In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1381
Geschrieben 10. September 2008, 16:54
Matinee ~ USA 1993
Directed By: Joe Dante
Key West, Oktober 1962: Die Stadt ist aus zweierlei Gründen in panischer Aufregung - Zum einen droht ein atomarer Konflikt wegen der sowjetischen Aufrüstung auf Kuba, zum anderen kündigt der Billigfilmer Lawrence Woolsley (John Goodman) sein neues Projekt "Mant" an. Woolsley ist freilich nicht irgendein Regisseur. Um sein Publikum gehörig auf die Palme zu bringen, installiert er kleine Gimmicks in den Theatern wie Elektroschocker unter den Sitzen und doppelte Leinwände. Auf den Teenager und Monsterfan Gene Loomis (Simon Fenton), dessen Vater an der Seeblockade teilnimmt, wartet eine ereignisreiche Woche.
Dantes kleiner Film ist eine bezaubernde Hommage an die vergangenen Großtaten der Kinomagier und an Zeiten, in denen Angst und Staunen noch dicht beieinander lagen. Dass der Regisseur jene Tage sehr geliebt hat, kommt in jeder Faser von "Matinee" zum Ausdruck. Nebenbei eine Geschichte über die erste große Liebe und das Erwachsenwerden, beschreibt Dante die Disparität zwischen dem atomaren Leinwandterror ("Mant" Bill ist ein Opfer nuklearer Strahlung) und dem realen Horror der Kubakrise, vor deren Hintergrund den Kindern nötigend beigebracht wird, sich zu ducken, nicht in den Blitz zu schauen und dann auf dem schnellsten Wege nach Hause zu gehen. Viel an Stammpersonal und Freunden sind untergebracht, darunter Belinda Balaski, der notorische Robert Picardo, Dick Miller, Kevin McCarthy und Kollege John Sayles, wohlklingende Namen in den Ohren des Dante-Aficionados. Ein wenig frecher und entbehrungsreicher in punkto Familienkompatibilität allerdings hätte "Matinee" ruhig sein dürfen; die stärksten Momente treten durch Woolsleys Film im Film zu Tage, der die undefinierbaren Urängste der Bevölkerung, ausgelöst durch das nicht greifbare drohende Unheil, per Monstertrash marginalisiert und zu einer denkwürdig komischen Angelegenheit werden lässt. Das sowie die Verspottung antiquierter didaktischer Aufklärungsfilme hatte Dante schon bei "Amazon Women On The Moon" so trefflich beherrscht.
7/10
#1382
Geschrieben 10. September 2008, 17:10
The Long Goodbye (Der Tod kennt keine Wiederkehr) ~ USA 1973
Directed By: Robert Altman
Philip Marlowe (Elliot Gould) ist tierisch angenervt. Seine Katze hat sich verdrückt, die zugekifften Nudistinnen eine Tür weiter nerven ihn mit obskuren Fresskickwünschen und sein alter Kumpel Terry Lennox (Jim Bouton) bittet Marlowe, ihn mitten in der Nacht nach Tijuana zu kutschieren. Kurz darauf muss Marlowe zu den Cops, Terrys Frau wurde ermordet. Dazu kommt dann ein Auftrag aus dem Malibu Park, derselben Adresse, die das Ehepaar Lennox bewohnte: Eileen Wade (Nina van Pallandt) heuert Marlowe an, ihren versoffenen Ehemann Roger (Sterling Hayden), einen augebrannten Romancier, nach Hause zu bringen. Unter das allseitige Gewimmel mischt sich noch der psychotische Gangsterboss Augustine (Mark Rydell). Marlowe findet bald heraus, dass die Lennoxes und die Wades sich nur allzu gut kannten.
Altmans Renovierung des film noir zu New-Hollywood-Konditionen, ein Jahr nach "Hickey & Boggs", eines vor "Chinatown": Marlowe lebt auch in den Siebzigern noch in L.A., ist um keinen Tag gealtert und um keinen treffsicheren Spruch ärmer geworden. Allerdings hat er nach wie vor einen verflucht trübsinnigen Freundeskreis. Dass der Film primär ein Kind seines Regisseurs ist, ist unschwer ersichtlich, dass jedoch hinter den Kulissen noch zwei Männer der späteren Leibmannschaft Spielbergs, Alan Rudolph in der 2nd Unit sowie die großartige Autorin Leigh Brackett mitgemischt haben, würde man angesichts des behäbig-unkonventionellen Resultats nicht unbedingt erwarten. Zwei brillante Cameos (David Carradine - permanent plappernd, Arnold Schwarzenegger - stumm, dafür mit Pornobalken), die damals wohl nicht als solche gewertet wurden, und fertig ist das arschcoole Soufflé, das von vorne bis hinten stimmt und nach 105 fast durchweg süffisanten Minuten mit einem frontalen Faustschlag mitten in die Rezipientenfresse endet.
9/10
#1383
Geschrieben 11. September 2008, 15:42
Bluebeard's Eighth Wife (Blaubarts achte Frau) ~ USA 1938
Directed By: Ernst Lubitsch
Der praktikabel veranlagte US-Multimillionär Michael Brandon (Gary Cooper) verliebt sich an der französischen Riviera Hals über Kopf in die gewitzte Marquisen-Tochter Nicole (Claudette Colbert) und sie sich auch in ihn, so dass einer Heirat vom Fleck weg eigentlich nichts entgegen stünde - wären da nicht die sage und schreibe sieben Ex-Ehen Brandons, von der Nicole erst bei der Verlobung erfährt. Da über ihrem Papa (Edward E. Horton) aber bereits die Pleitegeier kreisen, gibt Nicole dann doch ihr Ja-Wort, mit dem Hintergedanken, die wohl baldigst zu erwartende Scheidung selbstverantwortlich über die Bühne zu bringen.
Prächtige Screwball-Comedy von einem wie immer schwer ausgeschlafenen Lubitsch, der hier unter tatkräftiger Unterstützung des Autorengespanns Wilder/Brackett einige cineastische Humorstandards installiert. Gary Cooper und Claudette Colbert sind freilich ein sehr nettes Pärchen, vor allem ihres beträchtlichen Größenunterschieds wegen. Wie so häufig in diesem Metier lauern die wahren Glückskekse jedoch in und hinter den Nebengeschicken, vor allem wären da Horton als gestrandeter Blaublütiger zu nennen und natürlich der augenscheinlich bereits in der Steinzeit geborene David Niven als 2nd-hand-Galan, der nicht nur auf jede Chance bei der Colbert verzichten muss, sondern auch noch zwei gezielte upper cuts einzustecken hat. Auf die üblichen Absurditäten, die, wie es sich für eine zünftige screw-com (hö, hö) gehört, wird schlussendlich nicht verzichtet: Es mündet alles, wo auch sonst, in der Zwangsjacke.
8/10
#1384
Geschrieben 12. September 2008, 07:46
Lock Up ~ USA 1989
Directed By: John Flynn
Frank Leone (Sylvester Stallone), Knacki und Freigänger, hat nur noch eine kurze Zeit abzusitzen, als er eines nachts aus heiterem Himmel in das berüchtigte Gefängnis Gateway verlegt wird. Der Grund dafür ist rasch gefunden: Der Direktor von Gateway ist Franks alter Intimfeind Drumgoole (Donald Sutherland), ein besessener Soziopath, der um jeden Preis beweisen möchte, dass Frank immer wieder rückfällig würde und dass er die Freiheit daher nicht verdient. Drumgoole drangsaliert Frank also mithilfe sadistischer Aufseher und des gewalttätigen Häftlings Chink Weber (Sonny Landham), wo er nur kann. Bis dem Guten tatsächlich irgendwann die Hutschnur platzt.
Ein Versuch Stallones, sein gegen Ende der Achtziger leicht lädiertes Image wieder etwas aufzupolieren. Es schien, das Publikum akzeptiere ihn nur als Boxer oder Massentotschläger, "Over The Top" war bös gefloppt. Damit mochte der Verkannte sich jedoch nicht abfinden und spielte in diesem etwas holzschnittartigen Knastfilm, der mit zwei, drei gewalttätigen Szenen auskommt und ansonsten eher die dramatisch-sensible Tour fährt. Mit dem Engagement des Rocky-Komponisten Bill Conti wurde offensichtlich darauf abgezielt, auch akustische Assoziationen an bessere Tage aufkommen zu lassen. Darstellerisch ist die Rolle des Frank Leone dann auch durchaus durchaus etwas anspruchsvoller als das Gros der jüngsten Sly-Vehikel, dennoch pendelt die Inszenierung unentschlossen jeweils zwischen Charakterstudie und Asiklopper und findet nie so ganz ihr Ziel, was das Gesamtergebnis leicht unfertig erscheinen lässt. Trotzdem kein Film, der enttäuscht, besonders wegen des angenehm diabolisch aufspielenden Sutherland nicht.
6/10
#1385
Geschrieben 12. September 2008, 08:05
Affliction (Der Gejagte) ~ USA 1997
Directed By: Paul Schrader
Die Geschichte der letzten Amtstage des Kleinstadtbullen Wade Whitehouse (Nick Nolte), dessen ohnehin bereits zerbrochene Welt sich endgültig vaporisiert.
Ich weiß schon, warum ich mir "Affliction" trotz seiner Güteklasse nur alle paar Jubeljahre mal ansehe. Es handelt sich nämlich um einen Film, der physische Schmerzen zufügt - und den desillusionierenden, auf Zelluloid gebannten Beweis dafür, dass die Fehler der Väter auch ihren Söhnen obliegen, wenn diese sich auch noch so verzweifelt dagegen zu wehren versuchen. Die Ereignisse, von denen "Affliction" berichtet, sind im Prinzip Allerweltsgeschehnisse, die in dieser Konzentration jedoch und unter dem Gesichtspunkt betrachtet, dass sie allesamt einem einzigen Menschen zustoßen, in ihrer Abfolge erschreckender kaum sein könnten. James Coburn als Wades armseliger Vater bekommt eine unglaublich intensive Altersrolle, es mutet beinahe schon beängstigend an, wie die beiden Darsteller sich nicht nur physiognomisch, sondern gemäß ihrer Rollen auch typologisch annähern. Als Vater und Sohn schließlich gemeinsam im kalten Wohnzimmer hocken, stumm nebeneinander und Wade seinem Pa ungerührt einen Schluck aus der Schnapsflasche einschenkt, da weiß man, wie es um den Filius bestellt ist und wem er das zu 'verdanken' hat.
Nicht zuletzt ist "Affliction" ein Winterfilm, denn diese Jahreszeit symbolisiert Stillstand, Sterben und Tod. Neben "Cat People" Paul Schraders beste Regiearbeit.
10/10
#1386
Geschrieben 12. September 2008, 15:12
The Running Man ~ USA 1987
Directed By: Paul Michael Glaser
In naher Zukunft: Das Fernsehen hat die letzte Grenze zum absoluten Meinungsschaffer und -macher überschritten. Beliebter Höhepunkt des durchweg staatlich kontrollierten Programms, das über den Sender ICS flimmert, ist die Gameshow "Running Man", bei der ein Runner von verschiedenen, bewaffneten Stalkers durch ein urbanes Szenario gejagt und in der Regel getötet wird. Der neueste Kandidat ist der Cop Ben Richards (Arnold Schwarzenegger), der soeben aus dem Knast ausgebrochen ist, in dem er wiederum nur saß, weil er sich einem Befehl, Zivilisten ins Kreuzfeuer zu nehmen, widersetzt hat. Freiwillig nimmt Richards natürlich nicht an der Show teil, darum schwört er dem Moderator Killian (Richard Dawson): "I'll be back!"
Schwarzeneggers Dystopien sind, rein literarisch betrachtet, wohl weder die originellsten noch die intelligentesten des Kinos. In einer Hinsicht jedoch erreichen sie ausnahmslos Brillanz - und zwar in jener, den Entertainmentfaktor anbelangend. "The Running Man" basiert auf dem gleichnamigen Roman von Stephen King, der ihn seinerzeit in einer kleinen SciFi-Anthologie unter dem Pseudonym Richard Bachman veröffentlicht hatte. Zahlreiche Faktoren, die Kings Vorlage noch deutlich bissiger machten (darunter die Charakterisierung Richards', der im Buch aus existenziellen Gründen bei dem Format mitmacht), fallen im Script von Eventschreiber Steven E. de Souza unter den Tisch bzw. wurden bewusst modifiziert, um den Stempel des Schwarzenegger-Action-Vehikels nicht zu gefährden. So muss man denn auch leider ein paar unlogische Wendungen hinnehmen und eingestehen, dass die ansonsten redliche Satire-Funktion des Ganzen zu einem Großteil verpufft bzw. dass die Publikumsmajorität des Films zu ebensolchen sabbernden Voyeuren degradiert wird wie die permanent eingeblendete Zuschauerschaft der Spielshow. Den mit Abstand besten Job macht Richard Dawson, der als echter TV-Macher qua perfekt besetzt ist, als schmieriger Drecksack von einem Fernsehmenschen. Er sowie manche kleine Spitzfindigkeit für den zweiten oder dritten Blick sichern mir "The Running Man" trotz seiner bisweilen übermächtigen Oberflächlichkeit den Status als eines meiner fünf liebsten Arnold-Werke.
8/10
#1387
Geschrieben 13. September 2008, 05:04
The Glimmer Man ~ USA 1996
Directed By: John Gray
Als ihm der illuster auftretende Jack Cole (Steven Seagal) als Partner zugeteilt wird, staunt Detective Campbell (Keenen Ivory Wayans) vom LAPD nicht schlecht. Cole hat eine undurchsichtige Vergangenheit, faselt ständig etwas von Gewaltfreiheit und prügelt trotzdem wie ein Kesselflicker drauflos, beherrscht perfekt chinesisch und trägt Sakkos, die aussehen wie persische Bettvorleger. Zusammen sollen die beiden einen Serienkiller, der Ehepaare kreuzigt, dingfest machen und stoßen dann noch auf die Russenmafia beim Waffenverkauf.
Na, das ist ja nochmal ein prima Haudrauffilm mit einem bereits teigig werdenden Seagal. "Glimmer Man" liefert exakt die Art Streifen, die von vorne bis hinten nie zu Ende gedacht wird; Cole soll einerseits als besonnener buddhistischer Mönch durchgehen, wichst aber schon in der nächsten Sekunde ein ganzes Restaurant mitsamt Gästen zu Klump. Außerdem pflegt er recht sadistische Foltermethoden zur Informationsbeschaffung - auch dies sicher kaum im Sinne ostasiatischer Erleuchtungspraktiken. Nun gut, das Schöne an "Glimmer Man" ist, dass er sich, mit Ausnahme der neu eingeführten Buddy-Motive, nahtlos zu den ersten Seagal-Filmen gesellt, die ich bislang fälschlicherweise immer als einen gewissermaßen hermetischen Zyklus (der seinen Abschluss mit "Under Siege" fand) erachtet habe. Das hier vorliegende Werk tut sich in punkto Gewalt und Blödheit jedenfalls gar nichts mit seinen Urahnen. Feini.
5/10
#1388
Geschrieben 13. September 2008, 05:32
Ta Paidia Tou Diavolou (Die Teuflischen von Mykonos) ~ GR/AU 1975
Directed By: Nico Mastorakis
Das Londoner Paar Christopher (Bob Behling) und Celia (Jane Ryall) kommt auf der Insel Mykonos an. Anfangs einen sympathischen Eindruck erweckend, zeigen sie bald ihr wahres Gesicht: Die zwei sind immens gestört und schrecken nicht davor zurück, jegliche Verfehlung gegen Gottes Gebote, besonders, wenn diese sexueller Natur ist, mit einem qualvollen Tod zu bestrafen. Christopher redet sich ein, er müsse die Insel von allem Übel befreien und ihren Ursprüngen zurückführen. Zu den Opfern der beiden zählen ein französischer Maler, Homosexuelle, Hippies, eine frivole US-Kokotte und noch ein paar mehr. Dass er selbst der größte Sünder von allen ist, wird Christopher erst bewusst, als er in einem Kalkbett liegt, in das ihn ein zurückgebliebener Schäfer (Nikos Tsachiridis) gestoßen hat.
"Ta Paidia Tou Diavolo" oder "Island Of Death", wie er international gerufen wird, genießt eine recht spektakuläre Reputation als einer der kruden Terrorfilme der für krude Terrorfilme güldenen Periode der Mid-70s. Wesentlich als Provokation angelegt und voll von beabsichtigten Tabubrüchen (darunter Inzest, Sodomie und Vergewaltigung) die jedoch visuell in der Regel lediglich angedeutet werden, muss man allerdings feststellen, dass die Präsentation den ihr vorauseilenden Ruf letztendlich nicht rechtfertigen kann. Der formal sehr mediokre Film ist vor allen Dingen eines: Zu lang. Irgendwann hat man's schlicht und einfach begriffen, dass Christopher und Celia nicht mehr alle Nadeln an der Tanne haben, dazu bedarf es dann auch keiner weiteren Indizien. Und doch erfolgen diese allenthalben.
Im Interview auf der von ihm selbst vermarkteten DVD betont Mastorakis fast pausenlos, dass er mit "Island Of Death" keinerlei künstlerische Intentionen verfolgt habe, sondern einzig einen billigen Film fertigen wollte, der ihm viel Geld einbringt. So viel Ehrlichkeit verdient Respekt, allerdings muss ich gestehen, dass ich ihm alles andere auch nicht abgenommen hätte. "Island Of Death" gibt einen ganz witzigen Exploiter ab, mehr auf keinen Fall.
5/10
#1389
Geschrieben 14. September 2008, 09:15
Le Professionel (Der Profi) ~ F 1981
Directed By: Georges Lautner
Joss Beaumont (Jean-Paul Belmondo) ist zurück in Paris - und versetzt seinen ehemaligen Auftraggebern damit einen tiefsitzenden Schreck. Vor zwei Jahren sollte Beaumont in Afrika einen Anschlag auf den Diktator N'Jala (Pierre Saintons) verüben, wurde dann jedoch aus politischen Gründen verraten und verkauft. Nach einer zermürbenden Gefangenschaft im Arbeitslager flieht Beaumont und beabsichtigt, seine Mission zum Entsetzen des Geheimdiensts doch noch mit Verspätung durchzuführen - vor Ort, denn N'Jala befindet sich gerade auf Staatsbesuch in Frankreich.
Erstklassiger Actionfilm, der Bebels vorletzter Inkarnation als keinen Stunt scheuender Tausendsassa gehörig Pump verleiht. Joss Beaumont, der Profi, legt keinerlei Schwäche an den Tag und ist, das wird auch uns Zuschauern mittels einer unzweideutigen Ansprache von Beaumonts altem Ausbilder (Gérard Darrieu) klar gemacht, seinem Gegner stets einen Schritt voraus. Er beherrscht nämlich die "weiße Taktik", was im Sinne des Schachspielens bedeutet, dass die 'anderen' jeweils nachzuziehen haben. Dass seinerzeit zahlreiche afrikanische Kleinnationen nach westlichem Gutdünken unterstützt bzw. gestürzt wurden, ist nur teilweise der Politmythologie zuzuschreiben und fand ja dementsprechenden Absatz im kommerziellen Film, speziell im Subgenre der Söldnerstreifen (siehe auch "The Mercenaries" / "The Wild Geese" / "The Dogs Of War") dass im vorliegenden Szenario der Usurpator nur wegen seiner unstillbaren Geilheit vom Thron gestoßen werden kann, wäre dabei eine besonders spritzige Wendung. Und auch Robert Hossein als Kommissar Rosen, Beaumonts ennemi intime und Erste-Garde-Unsympath, sitzt hervorragend: Treffer.
8/10
#1390
Geschrieben 14. September 2008, 09:42
Annie Hall (Der Stadtneurotiker) ~ USA 1977
Directed By: Woody Allen
Die Liebesgeschichte zwischen dem New Yorker Komiker Alvy Singer (Woody Allen) und seiner Lebensabschnittsgefährtin Annie Hall (Diane Keaton), die es irgendwann vorzieht, ihn nach diversen Konflikten sitzen und sich selbst ausgerechnet in Los Angeles niederzulassen.
Film als Maxime - "Annie Hall" zählt nicht nur zu den schönsten Werken der ersten 110 Jahre Kino, er ist auch zu einem persönlichen Leitfaden für mich geworden. Obwohl ich im Prinzip keiner gesellschaftlichen oder kulturellen Gruppe angehöre, der Alvy Singer zuzählig ist, sind seine universellen Weisheiten sicherlich unbestreitbar. Woody Allen hat sich mit dieser Arbeit neu definiert und die Hauptphase seines Schaffens eingeläutet, die von den Skandinaviern Bergman, Ibsen und Strindberg beeinflusste, in der er seinen großstädtischen Intellektuellenhumor auf existenzialistischen Fundamenten gründete und in diesem Zuge teilweise gar Filme schuf, die völlig ohne komische Elemente auszukommen hatten. So jedoch glücklicherweise nicht "Annie Hall", der zu jeder Sekunde beißend witzig ist und der Allens zwischen seiner Selbsträson als Bildungsbürger und der Gewissheit der Unzulänglichkeit in anderer Hinsicht pendelndem Selbstbild vielleicht so treffend transportiert wie keiner seiner - mitunter noch wesentlich stilvoller inszenierten - späteren Filme. Gags, die selbst zu Standards geworden sind und die man irgendwann auswendig mitsprechen kann, unvergessliche Situationen (deren Manifestation am Schluss in einer Reprise sichergestellt wird), eine bis dato ungewohnte Bildsprache, die die medialen Möglichkeiten fast permanent ausschöpft und dazu noch durchbricht - "Annie Hall" kann doch nur ein Lieblingsfilm sein.
10*/10
#1391
Geschrieben 14. September 2008, 11:47
Battle Hymn (Der Engel mit den blutigen Flügeln) ~ USA 1957
Directed By: Douglas Sirk
Nachdem er im Zweiten Weltkrieg versehentlich ein deutsches Waisenhaus zerbombt hat, plagen den Air-Force-Offizier und Pfarrer Dean Hess (Rock Hudson) furchtbare Gewissenbisse. Da er der Überzeugung ist, sein geistliches Amt nicht zur Gänze ausfüllen zu können, meldet er sich fünf Jahre später als Ausbilder der Luftwaffe in Korea. Dort erhält er die Chance, eine große Gruppe von Waisenkindern aus der Gefechtszone zu retten.
Im Universum des Douglas Sirk gehören Melodramatismen zur Befestigung, sind elementarer Bestandteil und Wurzel. Selbst sein unerschütterlicher Christenglaube ist innerhalb dieser Welt ein hinzunehmendes Teilstück. In dem von Authentizität motivierten "Battle Hymn" allerdings, der, wie es sich für seinen Urheber gehört, wundervoll photographiert und in seinen Gefechtsszenen spektakulär geraten ist, trägt Sirk selbst für meine teilblinde Verehrungshaltung eine Spur zu dick auf. Fragwürdige Institutionen wie die Kirche und das amerikanische Militär mitsamt seiner Interventionspolitik werden rückhaltlos glorifiziert, am Ende kulminiert das kurzsichtige Pathos gar in einer Schar koreanischer Waisenkinder, die Colonel Hess zu Ehren die titelspendende "Battle Hymn Of The Republic" schmettern, dass es einem kraus unter den Zehnägeln wird. Dafür sind wiederum Passagen, in denen innere Zerrissenheiten und dramaturgische Spannungselemente die Motoren abgeben, prächtig gelungen. Als Bestandteil der Filmographie Sirks meinetwegen logisch und respektabel, als eigenständiges, Vernunft implizierendes Kunstprodukt bisweilen haarscharf im Bereich des Zumutbaren. Macht im Durchschnitt und mit zugekniffenem Auge:
5/10
#1392
Geschrieben 14. September 2008, 20:31
Death Of A Salesman (Tod eines Handlungsreisenden) ~ USA/BRD 1985
Directed By: Volker Schlöndorff
Für den 63-jährigen Handelsvertreter Willy Loman (Dustin Hoffman) sind Schein und Sein mittlerweile zur Symbiose geraten, er kann, besonders seiner Familie und sich selbst gegenüber, die Fehler seines Lebens nicht eingestehen. Enttäuschte Erwartungen und die Konfrontation mit dem harten Untergrund der Realität, gepaart mit einem sich verschlimmernden psychischen Defizit, lassen ihn schließlich eine folgenschwere Entscheidung treffen.
Arthur Millers Drama, das hier von Schlöndorff für den US-TV-Sender CBS verfilmt wurde, gehört mit Fug und Recht zur weltweiten Schullektüre, zeigt es doch wie kaum ein anderes literarisches Werk die Zwänge und damit Kehrseiten des amerikanischen Traums auf. Besonders beeindruckend ist dabei die Ansiedlung von Millers zutiefst bedrückender Fabel im bürgerlichen Milieu, in der Mittelschicht, aus der sich zumindest zur damaligen Zeit (das Stück wurde 49 uraufgeführt) wohl ein Großteil der US-Bevölkerung rekrutiert haben dürfte. Hier ist es, wo die Lebenslügen ihren besten Nährboden finden, zwischen neugierigen Nachbarn und Spießerglück und hier lauern hinter weißgetünchten Fassaden Neid, Missgunst und Zerbrechen. Zur Gestaltung der verschiedenen Aufzüge wählte Schlöndorff ausschließlich Theaterkulissen, die mitunter absichtlich als solche identifizierbar sind und den Szenen so ein bewusst artifizielles Erscheinungsbild verleihen. Die innere Perspektive zählte und sollte nicht von der Oberfläche überdeckt werden. Die Intensität von Hoffmans Spiel ist beeindruckend und auch John Malkovich nimmt viel von seinem späteren Ruhm vorweg. Große Kunst.
9/10
#1393
Geschrieben 16. September 2008, 15:16
The People Under The Stairs (Das Haus der Vergessenen) ~ USA 1991
Directed By: Wes Craven
Fool (Brandon Adams), ein 12-jähriger Junge, der in den Slums aufwächst, hat wenig zu lachen: Seine Mutter (Conni Marie Brazelton) leidet an Krebs, die Miete kann nicht bezahlt werden und die Hauseigentümer drohen mit Rauswurf. Da bringt ihn Leroy (Ving Rhames), ein Freund seiner Schwester (Kelly Jo Minter), auf den Trichter, bei einem Bruch im Haus ebender verhassten Immobilienhaie einzusteigen. Dort soll angeblich ein Goldschatz versteckt sein. Einmal drin in dem seltsamen Gebäude, muss Fool erkennen, dass "Mom" (Wendy Robie) und "Dad" (Everett McGill) nicht nur totale Psychos sind, sondern dass im Keller und innerhalb des hohlen Mauerwerks des Hauses ein paar seltsame, albinöse Gestalten (u.a. Sean Whalen) umherirren, die Menschenfleisch nicht unappetitlich finden.
Hässlich ist schön, böse ist gut - die Verkehrungsmechanismen, mit denen Craven sein bezauberndes urbanes Märchen ausstaffiert, sind so naiv wie von universeller Gültigkeit. Dass der Autor der kindlichen Abenteuerlust solche Abscheulichkeiten entgegenstellt wie einen kannibalisch veranlagten Kindesmissbraucher, der im Ganzlederanzug und mit Schrotflinte durch seine Wohnstatt hetzt, und damit krankhaftes Übel im äußerlich Respektablen ausmacht, ist schon für sich betrachtet ein wunderbarer Zug, dass er zudem jedoch die spinnerten "Hinterwäldler" aus der Provinz mitten in die Großstadt versetzt, verleiht seinem Werk erst die rechte Magie. "People Under The Stairs" tänzelt traumwandlerisch zwischen Grimms Märchen und Hardcore-Horror, läuft ständig Gefahr, sich zwischen alle Stühle zu setzen, verliert aber doch nie den Halt. Ein toller Film, der nach über fünfzehn Jahren geflissentlicher Ignoranz endlich einer dringend fälligen, revisionistischen Aufbereitung bedarf!
9/10
#1394
Geschrieben 18. September 2008, 14:51
Shocker ~ USA 1989
Directed By: Wes Craven
Der Fernsehelektriker, Satanist und Serienmörder Horace Pinker (Mitch Pileggi) landet auf dem Elektrischen Stuhl, nachdem er durch den übersinlich begabten Jonathan Parker (Peter Berg), dessen Adoptivfamilie ebenfalls auf das Konto des Killers geht, überführt werden konnte. Pinker hat jedoch noch ein besonderes As im Ärmel: Nach seinem 'Tode' wird er zu einer Art Elektromonster und hat die Fähigkeit, Körper zu übernehmen, sowie sich im Stromnetz und auf Funkwellen zu bewegen.
So krude sich der Plot dieses "Nightmare On Elm Street"-Epigonen liest, ist er auch umgesetzt; Craven lässt diverse Phantastereien buchstäblich mit ihm durchgehen und verwurstet jede nur denkbare Idee, um seiner Fernsehsatire die erforderliche Koloratur zu verleihen. Die Geisterwelt wird in mysteriöser Weise mit einbezogen (die Freundin (Camille Cooper) des Helden wird ebenfalls ein Opfer Pinkers und hilft Jonathan fortan aus dem Jenseits), die Vater-Sohn-Beziehung der Antagonisten baut Craven zu einem etwas halbseidenen Psychologikum aus, ja, er scheut sich noch nichteinmal, die etwas ausgefranste Idee der Wirtskörper (ist er's - ist er's nicht...?), auf dem Sektor des Phantastischen ein stets gern benutztes Mottenkügelchen, wiederzuverwerten. Das alles mindert nicht den Spaß an der Sache, au contraire ist "Shocker" gar mehr comedy denn horror. Obgleich dem armen, gebeutelten Peter Berg so viel Schreckliches widerfährt, braucht er bloß eines, um sich des finalen Triumphes gewiss zu sein - und das ist kein Asbach-Uralt, sondern die Solidarität seiner Football-Kollegen.
Craven und die teenage angst, das ist eine wohl ewig währende Verbindung, die, so prognostiziere ich, diesen bravourösen Horrorautor noch bis ins hohe Greisenalter verfolgen dürfte. Hier einmal mehr schön bunt und laut.
8/10
#1395
Geschrieben 18. September 2008, 15:09
The Serpent And The Rainbow (Die Schlange im Regenbogen) ~ USA 1988
Directed By: Wes Craven
Der Toxikologe Dr. Alan (Bill Pullman) erhält von einem Pharmakonzern den Auftrag, in Haiti dem Geheimnis der Zombies auf die Spur zu kommen, jener seltsamer Zwischenwesen also, die weder lebendig noch tot sind und die kurz nach ihrem Wegsterben wieder über die Erde wandeln - ohne Geist und ohne Seele. Alans Eintreffen auf Haiti fällt in die Zeit der letzten Amtstage Baby Doc Duvaliers, dessen Geheimpolizei, die Tonton Macoutes, unter der Führung ihres sadistischen Offiziers Peytraud (Zakes Mokae), unliebsame Neugierige mittels gezielter Methoden auszuschalten wissen. Alan gerät in die Fänge von Voodoo und diktatorischem Terror.
Einer von Cravens Besten ist dieser erste Teil seiner von der Universal verliehenen "Trilogie", die ich (wie immer) aufeinanderfolgend und diesmal ausnahmsweise rückwärts geschaut habe. Es dürfte sich wohl um den einzigen seiner Filme handeln, in denen kein Unter-20-jähriger einen tragenden Part einnimmt und der weitestgehend vor märchenhaften (wenn auch keineswegs vor mystizistischen) Elementen und/oder Wendungen verschont bleibt. Erstaunlich nüchtern und erdbezogen nähert sich Craven den Geheimnissen des Voodoo und des Zombiepulvers, das, so ungeklärt seine Wirkung auch sein mag, aus rein 'pflanzlichen' Zutaten gemischt und hergestellt wird. Nicht nur die authentische Geschichte des Harvard-Forschers Alan interessiert ihn, sondern auch der Identitätsverlust einer Kleinnation im Zeichen der Gewaltherrschaft. Man muss zwar einräumen, dass Craven die Koinzidenz der gezeigten Ereignisse nach einem Gutdünken etwas 'zurechtgerückt' hat, diese kleine Spur der Willkür nutzt dem Spannungsbogen des ungemein ansehnlichen Films jedoch vielmehr anstatt ihm zu schaden. Bis auf die platte Symbolik mit dem Leoparden (Kenner des Films wissen, was ich meine, habe gerade keine Lust, das weiter auszuführen) eine durchweg gelungene Angelegenheit mit treffendem Polittouch.
8/10
#1396
Geschrieben 20. September 2008, 07:03
Auto Focus ~ USA 2002
Directed By: Paul Schrader
Bei seinem Hauptdarsteller-Engagement in der erfolgreichen Sitcom "Hogan's Heroes" lernt Bob Crane (Greg Kinnear) den Videotechniker John Carpenter (Willem Dafoe) kennen, der Bob nicht nur in die Freuden der weitschweifigen Promiskuität einführt, sondern ihn auch noch auf den Trichter bringt, seine Sexkapaden aufzuzeichnen und zu archivieren. Für Bobs Restleben bedeutet die Verbindung zu Carpenter das Verhängnis.
Die abgründige Biographie des einstigen TV-Saubermanns Bob Crane, der 1978 in seinem Apartment erschlagen aufgefunden wurde, erscheint im Nachhinein wie geschaffen für Schrader als Studiosus pathologischer seelischer Zustände. Von einem Familienvater mit drei Kindern, der in seiner Garage ein paar Nackedeiheftchen aufbewahrt, entwickelt sich Crane durch seine Bekanntschaft mit seinem späteren mutmaßlichen Mörder zu einem krankhaft Sexsüchtigen, der ohne den permanenten Koitus irgendwann zerbrechen würde und damit ebenso gestört ist wie ein Alkoholiker oder Spieler.
Das Schöne an "Auto Focus": Schrader lässt sich nicht darauf ein, eine moralisierende Lehrstunde über diese im allgemeinen Suchtkontext eher vernachlässigte Form der Abhängigkeit zu inszenieren. Er beleuchtet, quasi, wie man es von ihm erwarten kann, die zerfallende Persönlichkeit des Menschen Bob Crane, der irgendwann den Überblick verliert und mit dem Verlust seiner gesellschaftlichen wie beruflichen Integrität zielsicher auf sein Ende zusteuert, das, wäre es seinerzeit nicht so unvorhersehbar und abrupt erfolgt, ihm womöglich auf andere unangenehme Weise widerfahren wäre. Freilich berichtet "Auto Focus" nicht nur von Crane, sondern auch von seinem verhängnisvollen Kontakt zu dem nicht weniger neurotischen Carpenter, der zu seinem Freund eine seltsam symbiotische Beziehung aufzubauen beginnt. Insbesondere diese Wechselseitigkeit macht Schraders Film so interessant.
8/10
#1397
Geschrieben 20. September 2008, 11:50
Performance ~ UK 1970
Directed By: Nicholas Roeg/Donald Cammell
Als er verschärften Ärger mit Harry Flowers (Johnny Shannon) bekommt, dem Boss seiner "Firma", stehen für den Schläger und Ganoven Chas (James Fox) die Zeichen auf Flucht. Er kommt unter bei dem Rocksänger Turner (Mick Jagger) und dessen Freundin Pherber (Anita Pallenberg) und fühlt sich innerhalb des zunächst von ihm sehr zynisch beäugten 'Beatnikkreises' bald heimisch.
Wo andere Filmemacher der Transzendenz hinterherhecheln, da hechelt die Transzendenz Roeg und Cammell hinterher. "Performance" ist zugleich künstlerisches Statement, Porträt seines Zeitkolorits, erbarmungsloser Trip und hedonistische Studie, ein kleines Vehikel für Jaggers Eitelkeit und vor allem Lieferant für eine von dessen größten musikalischen Großtaten: "Memo From Turner". Ist "Performance" dann einmal zu Ende, bleibt man ziemlich fertig, ja, ausgelaugt, zurück.
8/10
#1398
Geschrieben 21. September 2008, 07:24
Undisputed ~ USA/D 2002
Directed By: Walter Hill
George "Iceman" Chambers (Ving Rhames), Boxweltmeister im Schwergewicht, landet im Sweetwater-Hochsicherheitsgefängnis. Er soll angeblich eine Hostess (Amy Aquino) vergewaltigt haben. In Sweetwater reibt man sich bereits die Hände, denn dort hat es einen eigenen Champ: Den seit 10 Jahren im Boxring ungeschlagenen Monroe Hutchen (Wesley Snipes). Besonders der alte Gangster, Boxfan und graue Knasteminenz Mendy Ripstein (Peter Falk) freut sich auf das baldige (natürlich inoffiziell ausgetragene) Duell der Giganten.
Walter Hills bislang letzter Film fürs Kino ist eine Mischung aus Knastfilm und sanftem Boxerdrama, in dem typische Versatzstücke beider Genres gleichermaßen benutzt als auch abgelehnt werden. Beispielsweise verzichtet Hill auf die Einführung einer gänzlich unsympathischen Gestalt. Chambers' Rolle ist zwar nicht immer eindeutig - zum einen wird seine Schuldfrage nie geklärt, zum anderen produziert er sich in recht unangenehmer Weise vor den Mitgefangenen, dennoch wird er zu Beginn des Films in die Form der klassischen Helden-Typologie gestellt. Der Charakter von Snipes bleibt eher undurchsichtig, obgleich er in seiner eher bescheidenen, stilen Art dann später doch zu des Zuschauers Liebling avancieren kann. Ein Patt zweier gleichberechtigter, interessant gezeichneter Antagonisten also, was den Ausgang des Finales erfrischend unvorhersehbar gestaltet.
Erst beim zweiten Hinschauen offenbaren sich dann einige von Hills mehrfach gebrauchten Motiven, der Alleingang eines Individuums gegen ein hermetisches System, Faustrecht und Sozialdarwinismus.
6/10
#1399
Geschrieben 21. September 2008, 07:40
The First Power (Pentagramm - Die Macht des Bösen) ~ USA 1990
Directed By: Robert Resnikoff
L.A.-Cop Russell Logan (Lou Diamond Phillips) atmet auf, als er endlich den sogenannten "Pentagramm-Killer" Channing (Jeff Kober) dingfest macht, einen Serienmörder, der im Zeichen schwarzen Okkultismus' die Stadt in Angst und Schrecken versetzt. Channing wird alsbald in der Gaskammer hingerichtet, erweist sich jedoch mitnichten als tot. Die Ritualmorde gehen nicht nur weiter, der vermeintlich Verblichene kann sich offenbar in andere Personen versetzen, verfügt über Superkräfte und fordert Logan auch noch zum offenen Schlagabtausch. Der erhält Hilfe von der Hellseherin Tess (Tracy Griffith).
Serienkiller, die sich nach ihrer Hinrichtung unschuldiger Wirtskörper fleißigen und ihrem Handwerk noch schlimmer frönen als zuvor - dieser Plot-Ausgang war Sinnstifter für eine kleine Gruppe mehrerer Genrefilme, die allesamt sehr ähnlich konstruiert waren und sich qualitativ insgesamt wenig abspenstig machten. Der neulich wiederholte "Shocker" von Wes Craven zählt ebenso dazu wie der im nächsten Eintrag folgende "The Horror Show" und der späte Nachzügler "Fallen", zugleich der schwächste der erwähnten Filme.
Speziell zu "The First Power" wäre zu sagen, dass er seine Sache insgesamt gut macht, sich aber des öfteren von seinem Hauptweg auf - beispielsweise ironische - Nebenpfade verirrt, die eher das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung verursachen. Andererseits gibt es fast schon brillante Momente, die immer dann (und leider nur selten) zu Tage treten, wenn der tote Mörder Channing sich Logan in irgendeiner Form annähert. Dann wird es spannend, mitunter sogar grauselig. Dem gegenüber stehen dann wieder regelrechte Bremsen, Kaugummi-Szenen, die den Eindruck erwecken, als wäre der Regisseur einer Art inszenatorischer Schizophrenie aufgesessen oder habe Angst gehabt, das sein Publikum sich die Nägel abfrisst.
5/10
#1400
Geschrieben 22. September 2008, 16:27
The Horror Show (Horror House - House III) ~ USA 1989
Directed By: James Isaac
Der mit einem Fleischerbeil operierende Serienkiller Max Jenke (Brion James) hat bereits über 100 Opfer auf dem Gewissen, als Cop McCarthy (Lance Henriksen) ihn endlich fassen kann. Jenke landet auf dem Elektrischen Stuhl, sein Geist frönt jedoch weiterhin reger Aktivität. Mit der feisten Ankündigung "Ich mach' dir dein schönes Leben kaputt" setzt er McCarthy und seiner Familie ordentlich zu.
Mit den übrigen "House"-Filmen, die sich um William Katt respektive dessen durchgedrehte Hütte gruppieren, hat der international zum dritten Teil der Serie deklarierte "Horror Show"nichts zu tun, trotz des Produzenten Sean S. Cunningham. Der Comedy-Faktor ist hier allerhöchstens am äußersten Rande angesetzt, die Figur des Max Jenke ist neben den sich als sehr standfest erweisenden Serials vielmehr der Versuch, einen weiteren Slasher-Helden ins Rennen zu schicken. Wer Brion James, der viel zu früh das Zeitliche gesegnet hat, mag, kommt an "Horror Show" ohnehin nicht vorbei, denn der Mann mit der prägnanten Gesichtspartie erhielt hier seine größte und schönste Rolle. Mit lustvollem Killerblick, fiesen Sprüchen und überbordernder Brutalität schlägt Jenke zu, und auch Hendriksen mit seiner ausgemergelten Fleppe ist ein Hauptgewinn. In einem Nebenpart zu genießen: Der ewig nerdige Thom Bray aka Murray Bozinski, der ohne Fäuste aus dem Trio.
Aus der oben umrissenen Genre-Unterklasse um besonders boshafte Serienkiller nach ihrer erfolglosen Hinrichtung neben dem großen Vorbild "A Nightmare On Elm Street" der gelungenste mir bekannte Beitrag, ganz besonders wegen eines außergewöhnlichen Gespürs für suggestive Bildgestaltung. Damit für Genrefreunde ein sicherer Reißer, trotz eines gefeuerten Regisseurs (David Blyth) und trotz der Credits-Erwähnung eines gewissen Alan Smithee als Scriptautor.
7/10
#1401
Geschrieben 22. September 2008, 16:48
Manhattan ~ USA 1979
Directed By: Woody Allen
Auf den New Yorker Gagschreiber Isaac Davis (Woody Allen) warten existenzielle Wendungen: In einer schwachen Minute kündigt er seinen gutbezahlten Job beim Fernsehen, seine im Freundeskreis belächelte Liebesbeziehung zu der 17-jährigen Tracy (Mariel Hemingway) zerbricht zugunsten der vormaligen Freundin (Diane Keaton) von Isaacs bestem Freund (Michael Murphy) und seine Ex-Frau (Meryl Streep), die Isaac wegen einer anderen Frau (Karen Ludwig) verlassen hat, mit der zusammen sie die Erziehung ihres Sohnes (Damion Scheller) übernommen hat, veröffentlich ein kompromittierendes Buch über die zerbrochene Ehe.
Seelischer Exhibitionismus und Zerfließen in Selbstmitleid, Egozentrik und höchste Eitelkeit finden bei Woody Allen des Öfteren zu einer bemerkenswerten Gleichströmung. In "Manhattan", Allens formal mit Abstand perfektester Arbeit, offenbart sich der Autor bis auf Porentiefe, buhlt zugleich um Aufmerksamkeit und verschafft sich dabei allerhöchste Anerkennung, ohne auch nur einen Konflikt durch Ernsthaftigkeit lösen zu können. Die Geschichte des Isaac Davis, einer im Prinzip völlig austauschbaren Allen-Figur, ist die Geschichte einer konstanten Beziehungsneurose, die sich im Laufe der 90 Erzählminuten spiralförmig nach unten hin fortsetzt und am Ende, bevor die New Yorker Insel ein letztes Mal in mehreren Einstellungen erstrahlt, ein mildes, aber doch um seine mittelfristige Verlorenheit wohlwissendes Lächeln formuliert. So prachtvoll wie hier hat Allen nie mehr gefilmt, in bestechend knackigem Schwarzweiß, das wunderbarer ist als jedes farbige Bild und Scope lässt er seinen Isaac Davis zur Musik George Gershwins von einer Pferdekutsche aus die Lichter der Manhattaner Skyline durch dichtes Central-Park-Laubgewächs beobachten oder schickt sein Protagonistenpaar zum Verlieben in ein Planetarium, in dem sie, mit Ausnahme eines verirrten Trabanten (=Tourist), die für den Moment einzig bedeutsamen Himmelskörper (=Menschen) sind. Ein Film von magnetischer Schönheit.
10/10
#1402
Geschrieben 23. September 2008, 16:49
Iron Man ~ USA 2008
Directed By: Jon Favreau
Der Lebemann, Multimilliardär und Waffenhändler Tony Stark (Robert Downey Jr.) wird in Afghanistan nach einer Waffendemonstration von hiesigen Fanatikern Hops genommen. Dabei dringen ihm einige winzige Granatsplitter in gefährliche Herznähe. In der folgenden Gefangenschaft entwickelt der auch tüftlerisch versierte Stark anstelle der ihm aufgetragenen Superbombe eine eiserne Rüstung, die auf einem neumodischen Reaktorsystem basiert und mit der er sich freikämpfen kann. Zurück daheim und nach gründlicher Statutenüberdenkung entwickelt Stark eine perfektionierte Rüstung, mit deren Hilfe er fortan inoffiziell in Krisengebieten interveniert. Weiterhin muss er feststellen, dass sein nur vordergründig sympathischer Kompagnon Obadiah Stane (Jeff Bridges) von dem neuen, friedliebenden Tony Stark alles andere als angetan ist.
Verfilmungen von Marvel-Comics sammeln sich mittlerweile im großen Schatten eines Trademarks, das für außerordentliche Qualität im hoch budgetierten Blockbusterkino steht. Insbesondere beginnend mit diesem Titel manifestiert sich jene Wertigkeit, denn es handelt sich um Marvels festen Einstieg in den Produktionssektor mit einer eigens für die Filmproduktion zuständigen Abteilung. Jon Favreau, der bereits den Foggy Nelson in der nach meiner Ansicht vorzüglichen "Daredevil"-Umsetzung spielte, ist ein Regisseur, der dementsprechend hellsichtig zu Werke geht. Endlich ist man auch auf den Trichter gekommen, dass die Herzen der Fans besonders für Crossover-Geschichten schlagen, daher potenziert sich das Vergnügen noch, wenn nach dem Abspann ein optisch dem "Ultimate"-Universum entliehender Nick Fury (Samuel L. Jackson) Werbung für ein Team von Superhelden macht, das soeben im Begriff ist, zusammengestellt zu werden. Man beginnt also endlich, längst vorhandene Komplexitäten zu erahnen und latente Möglichkeiten zu nutzen. Der "Avengers"-Film ist für 2011 angekündigt.
Dass "Iron Man" damit im Prinzip ein frühes Bruchstück eines sich künftig noch wesentlich umfangreicher gestaltenden Präludiums darstellt, tut seinem Erscheinungsbild keinerlei Abbruch; wie in nahezu jeder der letzten paar Adaptionen versteht man es, eingefleischte Fans und Masse gleichermaßen zufriedenzustellen. Mit viel Krawumm und bewusst ohne sich eine ähnlich existenzialistische Schwere wie die Konkurrenz zu verleihen, ist "Iron Man" erfrischend ehrlich und - wieder einmal - erfrischend kurzweilig.
8/10
#1403
Geschrieben 24. September 2008, 16:12
The Fast And The Furious ~ USA 2001
Directed By: Rob Cohen
Undercover-Cop Brian O'Conner (Paul Walker) soll eine Bande von Autofreaks infiltrieren, eine Art Highway-Piraten, deren Spezialität anscheinend die Übernahme fahrender LKW mit wertvoller Ladung ist. O'Conner vermutet hinter den kriminellen Aktivitäten den illegalen Rennfahrer Dominic Toretto (Vin Diesel) und seine Freunde. Gepackt von der Faszination am Ehrenkodex der Straße, an heißen Reifen und vor allem an Torettos heißer Schwester (Jordana Brewster) schiebt O'Conner sein eigentliches Ziel beiseite.
Beeindruckend, die ausgesprochen maskulin gepolte Instinktstimulanz von "The Fast And The Furious". Mit dem fetten Transparent "Alles, was Männern Freude macht" geht der Film auf Blickfang, schmeichelt sich in die Wahrnehmung der simpler gestrickten Zuschauerschaft, die hochglänzende, pickel-, falten- und schmutzfreie Folie eines Tony Scott kopierend. Alles ist toll, schick, cool - und vor allem schwer beschränkt. Andererseits könnte Cohen kaum offenkundiger sein was die Aufrichtigkeit seiner Anbiederung anbetrifft. "The Fast And The Furious" macht niemandem was vor, erspart sich und seinem Publikum jeglichen auch nur ansatzweise umgeleiteten Diskurs und brüht den zigmal durchgekauten Plot-Eintopf des im Milieu versumpfenden Gesetzeshüters bloß um den puren Selbstwillen neu auf. Es gilt ausschließlich schnieke Flitzer in Aktion, gepushte Dekolletés, Walkers Dreitagebart und Diesels Trizeps geschickt auszuleuchten, dazu den blauen kalifornischen Himmel. Die musikalische Untermalung - entsprechend enervierend - lässt schließlich keine weiteren Zweifel an der Adressatenschaft zu. Warum auch. Paul Walker warnt im Namen eines Reifenherstellers nach dem Einlegen der DVD die Kids davor, Kunststücke wie die im Film demonstrierten nachzustellen - schließlich habe man ausnahmslos erfahrene Stuntmen beschäftigt. Der beste Lacher also gleich bevor's losgeht.
5/10
#1404
Geschrieben 25. September 2008, 14:55
D.O.A. ~ USA 1988
Directed By: Annabel Jankel/Rocky Morton
Der Literaturprofessor Dexter Cornell (Dennis Quaid), dessen Leben aufgrund seiner unabwendbaren Scheidung ohnehin in Scherben liegt, erfährt, dass ihn jemand unheilbar vergiftet und er höchstens noch 48 Stunden zu leben hat. Die Spur führt zu einer Witwe (Charlotte Rampling), die in irgendeiner undurchsichtigen Beziehung zu einem von Cornells Studenten (Rob Knepper), der sich just zuvor vom Dach des College-Gebäudes gestürzt hat, steht.
Stilististisch sehr apart ausgefallener neo noir, dessen durchgestylter Aufzug zwar unübersehbar kalkuliert anmutet, der aber vielleicht gerade aus diesem Grunde so effizient ist. In den späten Achtzigern begann man im US-Kino soeben, den klassischen film noir neu zu entdecken und im Zeichen des Zeitgewands umzuinterpretieren, nachdem die Coens, Kasdan und Hackford bereits den Weg geebnet hatten. "D.O.A.", im Prinzip selbst "nur" eine Variation des gleichnamigen Maté-Films von 1950, der denselben Aufhänger transportierte, lebt weniger von seiner inhaltlichen Prämisse als von seinem Spiel mit den vielzitierten Genre-Mechanismen. Besonders clever wähnen sich da etwa die Schließung durch den Farbgewinn bzw. -verlust zu Anfang und Ende, oder Quaids obercooler Zyniker-/Intellektuellen-Machismo, den man ihm nicht unbedingt abnehmen mag. Das aber stört den Flow kaum weiter, "D.O.A." ist summa summarum fein anzuschauen und hat hinreichende Spannungsmomente.
8/10
#1405
Geschrieben 25. September 2008, 15:18
Witness (Der einzige Zeuge)~ USA 1985
Directed By: Peter Weir
Der einzige Zeuge eines auf der Toilette des Hauptbahnhofs von Philadelphia begangenen Mordes ist der Amish-Junge Samuel Lapp (Lukas Haas), der ausgerechnet einen renommierten Kollegen (Danny Glover) des ermittelnden Police Detectives John Book (Harrison Ford) als Täter identifiziert. Zusammen mit Samuel und seiner Mutter Rachel (Kelly McGillis) reist der bei einer Schießerei angeschossene und von seinem Chef (Josef Sommer) verratene Book aufs Land und versteckt sich bei den Amish.
Weniger grell als die meisten anderen Polizeithriller, fast im bedächtigen Sinne der porträtierten Sekte, ist der weithin befürwortete Film ein eher moderates Unterhaltungsprodukt. Weir, dessen regelmäßiger Ansatz von jeher vornehmlich ohne Schmiss und Unruhe auskommt, belastet auch hier die Nerven nicht mehr als unbedingt nötig. So investiert er etwa mehr Zeit in den detailliert gefilmten Bau einer Scheune, Books letzter Schubser Richtung Verständnis, nachdem er seine Gastgeber ähnlich kopfschüttelnd belächelt hat wie die Touristen in der Gegend, als in den unvermeidlichen Shotgun-Showdown. Auch ein Statement. "Witness" beleuchtet in der unerfüllbaren Liebesbeziehung von Book und Rachel auch das Gegenüber der zwei aufeinanderprallenden Welten und die Tatsache, dass der jeweils anderen etwas mehr Toleranz (die sich zum Ende wenigstens graduell nierdergeschlagen hat) gut täte.
8/10
#1406
Geschrieben 26. September 2008, 11:38
Music Box ~ USA 1990
Directed By: Constantin Costa-Gavras
Michael Laszlo (Armin Mueller-Stahl), dem ungarischstämmigen Vater der erfolgreichen Chicagoer Anwältin Ann Talbot (Jessica Lange), soll nach Jahrzehnten die amerikanische Staatsbürgerschaft aberkannt werden. Es gibt eindeutige Hinweise darauf, dass Laszlo 1944 in Budapest unter dem vielgefürchteten Namen Miszka der Führungsspitze der Pfeilkreuzler angehörte, einer Partei von Nazi-Kollaborateuren. Dort soll er unfassbare Grausamkeiten begangen haben. Ann verteidigt ihren Vater vor Gericht erfolgreich im guten Glauben an dessen Unschuld und unter Zuhilfenahme seiner offen antikommunistischen Gesinnung, muss im Laufe des Prozesses jedoch erkennen, dass die scheinbar hehre Biographie ihres Vaters zunehmend löchrig wird.
Nachdem er bereits das Treatment zu Costa-Gavras' "Betrayed" verfasst hatte, einem ähnlich gelagerten "Schweigensbrecher" unter antifaschistischem Überbau, legte der für seine spektakulär-simplifizierenden Geschichten berüchtigte Hollywood-Schreiber Joe Eszterhas mit "Music Box" sein neben "F.I.S.T." bestes Script vor, das dann wiederum von dem Politthriller-Experten No. 1 inszeniert wurde. "Music Box" zählt zu Costa-Gavras' leidenschaftlichsten und emotional involvierendsten Werken, er ist ein nachdrückliches Filmpamphlet wider das Vergessen (ein im Film formulierter Satz besagt in etwa: "Die Vergangenheit darf man begraben, nicht jedoch das Erinnern.") und für die Rechte der Hinterbliebenen. Zudem beleuchtet er einen historisch häufig vernachlässigten Teil der europäischen Faschismus-Geschichte, nämlich den des mit Hitler sympathisierenden Ungarn unter der Führung Geras. Auch dort wurden etliche furchtbare Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, die "Music Box" in Erinnerung ruft und mit der latenten Thematik der zahlreichen, ungesühnten Verbrechen und deren Täter mischt.
8/10
#1407
Geschrieben 27. September 2008, 07:21
Die Welle ~ D 2008
Directed By: Dennis Gansel
Obwohl er so gern den "Anarchie"-Kurs in der Projektwoche zum Thema "Der demokratische Staat" gegeben hätte, muss der unkonventionelle Gymnasiallehrer Rainer Wenger (Jürgen Vogel) die "Autokratie" behandeln. Gleich in der ersten Stunde steht die Frage im Raum, ob eine Diktatur im gegenwärtigen Deutschland noch möglich wäre. Wenger stielt kurzerhand ein Experiment ein, das bald außer Kontrolle gerät.
Die Verfilmung des Schulliteratur-Klassikers von Todd Strasser/Morton Rhue als betulicher Politkrimi für Kinder. Als wären laue Teeniekomödien wie "Schule" oder "Mädchen, Mädchen" urplötzlich mit einem dramatischen Unterbau versehen worden, trotz der authentischen Ursprünge völlig unglaubwürdig, mitunter sogar lächerlich ist "Die Welle" geraten. Die durch die Bank unsympathische Schülerschaft, derer sich der arme Herr Wenger (seine Eleven müssen ihn erst während des Projekts mit Nachnamen anreden) anzunehmen hat, bekommt scriptbedingt eine ziemlich peinliche "Jugendsprache" auferlegt und überhaupt: Es passt alles hinten und vorne nicht. Scheint so, ich ahne es schon länger, als sei der TV-Film "Das Phantom" tatsächlich die einzig brauchbare Gansel-Arbeit.
2/10
#1408
Geschrieben 27. September 2008, 07:38
Be Kind Rewind (Abgedreht) ~ USA 2008
Directed By: Michel Gondry
Um das Eckhaus des alternden Videothekars Elroy (Danny Glover) vor dem Abriss zu bewahren, entwickeln seine Kumpels Mike (Mos Def) und Jerry (Jack Black), ausgelöst durch einen vollkommen bizarren Unfall, eine brillante Geschäftsidee: Sie drehen nahezu sämtliche Filme aus der Videothek mit einem alten Camcorder als 20-Minüter nach. Die kleinen Quatschfilmchen werden der absolute Renner und entwickeln einen überbordernden Ruf bis in die hippen Künstlerkreise im Village. Dann steht eines Tages eine Abgesandte (Sigourney Weaver) der Studios vor der Tür, mitsamt Vollstreckungsbefehl und Dampfwalze. Bleibt als Filmstoff nur noch die Biographie des in Jersey legendären Jazzers Fats Waller.
Wunderbarer Film von Michel Gondry, der wie gewohnt Absurdität mit emotionaler Wärme mixt und vermittels dessen wieder ein prächtiges Ergebnis erzielt. Jack Black als kurzzeitig magnetifizierter Schwachkopf ist schon für sich ein Gedicht, Gondrys Film indes versteht sich durchgängig als Hommage - als Hommage an Hollywood und seine Blockbuster, an VHS, an Kleinstvideotheken, an New Jersey und seine Straßenzüge, an Jazz und an all die Couchkartoffeln dieser Welt. Die größten Lacherfolge erzielen dabei wohl die einfallsreichen Nachstellungen der weitläufig bekannten Filmszenarien. Los geht das ganze mit "Ghostbusters" und man liegt gleich vor Lachen unterm Tisch. Wer sich dann noch fragt, wie es den Jungs bloß möglich ist, "The Lion King" - immerhin ein Zeichentrickfilm - zu imitieren, dem bleibt nur eines: "Be Kind Rewind" ansehen!
9/10
#1409
Geschrieben 27. September 2008, 15:34
Heartbreak Ridge ~ USA 1986
Directed By: Clint Eastwood
Gunnery Sergeant Tom Highway (Clint Eastwood) fühlt sich zunehmend nutzlos, nachdem man ihn bei den Marines rausgeworfen hat. Seither bestimmen Saufexzesse und Disziplinlosigkeit seinen Alltag. Über die sich ihm bietende Chance, als Ausbilder zu seiner früheren Einheit zurückzukehren, muss er daher nicht lange sinnieren. Der ihm anvertraute Haufen besteht allerdings aus einem Haufen letztklassiger Nichtsnutze und Tagediebe, die unter des 'Gunnys' Fuchtel jedoch alsbald zu formidablen Soldaten werden. Bei einem Einsatz in der Karibik können die Jungs schließlich ihre neu gewonnenen Kampfesqualitäten unter Beweis stellen.
Militär-Propaganda, Reaganomics und republikanische Großkotzigkeit vermischt Eastwood zu einem - so muss man leider kaprizieren - sehr wohlschmeckenden Flockenpüree, das besonders von seiner asozialen Schlagfertigkeit im Dialog lebt. Was da an Stammtischjargon aufgefahren wird (die deutsche Synchronisation ist in dieser Hinsicht übrigens wahrhaft Ehrfurcht gebietend), haut einen auch nach zweiundzwanzig Jahren noch spielend vom Hocker und ist wohl der Hauptgrund für die noch immer vorhaltende Indizierung hierzuland. Dass Filme wie dieser längst keiner böswilligen Kategorisierung mehr unterworfen, sondern schlicht als Zeitdokument und Spaßrakete genossen werden sollten, bedarf meinerseits keiner Diskussion mehr. Hier und da erreicht Eastwood sogar eine gewisse, vordergründige Subtilität, wenn er die Wechselseitigkeit von Militär und Familie oder den realen Nutzen der großen Interventionen der USA in Asien hinterfragt. Als dann jedoch die schmucke Ordenspalette auf seiner Brust glänzt, wird die Antwort darauf bereits wieder übeflüssig. Nebenbei banalisiert "Heartbreak Ridge" mittels blamabler Deklinierung die Invasion in Grenada (obwohl der Name im Film nicht einmal fällt, ist die Analogie freilich mehr als deutlich), eine der unsäglichsten Militäroperationen der USA in der Spätphase des Kalten Krieges. Macht aber auch nix weiter, solange man noch immer herzlich lachen kann. Schwede Johansson (Peter Koch) jedenfalls meint dazu schlichterdings: "Ich reiß dir den Kopf ab und scheiß dir in den Hals."
7/10
#1410
Geschrieben 28. September 2008, 09:05
The Searchers (Der Schwarze Falke) ~ USA 1956
Directed By: John Ford
Drei Jahre nach Kriegsende kommt der Konföderierten-Soldat Ethan Edwards (John Wayne) nach Texas, zu seinem Bruder Aaron (Walter McCoy) und dessen Familie. Kurz nach seiner Ankunft wird die Edwards-Farm dann von den Komantschen unter der Führung des Häuptlings Scar (Henry Brandon) überfallen. Bis auf die zwei Töchter Lucy (Pippa Scott) und Debbie (Lana Wood), die Scar entführt, werden alle getötet. Ethan nimmt mit Aarons Ziehsohn Martin (Jeffrey Hunter) die erbitterte Verfolgung der Komantschen auf. Bald finden sie auch Lucys Leiche, nur die kleine Debbie lebt noch. Die Suche nach ihr wird sich über Jahre hinziehen.
Das wohl eindrucksvollste Kompliment, das man "The Searchers" (und vielleicht überhaupt jemals einem Film) gemacht hat, stammt von Herbert Achternbusch: "Wäre dieser Film von mir, ich hätte nichts mehr zu sagen."
Ein großes amerikanisches Kunstwerk, der beste Western, den ich kenne und die Landesgeschichte in symbolischer Kurzform. Ein Film über Türen, Lernprozesse, Schuld, Sühne, Vergebung. Nie war das Monument Valley in seiner ursprünglichen, archaischen Kraft so schön und gleichermaßen außerweltlich anzuschauen; Ford reiht mit scheinbar schwebender Mühelosigkeit Gemälde an Gemälde. Vielleicht ohne dass er es ahnte, wurde die Rolle des Ethan Edwards zu einer Persönlichkeitsspiegelung von Duke, selbst einem engstirnigen Reaktionär. Wohl deswegen fiel es ihm auch so leicht, den mit Abstand dankbarsten Part seiner Karriere mit trutzigem Leben zu füllen. Geheimnisvoll, wie der schwachsinnige Mose Harper (Hank Worden) zum heiligen Messias deklariert wird (Ford verhält sich zu dessen Geisteskrankheit bewusst ähnlich mystifizierend wie die Indianer), ehrfurchteinflößend, wie der schlohweißhaarige Pastor/Captain Clayton (Ward Bond) trotz seines latenten Fanatismus Respekt abnötigt. Und prächtig, wie Debbie (Natalie Wood) sich trotz jahrelanger Komantschenknute zu einer so wunderschönen jungen Frau entwickelt.
"The Searchers" beinhaltet Bilder, Farben, Dialoge und natürlich Szenen, die man nie mehr vergisst. Gleiches gilt für das Titelstück und überhaupt die Musik. Einer der paar Filme, die es vermochten, einem brennenden Pfeil gleich frontal bis in meine Seele vorzudringen und dann nie mehr rauskönnen.
10*/10
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