In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1621
Geschrieben 21. Februar 2009, 12:08
E.T.: The Extraterrestrial (E.T. - Der Außerirdische) ~ USA 1982
Directed By: Steven Spielberg
Ein kleines Alien wird gezwungenermaßen von seiner Expedition in der Nähe eines nordkalifornischen Kleinstädtchens zurückgelassen. Elliott (Henry Thomas), ein Junge aus der Gegend, nimmt sich seiner an und steht bald in mentaler Verbindung zu dem Wesen, das er E.T. nennt. Als skrupellose Regierungswissenschaftler herausfinden, wo E.T. sich aufhält, wird die Situation brenzlig. Zusammen mit seinen Freunden hilft Elliott dem Außeririschen, nach Hause zurückkehren zu können.
Hatte Spielberg mit "Jaws" dem von ihm mitbegründeten New Hollywood bereits seinen persönlichen Totenschein ausgestellt, so setzte er diesem spätestens mit "E.T." einen imposanten Grabstein auf die endgültig zugeschaufelte Gruft. Wenn auch bei weitem nicht sein bester, so ist "E.T." doch sicherlich Spielbergs quintessenziellster Film; sämtliche Topoi, die den Regisseur bis heute bewegen und die er fortan immer wieder aufgreifen wird, sind hier vereint. So brillant, ideenreich und versiert der Film inszeniert ist, so hoch türmt er hollywood'sche Unarten auf: Bare Emotion wird ökonomischem Kalkül geopfert, rückhaltloser Kitsch zum obersten Aktionsprinzip deklariert, das komplette Familienpublikum, angefangen mit den Allerkleinsten (als ich selbst "E.T." mit 6 Jahren im Kino gesehen habe, habe ich Rotz und Wasser geheult, das erinnere ich noch derart transparent, als wäre es erst gestern gewesen), auf durchsichtige Konsumenten reduziert. Dazu läuft die überhöhteste Hymne, die John Williams bis dato verbrochen hat - man glaubt, gar himmlische Fanfaren blasen zu hören, als Elliott mit seinem E.T. im Körbchen des BMX-Rades vor dem größten Vollmond vorbeifliegt, der je im Film zu sehen war. Spielberg empfiehlt sich mit "E.T.", der viele Jahre die Liste der weltweit erfolgreichsten Filme anführte, ergo als einer der größten und geschicktesten Kulurmanipulatoren - möge es bitte bloß Sache der Zuschauer bleiben, ob diese sich bereitwillig darauf einlassen. Für mich, ich habe fast das unbestimmte Gefühl, als müsse ich mich dafür rechtfertigen, ist "E.T." aller berechtigen Kritik zum Trotze ein großes Stück Kindheit und eine der wichtigsten Stationen auf meiner ewigwährenden Forschungsreise zum Herzen des Kinos hin.
8/10
#1622
Geschrieben 22. Februar 2009, 09:36
Moulin Rouge ~ UK 1952
Directed By: John Huston
Paris, 1890. Der aus adligem Hause stammende Maler Henri de Toulouse-Lautrec (José Ferrer) verbringt seine Abende im 'Moulin Rouge'. Bei Cognac und Wein skizziert er Momentaufnahmen des bunten Treibens und kann dennoch nicht aus seiner zutiefst misanthropischen Haut: Ein Unfall im Kindesalter hat dafür gesorgt, dass Lautrecs Beine kurz geblieben sind. Als Krüppel verlacht, als Sonderling geschätzt, als Genie verehrt - die Ansichten seiner Zeitgenossen über ihn sind vielfältig. Zweimalige unerfüllte Liebe schließlich treibt ihn in den pathologischen Suff.
Bei "Moulin Rouge", obschon von Huston später eher geringgeschätzt, wegen seiner - nach eigener Aussage des Regisseurs - beschränkten Möglichkeiten aufgrund zensorischer Einschränkungen, handelt es sich um seinen, rein physisch betrachtet, schönsten Farbfilm. Erneut macht er Technicolor zum zusätzlichen Akteur und zeichnet das Paris der Jahrhundertwende wie ein Babylon der Frivolität, in dem das absinthgeschwängerte Leben so reich an Impressionen ist, dass es für einen sensitiven Künstler schlicht keine andere Möglichkeit gibt als es zu verewigen. Inmitten des bunten Treibens rund um Montmartre entdeckt man Christopher Lee und Peter Cushing, kurz vor ihren Hammer-Erfolgen. Lautrec selbst hat das waidwunde Wesen eines Masochisten. Sobald er in den niederen Kreisen der Dirnen und Halbweltler verkehrt, muss er sich hämische Bemerkungen über sein Äußeres gefallen lassen, die er in einer Mischung aus Selbsthass und Bestätigung internalisiert. Immer wieder schneidet Huston zu kleinen Werkschauen von Lautrecs Kunst, vergisst darüberhinaus jedoch nicht dessen labile Persönlichkeit: "Mein Freund Van Gogh kann ein Weizenfeld erstrahlen lassen, wie man noch nie eines gesehen hat. Ich aber bin ein Maler der Großstadt." konstatiert er. Und: "Der Cognac ist mein treuester Gefährte."
9/10
#1623
Geschrieben 22. Februar 2009, 09:53
Beat The Devil (Schach dem Teufel) ~ UK/I/USA 1953
Directed By: John Huston
Im Süditalien der Nachkriegszeit treffen ein paar seltsame Gestalten aufeinander: Der Amerikaner Billy (Humphrey Bogart) mit seiner italienischen Frau Maria (Gina Lollobrigida), der britische Edelmann Chelm (Edward Underwood) samt dessen Gattin Gwendolen (Jennifer Jones) und ein durchgeschossenes Gaunerquartett (Robert Morley, Peter Lorre, Ivor Barnard, Marco Tulli). Als Letzteres von angeblichen Aktiva Chelms in Afrika erfährt, bei denen es sich offensichtlich um die geplante Ausbeutung einer Uranmine handelt, wird eine gemeinsame Überfahrt geplant, die im Chaos endet.
Das von Truman Capote mitgestaltete Script zu "Beat The Devil" ist voll von humorigem Dialog, Typenzeichnungen und Momentwitz. Die eigentliche Story um das Uranfeld erweist sich als einziger großer MacGuffin, dem man überhaupt nicht trauen darf, weil er doch bloß vollkommen irreleitet. Priorität haben da kleine Episoden wie der wie selbstverständlich eingegangene Partnertausch der beiden Ehepaare, Morleys und Lorres markante Gesichter und Barnards heillose Diktatorenverehrung. Dass es, ähnlich wie bei "The Maltese Falcon", an den sich "Beat The Devil" ohnehin in vielerlei Weise anlehnt, weit und breit keine Sympathieträger gibt, erschwert den ersten Zugang zwar möglicherweise, ist jedoch kein Grund, sich mit der ungewöhnlichen Komödie nicht zaghaft anzufreuden. Dennoch: Struktur, Ordnung, formale Strenge stehen Huston wesentlich besser.
Von der deutschen Public-Domain-DVD sollte man übrigens die Pfoten lassen - ein reines Brechmittel.
6/10
#1624
Geschrieben 22. Februar 2009, 10:08
Step Brothers (Stiefbrüder) ~ USA 2008
Directed By: Adam McKay
Brennan Huff (Will Ferrell) und Dale Doback (John C. Reilly) leben jeweils noch bei Mama Nancy (Mary Steenburgen) bzw. Papa Robert (Richard Jenkins) - und das mit je (knappen) 40 Jahren. Als sich ihre Erziehungsberechtigten kennen und lieben lernen, wähnen sie ihrem professionell infantilisierten Lotterleben einen Riegel vorgeschoben: Zunächst streitet man sich bis aufs Blut, dann kommt die Erkenntnis der Seelenverwandt- und folglich auch die dicke Freundschaft. Für Nancy und Robert bedeutet diese verhängnisvolle Allianz Terror und Ruin.
Wenig Neues aus dem Hause Ferrell - und wie schön ist das. Der Fundus des Mannes an bekloppten Witzen scheint unerschöpflich, allein die Prämisse, wie Männer mit 40, die sich irgendwann entschlossen haben, nie erwachsen zu werden, aus den kulturellen Gegenwartsvollen schöpfen können, muss man schlichtweg als Comedy-Clou bezeichnen. Natürlich sind Dale und Brennan auch nur Opfer der Inkonsequenzen ihrer Eltern, aber soweit braucht die Analyse gar nicht zu gehen. Viel lieber kann man sich mit den gebotenen Gagfontänen eindecken, denn garantiert jede einzelne Szene hält mindestens einen Lacher bereit, und seien es so primitive wie Ferrells (künstlicher) Sack auf einem Trommelfell oder die beiden bei ihrem notimprovisierten Rap "Boats'N Hos".
If you'd like to see me lying beneath the table...
9/10
#1625
Geschrieben 23. Februar 2009, 10:21
Menace II Society ~ USA 1993
Directed By: Albert Hughes / Allen Hughes
Der junge Afroiamerikaner Caine (Tyrin Turner) lebt im Los Angeleser Stadtteil Watts ein Leben zwischen Kriminalität und Perspektivenlosigkeit. Nur das (V)Erleben des jeweils gegenwärtigen Tages zählt, die Gangs erschießen sich gegenseitig, Alkohol und Drogen bestimmen die Welt und ein entwendetes Überwachungsvideo mit einem Mord, den Caines Kumpel O-Dog (Larenz Tate) zu verantworten hat, avanciert zum Partyrenner.
Diese soziologische Bestandsanalyse der seinerzeit erst 25 Jahre alten Zwillinge Hughes bearbeitete Amerikas gutes Gewissen mit dem Vorschlaghammer. Im Gegensatz zu "Boyz N The Hood", dem anderen wichtigen Ghettofilm der frühen Neunziger, benötigte "Menace" ferner keine verbalisierten Erklärungsmodelle (dort durch den strahlenden Patriarchen Laurence Fishburne) vorgetragen. Die Ursachensuche ergibt sich durch die Bilder, die mit den Rassenunruhen aus den sechziger Jahren beginnen, die Repressalien durch die ebenso hilflose wie zynische Polizei zeigt, Bierflaschen im Literformat und den Werteverlust menschlicher Existenz in den entleerten Augen der schwarzen L.A.-Jugend, innerhalb deren unübersichtlicher Struktur jeder sich selbst der Nächste ist. Caines buchstäblich biblischer Name als übertragener Brudermörder kommt dabei nicht von ungefähr. Als "Held" der Geschichte ist er, eine weitere Hauptdifferenz zu Singleton und dessen Tre Styles, keineswegs ein zur Selbstbestimmung fähiger Autodidakt, sondern ebenso asozial wie seine Freunde. Allein, er weiß es nicht besser. Auch er begeht ungerührt Morde, entzieht sich Verantwortlichkeiten und enttäuscht seine Familie. Die moralische Entrüstung der Erzähler bleibt nicht aus, die Quittung dafür gibt's am Ende.
8/10
#1626
Geschrieben 23. Februar 2009, 17:02
Moby Dick ~ UK 1956
Directed By: John Huston
Der Abenteurer Ishmael (Richard Basehart) berichtet von der gleichnishaften Jagd des fanatischen Kapitän Ahab (Gregory Peck) auf dessen persönliche Nemesis, den weißen pottwal Moby Dick. Wie es Ishmael vor seinem Auslaufen mit Ahabs Schiff, der 'Pequod', von einem wirr scheinenden Pilger (Royal Dano) prophezeit wird, verliert jedes einzelne Besatzungsmitglied mit einer Ausnahme das Leben.
In majestätischen Sepiatönen, die durch das Übereinanderlegen eines Farb- und eines Schwarzweiß-Negativs zustande kommen, verfilmte Huston Melvilles klassischen Roman, um sie zu einer der schönsten Literaturverfilmungen überhaupt zu machen. Mit Ausnahme weniger Details, die sich im Speziellen auf die Ausführungen der Walfangpraxis beziehen, hält sich das Buch von Ray Bradbury (der später vielfarbig auf Huston bzw. dessen Insistieren, eine Nennung als Co-Autor zu bekommen, schimpfte) eng an die inhaltlichen Wendungen der Vorlage. Hustons unbestechliches Auge für Kleinstdetails, Zeit- und Lokalkolorit, das im vorliegenden Falle unter anderem drei 30-Meter-Walmodelle sowie Drehs auf stürmischer Hochsee forderte, lässt einen Meersalz, Rum und gekochten Tran förmlich riechen. Daher gilt, was für all die großen Huston-Filme gilt, insbesondere für "Moby Dick" - einmal auf die Netzhaut gebannt, wird man seine Bilder zeitlebens nie vergessen. Für Peck, der bei der Entstehung um ein Haar sein Leben hätte lassen müssen (während der Aufnahmen zu den Schlussszenen, in denen Ahab an den Wal gefesselt ist), entwickelte sich sein Engagement trotz anfänglicher Skepsis seitens der Kritik und seiner selbst, zu einer der segensreichsten Wendungen seiner Karriere, da das populäre Bild des Kapitäns Ahab von da an eng mit seiner Darstellung verknüpft sein und die Rolle zu einer seiner wichtigsten avancieren sollte.
9/10
#1627
Geschrieben 24. Februar 2009, 07:24
The Unforgiven (Denen man nicht vergibt) ~ USA 1960
Directed By: John Huston
Texas, um 1860. Die im Grenzgebiet der Kiowa lebende Zachary-Familie sieht sich plötzlich unangenehmen Gerüchten ausgesetzt: Ein alter Kauz namens Abe Kelsey (Joseph Wiseman), der sich selbst als Gottes Sprachrohr bezeichnet, zieht durch die Gegend und erzählt jedermann, Rachel (Audrey Hepburn), die einst als Findelkind zu den Zacharys gekommen ist, sei in Wahrheit indianischer Abstammung. Die zutiefst rassistischen Rancher setzen Ben (Burt Lancaster), den Kopf der Familie, bald ebenso unter Druck wie die herannahenden Kiowa, die ihre Schwester zurückfordern.
Bereits der erste der beiden Western (vor "The Life And Times Of Judge Roy Bean"), die Huston gemacht hat, lässt den symbolisch gesteckten Genre-Claim hinter sich und erzählt die bildgewaltige Geschichte einer frontier family, die sich inmitten lebensfeindlicher Umweltbedingungen zu behaupten hat (der Vater musste bereits im Kampf gegen die Kiowa sein Leben lassen) und dann feststellen muss, dass der Feind von außen im Gegensatz zu dem wesentlich perfideren inneren zumindest kategorisierbar ist. Während die Indianer wie stets lediglich ihr Eigentum zurückfordern, erklärt der wegen des Todes seines Sohnes (Albert Salmi) verbitterte Nachbar Rawlins (Charles Bickford), nachdem er die Gewissheit über Rachels Herkunft hat, den Zacharys auch den internen Krieg und zwingt sie ohne mit der Wimper zu zucken zur Herausgabe jenes Mädchens, das alle in der Gegend fast seit seiner Geburt kennen und gernhaben. Der Rest der Rancher schließt sich Rawlins an, so dass die Zacharys vollends auf sich allein gestellt sind.
Huston interessieren weniger die äußeren Gestaltungsmerkmale des Western denn die unsägliche Bigotterie der Landerschließer, die rasch ihre Bibelfestigkeit vergessen, sobald die Farbe eines Menschen nicht der eigenen gleicht, und sei es die Farbe der Seele. Dass "The Unforgiven" unter anderem als "indianderfeindlichster aller Filme" (Ralph & Natasha Friar, "The Only Good Indian") bezeichnet wurde, lässt sich insofern nachvollziehen, als dass Huston der indianischen Perspektive nur sehr wenig Platz einräumt und die Kiowa letztlich zu reinen Spannungszwecken und als cannon fodder in den Belagerungsszenen missbraucht, ist ansonsten aber Blödsinn. Im Gegenzug wartet Huston außerdem mit einer Mozart am Flügel spielenden Lillian Gish auf, die mit ihrer Aktion in der nächtlichen Prärie den Kiowa Angst einzujagen versucht. Das ist dann jene Art ideologie-ästhetischer Reparation wie man sie sich gern gefallen lässt. Abschließend konnte ich zu meiner persönlichen Beruhigung noch feststellen, dass Huston bei aller übrigen Meisterschaft Fords Landschaftsmalerei nicht das Wasser reichen kann.
8/10
#1628
Geschrieben 25. Februar 2009, 14:47
The Misfits ~ USA 1961
Directed By: John Huston
Am Tag ihrer Scheidung in Reno lernt Roslyn (Marilan Monroe) zwei Freunde, den Mechaniker und Piloten Guido (Eli Wallach) den Cowboy Gay Langland (Clark Gable) kennen, einen rauen, aber herzlichen Macho alten Schlags. Später gesellt sich noch der jüngere Rodeo-Reiter Perce (Montgomery Clift) zu dem Trio. In den Tag hineinlebend und dem Alkohol zusprechend bleibt das Beziehungsgeflecht zunächst spaßorientiert und eher oberflächlich, bis die pantheistisch veranlagte Roslyn erkennt, dass die westmännische Mentalität ihrer Gefährten (die ihr bei einer Mustangjagd endgültig offenbar wird) sich mit ihrer Sicht der Dinge nicht vereinbaren lässt.
Arthur Miller, der damals mit der Monroe verheiratet war, schrieb seiner Frau den Roslyn-Part auf den Leib. Diese wiederum hasste ihre Rolle und sah darin wenig mehr als einen neuerlichen Versuch, sie in die ihr widerliche Form des blonden, üppigen Dummchens zu pressen, was dann auch kurzfristig zur Trennung des Paares führte. Für Huston entpuppte sich das - natürlich - brillante Script als wahres Geschenk, um das er bloß mehr herumzuinszenieren brauchte und somit seine komplette Energie in die filmische Gestaltung investieren konnte. Diese denkbar glückliche Konstellation brachte dann auch eines jener Werke hervor, denen der Regisseur seinen Status als premier filmmaker zu verdanken hat. In der Tat entpuppt sich das Resultat als nahezu fehlerfrei, verhandelt es doch nicht zuletzt zahlreiche von Hustons präferierten Motiven. Um den Katalysator Alkohol geht es, um anachronistische Helden und Realitäten, die zu instabil sind, um sich noch wohl in ihnen fühlen zu können und um die Jagd bzw. deren Sinnhaftigkeit in der Moderne. Als Gay sich am Ende doch noch von Roslyn "brechen" lässt (diesen Akt stellt er symbolisch nach in der Besiegung eines Wildhengstes), bleibt die ambivalente Frage danach, ob seine Domestizierung Erleichterung oder Wehmut hervorrufen soll, ihre Antwort über das abrupte Filmende hinaus schuldig.
Niemand anderer als John, der Furchtlose hätte seinem Publikum eine derart fordernde Entscheidungsfindung zugemutet.
9/10
#1629
Geschrieben 25. Februar 2009, 15:06
The List Of Adrian Messenger (Die Totenliste) ~ USA 1963
Directed By: John Huston
Der Autor Adrian Messenger (John Merivale) bittet seinen alten Bekannten Gethryn (George C. Scott), einen Ex-Yard-Polizisten, um Hilfe: Gethryn soll eine Liste mit elf Namen überprüfen, von denen inerhalb der letzten Jahre bereits einige auf teilweise obskure Weise das Zeitliche gesegnet haben. Kaum dass Messenger einen Flug in die Staaten nimmt, stürzt seine Maschine über dem Atlantik ab. Zusammen mit seinem alliierten Kriegskameraden Le Borg (Jacques Roux), der sich rein zufällig ebenfalls an Bord der Unglücksmaschine befand und mit Messenger kurz vor dessen Tod noch sprechen konnte, kommt Gethryn bald zu den ungeheuren Hintergründen der Mordserie.
"The List Of Adrian Messenger" dürfte im Gesamtwerk Hustons eher als Fußnote, als lockeres, angesichts der Gewichtigkeit seiner meisten anderen Filme aber letztlich unbedeutendes Kabinettstückchen Erwähnung finden. Fünf Hollywoodstars (Tony Curtis, Kirk Douglas, Burt Lancaster, Robert Mitchum, Frank Sinatra) machten sich den Spaß, unter jeweils entstellender Maske geheimnisvolle Cameos zu spielen, die dann im Abspann aufgelöst werden. Diese Miniauftritte wurden von der Universal werbestrategisch bis zum letzten Tropfen ausgepresst (u.a. durch Tippflyer, in denen die Kinozuschauer ihre Vermutungen ankreuzen und damit Freikarten gewinnen konnten), so dass das Publikum nicht etwa wegen der Kriminalgeschichte ins Kino ging, sondern weil es wissen wollte, ob unter dem obskuren Leierkastenspieler nun Lancaster oder Sinatra steckte und wer denn eigentlich den mysteriösen Zigeuner kurz vorm Finale gibt. So weit, so gut. Als Kriminalfilm um einen rücksichtslosen Massenmörder mit ellenlanger Opferliste unterscheidet sich "The List" kaum von den zahlreichen britischen Kriminalfilmen der Ära, etwa denen der "Miss Marple" - Reihe mit Margaret Rutherford, oder dem ebenfalls vexierhaft gehaltenen "The Alphabet Murders" (der allerdings später kam). Das einzige, woran der mittlerweile längst zu seiner irischen Wurzelheimat zurückgekehrte Huston ein merkliches persönliches Interesse hatte, dürften die furios inszenierten Fuchsjagden gewesen sein.
7/10
#1630
Geschrieben 26. Februar 2009, 06:40
The Night Of The Iguana (Die Nacht des Leguan) ~ USA 1964
Directed By: John Huston
Nach einem öffentlichen Nervenzusammenbruch während der Predigt und seiner vorübergehenden Exkommunizierung arbeitet Larry Shannon (Richard Burton) als Fremdenführer in Mexiko. Gegenwärtig lotst er eine Gruppe von Baptistinnen durchs Land, wovon ihm die minderjährige Charlotte (Sue Lyon) schöne Augen macht. Deren Anstandsdame Judith Fellowes (Grayson Hall) hat es auf Shannons Integrität abgesehen und plant, ihn öffentlichkeitswirksam der Unzucht zu überführen. Um seinem Rauswurf zu entgehen, entführt Shannon den Reisebus und bringt die Gruppe zum Urwaldhotel seiner alten Freundin Maxine (Ava Gardner). Bald erscheinen dort noch die Künstlerin Hannah (Deborah Kerr) und ihr dichtender Großvater (Cyril Delevanti).
Den Spießrutenlauf des Harry Shannon verdanken wir Tennessee Williams, der wie so häufig einen in die Enge getriebenen Charakter zwischen Weltfrustration, Irrsinn und Suff sich mühevoll freistrampeln lässt - mit femininer Unterstützung selbstredend, hier durch die zwei starken Frauen Gardner (vielleicht in ihrer schönsten, weil ausnahmsweise völlig ungestelzten Rolle) und Kerr (weitaus weniger fragil als es zunächst den Anschein macht). Wie man seinen "irdischen Auftrag" mit Würde erfüllt, bekommt Shannon sogleich auch demonstriert, ebenso wie die widerwärtige Bigotterie und Verlogenheit des Kirchgängertums. Und ähnlich wie Paul Newman in "Cat On A Hot Tin Roof" seine Krücken wegwirft, um sich auf seinen Big Daddy Burl Ives zu stützen, verschenkt Burton am Ende sein goldenes, mit einem Amethysten besetztes Kreuz, um es von Hannah verpfänden zu lassen. Zwänge, so Williams' Credo, seien sie psychischer, weltlicher oder überirdischer Natur, sind Krücken gleich und führen zwangsläufig in die Bedrängnis - also kurzerhand fort mit ihnen!
10/10
#1631
Geschrieben 27. Februar 2009, 15:21
Cat People (Katzenmenschen) ~ USA 1942
Directed By: Jacques Tourneur
Der junge New Yorker Oliver Reed (Kent Smith) verliebt sich in die Modedesignerin Irena (Simone Simon) und heiratet sie vom Fleck weg. Irena stellt sich jedoch als von tiefen sexuellen Ängsten geplagte Neurotikerin heraus, die glaubt, von einem uralten Fluch besessen zu sein, der sie bei Erregungszuständen sich in einen Panther verwandeln lässt. Oliver schickt seine Frau zum Psychiater Tom Conway), alsbald jedoch mehren sich die Hinweise, dass Irenas Ängste gar nicht so phantastischen Ursprungs sind...
Eine der bekanntesten und schönsten Lewton-Produktionen für die RKO, von Tourneur in so kraftvollen wie suggestiven Bildern inszeniert. Revolutionär macht der kleine Film weibliche Sexualität und Frigidät zum Thema, Penetrationsängste, die Panik vor dem eigenen Kontrollverlust durch allzu große Hingabe. Tatsächlich scheint es bislang nicht eindeutig geklärt, ob Irena tatsächlich ein der Mythologie zuzurechnender Mensch-/Tier-Hybrid ist oder doch "bloß" das Opfer einer psychosomatischen Störung, wie ihr etwas unprofessioneller Analytiker zweifelsfrei zu wissen glaubt - und dafür mit seinem arroganten Leben zahlt. Die filmischen Hinweise jedenfalls sind rar, erschöpfen sich in Schattenriss und Geknurre und erweisen sich als nicht eindeutig in jedweder Richtung entschlüsselbar. Wie für die meisten der anderen Lewton-Horrorfilme ist hier eher das sanfte Grauen die Triebfeder des Geschehens und schleicht sich samtpfotengleich von hinten an; ob nun als schwarze Pantherkatze oder als Simone Simon kann dabei jeder für sich selbst entscheiden.
9/10
#1632
Geschrieben 28. Februar 2009, 13:31
Demon Knight (Ritter der Dämonen) ~ USA 1995
Directed By: Ernest Dickerson
Zwei Männer auf nächtlicher, einsamer Landstraße: Der eine (William Sadler) besitzt einen antiken Schlüssel, den der andere (Billy Zane) in seine Finger bekommen will. Als der Schlüsselinhaber sich in einer zum Hotel umfunktionierten Kirche verschanzt, kommt es für ihn und die übrigen Belagerten (u.a. Jada Pinkett, CCH Pounder, Dick Miller, Thomas Haden Church, Gary Farmer) zu einer wahrhaft dämonischen Nacht.
Aus dem ersten Versuch (ungeachtet der 72er Amicus-Version), den "Tales From The Crypt" - Comics neues Leben in Kinoform einzuhauchen, wurde rückblickend einer der schönsten Horrorstreifen der Neunziger, recht abgeschmackt zwar, und aus vielen altbekannten Versatzstücken des Genres (bei "Night Of The Living Dead", "The Sentinel" und "The Evil Dead" bedient man sich vorzugsweise) zusammengefügt, dabei aber hübsch selbstironisch, popkörnig, wahrhaftig. Billy Zane präsentiert eine Galavorstellung als Höllenfaktotum, das jeweils die labilen Geisteszustände der eingeschlossenen Opfer für seine gierigen Zwecke auszunutzen versucht (absolut großartig etwa die Szene, in der Zane als Barkeeper des Bösen in einer Waikiki-Kaschemme dem darbenden Dick Miller einen Bourbon kredenzt). In diesen Momenten relativiert sich der ansonsten recht derbe Hardcore-Horror des Films, um den es seinerzeit eine Menge Hickhack wegen diverser Beschlagnahmungsgerüchte gab und präsentiert "Demon Knight" als eigentliche adventure comedy mit ein paar Splatterstrecken. Natürlich spricht dafür auch bereits der bonbonhafte Rahmen, mit dem Crypt Keeper als beseelt-animatronischer Figur. Extra-Erwähnung gebührt dem spitzenmäßigen Ensemble, dem die Ausgelassenheit während des Drehs dauerhaft anzumerken ist.
Guter, schmutziger Spaß.
7/10
#1633
Geschrieben 01. März 2009, 14:41
Hellboy ~ USA 2004
Directed By: Guillermo del Toro
Mithilfe des nicht totzukriegenden Grigori Rasputin (Karel Roden) öffnen die Nazis anno 44 in Schottland das Tor zu einer höchst unirdischen Dimension. Von dort kommt ein kleines rotes Monsterbaby mit satanischen Zügen auf die Erde, dessen sich der Okkultismusforscher Broom (Kevin Trainor bzw. John Hurt) als Pflegevater annimmt. Fortab geistern Geschichten über jenen mysteriösen 'Hellboy' (Ron Perlman) durch die Medien, der wie andere Metawesen einer US-Geheimdienst-Abteilung, dem BPRD (Bureau for Paranormal Research and Defense) angehört. Wegen seines kruden Äußeren (seine Hörner feilt er sich täglich ab) verlässt Hellboy lediglich im Einsatzfall seine unterirdische Behausung. Davon gibt es bald reichlich: Rasputin, der seinerzeit selbst durch das Dimensionstor auf dessen andere Seite gezogen wurde, kehrt zurück um seine damaligen Pläne zum Ende zu bringen. Darin besitzt Hellboy, ohne es zu ahnen, eine Schlüsselfunktion.
Die zweite Comicadaption (nach "Blade II"), derer sich del Toro annahm, liegt ganz auf der Linie des auteurs mit ordentlich Tamtam, überbordendem Produktionsdesign, knalligen Farben, viel Bewegung, Aktion und zarter Romantik (die love story zwischen Hellboy und seiner Sandkastenliebe Liz (Selma Blair) muss man schlicht schön finden). Mike Mignolas Comic-Universum wirkt dagegen trotz des ebenfalls reichlich vorhandenen schwarzen Humors beinahe karg und im Sinne einer anderen Direktion ausformuliert. Ob der Film seiner Vorlage eine adäquate Umsetzung angedeihen lässt, ist daher ein streitbarer Punkt. Fest steht allerdings, dass del Toros Art der Bildkommunikation einen höchst eigenwilligen Charakter besitzt, der mir persönlich in jedem seiner Filme sehr zuspricht. "Hellboy" (das Sequel folgt unlängst auf diesen Seiten) ist damit des Regisseurs vordergründig lautester Film, keinesfalls jedoch dem polternden, unsensiblen Mainstream-Pöbel zuzurechnen. Völlig daneben ist indes das deutsche Synchronscript, das man sich unbedingt ersparen sollte und das, das war mir seinerzeit bei der Erstbeschau glücklicherweise klar, "Hellboy" in zuweilen bedauernswert zotige Qualitätsregionen herabsinken lässt, in denen er eigentlich nichts zu suchen hat.
8/10
#1634
Geschrieben 02. März 2009, 15:03
Hellboy II: The Golden Army ~ USA/D 2008
Directed By: Guillermo del Toro
Diesmal treten Hellboy (Ron Perlman) und seine Freunde Abe (Doug Jones) und Liz (Selma Blair) gegen den Elfenprinzen Nuada (Luke Goss) an, der einen uralten Pakt zwischen Menschen- und Mythenwelt wegen unserer ökologischen Rücksichtslosigkeit brechen und die vor Äonen stillgelegte, unbesiegbare "Goldene Armee" reaktivieren und auf die Erde loslassen will.
Meine Eindrücke zum ersten Teil gelten im Wesentlichen auch für dessen Nachfolger. Mignola hat diesmal selbst an der Story mitgewerkelt und zusammen mit del Toro einen Mythologieeintopf zusammengerührt, der auch die Fantasywelten eines Neal Gaiman als Inspiration nutzt und unserer Oberflächenwelt eine mindestens ebenso alte, parallele Legendenrealität hinzusetzt, zu der überall auf Erden Tore existieren (darunter eines unter der Brooklyn Bridge zum berühmten Trollmarkt). Allein diese in die Superhelden-Horrorwelt Mignolas eingebettete Prämisse übt einen besonderen Reiz aus und kann sich unter del Toros Regie einer wiederum ansprechenden Visualisierung rühmen. Dessen storyboards und Kreaturenkreationen lassen auf eine seltsame Obsession schließen, da ein paar der für "Hellboy II" ins digitale Leben gerufenen Wesen (so etwa der Todesengel, mit dessen Hilfe Liz ihren "Red" zurück ins Leben holt) rein physiognomisch ebensogut in "Laberinto Del Fauno" gepasst hätte. Feine Glieder, kleine Augen, große Zähne. Del Toros imaginaciónes. Etwas witziger als sein Vorgänger ist das Sequel außerdem geraten und von Grundauf sympathisch und klug. Blockbusterkino zum Gernhaben. Mehr davon wäre nicht schlecht. Die deutsche Fassung habe ich mir diesmal gleich von vornherein erspart.
8/10
#1635
Geschrieben 02. März 2009, 15:26
La Bibbia (Die Bibel) ~ I/USA 1966
Directed By: John Huston
Einige der oberflächenreizvollsten Kapitel des Alten Testaments in Filmform: Die Genesis, die Vertreibung aus dem Paradies, der Bau der Arche, der Turmbau zu Babel, die Gründung des Volkes Israel, die Zerstörung von Sodom und Gommorrha, die Beinahe-Opferung Issaks (Alberto Lucantoni).
Für sein kostenintensivstes und kassenerfolgreichstes Projekt konnte Huston von seinem Produzenten und Auftraggeber Dino de Laurentiis quasi verlangen was er wollte - und bekam es auch. Zahlreiche von Huston bewunderte Gegenwartskünstler arbeiteten am Produktionsdesign mit, aus aller Herren Länder strömten die Beteiligten herbei und der Film verschlang die öffentlichkeitswirksam ausgeschlachtete Entstehungszeit von zwei Jahren. Huston selbst bezeichnete sich als "philosophischer Atheist". Das Resultat schließlich zeigt die ganze Unzulänglichkeit der Bibel, ist bei aller geschmäcklerischen Aufbereitung ein schlichtes Porträt des größten aller abendländischen Narrenfänge. Einige exquisite Akteure sind zu sehen, darunter George C. Scott als Stammvater Abraham, Peter O'Toole als jene drei Engel, die im Auftrage Gottes Sodom und Gomorrha zerstören, Stephen Boyd als Nimrod, John Huston selbst als Noah. Besonders witzig: Michael Parks macht den Adam und Richard Harris und Franco Nero seine Söhne Kain und Abel. Abseits von diesem semiimposanten chi è chi ist "La Bibbia" aber ein tödlicher Langeweiler. Der Film ächzt sich schwerfällig durch seine 160 Minuten und schließt jede Episode damit, zu demonstrieren, dass der "liebe Gott" alles andere als lieb ist. Herausforderungen seiner unendlichen Weisheit und Allgegenwart stellt er sich nicht salomonisch, sondern durch brutalen Allmachtsmissbrauch: Seine eigene, fehlerhafte Schöpfung überzieht er mit Tod und Verderben, schmeißt die Leute aus dem Garten Eden heraus, nur weil sie misstrauisch werden und es wagen, ihre Blöße zu bedecken, lässt mit 8 Ausnahmen die komplette Menschenheit ersaufen, macht die Völker kirre, indem er sie urplötzlich zwingt, verschieden Sprachen zu sprechen (und das nur weil einer einen Pfeil in den Himmel ballert), veranlasst den armen Abram dazu, meilenweit durch die zu Wüste latschen und lässt dessen Frau (Ava Gardner) mit 90 ihr langersehntes Kind gebären, das Abraham ihm dann auch noch zum Schein opfern soll - eine perfide kleine Repressalie zur Gehorsamsüberprüfung freilich; den Städte-Holocaust um Sodom und Gomorrha nicht zu vergessen. Finster grollt die Stimme des "Herrn" (im Original ebenfalls die von Huston) aus den wolkenverhangenen Himmelssphären und befiehlt manch gar nickliges Zeug. Ich weiß nicht, ob man einen Gott braucht, der einen Großteil seiner Freizeit damit verbringt, seine ihm Untertänigen zu plagen und für ihre durch ihn selbst eingegebene Einfalt zu bestrafen. Ich sage da frei und frank: 'Besten Dank'.
Wenn schon Bibelkino, dann mit Action, Kitsch und Schau und nicht als intellektuell verbrämter Theologie-Diskurs. Das können wir besser, Mr. Huston.
3/10
#1636
Geschrieben 04. März 2009, 06:31
A Walk With Love And Death (Eine Reise mit der Liebe und dem Tod) ~ USA 1969
Directed By: John Huston
Während des hundertjährigen Krieges pilgert der von der Pariser Universität verwiesene Scholar Heron de Foix (Assi Dayan) durch die französische Provinz, mit dem Atlantik als Ziel und dem Wunsch, das erstbeste Schiff zu nehmen, um aus dem vom Tode gezeichneten Land zu fliehen. Auf seiner Reise begegnet er der Ritterstochter Claudia (Anjelica Huston), in die er sich verliebt und die er, nachdem die Bauern das Schloss des Vaters (John Huston) genommen haben, auf dem fortan gemeinsamen Weg umsorgen darf. Bald gerät der pazifistisch eingestellte Heron auch in Konflikt mit den Rittern, so dass das Paar zwischen allen Stühlen sitzt. Am Ende bleibt nur noch das Warten auf einen gemeinsamen Tod.
Hustons so romantische wie gräuliche Porträtierung dieser unwirschen und finsteren Mittelalterepoche ist von ebensolcher Sanftheit geprägt wie von nihilistischer Ausweglosigkeit. Heron, der seinem Namen gemäße Held der Geschichte, ist als allseitig unverstandener Akademiker seiner Zeit, in der der Tod allgegenwärtig ist und ohne Aufhebens zuschlägt, um Jahrhunderte voraus und würde seinen Platz im großen Schicksalsgefüge besser an der Sorbonne des Jahres 1968 besetzt haben (ohnehin sind die Gegenwartsbezüge - wie so häufig, wenn Huston sich historischen Stoffen befasst - unübersehbar). Bereits zum dritten Male spielte Anjelica Huston, seinerzeit süße 17 (ich hatte zuvor Schwierigkeiten, mir die ewig "erwachsen" wirkende Schauspielerin überhaupt als Jugendliche vorstellen zu können), für ihren Vater und das in mitreißender Art und Weise. Das unbändige Talent ist hier fraglos Teil des Stammbaums.
8/10
#1637
Geschrieben 04. März 2009, 16:58
The Wild Angels (Die Wilden Engel) ~ USA 1966
Directed By: Roger Corman
Die Wild Angels sind eine Motorradgang in L.A., die ihre Protest- und Anarcho-Haltung als bereits obsoleten Traum einer im Versauern begriffenen Jugendkultur leben. Dass ihr Freiheitsbegriff eine reine Farce ist, wird anhand ihres ziellosen Gehabes deutlich, das jegliche soziale Verbindlickeiten als spießig und schimmlig-konventionell verdammt. Firmensymbole sind Wehrmachts- und Naziembleme, ohne selbst eigentlich um deren Bedeutung zu wissen; einzig dass sie Zeichen der Verlierer sind, das wissen Blues (Peter Fonda) und seine Mannen. Als wegen einer Kette völlig unsinniger Aktionen Blues' bester Freund Loser (Bruce Dern) das Zeitliche segnet, beschließt man, diesen in seinem nordkalifornischen Heimatkaff zur letzten Ruhe zu geleiten. Doch selbst die Beerdigung wird zu einem Fiasko.
Im Grunde genommen unwesentlich mehr als ein kleiner Exploiter im Teenager-Milieu darf man "The Wild Angels" mit der filmhistorisch interessierten Distanz der Jahre durchaus als wichtigen Baustein des Jugendprotestkinos betrachten, dessen Anfänge sich eine Dekade zuvor mit "The Wild One" und "Rebel Without A Cause" abzeichneten. Wie diese gestattet sich "The Wild Angels" jedoch nur einen konservativen, kopfschüttelnden Blick auf seine Observationsobjekte; der wirkliche Bruch mit der Bourgeoisie folgte erst drei Jahre später, als Fonda Jr. sich zusammen mit Dennis Hopper erneut auf die Harley schwang und damit nicht nur die Perspektive um 180 Grad wendete, sondern zudem bewies, dass eine liberale Gegenkultur im Amerika der auspendelnden Sechziger nicht nur zwingend, sondern sogar längst überfällig war. In "The Wild Angels" hat man jedoch noch die rotznasigen Delinquenten ohne klar gefasste Linie. Die Aufdringlichkeit der durch höhere Generationen repräsentierten Autoritäten (Vorarbeiter, Polizisten, Geistliche) ist zwar hilflos, der Südostasienkonflikt (per Radiosendung) allgegenwärtig. Dennoch, so nicht, meine Herren, so desorganisiert. Das wusste auch Corman, den ohnehin mehr die Kasse gereizt haben dürfte als ein umfassender kultureller Beitrag zur Erkenntnis der Zeitzeichen. Übrigens ist die deutsche Synchronisation, die versucht, den Rockern moderne Jugendsprache in den Mund zu legen, absolut putzig. Zu Beginn erläutert sogar Gert Günther Hoffmann Sinn und Zweck der Unmengen von bald auftauchenden Hakenkreuzen.
7/10
#1638
Geschrieben 05. März 2009, 11:30
Hangmen Also Die! (Auch Henker sterben) ~ USA 1943
Directed By: Fritz Lang
Prag, 1942: In der nunmehr Braunen Stadt herrscht gesteigerter Aufruhr, denn der Reichsprotektor Heydrich (Hans Heinrich von Twardowski), unter den Tschechen auch als "Henker von Prag" berüchtigt, ist einem Anschlag zum Opfer gefallen. Um den Täter, bei dem es sich um den Arzt und Widerstandskämpfer Svoboda (Brian Donlevy) handelt, ausfindig machen zu können, nehmen die Nazis vierhundert der wichtigsten Köpfe der Stadt als Geiseln und richten sie in Stundenabständen stande pede hin. Unter den Unseligen ist auch Professor Novotny (Walter Brennan), dessen Tochter Mascha (Anna Lee) Svoboda kurz nach dem Anschlag zu entkommen geholfen und ihm in der folgenden Nacht Schutz gewährt hat. Gestapo-Offizier Gruber (Alexander Granach) riecht indes längst Lunte und versucht, Mascha mit dem Leben ihres Vaters zu erpressen.
Mit "Hangmen Also Die!" gab Lang seinem schärfsten Propagandafilm Gestalt, einem selbst im Vergleich zu ähnlich gerierten Werken wie "The Seventh Cross" gesteigert aggressiven Aufruf zum Widerstand, der auch unter größten Opfern nie einbrechen dürfe. Erst die unbändige Geschlossenheit der Prager Stadtbevölkerung nämlich macht einen Fahndungserfolg der Gestapo in der Attentätersache unmöglich. Darin liegt zugleich die Kernaussage der Geschichte, die de facto als das Werk einer Gruppe Geflüchteter bezeichnet werden kann. Brecht hatte zusammen mit Lang an dem Script gearbeitet und zahlreiche der Darsteller, die den Nazis lustvoll ihre hässlichen, pickligen und dekadenten Erscheinungen verpassten (ironischerweise scheint Alexander Granach dabei geradewegs den klischierten sowjetischen Unterdrückertypus vorwegzunehmen), hatten aus unterschiedlichen Gründen ebenfalls dem Reich adé gesagt. Bei Reinhard Heydrich, einer Schlüsselfigur der nationalsozialistischen Führungsriege (u.a. Vorsitzender der Wannseekonferenz und Initiator des KZ Theresienstadt), handelte es sich um eine authentische Figur, die tatsächlich einem Anschlag tschechischer Widerständler zum Opfer gefallen war. Die realen Begebenheiten verliefen allerdings deutlich weniger glorios und filmreif als sie in "Hangmen" erscheinen. Dieses Faktum nimmt Langs Ehrgeiz jedoch keinen Deut an Wichtigkeit und Engagement.
8/10
#1639
Geschrieben 07. März 2009, 10:53
Mutiny On The Bounty (Meuterei auf der Bounty) ~ USA 1935
Directed By: Frank Lloyd
1787 bricht die englische 'Bounty' unter dem Kommando von Captain Bligh (Charles Laughton) in die Südsee auf, um von Tahiti Brotfruchtbaum-Setzlinge mitzunehmen, die dann in den indischen Kolonien kultiviert werden sollen. Bligh entpuppt sich zunehmend als herrischer Sadist, dem die Erfüllung seines Auftrags über alles geht und der als typischer Staatsknecht nach oben zu buckeln und nach unten zu treten pflegt. Blighs Erstem Offizier Fletcher Christian (Clark Gable) wird die Situation an Bord bald unerträglich. Nach einem Aufenthalt auf Tahiti, die Weiterreise Richtung Indien ist bereits im Gange, meutert Christian zusammen mit großen Teilen der Besatzung. Bligh wird mit seinen Sympathisanten auf offener See ausgesetzt, Christian kehrt fürs Erste nach Tahiti zurück.
Die erste relevante Verfilmung um die Ereignisse der Bounty-Meuterei (sieht man von der Stummfilmfassung von 1916 und der nur zwei Jahre jüngeren australischen, beide etwa um eine Stunde lang, ab) von Frank Lloyd bietet hochwertiges Abenteuerkino mit verhaltener psychologischer Note. Am interessantesten bei der Gegenüberstellung der drei "Hauptversionen" (hinzuzunehmen wären die Milestone-Fassung von 62 und die Donaldson-Fassung von 84) scheinen mir die Interpretationen der Antagonisten Bligh und Christian, deren Konflikt jeweils Kern und Motor der Filme darstellt. Laughtons Spiel gilt gemeinhin als das intensivste und tatsächlich vermag er, die rigorosesten Publikums-Reaktionen hervorzurufen. Allerdings geht eine gewisse charakterliche Nuancierung, wie sie etwa Trevor Howard später zu ergänzen wusste, diesem Captain Bligh hier ab. Ähnliches gilt für Christian, von Gable als vollkommen untadeliger Held aufgeführt, von Brando später als arrogant-egozentrischer Dandy. Eine entscheidende Innovation von Lloyds Fassung liegt in der Protagonisten-Ausweitung des eigentlichen Duos Bligh/Christian um den absolut linientreuen Kadetten Byam (Franchot Tone), der als Interessenmittler zwischen moralischer Gerechtigkeit und Kronloyalität steht und seine Vernunft beinahe mit seiner Hinrichtung zu bezahlen hat. Durch den überaus sympathisch gezeichneten Byam legt Lloyd einen geschickten Publikumskanal, der eine finale Kopfentscheidung gewissermaßen redundant macht. Auch dieser Einsatz belegt, dass Autorenmut in Form von Rezipientenforderung 1935 noch keinen rechten Kinoplatz zugewiesen bekam.
9/10
#1640
Geschrieben 07. März 2009, 11:17
Excalibur ~ UK/USA 1981
Directed By: John Boorman
Hauptepisoden der Artuslegende, unter stetiger Beteiligung Merlins, des Zauberers (Nicol Williamson): Zeugung, Geburt, Ausrufung zum König, Bezwingung von Lancelot, Gründung der Tafelrunde, Bau von Camelot, Betrug durch Lancelot und Guinevra, Gralssuche, Kampf gegen Mordred (Robert Addie), Übersetzung nach Avalon.
Dieses gewaltig klirrende Blut-und-Stahl-Spektakel mit seiner exaltierten Fotografie kommt einem archaischen Acidrausch gleich. Daran, adäquate oder gar authentische Rekonstruktionen zu liefern, liegt Boorman überhaupt nichts; vielmehr versucht er die kompromisslose Realitätsentwurzelung und wähnt das absolut selbstvergessene Eintauchen in seine mit Wagner und Orff unterlegte Phantasie als Eintrittskarte. Die Gestaltung von "Excalibur" ist beispiellos: Weichzeichner, matter Glanz, opernhafte Rüstungen und Kostüme, Metall, Schlangen - alles wirkt wie ein dampfender, grüner Sumpf. Religiöse Symbole vermischen sich mit magischen, Bilder von hippieesker Harmonie (Lancelot und Guinevra nackt umschlungen auf weichem Waldmoos) mit Bildern des Schreckens (eine Krähe rupft einem der toten Gralsritter ein Auge aus der Höhle). Insbesondere die Abarbeitung der Artussage scheint Boorman für sein Projekt ein Sprungbrett geschaffen zu haben. Eine relativ unverbindliche Narration wird dadurch ermöglicht, die die Formalia stützt, nicht umgekehrt. Das muss an dieser Stelle genügen; "Excalibur" will erfahren, nicht zerredet werden. Ein letzter Vergleich noch, ein an sich blöder, aber ihn loszuwerden reizt mich: Wenn das Fantasy-Genre jemals seinen "2001" bekommen hat, dann in Form von Boormans "Excalibur".
9/10
#1641
Geschrieben 08. März 2009, 10:55
Fat City ~ USA 1972
Directed By: John Huston
Billy Tully (Stacy Keach) ist ein heruntergekommener Boxer im mittelkalifornischen Stockton. Ziellos lebt er in den Tag, säuft, drückt sich in Kneipen herum. Einer seiner seltenen Wege in die Boxhalle führt ihn zu dem jungen Ernie (Jeff Bridges), der dort nur spaßeshalber trainiert. Tully schickt ihn zu seinem früheren Coach Ruben (Nicholas Colasanto) und nimmt dies gleich zum Anlass, es auch selbst mal wieder mit dem Ring zu versuchen.
Das Leben - eine Achterbahn. 1971 war Huston zum Opfer New Hollywoods geworden, zum Dinosaurier degradiert, orientierungslos, alt, am Wendepunkt. Freilich waren diese Eindrücke vornehmlich seine eigenen, denn zu der großen Kinoreform kamen persönliche Probleme in Form von Depression, Frustration. Was also tun, als sich konformistisch zu geben, besonders angesichts der doch eigentlich wegweisenden Entwicklungen? Mit "Fat City" schuf Huston seinen ersten und einzigen New-Hollywood-Film, ein im Kontrast zu seinem titel schmales Kammerspiel, der unbarmherzigen Realität verpflichtet, ohne große dramatische Aufs und Abs. Eine existenzialistische Verliererstudie, ein Ausflug in die Barszene und miefige Boxclubs, in denen nicht die Sportler, sondern die Wetteinsätze das Zentrum bilden, motorisiert durch manchmal bald bukowskische Poesie. An der Oberfläche passiert nicht viel in "Fat City", den neuen, ungeschriebenen Regeln über Alltag und Distance gemäß gibt es keine äußeren Konflikte, keine Toten, nur ein paar Umhertaumelnde; Allerweltsfiguren, wie sie jeden Morgen millionenfach in der abendländischen Welt erwachen. Deprimierend ist das allerhöchstens für manche Betrachteraugen, schließlich geht es ja nicht um Resignation, sondern ums Weitermachen.
8/10
#1642
Geschrieben 08. März 2009, 11:06
The MacKintosh Man ~ UK/USA 1973
Directed By: John Huston
Der national ungebundene Profispion Rearden (Paul Newman) erhält von dem Briten MacKintosh (Harry Andrews) einen weitschweifigen Auftrag, der nur scheinbar etwas mit Juwelendiebstahl zu tun hat und dessen Erfüllung Rearden Monate kosten und ihn von England über Irland nach Malta führen wird.
Launiger Spionagefilm mit einem Newman, der beinahe als Bond-Epigone durchgeht. Der Mann behält - auch wenn es bisweilen nicht so scheint - in jeder Situation den Überblick und die Nase vorn, wird mit allem und jedem fertig und teilt mit dem etwas betagteren Kollegen eigentlich nur dessen verbale britische Höflichkeit nicht. "Ich würd gern bumsen" sagt er, wenn ihm der Sinn danach steht. Für Huston brachte das Projekt einen großen Heimvorteil, konnte er doch gleich vor Ort in seiner Heimat Irland drehen und der Insel so zumindest einmal großes Kinoflair zukommen lassen. Eine spekatakuläre Verfolgungsjagd zwischen Hochgräben und Feldmauern gehört da natürlich zur abzuarbeitenden Checklist und großartig ist diese geworden. Ansonsten bewegt "The MacKintosh Man" sich auf weitgehend sicherem Terrain, hält seine Story allzeit packend, weil sie dem Betrachter jeweils nur das Nötigste an Informationen zukommen lässt und bleibt bestehen als ein wohlfeiler Beitrag zum Agenten-Genre.
7/10
#1643
Geschrieben 08. März 2009, 11:25
You Don't Mess With The Zohan (Leg dich nicht mit Zohan an) ~ USA 2008
Directed By: Dennis Dugan
Zohan Dvir (Adam Sandler) arbeitet als unschlagbarer Superagent für den Mossad und ist in seiner Heimat ein echter Popstar. Selbiges gilt für Zohans Erzfeind Phantom (John Turturro), bloß dass der eben auf palästinensischer Seite antritt. Zohan hegt jedoch insgeheim einen noch viel größeren Traum als die Vernichtung all seiner Feinde - er möchte gern Frisör werden. Kurzerhand lässt er sich von Phantom zum Schein umbringen, verschwindet unerkannt nach New York und landet nach diversen erfolglosen Bewerbungen im Salon der Araberin Dalia (Emmanuelle Chiriqui). Doch alte (und neue) Gegner sind nicht weit...
Nun, wer Sandler und seinen Blödsinn mag, der wird sich auch seinen aktuellen Streich, in dem weltverbesserungstypisch der Nahostkonflikt gelöst wird, nicht entgehen lassen. Dabei nimmt Sandler - so unsubtil wie nur möglich - alles aufs Korn, was Israelis und gleichermaßen den Arabern hoch und heilig ist und demonstriert damit, wie holzköpfig-stur und doch so ähnlich sich beide Völker sind: Lustige Dialekte (besonders das Jiddische hat es Sandler angetan), koschere bzw. schweinsfreie Speisen, harntreibende Limos, entweltlicht schöne Frauen, geizige Geschäftemacherei etc. - das komplette Programm. Nur die Religion wird - wie ich finde noblerweise - peinlichst ausgespart. Wie bei Sandler üblich ist nur jede zweite Gag richtig gelungen, der Rest ist so doof, dass man sich wahlweise zu lachen schämt oder stockbesoffen sein muss. Aber auch der ungeschützt zelebrierte Flachwitz gehört zum Repertoire des Dünpfiff-Meisters und so nimmt man diesen gern mit. Übrigens wächst die Sandler-Family mehr und mehr an: Zu dem seit längerem bekannten lebenden Inventar Rob Schneider, John Turturro, John McEnroe, Henry Winkler und Kevin James gesellen sich jetzt scheinbar noch Chris Rock, Mariah Carey und George Takei hinzu. Wenn du glaubst, bizarrer geht's nicht mehr, nimm dir einfach den neuesten Sandler her!
7/10
#1644
Geschrieben 09. März 2009, 14:59
Watchmen ~ USA/CAN/UK 2009
Directed By: Zack Snyder
In einer alternierenden Realität steht Richard Nixon (Robert Wisden) im Jahre 1985 bereits in seiner vierten Legislaturperiode. Durch die Unterstützung des Metamenschen Jon Osterman (Billy Crudup), nach einem Nuklearunfall zu einem beinahe allmächtigen Wesen geworden und als 'Dr. Manhattan' jedermann bekannt, konnte Nixon den Vietnamkrieg für die USA entscheiden und hat demzufolge nie die selben Sympathieeinbußen hinnehmen müssen wie sein reales Pendant. 1985 steht auch der Kalte Krieg an seinem Siedepunkt, die symbolische Globale Uhr zeigt 5 vor 12, während die Supermächte ihre Atomwaffen in Bereitschaft halten. Da wird ein bereits seit 40 Jahren aktiver Superheld, der oft im Regierungsauftrag tätige Comedian (Jeffrey Dean Morgan) ermordet. Sein Kollege Rorschach (Jackie Earle Haley), ein psychotischer Vigilant, ermittelt in der Sache, warnt alte Kampfgenossen und arbeitet sich Stück für Stück zur Aufdeckung einer unfassbaren Verschwörung vor.
Die Angst ums pompöse Scheitern war groß. Nach dem in vielerlei Hinsicht entlarvenden "300" sollte ausgerechnet der hohle Bildästhet Zack Snyder die Verfilmung des wichtigsten und größten Superheldencomics des 20. Jahrhunderts übernehmen, und das, nachdem Namen wie Terry Gilliam und Darren Aronofsky bereits gefallen und wegen deren Rückzieher längst wieder passé waren? Lange Zeit war ich mir nicht sicher, ob ich das, was dabei herauskommen würde, überhaupt sehen wollte. Irgendwann schwirrten die ersten Bilder durchs Netz, die ersten Teaser und der Puls beruhigte sich wieder etwas. Doch erneut leuchteten Assoziationen zu "300" auf, denn da hatte es sich zu Beginn schließlich ganz ähnlich verhalten, die Ernüchterung kam dort pünktlich nach der haltlosen Volldröhnung. Dann die ersten Berichte, gemischte Gefühle bei mir, nach wie vor. Letztlich blieb mir als langjährigem und flammendem Bewunderer für Alan Moores Geschichte (der Autor hat übrigens seinen Namen aus den Credits streichen lassen, für Verfilmungen seiner Gespinste hat er nichts übrig) wohl sowieso keine andere Wahl als den Film im Kino anzusehen, ich muss sogar zugeben, ich konnte es, nachdem er am letzten Donnerstag gestartet war, nicht mehr erwarten. Dennoch blieb mein Blick auf die Leinwand zaghaft, die ganze Muskulatur unter Spannung, bis sich dann, so etwa nach einer Dreiviertelstunde, wohltuende Entspannung einstellte. Man kann zufrieden sein mit Snyders Bearbeitung der Graphic Novel, mögen kann man sie, vielleicht gar liebgewinnen. Dickköpfig wie ein unbeirrbarer Steinbohrer fräst er sich durch das gewaltige Fundament von Moores Fabulierkunst, überträgt Bilder, Stimmungen auf die Leinwand, macht de facto keinerlei Zugeständnisse an den unvorbereiteten Kinogänger, der mit entsprechenden Fragezeichen wird leben müssen. Dass Snyder ein fanboy ist, war herauszuhören, dass er ständig eine "Watchmen"-Ausgabe unter dem Arm trug und die Story internalisiert hatte wie eine Blutbeimengung. Nach dem überwältigenden Kinoerlebnis gestern glaube ich das alles und kann hier und heute festhalten, dass ich glücklich bin, mit dem was ich da gesehen habe, mich auf etwaige verlängerte Schnittfassungen immens freue und mir vornehme, den Film als alter Mann mindestens 100 Male gesehen zu haben - jedesmal, wenn ich für Moore keine Muße habe. Who watches the Watchmen? Me. At least.
10/10
#1645
Geschrieben 09. März 2009, 15:26
The Man Who Would Be King (Der Mann, der König sein wollte) ~ UK/USA 1975
Directed By: John Huston
Während der Kolonialzeit in Indien fassen die beiden Abenteurer, Ganoven und Freimaurer Danny Dravot (Sean Connery) und Peachy Carnehan (Michael Caine) den Plan, über den Hindukush nach Kafiristan, einer nordöstlichen afghanischen Provinz zu gehen, um dort von den in ihren Augen zivilisatorisch rückständigen Einwohnern zu Monarchen gemacht zu werden und das Volk dann auszubeuten.
Die Verfilmung von Rudyard Kiplings Kurzgeschichte war ein Lebenstraum Hustons, zu dessen Erfüllung sich der Regisseur bereits zweimal erfolglos aufgeschwungen hatte, bis er ihn 1975 endlich in Form eines seiner schönsten Filme realisieren konnte. "The Man Who Would Be King" hinterlässt ebenso nachdenkliche wie traurige Emotionen, begeistert ebenso durch satirischen Witz wie durch seine unumwunden einfache Darstellung der Gefahr des Größenwahns. Bereits Kiplings Story war eine kluge Reflexion imperialistischer Commonwealth-Arroganz, die sich selbst in ihren niedersten Elementen fortsetzt, hier: in Carnehan und Dravot, die nichts anderes sind als zwei Kleingauner, die sich mit Erpressung und Betrügereien durchs Leben schlagen und deren Geschick in Kampf und Militärstrategie ihnen noch lange keinen kosmopolitischen Weitblick verleiht. Auch wenn Danny das irgendwann zu glauben beginnt. Ihr Scheitern verdanken sie letztlich nur dessen Instinktgesteuertheit. Eine schöne Kafirin (Shakira Caine) will sich Danny unter den Nagel reißen und offenbart damit seine Menschlichkeit. Diese zehrt leider weder von irgendwelchen behaupteten göttlichen Geschenken noch von einer spekulativen Nachfolge Alexanders des Großen. Danny Dravot bleibt eben bloß Danny Dravot, dessen Vater Wirt in einer schmierigen Edinburgher Spelunke war und der am Ende zumindest ehrenvoll in den Tod geht. Und seine Krone gibt er selbst darüber hinaus nicht mehr her.
9/10
#1646
Geschrieben 11. März 2009, 07:59
Victory (Flucht oder Sieg) ~ USA 1981
Directed By: John Huston
Der Fußballanhänger und Wehrmachtsmajor Von Steiner (Max von Sydow) entdeckt während einer Gefangenenlager-Visite den englischen Profikicker Colby (Michael Caine). Damit ist die Idee geboren, ein symbolträchtiges Match zwischen einer Wehrmachtsauswahl und einer auserlesenen Kriegsgefangenen-Elf auszutragen. Das Spiel soll nach angemessener Traningszeit im besetzten Paris stattfinden. Während der Yankee Hatch (Sylvester Stallone) jede nur denkbare Möglichkeit zur Flucht ausbaldowert, ist für die einsitzenden höheren Offiziere klar, dass es sich um eine nahezu perfekte Gelegenheit zu einer Massenflucht handelt. Nachdem mit Hatchs Hilfe Kontakt zur Pariser Resistance geknüpft wurde, scheint alles klar - bis zur Spielhalbzeit, in der die Spieler sich bewusst werden, dass es hier um weitaus mehr geht als um eine günstige Fluchtmöglichkeit...
Hustons in jeder Hinsicht verniedlichendes WWII-P.O.W.-Abenteuer wirkt etwas wie eine "Great Escape"-Ausführung für Kinder und Fußballfans. Mit dem Fußballgott Pelé konnte darüberhinaus ein Profi mit magnetischer Wirkung verpflichtet werden, der sich im Film einen Spaß daraus macht, ein paar seiner exponierten Paraden vorzuführen. Von Sydow gibt den sympathischen Nazifunktionär, der sich am Schluss sogar erdreistet, den deutlich überlegenen Gegnern leidenschaftlich zu applaudieren, Stallone und Caine geben ein durchaus nettes Dubbel in den Hauptrollen. Persönlich war ich sehr erfreut, Anton Diffring als Stadionkommentator zu erblicken, der für den deutschsprachigen Rundfunk schonmal seinen Applaus vom Tonband laufen lässt. Überhaupt markiert das Spiel den erwartungsgemäß großen Höhepunkt: Das Pariser Publikum (warum man selbiges überhaupt zum Spiel einladen sollte - sein unbändiger Patriotismus war ja nun kein Geheimnis) ist kontinuierlich auf Seiten der Gefangenen und stimmt die Marseillaise an - ein Hauch "Casablanca" weht durch die Arena.
Für Hustons Verhältnisse ein gediegener, solider Auftragsfilm ohne wirkliche Signifikanz.
7/10
#1647
Geschrieben 11. März 2009, 19:15
Under The Volcano (Unter dem Vulkan) ~ USA/MEX 1984
Directed By: John Huston
Hay el día de los muertos: Der englische Konsul Geoffrey Firmin (Albert Finney) trinkt sich im Mexiko des Jahres 1938 um Kopf und Kragen. Den Seitensprung seiner geliebten Frau Yvonne (Jacqueline Bisset) mit seinem Bruder Hugh (Anthony Andrews) kann er ebensowenig verwinden wie Yvonnes darauffolgenden Weggang. Als sie eines Tages wieder auftaucht, freilich in Erkenntnis und Eingeständnis ihrer bedingungslosen Liebe zu Geoffrey, bricht der verbitterte, dauerstramme Zyniker zu seiner letzten Fiesta auf...
Die Verfilmung des Lowry-Romans, eines Manifests des Alkoholismus an und für sich, führte Huston zum späten Abschluss seiner Mexiko-Trilogie, die er über vier Jahrzehnte hinweg fertigte. Seinem Herz für Trinker, Pferde und Stierkampf kann der Regisseur in seinem späten Meisterwerk ein letztes Mal rundherum stattgeben, mit Finney als exzessiv aufspielendem Kompagnon. "Under The Volcano" ist reich an wundervollen Bonmots, die der Verlorene Firmin bis zu seinem letzten Gang in ein mexikanisches Provinz-Bordell zum Besten gibt; die Zeiten sprechen gegen ihn. Sein Bruder, der den Lebenskampf noch lange nicht aufgegeben hat und desillusioniert aus dem Spanischen Bürgerkrieg zurückkehrt, wittert eine Nazi-Verschwörung mitten in Mexiko und ebendiese wird Firmin, dem Älteren zum letzten Verhängnis. "Mad Love" wird in einem kleinen Kino in Mexiko City gezeigt, "Los Manos De Orlac", wie er auf spanisch heißt. Die Verbundenheit zwischen dem Chirurgen Gogol/Lorre und dem Trinker Firmin wird gleich zu Anfang deutlich, und der Kreis soll sich gegen Ende schließen.
"Under The Volcano" ist ein Eckpunkt des huston'schen Schaffens und sein bester Film seit "The Night Of The Iguana", zu dem die enge Verwandtschaft als unübersehbar gelten darf.
10/10
#1648
Geschrieben 11. März 2009, 19:29
Prizzi's Honor (Die Ehre der Prizzis) ~ USA 1985
Directed By: John Huston
Der Mafiakiller Charley Partanna (Jack Nicholson) verliebt sich Hals über Kopf in die kühle Blondine Irene Walker (Kathleen Turner), die, wie er unter persönlichen Abstrichen feststellen muss, nicht nur eine "Polakin" ist, sondern die Prizzi-Familie, der Partanna per Blutschwur zugehörig ist, um ein stattliches Sümmchen betrogen und erleichtert hat. Die überstürzte Heirat der beiden wirft eine Vielzahl von Problemen auf, die Partanna vor ein großes Ultimatum stellen: Familienehre oder Liebesgeplänkel...
Hustons letzte drei Filme nach dem dullen Musical "Annie" markieren eine altersweise Rückkehr zum kleinen, privat finanzierten Kino. Weg von den Studios, hin zu sich selbst. "Prizzi's Honor", seine vorletzte Regiearbeit, zeigt einen gelösten, abgeklärten Filmemacher, der mit sanftem Humor in Verbindung mit einer existenzialistischen Grundstimmung nochmal Neuland betritt: Den Mafiafilm. Die 1980er wahren vor dem großen Gangsterfilmjahr 90, in dem plötzlich die Subgenrefilme wie kleine und große Pilze aus dem Boden schossen, eher arm an Makkaroni-Ganoven. Es langte da eher zur Parodie, wie diverse Kino-Beispiele und Verwurstungen in den unzähligen TV-Krimiserien beweisen, Coppolas und Puzos glorreiches Mafia-Universum schien in den Zeiten der juvenilwahnsinnigen MTV-Oberflächlichkeit passé. Da kam Huston daher und schlackerte "Prizzi's Honor", nebenbei eine Ein-Mann-Show für Nicholson, der seine Augen rollen lässt wie kein Zweiter, wie ein lockeres As aus dem Ärmel. Das ist sauberes, präzises und unaufgeregtes Erzählkino, seines Regisseurs und dessen Erfahrungsschatzes würdig und bietet damit stets wieder ein, wie sagt man so schön, abendfüllendes Programm.
8/10
#1649
Geschrieben 11. März 2009, 19:56
Das Geisterhaus ~ D/DK/PT/USA 1993
Directed By: Bille August
Ein nicht näher bezeichnetes lateinamerikanisches Land (das ohne große Umwege als Chile erkennbar ist): Der über alle Maßen ehrgeizige Selfmade-Man Esteban Trueba (Jeremy Irons) heiratet die Politikertochter Clara (Meryl Streep) und nimmt sie mit auf seine Hazienda 'Tres Marias'. Mit dem Paar lebt dort noch Estebans Schwester Férula (Glenn Close), eine ewig unterdrückre, verhärmte Frau, die in Clara ihre erste und einzige Freundin findet. Als die übersinnlich begabte Clara ihre Tochter Blanca (Hannah Taylor-Gordon bzw. Winona Ryder) zur Welt bringt, wird Estebans Eifersucht auf die verschworene Frauenfreundschaft so groß, dass er Férula aus dem Haus wirft. Weitere Probleme türmen sich auf, als Blanca, zur jungen Dame gereift, eine stürmische Liaison mit dem roten Landarbeiter Pedro Segundo (Antonio Banderas) eingeht. Diese Liebe führt zu einer vorübergehenden Entzweihung zwischen Esteban und seiner Familie und findet ihre größte Probe, als die Militärjunta nach einem Wahlsieg der Sozialisten im Lande putscht. Blanca gerät wegen des Verdachts subversiver Aktionen in Gefangenschaft und wird ausgerechnet von ihrem seit seiner Geburt verleugneten und daher rachsüchtigen Halbbruder (Vincent Gallo) verhört.
Eichinger und die Belletristik: Nach "Christiane F.", "Der Name der Rose" und "Letzte Ausfahrt Brooklyn" stellt die Verfilmung von Isabell Allendes wortgewaltigem Chile-Roman "La Casa De Los Espíritus" die vierte große Bestsellerverfilmung des Produzenten bzw. seiner Neuen Constantin vor. Diesmal mit durchweg großen Hollywood-Namen besetzt und von dem renommierten dänischen Regisseur Bille August inszeniert, trumpft "Das Geisterhaus" vor allem durch Bildpracht und große emotionale Gesten. Was seine Relevanz als politisches Porträt eines Landes im Umsturz anbelangt, bleibt der Film indes auf peinlich simplifiziertem Hausfrauenniveau, über die Hintergründe um den Sturz Salvador Allendes durch Pinochet und das Engagement US-Militärberater erfährt man entweder gar nichts oder bestenfalls Bruchstücke via Randbemerkungen. Überhaupt wird der Film Allendes komplexer Erzählung in keinster Weise gerecht - das hier ist schlicht und ergreifend Soap, die selten über gängiges TV-Niveau hinausreicht. Absolut hervorzuheben indes Irons' großartiges Spiel, das den Taumel zwischen stürmischer Jugend und gebrechlichem Greisentum (mithilfe einer sagenhaften Maske versteht sich) scheinbar spielerisch meistert und das große dunkle Zentrum des Films darstellt (selbst mit der - man höre und staune - zunächst völlig unpassend erscheinenden Synchronstimme von Wolfgang Hess). "Das Geisterhaus" ist letztlich kein gewitzter Film, geschweige denn, dass er seinen eigenen Ansprüchen gerecht würde. Vorzügliches Entertainment mit einem Hauch von Epik und bar jeder Langeweile offeriert er dennoch. Und intellektuell beleidigt fühlt man sich im Nachhinein trotz aller Versagenszeugnisse auch nicht. Das zählt doch wohl.
7/10
#1650
Geschrieben 12. März 2009, 17:47
Criss Cross (Gewagtes Alibi) ~ USA 1948
Directed By: Robert Siodmak
Eine Verlegenheitssituation führt Steve (Burt Lancaster) dazu, dem Ganoven Slim Dundee (Dan Duryea), der jetzt mit Steves Exfrau (Yvonne De Carlo) verheiratet ist, einen verhängnisvollen Deal vorzuschlagen: Steve will einen der Geldtransporte, bei denen er als Fahrer tätig ist, mit Dundees Hilfe ausrauben.
Von Siodmak mit einem fesselnden narrativen Rahmen versehen, der die Ereignis-Chronologie hübsch durcheinanderwirft, ist "Criss Cross" ein klassischer film noir mit sämtlichen Gattungszutaten und passt damit in gleich mehrere Subkategorien: Eine höchst egoistische femme fatale gibt es, den armen Tropf, der blind vor Liebe und wider die gut gemeinten Ratschläge seiner alten Mutter (Edna Holland) ins Verderben rennt und nebenbei als Off-Kommentator fungiert, den Oberbösewicht und Doppelspieler mitsamt seiner Clique, in der neben diversen Schlägern auch ein weißbärtiges, dem Alkohol zugetanes Planungsgenie (Alan Napier) verkehrt und schließlich den gutherzigen Bullen (Stephen McNally), der sich Vorwürfe macht, weil er seinen Kumpel, den Tropf, nicht hart genug anfasst. Diese Figurenkonstellation sollte für sich sprechen und das Herz eines jeden noir-Freunds per se erwärmen.
8/10
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