In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1831
Geschrieben 09. Juli 2009, 08:04
Bullet ~ USA 1996
Directed By: Julien Temple
Butch Stein (Mickey Rourke), genannt 'Bullet' kommt, frisch aus dem Knast entlassen, zurück in sein altes Brooklyner Viertel. Da er sich keine eigene Wohnung leisten kann, allenthalben einen Schuss benötigt und von sauberer Arbeit generell nichts hält, zieht er wieder bei seinen Eltern (Jerry Grayson, Suzanne Shepherd) ein, die auch noch Bullets zwei Brüder beherbergen. Der ältere, Louis (Ted Levine) ist ein hochgradig geschädigter Kriegsneurotiker, Ruby (Adrien Brody), der jüngere, verschönert als brotloser Künstler mit seinen Graffitis die Nachbarschaft. Zusammen mit seinem Kumpel Lester (John Enos III) macht Bullet die Gegend unsicher, kommt jedoch bald seinem alten Intimfeind Tank (Tupac Shakur), dem Boss des Viertels, in die Quere.
Ein Film, den halbwegs angemessen zu beurteilen ich recht schwierig finde. Zwar denke ich schon, dass Temple sein angestrebtes Ziel erfüllt hat, nämlich jenes, die Sackgassen-Existenz eines verkorksten Fixers und seiner Stellung innerhalb der versagenden Familienstrukturen zu bebildern; zum anderen glaube ich nicht so recht, dass ihn seine Figuren nur so beiläufig interessiert haben wie es im fertigen Film den Anschein macht. Vielleicht ging es darum, Bullet, der auf dem Weg in die sichere Selbstzerstörung Potenz und Selbstachtung einbüßt, nicht zu viele Sympathien angedeihen zu lassen, um sein ohnehin vorgezeichnetes Schicksal möglichst unspektakulär zu gestalten. Dabei geht Temples Arbeit aber eine innerhalb seiner Grenzen wirknotwendige Ingredienz verloren: Das Mitgefühl des Zuschauers. Es kann und sollte wohl kaum so sein, dass es unsereinem letztendlich scheißegal ist, was im Film und mit seinem Personal geschieht. Diese etwas anarchische "Laisser-faire"-Einstellung hat zur Folge, dass "Bullet" als Milieuporträt zwar einen brauchbaren Anschein macht, er seine Charaktere aber allesamt zugunsten dieser übergeordneten Perspektive aus den Augen zu verlieren scheint. Da werden dann gute Schauspieler unter ziemlich eitler Ägide einfach so verheizt. Interessant übrigens in diesem Zusammenhang, dass Mickey Rourke noch 96 fast genauso aussah wie zehn Jahre zuvor und zehn Jahre später nun das Antlitz eines Königsberger Klopses hat. Was da unterdessen vorgefallen ist, habe ich noch nicht so ganz spitzgekriegt.
6/10
#1832
Geschrieben 09. Juli 2009, 08:25
Intruder (Bloodnight) ~ USA 1989
Directed By: Scott Spiegel
Leben und Sterben im Convenience Market: Jener soll bald geschlossen werden und daher müssen die Angestellten eine zusätzliche Nachtschicht schieben, um sämtliche Artikel mit 50%-Schildchen auszuzeichnen. Craig (David Byrnes), der soziopathische Exfreund der Kassiererin Jennifer (Elizabeth Cox), hängt derweil vor dem Laden rum und drinnen fängt ein wahnsinniger Mörder an, die Mitarbeiter abzuschlachten. Hat vielleicht Craig sich Zutritt zum Supermarkt verschafft?
Sehr hübscher, ironischer Indie-Slasher aus dem Dunstkreis um Sam Raimi (der selbst im Film mitspielt - als Metzger). Spiegel beleuchtet ganz bewusst die zwingende Einfalt von Filmen wie seinem eigenen, degradiert sämtliches dramaturgisches Beiwerk zu einem vorsätzlich uninteressanten Geplänkel, wählt den wahrscheinlich denkbar langweiligsten (aber technisch funktionalsten Ort) für seine Späße, hält quälende Ewigkeiten hinterm Berg und lässt seine Supermarkt-Geschichte wie eine 08/15-Soap beginnen. Schließlich verbrät er diverse visuelle Einfälle, die zumeist auf möglichst ungewöhnliche Kameraeinstellungen rekurrieren. Wer an "Intruder" denkt, denkt in der Regel daran, einem Säugling gleich in einem Einkaufswagen zu hocken, durch dessen Gitter zu schielen und durch irgendwelche Gänge geschoben zu werden. Irgendwann schlägt die F/X-Sense dann umso härter zu und setzt mit jedem weiteren kill noch eins drauf. Die von KNB stammenden Effekte sind geradezu ungehörig und zählen mit zum Anschaulichsten, was der Metzelfilm in den Achtzigern zu bieten hatte. Umso legendärer die Veröffentlichungsgeschichte bei uns, die wir natürlich keinesfalls in der Lage waren, den allgemeinen Witz der Geschichte zu erkennen: Es existierte nämlich neben der um sämtliche Goreelemente erleichterten Videothekenfassung von CIC auch eine ungekürzte Pressecassette, die damals kurzzeitig zum Heiligen Gral der Videosammler avancierte. Die Zeiten von österreichischen Bootlegs und Stielaugen Richtung Importmarkt waren eben noch ferne.
Mir gefällt "Intruder" nach wie vor gut, eidieweil er lange vor Beiträgen wie "Scream" bereits einen zugleich selbstreflexiven und den Blutdurst zufriedenstellenden Film abgibt und in diesem Zusammenhang nachgerade wunderbar mit seinem Publikum zu spielen versteht.
7/10
#1833
Geschrieben 10. Juli 2009, 12:35
Attack (Ardennen 1944) ~ USA 1956
Directed By: Robert Aldrich
Belgien, Zweiter Weltkrieg. Die Fox Company unter Captain Cooney (Eddie Albert) befindet sich in einer tiefen moralischen Krise: Ihr Kommandant ist ein ausgemachter Feigling, den seine Männer um den Preis seines persönlichen Wohls nicht scheren und der lediglich seinen Rang bekleidet, weil er ein Protegé des Oberbefehlshabers Colonel Bartlett (Lee Marvin) ist. Zu Beginn der Ardennen-Offensive erhält die Fox Co. dann den Auftrag, eine strategisch wichtige Stadt zu nehmen. Lt. Costa (Jack Palance) schwört Cooney, dass, sollte er sein Battalion nochmals im Stich lassen, Costa persönlich mit ihm abrechnete. Tatsächlich kommt es wie es kommen muss; Cooney erweist sich einmal mehr als vollkommen überfordert und unfähig.
Einer der ersten Studio-Kriegsfilme, denen das "Anti"-Präfix wenigstens in Maßen zukommt. Zwar inszenierte auch Aldrich in erster Instanz einen Actionfilm im martialischen Kriegs-Anzug, die basale Haltung von "Attack" jedoch ist eine klar ablehnende, was kämpferische Auseinandersetzungen im Feld anbelangt. Im Zentrum steht die von Eddie Albert vorzüglich gespielte Figur des Captain Cooney, dessen panische Feigheit sich letzten Endes als tiefe Neurose pathologischen Ausmaßes erweist. "Feigheit und Mut, das sind doch angeborene Eigenschaften. Ich habe es mir nicht ausgesucht, feige zu sein", erklärt Cooney, mit den neuerlichen Konsequenzen seiner Unfähigkeit konfrontiert. Ein immens tragischer, weil immens menschlich gezeichneter Charakter, dem nicht nur jegliches im Kriegsfilm übliche Heldentum abgeht, sondern der zugleich noch in Situationen klarer Übermacht einen unangenehmen, herrischen Sadismus entwickelt. Das einprägsamste Bild jedoch liefert "Attack" gleich zu Anfang: Der Helm eines zuvor erschossenen Soldaten rollt einen Abhang hinunter und bleibt unmittelbar neben einer Blume liegen.
9/10
#1834
Geschrieben 10. Juli 2009, 12:51
Visiting Hours (Das Horror-Hospital) ~ CAN 1982
Directed By: Jean-Claude Lord
Die sich leidenschaftlich für Gewaltlosigkeit und gegen Frauenmisshandlungen engagierende TV-Talkerin Deborah Ballin (Lee Grant) sieht sich eines Tages selbst einer gewaltsamen Attacke durch den misogynen Psychopathen Colt Hawker (Michael Ironside) ausgesetzt, der bereits mehrere Opfer auf dem Gewissen hat. Als Hawkers erster Anschlag auf Deborah misslingt, verfolgt er sie ins Krankenhaus, begeht dort weitere Morde und bedroht schließlich noch das Leben der Deborah freundschaftlich zugetanen Krankenschwester Sheila (Linda Purl).
Der dritte zu Beginn der Achtziger entstandene, in einem Krankenhaus angesiedelte Horrorfilm neben "Halloween II" und "X-Ray". Im Gegensatz zu diesen beiden recht nachdrücklichen Slashern gibt sich "Visiting Hours" zurückhaltend, was die Zurschaustellung seiner Gewaltaspekte anbelangt und lässt sich vornehmlich im Suspense-Bereich kategorisieren. Der Film bemüht sich zudem, seinem stalkenden Bösewicht ein glaubhaftes psychologisches Fundament zu verleihen und dessen Frauenhass durch Rückblicke in die Kindheit zu erklären - ein verhältnismäßig zweckloses Unterfangen, da jene Erinnerungsfetzen recht mysteriös bleiben, nicht eindeutig abklären, ob eine Misshandlung durch den Vater vorlag und auch sonst eher zielbefreit wirken. Einen deutlich kompetenteren Eindruck machen da die Spannungssequenzen, die, obgleich auch sie häufig einer konkreten inneren Logik entbehren, wirklich fesselnd gemacht sind und als veritable Nägelkauer durchgehen. William Shatner, der den Film durch sein Antlitz "veredelt", scheint ziemlich deplatziert als offenbar unerlässlicher, männlicher Protagonist, der aber im Prinzip rein gar nichts zu tun hat, außer hier und da ein paar beruhigende Worte zu sprechen.
5/10
#1835
Geschrieben 12. Juli 2009, 08:07
Dracula Cerca Sangue Di Vergine... E Morì Di Sete!!! (Andy Warhols Dracula) ~ I/F 1974
Directed By: Paul Morrissey
Rumänien, um 1920: Graf Dracula (Udo Kier) leidet an Anämie und droht zu verdursten, wenn er nicht bald das Blut einer Jungfrau trinken kann. Sein Diener Anton (Arno Jürging) rät dem Grafen dringend, nach Italien zu reisen, da die Mädchen dort streng katholisch erzogen würden und daher mit schneller Abhilfe zu rechnen sei. Widerwillig lässt sich Dracula darauf ein, seinen Familiensitz zu verlassen. In Italien angekommen, kundschaftet Anton aus, dass die ehrwürdige Familie des Marchese Di Fiore (Vittorio De Sica) mit vier jungen, heiratswilligen Töchtern im Hause wie geschaffen für den Grafen scheint. Anton lädt sich mitsamt seinem Herrn auf den Sitz der Di Fiores ein, nicht ahnend, dass zumindest zwei der Damen im Hause (Stafania Casini, Dominique Darel) mitnichten Jungfrauen sind, lassen sie sich doch regelmäßig von dem klassenkämpferischen Hausfaktotum Mario (Joe Dallesandro) 'rannehmen.
Dracula sucht Jungfrauenblut... und verdurstet!!! Morrisseys wundervoller Film zeigt den bemitleidenswertesten Aristokraten-Nosferatu aller Zeiten. Jeder Schrecknis beraubt, muss Udo Kier in der Rolle des Grafen permanent jammern, schluchzen, würgen und kotzen, wenn er seine Zähne mal wieder am Halse einer verdorbenen Nymphomanin gewetzt hat. Von Bedrohlichkeit keine Spur mehr. Die interessiert Morrissey aber auch gar nicht. Sein Film ist das schick-frivole Porträt einer im Umsturz begriffenen Gesellschaft; um Vampirismus oder gar den stoker'schen Grafen Dracula geht es bestenfalls sekundär. Viel interessanter erscheint da das schleichende Aufbegehren des politisch neugebildeten Proletariers Mario (Dallesandro: "Ich lese. Bücher, keine Romane." Kier: "Bücher! Ich kann mir vorstellen, was für Bücher..."), der bereits damit beginnt, die blaublütige Familienehre zu unterminieren, indem er mittels seiner sexuellen Potenz schon zwei Haustöchter "ungeeignet" für den Übergang in eine keusche Ehe gemacht hat. Hammer und Sichel zieren als rotes Graffito seine rohverputzte Schlafzimmerwand, vor der er sich mit den ausgesprochen attraktiven Damen Casini und Darel tummelt. Wo Dallesandro innerhalb seiner bescheidenen mimischen Möglichkeiten bleibt, liefern Kier und Jürging jeweils Beispiele für gnadenloses overacting, rollen mit den Augen, machen jede ausgesprochene Silbe zu einem kleinen Poem und sterben jeweils schön spektakulär. Kiers Kotzszene über der Badewanne, nachdem er die "verhurte" Saphiria ausgesaugt hat, gilt mittlerweile als legendär.
Morrissey inszeniert mit viel Witz und Geschick, lässt die Farben leuchten und seinen Drehort, einen serbischen Herrensitz, mit all seinen Gemälden und Fresken vortrefflich zur Geltung kommen. In Gastauftritten sind der besagte De Sica und Roman Polanski zu sehen. Die Frage, ob das alles zusammengenommen Camp oder Kunst ist, habe ich für mich längst beantwortet.
9/10
#1836
Geschrieben 12. Juli 2009, 08:31
Assault On Precinct 13 (Assault - Anschlag bei Nacht) ~ USA 1976
Directed By: John Carpenter
Nachdem die Polizei in Los Angeles sechs Gangmitglieder niedergeschossen hat, rotten sich die Bandenbosse zusammen, schließen einen Blutpakt, das 'Cholo', und treten die komplette Anarchie los. Das 13. Revier in Anderson, einem Brennpunkt innerhalb der Stadt wird zum Ziel ihrer Aggressionen, nachdem sich dorthin ein Vater (Martin West) flüchtet, der kurz zuvor die Ermordung seiner kleinen Tochter (Nancy Kyes) gerächt hat. Das Revier ist in der endgültigen Schließung begriffen, daher befinden sich nur noch wenige Personen dort. Der noch unerfahrenene Polizei-Lieutenant Bishop (Austin Stoker) gehört ebenso dazu wie der Schwerverbrecher Napoleon Wilson (Darwin Joston), der eigentlich auf dem Weg ins Gefängnis ist und sich im Angesicht der Gefahr als echter Held erweist. Zusammen erwehrt man sich der gesichtslosen Übermacht so gut es geht.
Gleich Carpenters zweiter Feature-Film, wie "Dark Star" noch unter unabhängigen Bedingungen entstanden, gibt sich als bemerkenswert sicher und minutiös inszenierter Thriller, der erfolgreich die Reduktion zum obersten Stilprinzip erhebt und zugleich als große Hommage an Howard Hawks im Allgemeinen sowie an "Rio Bravo" und dessen Belagerungsthematik im Speziellen angelegt ist. Carpenter, der fast sämtliche wesentlichen Arbeiten an dem Film im Alleingang erledigt hat, nennt sich als sein eigener Cutter 'John T. Chance' - John Waynes Rollenbezeichnung in "Rio Bravo". Es verwundert beinahe, dass Bishop und Wilson, nachdem sie sich trotz ihrer gesetzlichen Jenseitigkeit gegenseitigen Respekt bekundet haben, nicht Klampfe und Mundharmonika zücken und "My Rifle, My Pony And Me" anstimmen. Nun, etwas abträglich wäre das der Düsternis des Films vermutlich schon bekommen... Meisterlich indes, wie Carpenter eine Atmosphäre permanenter Bedrohung kreiert. Der Kniff liegt wohl darin, seine 'Armeen der Nacht' fast vollkommen in der Anonymität verharren zu lassen. Nur ganz wenige Gesichter sind zu sehen und niemand von ihnen spricht ein Wort, wie man es sonst von jugendlichen Film-Renitenten als Spucker großer Töne gewohnt ist - Carpenters Gangs haben etwas 'zombieeskes' an sich. Damit liegt "Assault" auch relativ dicht an der phantastischen Hermetik eines "Night Of The Living Dead".
"Assault" ist ein erhebend fehlerfreies und beständiges Beispiel dafür, wie großartig selbst genreverhaftet erstelltes Independent- und Autorenkino aussehen kann, wenn nur der richtige Kopf die Knöpfe bedient.
10/10
#1837
Geschrieben 13. Juli 2009, 08:13
Cocaine Cowboys ~ USA 2006
Directed By: Billy Corben
Für seine Dokumentation über Miami als damaliger Knotenpunkt für den Kokain-Traffic von Kolumbien in die Vereinigten Staaten recherchierte Corben die wesentlichen Begebenheiten zwischen 79 und 86 und interviewte ein paar der Personen, die den in dem Sonnenstaat Florida tobenden Drogenkrieg seinerzeit überlebt haben. Dazu gehören der mittlerweile wieder auf freiem Fuß befindliche Großdealer Jon Roberts, sein Kompagnon und Pilot Mickey Munday sowie der kolumbianische Killer Jorge "Rivi" Ayla, der im Auftrag der zum Medellin-Kartell gehörenden Drahtzieherin Griselda Blanco diverse Menschen umbrachte und das Gefängnis vermutlich nie mehr verlassen wird. Faszinierend sind allerdings weniger die umschriebenen Auf- und Abstiege innerhalb der Kokain-Hierarchie und das dazugehörige Leben und Sterben im 3/4-Takt als vielmehr die ökonomischen Möglichkeiten, die das Drogengeschäft in die Staaten brachte. In Florida wurden zur Zeit der großen Dealer Millionen und Abermillionen mit Luxusartikeln wie Limousinen, Schmuck, Grundstücken und Immobilien gescheffelt mit Geld, das wiederum fast komplett aus der Szene stammte, nachdem es beim panamaischen Diktator Noriega einer Wäsche unterzogen worden war.
Corbens Stil ist schnell, dramatisch und emotional, begrüßenswerterweise, angesichts des Themas. Als realitätsverpflichtete Ergänzung zu De Palmas "Scarface" und natürlich der Serie "Miami Vice" für dahingehend Interessierte somit dringend anzuraten.
8/10
#1838
Geschrieben 13. Juli 2009, 08:40
Gran Torino ~ USA 2008
Directed By: Clint Eastwood
Walt Kowalski (Clint Eastwood), frischgebackener Witwer und Koreakriegsveteran, ist außerdem ein verbitterter alter Zyniker voller Fremdenhaß, den seine zwei Söhne (Brian Haley, Brian Howe) am liebsten umweglos ins Seniorenheim stecken würden. Sein größter Stolz ist ein Ford Gran Torino, Baujahr 72, an dem Kowalski seinerzeit selbst am Fließband mitgeschraubt hat. Als im Haus neben ihm die Hmong-Familie Lor einzieht, beäugt der alte Grantler das zunächst mit widerwilligem Blick, der sich noch verschärft, als Filius Thao (Bee Vang) als Aufnahmeritual für eine Gang versucht, Kowalskis Ford zu stehlen. Thaos Schwester Sue (Ahney Her) erweicht jedoch schließlich Kowalskis altes Herz und selbst zu Thao baut er eine umwegige Freundschaft auf. Die Gangster lassen Thao und seine Familie aber nicht in Ruhe. Kowalski sieht nur eine endgültige Lösung für das Problem...
Aus "Dirty Harry", ein Jahr älter als Walt Kowalskis Gran Torino, stammt das berühmte Zitat "Harry hates everybody: Limeys, Micks, Hebes, Fat Dagos, Niggers, Honkies, Chinks, you name it". Auch wenn Callahan diese Umschreibung durch einen Kollegen gleich darauf augenzwinkernd relativiert, ein Fünkchen Wahrheit steckt angesichts des Inspektors wütenden Wesens garantiert darin. Wie beinahe jeder seiner Charaktere ist nun auch der Walt Kowalskis wesentlich ein gealterter Harry Callahan, der sich in diesem Falle eben nicht als gesetzter Privatdetektiv oder Boxtrainer verdingt, sondern seinen Lebensabend permanent kopfschüttelnd inmitten eines mittwestlichen ethnischen Schmelztiegels verlebt, eine schwere alte Kriegsschuld auf dem Buckel und mit der inneren Gewissheit, nicht mehr lange zu leben. Seine selbstherrliche Familie mit den rotzigen, verwöhnten Teenager-Kindern fällt ihm auf den Wecker, auch der jungenhafte Gemeindepastor (Christopher Carley) schafft es kaum, Kowalskis Schale aufzubrechen. Erst eine Aufgabe braucht er - wie alle alten Leute, die spüren, dass ihre irdische Funktionalität im Auslaufen begriffen ist. "Gran Torino" ist also ein Film über das Altwerden und über würdevolles Sterben, auch und insbesondere aber über die Dringlichkeit, sich und der Welt verzeihen zu können. Die Wehmut überfällt einen erwartungsgemäß, auch wenn das Sujet Eastwood nun schon seit Jahren umtreibt. Vielleicht wollte er seinen vielen Figuren damit noch einen letzten großen, versöhnlichen Markstein errichten, sich entschuldigen für all die Filmleichen, die im Namen republikanischer Gerechtigkeit auf ihre Konten gingen und etwas beweisen, was aufmerksame Zuschauer ohnehin längst wissen: dass nämlich hinter der noch immer granitharten Brustplatte des 1,90-Senioren ein Herz für die Menschen schlägt.
8/10
#1839
Geschrieben 14. Juli 2009, 08:58
Darkman ~ USA 1990
Directed By: Sam Raimi
Weil seine Freundin, die Reporterin Julie Hastings (Frances McDormand), im Besitz eines belastenden Memorandums ist, das dem Baulöwen Strack (Colin Friels) gefährlich werden könnte, wird der Wissenschaftler Peyton Westlake (Liam Neeson) zum Opfer eines Anschlags. Diesen führt Stracks Handlanger Durant (Larry Drake), ein sadistischer Killer mit eigener Fingersammlung, mitsamt seiner Gang durch. Fürchrterlich entstellt überlebt Westlake, der zuvor an einem synthetischen Hautersatz gearbeitet hat, die Explosion seines Labors und landet zunächst ganz anonym in einem Krankenhaus. Dort werden im Zuge einer neuen Schmerztherapie seine Nervenenden durchtrennt, was zugleich zur Folge hat, dass seine Emotionen zunehmend unkontrolliert werden. Westlake flieht, verbirgt sich künftig vor der Außenwelt und rächt sich mittels seiner Wissenschaftsergebnisse an Durant und Strack.
Bei Raimis comicesker Rächermär handelt es sich um die erste Studioproduktion des Regisseurs. Dass er für funktionale Horrorfilme mit wesentlich geringerem Budget hauszuhalten verstand, bewies Raimi zuvor bereits zur Genüge und so wurde aus "Darkman" ein nicht ganz lupenreiner Actionfilm mit gewissen Bezügen zum Horrorgenre. Dabei erweist sich besonders das Gespür für überbordernde Visualität als virtuos: Raimi lässt teilweise bis zu drei, vier Bildebenen sich überlagern und perfektioniert die Rückprojektionstechnik noch auf ihre späten Tage, indem er sie ganz bewusst als Stilmittel für seine bildlichen Spielereien benutzt. Selbstverständlich geschieht der Einsatz alldessen in erster Instanz, um den Eindruck einer Comicverfilmung zu erwecken, eine filmische Disziplin, die gerade ein Jahr zuvor durch Tim Burtons "Batman" zu neuer Popularität gelangt war. Deren Erfolg war es vermutlich auch zu verdanken, dass die Universal, zugleich ohnehin klassischer Hort aller Filmmonster, für Raimis nötigen Rückenwind sorgte. Mit Danny Elfman beschaffte der Regisseur sich gleich denselben Komponisten, der bereits für die idiosynkratischen "Batman"-Klänge verantwortlich zeichnete und diese in "Darkman" eigentlich nurmehr variierte. Der Regisseur setzte auf dieselbe audiovisuelle Melange aus anarchischer Ausgelassenheit und atmosphärischer Düsternis wie sein Kollege Burton.
Wie es sich für einen Film aus dieser Ecke ziemt, gibt es zudem ein paar wunderbare Gastauftritte von den Genre-Gespielen John Landis, William Lustig und Jenny Agutter.
8/10
#1840
Geschrieben 14. Juli 2009, 09:18
The Midnight Meat Train ~ USA 2008
Directed By: Ryûhei Kitamura
Der Kunstfotograf Leon Kauffman (Bradley Cooper) wünscht sich nichts sehnlicher, als mit seinen poetischen Bildern nächtlicher Urbanität endlich berühmt zu werden. Die Ausstellerin Susan Hoff (Brooke Shields), die Leons Arbeit für etwas zu zahnlos hält, nötigt ihn jedoch, noch emotionalere Momente einzufangen. Bei seinen nächtlichen Streifzügen wird Leon dann auf das Verschwinden von zahlreichen Menschen in der U-Bahn aufmerksam sowie auf einen bulligen Fleischer (Vinnie Jones), der damit in Verbindung zu stehen scheint. Leons Vermutungen erweisen sich nicht nur als verhängnisvoll richtig, ohne es zu merken ist er selbst bereits zum Teil der unterirdischen Bluttaten geworden.
Clive Barkers "Bücher des Blutes" sind bislang erstaunlich selten zu Verfilmungszwecken herangezogen worden, obschon sie einen umfangreichen Fundus an erstklassigen short stories beherbergen, die teilweise fast nach einer Leinwandentsprechung zu betteln scheinen. Nach dem eher mäßigen, vor über 20 Jahren entstandenen "Rawhead Rex" von George Pavlou standen im letzten Jahr gleich zwei weitere Adaptionen von Barker-Kurzgeschichten an. Die eine ist die vorliegende, die die zu deutsch analog betitelte Story "Der Mitternachtsfleischzug" praktisch tadellos auf Spielfilmformat aufbläht und sie neben ein paar nachsehbaren inhaltlichen Detailänderungen absolut adäquat transponiert - der Glücksfall einer Literaturverfilmung. Ohne dem Nichtkenner der Geschichte oder des Films zuviel verraten zu wollen: Es geht um Gegensätze, um oben und unten, hier und dort, die und wir, jenseits und diesseits. Und ganz besonders um natürliche Gleichgewichte, die es zu halten gilt. Kitamura findet dafür eine vortreffliche Bildsprache. Nebenbei ein Film, der eingefleischten Vegetarieren großzügige Diskussionsargumente liefert.
8/10
#1841
Geschrieben 15. Juli 2009, 23:19
The Pope Of Greenwich Village (Der Pate von Greenwich Village) ~ USA 1984
Directed By: Stuart Rosenberg
Charlie (Mickey Rourke), der versucht, ein halbwegs geordnetes Leben zu führen, kommt durch seinen Cousin und Freund Paulie (Eric Roberts) immer wieder in Schwierigkeiten. Um sich das lang ersehnte Restaurant im Grünen leisten zu können, lässt sich Charlie schließlich sogar von Paulie zu einem Einbruch überreden. Bei der Aktion kommt ein Polizist (Marty Brill) ums Leben und damit nicht genug: Die erbeutete Penunze stammt aus dem persönlichen Fundus von Bed Bug Eddie (Burt Young), dem in solchen Angelegenheiten gnadenlosen Boss des Viertels.
Kleiner Milieufilm um die starken Bande von Freundschaft und was diese, insbesondere wenn sie zwei Italiener verbinden, alles auszuhalten vermögen. Rosenberg erzählt die an sich sehr spannungsgeladene Story in ungewöhnlich entspannter Weise; obgleich "The Pope Of Greenwich Village" sich in die bekanntermaßen brenzligen Gefilde der New Yorker Unterwelt begibt und mit Paulie zudem einen so vertrottelt-naiven wie wendigen Typen vorstellt, der allein durch sein seltsames Glück im Unglück jede Situation mit einem blauen Auge meistert. Der in solchen Fällen häufig erhobene Zeigefinger aus dem moralisierenden Off, der üblicherweise beteuert, dass Verbrechen sich nie lohne, bleibt hier erfreulicherdings aus. Zwar stehen Paulie und Charlie am Ende nicht besser da als zu Beginn des Films, aber sie stehen - und haben vermutlich, das ist ja gerade das Sympathische an solchen Verlierern, nicht das kleinste Bisschen dazugelernt.
7/10
#1842
Geschrieben 15. Juli 2009, 23:38
Entre Les Murs (Die Klasse) ~ F 2008
Directed By: Laurent Cantet
Der Sekundarlehrer François Marin (François Bégaudeau) schlägt sich mit seiner Klasse von 13- bis 15-jährigen Pubertierenden, die zu großen Teilen aus Migrantenkindern besteht, durch das aktuelle Trimester. Dabei gibt es diverse Missverständnisse und Situationen zu meistern, in die in der Regel stets dieselben auffälligen Schülerinnen und Schüler verwickelt sind. Marin bemüht sich, einen kühlen Kopf zu bewahren, auch wenn ihm das nicht immer gelingt.
Basierend auf einem von ihm selbst verfassten Roman, der bereits eine Menge an authentischem Material beinhaltet, erstellte der durch die soziale Härte der Pariser Banlieues gegangene Französischlehrer und Literat Bégaudeau das Script für die Verfilmung und übernahm zudem den Part des Protagonisten. Dadurch, dass beinahe sämtliche Rollen von Personen gespielt werden, die ebendiese Rollen auch in der Realität bekleiden sowie durch den ausnahmslosen Verzicht auf dramatisierende Musik erreichen Cantet und Bégaudeau einen noch zusätzlich stark authentifizierenden Charakter. Jener wird unterstützt durch das Improvisationstraining, dass die Kinder vor Beginn des Drehs absolviert haben. "Entre Le Murs", der tatsächlich ausschließlich zwischen den eng erscheinenden Mauern eines Schulgeländes entstanden ist, erzielt so geradezu verblüffende Effekte. Die Arbeit des Lehrers zwischen beruflichem Idealismus und persönlicher Verzweiflung wird eindrucksvoll nachgezeichnet, seine Schülerinnen und Schüler als so anstrengende wie belehrenswerte Erziehungsobjekte dargestellt. Jeder gemeisterte Unterrichtstag kann sich dabei unter Umständen zum Ende des Schuljahres hin als Pyrrhussieg erweisen, wenn ein besonders schwieriger Junge aus Sanktionsgründen der Schule verwiesen wird oder eine von Bégaudeaus Schülerinnen ihm im Vier-Augen-Gespräch völlig ernst mitteilt, dass sie während des gesamten Schuljahres nicht das Geringste gelernt habe. Momente, die den kurzfristigen Segen der Resignation in gefährliche Nähe rücken und die die Schwierigkeiten seines, unseren Berufsstands vermutlich so denkbar unbestochen reflektieren, wie es ein Spielfilm nachgerade zu leisten vermag.
8/10
#1843
Geschrieben 15. Juli 2009, 23:56
Die Sieger ~ D 1994
Directed By: Dominik Graf
Der Düsseldorfer SEK-Mann Simon (Herbert Knaup) ist sich sicher, bei einem Einsatz seinen totgeglaubten Freund Schaefer (Hannes Jaenicke) als Gegenspieler gesehen zu haben. Schaefer soll vier Jahre zuvor, nachdem er seine geistig behinderte Tochter im Säuglingsalter erschlagen hat, Selbstmord begangen haben. Niemand will Simons Entdeckung glauben schenken und doch begegnet ihm Schaefer immer wieder, auch, als ein Politiker (Thomas Schücke), der kurz zuvor eine Korruptionsaffäre um abgeblockte Gesetzesentwürfe bezüglich des organisierten Verbrechens aufgedeckt hatte, entführt wird. Plötzlich steht Simon selbst mit dem Rücken zur Wand, denn Schaefer zieht im Hintergrund so die Fäden, dass es aussieht, als sei Simon der Kopf hinter den kriminellen Geschehnissen.
Mit einem insbesondere vor 15 Jahren als als recht großzügig zu bezeichnendem Budget oblag es Dominik Graf, einen deutschen Genrefilm herzustellen, der es mit internationalen Produktionen ähnlich Kuleur aufnehmen können sollte. Nun ist Graf jedoch schlicht ein zu intellektueller Filmemacher, um einen kantenlosen Actionreißer mit viel Geknalle und Kawumm abzuliefern. Nicht nur, dass sein Film mit rund 130 Minuten eine sehr großzügige (jedoch gut gefüllte) Länge aufweist, die Geschichte präsentiert sich als geschickt konstruiert und vor allem als gescheit erzählt. Dabei kommuniziert der Film besonders über seine Bilder; Dialoge und anderes Gesprochenes werden häufig von Hintergrund- oder Nebengeräuschen überlagert und sind kaum zu verstehen. Selbiges gilt für den nicht selten eingesetzten Funkverkehr innerhalb der Geschehnisse. Vermutlich keine technische Schlamperei, sondern eine bewusste Entscheidung zugunsten der visuellen Aspekte des Mediums und ihrer Bedeutungsschwere. Ich halte Graf mehr und mehr für einen überaus schätzenswerten Regisseur.
Herbert Knaup, der mir immer als Oberekel aus dem ersten "Musterknaben"-Film und als obergäriger Spießerpapa in "Lola rennt" im Gedächtnis war, ist in seiner Heldenrolle erstaunlich glaubhaft. Und Katja Flint hat ziemlich schöne Brüste.
8/10
#1844
Geschrieben 18. Juli 2009, 08:12
Night Of The Creeps (Die Nacht der Creeps) ~ USA 1986
Directed By: Fred Dekker
Vonb einem außerirdischen Forschungsraumschiff entkommen ein paar blutegelartige Kreaturen, die es bis zur Erde schaffen, sich dort einen Wirt suchen, 27 Jahre lang eingefroren werden und dem schwerenötelnden Studenten Chris (Jason Lively) das Leben noch schwerer machen als es ohnehin schon ist.
Fred Dekker war zu seinen aktiven Zeiten so eine Art 'Spielberg des B-Films', der Filme voll von infantilem Charme drehte, die, obwohl sie im Falle von "Night Of The Creeps" durchaus deftige Momente enthalten, eher die Bedürfnisse von Teenagern abdeckten denn die postadoleszenter Zuschauer. "Creeps" versteht sich nebenbei als lustige Genre-Hommage, die mit Tom Atkins in einer Haupt- und Dick Miller in einer Nebenrolle immerhin zwei Urgesteine des jüngeren Phantastischen Films aufweist. Die Leute tragen allesamt allesamt die Nachnamen von Horrorregisseuren und viele Szenen verweisen auf bereits damals fest etablierte Schreckensszenarien. Im Zeiten, in denen die Selbstreflektion ohnehin längst elementar geworden ist für nachfolgende Autoren-Generationen erscheint dieses Fanboy-Gehabe nunmehr putzig, aber nicht mehr weltbewegend. "Creeps" bietet netten, ambitionierten Feierabendspaß für Vielkucker wie mich, der ich den Film nach vielen Jahren der Abstinenz durchaus vermisst habe. Dennoch bin ich mir nicht sicher, ob er in Fankreisen nicht vielleicht etwas zu hoch gejubelt wird.
6/10
#1845
Geschrieben 18. Juli 2009, 08:30
Comes A Horseman (Eine Farm in Montana) ~ USA 1978
Directed By: Alan J. Pakula
Zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs schlägt sich die alleinstehende Rancherin Ella (Jane Fonda) in Montana mit ein paar Rindern durch. Obwohl sie es gewohnt ist, ihre Probleme allein zu meistern (Hilfe akzeptiert sie ausschließlich von dem alten Cowboy Dodger (Richard Farnsworth)), öffnet sie sich zaghaft gegenüber ihrem Nachbarn Frank, selbst ein Rancher. Ella lässt sich von ihm zur Zusammenarbeit überreden. Das wiederum sieht Ellas anderer Nachbar Ewing (Jason Robards), der gerade dabei ist, Haus und Hof an die Bank zu verlieren, alles andere als gern.
Kein Film der großen Gesten. Seine ehrwürdige Erhabenheit formuliert "Comes A Horseman", ein später New-Hollywood-Ausläufer, ausschließlich via atemberaubend schöner Panoramen der Rocky Mountains und der sie umgebenden, kargen Nadelforstlandschaften. Ellenlange Szenen widmen sich einzig der anstrengenden Arbeit des Viehtriebs, die dazugehörige Cowboy-Romantik mitsamt Gitarre und Priem katapultiert die Geschichte kurzerhand und unbeeindruckt ein paar Jahrzehnte in Richtung Gegenwart. Das Thema Krieg ist, auch wenn vorgeblich irrelevant, dauerpräsent: Frank, ein physisch gezeichneter Veteran, hasst die Rekrutierungsmethoden der Regierung; die Rancher leben mit davon, für den Fleischnachschub in Übersee zu sorgen und die neuesten Wirtschaftsinteressen zielen auf Erdöl ab, das ebenfalls als Symbol für Kriegstechnokratie verstanden werden kann. "Comes A Horseman" ist auch ein Öko-Western, denn die schlimmsten Verletzungen fügen die Geologen mit ihren Reihenexplosionen zur Bodenanalyse dem Land zu. Da können so nachhaltig arbeitende, kleine und gerechte Rancher wie Ella und Frank nurmehr wütend die Fäuste in der staubigen Hosentasche ballen. Archaik vs. Moderne - Wilder Westen vs. Industrialisierung.
7/10
#1846
Geschrieben 18. Juli 2009, 08:53
Valkyrie (Operation Walküre - Das Stauffenberg-Attentat) ~ USA/D 2008
Directed By: Bryan Singer
Nach einer schweren Verwundung während des Nordafrika-Feldzugs und seiner Genesung lässt der regimefeindliche Wehrmachtsoffizier von Stauffenberg (Tom Cruise) sich in Berlin bereitwillig von einer Verschwörergruppe, bestehend aus höchsten Armeefunktionären unter Major von Tresckow (Kenneth Brannagh) und Generaloberst Olbricht (Bill Nighy), anheuern. Deren Ziel ist es, Hitler zu ermorden und die SS als vorgebliche Putschisten handlungsunfähig zu machen, um dann selbst eine Übergangsregierung einzusetzen, die das Ende des Krieges herbeiführt. Zu diesem Zwecke gelingt es Stauffenberg sogar, den Notfallplan "Walküre" zu seinen Zwecken umzuschreiben und von dem Wagner-obsessiven Hitler absegnen zu lassen. Der Anschlag und der folgende Staatsstreich vom 20. Juli 1944 misslingen dennoch in verheerender Weise.
Da ich der Ansicht bin, bezüglich der kritikwürdigen Eckpunkte des Films sei bereits genug schwadroniert worden, nur soviel: Als in der Bildungsbrache Tätiger halte ich es grundsätzlich für begrüßenswert, wenn die globale Unterhaltungsindustrie sich auch sensibler historischer Stoffe annnimmt, sie an die Oberfläche befördert und so zumindest ansatzweise in das Bewusstsein der Allgemeinheit hievt bzw. zurückholt. Wenn ein paar Millionen - besonders junger - Menschen auf diese Weise zumindest ein wenig über den innernationalen Widerstand erfahren, dann kann selbst ein gelacktes Hollywood-Produkt wie dieses redlicher nicht sein. "Valkyrie" ist nun in erster Instanz und aus rein akademischer Sicht betrachtet vielleicht keine allzu seriöse Geschichtsstunde, zumal unter Aussparung gewisser Fakten, sondern ein Spannungsprodukt mit historischer Färbung. Soweit ich es beurteilen kann, legt der Film abseits davon allerhöchsten Wert auf äußere Authentizität. Pointiert ausgedrückt: Wenn Stauffenberg zwei Finger amputiert werden, so kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass es im Film die entsprechenden, richtigen sind. Was Tom Cruise anbelangt - Über den Mann mag man denken, was man will, aber der liefert hier uneingeschränkt erstklassige Profession. Der Film selbst ist im Geiste sehr gescheit und rein formal betrachtet sogar in jeder Hinsicht makellos, wenngleich vollkommen überraschungsbefreit. Aber in diesem Falle wären Experimente vermutlich ohnehin fehl am Platze.
8/10
#1847
Geschrieben 19. Juli 2009, 08:18
Wagon Master (Westlich St. Louis) ~ USA 1950
Directed By: John Ford
Die beiden Pferdehändler Travis (Ben Johnson) und Sandy (Harry Carey jr.) lassen sich von einer Gruppe Mormonen, die auf dem Weg nach Kalifornien ist, um sich dort niederzulassen, als Trekführer anheuern. Auf der beschwerlichen Reise begegnen sie dem Quacksalber Dr. Hall (Alan Mowbray) und seinen zwei Partnerinnen (Joanne Dru, Ruth Clifford), freundlichen Navajos und vor allem der als Outlaws gesuchten Clegg-Bande, die sich als Mitreisende wenig gesittet benehmen.
"Wagon Master" zählte zu Fords persönlichen Lieblingsfilmen, da er hier einem seiner Regieideale, jenem nämlich, Themen wie Landerschließung und Pioniertum möglichst aufrichtig und empathisch darzustellen, sehr nahe kam. Unter bewusstem Verzicht auf Duke Wayne, der für den Part des Travis Blue bereits zu ikonisch, zu alt, zu vorgeprägt gewesen wäre, arbeitete Ford mit einigen seiner anderen bewährten Lieblingsschauspieler (Johnson, Carey jr., Ward Bond, Hank Worden, Jane Darwell) zusammen, von denen jedoch keiner irritierendes stardom mitbrachte. So blieb die Konzentration auf das Wesentliche: Den Film selbst. "Wagon Master" ist für spätere Ford-Verhältnisse, gedreht inmitten der epischen Kavallerie-Trilogie, geradezu spartanisch-kammerspielartig. Kurz, schmucklos und in episodischer Form berichtet Ford von einer der vielen Planwagenfahrten gen Westen, in diesem Falle auch ein kleiner Exodus, der durch die dominierend religiöse Ausrichtung der Gruppe die Reise ins "Gelobte Land" symbolisiert. Dabei verzichtet Ford im Gegensatz zu seinem Kollegen Wellman und dessen fast zeitgleich entstandenem (und ebenfalls großartigen) "Westward The Women" auf die pathetische Darstellung allzu fordernder Entbehrlichkeiten. "Wagon Master" sollte auch eine gewisse philanthropische Leichtigkeit transportieren. Ein zweifelsohne in jeder Hinsicht geglücktes Vorhaben.
9/10
#1848
Geschrieben 19. Juli 2009, 08:33
Craze ~ UK 1974
Directed By: Freddie Francis
Der Londoner Antiquitätenhandler Neal Mottram (Jack Palance) bewahrt in seinem Keller eine Holzskulptur des afrikanischen Gottes Chuku auf, die er zusammen mit Gleichgesinnten im Zuge Schwarzer Messen anbetet. Als eines Tages eine Frau nach einem Streit per Unfall von der Skulptur aufgespießt wird und Mottram kurz darauf einen kleinen Goldschatz entdeckt, führt er das auf Chukus Wohlwollen zurück. Ergo würden Mottrams Logik gemäß weitere (weibliche) Opfer noch größeren Reichtum bedeuten...
Gegen Mitte der siebziger Jahre wurde der britische Horrorfilm zunehmend enthemmt und jeder pfleglichen Steifheit beraubt. Regisseure wie Pete Walker und Antony Balch zeigten einen neuen, juvenilen Kurs auf, dem sich auch Freddie Francis bald anschloss. Selbst Hitchcock befleißigte sich für sein London-Comeback "Frenzy" durchaus zeitverbundener Methoden und kombinierte sie mit seinem klassischen individuellen Regiestil. "Craze", die Geschichte eines wahnsinnigen Frauenmörders, wandelt, insbesondere in Hinsicht auf die Darstellung der minutiösen Planung und Durchführung der Mordtaten auf ähnlichen Pfaden, wobei sich ein direkter Vergleich wohl verbietet. Francis' Arbeit ist sauber, zugleich aber doch ziemlich campy und eher der Sensation in Form von Blut und Brüsten verpflichtet. Das große Los gezogen hat Francis ganz bestimmmt mit der Verpflichtung seines Hauptdarstellers. Palance (der sich im Film hinterrücks ziemlich unflätig von zwei Polizisten beschimpfen lassen muss: "So ein glatter Ekeltyp!" - "Ja, ich habe auch schon Besseres zum Frühstück genossen als eine solch widerwärtige Schwuchtel.") ist als schmieriger Fehlgeleiteter eine Offenbarung, mit obligatorischem Zigarillo zwischen den Beißern.
Daneben gibt's noch Trevor Howard, Suzy Kendall und David Warbeck zu sehen.
6/10
#1849
Geschrieben 20. Juli 2009, 09:20
Harry And the Hendersons (Bigfoot und die Hendersons) ~ USA 1987
Directed By: William Dear
In den Wäldern nördlich von Seattle fährt der Familienvater George Henderson (John Lithgow) einen Bigfoot (Kevin Peter Hall) an. Seine erste hilflose Idee sieht vor, das totgeglaubte Ungetüm mit nach Hause zu nehmen, wo es sich dann als mitnichten verblichen erweist. Stattdessen richtet es bei den Hendersons ein veritables Chaos an, entpuppt sich jedoch bald als liebenswertes missing link und wird zum everybody's darling der Familie. Natürlich lassen sich gewisse Probleme nicht umgehen - 'Harry', wie der Bigfoot getauft wird, büchst aus und erweckt das Jagdfieber bei den urbanen Anzugträgern. Außerdem ist ihm der passionierte Bigfootjäger Jacques LaFleur (David Suchet) auf den Fersen.
Dears liebenswerter Familienfilm aus der Spielberg-Factory Amblin liegt mir am und im Herzen, seit ich ihn seinerzeit als Kind im Kino gesehen habe. Freilich sind mir damals die meisten wirklich guten Gags noch nicht aufgegangen, der Film bietet unter seiner manchmal etwas penetranten Schale nämlich eine herrlich subtile Satire auf die innerstaatlichen Reagonomics, Waffenwahn und Vorortidyll. Die besten Gags haben die wunderbare Lainie Kazan und David Suchet, deren zwei gemeinsame Szenen die humoristischen Höhepunkte in "Harry And The Hendersons" markieren. John Lithgow, sonst ja gern der Psycho vom Dienst, war vermutlich nie so sympathisch zu sehen wie hier als zum Ökoaktivisten bekehrter family man, Don Ameche ist sowieso wunderbar. Vor Rick Bakers Bigfoot-Maske lässt sich nur niederknien, eine der mustergültigsten Arbeiten dieser Ausrichtung, die selbst noch gute zwanzig Jahre später nicht besser aussehen könnte. Natürlich ist das alles irgendwo auch zuckersüßes Spielberg-Filmmaking mit all den dazugehörigen Attributen, unter anderem einem Bruce-Broughton-Score, der auch als tonale Serotonininjektion durchgeht. Aber verdammt, selbst das haut kontextuell hin.
8/10
#1850
Geschrieben 20. Juli 2009, 09:40
Them! (Formicula) ~ USA 1954
Directed By: Gordon Douglas
In der Wüste New Mexicos werden infolge radioaktiver Strahlen zu gigantischer Größe mutierte Riesenameisen entdeckt, die die menschen dort attackieren. Zwar schaffen es Dr. Medford (Edmund Gwenn), seine Tochter Pat (Joan Weldon), Sergeant Peterson (James Whitmore) und FBI-Mann Graham (James Arness), das Nest der Riesen auszuräuchern, zwei frisch geschlüpfte Königinnen können jedoch entkommen. Sollten diese unbehelligt weitere Eier legen können, wäre die Welt bald verloren.
Mustergültiger Monsterfilm, der bereits recht früh aufzeigte, wie man selbst solche in Feuilletonkreisen stets naserümpfend aufgenommenen Werke ihres - sowieso unberechtigten - Miefs entledigen und selbst im allgemeinen Feld zu vollends respektablen Stücken machen konnte: Indem man sich selbst nämlich ernst genug nimmt, um einen ernsten Film zu kreieren und durch die Bank fähige Leute beschäftigt. Heraus kam ein Film, der fernab der so gern als "creature trash" abgetanen B-Movies ein seinerzeit aufrüttelndes Statement wider die gedankenlosen Atombombenversuche der Regierung abgab, zugleich schockieren (das durch olfaktorische Schocktherapie aus der Katatonie erweckte Mädchen wird niemand vergessen) und zum Nachdenken anregen konnte. Dabei genehmigte sich das Script aber noch ein paar überaus komische, auflockernde Sequenzen, wie etwa die einer Befragung obdachloser Säufer auf der Suchtstation (s. Zitat). Zudem steuerte Edmund Gwenn, kurz darauf als rüstiger Captain Wiles in "The Trouble With Harry" zu sehen, einiges an liebenswerter Komik bei. Insgesamt eine vorzügliche Arbeit, die wohl beste des Regisseurs, von dem man sich noch mehr Leistungen dieses Formats gewünscht hätte (eher jedenfalls als irgendwelche beliebigen Detektiv-Vehikel für den wiedererstarkenden Sinatra).
9/10
#1851
Geschrieben 20. Juli 2009, 10:15
Winter Kills (Philadelphia Clan) ~ USA 1979
Directed By: William Richert
Nicholas Kegan (Jeff Bridges), Bruder des vor 20 Jahren ermordeten US-Präsidenten Tim Kegan und Sohn eines der reichsten Industriellen (John Huston) der Welt, bekommt einen Hinweis, dass Tims Tod keineswegs zur Gänze aufgeklärt ist: Der wahre Attentäter (Joe Spinell) offenbart sich Nicholas kurz vor seinem Dahinscheiden. Als der darob geschockte Nicholas auf eigene Faust in der Sache zu ermitteln beginnt, verfängt er sich in einem zunehmend bizarr anmutenden Lügengestrüpp und bekommt es mit immer wirreren Individuen zu tun, so dass die Wahrheit sich mehr zu verschleiern als zu erhellen scheint...
Meine persönliche Entdeckung des Jahres. Eher zufällig bei einem Abverkauf mitgenommen, hatte ich überhaupt keine Ahnung, was für ein herrlicher Film mich da erwartete. "Winter Kills", basierend auf dem gleichnamigen Buch von Richard Condon, ist eine kaum verborgene Abhandlung des JFK-Attentats von 1963, mit veränderten Namen und Schauplätzen zwar, ansonsten aber selbst für Laien rasch identifizierbar. Alles ist Verschwörung, daher werden auch bestimmte entsprechende Theorien von der Beteiligung der Mafia über Schattenmänner in Form von Exilkubanern bis hin zur Bedrohung des unsichtbaren Totalitarismus durch den Ex-Präsidenten vermengt. Man erfährt, was schon lange geflüstert wird: So einer musste weg. Schließlich stand die Existenz der unfreien Welt auf dem Spiel. Dabei verzichtete der Regiedebütant Richert darauf, eine stringente Geschichte oder gar einen "Politthriller" (wie es so schön auf der Hülle der DVD zu lesen ist) zu erzählen; sein Film war und ist absolut einzigartig. Mystery, Satire und Groteske mit Hang zum Surrealen, Science Fiction gar, mit allem muss man permanent rechnen, schon erst recht damit, ein USA-Märchen vorgesetzt zu bekommen, wie es böser kaum sein kann, das die heiligen Säulen, auf denen die Nation erbaut ist, lustvoll mit der Abrissbirne einreißt.
Ein solcher Stoff verfilmt sich natürlich nicht widerstandslos oder von selbst, schon gar nicht im 'land of the free'. Die Entstehungsgeschichte des anarchischen "Winter Kills" ist beinahe so spektakulär wie das, was er auftischt: Unabhängig hergestellt, von Gangstern finanziert, zwischendurch schon abgeschrieben, schließlich mit den Gewinnen eines anderen Films ("The American Success Company") vollendet. Namhafte beteiligte Filmschaffende (u.a. Vilmos Zsigmond, Maurice Jarre, Robert F. Boyle) klemmten sich hinter das Projekt, vor und hinter der Kamera. In der Besetzungsliste finden sich nicht weniger als 15 prominente Namen, die zumeist freilich für irgendein ulkiges Cameo zukömmlich waren. Nach dem Startwochenende und ersten euphorischen Kritiken wurde der Film wieder aus den Kinos "entfernt", bis heute wird er stoisch totgeschwiegen, die wenigsten kennen ihn und wenn überhaupt, dann nur, weil er als Fußnote oder in irgendwelchen Filmografien auftaucht. Hoffentlich werden nachfolgende Generationen weiser mit ihm umgehen, denn dies ist wirklich eine Ausnahmearbeit, in der Tradition großer, visionärer Regieeinstände.
9/10
#1852
Geschrieben 22. Juli 2009, 07:36
Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung ~ BRD 1968
Directed By: Kurt Hoffmann
Der kleine Gaylord Pentecost (Archibald Eser) wohnt mit seiner Familie, die Eltern (Gerlinde Locker, Peter Arens), die zwei Tanten Rose (Maria Körber) und Becky (Diana Körner), den Opa (Werner Hinz) sowie die Großtante (Agnes Windeck) umfasst, auf dem englischen Land. Wohlbehütet wächst Gaylord im familiären Idyll auf, eine Gefahr für das junge Leben stellt bloß der geistig behinderte Willy (Gerd Lohmeyer) mitsamt seinem kriminellen Bruder Bert (Wolfgang Petry) dar. Derweil zanken sich seine beiden völlig unterschiedlich gearteten Tanten um Roses Eroberung, ihren Lehrerkollegen Roberts (Gerd Vespermann).
In den späten Sechzigern und Siebzigern gehörte eines der Bücher des englischen Autors Malpass in jeden guten bürgerlichen deutschen wohnzimmerlichen Bücherschrank, zusammen mit Simmel, Konsalik, Heinrich und Sidney Sheldon, versteht sich. Die beiden ersten Romane um die englische Lanfamilie Pentecost waren seinerzeit veritable Bestseller, deren Popularitätsgrad durch die beiden Verfilmungen und ganz speziell ihre unglaublich ohrwurmlastigen Titelmelodien von James Last noch angehoben wurde. Für mich persönlich stellt die Beschau des vorliegenden Films die Aufarbeitung eines Kindheitstraumas dar, denn der schwachsinnige Willy und sein gestohlener Briefbeschwerer haben mir jahrzehntelang latente Albträume beschert. Ich habe es mir im Vorhinein schon gedacht, aber nach der Wiederbegegnung mit Hoffmanns Film kann diese Neurose getrost ad acta gelegt werden, denn natürlich ist die entsprechende Szene nicht halb so schlimm wie sie das Unterbewusstsein des kleinen Funx jahrelang kultiviert hat.
Wie das so ist mit Stoffen, die ganz woanders verfilmt werden als dort, wo sie lokal angesiedelt sind: Zu Malpass gehört auch britisches Flair und da die Adaptionen so unsittlich in Deutschland entstanden sind, ist davon nichts zu vermerken. Was wir hier bekommen, sind ganz offensichtlich Holstein und Ostseestrand. Aber sei's drum, liebenswerte Bieder-Unterhaltung mit keckem Einschlag (für den die deutsche Twiggy Diana Körner und ihr Filmfreund Rolf Zacher sorgen) ist garantiert. Und ich bin wie geschrieben sehr erleichtert.
6/10
#1853
Geschrieben 22. Juli 2009, 07:51
Wenn süß das Mondlicht auf den Hügeln schläft ~ BRD 1969
Directed By: Wolfgang Liebeneiner
Kaum ist der Haushalt der Pentecosts um drei Mitglieder geschrumpft und ein kleines [Mama May (Luitgard Im) ist nochmal Mama geworden] ergänzt, kündigen sich zwei Nichten und ein Neffe auf Ferienbesuch an. Die drei Kinder sind nicht ganz unproblematisch: David (Jürgen Lentzsch), der Älteste, ist ein verschlossener Junge, der Shakespeare zitiert und offenbar pyromanische Anwandlungen hegt, die 14-jährige Jenny gibt sich als Quasi-Lolita, die es auf Papa Jocelyn (Werner Bruhns) abgesehen hat und die kleine Emma (Irina von Bentheim) ist eine vorlaute Rotzgöre. Dazu kommen noch der nach wie vor herumspukende Willy (Gerd Lohmeyer), der jetzt auch noch Bier trinkt und der eben aus der Besserungsanstalt entlassene und auf Rache sinnende Bert (Wolfgang Petry). Viel Stress also im Hause der Pentecosts.
Die Fortsetzung von Malpass' erster Gaylord-Geschichte hängt auch filmisch etwas nach. Die beste Szene findet sich, als die kleine Emma, ganz begeistert von einem Kinoanschlag von "Das Blut von Dracula" (natürlich alles hübsch inadäquat deutschsprachig in einem in England spielenden Werk, aber egal) erstmal in den entsprechenden Film geht. Leider entpuppt sich das tatsächlich Gesehene dann doch bloß als irgendein "Lassie"-Streifen. Ansonsten sind die kleinen Nöte nicht noch kleiner geworden bei den Pentecosts, auch wenn Tante Rose nicht mehr auftaucht und endgültig unter der Haube zu sein scheint. Dafür sind Becky und ihr Peter (Rolf "Du bist Dynamit im Bett" Zacher, jetzt mit coolem Bart und Seidenhalstuch) glücklich und erwarten selbst Nachwuchs. Nachhaltige Wellen dürfte eine Kusszene zwischen Bruhns und der damals tatsächlich erst 14 Jahre alten Susanne Uhlen geschlagen haben. Irgendwie erwartet man im Zuge dieser kleinen Affäre überhaupt die ganze Zeit, dass sich das Ganze "Schulmädchen-Report" - alike entwickelt, aber selbiges blieb dann doch der ein Jahr darauf startenden Hartwig-Serie selbst vorbehalten. Die Uhlen behält ihren Bikini an. Uff.
5/10
#1854
Geschrieben 22. Juli 2009, 08:14
The Fugitive Kind (Der Mann in der Schlangenhaut) ~ USA 1960
Directed By: Sidney Lumet
Der durch den Süden der USA tingelnde Vagabund Valentine Xavier (Marlon Brando), wegen seiner Jacke auch 'Schlangenhaut' genannt, kommt in St. Louis mit dem Gesetz in Konflikt. Danach nimmt er sich vor, künftig unbescholten zu bleiben und landet in einem kleinen Kaff einige Meilen weiter westlich. Dort findet er Arbeit bei der italienischstämmigen Krämersgattin Lady (Anna Magnani), deren Mann (Victor Jory) als bettlägeriger Pflegefall in der oberen Etage haust. Xavier macht auch die Bekanntschaft der lebenslustigen Carol (Joanne Woodward), die der Tristesse der rassistischen Gemeinde durch kleines Verrücktspiel zu entkommen versucht und der einsamen Sheriffsgattin Vee (Maureen Stapleton), die an der allgemeinen Bigotterie zu zerbrechen droht. Xavier zieht sich als so ehrlicher wie verständnisvoller Libertiner bald den Hass sämtlicher Männer des Ortes zu.
Sperrige Williams-Verfilmung nach dessen Drama "Orpheus Descending", erneut ein Porträt südstaatlicher Krankheiten und eines der unversöhnlichsten Stücke des grandiosen Autors. Brando, der sich um diese Zeit langsam daran gewöhnt hatte, seinen Status als nuschelndes Sexsymbol mit vorgeschobenem Unterkiefer und lauerndem Gestus zu befüllen, spielt die Xavier-Rolle wie aus der linken Hand heraus und wirkt gerade deshalb so stark. Eigentliches Zentrum des Dramas jedoch bilden die drei Frauengestalten, gleich drei Eurydikes, die alle den Ballast des Vegangen, Unbereinigten mit sich herumschleppen und von denen am Ende nur eine den Ausbruch aus dem Inferno schafft, auf ihr freilich von ihrem Orpheus zugewiesenen Pfaden. Williams-üblich wird viel mit Bildern und Symbolen hantiert, von nicht sesshaft werden könnenden, kleinen Vögeln ist die Rede (am Ende sieht man sogar einen von ihnen, eine Seelenmetapher), der wirre und doch beängstigend übersehende Farbige Uncle Pleasant (Emory Richardson), vor dem die rassistischen whiteys der Gegend sich fürchten, steht für die schlummernde Macht des schwarzen Mannes.
Lumets Film platzt vor Ambition und Inspiration und ist mit Sicherheit ein moralästhetisch tadelloses Werk. Mindestens so exklusiv wie ein schwerer Bourbon, wie ein solcher aber nicht zu jedem wahllosen Anlass passend. Zu empfehlen wäre "The Fugitive Kind" wohl in keinem Falle als Angelpunkt heiterer Stunden, damit kann man sich unter Umständen nämlich ganze Abende versauen. Orpheus-Xavier nimmt einen quasi mit hinab in die Unterwelt und das nachmalige Heraufkommen daraus fällt gar nicht mal leicht.
8/10
#1855
Geschrieben 23. Juli 2009, 07:31
These Thousand Hills (Tausend Berge) ~ USA 1958
Directed By: Richard Fleischer
Montana, Mitte 19. Jh.: Der Zureiter Albert Evans (Don Murray), nach seinem zweiten Vornamen kurz 'Lat' gerufen, hat ehrgeizige Pläne. Ruhm, Ehre und Reichtum sollen seinem Namen künftig einen guten Klang verleihen. Tatsächlich sind seine Bemühungen von Erfolg gekrönt. Zwar bekommt er das Startkapital für seine Ranch nicht vom örtlichen Banker (Albert Dekker), aber die ihn liebende Hure Callie (Lee Remick) hilft ihm aus. Nach ein paar Jahren hat Lat dann das erreicht, was er wollte, er besitzt einen gutgehenden Viehbetrieb, hat Frau (Patricia Owens) und Kind und ist soeben zur Senatorenwahl aufgestellt worden. Doch Lat hat sich angesichts seines sozialen Aufstiegs innerlich verändert: Von seinem alten Freund Tom (Stuart Whitman), mittlerweile als Pferdedieb umtriebig, will er nichts mehr wissen und auch Callie hat er längst den Rücken zugewandt. Als Tom dann vor seinen Augen gelyncht wird, sieht sich Lat zum Umdenken gezwungen.
Zwei Western hat Richard Fleischer innerhalb von 16 Jahren gedreht, der erste davon ist "These Thousand Hills", eine warmherzige und grundehrliche Auslotung der unweigerlichen Korrelation von gesellschaftlichem Renommee und charakterlicher Korruption. Natürlich ist es auch eine klassische Entwicklungsgeschichte, die so nur im Western angesiedelt sein kann. Lat kommt quasi als völlig unbeschriebenes Blatt aus dem Nichts der landschaftlichen Weite Oregons, um zwei Staaten weiter sein Glück zu machen. Tatsächlich erweisen sich seine Fertigkeiten und sein sturer Kopf als die besten Voraussetzungen für einen geraden Weg zum Erfolg, doch selbst dieser ist nicht immer mit Goldbarren gepflastert. Die Tatsache, dass Lats Grundkapital aus anrüchigem Milieu stammt, stellt seine große Schwachstelle dar, sie wird ihm permanent nachgeschrieen und besonders von Neidern wie seinem Konkurrenten Jehu (Richard Egan) gegen ihn verwendet. Dennoch schreitet das Ausmaß von Lats Reputation unaufhaltsam voran, freilich um den zunächst unbemerkten Preis seiner persönlichen Integrität. Es bedarf dann erst eines hilflos mitanzusehenden Mordes, um Lat wieder auf tugendliche Pfade zurückzuführen und am Ende verdankt er der unglücklichen Callie (Lee Remick: Eine traurige Augenweide) einmal mehr seine Existenz.
Fleischer hat dieses zerkratzte Helden- und Pioniersepos unter virtuoser Nutzung des Scope-Formats in Bilder von erhabener Schönheit gefasst. Es tut dem Film recht gut, dass er zwar von einem Profi inszeniert wurde, der jedoch Neuland betrat, was das Genre anbelangt. Die Perspektive unterscheidet sich dadurch recht deutlich von der eines Anthony Mann oder John Ford und scheint jeweils ganz bewusst ihre außenstehende Position halten zu wollen, ohne ins Innere von Geschehen und Figuren vorzudringen und diesbezügliche Transparenz zu liefern. Für den Zuschauer eine dankbare "Erziehung" zur Mündigkeit hin, denn es bleibt ihm vieles selbst zu konstruieren überlassen.
9/10
#1856
Geschrieben 23. Juli 2009, 19:03
A Force Of One (Der Bulldozer) ~ USA 1979
Directed By: Paul Aaron
Die Polizei der Stadt Santa Madre bekommt es mit einem Karatekiller zu tun, der im Auftrag der örtlichen Drogenmafia allzu neugierige Beamte ausschaltet. Um sich gegen die Kampfkunst des unerkannten Mörders wappnen zu können, schickt Lt. Dunne (Clu Gulager) seine Leute zum Training bei dem Karatechampion Matt Logan (Chuck Norris). Dieser bereitet sich soeben selbst auf seinen Titelkampf vor und wird bald tiefer in die ganze Geschichte gezogen als ihm lieb sein kann.
Halbwegs ordentlicher, früher Norris-Prügler, bei dem der damals schnauzbärtige Blondi noch auf dem zweiten Platz der Besetzungsliste nach seiner Filmpartnerin Jennifer O'Neill zu finden ist. Diese gibt eine rührige Polizistin, die selbstredend bald romantisch mit Norris anbandelt. Das narrative Alibi für die Integration von dessen Tritttiraden in die Filmhandlung ist zwar selten dull, aber immer noch besser, als auf ihn verzichten zu müssen. Zudem ist die Nebenbesetzung mit Gulager, Charles Cyphers als bebrilltem Polizeipathologen mit Plan und Ron "Superfly" O'Neal als korruptem Cop ganz witzig.
Erwähnenswert vielleicht, dass der Film (wie viele noch folgende) als Norris-Familienunternehmen gelten darf. Bruder Aaron war zusammen mit Chuck für die Kampfchoreographie verantwortlich und Sohnemann Mike macht einen Cameo-Pizzajungen mit Skateboard.
4/10
#1857
Geschrieben 23. Juli 2009, 19:25
The Octagon ~ USA 1980
Directed By: Eric Karson
Bodyguard Scott James (Chuck Norris) wird eher zufällig in eine üble Affäre gezogen: Justine (Karen Carlson), die Tochter eines ermordeten Zeitungsmoguls, möchte ihn engagieren, um sie vor einer Söldnertruppe zu schützen, die bereits ihren Vater auf dem Gewissen hat und zu Teilen in einem illegal bewirtschafteten Ninjacamp ausgebildet wird. Auch Scotts Kollegen A.J. (Art Hindle) und McCarn (Lee Van Cleef) stecken bald mit in der Sache. Die Söldner ihrerseits bekommen wiederum Streit mit den Ninjas, deren Vorsteher Scotts abtrünniger Adoptivbruder Seikura (Tadashi Yamashita) ist.
Offenbar war Dilettantismus Trumpf bei diesem hoffnungslos wirren und lächerlichen Blödsinn, der auf jeder Filmakademie als Lehrexempel dafür herhalten kann, wie man's bitte nicht machen sollte und dessen unfreiwilliger Humor fast ZAZ-Dimensionen erreicht. Immerhin handelte es sich um eines der ersten Werke, die den Ninja-Kult fürs Kino aufbereiteten. Damit wäre der Innovationsradius aber sogleich wieder erschöpft. Der Gipfel der wirklich unnachgiebig exponierten Dummheit formuliert sich neben der grenzkatastrophalen Szenenmontage und dazu passenden Schnittmalheurs jeweils in den dem Publikum per Hallton zugänglich gemachten, inneren Monologen von Chucky, dem Mörderklopper, die in etwa so klingen: "Du hast Recht, A.J.. Man muss etwas gegen diese Verbrecher tun. Ich bin kein Feigling. Ich werde es dir beweisen, A.J.." Dazu kommen noch diverse völlig verblödete Scriptmomente. Schon gegen Filmmitte heißt es im Ninjacamp: "Die Söldner müssen bald austrainiert sein. Morgen reisen sie ab", dabei sind sie am Ende immer noch dort. Lee van Cleefs Szenen hätte man komplett streichen können; haben sie doch keinerlei Funktion, außer jener vielleicht, dem knarzigen Actionopa ein paar Scheiben Käse aufs Frühstücksbrot zu zaubern.
Insgesamt ein Film, der sich lohnt, weil er so mustergültig schlampig-schlecht ist und weil er ganz nebenbei unsere BPjM bloßstellt, die diesen Kindergarten-Unfug noch bis vor kurzem auf dem Index hielt. Die die bei unseren deutschsprachigen Nachbarn zu beziehende, ungekürzte Version enthält Voice-Over-Texte für die ehedem geschnittenen Handlungsszenen. Jene sind so unmotiviert eingesprochen und overdubbed, dass es einem wahrlich den Kitt aus der Brille haut und machen diese Fassung von "Octagon" (der Titel entspricht übrigens der Bezeichnung der achteckigen Kampfarena der Ninjas) vollends zum Blödelspektakel.
3/10
#1858
Geschrieben 24. Juli 2009, 08:12
Steel Dawn ~ USA 1987
Directed By: Lance Hool
Lange nach dem Großen Knall ist die Menschheit dabei, sich inmitten der allgemeinen Wüstenei wieder zu reorganisieren und neue Staatsformen zu entwickeln. Dennoch sind selbst umfassende kriegerische Auseinandersetzungen weiterhin an der Tagesordnung. In den entlegenen Gebieten werden daher sogenannte 'Friedensstifter', eine Art kampferfahrener Obmänner, eingesetzt. Der umherziehende Ex-Soldat Nomad (Patrick Swayze) begegnet seinem alten Lehrmeister Cord (John Fujioka), der als Friedensstifter in einem Wüstental tätig werden soll. Doch bereits während ihres Treffens wird Cord von dem Krieger Sho (Christopher Neame) ermordet. Nomad lässt sich daraufhin von der Farmerin Kasha (Lisa Niemi) als arbeiter anheuern. Bald findet er heraus, dass Sho im Auftrag des gierigen Damnil (Anthony Zerbe) gearbeitet hat, der das Tal unter seine Kontrolle bringen möchte und es besonders auf Kashas Wasservorräte abgesehen hat.
Eine weitere Aufbereitung des "Shane"-Motivs, diesmal in postapokalyptischer Gewandung. Atmosphärische Assoziationen zu den "Mad Max"-Filmen, besonders zu "Beyond Thunderdome", weckt "Steel Dawn" bereits rein auditiv durch die Partituren Brian Mays (nicht der Queen-Guitarero, sondern der bereits verstorbene australische Komponist). Doch auch andere parallele Themen sind akut, zaghafte Versuche der Re-Urbanisierung etwa, wie sie im dritten "Max"-Film ebenfalls zu sehen sind - hier wie dort mit einer Frau an der Spitze. Kasha ist nichts anderes als eine etwas gemäßigtere Aunty Entity, und man ahnt, dass, hat sie einmal ihre anvisierte Machtposition erreicht, sie diese ähnlich unnachgiebig verteidigen wird wie ihre stimmgewaltige "Kollegin". Einen schönen, wehmütigen Part gibt es für Brion James, der als Tark, etwas dumpfer, vormaliger Vorarbeiter Kashas und Beschützer ihres kleinen Sohnemanns (Brett Hool), seine Stellung durch Nomad gefährdet sieht und sich eifersüchtig zurückzieht und besäuft (interessant in diesem Zusammenhang, dass zwar Wasserknappheit herrscht, andererseits aber genug Fusel gebrannt werden kann, um eine Steppenpinte zu betreiben).
Technik und Schusswaffen existieren in der Welt von "Steel Dawn" nicht mehr. Die unerlässlichen Konflikte werden mit Schwerten, Piken oder Messern ausgetragen, als Fortbewegungsmittel dienen Pferde bzw. Wagen und windbetriebene Seifenkisten. Diese antiquierten Medien weisen wiederum auf die Westernwurzeln des Films hin, die er letztlich nie verleugnet, sondern stolz kultiviert. Etwas lächerlich ist vielleicht Swayzes kopfständische Meditationsmethode, aber darüber kann man großmütig hinwegsehen.
6/10
#1859
Geschrieben 25. Juli 2009, 07:42
JCVD ~ BE/LU/F 2008
Directed By: Mabrouk El Mechri
Jean-Claude Van Damme (Jean-Claude Van Damme) kommt nach Brüssel - zu Erholungszwecken. Er hat soeben den Sorgerechtsprozess um seine kleine Tochter (Saskia Flanders) verloren und kann die Anwälte nicht bezahlen. Seine letzten Filme sind allesamt Billigproduktionen unter arroganten Nachwuchsregisseuren, sein Agent ist völlig planlos. Da hilft nur die Flucht, heim zu Maman (Liliane Becker) und Papa (François Beukelaers). Doch kaum dass ihn seine Taxifahrerin nervt und Jean-Claude von der Postbank Geld holen möchte, steckt er im tiefsten Schlamassel: Die Post wird nämlich gerade ausgeraubt. Und zu allem Überflüss präsentieren die Gauner Jean-Claude als Kopf ihrer Bande.
Wie er selbst sagt, hat Van Damme El Mechris Einladung zur Selbstdemontage nur sehr zögerlich angenommen. Dabei sind kunstgewerbliche Filme über alternde, harte Männer und ihr Dasein im Angesicht verblassenden Ruhms in jüngerer Zeit zur niet- und nagelfesten Comebackbühne avanciert. Für Van Damme erschwert sich seine neuerliche 'Mission' noch zusätzlich dadurch, dass er im Film nicht nur als er selbst auftreten, sondern darüberhinaus deutliche autobiografische Bezüge und peinliche Faux-pas aus der Vergangenheit (wie ein im Film eingespieltes, unter Drogeneinfluss geführtes hanebüchnes Interview) in Kauf nehmen muss. Im Zentrum von "JCVD" steht ein bilanzierender Monolog vor der Kamera, der endgültige Seelenstriptease. Dass ein Mann, der sein charmant-naives Auftreten als provinzieller, den Verlockungen der weiten Welt mit großen Augen gegenübertretender Muskelprotz über zwei Dekaden im besten Gewissen kultiviert hat, nun so erzmenschlich präsentiert wird, als tragischer Verlierer mit mehr Fehlern als Rückgrat, das darf jenem Mann durchaus Kopfzerbrechen bereiten. Andererseits eröffnet es ihm möglicherweise neue Perspektiven. "JCVD" ist kein Actionfilm und präsentiert sich schon allein dadurch als großer Exot in Van Dammes bisheriger Filmographie. Im Gegenteil dürfte dieses letztlich als Groteske aufgezogene Zerrbild ihm Publikum bescheren, dass seine bisherigen Arbeiten nicht mit der Kneifzange angefasst hätte. Es wird zugleich jedoch sicherlich der letzte Van-Damme-Film für diese hochwohlgeborenen, bildungsbürgerlichen Naserümpfer sein. Einen weinenden, mitleiderregenden Clown ohne Maske möchte auf Dauer eben doch niemand sehen, da seine Profession verfehlt wäre.
Ein prinzipiell hinterfragenswertes Unterfangen also, "JCVD". In finaler Konsequenz aber auch ein gelungenes, denn natürlich entscheidet El Mechri die Gratwanderung zwischen totaler Dekonstruktion und Ehrenrettung seines Titelhelden letztlich zu dessen Gunsten, da er Van Damme die Gelegenheit bietet, sich als weitflächig ernstzunehmender und sogar schätzenswerter Akteur zu etablieren, der über die Jahre eben doch einiges gelernt hat im Biz. Auch wenn seine Inszenierung mit der Digitalkamera, die Brüssel und überhaupt die ganze Welt ausschließlich in Braun- und Grauschattierungen präsentiert, natürlich nicht Van Damme gehört, sondern El Mechri - ungeachtet der wenig verwunderlichen Tatsache, dass man ihn nie zu Gesicht bekommt.
8/10
#1860
Geschrieben 26. Juli 2009, 13:18
Electra Glide In Blue (Harley-Davidson 344) ~ USA 1973
Directed By: James William Guercio
John Wintergreen (Robert Blake) von der Arizona State Police ist das, was man laxdeutsch einen Ullefutz nennen würde. Der Motorradcop ist zwar klein, aber sehr auf Zack, was die Erfüllung seiner Dienstaufgaben angeht. Verkehrssünder haben bei ihm keine Chance und obgleich er selbst nie auf die Idee käme, sich die Haare lang und einen Bart wachsen zu lassen, hegt er doch Sympathien für die Hippie-Kultur, die seine Kollegen, wie der Comic- und Tittenheftchen-Liebhaber Zipper (Billy Green Bush) oder der neurotische Detective Poole (Mitch Ryan) niemals teilen könnten. Ein als Freitod getarnter Mord an einem alten Mann verdankt seine Aufklärung schließlich einzig Wintergreens Ambitioniertheit. Dennoch verfährt das Schicksal alles andere als fair mit ihm.
"Easy Rider", von der anderen Straßenseite aus betrachtet. Bei "Electra Glide In Blue" handelt es sich um die einzige Regiearbeit Guercios, ansonsten eher bekannt als Produzent grundehrlicher amerikanischer Musik von Bands wie den späten Beach Boys oder Chicago und Inhaber des legendären Caribou-Studios. Entsprechend genießt die Musik einen besonderen Stellenwert innerhalb des Films. Laut Guercio wurde sein die Polizei zentrierender Film ehedem als tendenziell faschistoid bezeichnet, vermutlich, weil er seinem statürlich kleinen, uniformierten Helden so etwas wie ein Märtyrerpodest erbaut. Jedoch ist diese Sichtweise völlig einseitig. Werden schon sämtliche Polizisten des Films als herzlose Exekutivwerkzeuge denunziert, die ihren Job vor allem deshalb tun, weil er ihnen die Gelegenheit zur Repression verschafft, so darf man mit Wintergreen zumindest einen Sympathieträger unter ihnen ausmachen. Und doch ist auch er kaum mehr als ein übereifriger Emporkömmling, dessen Gutherzigkeit, Ehrlichkeit und Naivität ihm letzten Endes einen Strich durch die recht selbstsüchtige Rechnung ziehen. Insofern ist der fatalistische Schluss nur konsequent. Und: Der Traum der Freiheit darf auch von Uniformierten geträumt werden und ebenso wie für die etwas verlotterter aussehenden Gleichgesinnten endet er für sie zumeist abrupt, ohne Vorwarnung. Und die Welt verliert wieder alle Farbe.
Formal ist der Film übrigens beachtlich und steht mit seinen gewaltigen Landschaftspanoramen in bester Ford-Tradition. Unerlässlich zudem als New-Hollywood-Mosaikstein.
9/10
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