In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1471
Geschrieben 06. November 2008, 10:40
Der Joker ~ BRD 1987
Directed By: Peter Patzak
Jan Bogdan (Peter Maffay), Polizist am Hamburger Kiez, begibt sich auf die Spur eines Killers (Michael York), der bei seinen Opfern stets eine Spielkarte, das Ass, hinterlässt. Bogdan will besonders den Auftraggeber hinter den Untaten ermitteln. Als nach einer Explosion Bogdans Beine den Dienst versagen, wird die Angelegenheit persönlich. Er geht im Rollstuhl seinen Ermittlungen nach und dreht den Spieß um.
Einer der wenigen Versuche der LISA, seriöses und international tragfähiges Kino zu fabrizieren. Zu diesem Zwecke griff man ausgerechnet die bereits längst verjährte Welle der stets leicht anrüchig konnotierten "St. Pauli"-Filme wieder auf, deren Vorreiter um den Dekadenwechsel 60/70 Rolf Olsen war. Erwartungsgemäß ging die Sache, zumindest was ihre kommerzielle Zielsicherheit anbelangt, ziemlich in die Hose. "Der Joker" strotzt vor Überambitioniertheit, der pathologischen Obsession zur Kreierung von Atmosphäre sowie einer forcierten Art von coolness, die spätestens die Zeit stark entwertet hat. Trotz alldem ist er ein Unikat, vor Zeitgeist strotzend, mit großen Namen wie Marquard Bohm, Werner Pochath, Armin Mueller-Stahl, Elliott Gould und Michael York denkwürdig bepolstert und, mit Ausnahme von Maffay, dessen beruflicher Irrweg dem Film wohl ganz besonders seine überwiegend belustigte Rezeption eingetragen hat, sogar prima gespielt. Die Bilder von Hamburg als großem, dreckigen Moloch, versmogt und im steten Zwielicht, sind nichts weniger als prägend. Dass Plot und Narration indes ihren Pfad zwischen Konvention und Konfusion nie so ganz zu finden vermögen, ist angesichts der übrigen Werte verschmerzbar.
7/10
#1472
Geschrieben 06. November 2008, 10:59
Lo Chiamavano Bulldozer (Sie nannten ihn Mücke) ~ I/BRD 1978
Directed By: Michele Lupo
Ein toskanisches Küstenstädtchen: Der bärbeißige Fischer Mücke (Bud Spencer) wird Zeuge der leidenschaftlich ausgetragenen Fehde zwischen lokalen Herumtreibern und einer Abordnung von in der Gegend stationierten G.I.s unter der Führung des aufschneiderischen Sergeant Kempfer (Raimund Harmstorf). Als die Straßenjungs von Mückes Vergangenheit als Football-Stürmer erfahren, überreden sie ihn, für sie den Trainer zu machen, auf dass sie ein Spiel gegen die arroganten Besatzer austragen können. Zwischendurch kommt es zu allerlei Gekloppe.
Hotte Wendlandt war längst im Bilde über Bud Spencers seinem Körperbau entsprechenden Erfolgsradius hierzulande als Liebling der Bravo-Leser wie des gemeinen Kinogängers überhaupt und produzierte daher mit seiner Rialto fleißig mit an den späteren Geschicken des Dicken. Wendlandt-Spezi Rainer Brandt arbeitete sogleich am Drehbuch co. anstatt lediglich die spätere Synchronisation anzufertigen und sorgte so gleich von Beginn an für das korrekte Würzmaß an Nonsens, wie in diesem Falle z.B. ein paar lustige Papageien, die das Geschehen in einer Hafenkneipe kombiniert mit diversen Zooms kommentieren. Natürlich bietet "Mücke", wie Spencers Sologänge eigentlich immer, auch etwas fürs Herz - schließlich ist der Sieg der jungen, sanftkriminellen Tagediebe über die militares unter Großmaul Harmstorf eine unbedingte Angelegenheit desselben. Eine Frage der Gemütlichkeit. Der Mann für den Zeitraffer war dann doch eher der Blonde mit dem Strahleblick.
7/10
#1473
Geschrieben 06. November 2008, 11:22
Colors ~ USA 1988
Directed By: Dennis Hopper
Bob Hodges (Dennis Hopper) vom L.A.P.D. kennt sich hervorragend aus in Watts, San Pedro und den barrios. Er beherrscht die Sprache der Straße und weil er die Gangs akzeptiert, akzeptieren sie auch ihn. Hodges' neuer Partner McGavin (Sean Penn) derweil ist ein frecher junger Heißsporn, der alles besser weiß und einen gewissen Hang zur Brutalität nicht verleugnen kann. Seine forsche Art trägt ihm im Ghetto bald den Spitznamen Pac-Man und viel Ungemach ein.
Von der vielzitierten Brisanz, die Hoppers Film damals vorauseilte, weil er an Originalschauplätzen gedreht wurde und erstmals im populären Film zeigte, dass sich mitten in Kalifornien ein Miniatur-Bürgerkrieg abspielt, ist heute, nachdem der Ghettofilm längst sein eigenes Subgenre herausgebildet hat, kaum mehr etwas zu spüren. Tatsächlich hat die Zeit ihm nicht sonderlich wohlwollend mitgespielt; das Einzige, was "Colors" heute noch von jedem anderen beliebigen Vertreter aus Cop- und Gangmovie abhebt, ist eben sein nach wie vor originärer Status, ein Kredit, der nicht ganz ausreicht, um ihm die Qualität eines wirklich dauerhaft denkwürdigen Werks zuzusichern. Anteiliges Schicksal und Identifikationspotential verschwinden hinter Vordergründigkeit, machismo und Sprüchen. Sean Penn, damals global populärstes Scheidungsopfer und wenig mehr, war nie unsympathischer als in diesem Film (wenn sein ziemlich widerliches Auftreten einzig seiner Schauspielkunst geschuldet ist, dann Hut ab) und selbst sein Kollege Duvall bleibt blass, weil das Script ihm nie die Tiefe verleiht, die man oberflächlich erahnen kann, die nötig gewesen wäre, und die ein Formatschauspieler wie Duvall sicherlich mühelos in den Griff bekommen hätte.
"Colors" ist bestimmt kein schlechtes Beispiel für einen Genrefilm, er ist aber, nach 20 Jahren darf man das wohl konstatieren, auch nicht das, was manch einer landläufig hinter ihm vermutet.
7/10
#1474
Geschrieben 07. November 2008, 07:36
Leviathan ~ USA/I 1989
Directed By: George P. Cosmatos
Geologe Beck (Peter Weller) leitet eine kleine Station am Meeresgrund zur industriellen Metallförderung. Sixpack (Daniel Stern), einer seiner Mitarbeiter, stößt während der Arbeit auf das Wrack eines russischen Kreuzers und birgt eine Kiste mit allerlei seltsamem Zeug, darunter ein Flachmann mit Vodka, den Sixpack klammheimlich versteckt und sich später daran gütlich tut. Dass das Zeug mit einem Virus versetzt wurde, merkt Sixpack erst, als ihm fiese Ekzeme wachsen und er kurz darauf das Zeitliche segnet. Auch Kollegin Bowman (Lisa Eilbacher) hat von dem Sprit getrunken, zieht es jedoch nach den ersten Veränderungen vor, eigenmächtig aus dem Leben zu scheiden. Die Leichen der beiden mutieren allerdings weiter und selbst eine eilige Seebestattung erweist sich als wirkungslos, denn ein abgetrenntes Bein genügt bereits, um eine neue Kreatur auszubilden.
Inmitten einer kleinen Welle von phantastischen, submaritim angesiedelten Filmen, kam "Leviathan", wie die meisten Partizipienten ein insgesamt eher schlichter Beitrag, der zahlreiche Vorläufer wie "The Thing", "Day Of The Dead" und "Alien" ausschlachtet oder wahlweise zitiert (insbesondere Goldsmiths zum Letzteren sehr ähnlich arrangierter Score suggeriert schon unfreiwillige Assoziationen), zumindest aber versiert genug inszeniert ist, um in entscheidenden Momenten ausreichende Spannung zu erzeugen und mit seinem interessanten, stets unfertigen Monster von Stan Winston, dessen Eigenschaften und Fähigkeiten für den Zuschauer ebenso im Dunklen bleiben wie für die überraschte Besatzung der Bodenstation, immerhin ein bisschen was Originäres aufweisen kann. Insgesamt ein unkomplizierter, generisch passabler Genrefilm aus der A-Riege und damit durchaus brauchbar.
6/10
#1475
Geschrieben 08. November 2008, 08:42
Hancock ~ USA 2008
Directed By: Peter Berg
John Hancock (Will Smith) ist ein Superheld mit gewaltigen Kräften, sein Ruf derweil könnte lädierter nicht sein. Hancock säuft, pöbelt und rüpelt, was das Zeug hält. Seine "guten" Taten enden zumeist kostspieliger als ihre Veranlassung. Erst der Imageberater Ray (Jason Bateman), den Hancock bei einem seiner Einsätze kennenlernt, schafft es, Hancocks raue Schale aufzubrechen. Und dann Rays Angetraute (Charlize Theron) - nicht nur dass Hancock sich extrem zu ihr hingezogen fühlt, sie scheint auch noch über ähnliche Kräfte zu verfügen wie er.
Ein originär fürs Kino geschaffener Superheld? In gegenwärtigen Zeiten und angesichts der gigantischen Erfolge sonstiger Verfilmungen eigentlich keine weiter eigenartige Erscheinung. Der erklärte Versuch, seinem Superwesen nicht einfach die übliche Konventionaltrikolore Origin - Antagonist - Showdown überzustülpen, sondern einzig dessen vaporisiertem Inneren auf den Grund zu gehen, hebt diesen Film dann auch etwas von den Marvels und DCs ab. Inmitten des neuen Subgenres demnach in einer Beziehung wiederum doch eine Ausnahmeerscheinung, die insgesamt aber hinter ihren Vorbildern zurückbleibt und zurückbleiben muss, weil eine profunde, Dekaden und tausende Panels Biographie umfassende Comic-Mythologie eben unerlässlich ist für die Herausbildung eines Profils, das sich durch eine pompöse Leinwandinkarnation ergänzt und nicht erst neu kreiert werden muss. "Hancock" fehlt jene güldene Aufgabe, die Comic-Verfilmungen jeweils ihre Spezifikation verleiht: Er ist nicht für Fans gemacht, weil es keine gibt.
7/10
#1476
Geschrieben 08. November 2008, 09:03
The Major And The Minor (Der Major und das Mädchen) ~ USA 1942
Directed By: Billy Wilder
Im Zug von New York nach Iowa lernt der brave Major Kirby (Ray Milland) ein reizendes Mädchen kennen: Die 12-jährige Susan Applegate (Ginger Rogers). Kurzerhand bietet er sich als Reiseeskorte für das verschüchterte Kind an. Was Kirby nicht weiß: Susan ist mitnichten ein kleines Gör, sondern eine erwachsene Frau, die dem verruchten Großstadtmoloch Hals über Kopf entfliehen wollte, nur noch Geld für ein Kinderticket übrig hatte und sich daher per einfallsreicher Verkleidung kurzerhand etwas 'verjüngt' hat. Kirby nimmt Su-Su, wie er Susan zu nennen pflegt, mit zu seiner Kadetten-Akademie, wo die junge Dame für die Entflammung zahlreicher adoleszenter Herzen sorgt...
Billy Wilders erste Eigenregie, nach einem flotten Stück und gleich in Zusammenarbeit mit seinem langjährigen Autorenpartner Charles Brackett entstanden. "The Major And The Minor" deutet sogleich an, dass Wilder die Subversion schätzte wie nur wenige andere Mittel zur Komödiendarbietung. Seine Liebesgeschichte, eine Pädovestie, ist eher unüblich für die Screwball-Tradition. Nabokov wird antizipiert, das unerklärliche Sich-Hingezogen-Fühlen zu einer Kindfrau verhandelt, das in diesem einen Falle jedoch einmal nicht verwerflich ist, da es sich beim Begierdeobjekt letztlich 'nur' um eine Erwachsene im Kinderoutfit handelt. Nichtsdestotrotz ist einem nicht ganz wohl, wenn Milland, der die Fassade als moralisch aufrechter Kadettenführer stets aufrecht zu erhalten gewohnt ist, weil es noch keine Fassade ist, mit seinem einen gesunden Auge ungläubig über sich selbst und seinen offenbar chaotischen Testosteronausstoß seinen Schützling beglotzt. Das ist dann eben doch etwas mehr als bloße Leichtfertigkeit. Wie gut, dass sich schlussendlich jede Befürchtung in Wohlgefallen auflöst.
Dass Wilder wie nebenbei mit grandiosen Wortbildern und -spielen (s. Zitat) jongliert und aller Ungewöhnlichkeit zum Trotze eine durchweg schöne Liebesgeschichte erzählt, ist angesichts seiner bloßen Namensnennung weiter kaum verwunderlich.
8/10
#1477
Geschrieben 08. November 2008, 10:17
Five Graves To Cairo (Fünf Gräber bis Kairo) ~ USA 1943
Directed By: Billy Wilder
Kurz nach der Eroberung Tobruks durch Rommel (Erich von Stroheim): Der britische Corporal Bramble (Franchot Tone) erwacht aus tiefer Ohnmacht in einem führerlosen Panzer und schleppt sich zum Wüstenhotel "Emperess Of Britain", das von dem Ägypter Farid (Akim Tamiroff) geleitet wird. Just in diesem steigt kurz drauf die deutsche Admiralität ab, darunter Rommel persönlich, mitsamt einigen kriegsgefangenen Offizieren. Bramble gibt sich als verstorbener Hotelkellner Davos aus, der einige Tage zuvor im Keller des Hauses verschüttet wurde. Wie sich herausstellt, war Davos ein Spion der Deutschen. Bramble spielt die Rolle vortrefflich mit und erhält so wertvolle strategische Informationen über Rommels Nachschubsicherung auf dem Vormarsch nach Kairo. Probleme bereitet ihm jedoch das französische Zimmermädchen Mouche (Anne Baxter), die ihren Bruder, der in einem Konzentrationslager einsitzt, um jeden Preis freibekommen möchte.
Wilders erstes echtes Regie-Meisterstück. Wie später in "Sunstet Blvd.", in dem wiederum sein großes Idol von Stroheim einen tragenden Part übernahm, paaren sich absurder Humor und reißende Spannung mit dem Atem großer Tragödie. Wie das Hotel "Emperess Of Britain", ganz das Symbol kriegsnotwendigen Opportunismus, die Flaggen an seiner Fassade je nach tonangebendem Schlachtengewinner wechselt und wie sich das Vier-Personen-Kammerspiel entrollt, an dem auch der junge Peter van Eyck als verlogener, schmieriger Wehrmachtsleutnant beteiligt ist, das sind nur kleine Bestandteile eines großen Gesamtkunstwerks und eines der intelligentesten Propagandafilme, die Hollywood zu Kriegszeiten ausgespuckt hat. Wenn hier von Heldentum im Angesicht der drohenden feindlichen Übernahme die Rede ist, dann glaubt man ausnahmsweise jedes Wort davon, besonders, weil die dazugehörigen Porträts trüb und von Welt- und Kriegsschmerz gezeichnet sind und dadurch alles umso authentischer wirkt. Das Ende ist ungeheuer traurig und bitter und entlässt einen mit einem unerwartet großen Seufzer, welcher, davon ist man dann später genauso überzeugt, gar nicht trefflicher hätte passen können.
9/10
#1478
Geschrieben 08. November 2008, 18:48
A Gathering Of Old Men (Ein Aufstand alter Männer) ~ USA/BRD 1987
Directed By: Volker Schlöndorff
Als der alte Mathu (Louis Gossett jr.) in Notwehr den rassistischen Farmerssohn Beau (Richard Whaley) erschießt, schließen sich sämtliche der farbigen alten Leute der Gegend solidarisch zusammen, um nach Jahrzehnten der Unterdrückung endlich ein Zeichen zu setzen.
Wie "Death Of A Salesman" eine CBS-Produktion, die international im Kino ausgewertet wurde, ist auch "Gathering" ein schönes kleines Ensemblestück, das allerdings ohne die künstlerisch-reflexiven Ambitionen der Miller-Verfilmung auskommen muss und - im positivsten Sinne - auch sonst relativ verhalten daherkommt. Im Gegensatz zur Romanvorlage enthält sich das Script jeder weiteren Aktion, begnügt sich mit emotional geführtem Dialog, bringt den Aufstand (respektive die Versammlung) zu einem friedfertigen Abschluss und setzt gerade auf diese Weise markige Zeichen. Schlöndorff, der dramaturgischen Kraft und der Qualitäten seiner Darsteller voll bewusst, hält sich sehr im personalen Erzählhintergrund, eine bewundernswert altruistische Vorgehensweise für einen deutschen Autorenfilmer seiner Generation.
8/10
#1479
Geschrieben 08. November 2008, 19:12
The Happening ~ USA/IN 2008
Directed By: M. Night Shyamalan
An der Ostküste kommt es urplötzlich zu Massenselbstmorden, die man zunächst als Effekte terroristischer Giftgasanschläge deutet. Auf dem überhasteten Weg von New York nach Philadelphia sind der Lehrer Elliot Moore (Mark Wahlberg), seine Frau (Zooey Deschanel) und sein Freund Julian (John Leguizamo) nebst kleiner Tochter (Ashlyn Sanchez) dann gezwungen, aus dem stehengebliebenen Zug zu steigen, da, so erfährt man, jegliche Verbindung abgerissen sei. Nachdem Julian die anderen drei verlassen hat, um nach seiner Frau zu suchen, kommt Elliot zu immer neuen Erkenntnissen über die Seuche. Es scheint, als habe sich die Welt der Pflanzen gegen die Menschheit verschworen...
Die eisige Ruhe im Auge des Sturms: Shyamalan verfolgt also weiterhin tapfer seine Kryptofilmerei. Eine Überraschung, keine Überraschung. Möge ihm sein Geschäft noch lange vergönnt sein, immerhin ergießt sich der Unmut des weitläufigen Publikums nach jedem Film mit neuem, immer hilfloserem Schwung über ihn, sei es in Form von Miss- oder Unverständnis, per Ignoranz oder Intoleranz. Dass der Mann mit seinen sanft erzählten, zugleich beunruhigenden wie sedierend eigensinnigen Filmen eigentlich niemand fürs Studio ist, sollte langsam offenbar werden, andererseits könnte eine geringere Budgetierung auch seinen kreativen Hahn verstopfen, was wenig wünschenswert wäre. Nun, ich glaube nach sechs formal recht ähnlich gearteten Arbeiten ehrlich gesagt nicht mehr, dass Shyamalan etwas anderes kann. Dafür ist er auf seinem Sektor mutmaßlich unschlagbar und ich wünsche mir für die Zukunft, noch viel mehr von ihm sehen zu können.
8/10
#1480
Geschrieben 12. November 2008, 08:53
Roots ~ USA 1977
Directed By: Marvin J. Chomsky/John Erman/David Greene/Gilbert Moses
Die fünf Generationen und eine Zeitspanne von rund 120 Jahren umfassende Geschichte des aus Gambia verschleppten und in Amerika versklavten Kunta Kinte (LeVar Burton, John Amos), seines lebenslangen Traumes von Freiheit und seiner Nachkommen, die seinen Traum weiterleben und irgendwann erfüllt finden.
In der Regel meide ich TV-Serien wie der Teufel das Weihwasser, daher sollten Ausnahmefälle wie dieser wenigstens dokumentiert werden.
Zweierlei hat mich letztendlich zum Erwerb der "Roots"-Boxen durchgeboxt: Der günstige Preis, sowie die Tatsache, dass es sich um eine abgeschlossene Miniserie handelt, die sich nicht in unendlichen "Seasons" ergeht und entsprechend viel Genusszeit in Anspruch nimmt. 10 Stunden "Roots", das bedeutet nüchtern subsumiert 10 Stunden weniger Film. Aber schön, angesichts ihres Status als gewaltiges Medienereignis mit entsprechendem Echo sowie ihrer stets unterhaltsamen Gestalt kann man sich durchaus, besonders, wenn man mit einem Krankenschein in der Linken, einer Pulle Pils in der Rechten und einem schmerzenden Knochengerüst zur Horizontalen verdammt ist, einmal zu dieser speziellen TV-Beschau 'herablassen'. Nicht, dass ich mich itzo zu allzu großen Hymnen des Lobes aufschwinge oder aufschwingen möchte: "Roots" ist und bleibt inszenatorisch vorhersehbares, routiniertes Fernsehen, mit all seinen dramaturgischen und formalen Korsettierungen, dazu noch 30 Jahre älter, angepasster und zensurängstlicher als gegenwärtige Produktionen. Dennoch sind die zahlreichen positiven Aspekte nicht fortzuleugnen; "Roots" nutzt inmitten der populären Krimi- und Polizeiformate, Sitcoms und Soaps seinen Status als denkanstoßendes Massenentertainment und berichtet in relativ komplexer Form von jenem unrühmlichen, so wenig mit der Verfassung der USA vereinbarem Kapitel der Sklaverei mit all seinen Facetten, von der Verschiffung über die (manchmal zwecklosen) Mühen des Identitätserhalts bis hin zur lang ersehnten Freiheit und ihrer Entpuppung als trügerisches Papierurteil. Das alles wird getragen von einem großartigen Ensemble, dessen Spiel schon per definitionem weit über das seinerzeit übliche TV-Niveau herausragt. Große Namen wie (vorsicht, Aufzählung) John Amos, Edward Asner, Louis Gossett jr., Ben Vereen, Chuck Connors, Brad Davis, Lloyd Briges, Burl Ives und viele weitere bleiben garantiert haften angesichts ihrer Leistungen.
Besonders von der medienwissenschaftlichen Warte aus dürfte die Rezeption von "Roots" noch immer nachhaltige Berechtigung erfahren. Ansonsten bleibe ich aber dabei: Fernsehen kann Film nicht das Wasser reichen.
7/10
#1481
Geschrieben 13. November 2008, 10:36
Quantum Of Solace (Ein Quantum Trost) ~ UK/USA 2008
Directed By: Marc Forster
Die Verbrecherorganisation Quantum, respektive ihr führender Kopf Domic Greene (Mathieu Amalric) plant, sich die Wasserversorgung Boliviens anzueignen. James Bond (Daniel Craig), noch immer auf der Suche nach den Mördern seiner Geliebten, reist zwischen Haiti, Österreich und Italien hin und her, um Greenes Pläne zu vereiteln und ihn dingfest zu machen.
Nach einem kleinen Traditionsbruch - "Casino Royale" war seit 85 der erste Bond, den ich mir nicht im Kino angesehen hatte - führte mich, allerdings primär auf die Initiative eines Freundes hin, einer meiner spärlicher werdenden Lichttheatergänge nun also in "Quantum Of Solace". James Bond, kultureller Anachronismus seit knapp 20 Jahren, ist auch anno 08 für keine Überraschung mehr gut. Wie stets, und darin liegt zumindest ein kleines Restrinnsal des zunehmend geringer werdenden Identitätsbewusstseins der Reihe, reflektiert Bond Zeitgeist und Medialität. Statt Gelassenheit und organisch-übersichtlicher Action mit Totalen regiert das inszenatorische Scheinchaos; Shutter, Schnitte innerhalb von Sekundenbruchteilen, rucklige Großaufnahmen von Craigs quadratischer Physiognomie, Blitz und Donner - eine fast experimentelle Vorgehensweise. Die buchstäbliche Angst, die Überkommenheit des Franchise auch visuell werden zu lassen, ist zu jeder Sekunde deutlich spürbar und so hetzt man durch ein schwer fassbares Etwas von Geschichte, das nur ganz selten jene eigensinnigen Qualitäten aufblitzen lässt, für die James Bond einst stand. Sexismus, Zynismus, Stilzwang, das alles ist im Zeitalter allgegenwärtiger Kommunikation passé - ebenso wie die relative Autonomie, mit der Bond in seinem weltweiten Spionage-Paralleluniversum zu Werke gehen konnte, als gewisse Fleckchen Erde, vom globalen Bürstenstrich noch verschont, so etwas wie Exotik und Geheimnis repräsentierten. Heutzutage lässt ihm seine Chefin (Judi Dench, als Quasimama wohl unvermeidlich) kurzerhand aus der Ferne die Kreditkarten sperren, um "seine Bewegungsfreiheit einzuschränken". Pfui. Die drei, vier selbstreflexiven Reminiszenzen dieses Films sind wohl speziell für die älteren Generationen gemacht, die dafür entschädigt werden sollen, dass sie sich, auf der Suche nach dem Heiligen Gral der Jugend, noch immer tapfer und blind zu 007 ins Kino verirren.
So bleibt mir subsumierend festzustellen, dass James Bond anno 08 zwar hier und da noch Wertigkeiten bietet, insgesamt aber auch eine ziemlich dicke Wermutspritze darstellt
5/10
#1482
Geschrieben 13. November 2008, 12:36
Dead Man's Shoes (Blutrache - Dead Man's Shoes) ~ UK 2004
Directed By: Shane Meadows
Richard (Paddy Considine) rächt nach der Militärzeit seinen kleinen, geistig behinderten Bruder Anthony (Toby Kebbell), um er sich stets gekümmert hat und der dann in Richards Abwesenheit von einer Kleinstadtclique bestehend aus Tagedieben im Drogenrausch für dumme Scherze missbraucht, gequält und schließlich in den Tod getrieben wurde.
Meadows karger Vergeltungsfilm steht in langer britischer Tradition und lässt vor allem Erinnerungen an Mike Hodges' "Get Carter" hochkochen, dem "Dead Man's Shoes" sogar das Wasser reichen kann. In blassen Steadicam-Bildern, vermischt mit Super 8-Archivaufnahmen, die die tiefe Bruderliebe zwischen Anthony und Richard verdeutlichen, lichtet Meadows die zeitlich beinahe stillstehend anmutende Lokalität der englischen Midlands ab und entwirft dabei ein allgemeingültiges Smalltown-Potrait, in dem Geschichten wie die um den armen Anthony sicher zuhauf existieren. Wie ein feuriger Racheengel fährt Richard in dieses Milieu hinab, undurchsichtig, todessehnsüchtig, besonders um die eigene Erlösung bemüht, die sich trotz aller Racheaktionen nicht einstellen mag, weil Richard sich als Schutzbefohlenen für seinen kleinen Bruder wähnt, der versagt hat, als er so dringend gebraucht wurde. Meadows verzichtet bei der Inszenierung dieser Vendetta auf jeglichen Voyeurismus. Man fühlt sich auch an "Death Wish II" erinnert, der sich ebenfalls die Perfidie eines in furchtbare Bedrängnis geratenen, behinderten Menschen, der verzweifelt den Freitod wählt, auf eine sehr viel grellere Art zunutze machte. "Dead Man's Shoes" 'regelt' diese Prämisse nebst ihren Folgen wesentlich leiser, tragischer und - auf emotionaler Basis - unbequemer. Ein beschwerlicher, nichtsdestotrotz toller Film.
9/10
#1483
Geschrieben 14. November 2008, 13:42
Quo Vadis ~ USA 1951
Directed By: Mervyn LeRoy
Um das Jahr 60 kehrt der Zenturio Marcus Vinicius (Robert Taylor) von einem langen Eroberungszug in die nördlichen Barbarengefilde nach Rom zurück, wo er Lygia (Deborah Kerr), die Adoptivtochter des zum Christentum konvertierten Ex-Armisten Plautius (Felix Aylmer) kennen und lieben lernt. Zwar beruht die feurige Zuneigung durchaus auf Gegenseitigkeit, Vinicius' rührlos-arrogantes Imperialistenwesen stößt die fromme Lygia jedoch ab. Als Vinicius nach und nach vermehrt zum Zeuge der psychotischen Manie seines Kaisers Nero (Peter Ustinov) wird, der nach diversen anderen Untaten auch noch die Stadt anzündet und seine Brandstiftung später den Christen in die Schuhe schiebt, die er bei tagelangen Arena-Spielen grausam zu Tode foltert, muss Vinicius eingestehen, dass seine ethischen Prioritäten vielleicht doch nicht ganz unfehlbar sind.
"Quo Vadis", großangelegte Verfilmung des Sienkiwicz-Romans, bedeutete das Siegel auf der Regentschaft Louis B. Mayers bei MGM und zugleich den Startschuss für die letzte große Monumentalfilm-Welle im Hollywoodkino bis in die Neunziger Jahre hinein. Nach mehreren fruchtlosen Planungsphasen wurde der gewaltige Film zum Ende der 1940er, als Rom als unmittelbarer Zeuge der Weltkriegsauswirkungen noch erschüttert und nackt dalag, vor Ort in Italien gedreht mit einem Aufwand, der im Jetzt finanziell nicht wiederholbar wäre. Unüberschaubare Statistenheere und gigantische Kulissen, große Beleuchtungs- und Kostümierungskünste, dazu eine wunderbare Farbdramaturgie ergeben ein stolzes Kaleidoskop des damals Möglichen. Wie sämtliche um diese Zeit und kurz darauf entstandenen Historienepen, besonders jene mit christlichem Unterbau, ist natürlich auch "Quo Vadis" ein cineastischer Multitrash, voller Kitsch und aufgeladen mit Glaubenspathos. Letzteres wird jedoch (auch das eigentlich Usus) angesichts seiner Kintopp-Zugeständnisse, sprich: der allseitigen Klotzerei, die es umgibt, völlig ad absurdum geführt und wirkt daher nicht aufdringlich, sondern vielmehr belustigend. Obwohl LeRoy noch kein CinemaScope zur Verfügung stand, ist sein Film somit doch erfüllt von Breite und Prahlerei. Mit Peter Ustinov als schurkisch-beklopptem Caesar und Leo Genn als seinem bildungsbürgerlichen Kanzler Petronius, der Neros Irrsinn einzuschätzen weiß, ihn zugleich in Sicherheit wiegen und - zumindest zuweilen - von allzu großen Grobheiten abzubringen vermag, steht außerdem ein Genre-Antagonistenpaar bereit, das vor Spielfreude und Professionalität strotzt und seinesgleichen sucht.
Ein durchweg prachtvolles Erlebnis.
9/10
#1484
Geschrieben 15. November 2008, 08:59
Welcome To The Jungle (Cannibals) ~ USA/AU 2007
Directed By: Jonathan Hensleigh
Vier so sonnige wie unsympathische Aktivtouris (Sandy Gardiner, Veronica Sywak, Callard Harris, Nick Richey) überlegen sich, dass es Ruhm, Ehre und vor allem viel Geld einbringen könnte, wenn man den verschollenen Millionenerben Michael Rockefeller, der seit 1961 als verschollen gilt, und der anscheinend jüngst von einem Hubschrauberpiloten in Papua-Neuguinea gesehen wurde, ausfindig machte. Während des anschließenden Trips gerät man sich allerdings in die Haare wegen unterschiedlicher Auffassungen von Dschungelexkursionen und Alltagsgestaltung. Die Entweihung einer Kultstätte der Eingeborenen bringt das mittlerweile zersplitterte Quartett schließlich in tödliche Gefahr.
Dieses kleine Relaunch des Kannibalen-Subgenres bietet keine ernstzunehmende Vergleichsbasis mit den alten italienischen Meistern. Zum einen wird durch das weiterhin schicke Element der narrativen Subjektivierung mittels durch die Protagonisten selbst eingesetzten Kamera-Equipments bereits die ansonsten übliche auktoriale Ausgangssituation vermieden ("Cannibal Holocaust" - an dem sich "Welcome To The Jungle" ausgiebig orientiert; eine Einstellung bildet sogar eine unmissverständliche Reminiszenz - hatte diesen Ansatz ebenfalls bereits durchgespielt, allerdings unter klarer Einbettung in einen erzählerischen Außenrahmen und weniger selbstverliebt in seine vermeintliche Innovationsfreude), zum anderen läuft die ohnehin unnachahmlich scheinende Rohheit eines Deodato oder Lenzi niemals Gefahr, auch nur angetastet zu werden. Von formaler Radikalität kann zudem nicht die Rede sein, dazu ist das zugrunde liegende Konzept einerseits innerhalb seiner Gattung bereits allzu sehr ausgewalzt und andererseits - speziell im vorliegenden Fall - viel zu inkonsequent umgesetzt worden.
Als Gegenwarts-Genrearbeit eine harmlose bis unauffällige Erscheinung, die keinem wehtut und immerhin noch halbwegs passabel-involvierend über die Runden kommt.
5/10
#1485
Geschrieben 16. November 2008, 08:33
The Condemned (Die Todeskandidaten) ~ USA 2007
Directed By: Scott Wiper
US-Millionär Ian Breckel (Robert Mammone) will sein Vermögen nochmals multiplizieren und arrangiert daher einen Todeskampf vor laufenden Kameras, der aggressiv im Internet beworben wird und gegen entsprechende Kreditkartenbelastung mitzuverfolgen ist. Dazu werden zehn zum Tode verurteilte Knackis aus global verstreuten Drittweltgefängnissen freigekauft, um dann auf einer einsamen Insel gegeneinander anzutreten. Der erste Preis ist die Freiheit, der zweite die Explosion. Unter den unfreiwilligen Mitspielern befindet sich auch der brave, stiernackige Agent Conrad (Steve Austin), der von seinen Vorgesetzten im Stich gelassen wurde und nun in einem Knast in El Salvador einsitzt. Obgleich Conrad direkte Konflikte zu vermeiden sucht, sind seine Zweikampf-Qualitäten beachtlich.
Das Thema des Unglücklichen, der im Zeichen einer pevertierten Medienwelt um sein nacktes Leben zu kämpfen hat, gibt eine bereits vielfach ausgeschlachtete Genrefilmvariante ab. Das größte introspektive Problem jener Werke liegt zumeist in der Gefahr, den anzuprangernden Komplex aus dem Auge zu verlieren und selbst zu einem voyeuristischen, ein geiferndes Publikum bedienenden Spektakel zu verkommen, sprich: im reflexiven Verrat. "The Comdemned" nimmt diese nicht eben leichtwiegende Schwäche nicht nur wohlfeil in Kauf, sondern macht sie zum eigenen Metakonstrukt. Das war bereits bei "The Running Man" der Fall, nur hatte der zugleich den steten Hang zur Selbstironie.
Mit einer Produktion des Wrestling-Studios WWE Films, das die Muskelmänner aus dem Ring als Filmstars zu verkaufen trachtet und bereits den unsäglichen "The Marine" zu verantworten hat, sollte man nun sicherlich keinen Film erwarten, der existenzielle Denkanstöße liefert. Dann aber der finale Augenblick des Genickbruchs: Eine kritische Fernsehjournalistin hält im Fernsehen ein feuriges Plädoyer wider die Verwerflichkeit des "Condemned"-Spiels und einer Horde verblödeter Mittelwestamis, die eben noch in der Kneipe ihrem nicht minder blöden Nachbarn und Kumpel Conrad zugejubelt haben, fällt prompt, aber nachdrücklich die Kinnlade hinunter. Das war's dann endgültig zwischen mir und diesem filmischen Hunderotz, der so verlogen ist wie nur was. Seine Grafik verschleiert er, indem er durch einen uralten dramaturgischen Trick die Todesopfer "schlicht" explodieren lässt, seiner ohnehin ganz selten erreichten Wucht nimmt er selbst durch das immergleiche, zeitzerdehnende Gewissensgeplänkel zwischen Breckel und seinen Kompagnons endgültig den Wind aus den Segeln. Von der einmal mehr verfolgten Ruckelästhetik, deren Sinn sich mir auch beim 236. Mal noch nicht erschlossen hat, ganz abgesehen. Dreck. (Notiz an mich: WWE künftig meiden)
2/10
#1486
Geschrieben 16. November 2008, 12:27
The Sea Wolves (Die Seewölfe kommen) ~ UK/USA/CH 1980
Directed By: Andre V. McLaglen
1943 liegen einige Handelsschiffe der deutschen Marine vor der Küste des indischen Bundesstaats Goa, die per Funk Wehrmachts-U-Boote über alliierte Seebewegungen informieren. Der britischen Admiralität sind diese Aktionen ein Dorn im Auge, wegen der Neutralität der unter portugiesischer Kolonialherrschaft stehenden Region darf man jedoch offiziell nichts unternehmen. Die beiden Offiziere Pugh (Gregory Peck) und Stewart (Roger Moore) schlagen daher vor, die aus rüstigen Senioren bestehende, altgediente 'Calcutta Light Horse' unter der Leitung von Colonel Grice (David Niven) für eine Sprengungsaktion bei Nacht und Nebel zu reaktivieren. Die trinkfesten Herrschaften sind mit Feuereifer dabei.
Der immense Erfolg von "The Wild Geese" veranlasste die Lorimar dazu, einen konzeptuell quasi identischen Film, allerdings mit authentischen Elementen versetzt und im Zweiten Weltkrieg angesiedelt, zu produzieren. Der Stab beider Filme ist in weiten Teilen identisch, die Musik von Roy Budd fast austauschbar, es finden sich diverse stilistische Analogien und mit zahlreichen Nebenollengesichtern gibt es ein Wiedersehen. Roger Moore war erneut dabei, mit Gregory Peck wiederum ein altgedienter Hollywood-Veteran an der Besetzungsspitze vertreten und mit Niven und Trevor Howard überdies zwei Namen vorhanden, die das prominente Führungsquartett mitsamt ihren Konterfeis auf dem Filmplakat vervollständigten. Leider erreicht der Film niemals die Klasse des Vorbilds, das (im positiven Sinne) deutlich schmutziger, emotional involvierender, vor allem aber ungleich spannender und aktionsreicher in seiner Erscheinung daherkam. "The Sea Wolves" bietet im sich förmlich aufdrängenden Direktvergleich lediglich domestiziertes Abenteuerkino mit Altherrenbonus ohne jedwede Grenzwertigkeiten, eine akkurat gefertigte Kriegsmär, die ihr Sujet als Tummelplatz für beiläufiges Heldentum begreift und zu dem man gern eine Zigarre und ein Gläschen Scotch genießen kann. Das ist zwar durchaus nicht übel, der Stoff, aus dem echte Klassiker gefertigt werden aber ist ein anderer.
6/10
#1487
Geschrieben 17. November 2008, 19:45
Husbands (Ehemänner) ~ USA 1970
Directed By: John Cassavetes
Anlässlich des Todes ihres Freundes Stuart (David Rowlands) begehen Gus (John Cassavtes), Harry (Ben Gazzara) und Archie (Peter Falk), drei New Yorker in den besten Jahren, eine mehrtägige Saufodyssee, geprägt von Lebenskrisen, Delirium und irrationalen Zerwürfnissen, die schließlich in London im Kreise mehrerer Bardamen endet. Angestoßen von den jüngsten Erfahrungen entsagt zumindest Harry seiner bourgeoisen Existenz, wenn auch sein vorläufiger Absprung etwas übereilt erscheint. Gus und Archie kehren, um einige Lebenserfahrung reicher, ins traute Heim zurück.
Der WASP-Mann um die 40 - nie war er einer gnadenloseren Nabelschau ausgesetzt als in Cassavetes' "Husbands", der sich selbst und seine zwei guten Freunde Falk und Gazzara als Protagonisten-Triumvirat besetzte. Eine böse midlife crisis sowie das urplötzlich gewaltsam hervorgerufene Bewusstsein um die eigene Sterblichkeit erschüttert die jeweilige Vita des Trios. Alle drei leben eine finanziell zufriedenstellende Existenz in akademischen Berufen, mit Familien und Vororthaus, und haben ergo zumindest das Grundmuster des typischen abendländischen Lebensentwurfs hinreichend erfüllt. Dass diese Art existenzieller Sackgasse jedoch auch eine entscheidende Gefahr birgt, nämlich die erschütternder, frühzeitiger Unzufriedenheit, demonstriert Cassavetes gewohnt hautnah bis porentief und lässt seinen absurd realistischen Film dadurch fast komplett improvisiert erscheinen. Scheinbare Belanglosigkeiten dehnt er ebenso aus wie höchst intime Momente und gibt damit einmal mehr ein unbestechlich wahres Bild seines gezeichneten Milieus preis. Cassavetes-Filme sind keine bequemen Sessel, in die man sich fallen lassen kann; sie sind hart, ungemütlich und kratzen hier und da, aber man fühlt sich nach einem Ritt auf (oder mit) ihnen stets wie frisch gebadet.
Phantastisch.
9/10
#1488
Geschrieben 17. November 2008, 20:05
Born On The Fourth Of July (Geboren am 4. Juli) ~ USA 1990
Directed By: Oliver Stone
Ron Kovic (Tom Cruise), ein amnerikanischer Durchschnittsjunge aus Long Island, meldet sich für den freiwilligen Einsatz in Vietnam. Während seiner zweiten Dienstzeit wird er schwer verwundet und kehrt als Querschnittsgelähmter zurück nach Haus. Sein Glaube an den Wert des trotz furchtbarer Verluste unerbittlich weiter geführten Krieges wird angesichts der Situation der Veteranen an der "Heimatfront" zunächst schwer erschüttert, um dann gänzlich in den Staub zu sinken. Nach der lange gefürchteten Aussprache mit den Eltern eines Kriegskameraden, den Ron versehentlich bei einem Scharmützel erschossen hat, wandelt sich der vormals Gebrochene zum leidenschaftlichen Antikriegs-Aktivisten.
Mit "Born On The Fouth Of July" legte Stone den zweiten Teil seiner 1993 mit "Heaven & Earth" vervollständigten Vietnamkriegs-Trilogie vor. In dem Aktivisten Kovic fand er eine verwandte Seele, einen Mann, der, ebenso wie Stone selbst, in blinder und ausgesprochen naiver Vaterlandsliebe in einen Krieg zog, der in jeder Hinsicht überflüssig und verschwenderisch verlief. Das Porträt eines Individuums, als Kind puritanischer Eltern und einer höchst bigotten Mutter im Speziellen moralisch quasi zum Kampfeinsatz genötigt und dann im Krieg an Leib und Seele versehrt wird, um am Schluss der Erkenntnis stattzugeben, dass sein ganzes bisheriges Leben ein großer Fehltritt war, ist durchzogen von erschütternd naturalistischen Bildern und einer ebenso gnadenlosen wie leidenschaftlichen Anklage an die katastrophal fehlgeleitete amerikanische Außen- und Innenpolitik jener Jahre. Ein ideales, nebenbei sehr nützliches Sujet also für die stonesche Art, Demagogie zu machen. Formal ist "Born" meisterlich gelungen, es gibt erste Experimente mit Stilvariationen wie Format- und Farbenwechseln oder Zeitraffern. Noch behält Stone sich das allerdings für Traumsequenzen vor. Die zugegeben schwülstige Musik von John Williams passt hervorragend zu den schmerzvollen Bildern und liefert in Kombination mit ihnen unauslöschliche Eindrücke.
9/10
#1489
Geschrieben 17. November 2008, 20:28
King Solomon's Mines (Quatermain - Auf der Suche nach dem Schatz der Könige) ~ USA 1985
Directed By: J. Lee Thompson
Afrika, vor dem Ersten Weltkrieg: Die junge Jesse Huston (Sharon Stone) hat den Growildjäger und Abenteuer Allan Quatermain (Richard Chamberlain) angeheuert, um ihren Vater (Bernard Archard), einen Entdecker ausfindig zu machen. Jener befindet sich in der Gewalt zweier finsterer Gesellen, des schurkischen Dogati (John Rhys-Davies) und des preußischen Kommisskopfes Bockner (Herbert Lom), die es auf den Schatz König Salomons abgesehen haben. Professor Huston kennt den Weg dorthin. Es entbrennt eine wilde Jagd über den Schwarzen Kontinent, die von Begegnungen mit Kannibalen, wilden Tieren und sogar Monstern gesäumt ist.
Die Cannon war nicht faul und erwarb auf den Erfolg des zweiten "Indiana Jones"-Abenteuers hin flugs die Rechte an Haggards klassischer Trivialromanfigur Allan Quatermain. Bei dieser ersten von zwei Verfilmungen mit Richard Chamberlain und Sharon Stone kam unter der versierten Hand Thompsons ein recht launisches Abenteuerfilmchen heraus, das nach demselben Konzept gestrickt ist wie sein großes Vorbild: Letztlich besteht die gesamte Geschichte aus nicht mehr als einer raschen Abfolge auswegloser Situationen, aus denen Quatermain, ganz maskuliner Haudegen, natürlich dennoch stets einen Ausweg findet. In guter klassischer B-Film-Tradition werden also diverse Cliffhanger aneinandergereiht, die jeweils den vorhergehenden in Ausmaß und Gigantomanie übetreffen, unterlegt mit teils ziemlich rüpelhafter Comicgewalt sowie einer hübsch schmissigen Musik von Jerry Goldsmith.
Leider sieht man dem Film seine insgesamt wohl recht preisgünstige Herkunft an; Rückprojektionen waren um 85 zumindest im Kino nicht mehr ganz up to date und wenn es dann wirklich mal übernatürlich wird, dann kann man gewiss sein, ziemlich Stoffeliges zu Gesicht zu bekommen - so etwa die Riesenspinne gegen Ende. Sollte das alles bewusst so aussehen, zur Nostalgiewahrung etwa, würde ich selbstredend sämtliche Kritik zurücknehmen, allein mir fehlen die Verifizierungsmöglichkeiten.
5/10
#1490
Geschrieben 18. November 2008, 18:48
Ivanhoe ~ USA/UK 1952
Directed By: Richard Thorpe
Der königstreue angelsächsische Ritter Wilfred von Ivanhoe (Robert Taylor) findet den als Geisel gehaltenen Richard Löwenherz (Norman Wooland) in Österreich. Daheim in England weigert sich Richards Bruder John nicht nur, das verlangte Lösegeld aufzubringen, er lässt auch noch verbreiten, dass Richard tot sei. Ivanhoe sammelt die stattliche Auslösesumme mithilfe des jüdischen Gelehrten Issac von York (Felix Aylmer) und mit seinem wiederversöhnten Vater (Finlay Currie) ein und muss bis zur Befreiung des Königs gegen intrigante normannische Edelleute bestehen, Turniere bestreiten, der Liebe trotzen und mit seinem Busenfreund Robin Hood (Harold Warrender) eine Burg ausräuchern.
Prachtvolles Ritterkino aus der MGM-Schmiede, voller Farbe, Romantik und Abenteuerlust. Wenn ich sehe, wie blendend vor über einem halben Jahrhundert dieses wohlfeile Handwerk beherrscht wurde, wird mir jedes Mal erneut richtig warm ums Herz. Es tut einfach bärig gut, sich diesem unverhohlen bunten Eskapismus zu übergeben, sich von Weltschmerz und schweren Füßen freizumachen und so einfach wie schwärmerisch genießen zu können. Bleibt zu hoffen, dass die qualitativ etwas mager ausgefallene deutsche DVD, die offenbar von einer etwas runzligen VHS gezogen wurde, irgendwann mal die fällige Aufwertung erfährt. Das ausgewaschene Technicolor kommt zwar dem Nostalgieempfinden zugute, andererseits ist man durch die um sich greifende Restaurationswelle ja doch sehr verwöhnt. Wie dem auch sei, der Film ist eine ganz feine Hausnummer, und selbst in dieser Form noch absolut goutierbar.
8/10
#1491
Geschrieben 20. November 2008, 15:30
The Morning After (Der Morgen danach) ~ USA 1986
Directed By: Sidney Lumet
Die verbrauchte TV-Schauspielerin Alex (Jane Fonda) wacht eines Morgens völlig verkatert neben einem erdolchten Erotikfilmer auf. Da sie sich an die vorhergehende Nacht nicht erinnern kann, mag sie nicht ganz ausschließen, dass sie selbst als Täterin in Frage kommt und versucht daher, sämtliche Spuren zu beseitigen und die Erinnerung an das Ereignis möglichst schnell in Schnaps und Wein zu ersäufen. Am Flughafen lernt sie den Ex-Polizisten Turner Kendall (Jeff Bridges) kennen, der sich in der Folge zu ihrem letzten Stützpfeiler entwickelt.
Als Kriminalfilm ist "The Morning After" eher überraschungsarm und höchst durchschnittlich geraten, besonders angesichts der überschaubaren Personenkonstellation und der hilflosen Plotauflösung. An Profil gewinnt der Film durch Fondas brillante Darstellung einer haltlosen Frau auf ihrer eigenen Überholspur, die, auch im Hinblick auf den herannahenden maskulinen Retter, an die Bree-Daniels-Rolle in "Klute" angelehnt ist. Vor allem Lumets urbansoziologische, etwas naserümpfende L.A.-Perspektive aber ist denkwürdig. Die weitläufige Stadt erscheint permanent, bei jeder sonnengleißenden Außenaufnahme, als würde man sie wie durch einen verschleiernden hangover hindurch betrachten, die abgebildeten Innenarchitekturen sind nicht nur lokal weit entfernt von den geschmackvollen Stilwelten New Yorks und pendeln zwischen versnobt und freundlich formulierter Praktikabilität. Jede der vier hauptsächlich gezeigten Wohnungen spiegelt die Persönlichkeit ihrer Bewohner wider, wobei die von Jeff Bridges' Charakter wohl noch die liebenswerteste darstellt.
6/10
#1492
Geschrieben 20. November 2008, 15:44
Running On Empty (Flucht ins Ungewisse) ~ USA 1988
Directed By: Sidney Lumet
Seit sie in den frühen siebziger Jahren eine Napalmfabrik in die Luft gesprengt haben, sind die Eheleute Annie (Christine Lahti) und Art (Judd Hirsch) auf der Flucht vor den Behörden. Dauernde Wohnungs- und Identitätswechsel sind die Folge. Darunter haben auch ihre zwei Söhne zu leiden. Für Harry (Jonas Bry), den jüngeren, kommt das ganze eher einem Abenteuerspiel gleich; der ältere Danny (River Phoenix) jedoch durchleidet eine kritische Phase, weil er wegen der permanenten Enttarnungsgefahr weder sein musikalisches Talent, noch die erste feste Beziehung mit einer Freundin (Martha Plimpton) zur Blüte bringen kann.
Neben dem ernüchternden, altersweisen statement, dass revolutionärer Aktionismus in der heutigen Zeit einer uneffektiven Weltanschauung gleichkommt, weil durch ihn automatisch das Privatleben zum Scheitern verurteilt sei, präsentiert "Running On Empty" die schöne Geschichte eines flügge werdenden, künstlerischen Genius', das wegen einer völlig unverschuldeten Lebenssituation gedeckelt und gegängelt wird, ohne, dass eine der beteiligten Seiten mit diesem Zustand zufrieden wäre oder auch nur sein könnte. Lumet löst den sich daraus zwangsläufig auf mehreren Ebenen ergebenden Konflikt mittels einer bravourös entspannten und dem Sujet wie den beteiligten Personen angemessenen Art und Weise. Daher ist "Running On Empty" ein sehr stiller, sehr kluger Film, der positiv aus dem Rahmen seiner grellen Entstehungszeit fällt.
8/10
#1493
Geschrieben 21. November 2008, 17:30
Lauf um dein Leben - Vom Junkie zum Ironman ~ D 2008
Directed By: Adnan Köse
Gegen Ende der Achtziger lebt der Hallodri Andreas (Max Riemelt) ein von Kleinkriminalität bestimmtes Leben mit seinen drei Freunden (Axel Stein, Robert Gwisdek, Ismail Deniz). Das geht so lange gut, bis das pubertäre Streichgebahren zwischen Kifferei und Klauerei von allseitiger Heroinsucht geprägt wird. Mit den "fantastischen Vieren" geht es bergab. Bis Andreas dann irgendwann doch noch die Kurve kriegt und sein Heil im Leistungssport findet.
Normalerweise hätte mein unbestechlich-selektiver Programmgestaltungsblick diesen Film sicherlich mit großzügigem Abstand umkurvt, da der Regisseur aber aus meiner Heimatstadt kommt und gute 50 Prozent des sichtbaren Filmmaterials hier in der Gegend entstanden sind, habe ich mich mal als Lokalpatriot betätigt und mir die DVD zugelegt. Nun, Atmosphäre hat "Lauf um dein Leben" mit seinem etwas unbeholfenen Titel auf reißerischem SAT-1-Niveau, und davon sogar mehr als erwartet. Zeit- und Lokalkolorit stimmen. Köse demonstriert zudem, dass er sein Handwerk beherrscht, wenn die mise-en-scène auch bestenfalls als zweckdienlich bis solide bezeichnet werden kann. Vor Klischees fürchtete sich hier offenbar niemand. Immerhin, "mein" geliebtes, nordwestliches Ruhrgebiet in Scope betrachten zu können, das allein hat mich schon ganz glücklich gemacht.
6/10
#1494
Geschrieben 22. November 2008, 10:07
The Incredible Hulk (Der unglaubliche Hulk) ~ USA 2008
Directed By: Louis Leterrier
Dr. Bruce Banner (Edward Norton), der sich bei einem Pulsschlag von über 200 in einen grünen Wüterich verwandelt, versteckt sich vor seinem Fluch und vor dem Kommisskopf General Ross (William Hurt), welcher sich Banners Fähigkeiten militärisch zunutze machen will, in den Favelas von Rio. Dort wird er bald von einer Einheit des Generals unter Führung des Exilrussen Emil Blonsky (Tim Roth) aufgespürt. Banner gelingt jedoch die Flucht zurück in die USA, wo er Betty, seine Geliebte und Tochter des Generals, wiedertrifft. Sie hilft ihm bei seinem weiteren Vorgehen, derweil Blonsky mittels einer Überdosis Gammastrahlen selbst zu einem Monster mutiert...
Der zweite "Hulk"-Film nach Ang Lees wundervoller, experimenteller (und summa summarum etwas besseren) Variante liegt ganz auf der Linie der übrigen aktuelleren Comicadaptionen nach Marvelfiguren. Mit viel Wumms versetzt, laut und spektakulär ist "The Incredible Hulk" geraten, allerdings in einer Dosierung und einem Inszenierungsstil, der auch ältere Generationen von Comicfans nicht zu vergrätzen gefährdet. Schon das heuer angewandte Scope-Format lässt jegliche Assoziationen an split-screens und Paneldispositionen bereits im formativen Kern verflachen. Das ist deutlich risikoärmer als bei Lee, konventioneller, aber auch konsumierbarer strukturiert. Dieser Hulk traut - oder erlaubt, je nach Warte - sich auch Humor, hält wesentlich mehr Avancen an die Print-Aficionados sowie die Liebhaber der alten TV-Serie bereit und lässt, es gehört eben doch unweigerlich dazu, sogar zwei kurze Sätze aus seinem olivgrünbezahnten Mund entweichen. Die Produktionsägide der Marvel Studios, in deren Hauptinteresse offensichtlich auch (schon "Iron Man" hat das gezeigt) die Kreierung einer komplexen, filmübergreifenden Realiät liegt, macht sich bemerkbar. Die endgültige Angliederung an dieses immer noch mitten in der Gerierung befindliche, große Film/Comic-Universum geschieht dann tatsächlich noch, kurz vor dem Abspann.
7/10
#1495
Geschrieben 22. November 2008, 10:25
You Kill Me ~ USA 2007
Directed By: John Dahl
Frank Falenczyk (Ben Kingsley) arbeitet als Auftragskiller für die Polenmafia in Buffalo. Zur Schande seiner Professionalität säuft er jedoch auch Gin und Wodka, als gelte es, Weltrekorde einzustellen. Als er den wichtigen Auftrag, den irischen Familienkopf O'Leary (Dennis Farina) zu liquidieren, vergeigt, schickt sein Onkel und Chef Krzeminski (Philip Baker Hall) Frank nach San Francisco, zur Ausnüchterung und Teilnahme an Treffen der Anonymen Alkoholiker. Zudem soll er für die entsprechende Zeit einen Job in einem Beerdigungsinstitut nachgehen. Frank kann sein Pech nicht fassen und stellt sich in jeder Hinsicht quer, bis er die aparte Laurel (Téa Leoni) kennenlernt.
Wie "Sexy Beast" ist auch "You Kill Me" ein reines Geschenk an Ben Kingsley und sein spät entdecktes, aber unschlagbares Talent, die härtesten Typen mit beißend komischer Lakonie interpretieren zu können. Fast jede der geschätzten 25 bis 30 Pointen und oneliner geht auf sein Konto und fast jede davon sitzt. Das wäre an sich ein absoluter Kanonenschlag, aber dummerweise gibt es da noch einen gewissen Don Logan, bei dem man das alles eben schon etwas origineller gesehen hat. Ich würde sogar soweit gehen, festzustellen: Frank Falenczyk ist im Prinzip niemand anderes als der Londoner Logan, minus dessen alles umpflügenden Soziopathie und plus besagtem Hang zur Flasche. Ansonsten könnte die beiden aber - auch im Geiste - Zwillingsbrüder sein. Und wo wir schon bei intrafilmischen Familienzusammenführungen sind - Falenczyk hat da wohl noch einen in wilder Ehe gezeugten Sohn oder Neffen mit Namen Martin Blank, der sich gegenwärtig vermutlich irgendwo an der Westküste bemüht, sein neues bürgerliches Leben am Laufen zu halten.
Nun, da John Dahl stets eine gewisse Semi-Meisterschaft in der Fertigung witziger Halbweltgeschichten besaß, darf man sich mit Fug und Recht darauf verlassen, bestimmter deutlicher Vorbilder zum Trotze auch bei "You Kill Me" keine Enttäuschung zu erleben. Für die totale Euphorie indes langt's nicht - wenn diese auch sicher gar nicht intendiert war.
7/10
#1496
Geschrieben 23. November 2008, 10:35
In Bruges (Brügge sehen... und sterben?) ~ UK/USA 2008
Directed By: Martin McDonagh
Die beiden Auftragskiller Ray (Colin Farrell) und Ken (Brendan Gleeson) werden ins weihnachtliche Brügge abgestellt, um dort etwas zu entspannen und auf neue Anweisungen ihres Chefs Harry (Ralph Fiennes) zu warten. Während Ken sich von dem historischen Zauber des Städtchens einfangen lässt, ist Ray, der mit einer schweren Depression wegen eines schiefgelaufenen Attentats zu kämpfen hat, permanent genervt und verguckt sich in die Dealerin Chloë (Clémence Poésy). Dann erhält Ken einen verhängnisvollen Anruf von Harry...
Ein zauberhaft morbider Film ist "In Bruges" geworden und einer, der dem Profikiller-Genre zu einer formvollendeten Renaissance verhilft. Brügge mit seinem mittelalterlichen Flair fungiert dabei nicht nur als Titelspender, sondern auch als Symbol für Kindheitsträume und Tod, als Start- und Zielposition auf der Europakarte. Mit einem seltsamen, kaum fassbaren Anti-Humor angereichert lässt "In Bruges" auch über die Bitterkeit des Lebens schmunzeln; Kokspartys, gelangweilte Huren im Champagnerrausch, eine bizarre Filmproduktion mit kleinwüchsigem Hauptdarsteller im Tranqulizertran, räuberische Skinheads mit Platzpatronenrevolvern und freche Kanadier, die zu Recht die Fressen poliert bekommen - Brügge hat deutlich mehr zu bieten als eine architektonische Epochenreise. Brendan Gleeson spielt seine schönste Rolle seit Boormans "General", Colin Farrell kann seinem zunehmend beeindruckenden Kerbholz eine weitere Markierung hinzufügen. "In Bruges" bedrückt und befreit zu gleichen Teilen - und leistet damit wesentlich mehr als ein Film leisten muss. Hätte ich gern im Kino gesehen.
9/10
#1497
Geschrieben 23. November 2008, 10:51
The Doors ~ USA 1991
Directed By: Oliver Stone
Die Geschichte des Dichters und Rocksängers Jim Morrison (Val Kilmer), dessen kurzes, heftiges 27-jähriges Leben 1971 in Paris verglüht ist wie ein Komet und wohl auch gar nicht länger hätte leuchten können - oder dürfen.
Nach "Born On The Fourth Of July" ein weiteres Porträt eines amerikanischen Moralapostels - Jim Morrison, des einzigen Monolithen in der Brandung der trägen Hippiewelle in den späten Sechzigern. Inmitten von letztlich erfolglosem Protest, freier Liebe und Hedonismus, inmitten einer ziellosen Ära, wählt Morrison den Exzess, verbringt sein Leben zwischen Trips und schamanischer Trance, ist mit seiner dionysischen Vitalität ein Fall fürs Pantheon und mit seinem zerbrechlichen Innenleben ein Fall für den Therapeuten. Immer wieder wird ihm eingeredet: Die Leute wollen nur dich, nicht die Doors. Und, auch wenn er sich vehemente Mühe gibt, dies zu bestreiten, irgendwann glaubt er's doch. Die Doors werden Zeitzeugen der drei wichtigen historischen Markpunkte der USA im 67er Sommer - Venice Beach, San Francisco und New York, und nirgendwo sind sie richtig zu Hause. Die Persönlichkeiten, denen sie begegnen, sind krank im Herzen. Ausgehöhlte Manager und Produzenten, Ed Sullivan, Andy Warhol, Nico. Inmitten historischer Größen schließlich findet Morrison seine letzte Ruhe auf dem Père Lachaise, besprüht und bewallfahren. Oliver Stone hat dieses rauschhafte Leben in einem unvergesslichen Bilderbogen inszeniert, "The Doors" ist selbst wie ein einziger, wilder Trip und setzt dieser großen amerikanischen Combo mit pausenlos eingespielten Songs, die trotz ihrer noch immer permanenten Dudelei in jeder zweiten Studierenden-WG des Planeten niemals wirklich überflüssig werden (das zeichnet bedeutende Musik aus) und stets ihren eigenen Soundtrack feilbieten.
Never ever watch it sober.
10/10
#1498
Geschrieben 23. November 2008, 11:45
Ticks (C2 - Killerinsect) ~ USA 1993
Directed By: Tony Randel
Weil ein paar beschränkte Marihuanafarmer in den kalifornischen Bergen ihre Pflänzchen mit Steroiden hochpäppeln, wachsen die in der Gegend heimischen Zecken zu beträchtlicher Größe heran. Einige Jugendliche (u.a. Seth Green, Ami Dolenz), die an einem Resozialisierungs-Projekt in der Wildnis teilnehmen, bekommen es bald sowohl mit den Monsterzecken als auch mit den kriminellen Drogenbauern zu tun.
Großartiger, bewusst als solcher angelegter Monstertrash, der sämtliche Register seines Subgenres zieht, inklusive herrlich klischeebesetzter Charakter-Konstellation und finalem Riesenvertreter der porträtierten Spezies. Die Make-Up-F/X (Doug Beswick) sind vom Feinsten und alles andere als zimperlich. Anno 94, als der Film etwa zeitgleich mit "Jason Goes To Hell" (r-rated) die deutschen Videotheken enterte, ging ein erwartungsgemäß euphorischer Aufschrei durch die hiesige Fanszene, weil Randels Film unerklärlicherweise ohne eines seiner schleimigen frames zu lassen und mit einer FSK-16-Freigabe erschien. "Ticks" war dann in der Folge auch stets gern gesehener Gast auf bier- und grasgeschwängerten Videonächten, die er dann meist als traditioneller Platzhalter in den frühen Morgenstunden für die ganz Harten unter uns beendete.
Ich warte als somit Fan der frühen Stunde bereits seit Jahren auf ein ordentliches DVD-Release im korrekten Format und mit Original-Tonspur, das nach wie vor noch aussteht. Um den Film überhaupt mal wieder sehen zu können, habe ich mich dann zu guter Letzt doch mit einer der Billig-Veröffentlichungen begnügt, hoffe allerdings nach wie vor auf Besseres.
6/10
#1499
Geschrieben 23. November 2008, 18:50
The Sweet Smell Of Success (Dein Schicksal in meiner Hand) ~ USA 1957
Directed By: Alexander Mackendrick
Um seine deutlich jüngere Schwester (Susan Harrison) daran zu hindern, eine legalisierte Beziehung mit einem Jazzgitarristen (Marty Milner) einzugehen, lässt der extrem einflussreiche New Yorker Kolumnist und Meinungsmacher J.J. Hunsecker (Burt Lancaster) nichts unversucht. Die größte Hilfe bei der Umsetzung seiner intriganten Pläne, zu denen neben öffentlicher Diffamierung und Einschüchterung sogar die umwegige Beauftragung von Schlägern zählt, befleißigt er sich der schmutzigen Dienste des speichelleckenden Parvenüs Sidney Falco (Tony Curtis).
Sein messerscharfer Dialog und seine präzise Sektion des Klatschjournalismus haben Mackendricks Film, der in direkter Tradition zu Wilders "Ace In The Hole" steht, seinen berechtigten Ruhm eingetragen. Lancaster, dem sein vielgeliebtes Image als breitgrinsender Strahlemann an Herausforderungen zu arm wurde, produzierte die von Ernest Lehman brillant geschriebene Satire mit und wagte sich erfolgreich an die Darstellung eines zutiefst korrumpierten und egozentrischen Machtmenschen.
"The Sweet Smell Of Success" dokumentiert in eindrucksvoller Weise den weitreichenden Einflussradius der Presse und wie sie über öffentlichkeitswirksame Personenkult-Konstruktionen und -Stürze bestimmen kann. Erschreckend und unheilvoll werde es insbesondere, so die treffende Suggestion des Films, wenn sich, wie im Falle Hunseckers, hinter jener Art Populismus ein emotionskranker und rücksichtsloser Charakter auftürmt. Für die Inszenierung wählte man den in Hollywood unbeschriebenen Briten Mackendrick, dem sein erster US-Film einen bösen kommerziellen Misserfolg eintrug, welcher dem Regisseur bedauerlicherweise ein nachhaltiges Fußfassen jenseits des Atlantiks versagte.
9/10
#1500
Geschrieben 24. November 2008, 14:21
Demetrius And The Gladiators (Die Gladiatoren) ~ USA 1954
Directed By: Delmer Daves
Nach der Hinrichtung Marcellus' (Richard Burton) durch den größenwahnsinnigen Caligula (Jay Robinson) versteckt sein früherer Sklave Demetrius (Victor Mature) das Gewand Jesu bei einfachen christlichen Arbeitern. Weil Demetrius dann die junge Töpferstochter Lucia (Debra Paget) während einer Hausdurchsuchung der Prätorianer verteidigt, wird er verurteilt und landet in Claudius' (Barry Jones) Gladiatorenschule. Er verweigert jedoch die offene Auseinandersetzung und erst ein schwerer Schicksalsschlag kann Demetrius dazu bringen, gegen seine christlichen Prinzipien zu verstoßen.
Sequels waren in den fünfziger Jahren noch eine verhältnismäßig ungewöhnliche Angelegenheit, dennoch entschied die Fox, ihr letztjährig in den Medien gewaltig skandiertes CinemaScope-Epos "The Robe" fortzusetzen. Angesichts Richard Burtons und Jean Simmons' würdevoller Verabschiedung Richtung Schafott im Finale des Vorgängers war der perfekte Held und Titelgeber für diesen Nachfolger bereits gefunden - in der Person von Victor Matures Korinther, Ex-Sklaven und Christen aufs Geratewohl, Demetrius. Dass es mit dessen Glaubensfestigkeit trotz dicker Kumpanei zum Menschenfischer Petrus (Michael Rennie) noch nicht allzu weit her ist, beweist seine ziemlich blindlings geführte Vendetta ebenso wie seine recht rasch gefasste Zuneigung zu dem verkommenen imperialen Miststück Messalina (Susan Hayward). Dass man für die Personenkonstellation (Nero-Petronius = Caligula-Claudius) nebst einigen Grundmustern des Plots auffallend zu LeRoys "Quo Vadis" hinübergeschielt hat, sei nur am Rande erwähnt.
"Demetrius" fällt de facto jedenfalls etwas besser aus denn sein Vorgänger, weil er geständiger ist zu seinem filmischen Naturell als Monumentaltrash. Heiße Ränke, harte Kämpfe (u.a. setzt Mature in der Arena allein und mit einem mickrigen Dolch als Bewaffnung ein ganzes Tigerrudel schachmatt), bebende Dekolletés, berstender Caesarenwahn - von alldem gibt es hier reichlich. Über die übliche, bibelkinotypisch aufgedrängte "Wahrheit" der Christensekte sehen wir da mal großzügig hinweg.
7/10
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