In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1771
Geschrieben 31. Mai 2009, 09:16
Sergeant York ~ USA 1941
Directed By: Howard Hawks
Alvin York (Gary Cooper), Farmer, Herumtreiber und Taugenichts aus Tennessee, wird zunächst vom Lieben Gott erleuchtet, dann zum erklärten Kirchgänger und Pazifisten und muss schließlich seiner Überzeugung zum Trotz in die überseeischen Schützengräben nach Frankreich, um gegen die kaiserlichen Soldaten zu kämpfen. Seine Aufgaben meistert er mit Bravour und kehrt als von jedermann bewunderter Held in die Staaten zurück.
Mit "Sergeant York", kulturhistorischem Gegenentwurf zu Remarques "Im Westen nichts Neues", lieferte Hawks einen seiner verhältnismäßig wenigen propagandistischen Beiträge zu der US-Kinolandschaft vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs. Sein Film ist unverhohlen patriotisch und schiebt seinen Appell an die amerikanische (Land-)Bevölkerung lauthals vor sich her: 'Sei gottesfürstig und fleißig, ehre dein Mütterlein, bewahre die Freiheit im Sinne des american way und hilf den Unterdrückten der Welt. Halte deine Todesopfer in Grenzen, aber nimm sie mit Würde in Kauf. Sei dieser Held, und dein wird das Himmelreich sein.' Der baumlange Cooper spielt dieses authentische Abziehbild eines Helden, Vorbild für Generationen von unknown soldiers, als befände er sich in einem Capra-Film und müsse die Menschheit von der Unwesentlichkeit von Bildung und Geld überzeugen. Bei Alvin York handelte es sich tatsächlich um den höchstdekorierten US-Soldaten des Ersten Weltkriegs, dessen größtes Verdienst darin bestand, quasi im Alleingang ein Maschinengewehrnest der Deutschen auszuheben, in der Folge 132 Soldaten des Reichs gefangenzunehmen und bei seiner Heeresleitung abzuliefern. York insistierte zunächst, als es darum ging, seine Memoiren (in etwas abgewandelter Form; der läuternde Blitzeinschlag etwa war eine Script-Erfindung) in Hollywoodbilder bannen zu lassen, der in Europa wütende Hitler ließ ihn dann aber seine Meinung ändern. York und seine Geschichte wurden leuchtendes Vorbild für Millionen von G.I. Joes, die zu Beginn der Vierziger nach Europa zogen.
Andere Zeiten, andere Mentalitäten. Hawks blinde Kriegstreiberei vorzuwerfen wäre noch naiver als Alvin York im Film. Dessen politische Intention ist fest im Zeitkontext verankert und damit aus heutiger Perspektive reiner Forschungsgegenstand. Eingebettet in Hawks' Werk erscheint "Sergeant York" indes nicht weiter ungewöhnlich. Der Protagonist inkarniert ein weiteres Mal den in jeder Hinsicht maskulinen, reinherzigen und heldenhaften Profi, der trotz seiner Schattenseiten eine Lichtfigur abgibt. Über eine solche verfügt bekanntermaßen jedes von Hawks' kommenden Genrewerken. Als affektiv begeisterndes, versiertes Unterhaltungsprodukt mit manch spektakulärer Sequenz gliedert sich der Film damit nahtlos in das Oeuvre des Regisseurs ein.
8/10
#1772
Geschrieben 01. Juni 2009, 10:12
The Outrage (Carrasco, der Schänder) ~ USA 1964
Directed By: Martin Ritt
Am Bahnhof des Minenstädtchens Silver Gulch treffen sich in einer verregneten Nacht drei auf den verspäteten Zug wartende Männer: Ein Prediger (William Shatner), ein alter Prospektor (Howard Da Silva) und ein Wundermittelverkäufer (Edward G. Robinson). Sie alle sind aus unterschiedlichen Gründen berührt von der Hinrichtung des mexikanischen Banditen Carrasco (Paul Newman). Dieser soll vor der Stadt das Ehepaar Wakefield überfallen, die Frau (Claire Bloom) vergewaltigt und den Mann (Laurence Harvey) erdolcht haben. Jeder der Zeugen stellt den Tathergang in einem völlig anderen Licht dar, so dass eine begründete Rekonstruktion der Ereignisse unmöglich scheint.
Neben den Kurosawa-Filmen "Shichinin No Samurai" und "Yojimbo" wurde auch "Rashomon" zur Kompassnadel eines Western, der allerdings, und das wohl zu Recht, nie den universellen Status der beiden anderen Remakes zugesprochen bekam. "The Outrage" erschien vielleicht etwas zu verschroben und experimentell, um größeren Anklang zu finden. Zudem ist ja bereits der narratologische Diskurs des Originals nicht unbedingt Gegenstand von etwas, das man zwangsläufig als klassisches Unterhaltungssubjekt bezeichnen möchte. Mit Ausnahme der Milieugestaltung ist "The Outrage" oberflächlich betrachtet gar nicht so weit von Kurosawa entfernt, wenn auch die Grundierung dieses Films eine eher zynische ist. Seine größte Leistung entwickelt Ritt darin, die unterschiedlichen Episoden jeweils mit einer untereinander differierenden Atmosphäre zu versehen, die am Ende in einer die vierte und letzte Erzählung einrahmenden, endgültig den Unwert der Subjektivität unterstreichenden Burleske kulminiert. Darin liegt zugleich die einzige markante Schwäche des Films: Man verlässt ihn mit dem Eindruck einer Art existenzialistischer Kehrtwende; wo Kurosawa sehr ernsthaft von elementaren Dingen berichtet, scheint Ritt sein ganzes Werk in mysteriös-überheblicher Weise zu beschmunzeln. Diese Form der Leichtigkeit mag nicht jedemann angebracht erscheinen. Dennoch, das schwarzweiße Scope ist von edler Gestalt und zumindest mir gefällt dieser seltsame Film sehr gut.
8/10
#1773
Geschrieben 01. Juni 2009, 21:25
Phobia ~ CAN/USA 1980
Directed By: John Huston
Der Analytiker Dr. Ross (Paul Michael Glaser) experimentiert mit kriminellen Angstneurotikern an einer neuartigen Therapieform: Er konfrontiert seine Patienten, die im Gegenzug für ihre Mitwirkung Urlaub vom Knast bekommen, radikal mit ihren Phobien. Der Versuch scheint außer Kontrolle zu geraten, als die Demophobin Barara (Alexandra Stewart) ausgerechnet in Ross' Haus in eine Bombenexplosion gerät. Sie soll nicht die letzte Tote bleiben - den Mörder zu finden erweist sich jedoch als äußerst kompliziert, da scheinbar kein schlüssiger Zusammenhang zwischen den Opfern besteht, außer dass sie Dr. Ross' Patientenstamm bilden.
Da hat Huston mal ein richtig faules Ei gelegt. "Phobia" ist für seine Verhältnisse eine nichtswürdige Arbeit, von gewaltigem Desinteresse und fehlendem Engagement zeugend. Über die ziemlich dämliche Geschichte könnte man noch mit einer guten Portion Großherzigkeit hinwegsehen, nicht jedoch über die offen herausgekehrte Schlampigkeit, mit der der Meister einen im mediokren TV-Stil gehaltenen Krimi (wozu dann immerhin "Starsky" Glaser und John "Graf Baltar" Colicos passen) herunterkurbelte. Als würde Monet plötzlich Strichmännchen malen. Vermutlich hat sein darstellerisches Engagement in filmischen Sonnenscheinchen wie "Der Polyp - Die Bestie mit den Todesarmen", "SOS-SOS-SOS Bermuda-Dreieck" und "Jaguar lebt" den weißbärtigen Lebemann kurzzeitig in die Demenz getrieben, eine miserablere Arbeit hat Huston als Regisseur jedenfalls zeitlebens nicht auf den Weg gebracht. "La Bibbia" ist zwar auch fürchterlich, aber wenigstens auf hohem Niveau gescheitert. Das hier hat bestenfalls Bestand als Trash, im denkbar schlechtesten Wortsinne.
2/10
#1774
Geschrieben 02. Juni 2009, 08:20
The Grapes Of Wrath (Die Früchte des Zorns) ~ USA 1940
Directed By: John Ford
Oklahoma zur Depressionszeit: Tom Joad (Henry Fonda), soeben auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen, findet seine Familie daheim verzweifelt. Die Banken vertreiben die Pächter infolge der lang anhaltenden Dürreperiode von ihrem angestammten Land. Dass dabei Generationen von dort verwurzelten Farmern in die Ungewissheit umsiedeln müssen, schert die wohlhabenden Herrschaften an der Ostküste nicht weiter. Also machen sich die Joads in einem klapprigen Wagen auf nach Kalifornien, wo angeblich Orangenpflücker angeworben werden. Auf dem beschwerlichen Weg sterben die beiden Großeltern (Charley Grapewin, Zeffy Tilbury), mehr an Gram als ihrer labilen Gesundheit wegen. Die beunruhigenden Ankündigungen, die die Joads unterwegs von anderen Reisenden zu hören bekommen, erweisen sich vor Ort schließlich als wahr: In Kalifornien gibt es längst keine gutbezahlte Arbeit mehr, nur Tausende von in Lagern dahinvegetierenden und hungernden Heimatlosen. Besonders die "Okies" sehen sich der Verachtung und dem Gespött der Leute ausgesetzt. Als der impulsive Tom im Kampf einen Hilfspolizisten erschlägt, findet sich die Familie auf der Flucht vor dem Gesetz wieder.
Steinbecks dem Film zugrunde liegender Roman liest sich bereits wie eine Chronik des sozialen Verfalls. Zwar hat Ford für seine Adaption einige harsche Details, die ohnehin der Zensur anheim gefallen wären, außer Acht gelassen, dennoch ist seine Arbeit höchst bemerkenswert. Als einer der wenigen zeitgenössischen Regisseure wagte sich Ford an eine authentische Darstellung der Verelendungsprozesse, die in 'America, the beautiful' stattfanden, die die Neue Welt begleitende Kitschromantik ad absurdum führte und zumindest von der Unterhaltungsindustrie Hollywoods stoisch übersehen wurde. Windschnittige screwball comedies und euphorische Kriegspropaganda fanden viel eher ihren Anklang bei Publikum und Kritik, da kam diese Studie der Verzweiflung und des absoluten Existenzminimums ans Tageslicht und beschwor die Menschen, vor der Medaillenkehrseite nicht die Augen zu verschließen. Immerhin gilt es zu bedenken, dass der Film, unmittelbar nach der Veröffentlichung des Romans entstanden, seine Gegenwart abbildete und keinesfalls Geschichte dokumentierte, auch wenn er aus heutiger Sicht natürlich als historisches Monument betrachtet werden kann.
"The Grapes Of Wrath" liefert keinen Anlass zum Eskapismus, sondern unmissverständliches Aufrütteln. Darüberhinaus formuliert er sehr eindeutige sozialpolitische Aussagen, die sich durchaus nicht unweit von sozialistischem Gedankengut befinden. Formal und darstellerisch ist er so makellos wie nur wenige andere Werke Fords und lässt sich bestenfalls noch mit seinen vollendetsten Western auf ein Podium stellen. Auch heute noch ein harter, traurig stimmender Film, den ich allerdings für cineastische Pflichtlektüre halte.
10/10
#1775
Geschrieben 02. Juni 2009, 08:49
East Of Eden (Jenseits von Eden) ~ USA 1955
Directed By: Elia Kazan
Die zwei kalifornischen Städtchen Salinas und Monterey könnten unterschiedlicher nicht sein: Während in Salinas ehrbare, gottesfürchtige Farmer und Kaufleute ihrem Tagesgeschäft nachgehen und Soldaten für den Einsatz in den Schützengräben von Verdun auf der Rückseite der Welt anwerben, regiert in der Hafenstadt Monterey die Sünde. Matrosen ziehen volltrunken durch die Straßen und verprassen ihre Heuer in einem der ortsansässigen Bordelle. Ein solches gehört auch der alternden Kate (Jo Van Fleet), die sich eines Tages mit ihrem Sohn Cal (James Dean) aus Salinas konfrontiert sieht. Cals bibelfester Vater Adam Trask (Raymond Massey) hat stets behauptet, er sei Witwer, um seine beiden Söhne, neben Cal noch dessen Zwillingsbruder Aron (Richard Davalos) nicht der Schande aussetzen zu müssen, eine Hure als Mutter zu akzeptieren. Cal, ungeliebter und verzweifelter Jugendlicher, der im Schatten seines aufrechten, vom Vater geschätzten Bruders steht, hat die Wahrheit dennoch herausgefunden. Er bittet seine Mutter um finanzielle Unterstützung, um seinem Vater verspekuliertes Geld zurückzahlen zu können und sich so dessen Liebe zu erkaufen. Als diese Aktion den gegenteiligen Effekt erzielt, komt es zur Katastrophe.
Für die Filmadaption dieses Steinbeck-Romans wurde die komplexe Geschichte um weite inhaltliche Facetten erleichtert, ohne allerdings auf ihre biblische Symbolik zu verzichten. Es fand stattdessen eine Konzentration auf einige Hauptelemente der zweiten Hälfte statt, in dem es vornehmlich um den Bruderzwist zwischen Cal und Aron geht, um Arons Freundin Abra (Julie Harris), die sich schließlich dem weitaus problembehafteteren Cal zuwendet und natürlich um die unerwiderte Liebe Cals zu seinem gestrengen Vater. Wie es zu der gegenwärtigen Konstellation Adam-Kate gekommen ist bzw. warum sie sich von ihrer Familie losgeeist und diese gesellschaftlich zwielichtige Form der Existenz gewählt hat, erfährt man im Film nurmehr aus den Berichten der Protagonisten. Darüberhinaus blendete das Script die komplette Vorgeschichte um die frühere Generation aus, in der Adam bereits einen Konflikt mit seinem früheren Hauspatriarchen auszutragen hatte. Der Film verzichtete also auf die hermetische Darstellung einer Familienchronik und verlagerte sich stattdessen auf wesentliche zwischenmenschliche Elemente. Für James Dean bedeutete das ein Glück, denn "East Of Eden" begründete und zementierte zugleich seinen kometenhaften Aufstieg und seinen ikonischen status als jugendlicher Rebell, der zwischen seiner explosiven Natur und seinem zarten Wunsch nach Anerkennung und Liebe hin- und hergerissen ist, von der steifen Elterngeneration nicht verstanden wird und der jeweils erst eines harschen Unglücks bedarf, bevor er sich einem zielbewussteren Leben zuwenden kann. Rays "Rebel Without A Cause" (demnächst auf dieser Welle) wiederholte diese Geschichte unter etwas anderen Vorzeichen und in die Gegenwart versetzt; erst Stevens' "Giant" präsentierte einen zumindest geringfügig von seinem bisherigen Muster abweichenden James Dean. Dann war's auch schon wieder vorbei.
9/10
#1776
Geschrieben 02. Juni 2009, 18:06
Cannery Row (Die Straße der Ölsardinen) ~ USA 1982
Directed By: David S. Ward
Monterey, Ender der dreißiger Jahre: Einst belebte die Del Mar Company mit ihrer Sardinenfabrik das Hafenviertel, seit jedoch die Sardinen wegbleiben, steht auch die Fabrik leer, beziehungsweise dient sie einer Truppe von Sandlern (u.a. M. Emmett Walsh, Frank McRae) als Unterschlupf. Außerdem hat sich dorthin der frühere Baseballstar Edward Ricketts (Nick Nolte), genannt Doc, zurückgezogen und widmet sich nun der Erforschung von Kopffüßern und Klapperschlangen. Am Strand haust ein zauseliger Weiser (Sunshine Parker), den alle den "Hellseher" nennen und die alternde Fauna (Audra Lindley) betreibt in direkter Nachbarschaft einen gutgehenden Puff. In diesen wohlfunktionierenden Mikrokosmos platzt die Stromerin Suzy (Debra Winger), die erstmal bei Fauna anfängt, sich jedoch bald den Respekt und die Zuneigung sämtlicher Bewohner der Cannery Row erarbeitet und selbst das Herz des verstockten Doc erweicht.
"Cannery Row" ist wie sein Quasi-Vorgängerroman "Tortilla Flat" eine romantisierende Beschwörung menschlicher Simplizität, die das Heil der Welt in der Freundschaft und im Füreinanderdasein sucht und findet, nicht in Geld und Gut. Eine Flasche Wein, ein Klavier und ein paar Gleichgesinnte und das Leben ist ein Fest. Solcherlei sprühende Existenzbejahung gab es neben signifikanter Sozialkritik auch bei Steinbeck, insbesondere wenn es sich um persönliche nostalgische Erinnerungen an seine früheren Jahre an der Pazifikküste drehte. Wards Verfilmung greift das episodische Moment der Vorlage auf, auch wenn sie der love story zwischen Doc und Suzy übergebührlich viel Raum stiftet. So sind es eher die Nebenfiguren Mack (Walsh), Hazel (McRae) oder eben der Hellseher, die als unvergessliche Clochard-Karikaturen im Gedächtnis bleiben und die glatt ein Herz für Penner zu aktivieren verstehen. Die salzige Seeluft dazu und ein paar Weisheiten über Tintenfische und die Froschjagd (im Original dargeboten von Erzähler John Huston) - fertig ist eine sympathische und warmherzige Literaturverfilmung, die retrospektiv so gar nicht in ihr Herkunftsjahrzehnt passen mag.
8/10
#1777
Geschrieben 03. Juni 2009, 17:48
The Fly (Die Fliege) ~ USA 1958
Directed By: Kurt Neumann
Hélène Delambre (Patricia Owens) hat ihren Mann André (Al Hedison) getötet - auf recht unappetitliche Weise zudem. Sein rechter Arm und sein Kopf wurden nämlich unter einer Hydraulikpresse der hauseigenen Fabrik bis zur Unkenntlichkeit zerquetscht. Ob Hélène, die die Tat freimütig gesteht, verrückt ist, oder nicht, lässt sich nicht eindeutig feststellen; ihr Schwager François (Vincent Price) und der ermittelnde Inspektor Charas (Herbert Marshall) bekommen nach einiger Überredungskunst von Hélène immerhin eine ungeheuerliche Geschichte zu hören: Ihr Gatte soll mit einem "Desintegrator" experimentiert haben, einer Art Transmitter, die tote und lebende Materie in ihre Atome zerlegen und andernorts wieder zusammensetzen kann. Bei einem Selbstversuch hat sich Andrés Genotyp dann angeblich mit dem einer zufällig in den Desintegrator gelangten Fliege vermischt, was ein menschengroßes Ungetüm mit Fluegenarm und Fliegenkopf und eine Stubenfliege mit Menschenarm und Menschenkopf hervorgerufen haben soll. François und Charas haben einige Zweifel an der Wahrhaftigkeit dieser Aussage, bis sie eines Besseren belehrt werden.
Große Science Fiction mit einem guten Schuss Grusel aus den sich in Bezug auf derartige Stoffe seinerzeit eher bedeckt haltenden Fox-Studios. In prallem Scope schildert "The Fly" eine packende Geschichte um ein erneutes Humanvergehen an der Schöpfung, um Pfusch am evolutionären Gleichgewicht und die obligatorische Quittung dafür. Neumanns Film verfährt in der Untermauerung dieser eindeutigen Aussage um einiges reaktionärer und dramaturgisch fundierter als das Gros der üblichen Produktionen jener Tage. Atombombentests und andere infernalische Versuche, deren Kern ja bereits nichts anderes verhieß als eine möglichst effektive Massenvernichtungs-Maschinerie, zu verdammen, war eine Sache - ebenso wie die Paranoia vor der Roten Gefahr aus dem Osten eine zeitpolitisch nachsehbare Motivkette lieferte. Den bloßen technischen Fortschritt allerdings zum Objekt einer angststrotzenden Fabel zu bestimmen, dazu ist im Grunde jeder kulturethische Diskurs überflüssig. Genau dies jedoch tut "The Fly" - André Delambres wissenschaftlicher Ehrgeiz nimmt zwar sehr egozentrische Formen an, ist dabei aber auch eine besondere Art von Pionierleistung, was der Film mit sehr konservativen und unmissverständlich ablehnenden Worten quittiert. Exploitation as usual eben. Immerhin füllt "The Fly" sein Wesen auf eine unnachahmlich effektive Weise, die ja bekanntermaßen Inspirationsquelle genug war, um gute zweieinhalb Jahrzehnte später ein diesbezüglich noch deutlich konsequenteres Remake zu inspirieren. Obgleich viele Zuschauer dem Film heutzutage mit Spott begegnen - mir war er stets ähnlich unheimlich wie "The Incredible Shrinking Man". Die kompromisslose Auflösung der bzw. einer Persönlichkeit gibt es hier zu bestaunen, mit einer auch auditiv so oder so unvergesslich arrangierten Schlusseinstellung.
8/10
#1778
Geschrieben 05. Juni 2009, 14:13
Return Of The Fly (Die Rückkehr der Fliege) ~ USA 1959
Directed By: Edward Bernds
Der mittlerweile erwachsene Philippe Delambre (Brett Halsey) nimmt, nach dem Gramtod der Mutter, die alten Experimente seines alten Herrn mit dem Desintegrator wieder auf - gegen den Willen seines besorgten Onkels François (Vincent Price) freilich. Behilflich ist Philippe sein Kumpel Alan (David Frankham), der sich jedoch als übler Schweinehund entpuppt: Er will um jeden Preis das Geheimnis der Transmitter an sich bringen und es meistbietend in die Großindustrie verschachern. Es kommt, wie es kommen muss: Nachdem ein Polizist bereits zum Meerschweinchen-/Mensch-Hybriden geworden ist, landet Philippe mit einer Stubenfliege im Desintegrator und eine Generation später geht derselbe Salat wieder von vorne los.
Durchaus annehmbares Sequel des nur ein Jahr älteren Neumann-Films, diesmal in s/w gefilmt, etwas kürzer und ohne die "anstrengenden" technologiekritischen Diskurse des Erstlings. Vincent Price konnte auch für die Fortsetzung gewonnen werden und gibt hier die vermutlich weicheiigste Vorstellung seiner Laufbahn ab. Es fehlt nur noch ein permanentes "Huch!" oder "Hach!" sowie eine gute Prise Riechsalz. In Ohnmacht fällt der Gute jedenfalls und jammert hernach so schwuppig herum, dass einem nur noch Angst und Bange werden kann (man bevorzuge aus diesem Grunde übrigens unbedingt die Originalfassung gegenüber der uncharmanten TV-Neusynchro, Price vollführt nämlich in ersterer viel Stimmakrobatik mit seinem wohlklingenden Organ). Die Idee mit dem Meerschweinchen ist angesichts der sowieso grotesk anmutenden Stimmung des Films geradezu zwingend (das Menschenmeerschweinchen tut einem richtig doll leid); hingegen kann die Fliegenkreatur diesmal keinen Hund mehr hinterm Ofen hervorlocken. Im Gegenteil: Der Fliegenmensch stößt mit seinem so grund- wie hoffnungslos überdimensionierten Bumskopf gegen garantiert jede Deckenlampe (<-- running gag), derweil die Menschenfliege mit Philippes vollpomadiertem Haupt offensichtlich in selbigem nichts mehr hat, da sie permanent dieselben drei Sätze kreischt (s. Zitat). Insgesamt eine sehr lustige Angelegenheit und keinesfalls zu verachten.
7/10
#1779
Geschrieben 05. Juni 2009, 14:29
House Of Wax (Das Kabinett des Professor Bondi) ~ USA 1953
Directed By: André De Toth
New York, kurz nach der vorletzten Jahrhundertwende: Der nach einem Brand schwer entstellte Profesor Jarrod (Vincent Price; in der deutschen Fassung Professor Bondi) rächt sich an der gesamten Bevölkerung für das Verbrechen seines ehemaligen Kompagnons (Roy Roberts), der mit dem Feuer auch Jarrods Lebenswerk, seine historischen Wachsfiguren, zerstört hat. In Jarrods neuem Kabinett waltet die Sensation. Wächserne Mörder und andere Gewaltverbrecher, unter deren künstlichen Gesichtern sich echte Tote befinden, tummeln sich dort. Die leidgeprüfte Sue (Phyllis Kirk) bemerkt eine frappante Ähnlichkeit zwischen Jarrods Johanna von Orleans und ihrer kürzlich ermordeten Freundin Cathy (Carolyn Jones), deren Leiche entwedet wurde.
Ein wunderbarer Film, dem das Genre viel zu verdanken hat. "House Of Wax" leitete nicht nur die erste große und ernstzunehmende Renaissance des gothic horror ein, er war auch der erste bedeutsame Gruselfilm in Farbe und sollte zudem sein Publikum mit dem 3D-Verfahren anlocken. Entsprechend gibt es die eine oder andere speziell dafür angefertigte Einstellung. Doch der Film sprüht auch sonst vor Witz, Charme und distinguiertem Vaudeville-Geist: Die Kulissen und Kostüme sind von erlesener Zeitanbindung, dazu gibt es nette Einlagen wie eine Truppe Can-Can-Tänzerinnen und überhaupt diese prächtige grand-guignol-Atmosphäre, dass man den Absinth schon auf den Lippen zu schmecken meint. Doch nicht für die Filmhistorie an sich, auch für Vincent Price war "House Of Wax" bezeichnend. Zwar gab er zuvor schon manches Mal den Unsympathen vom Dienst (wie in "Dragonwyck", "Shock" oder "The Three Musketeers"), die Rolle des Dr. Jarrod aber darf sich wohl rühmen, Prices originäre Madman-Gestaltung zu beinhalten. Im Prinzip war sein Dr. Phibes 20 Jahre später nichts anderes als eine etwas konturiertere Variation dieser Rolle. Schließlich bildet der Film für mich persönlich eine starke Projektionsfläche - zusammen mit "Horror Of Dracula" ist es der erste klassische bunte Horrorfilm, den ich in Kindertagen gesehen habe und der bis heute bei mir fest im Gekröse sitzt.
9/10
#1780
Geschrieben 05. Juni 2009, 14:45
Satan's Sadists (Die Sadisten des Satans) ~ USA 1969
Directed By: Al Adamson
Der trampende Vietnamveteran Johnny (Gary Kent) wird Zeuge der Verbrechen eine Rockerbande, der 'Satans', deren Anführer Anchor (Russ Tamblyn) drei Menschen vor einem Wüstendiner exekutiert. Nachdem er zwei von den martialischen Rüpeln kaltgestellt hat, flüchtet Johnny zusammen mit der Kellnerin Tracy (Jackie Taylor) in die kalifornischen Berge, die Satans, welche keine Zeugen wünschen, beharrlich auf den Fersen.
Die Euphorie um "Easy Rider" war eben erst im Entstehen begriffen, da hatte es sich andernorts, nämlich in den provinziellen Drive-In-Kinos, schon im Vorhinein wieder ausgehoppert. Hier waren die Motorradfahrer noch immer so, wie man sie seit Brando als "The Wild One" im Kopf hatte und wie sie überhaupt sein mussten: Eine provokante Herde asozialer, drogenvernebelter, anarchischer Soziopathen, die nur Ärger und Gewalt kennen und die man am besten schleunigst aus dem gutbürgerlichen Wege räumt. Bezeichnenderweise übernimmt diese undankbare Aufgabe hier ein ehrenhafter Marine, der seinem bei der Armee erlernten Ehrenkodex höchst dankbar ist und sich per Kurzmonolog beklagt, dass er in Vietnam wenigstens fürs Töten bezahlt worden sei. Immerhin denkt der Gute sich ein paar effektive Methoden zur Beseitigung der Rocker aus, wenn diese sich nicht gerade gegenseitig oder selbst aus dem Weg räumen.
Bemerkenswertes gibt es auch sonst nicht wenig in "Satan's Sadists": Die eingespielten Songs sind rundherum Plagiate, zu Sam Cooke ("A Change Is Gonna Come") wird ebenso herübergeschielt wie zu den Stones ("Out Of Time"), die Drogenwarnungen sind eindringlich (wer zuviel Acid einwirft, ballert sich zwangsläufig selbst die Rübe vom Hals), die entfesselte Kamera gibt sich betont 'arty', ist aber doch bloß ziellos in ihrem wummernden Herumgeplärre, der am bösesten ausschauende Rocker Firewater (John "Bud" Cardos) entpuppt sich als der vernünftigste und Russ Tamblyn mit seiner Mütze, unter der er in Kombination mit der roten Sonnenbrille garantiert nichts mehr sehen konnte, liefert ein Porträt für die Ewigkeit.
Tiefverwurzelte Emotionen evoziert dieser Exploiter ergo leider nicht (mehr), dafür gibt's tüchtig was fürs Zwerchfell.
5/10
#1781
Geschrieben 06. Juni 2009, 09:26
Capricorn One (Unternehmen Capricorn) ~ USA/UK 1978
Directed By: Peter Hyams
Die erste bemannte Marsmission, die die NASA startet, entpuppt sich infolge fiskalischer Einsparungen als gigantischer fake: Die Rakete "Capricorn" wird zwar vor den Augen der Öffentlichkeit gestartet, landet aber im Meer statt im All. Die drei Astronauten Brubaker (James Brolin), Willis (Sam Waterston) und Walker (O.J. Simpson), die selbst bis zum Start nichts von dem Lügenmärchen wissen, werden in eine verlassene Wüstenbasis verschleppt, in der eine Marskulisse erbaut ist, wo sie die spätere Landung nachspielen sollen. Der Projektleiter Kelloway (Hal Holbrook) erpresst sie mit ihren Familien, so dass sie zum Mitmachen gezwungen sind. Derweil wird ein Houstoner Mitarbeiter (Robert Walden) stutzig ob der seltsamen Übertragungswerte auf seinem Pult. Als er das seinem Kumpel, dem Reporter Caulfield (Elliot Gould) erzählt, verschwindet er urplötzlich und auch Caulfields Leben ist bedroht. Tapfer macht dieser sich auf die Suche nach der Wahrheit.
Spannender und temporeicher Verschwörungsthriller, der in sein Medienschwindel-Konzept auch eine reichhaltige Zahl an Actionszenen einflechtet und in typischer Hyams-Manier resümierend eher etwas für die Sinne bietet denn für den Verstand. So erklären sich wohl auch die diversen faustdicken Logiklöcher, die wiederum Hyams als Drehbuchautor anzulasten sind und die bei ordentlicher Durchdachtheit sicher halbwegs plausibel hätten ausgebügelt oder doch zumindest entschuldigt werden müssen. So liegt das Gewicht eben auf den audovisuellen Aspekten der Geschichte, die Hyams dann aber in punkto Ideenreichtum gewohntermaßen mehr als zufriedenstellend bedient. In deren Mittelpunkt steht zweifelsohne die Flucht der drei festgehaltenen Raumflieger aus ihrem Wüstenknast, als sie von der letzten Konsequenz ihrer Gefangenschaft erfahren. Zwei comichafte, bedrohlich aussehende Helikopter, die ständig als ihr jeweiliges Spiegelbild umherfliegen, verfolgen sie gnadenlos durchs texanische Hinterland.
Ansonsten wäre unbedingt noch die mit etlicher Prominenz gespickte Besetzungsliste erwähnens- und lobenswert, hält sie doch neben einem wie immer arschcoolen und Kette rauchenden Gould besonders für Telly Savalas eine echte first-class-appearance bereit.
7/10
#1782
Geschrieben 06. Juni 2009, 09:50
Someone To Watch Over Me (Der Mann im Hintergrund) ~ USA 1987
Directed By: Ridley Scott
Der frisch beförderte New Yorker Detective Keegan (Tom Berenger) muss im Zuge seines ersten offiziellen Auftrags die versnobte Millionenerbin Claire Gregory (Mimi Rogers) schützen, die als einzige Zeugin eines Mordes in steter Lebensgefahr vor dem Killer Venza (Andreas Katsulas) schwebt. Obwohl Keegan glücklicher Familienvater ist, fühlt er sich von dem veredelten high-society-charme der attraktiven Dame magisch angezogen, die ihrerseits dem herben proletarischen Gestus des Polizisten verfällt. Die folgende amour fou bringt Keegan sowohl in private wie berufliche Bredouillen, derweil Venza sich näher und näher an Claire heranpirscht und schließlich auch Keegans zerbrechende Familie bedroht.
Scotts fünfter Film ist erwartungsgemäß vor allem formal interessant. Eine vortreffliche Musikauswahl (die neben einem jazzigen, von Sting eingesungenen Titeltrack von Gershwin auch zeitgenössische Popsongs und Vivaldi sowie eine gut erkennbare Reminiszenz an Vangelis' Score für "Blade Runner" enthält) begegnet direkt ins Herz der Großstadt vorstoßenden Bildern der Manhattaner Penthouse-Schicht. Die labyrinthische Topographie von Claires Apartment mit eigener Parfümerie und eigenem Ankleidestudio nutzt Scott neben seiner dramaturgischen Funktion als visuelle Reflexion des protagonistischen Emotionswirrwarrs. Zahlreiche klassische Noir-Elemente finden Verwendung, die in Verbindung mit den erwähnten Gershwin-Tunes den Film tatsächlich manches Mal in die Zeit zurückzuversetzen scheinen. Als Einrahmungs-Regisseur ist Scott, das weiß man, ein Genius. Was ihm hier jedoch zu einem vollendeten Triumph fehlt, ist zweifelsohne ein ebenso überdurchschnittliches Script. Dessen Plot, eine Kombination aus Aschenputtelgeschichte und Familiendrama, setzt die Kriminalinhalte nämlich an die sekundäre Position, was dem Film nicht guttut. Zum Thema "Überwachung" in Kombination mit aufgegebener Professionalität hatte Badhams ein Jahr älterer "Stakeout" nicht nur deutlich mehr, sondern bereits alles Wesentliche gesagt, auch wenn sein eher rustikaler Stil Scotts präzisem Auge nicht das Wasser reichen kann. Doch was nutzt eine schöne Hülle in Ermangelung innerer Originalität?
Der universelle Wert dieses Beispiels für "matter over mind" wäre also streitbar. Als Lehrstück hingegen über das Wesen seiner Entstehungsdekade ist "Someone" fast als obligatorisch anzusehen.
8/10
#1783
Geschrieben 07. Juni 2009, 11:40
A Wedding (Eine Hochzeit) ~ USA 1978
Directed By: Robert Altman
Chicago: Eine pompös aufgezogene, italienisch-jüdische Heirat geht mit diversen großen und kleinen Katastrophen einher: Der trauende Bischof (John Cromwell) ist senil, die altehrwürdige Matriarchin (Lillian Gish) stirbt am Vermählungsmorgen und keiner traut sich, was davon zu sagen, die Brautschwester (Mia Farrow) ist schwanger - eventuell vom Bräutigam (Desi Arnaz jr.), ein Großteil der Gäste sagt ab, weil der Schwiegervater (Vittorio Gassman) im Ruf steht, ein Gangster zu sein, passend dazu platzt neben den notorischen Großmäulern und Krawallmachern (u.a. Tim Thomerson, Gavan O'Herlihy, Bert Remsen) sein ungern gesehener, krimineller Bruder (Gigi Proietti) platzt in die Gesellschaft, Dr. Meecham (Howard Duff), beliebter Hausfreund, trinkt einen Bourbon nach dem anderen, die Ausrichterin (Geraldine Chaplin) ist eine hochneurotische Lesbierin, ein Onkel (Pat McCormick) macht unsittliche Anträge, die eigens engagierte TV-Journalistin (Lauren Hutton) ist ein vollendeter Tolpatsch, der übereifrige Sicherheitsdienst (u.a. John Considine) belästigt die Gäste, die Hochzeitskapelle kifft sich die Birnen weg, ein schweres Unwetter verhindert das Anschneiden der Torte und vieles mehr.
Die bitterböse und zu Unrecht häufig übersehene Gesellschaftsfarce "A Wedding" ist eines von Altmans Hauptwerken, ein modernes Pendant zu "The Philadelphia Story" und trotz der thematischen Umgewichtung beinahe so witzig wie "MASH". Altmans bekannter Inszenierungsstil mit sich überlappenden Szenen in ein- und derselben Einstellung und etlichem durcheinander und aneinander vorbei kommunizierendem Personal trägt zum allgemeinen Chaos bei- Andernorts symbolisieren strenge Bildsymmetrien (brillant in Schuss-Gegenschuss-Montagen festgehalten) den Wunsch nach einem geordneten, repräsentativen Familienfest, dem jedoch die multiplen Probleme und Problemchen der anwesenden, farbenfrohen Individuen einen gehörigen Strich durch die Rechnung machen. Ähnlich wie "Nashville" arbeitet eine nahezu unüberschaubare Anzahl von Kleinstskandalen auf eine umfassende Schlusskatastrophe hin, die dann auch tatsächlich eintritt, sich auf perverse Art jedoch als "nicht so schlimm wie befürchtet" herausstellt. Altman holt das Äußerste heraus aus seinem vielköpfigen Ensemble und sorgt mit seinem herrlich skurrilen Dialogscript für ein kleines Lachgewitter nach dem anderen. Besser kann intelligente Satire nicht sein. Ein Triumph des guten Geschmacks mit schlechten Manieren.
10/10
#1784
Geschrieben 07. Juni 2009, 12:04
Unconquered (Die Unbesiegten) ~ USA 1947
Directed By: Cecil B. DeMille
Die Neue Welt, 1763: Die Briten sind bis nach Virginia vorgedrungen. Dort befindet sich die Front nach Westen, auf dessen jenseitiger Grenze sich wilde Indianerstämme wie die Seneca unter Häuptling Guyasuta (Boris Karloff) und die Ottawa tummeln und die weiter vordringenden Siedler vehement zurückdrängen. Die wegen Mordes verurteilte Engländerin Abby (Paulette Goddard) hat die Sklaverei dem heimatlichen Strang vorgezogen und muss sich nun im vermeintlichen Land der Freiheit ihrer hellen Haut erwehren, sei es gegen die Indianer oder gegen den verräterischen Waffenhändler Garth (Howard Da Silva), der die Rothäute mit stählernen Tomahawks und Büchsen versorgt. Als Abbys Beschützer profiliert sich der wackere Captain Holden (Gary Cooper), soeben von seiner Braut verlassen und als tapferer Grenzkämpfer der Todfeind aller bösen Insmen.
Wer breitkreuzige Helden, rotschopfige Heldinnen, gemeine Indianer, leuchtendes Technicolor und Dreispitze liebt, der ist bei DeMilles naiv-reaktionärem Prä-Revolutionsabenteuer goldrichtig aufgehoben. Man muss freilich für 140 Minuten seine liberale Gesinnung und alles, was man über die fatalen Kolonialisierungspraktiken der pilgrims gelernt hat, hintenanstellen. DeMille zeichnet nämlich ein Amerika-Bild, das bestenfalls Unter-Zehnjährige noch als geradegerückt empfinden dürften und dürfen. Die Indianer sind demnach ein nichts weniger als barbarisches Volk, primitiv zwar, aber immer noch verschlagen genug, um den raumbedürftigen, nachrückenden Siedlern ihr doch gottgegebenes Recht auf den fruchtbaren Boden Amerikas streitig zu machen. Dass die natives eben zuerst da waren (es gibt eine Stelle im Film, da wird das fast wörtlich diskutiert), gäbe ihnen noch lange nicht das ewige Besitzrecht auf ihr Territorium, dass der Terminus des "Untermenschen" nicht fällt, ist eigentlich alles.
Gut also, gesinnungspolitisch betrachtet ist "Unconquered" indiskutabel, das wäre hiermit besprochen und abgehakt. Bleibt DeMilles unnachahmliches Talent, auch in ellenlanger Ausdehnung der Erzählzeit jedes Häuchlein Langeweile durch Kintopp-Knall und -Fall im Keime zu ersticken und Abenteuer auf die Leinwand zu zaubern, wie man sie heute gern als tradiert betrachtet, die jedoch in dieser Form, so behaupte ich, niemand mehr hinbekäme. Man kann den kleinen Jungen in sich wiederfinden, der im Wald oder mit Playmobil noch selbst Cowboy und Indianer gespielt hat (auf diese Suche wird auch DeMille sich begeben haben) und jenen noch einmal zu seinem alten Recht kommen lassen. Seit Jahren habe ich darauf gewartet, "Unconquered" endlich einmal wieder zu sehen, und auch wenn ich oben von seinem zugegeben doch sehr groben Holzschnitt berichtet habe, so muss ich doch gestehen: Das ist Stoff, der mich ganz tief drinnen zu berühren versteht.
8/10
#1785
Geschrieben 08. Juni 2009, 17:42
La Mariée Était En Noir (Die Braut trug Schwarz) ~ F/I 1968
Directed By: François Truffaut
Die unlustige Witwe Julie Kohler (Jeanne Moreau) hat ihren ganz persönlichen Racheplan zu erfüllen. Fünf Hallodris (Michel Bouquet, Jean-Claude Brialy, Charles Denner, Claude Rich, Michael Lonsdale) tragen nämlich die Schuld am Tod von Julies Bräutigam (Serge Rousseau), der ausgerechnet nach der Trauung und vor der Kirche von einer verirrten Gewehrkugel getroffen wurde. Die Schuldigen haben sich ihrer Fahrlässigkeit nie vor dem Gesetz gestellt und so erfahren sie ihre irdische Gerechtigkeit durch Julie, einer nach dem anderen.
Truffauts Selbstjustizdrama ist eine von jenen Arbeiten, die als überdeutliche Verbeugung vor seinem großen Idol Hitchcock gelten, auch wenn - oder gerade weil - dieser das Thema Vigilantismus nie zu seinem persönlichen Motiv auserkoren hatte. Nicht nur sind manche dramaturgische Sentenzen erkennbar, die so oder zumindest ähnlich auch bei Hitch hätten auftreten können, Truffaut nahm sich als Komponisten auch Hitchcocks Stammarrangeur Bernard Herrmann hinzu, was zur Folge hat, dass viele Assoziationen dem Zuschauer zunächst ganz unwillkürlich begegnen. Nichtsdestotrotz steckt immer noch ein deutliches französisches Übergewicht in "La Mariée", in seinem unorthodoxen Schnitt, in der Betonung der Kunst (Musik und Malerei) als existenzielles, mentales Zubrot, das gleich zwei von Julies Opfern zum Verhängnis wird. Gnadenlos bis zum Schluss, und dabei stets frei von Reue oder auch allzu unansehnlicher Grellheit klotzt die schwarze Braut rein auf dem Weg zur Erfüllung ihres Plans, und ganz unbeirrbar. Wie Truffaut.
9/10
#1786
Geschrieben 08. Juni 2009, 18:04
I Tre Volti Della Paura (Die drei Gesichter der Furcht) ~ I/F/USA 1963
Directed By: Mario Bava
Drei Episoden lehren uns Respekt vor den Schrecken des Übernatürlichen: Zunächst wird das Callgirl Rosy (Michèle Mercier) telefonisch von ihrem ehemaligen Liebhaber (Milo Quesada) drangsaliert, einem Gewaltverbrecher, der aus dem Gefängnis entflohen ist. Was Rosy nicht ahnt: Auch ihre Freundin Mary (Lidia Alfonsi) ist ihr alles andere als wohlgesonnen. Dann bekommen es eine serbische Provinzfamilie und deren Gast, ein französischer Diplomat (Mark Damon), während eines kalten Winters mit dem Wurdelak zu tun, einem Vampir, der sich ausgerechnet in Gestalt des verspätet wiedergehrten Großvaters (Boris Karloff) zeigt. Schließlich lernt eine gierige Krankenschwester (Jacqueline Pierreux) nachdrücklich, dass lange Finger nicht glücklich machen, besonders wenn das Diebesopfer einen alten Fluch mit sich herumschleppt.
Meisterlicher Episodenhorror von Bava, in dem der maestro seine Stärken so elegant und stilsicher ausspielt wie selten zuvor oder danach. Unter Verwendung (und jeweils leichter Modifikation) dreier mehr als ansehnlicher literarischer Vorbilder und Boris Karloff als Rahmenerzähler sowie schauerlich angeleuchteter Titelfigur der mittleren Episode ("Der Wurdelak") lässt Bava die Schatten und Farben tanzen, seinen Blick für noch so kleine Details walten und kreiert eine jeweils absolut passgenaue Atmosphäre, seien es Klaustrophobie, winterliche Eiseskälte oder einfach bloße Angst. Die tote Madame in der dritten Geschichte "Der Wassertropfen" macht zwar zunächst einen etwas bizarren Eindruck, spätestens jedoch als sie ihre geschlossenen Augen wieder weit aufgerissen hat, ist Schluss mit lustig, und erzähle mir niemand etwas anderes. Da ist die Gänsehaut garantiert. Auch genießt die Spannungskurve des Films die gegebene Konstellation der Gruseltriole: Die im Prinzip schwächste Geschichte "Das Telefon" hat Bava wohlweislich an den Anfang gesetzt, die atmosphärisch dichteste vom "Wurdelak" ins Zentrum und den "Wassertropfen" als Schreckensklimax ans Ende. Bleibt schließlich die herrliche Abschlusssequenz als versöhnliches Gutenachtküsschen für die Heia. Perfekte Komposition in einem von Bavas besten Filmen.
10/10
#1787
Geschrieben 09. Juni 2009, 16:36
I Nuovi Barbari (Metropolis 2000) ~ I 1982
Directed By: Enzo G. Castellari
Im "Blade Runner" - Jahr 2019 ist die Erde längst einem Atomkrieg zum Opfer gefallen und hat ihre zweitweilige Unbewohnbarkeit infolge der Verseuchung bereits wieder hinter sich gelassen. Während einzelne Gruppen von Überlebenden auf der Suche nach Zivilisationsrelikten sind, streifen andere, wie die berüchtigten "Templars" unter Vorsitz des menschenhassenden One (George Eastman), durch die Einöde, um jedes Leben zu zerstören. Dann gibt es noch die auf eigene Rechnung arbeitenden Stromer und Einzelgänger, zu denen Scorpion (Timothy Brent) und Nadir (Fred Williamson) gehören. Zusammen helfen die beiden einer braven Christensekte gegen die Templars.
Castellaris gutgelaunte Endzeitaction, beschränkt auf eine pittoreske Kiesgrube als einzigen Drehort, gehört zu den schönsten Plagiaten dieser Jahre. Eine beklemmende Stimmung, wie sie die vorbildhaften Dystopien "Mad Max" und dessen Sequel "The Road Warrior" auszeichnet, erreicht "Barbari" einerseits zu keiner Sekunde, das Schöne aber ist andererseits, dass der Film daran auch gar nicht interessiert ist. Seine Mission beschränkt sich ganz offensichtlich auf Spaß und Schau in postapokalyptischer Gewandung. Castellari wiederholt seine bei Peckinpah abgeluchsten Zeitlupe-Gegenschnitt-Kompositionen aus "Keoma" (ein Hinweis darauf, dass er "Barbari" nach eigener Auskunft als Post-Western angelegt hat), Williamson tut das einzig Wahre, das ein amerikanischer Schauspieler in einem italienischen B-Movie tun kann - nämlich gnadenlos chargieren und sich einen Dreck um ernstzunehmende Reputation scheren, und die feine italienische Mannschaft um die gestandenen Kleinkünstler Eastman aka Luigi Montefiori, Brent aka Giancarlo Prete und Castellaris älteren Bruder Ennio girolami als Ones Adlatus Shadow schließlich gibt einem den überaus befriedigenden Rest. Ein leuchtendes Feuerwerk der Simplizität, in der deutschen Vertonung wahrscheinlich noch am allerbesten.
6/10
#1788
Geschrieben 10. Juni 2009, 17:29
Lost Horizon (In den Fesseln von Shangri-La) ~ USA 1937
Directed By: Frank Capra
Robert Conway (Ronald Colman), britischer Diplomat in China, soll mit ein paar Fluchtmaschinen den überhasteten Exodus westlicher Landesgäste im Angesicht einer aufziehenden Revolution koordinieren. Auch er selbst macht sich angesichts seines in Aussicht gestellten Postens als künftiger Außenminister vom Acker. Zusammen mit vier Mitfluggästen, seinem Bruder George (John Howard), dem steifen Paläontologen Lovett (Edward Everett Horton), dem Aktienschwindler Barnard (Thomas Mitchell) und der todkranken Hure Gloria (Isabell Jewel) stellt Robert bald fest, dass nicht nur der Pilot ausgewechselt wurde, sondern zudem noch in die entgegengesetzte Richtung fliegt. Über dem Himalaya geht der Flieger schließlich herunter - und eine kleine bereits stehende Expedition geleitet die Gruppe in ein blühendes Tal, Shangri-La, in dem es keine materiellen Sorgen, Neid, Ängste oder Depressionen gibt und die Menschen daher Jahrhunderte alt werden. Während Robert sich in Shangri-La, diesem schönsten aller Utopia, bald sorgenfrei eingelebt hat und sogar für die Nachfolge des geistigen Führers (Sam Jaffe) bestimmt ist, fühlt sein Bruder sich als Gefangener und wählt irgendwann die überhastete Abreise - nachdem er Robert zum Mitkommen überredet hat.
Mit "Lost Horizon" erreicht Capras unbeirrbare Kette von filmischen Verbesserungsappellen an sein Publikum ihren einsamen Höhepunkt. Wo andere kulturelle Zirkel sich jeweils mit dem Entwerfen möglichst schreckenerregender und warnender Dystopien befassten, schuf Capra die neben "Things To Come" einzige waschechte Kino-Utopie, eine Trutzburg gegen die unweigerliche Selbstzerstörungswut des Menschengeschlechts, gegen seine Wesens- und Zivilisationskrankheiten, gegen die politischen und monetären Ungleichgewichte in aller Welt. "Sein" Shangri-La, das freilich nicht auf Capras geistigem Mist gewachsen ist, sondern dem Roman von James Hilton entstammt, ist nebenbei eine Kreuzung all dieser sozialen Ideale mit buddhistischer Philosophie und Zen-Meditation, und bietet darüberhinaus noch abendländischen Forscherpatronen und Despoten jeweils die Möglichkeit, rückständige Tibetaner (um) zu erziehen, stellt also auch die nicht zu unterschätzende Option des unerfragten und vor allem inoffiziellen Imperialismus unter dem Deckmäntelchen der Menschenliebe dar. Mir war "Lost Horizon" immer eine Spur zu "dick aufgetragen" (wie meine selige Großmutter es zu formulieren pflegte). So lang sich Capra auf seiner amerikanischen Spielwiese des Kleinstädtertums und der naiven Weltverbesserer austobte, ist er mir, ich erwähnte es schon häufiger, nicht nur stets lieber sondern richtiggehend lieb (gewesen). In "Lost Horizon" jedoch, wenngleich sicherlich formal ausgereift, von schönen Hollywood-Anekdoten umdämpft (zu viele, um sie an dieser Stelle auszubreiten) und irgendwie auch kein schlechter Hoffnungsspender, fehlen mir Subtilität, Ironie und Zynismus; Schnippisches, ohne das ich nicht leben könnte. Ebenso wie George Conway würde ich in Shangri-La irgendwann wahnsinnig werden, weil Menschen ohne jede Schlechtigkeit und ohne Neigung zur Todsünde keine Menschen mehr sind. Jedenfalls keine, mit denen ich ausschließlich zu verkehren wünschte.
6/10
#1789
Geschrieben 11. Juni 2009, 17:49
Contaminazione (Astaron - Brut des Schreckens) ~ I/BRD 1980
Directed By: Luigi Cozzi
Im New Yorker Hafenbecken kreuzt ein Frachtschiff mit überhöhter Geschwindigkeit. Nach der Bergung steht fest: Die Besatzung ist durchweg tot, ihre Leichen sehen aus, als seien sie explodiert. An Bord befinden sich außerdem Dutzende von in Kaffeekartons befindlichen, dicken grünen Eiern. Als eines von ihnen platzt und zwei der Ermittler vollspritzt, wird klar, warum die Opfer so grauslig aussehen: Das Eidotter ist hochexplosiv und lässt jedes kontaktierte Opfer sich von innen nach außen stülpen. Die Regierungsbeamtin Holmes (Louise Marleau) macht sich mit dem Polizisten Aris (Marino Masé) und dem ausgebrannten Astronauten Hubbard (Ian McCulloch), der just solche Eier auf seiner letzten Marsexpedition gesehen haben will, nach Lateinamerika auf, von wo die Kaffeekisten herstammen.
Schön schleimiger Alienhorror aus italienisch-deutscher Coproduktion. Nicht nur hatte die Münchener LISA-Film, üblicherweise für Klamauk der obersten Garde zuständig, hier ihre Finger drin, Erich Tomek, einer ihrer verdientesten Gagerfinder, schrieb sogar zusammen mit Cozzi das Script. Desweiteren findet man Siegfried Rauch und Gisela Hahn als böses Alienkollaborateurspärchen vor. Witzig. Der Regisseur selbst nahm sich, wie in jenen Zeiten aus Renomée-Gründen üblich und wie bereits für den Vorgängerfilm "Starcrash", des sich hübsch englisch lesenden Pseudonyms 'Lewis Coates' an. Vielleicht hat ihm mal ein Kompagnon oder jemand dergleichen gesteckt, dass zumindest für den deutschen Absatzmarkt der Name "Cozzi" nicht eben feinsinnig tönt. Müßige Gedanken. Was "Contaminazione" anbelangt, der sich in mancherlei Form- und Gestaltungsfragen nicht unwesentlich von Scotts "Alien" 'inspirieren' ließ, so kann man festhalten, dass es sich um schönen Italotrash handelt, der seinen zu Recht vorhandenen guten Ruf über die Jahre sehr ordentlich festigen konnte. Angesichts der in jeder Hinsicht passablen Herstellung des Films, der sich um absolute Albernheiten die meiste Zeit gut herumzudrücken weiß, ist das wie erwähnt keine Schande. Inmitten der ganzen Zombie- und Kannibalenstreifen tat und tut diese Form der extraterrestrischen Abwechslung mehr als wohl.
6/10
#1790
Geschrieben 12. Juni 2009, 06:31
Where Eagles Dare (Agenten sterben einsam) ~ USA/UK 1968
Directed By: Brian G. Hutton
Eine Gruppe britischer Agenten unter Beteiligung des US-Leutnants Schaffer (Clint Eastwood) hat den Auftrag, einen entführten Offizier (Robert Beatty) aus Schloss Adler, einer uneinnehmbaren Nazifeste in den bayrischen Alpen, zu befreien. Bereits bei der Ankunft stellt Major Smith (Richard Burton), der Leiter des Unternehmens, fest, dass es unter seinen Männern mindestens einen Verräter gibt. Verkleidet als ranghohe Wehrmachts-Offiziere und mit der Hilfe zweier Spioninnen (Mary Ure, Ingrid Pitt) schaffen Smith und Schaffer es schließlich, in Schloss Adler einzudringen.
Eine jener überlangen Studioproduktionen, die den Krieg zum Männerabenteuer mit Heldenbonus deklarierten und zugleich einer der Filme, in denen eine frühe Antizipation der Praxis stattfand, aus dem an sich leidlichen Topos eine spaßige Exploitation-Kiste zu machen mit den Nazis als dankbarste Feindbilder der Welt. Das Script dazu hat der in diesen Dingen erfahrene Trivialautor Alistair MacLean nach eigener Romanvorlage geschrieben. Die fast unentwegt bei Nacht gefilmte, alpine Kulisse mitsamt ihren tief verschneiten Hängen und vor allem dem eine grandiose Kulisse abgebenden Schloss erweist sich als dankbares Kamera-Motiv, ebenso wie Burton und Eastwood sich als schnittige Kampfesgenossen, die in den schmucken Nazi-Uniformen ironischerweise gleich nochmal eine doppelt so atttraktive Figur machen wie ohnehin schon. Burton mit seiner üblich minimalistisch-lakonischen Spielweise dominiert den Film in jeder Hinsicht, während Eastwood sich als sein support merklich im Hintergrund hält. Darüberhinaus sorgen die zahlreichen Auftritte von gestandenen Gruselstars für ein großes Hallo und lassen sich einen sich in Kombination mit dem setting manchmal glatt in einem englischen Genrefilm wähnen: Ferdy Mayne, Patrick Wymark, Anton Diffring und die bereits erwähnte Ingrid Pitt geben sich die Ehre. Dass die ganze Chose dazu noch über die komplette Distanz zu fesseln weiß, ist da fast schon mehr angenehme Dreingabe.
8/10
#1791
Geschrieben 12. Juni 2009, 06:52
The Dirty Dozen (Das dreckige Dutzend) ~ USA/UK 1967
Directed By: Robert Aldrich
1944, am Vorabend des D-Day: Die US-Admiralität weist den nicht sehr wohlgelittenen Knochen Major Reisman (Lee Marvin) an, ein wahnwitziges Kommandounternehmen zu leiten. Reisman hat den Auftrag, zwölf personell entbehrliche und mit Höchsstrafen versehene Schwerverbrecher unter dem Angebot der Amnestie aus dem Militärknast zu holen, zu schleifen und für einen Einsatz in der Bretagne, bei dem möglichst viele ranghohe deutsche Offiziere liquidiert werden sollen, vorzubereiten. Reisman bewerkstelligt es trotz aller Vorbehalte tatsächlich, aus diesem Haufen von Irren und Soziopathen eine schlagkräftige Truppe zu formen.
Aldrichs in jeder Hinsicht perfekt gestaltete Fabel gehört zu den qualitativ großartigsten und kommerziell erfolgreichsten Filmen der Sechziger. Es ist beinahe schon beängstigend, zu welcher formalen und dramaturgischen Reife sich der Regisseur spätestens mit diesem Werk führt, einem mit Stars gespickten, politisch keineswegs korrekten Kriegsfilm, bei dem das oftmals hilflos vorangestellte "Anti"-Präfix zugegebenermaßen jeder Vernunft Hohn spricht. Selbstredend ist auch "The Dirty Dozen" reißerisch und ausbeuterisch, er ist vielleicht sogar der Film, der die im vorhergehenden Eintrag zu "Where Eagles Dare" erwähnte, etwas pervers anmutende Mentalität der Naziploitation erst erfunden hat. Die finale Massenexekution der diversen SS- und Wehrmachtsköpfe, die durchaus etwas von einer Art Konzentrationslager-Behandlung aufweist, genießen jedenfalls nicht nur die ausführenden Soldaten. Dazwischen gibt es lustige Abenteuer im heimischen Feld, unter anderem ein Manöver, bei dem ein überneugieriger, korinthenkackender Intimfeind (Robert Ryan) von Reisman mit diebischer Freude eins ausgewischt bekommt. Ungeachtet der inhaltlichen Diskutabilität von "The Dirty Dozen" muss man, wie bereits konstatiert, Aldrich jedoch, speziell unter Einbeziehung des vorliegenden Exempels, allerhöchte Professionalität und vollendetes Könnertum zugestehen. Der Mann dekliniert all das durch, was ein fähiger Regisseur von der Ausnutzung des Bildformats über eine übersichtliche und knackige Darstellerführung bis hin zur effektiven Farbdramaturgie an Talent aufblitzen lassen kann. Heraus kam ein veritabler Gardemaß-Film.
9/10
#1792
Geschrieben 13. Juni 2009, 20:44
Cabin Fever ~ USA 2002
Directed By: Eli Roth
Fünf junge Leute (Rider Strong, Jordan Ladd, James DeBello, Cerina Vincent, Joey Kern) aus der Stadt wollen ein paar gemütliche Tage in einer abgelegenen Waldhütte verbringen. Die seltsamen Begegnungen mit Einheimischen werden gekrönt von der mit einem furchtbar aussehenden, kranken Landstreicher (Arie Verveen), den die fünf in ihrer Hilflosigkeit anzünden. Der daraufhin Versterbende erweist sich als sehr ansteckend und bald geht die Seuche auf alle fünf Kids über, die sich im Angesicht der Notsituation jeweils von ihrer schlechtesten Seite präsentieren.
Ob die Idee, ein paar Jugendliche an einer Art rapide ausbrechenden Beulenpest erkranken, sie topflappengroße Wunden erleiden und Blut kotzen zu lassen, einen 90-minütigen Spielfilm rechtfertigt, sei dahingestellt. Eli Roth kam es jawohl auch offenkundig darauf an, seinen diversen Vorbildern mitunter überdeutlichen Tribut zu zollen und eine provokante Splatterkomödie damit zu garnieren. Nun, zumindest dieses Ziel hat er - maßvoll - erreicht. "Cabin Fever" dürfte somit zugleich kaum als originell kategorisiert werden. Inhaltlich, thematisch oder formal setzt der Film seinem Genre nichts Neues hinzu und ist fest entschlossen, laute Kurzweil über Innovation zu stellen. Nicht weiter verwerflich, allerdings muss es dann auch erlaubt sein, die sich nicht selten verrennende Story in kritischen Augenschein zu nehmen und die etwas uneinheitlich beschriebenen Effekte der Seuche, die mal blitzschnell, mal langsam fortschreitet und im einen Fall auch psychische Manifestationen mit sich führt, während im anderen Fall nichts dergleichen passiert. Das gute alte Zombie-Bakterium ist da irgendwie dankbarer, weil durchschaubarer. Aber das war Roth, den ich nach einem in der Folge angeschauten Interview von jeglichem Verdacht, je den Pulitzerpreis zu gewinnen, freisprechen möchte, wahrscheinlich zu abgelegt. Macht nichts, weil "Cabin Fever" als Spaßbonbon noch süß genug schmeckt und ein paar gute Gags dabei sind, insbesondere die Schlusspointe mit dem alten Mann (Robert Harris) und dem Gewehr.
6/10
#1793
Geschrieben 13. Juni 2009, 21:12
Operazione Paura (Die toten Augen des Dr. Dracula) ~ I 1966
Directed By: Mario Bava
Der Arzt Dr. Eswai (Giacomo Rossi-Stuart) soll in Zusammenarbeit mit dem ermittelnden Polizisten (Piero Lulli) in einem kleinen Provinzdorf eine Obduktion an einem offenbar in längerer Tradition einer ganzen, vermeintlichen Reihe von Suiziden stehenden Todesopfer (Mirella Pamphili) durchführen. Rasch bemerkt Eswai, das mit dem ganzen Ort etwas nicht stimmt. Sämtliche Einwohner haben panische Angst vor einem geisterhaften kleinen Mädchen (Valeria Valeri), das bei seinem Erscheinen jeweils den baldigen Tod desjenigen verheißt, der es sieht. Die Spuren weisen zu dem halbverfallenen Schloss Graps respektive der dort lebenden Baroness (Giana Vivaldi).
Mit "Operazione Paura" befindet sich Bava auf seinem Schaffenszenit. Atmosphärisch beeinflusst von den britischen Hammer-Produktionen, entrückt er seinen Film selbst von Zeit und Ort. Topographisch und epochal kann das inhaltsspendende Dorf nur sehr vage eingeordnet werden, wobei diese Unmöglichkeit der präzisen Bestimmung natürlich zu Bavas Kreation zählt. All seine aus anderen Filmen bekannten Stilmittel führt der Regisseur in "Operazione Paura" zusammen: vom Einsatz von alten, von Spinnweben überwucherten Gemäuern über die bunte Set-Ausleuchtung in den dominanten Farben grün, violett und gelb bis hin zur bewussten Licht-Schatten-Trennung und weitere Spezialitäten, wie eine schneckenartig aufgenommene Wendeltreppe ins scheinbare Nichts, die Auflösung von Raumschemata oder eine von unsichtbaren Kräften betriebene Kinderschaukel. Ein einlullender Fiebertraum von einer Gruselmär ist das prachtvolle Resultat, in der die Bilder die Dominanz übernehmen und das eigentliche Geschehen der Beiläufigkeit überantwortet wird. Dieses endgültige Reifezeugnis Bavas überschreitet außerdem deutlich und ganz bewusst die Schwelle vom kommerziellen B-Film zur Kunst und markiert damit des Maestros Hauptwerk.
10/10
#1794
Geschrieben 14. Juni 2009, 08:06
The Man Who Shot Liberty Valance (Der Mann, der Liberty Valance erschoss) ~ USA 1962
Directed By: John Ford
Der in Ehren ergraute Senator Ransom Stoddard (James Stewart) kehrt nach vielen Jahren mit seiner Frau (Vera Miles) aus Washington D.C. zu seiner alten Wirkungsstätte, dem im Westen liegenden Städtchen Shinbone, zurück, um seinem alten, in einem schmucklosen Lattensarg aufgebahrten Freund Tom Doniphon (John Wayne) die letzte Ehre zu erweisen. Ein paar neugierige Zeitungsleute (u.a. Carleton Young, Joseph Hoover) möchten wissen, warum der prominente Senator ausgerechnet zum Begräbnis dieses unbekannten Mannes nach Shinbone kommt und entlocken Stoddard ein paar historische Richtigstellungen, die insbesondere mit der Erschießung eines gewissen Banditen namens Liberty Valance (Lee Marvin) zu tun haben...
Fords wunderschöner Metawestern gehört zu jener Tradition von Genre-Beiträgen, die auch historische Zusammenhänge untersuchen, die Legendenspinnerei um den romantisierten alten Westen aufs Korn nehmen und damit jeweils frisches Blut in ihre Gattung pumpten. Zwei Archetypen von Landerschließern werden gegenübergestellt, so, wie sie die Filmgeschichte, auch in dieser Personifizierung, schon 1962 seit Jahrzehnten kannte: Auf der einen Seite ist da der durch und durch idealistische, politisch und rechtsethisch ausgereifte und zu eloquenter Rhetorik fähige Vordenker aus dem Osten, der seine Ehre nur notwendigstenfalls mit der Faust verteidigt, zum anderen der kernige Westmann, der Whiskey trinkt, Selbstgedrehte raucht, und sämtliche Tugenden des unplanierten Territoriums in sich vereinigt, vom Viehtrieb über die Pferdezähmung bis hin zum gezielten Revolverschuss. Die beiden Erzrepublikaner Stewart und Wayne spielten diese so unterschiedlich angesetzten Charaktere. Ihre Freundschaft scheint wacklig, muss jedoch auf festem Fundament stehen wegen beider Rechtschaffenheit. Echte Probleme birgt da nur der einzige große evolutionäre Unsicherheitsfaktor - eine Frau. Die Kellnerin Hallie (Miles) wird von Doniphon umgarnt und von Stoddard alphabetisiert. Beide Männer reizen sie, nur sprechen sie jeweils unterschiedliche Körperregionen bei ihr an. Letztlich siegt die Vernunft und Stoddard, das Alien aus dem Osten, nimmt Hallie mit heim. Doniphons Lebensentwurf zerbricht, obgleich er Hallie vordergründig freigibt, ebenso, wie sein Herz. Seine Liebe symbolisiert sich in einer Kaktusrose, einem kargen Westgewächs, das freilich auch Hallie nie vergessen wird.
Erwähnen muss man im Zusammenhang mit "Liberty Valance" freilich noch seine Titelfigur, Vorsitzender eines Gangstertrios, zu dem noch Lee Van Cleef und Strother Martin gehören, Stolperstein auf dem Weg zur Zivilisation und das Musterbeispiel des sadistischen West-Bösewichts. Eine große - und wohlfeil genutzte - Möglichkeit für Lee Marvin, zu glänzen. Das gilt auch für die anderen kantigen Charaktere: Edmond O'Brien als versoffener, aber gescheiter und herzensguter Redakteur Peabody, Andy Devine als feiger, aber herzensguter Marshall Appleyard und Woody Strode in einer der ersten elementaren Westernparts (nach Fords "Sgt. Rutledge") für einen farbigen Schauspieler als Doniphons Adlatus Pompey. Ferner wäre ein Bericht zu diesem tadellosen Film nie komplett ohne sein berühmtes, subsummierendes Zitat: "When the legend becomes fact, print the legend", für die deutsche Fassung etwas hilflos, aber ganz hübsch übersetzt mit "Für uns sind unsere Legenden Wirklichkeit geworden". Eigentlich genügt diese Zeile, um alles zu "Liberty Valance" zu sagen.
10/10
#1795
Geschrieben 15. Juni 2009, 14:36
Apache (Massai - Der große Apache) ~ USA 1954
Directed By: Robert Aldrich
Der Apache Massai (Burt Lancaster) zählt zu den Aufständischen, die zusammen mit Geronimo (Monte Blue) die Armee auf Trab halten. Als sich Geronimo schlussendlich doch ergibt und nach Florida abgeschoben wird, stellt Massai, für den eine Entwurzelung von seinem Grund und Boden schlimmer ist als der Tod, abermals quer. Er durchreist das halbe Land zurück zu seinen heimischen Jagdgründen und bekämpft dort seinen Erzfeind Al Sieber (John McIntire) nach allen Regeln der Guerilla-Kunst. Als Massai schließlich die Liebe der Häuptlingstochter Nalinle (Jean Peters) annimmt und sich bald als werdender Vater wiederfindet, verfliegen seine Kampfesgelüste zunächst kaum merklich.
Der bittere Neo-Indianerwestern "Ulzana's Raid", der eingehend demonstrierte, wie erbarmungslos Apachen auf dem Kriegspfad vorgehen, den Aldrich genau 18 Jahre später inszenierte und in dem Burt Lancaster sozusagen jenen Part übernahm, den hier noch John McIntire spielt, ist ein später Gegenentwurf zu dem ausgesprochen pro-indianisch gefärbten "Apache". Lancaster übernahm, übrigens im Zuge einer recht sorgfältigen Milieuzeichnung, die Rolle eines der 1954 noch klassischen amerikanischen Feindbilder, nämlich die eines Indianers, und verlieh ihr Formen von Stolz, Ehre, Klugheit und Kampfgeist, wie sie bisher nur durch weiße Revolverhelden personifiziert worden waren. Zwar erscheinen manche von Massais Persönlichkeitsfacetten eher ungehobelt; zu nennen wären da seine vordergründige Geringschätzung von Frauen, sein unbändiger, indifferenter Hass auf alle Weißen und sein stoischer Kampfwille; in Anbetracht seiner Stammesherkunft und bisher gemachten Lebenserfahrungen lassen sich jedoch alle diese Ausprägungen relativieren, wenngleich nicht entschuldigen. Als Heldenfigur, wie Lancaster sie in diesen Jahren en gros verkörperte, ist Massai jedenfalls strahlend und patent genug, um rassische Vorbehalte zumindest kurzzeitig auszuschalten. Ein großes Verdienst also von Aldrich. Dessen raue Machart in Kombination mit einer kargen und sehr maskulin geprägten Charakterzeichnung war übrigens bereits damals eklatant und lässt als frühes Markenzeichen "Apache" ganz als Frühwerk des Regisseurs identifizierbar werden. Erstaunlich übrigens, wie gut sich Charles Bronsons Physiognomie eignete, um einen Indianer zu verkörpern. Bronson, der hier noch als Charles Buchinsky in den credits geführt wird, ist nämlich als verräterischer Scout Hondo zu sehen, der Massai die Gattin neidet.
8/10
#1796
Geschrieben 16. Juni 2009, 18:36
Vera Cruz ~ USA 1954
Directed By: Robert Aldrich
Um 1866 tingeln diverse Nordamerikaner, sei es aus Abenteuerlust oder um ein paar Dollar zu machen, nach Mexiko, in dem die Juaristas gegen Kaiser Maximilian von Österreich (George Macready) revoltieren. Hier begegnen sich auch die zwei Haudegen Joe Erin (Burt Lancaster), gewinnsüchtiger Schurke und Vorsitzender einer Ganovenbande und Ben Trane (Gary Cooper), Ex-Konföderierten-Offizier und von weithin edler Gesinnung. Beide lassen sich als Söldner von Kaiser Maximilian anheuern. Sie sollen vorgeblich die verräterische Comtessa Duvarre (Denise Darcel) nach der Küstenstadt Vera Cruz geleiten. Tatsächlich plant die blaublütige Dame jedoch, mit dem zeitgleich mitgelieferten Goldschatz durchzubrennen und kann sowohl Erin als auch Trane für ihre Pläne begeistern.
Noch im gleichen Jahr wie "Apache" drehte Aldrich, wiederum für Hecht/Lancaster und die United Artists, diesen deutlich höher budgetierten Abenteuerwestern. Obwohl Lancaster ursprünglich Cary Grant für die Rolle des Ben Trane haben wollte, sagte schließlich Cooper zu, ein nach wie vor zugkräftiger Name an den Kinokassen. Ohnedies weigerte sich Grant beharrlich (und zeitlebens), in einer Pferdeoper aufzutreten. Aldrichs etwas zynische und zugleich naturalistische Art, Film zu machen, schlägt hier erstmals voll durch; seine Helden sind raubeinige Halsabschneider und Egozentriker, die jedoch zumindest teilweise (im Falle von Trane) noch ein Ideal wahren. Diese etwas resignative Art der Charakterzeichnung sowie die lauten, verlustreichen Schießereien (besonders im Finale) in Kombination mit dem sonnig-staubigen Ambiente trugen "Vera Cruz" den Ruf als früher Urahn des Italowesterns ein, und in moderatem Maße kann man das tatsächlich bestätigen. Wenn der stoppelige, verschwitzte Erin an einem Hühnerbein nagt oder die beiden Antagonisten sich um die Ehre streiten, der Revolution zuzuspielen bzw. die Milliönchen selbst einzukassieren, dann ist das schon eine recht deutliche Art der Antizipation.
Was jedoch viel wesentlicher ist, ist der Status von "Vera Cruz" in Aldrichs Gesamtwerk, das an Filmen dieses Genres nicht sonderlich reich wurde. Dennoch, und das dürfte signifikant sein, gehören seine wenigen Western zu seinen Hauptwerken, da in diesen Typisierungen, ethische wie ethnische (der farbige Darsteller Archie Savage ist in einer fast makellosen Heldenrolle zu sehen) Fragen und Maskulinität auf recht filigrane Weise diskutiert werden. "Vera Cruz" macht darüberhinaus soviel Freude wegen seiner urtümlichen Westernbesetzung. Fehlen auch die Genossen eines John Ford, so gibt es doch Ernest Borgnine, Charles Bronson, Jack Elam, George Kennedy oder Henry "Scar" Brandon (in einem fast unkenntlichen Part als streng gebürsteter Kommisskopf) zu entdecken, allesamt als ganze Kerle dank Winchester.
9/10
#1797
Geschrieben 16. Juni 2009, 18:52
10 Rillington Place (John Christie, der Frauenwürger von London) ~ UK 1971
Directed By: Richard Fleischer
Notting Hill, 50er Jahre: Der Londoner Biedermann John Christie (Richard Attenborrough) ist hinter seiner freundlichen Fassade ein pathologischer Frauenmörder, der seine Opfer fast stets unter demselben Vorwand, ihnen medizinische Abhilfe zu leisten, betäubt, erdrosselt und dann ihre Leichen missbraucht. Eines seiner perfidesten Verbrechen begeht er an der naiven Jungvermählten Beryl Evans (Judy Geeson), der er anbietet, eine Abtreibung durchzuführen. Nachdem er sie und später noch ihre kleine Tochter auf die übliche Weise ermordet hat, wird Beryls Mann Tim (John Hurt), ein hoffnungsloser Naivling, vor Gericht gestellt und nicht zuletzt aufgrund Christies Falschaussage hingerichtet. Erst Jahre später kommen Christies Verbrechen ans Tageslicht.
Kurz nachdem sich Fleischer mit "The Boston Strangler" des authentischen Falles um den Serienkiller Albert DeSalvo angenommen hatte, widmete er sich unter Einbeziehung der Originalschauplätze dem noch bedrohlicher wirkenden Engländer John Christie. Christie litt im Gegensatz zu DeSalvo nicht unter einer Persönlichkeitsspaltung, sondern beging seine Morde als Triebtäter bei zumindest relativ klarem Verstand. Dabei fokussierte Fleischer inhaltlich ganz bewusst Christies Quasi-Familienauslöschung der Evans', die über Umwege zur Abschaffung der Todesstrafe in England beitrug, da man erst Jahre später erkannte und bekennen musste, mit dem dann posthum rehabilitierten Tim Evans einen falschen Mann an den Strang geschickt zu haben. Damit einher geht auch das antiquierte Problem der illegalen Schwangerschaftsabbrüche, aufgrund derer Christie Beryl Evans überhaupt erst in die Mordsituation bringen konnte. "10 Rillington Place", der London als tristes, bald schauriges Pflaster darstellt, hinter dessen spießigen Fassaden sich unbeschreibliche Gräuel abspielen, ist also nicht nur ein spannender, bedrückender, sondern zugleich ein zutiefst moralischer und liberaler Film.
8/10
#1798
Geschrieben 19. Juni 2009, 20:26
The Flight Of the Phoenix (Der Flug des Phönix) ~ USA 1965
Directed By: Robert Aldrich
Ein mit 13 Passagieren besetztes Verkehrsflugzeug stürzt mitten in der Sahara ab. Hitze und Wasserknappheit machen den Männern, die nicht alle mit der Situation umgehen können, zu schaffen. Die beiden Piloten Townes (James Stewart) und Moran (Richard Attenborough) behalten zwar einen relativ kühlen Kopf, können aber nicht verhindern, dass manche der Unglücksopfer einfach durchdrehen. Da kommt der deutsche Ingenieur Dorfmann (Hardy Krüger) auf die rettende Idee, aus dem Fliegerwrack ein behelfsmäßiges Ersatzflugzeug zu konstruieren.
Ein wunderbar lässig ausgeloteter und erzählter Abenteuerfilm, von Aldrich mit großer Profession und Gleichmut inszeniert. Ihre hohe innere Spannung bezieht die Geschichte aus der höchst heterogenen Gruppe von Männern (für Frauencharaktere gibt es bei Aldrich einmal mehr keinen Raum), die da zu Absturzopfern werden. Sie alle begegnen ihrem Schicksal, das bald nach einem unabwendbaren Verdurstungstod aussieht, mit ganz unterschiedlichen Reaktionen. Militärischer Schneid (Peter Finch), dumme Sprüche (Ian Bannen), Hilfsbereitschaft (Dan Duryea), Bösartigkeit (Ronald Fraser), Wahnsinn (Ernest Borgnine), sämtlich vorhanden und insofern reichliche Ressourcen für psychologisch recht stimmig wirkende Analysen. Stewart und Attenborough als Moderatoren der Situation haben es da trotz hoher Gelassenheit noch am schwersten. Und wie schön, den Phönix trotz der vielen Entbehrungen und Toten am Ende jedes Mal doch wieder fliegen zu sehen. Klassefilm.
9/10
#1799
Geschrieben 19. Juni 2009, 20:58
Duel In The Sun (Duell in der Sonne) ~ USA 1946
Directed By: King Vidor
Nach dem selbst herbeigeführten, gewaltsamen Tod beider Eltern kommt das junge Halbblut Pearl Chavez (Jennifer Jones) zu Freunden auf deren texanische Großranch. Laura Belle McCanles (Lilian Gish) ist die Gattin des altehrwürdigen 'Senators' (Lionel Barrymore), eines verbitterten Patriarchen, der sein Gut mit eiserner Hand führt. Das Ehepaar hat zwei sehr unterschiedliche Söhne, den liberal gesinnten, gerechtigkeitsliebenden Jesse (Joseph Cotten) und den etwas jüngeren Lewt (Gregory Peck), der nur Frauen und Vergnügen im Kopf hat und seinem Vater als 'ganzer Kerl' zugleich der liebere ist. Als sich beide in Pearl verlieben, beginnt der Stern der McCanles langsam empfindlich zu wackeln.
Zwar wird King Vidor als offizieller Regisseur der Selznick-Produktion "Duel In The Sun" geführt, tatsächlich arbeiteten jedoch nicht weniger als sieben Filmemacher daran, darunter prominente Namen wie William Dieterle und Josef von Sternberg. Auch Selznick selbst hat manche Hand an das Resultat gelegt. Was in diesem Zusammenhang nachhaltig verwundert, ist das hohe Maß an äußerer Geschlossenheit, das den Film bei aller Animosität hinter der Kamera auszeichnet. Von jener lässt sich nichts mehr feststellen. "Duel In The Sun" ist inhaltlich kaum mehr als aufregend-wallender pulp und wesentlich ein Film der Bilder, Asoziationen und Gefühle, oft rauschhaft illustriert in leuchtendem Technicolor mit Sonnenuntergängen wie Feuersbrünste, blauem Himmel, brauner Haut, vollen roten Lippen und überhaupt ungebrochener Sinnlichkeit. Seine libidinös aufgeladene Atmosphäre ließ ihn viele Historiker dem Erotik- statt dem Westerngenre zuordnen, was ich allerdings für etwas blödsinnig halte. Zwar ist die von reiner Körperlichkeit geprägte amour fou zwischen Peck und Jones das tragende Element des Films, seine zahlreichen Paradiskurse machen ihn in ihrer Summe jedoch zu einem sogar erstklassigen Western. Der Bau der Eisenbahn mit Chinesen als billigen Arbeitskräften, die Landgeilheit der Großrancher, Rassismus, Archaik, Dynastienniedergang und den gemächlichen Zivilisationseinbruch thematisiert "Duel In The Sun". Der Dialog indes und die Figurenzeichnung bleiben vordergründig, simpel und schwülstig und lassen runde sechzig Jahre später unwillkürliche Parallelen keimen. So oder so ähnlich muss man sich wohl einen "Showgirls" im Wildwest-Format vorstellen. Sogar einen überzeichneten "Sündenreinwascher" im Talar gibt es - vorzüglich interpretiert von Walter Huston. Dabei hat Selznick noch mehr Geld in diesen Film gepumpt als in sein sieben Jahre zuvor entstandenes Vorzeige-Epos "Gone With Wind". "Duel In The Sun" jedoch war und ist vorsichtig ausgedrückt zu lasziv, um retrospektiv einen auch nur annähernd ähnlichen Status zu bekleiden - auch wenn er mir persönlich deutlich mehr gibt. Zudem bekommt man die Gelegenheit, den ewigen Saubermann Peck in einer seiner wenigen abgründigen (und dazu lustvoll gespielten) Darstellungen zu begutachten.
9/10
#1800
Geschrieben 21. Juni 2009, 06:06
California Suite (Das verrückte California-Hotel) ~ USA 1978
Directed By: Herbert Ross
Ganz Los Angeles ist auf den Beinen - die Oscar-Verleihungen stehen vor der Tür. Nominiert ist unter anderem die neurotische englische Aktrice Diana Barrie (Maggie Smith), die mit ihrem nicht-schauspielernden Mann Sidney (Michael Caine) anreist. Im selben Hotel wie sie logiert noch der jüdische Familienvater Marvin Michaels (Walter Matthau), der zur Bar Mitzvah seines Neffen in der Stadt ist. Da er einen Tag früher als seine Frau (Elaine May) vor Ort ankommt, meint Marvins Bruder (Herb Edelman), ihm mal eine "gute Zeit" verschaffen zu müssen. Derweil streitet sich die versnobte New Yorkerin Hannah Warren (Jane Fonda) mit ihrem mittlerweile in Kalifornien lebenden Exmann Bill (Alan Alda) um den künftigen Aufenthalt ihrer gemeinsamen Tochter (Dana Plato). Am schlimmsten trifft es allerdings die beiden Chicagoer Ärzte Dr. Panama (Bill Cosby) und Dr. Gump (Richard Pryor), die mit ihren Frauen (Gloria Gifford, Sheila Frazier) anreisen, ein Missgeschick nach dem anderen erleben und sich zunehmend gegenseitig auf die Nerven fallen.
Sein Talent zur pointierten Dialogschreiberei kann der Primär-Theaterautor Neil Simon mit dem episodisch angelegten Ensemblefilm "California Suite" sehr schön zur Geltung bringen. Bei jenem handelt es sich um eine Quasi-Fortsetzung zu dem von Simon ganz ähnlich konstruierten, auf einem Stück basierenden "Plaza Suite", wobei dieser jedoch in New York angesiedelt ist. Für "California Suite" begab man sich also an die Westküste, nahm zahlreiche Klischees des golden state unter die Lupe und ließ sie von einer durchweg tadellos aufspielenden Besetzung durchleiden oder wahlweise auf den Kopf stellen. Ganz Los Angeles scheint nur auf den nackten Goldjungen ausgerichtet - oder eben Strand, Sonne, hübsche Mädchen, Drinks und was noch so dazu gehört. Als waschechter New Yorker jammert man über das dauerhaft schöne Wetter, als Londoner hat man hier nichts Passendes zum Anziehen. Kommt man als gestresster Mediziner aus Chicago, muss man indes damit rechnen, noch gestresster wieder nach Haus zu fliegen.
Doch auch ein paar kleine Schwächen hat "California Suite". Im Gegensatz zu einem Altman vermögen Ross und Simon es nicht, ihre vier Geschichten gleichberechtigt auszuwiegen und nebeneinander zu stellen, wo der Meister jeweils nur Einstellung für Einstellung filmt, können die "California Suite" - Köpfe nicht umhin, ganze kohärente Szenenabfolgen nacheinander zu liefern und stellen etwa die Story um die Warrens zu Beginn so dominant heraus, dass ihr Pulver bald verschossen ist und sie in der zweiten Hälfte des Films (erst ganz zum Schluss wieder) gar nicht mehr erscheinen. Andererseits werden die lustigen Episoden um Matthau und seinen sexgeilen Bruder jeweils nur angerissen. Die Komposition hapert also ein wenig und bedürfte noch einiger Schule beim Meister. Ansonsten aber ein netter Zeitvertreib.
7/10
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