in ihren kleinen Hinterhofkaschemmen sitzen beim Würfelspiel - ohne einen verlogenen farbigen Heldenersatz. Priest, der sich aufgrund seines hellhäutigen Äußeren oft dumme Sprüche anhören muss, gehört immerhin noch zu jenen, die inmitten des sich potenzierenden kriminellen Wohlstands einen kühlen Kopf bewahren und diesen daher regelmäßig aus der Schlinge ziehen können.
Raue Authentizität ist das oberste Stichwort; Parks Jr.s Bilder sind ungeschönt, körnig, schmutzig, in bewegten Szenen kommt permanent die wacklige Handicam zum Einsatz und über alldem thront der beste Soundtrack des Jahrzehnts, wenn nicht aller Zeiten: The Curtis Mayfield Experience plays "Pusherman".
9/10
#1341
Geschrieben 16. August 2008, 09:54
Wrong Turn ~ USA 2003
Directed By: Rob Schmidt
Nachwuchsarzt Chris (Desmond Harrington) verfährt sich in den Wäldern West Virginias auf dem Weg zu einem Bewerbungsgespräch, wo er dann in einen Unfall mit einigen weiteren jungen Leuten (u.a. Eliza Dushku, Jeremy Sisto) verwickelt wird. Auf der Suche nach Hilfe stößt man auf die Hütte von ein paar inzestuös degenerierten Kannibalen, die hinter ihrer Behausung bereits einen ganzen Autofriedhof angehäuft haben. Die abstoßenden Hinterwäldler zeigen sich sogleich von ihrer unangenehmsten Seite und selbst die nun folgende Flucht durchs Gehölz hilft nicht allen Überlebenden aus der Patsche.
An die Motivlage dieses einfachen Films, der inhaltlich nichts weiter ist als ein inoffizielles Remake altbekannter Vorbilder, braucht man keinen weiteren Gedanken zu verschwenden. Wichtig ist neben der zugegebenermaßen beeindruckenden Nutzung der Naturkulisse einzig, wie routiniert er sein schmales Sujet ins Feld führt. Das funktioniert dann sogar ganz passabel, um die artgerechte Darbietung von Spannungssequenzen und Hochseilakten weiß man hier. Hinzu kommt die angesichts seiner substanziellen Hohlwangigkeit zuschauerfreundlich-knappe Lauflänge, die "Wrong Turn" nicht unnötig aufbläht, sondern ihn schlicht dort belässt, wo er hingehört: Im grundehrlichen Sektor B. Weiterhin gebührt Schmidts Film wohl so etwas wie die Pionier-Medaille für die Wiedereinführung blutreicher Szenarien. Ist ja gar nicht so lange her, da hat sich jedermann über die 16er-Freigabe des Films mokiert. Mittlerweile alles schon wieder relativ.
Persönliche Bonuspunkte meinerseits gibt es noch für die Verwendung von zwei Queens Of The Stone Age - Songs ganz zu Beginn, darunter "You Can't Quit Me Baby", das immerhin zu den großartigsten Rockstücken der letzten 20 Jahre zählt. Zeugt von gutem Geschmack und wirkt sehr einladend.
6/10
#1342
Geschrieben 17. August 2008, 09:17
Reign Over Me (Die Liebe in mir) ~ USA 2007
Directed By: Mike Binder
Zahnarzt Alan Johnson (Don Cheadle) begegnet eines Tages zufällig seinem Ex-Kommilitonen Charlie Feinman (Adam Sandler) wieder, von dem Alan weiß, dass er seine Familie bei den Anschlägen vom 11.09.01 verloren hat. Charlie ist durch diesen Verlust schwer traumatisiert und findet nicht mehr in eine bodenständige Existenz zurück. Alan nimmt sich vor, Charlie zu helfen.
Ein fantastischer Film, von dem ich mich ärgere, zuvor einen so sturen Bogen darum gemacht zu haben. Gleich auf mehreren Ebenen leistet "Reign Over Me", der in der Tradition steht von Gilliams "The Fisher King", Denkwürdiges, nicht allein als massenmediale Aufarbeitung der omnipräsenten amerikanischen Terrorneurose. Auch was seinen aufrichtigen Humanismus und die philanthropische Grundhaltung anbelangt, ist der Film basal. Hinzu kommt sein urbaner Anstrich, der "Reign Over Me" in eine Reihe mit den großen New-York-Porträts stellt. Adam Sandler entwickelt sich mehr und mehr zu einem der ernstzunehmendsten US-Schauspieler, seine Leistung in diesem, sein bisheriges Œuvre überdeutlich transzendierenden Falle jedenfalls siedelt fernab jeder negativen Kritik. Und auch der Rest der überaus sympathischen Besetzung kann sich mehr als sehen lassen. Dass Binders Film nebenbei noch der Musik und ganz besonders einem astronomischen Song, der anlässlich des vorliegenden Einsatzes gleich noch von einer der größten Bands unseres Planeten gecovert wurde, seine Ehrerbietung erweist, macht einen noch umso glücklicher. "Reign Over Me" - ein großes, weiches Pflaster. Lass die Liebe regieren!
9/10
#1343
Geschrieben 17. August 2008, 09:36
Jackie Brown ~ USA 1997
Directed By: Quentin Tarantino
Stewardess Jackie Brown (Pam Grier) geht gehörig die Muffe als sie vom FBI Hops genommen wird. Ihr inoffizieller Arbeitgeber, der Dealer Ordell Robbie (Samuel L. Jackson), ist nämlich dafür bekannt, dass er zwar Kautionen für seine "Angestellten" hinterlegt, diese jedoch auch, sobald sie wieder auf freiem Fuße sind, ruckzuck um die Ecke bringt. Es bleibt Jackie also nur noch die Möglichkeit, etwas klüger als Ordell zu sein und ihn nicht nur zu übervorteilen, sondern ihm zugleich noch einen hübschen Batzen Kohle abzuluchsen.
Nur böse Zungen würden wohl behaupten, Tarantinos bester Film sei deshalb so gut, weil er auf einer fremden Vorlage beruhe. Nein, das wäre unfair. Immerhin versteht sich "Jackie Brown" ja, wie alles, was der Goldjunge mit dem prägnanten Unterkiefer seither anfasst, als Hommage. In diesem Falle erweist sich der Film als Reverenz an das in den Siebzigern hochvitale Subgenre der Blaxploitation, weshalb Q.T. auch die Szenerie aus Leonards Roman in ein vornehmlich farbiges Milieu verlagerte und mit Pam Grier der damaligen Frontfrau jener Kinobewegung ein fulminantes Comeback verschaffte. Selbiges gilt natürlich für Robert Forster, der als Kautionssteller Max Cherry die vielleicht beste und coolste Rolle seiner Karriere bekleidet. De Niros Einsatz schließlich ist zwar stark, aber letztendlich kaum mehr als Futter für Tarantinos Ego.
Warum nun mag ich diesen Film von allen Q.T.s am liebsten? Diese Frage lässt sich rasch beantworten: Weil er einen unsagbar tollen Soundtrack mitbringt (unter anderem übernimmt selbiger mehrere tunes von Roy Ayers' Musik zu "Coffy"), die Lässigkeit quasi neu erfindet und in seiner absoluten Unaufgeregtheit, die so gar nicht zu Tarantinos hyperaktivem Auftreten passen will, ein wunderbar entspanntes Stück Film abgibt.
10/10
#1344
Geschrieben 17. August 2008, 15:06
Once ~ IE 2006
Directed By: John Carney
Eine junge tschechische Migrantin (Marketa Irglova) wird in den Straßen von Dublin auf einen Musiker (Glen Hansard) aufmerksam, mit dem zusammen sie in der Folge ein paar schöne Tage verlebt und in einem Tonstudio ein Demo aufnimmt. Zwar empfinden die beiden mehr als bloße Sympathie füreinander, ihre jeweilige Lebenssituation erlaubt aber kein Näherkommen.
Die einfache und alltagsweise Formel, dass Musik und Liebe so elementar für das Leben sind wie Sauerstoff und Essen, wird einem während des Genusses von "Once" mehr als glaubhaft versichert. Und tatsächlich reduzieren sich die Existenzmaximen rund um den Film auf diese zwei Mosaiksteine, bei denen dann jeweils wiederum Glück und Schmerz ganz nah beieinanderliegen. Verwebt ist dies zu vorsätzlich unspektakulärem Independentkino, das deutlichen Wert auf seine Echtheit und seine unverfälschte Emotionalität legt und so dann auch zu einem beinahe bombensicheren Darling der Kulturkritik avancierte. Etwaiges Kalkül würde ich "Once" aber nicht zum Vorwurf machen wollen, dazu ist er schlicht zu wahr, zu schön, zu unmittelbar. Außerdem sind die Hansard-Songs ernstlich wundervoll.
8/10
#1345
Geschrieben 17. August 2008, 15:32
In The Valley Of Elah (Im Tal von Elah) ~ USA 2007
Directed By: Paul Haggis
Der pensionierte Militärpolizist Hank Deerfield (Tommy Lee Jones) erhält Nachricht von der Rückkehr seines Sohnes Mike aus dem Irak. Kaum daheim wird Mike jedoch schon an seinem Camp in New Mexico vermisst, auch bei den Eltern hat er sich nicht gemeldet. Deerfield macht sich auf, das Verschwinden seines Sohnes mithilfe der engagierten Polizistin Sanders (Charlize Theron) aufzuklären.
Das sehr ehrenwerte Antikriegs-Konzept voll zur Geltung bringend, erklärt Haggis in seinem bisweilen recht tendenziösen Film Krieg und Militär zu grundsätzlich überflüssigen Institutionen und deren Teilnehmer durchweg zu verlorenen Seelen. Dagegen wäre ja nichts zu sagen, wohnte uns Menschen nicht eine wesenhafte Schlechtigkeit inne, die bewaffnete Auseinandersetzungen eben manchmal unumgänglich macht. Erstes Ziel in Haggis' pazifistischen Visier ist unmissverständlich der selbsternannte Weltpolizist USA, der seine Söhne und Töchter bereits seit Jahrzehnten dort verheizt, wo sie eigentlich nichts zu suchen haben. Auch das ja eine prinzipiell universelle Wahrheit. Nun sollte man diese Kommentare aber nicht überbewerten, immerhin erzählt "In The Valley Of Elah" ja auch noch andere wertige Geschichten, von Verlust und Verantwortung, von Trauerarbeit und von verschenkten Möglichkeiten. Als Schauspielerfilm sehr passabel, fehlt Haggis' Arbeit allerdings ein elementares Ingredienz: Spannung. Da ja immerhin noch ein Krimiplot vorhanden ist, ist es sicherlich keine allzu glückliche Wahl, auf jedwede dramaturgische Dynamik zu verzichten und das Resultat dann beinahe starr wie eine Salzsäule Milimeterschrittchen gehen zu lassen. Dennoch ein insgesamt mögenswertes, redliches Produkt.
7/10
#1346
Geschrieben 18. August 2008, 18:04
The Comedy Of Terrors (Ruhe Sanft GmbH) ~ USA 1964
Directed By: Jacques Tourneur
Der versoffene Bestattungsunternehmer und notorische Misanthrop Waldo Trumbull (Vincent Price) hilft seinem mau laufenden Geschäft zuweilen ganz gern nach, wobei ihn sein tölpelhafter Gehilfe, der Ex-Knacki Gillie (Peter Lorre), eher widerwillig unterstützt. Daheim wird der arme Trumbull, der sich nur eins wünscht, nämlich "vom Schnapsteufel geholt" zu werden, von seiner zwar ansehnlichen, aber schräg dahinsopranierenden Frau Amaryllis (Joyce Jameson) und seinem alterssenilen Schwiegervater (Boris Karloff) genervt. Und dann ist da noch Waldos Vermieter und Gläubiger, der unnachgiebig den "Macbeth" rezitierende Mr. Black (Basil Rathbone). Als es gilt, die Finanzen mal wieder etwas in Schwung zu bringen, hat Waldo gleich das passende Opfer zur Hand.
"Comedy Of Terrors", eine herrliche, von der AIP inmitten der Corman-Poes hergestellte, schwarze Komödie mit einem exorbitanten Ensemble voller bester Spiellaune, ist ein einziges großes Geschenk für Fans. Diesen Waldo Trumbull, eigentlich ein Arschloch par excellence, muss man einfach mögen, so zynisch, spitzfindig und vor allem trinkfreudig wie er ist. Witzigerweise gilt das aber auch für sämtliche anderen Gestalten, die Tourneurs Film nach einem Script von Richard Matheson bevölkern: Seien es der wie immer liebenswerte Lorre, der den Namen seines Chefs mit größter Sturheit falsch ausspricht, die üppig dekolletierte Jameson, die Gläser zersingt oder natürlich Karloff, der selten in einem rührenden Part zu sehen gewesen sein dürfte als hier. Mein persönlicher Superstar ist jedoch Basil Rathbone, dessen zunehmend spinnerte (aufgrund einer verständlichen geistigen Derangierung ob all der Leute, die ihm einreden, er sei tot) Auftritte einen Tränen lachen lassen. Und das Ende? Tja, von der Floskel der "Göttlichen Gerechtigkeit" halte ich ja eigentlich nichts, wenn sie aber so romantisch ihren Platz findet, wie in der "Comedy Of Terrors", dann soll sie mir Recht sein. Bravourstück.
9/10
#1347
Geschrieben 18. August 2008, 18:21
Dead Heat ~ USA 1988
Directed By: Mark Goldblatt
Die beiden L.A.-Cops Bigelow (Joe Piscopo) und Mortis (Treat Williams) sind einer Bande von offenbar untoten Räubern auf der Spur. Jene führt zu einem Pharma-Unternehmen, in dem sich hinter verschlossenen Türen ein blau blitzendes Maschinchen befindet, dass Verstorbene wieder ins Leben zurückbringt. Als Mortis durch einen dummen Unfall das Zeitliche segnet, testet Bigelow jene Apparatur kuzerhand an seinem Partner, der dann auch gleich wieder ins Leben zurückkehrt: Allerdings nur befristet, denn nach 24 Stnden setzt ein beschleunigter Zellzerfall ein. Den beiden trotz aller Widrigkeiten gut aufgelegten Ermittlern bleibt also nur wenig Zeit, die Zombie-Gang dingfest zu machen.
Auch wenn bei ihm von Rigor Mortis nichts zu bemerken ist, fängt Roger Mortis doch ziemlich rasch zu faulen an: Flaue Witzchen wie der hiermit von mir beigesteuerte bestimmen das Bild dieses Shakes aus Slapstick-Comedy, Buddy-Movie und Splatterstreifen. Auch wenn den Beteiligten der Spaß bei der Erstellung der Sache anzumerken ist, kann man wohl nicht durchweg behaupten, einen kreuzoriginellen Film vor der Linse zu haben - dazu kommt das Ganze nämlich kurz gesagt zu doof. Nun, immerhin ließ sich der in Würden ergraute Vincent Price zu einer kleinen Veredlung von "Dead Heat" hinreißen, es gibt eine ziemlich prima melting sequence und mit Joe Piscopo einen amtlichen Dienstprolo, der, hätte er seinerzeit bei uns in Deutschland gehaust, garantiert einen Manta GT gefahren hätte. Als einziger schaut Treat Williams ein wenig skeptisch drein, so etwa, als denke er bei sich: "Scheiße. Vor'n paar Jahren habe ich noch bei Lumet und Leone gespielt, und jetzt..." Aber das ist einmal mehr bloß bloße Mutmaßung des latent argwöhnischen Chronisten.
5/10
#1348
Geschrieben 19. August 2008, 05:28
The Unseen ~ USA 1981
Directed By: Danny Steinmann
Die drei Journalistinnen Jennifer (Barbara Bach), Karen (Karen Lamm) und Vicki (Lois Young) sollen von einem Folklore-Festival aus der Provinz berichten. Da sämtliche Hotels ausgebucht sind, begibt man sich auf die Suche nach einer Alternative. Im Nachbarort, der einer Geisterstadt gleicht, lernt Jennifer dann den spleenigen Museumsbetreiber Ernest (Sydney Lassick) kennen, der die drei auf seine Farm einlädt. Ernests Schwester ist von der Idee, Gäste zu beherbergen, alles andere als begeistert. Im Keller des Hauses wohnt nämlich Junior (Stephen Furst)...
Wenn uns die Genregeschichte eines seit Jahrzehnten lehrt, dann, dass korrelativ zur zunehmenden Distanz zur Urbanität der mentale Störungsfaktor der Landbewohner ansteigt. Je weiter man sich also von der großräumigen Zivilisation entfernt, desto größer der Schrecken, mit dem man rechnen muss. Nun ist Ernest Keller zwar kein Kannibale oder ähnliches, er hat aber trotzdem eine Menge Probleme, derer er in der Abgeschiedenheit nicht Herr zu werden vermag. Dazu zählt immerhin und nicht zuletzt die Bereitschaft zum Kapitalverbrechen.
Was Danny Steinmanns "The Unseen" so reizvoll macht, ist sein Spiel mit der Kaspar-Hauser-Motivik, seine abgründige Atmosphäre, inhaltlich resultierend aus der Aufdeckung unaussprechlicher Geheimnisse hinter holzsolider Farmhauswand und dass er dabei stets den Mut behält, sich selbst ernstzunehmen.
Barbara Bachs Entsetzensvisage ist ein echter Schatz und Lassick, den man noch aus dem "Kuckucksnest" kennt ("Miss Ratcheeeed!"), fügt sich einen denkwürdigen Schnitzer auf seinem Irrsinns-Kerbholz hinzu.
7/10
#1349
Geschrieben 20. August 2008, 15:03
Stagecoach (Höllenfahrt nach Santa Fe) ~ USA 1939
Directed By: John Ford
Von Tonto bis nach Lordsburg führt der ausnehmend gefährliche Weg einer Wells Fargo - Postkutsche. Der abtrünnige Apache Geronimo befindet sich nämlich auf dem Kriegspfad und plündert alles, was nach Beute und bleicher Haut riecht. Noch turbulenter als die eigentliche Reise sind die Passagiere des Transports. Neben dem Kutscher Buck (Andy Devine) und dem mitreisenden Marshal Wilcox (George Bancroft) an Bord: Die hochschwangere, junge Mrs Mallory (Louise Platt), die zu ihrem Mann, einem Kavallerie-Captain, will, der Spieler Hatfield (John Carradine), der versoffene Arzt Doc Boone (Thomas Mitchell), der Prediger Peacock (Donald Meek), der Bankier Gatewood (Berton Churchill), der seine eigene Bank ausgenommen hat, die Hure Dallas (Claire Trevor) und als letzter Zugestiegener der flüchtige Ringo Kid (John Wayne), der auf der Suche ist nach den Plummer-Brüdern, mit denen er noch eine Rechnung offen hat.
In den Dreißigern drohte der Hollywood-Western endgültig zum Kasperletheater zu verkommen, da kam John Ford daher und begründete mit "Stagecoach" jene Genretradition, die uns bis heute geläufig ist. Hierher stammen all die medial so ausgewalzten Typen, Strategien, Perspektiven. "Stagecoach" ist der Stammvater dieser Bilderfluten. Monument Valley, Salzwüste, Kutschfahrt, Goldraub, Indianer, Army, Desperados, Outlaw - hier alles unter Dach und Fach. Eine bis dahin beispiellos dynamische Actionregie, als die Insassen des Fuhrwerks von Geronimo und seinen Leuten attackiert werden. Bewusst verkehrte Rollenmodelle. Duke, der hiermit bereits seinen großen Stern zum Leuchten gebracht hat. Thomas Mitchell, derweil eine professionelle Offenbarung. John Carradine, heldenhafter als gewohnt. Andy Devine, feige und feist wie eh und je. Und am Ende die Farm als Heimathafen für zwei Ausgestoßene. Legenden und Mythen, wie Ford sie so zutiefst menschlich zu kreieren verstand: Hier erstmals in voller Pracht.
10/10
#1350
Geschrieben 22. August 2008, 11:09
Silver Streak (Trans-Amerika-Express) ~ USA 1976
Directed By: Arthur Hiller
Die Fahrt im Silberpfeil nach Chicago verläuft für George Caldwell (Gene Wilder) zunächst mehr als angenehm. Er lernt die aparte Hilly (Jill Clayburgh) kennen, die offenbar etwas für ihn übrig hat und landet kurz darauf sogar mit ihr im Schlafabteil. Doch gerade als es kuschlig wird, sieht George einen toten Mann vom Zugdach baumeln, der dann auch noch hinunterstürzt. Als George dann am nächsten Tag unsanft aus dem fahrenden Zug in die Wildnis befördert wird, macht er sich zunehmende Sorgen um Hilly und schafft es über Umwege, den Silberpfeil wieder zu erreichen. Dann muss er diesen noch ein weiteres unfreiwilliges Mal verlassen und lernt den Kleinganoven Grover Muldoon (Richard Pryor) kennen, der ihm fortan eine große Hilfe ist bei der Klärung des dem allen zugrunde liegenden, obskuren Kriminalfalls, in dem es um Kunstfälschung und ein paar handgeschriebene Briefe von Rembrandt geht.
"Silver Streak" gibt einen sehr sympathischen Film ab, der ganz im Zeichen schnörkellosen Entertainments steht und mehr crime als comedy bietet. Zwar handelt es sich um die erste Zusammenarbeit des später noch weiter erfolgreichen Duos Wilder/Pryor, den zum Slapstick neigenden Humor der jüngeren Filme sollte man hier jedoch noch nicht erwarten. "Silver Streak" steht mehr in der Tradition Hitchcocks, exakter noch in der von "North By Northwest". Die Ausgangssituation - ein unbescholtener Bürger wird in eine Geheimdienstaffäre involviert und lernt eine hübsche Dame kennen, die ebenfalls knietief mit drin steckt - ist nahezu identisch, einzig die Spaßelemente überwiegen im vorliegenden Fall. Deren Höhepunkt markiert ein mittels Schuhcreme eilig zum Schwarzen getunter Gene Wilder, der, um nicht erkannt zu werden, mit einem Kofferradio auf der Schulter die weiße Klischeevorstellung eines R'n'B-Negers geben muss - unter größtem Widerwillen von Pryor, auf dessen Mist aber die Grundidee zu der Tarnung gewachsen ist. Ganz großartig und spektakulär in Szene gesetzt ist der Showdown, in dem der Silberpfeil ungebremst in den Chicagoer Kopfbahnhof rast. Da setzt "Silver Streak" dann sogar noch regelrechte Katastrophenfilm-Elemente frei, die aber trotz ihrer eigentlich widrigen Prämisse hervorragend funktionieren.
7/10
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