Die andere Meinung
#1
Geschrieben 24. Mai 2006, 13:28
Zum Start meines eigenen Filmtagebuchs (endlich! mein eigenes!) muss ich ein bisschen in meinem Gedächtnis kramen, um die Erinnerung an diesen spanischen Film hervorzuzaubern.
Bei der Story um den Jungen Ramón, der zwischen Traum, wacher Realität und Rollenspieler-Phantasie die Sicherheit seiner Identität und der "Wirklichkeit" verliert, fällt mir vor allem auf, wie kulturübergreifend doch so etwas wie "Jugendkultur" und die Wahrnehmung derselben abläuft. Aus meinen eigenen Erfahrungen als semi-enthusiastische Rollenspielerin habe ich ein paar Blicke auf die "echten" Rollenspieler werfen können - und ja, auch wenn die, die ich kannte, älter waren als der Protagonist dieses Films, gewisse Ähnlichkeiten sind nicht von der Hand zu weisen. Die Affinität zu, sagen wir, schlichter Mittelalter-Romantik, die eng im Zusammenhang steht mit der bevorzugten Musik - die ihren quasi-martialischen Charakter wiederum durch fantasy-kitsch-nahem artwork unterstreicht (tut mir leid, Jungs, ich konnte Männer in Lendenschürzen nie ernstnehmen...) und der offensichtliche Mangel an sozialen Kontakten ausserhalb der eingeschworenen Gemeinschaft, vor allem zum anderen Geschlecht - in jedem Kulturkreis, der sich den Luxus leisten kann, scheinen Jungs mit sozialem Defizit und einem Überschuss an Phantasie (und Testosteron) dieser Art Realitätsflucht zu frönen.
Entgegen meiner vielleicht kritisch klingenden Worte betrachtet der Film - und ich mit ihm - die Rollenspielgruppe und speziell unseren Helden Ramón jedoch mit liebevollem Humor. Die Verschmelzung von Traum, Phantasie und Realität ist anfangs "nur" witzig - und mit gelungenen Montagen wunderbar im Bild umgesetzt. So kann man zunächst glauben, dass es nur darum geht, dass Ramón eben ein bisschen zu sehr für seinen character lebt und darüber nicht nur die Vernachlässigung durch die alleinerziehende, berufstätige Mutter, sondern leider auch die Notwendigkeiten des echten Lebens vergisst. Man kann glauben, dass er schlichtweg Gesichter, denen er in der Realität begegnet, in seine Phantasien einbaut - und träumt, träumt, träumt.
Dann aber halten die traurigen und beängstigenden Elemente Einzug - wenn Ramón nicht nur in seinen Gedanken, sondern auch in der Tat ein Attentat auf den Vorsitzenden der jugend-orientierten Partei Democracia Joven (bzw. für Ramón: einen bösen Magier) versucht und auch in der "Realität" nicht daran zweifelt, dass dieses Opfer gebracht werden muss, um einen drohenden Fluch von ihm abzuwenden. Da entpuppt sich auch die geliebte Kriegerin der Rollenspiel-Welt als verlorene Strassennutte, die nichts Reines oder Heldenhaftes an sich hat, und der der entschieden zu junge Ramón tragikomisch den Hof macht.
Während die Ereignisse in beiden Welten - Dimensionen, wie Ramón sie wahrnimmt - sich ziemlich rasch überschlagen und dem Zuschauer schon mal das nicht zu vermeidende Lachen im Halse stecken bleibt, behält es sich der Film angenehm unvoreingenommen vor, beide Welten als Fakten darzustellen und die Frage: Phantasiert er - oder ist das hier ein Fantasy-Film? nicht zu beantworten. Bis zum Ende spielt der Film mit Subjektivität und dem Verlangen des Zuschauers nach Eindeutigkeit, indem er bildliche Argumente für beide Lesarten bietet. Erst das Schlussbild neigt stärker zu einer einzigen Bedeutungserklärung und bringt die psychologische Interpretation in den Vordergrund, so dass man bei allem Witz beim Abspann erkennen muss: das ist ein trauriges Ende!
So kriegt der Film Dinge unter einen Hut, die sonst nicht einmal unter einem Dach wohnen: Fängt an wie Conan, macht weiter wie 12 Monkeys und hört auf wie Das weisse Rauschen.
#2
Geschrieben 24. Mai 2006, 14:04
Ich setz' gleich noch einen drauf.
Nachdem ich die Vergewaltigung in El noche del terror ciego verschlafen habe und während des Angriffs der Tempelritter in El ataque de los muertos sin ojos mit einer Freundin telephonierte, war es selbstverständlich eine Ehrenschuld, den dritten blind dead Film komplett und vollständig wach und aufmerksam zu verfolgen.
Gar nicht so einfach. Den Film zu kucken ist wie Nähen mit einer kaputten Nähmaschine: mal schlabbert's, mal rafft's.
Die Story ist so hanebüchen wie nur geht - aber für jemanden mit "Erfahrungen in der Werbebranche" ein gelungener Lacher, denn da werden zu Werbezwecken für Sportklamotten zwei Models in einer Nussschale auf der Nordsee (wenn ich das richtig verstanden habe) ausgesetzt. Genau, so denken Werber! Dabei treffen sie in einer mysteriösen Nebelbank auf die Schabracke, auf der die blinden Mumien ihr Unwesen treiben. Beide verschwinden. Nach einer nicht klar einsichtigen freiwillig-unfreiwilligen Sexszenen-Andeutung gibt's einen Dialog mit einem Meteorologie-Professor mit Nebenfach Mitteralterliche Satanisten-Riten, in welchem Menschen ohne Erklärung und Motiv ihre Meinungen und Pläne ändern wie andere Leute den Finger zum Nasebohren. Auf der Yacht des Sportklamottenherstellers geht's hinterher und rein in die Nebelbank und obwohl der Professor die ganze Zeit sagt, dass sie da sowieso nie wieder lebend 'rauskommen, machen sie alle sich's auf dem Boot gemütlich. Es kommt, wie's kommen muss, die Blinden stehen auf, rauben noch 'ne Braut, legen sich wieder hin, werden in ihren Särgen ins Wasser geworfen, der Professor bleibt auf dem Boot, zwei Leute schaffen es an Land, das Boot brennt, die letzten Überlebenden werden am Strand von den Tempelrittern gemeuchelt. El fin.
Selbstverständlich ist mir klar, dass es um was völlig anderes geht. Damals hatten Models noch den gesunden BMI von 25 und durften auch ohne das geringste Talent schauspielern (obwohl - das dürfen sie ja heute immer noch). Selbstverständlich sind auch die blinden Toten immer noch schön anzuschauen - mit Liebe zum Detail nach der Vorlage der Moorleiche gestaltet, wenn sie auch meines Erachtens in diesem Film ein wenig unter den beengten räumlichen Verhältnissen leiden (die slo-mo mit den Pferden in den ersten zwei Teilen war einfach unschlagbar fiebertraumartig).
Aber es ist eine Sache, einen Gruselfim zu sehen, in dem die Leute unmotiviert und dämlich agieren, aber wenigstens mit ein bisschen Abwechslung und Tempo durch's Skript hecheln, eine andere ist es, sich minutenlang minimaltalentierte Sarghupferl beim 'Rumrennen, 'Rumliegen, 'Rumröcheln ankucken zu müssen. Dass die Damen nur spärlich bekleidet sind, mag die Y-Träger unter den Zuschauern versöhnen. Mich hat zwischendurch der dramatisch erleuchtete Abendhimmel mehr fasziniert - und ich hab' trotzdem nix verpasst.
Abschliessend kann ich nur sagen: Wenn Männer nach diesem Film sagen, sie verstehen nicht, wie Frauen ticken, kann ich ihnen nur aus vollem Herzen beipflichten: Ich auch nicht! Und den Männern in den grauen Kutten möchte die Rockerbraut in mir zurufen: Hömma, wenn ihr immer so lange zum Abschleppen braucht, kommt ihr bis in alle Ewigkeit nicht zum Stich!
#3
Geschrieben 26. Mai 2006, 11:16
Vor 4 bis 5 Jahren, als ich noch Studentin war und voll im Saft stand, gab es bei einem der öffentlich-rechtlichen TV-Sender mal einen jugendlich-engagierten Programmredakteur, der sich dachte: Wir müssen mal "etwas anderes" zeigen als die üblichen Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen und die so genannten Hollywood-Blockbuster 2. Klasse, die wir uns gerade noch so leisten können.
So war es mir für die kurze Laufzeit von schätzungsweise zwei Wochen vergönnt, mal in das Subgenre des spanischen Gruselfilms hineinzuschnuppern. Little did I know dass dies einmal eine solche Rolle in meinem Leben spielen würde... jedenfalls sah ich da um 0:30 an einem Montagabend zum ersten Mal den 4. Teil der Reitenden Leichen. Man wird es mir nicht übel nehmen, dass ich ihn in meiner Unkenntnis für den 1. Teil hielt. De Ossorio erfindet auch für diesen modrigen Marsch macabre seine hohläugigen Tempelritter neu. Möglicherweise ist der Ort, den sie dieses Mal heimsuchen, der, an dessen Strand sie im vorigen Teil an Land gegangen sind... aber das kann auch nicht sein, denn schliesslich beginnt der Film im Mittelalter, als Männer noch Strumpfhosen und Frauen Hundenäpfe auf dem Kopf trugen. Und da sind die Herren in weiss noch füllig und trocken, wenn auch nicht freundlicher.
Wir sind schnell in der Gegenwart, auch wenn sich städtebaulich wenig getan hat. Der Arzt Dr. Stein (Frank N.? Nein: Henry) zieht mit seiner Frau ans Meer, in ein ziemlich verfallenes Örtchen, in dem merkwürdige nächtliche Rituale abgehalten werden. Natürlich ist es die Gattin mit der weiblichen Intuition, die von vornerein weiss, dass was faul ist. Bald taucht Teddy, das obligatorische Scheppmaul auf und auch das einzige freundliche Wesen am Ort zieht als Haushaltshilfe für Kost&Logis bei dem Arztehepaar ein. Wenn diese Lucy nicht gerade das letzte Exemplar der von den Tempelrittern bevorzugten Gattung Weiblich-ledig-jung wäre, fände der Spuk nie ein Ende. Zum Schluss darf Shakespeare zitiert werden: "Aber wer hätte gedacht, dass der alte Mann noch so viel Blut in sich hätte?"
Wie gehabt reiten die Herren Leichen in graumelierter slo-mo des Nachts, um mehr oder weniger unschuldigen Mädchen das Herz und anderes aus dem Leib zu reissen. Das rauh-romantische Setting am Strand bietet wieder mehr Platz für Aktion, die Story ist, hm, stringenter als im Vorgänger und die Figuren haben ein wenig mehr Tiefe. Nichtsdestotrotz wirft das Drehbuch Fragen auf: Wenn die Mumien doch nur alle 7 Jahre wieder kommen, warum ziehen die Leute nicht einfach in der Zwischenzeit um? Oder tun - besser noch - das, was alle am Ende rettet: nämlich das Götzenbild zerstören, dem die Tempelritter opfern? Zeit genug hätten sie ja. Woher kommen eigentlich die Leute in dem Dorf - wenn die paar Mädels, die's gibt, ohne grossen Widerspruch geopfert werden, bevor sie der nächsten Generation das Leben schenken können? Warum müssen sie unbedingt in durchsichtigen weissen Hemdchen an die Felsen gekettet werden? Warum hat die Arztfrau mehr Angst davor, auf's Dach zu steigen, als von lebenden Toten entführt zu werden? Und schliesslich: Warum sieht die Meeresgottheit, die den Teufel der ersten drei Teile ersetzt hat, aus wie der gefrässige Plapperkäfer von Traal?
#4
Geschrieben 26. Mai 2006, 12:02
Bernardo O'Reilly ist einer meiner Lieblings-Glorreichen. Er macht beim Holzhacken ein gute Figur und setzt sich bei den undankbaren Bauernblagen für deren Väter ein, um am Ende sein Leben für sie zu geben.
Das ur-amerikanische Heldenbild hat Charles "Chuck" Bronson vielleicht deshalb so sehr verinnerlicht, weil sein Leben in der McCarthy-Ära sicher nicht das leichteste war. Und so kämpfen Bronsons Charaktere meistens für "die gute Sache", bei der der Zweck die Mittel heiligt - das kommt in den Glorreichen zum Tragen und wird schon grenzwertig beim Dutzend.
Hier vereint er schliesslich die gute alte amerikanische Lynch-Tradition mit tartarischer Kaltblütigkeit, wenn es darum geht, das Volk vor modernen unamerikanischen Umtrieben zu schützen. Und die sind überall, denn die Polizei ist ja dummerweise durch das Gesetz gebunden - gegen Verbrechen können die quasi gar nix machen.
Statt dessen muss der tatkräftige Bürger selber 'ran, und unser Chuck hat beste Referenzen. Also geht's zunächst mit witzigen Trapper-Trittfallen und fast fairen Provokationsmanövern gegen die Bösen, die irgendwie ich-weiss-auch-nicht-warum an die gemeinen Indianer der Siedlerzeit erinnern. Die Erfahrungen aus den Kriegen, in denen die Amis echt ganz ehrlich wirklich jetzt gewonnen und die Bevölkerung den wahren Werten zugeführt haben, kommen ihm und seinen Mitstreitern ebenso zupass wie die aufgewärmten Reste aus dem militärischen doggie bag.
Am Anfang ist Chuck noch ganz ruhig und freundlich, aber als schon wieder sein all-american love interest draufgeht, sieht er - ja: rot. In den folgenden und abschliessenden Minuten wird geballert, gebrandschatzt, vergewaltigt und gemordert als gäb's kein Morgen, und endlich, in den Wirren des Strassenkrieges, darf auch der Bulle sein volles Potenzial ausleben.
Wenn's mich auch ein wenig traurig stimmt (ach Chuck, du warst Der aus dem Regen kam!), von Krämpfen lahmgeleg, hormonell aufgepeitscht, mit Fencheltee auf der Couch liegend ist es ein grosser Spass, der genau meine Stimmung widerspiegelt.
Trivia: Beim zweiten Sichten jetzt ist mir ja schier die Kinnlade 'runtergefallen - beim ersten Mal hab' ich sie wohl nicht erkannt, aber das ist ja Deanna Troy! Und man sieht ihre Titten! Meine Fresse, der Geheimtipp für Trekkies.
#5
Geschrieben 26. Mai 2006, 12:44
"Frankreichs Antwort auf The Big Lebowski" - hm... ja. Jaja, wenn man unbedingt die Coens als Maßstab anlegen will. Aber eigentlich ist der Stil des Films doch ziemlich französisch, oder? Schliesslich ist Jeunet der Erfinder der hyper-ästhetisierten Morbidität. Na klar, die klaren Farben und Formen, die coolness des Absurden, das sind auch die Coens, keine Frage. Aber ausser, dass der Protagonist auch lange Haare hat, ein Hänger ist und ziemlich oft mit dem Kopf irgendwo aufschlägt, sind die stories doch sehr unterschiedlich.
Aber der Film kann ja nix für die Slogans, mit denen er beworben wird. Nein - er ist wunderbar. Und steinigt mich, aber er ist sehr französisch. Das doofe Thema Hirn-Störung (Gustaves Narkolepsie) wird typisch französisch lakonisch behandelt, und dass er ausgerechnet Comic-Zeichner werden will, ist auch symptomatisch für unsere europäischen Nachbarn - da sehen sie's dann auch nicht so eng, das mit den Belgiern. Und Jean-Claude van Damme wird mal flott frank-iert.
Andererseits... die Wohngegend, in der Gustave mit Frau und Stiefsohn lebt, der Wohntrailer, in dem sein bester Kumpel Lenny haust, die hit twins on skates, die auf Gus angesetzt werden und der stand-up comedian, der sich auf's Geldscheffeln verlegt hat - das ist dann doch wieder amerikanisch. Bin ich schon so geprägt vom amerikanischen Kino/Weltbild, dass ich das vielleicht gar nicht mehr trennen kann?
Wie dem auch sei, der Film ist schön anzusehen, unterhaltsam, witzig und moralisch (das heißt: wat für's Häzz). Er hat alles, was nötig ist, kommt also ohne billige Tricks aus - kein Ekel-Humor, keine nackten Weiber (sorry, guys), keine spektakulären Stunts oder CGIs, keine exzessive Gewalt. Es geht ja auch nur darum, wie Gustave Kopp zu sich selbst findet - und zur Liebe *seufz*.
Man könnte also auch sagen: Die komische Antwort auf My own private Idaho - nur ohne Schwule.
#6
Geschrieben 30. Mai 2006, 11:51
Beim Nachdenken über diesen Film drängt sich mir ein gewagter Vergleich auf: Mit Filmen ist es wie mit Männern. Das entscheidende Wort ist in diesem Falle: grundsolide.
So weit ich das sehen konnte, ist der Film handwerklich zufriedenstellend, aber nicht originell. Die Handlung ist stringent und ohne grössere Hänger oder Löcher erzählt, und die Idee, den teeny slasher ins Berbau-Milieu zu verlegen, wird in allen Aspekten erschöpfend umgesetzt. Wir haben das Bergbau-Drama der unschuldig Verunglückten, wobei das Grauen des lebendig Begrabenseins als Trauma und Ursprung weiterer Tragödien glaubwürdig ist. Wir haben die Kleinstadt-Geschichte des jungen Mannes, der mehr anstrebte als ein Leben untertage, für seinen Ehrgeiz seine Beziehung aufgab und nach dem Scheitern in der grossen weiten Welt mit seiner Rückkehr in die Gemeinde seine Ex-Freundin ins Dilemma treibt: Soll sie bei dem bleiben, der bodenständig ist und ihr eine gesicherte Zukunft bietet, oder soll sie zu dem zurückkehren, dem ihr Herz eigentlich gehört, der durch seine höheren Ziele interessanter, aber auch weniger verlässlich ist? Wir haben, dem teenie slasher immanent, das Vergnügen, das zum Todesurteil wird; hier bietet der Valentinstag viel Angriffsfläche. Erstens zelebriert er im Vergleich zur christlichen Nächstenliebe des Weihnachtsfestes unverklärt die erotische Liebe - der Sex, der damit im Raum steht, ist wie gehabt gleichbedeutend mit dem Tod. Zweitens liegt auch die wörtliche Umsetzung dessen nahe, was am Valentinstag üblich ist: nämlich Herzen zu stehlen und zu verschenken. Schliesslich haben wir das Potenzial für ein Markenzeichen - so wie Freddie an seiner Krallenhand ist dieser Serienkiller an Spitzhacke und Untertagemaske erkennbar. Auch das Ausnutzen der bedrückenden Örtlichkeit Mine für den show down ist dem Film positiv anzurechnen - wer fühlt sich schon wohl mit Millionen Tonnen Gestein über dem Kopf? Das Gewirr der Gänge und die Gefahren, die so ein Schacht für Laien bietet, verstärkt effektiv die Bedrohung durch den Wahnsinnigen.
Bis zur Hälfte des Films ungefähr funktioniert auch der gesichtslose Killer - so lange, wie sich sein killing spree über mehrere Tage und den ganzen Ort verteilt. Als sich aber Handlungsort, Zeitspanne und Opferauswahl auf die spontane Feier im Minengebäude begrenzen und auch der Beziehungskonflikt der Hauptpersonen sich zuspitzt, wird der Film zum schlichten whodunnit. Die Protagonisten glauben zwar immer noch an einen Dritten, aber der geübte Zuschauer ahnt den plot twist voraus, und die Auswahl ist nicht einmal besonders gross. Die letzte Jagd ist zwar spannend, weil die Mine viele Fallen und Schatten bietet, aber die Frage richtet sich nicht längst nicht mehr auf das "Wer?", nur noch auf das "Wie?".
Um zum Vergleich vom Anfang zurückzukommen: Man kann dem Film nicht vorwerfen, dass er ein Langweiler wäre. Aber ein richtig schlimmer Finger ist er auch nicht. Wenn ich mit diesem Mann eine Nacht verbracht hätte, würde ich sagen: Ich habe mich ganz gut unterhalten, aber ich habe mich nicht verliebt.
#7
Geschrieben 30. Mai 2006, 12:28
Es gibt so Filme... Ich höre schon den einen oder anderen Lacher... Es gibt so Filme, da kann ich nicht viel zu sagen. Ich schaue sie - ich schaue grundsätzlich alles, ausser, ich werde vor Vergewaltigungsszenen oder explizit sexistischen Darstellungen gewarnt. Ich bin einfach zu neugierig, als dass ich mir irgendetwas entgehen liesse. Dabei pegeln sich auch die Vorstellungen ein darüber, was ich verkrafte und was mein Freund meint, was ich verkrafte. Es gab da mal die Rosskur mit Re-Animator, gegen den ich nix habe, der mir aber mit seinem Gedärmehumor auf den Magen schlug. Dann gab's eine Weile nur das allgemeinverträgliche Süppchen der bekanntesten Horrorfilme, und derzeit befinden wir uns in der Auslotungsphase - es gibt immer einen Vergleich. "Wenn du x ankucken konntest, kannst du auch y ankucken."
Da ich ein paar der Fulcis jetzt ohne grossen Protest oder Papiertüte überstanden habe, wagten wir uns gemeinsam an diesen grobkörnigen Griechenverleumder. Aber ehrlich, wenn ich auch noch so viele "kleinere" Filme kucke, zu manchen kann ich einfach nicht viel sagen.
Es geht einer um auf 'ner Insel, auf der Mia Farrows Schwester Kindermädchen spielen soll. Weil sie so nett aussieht, wird sie von einer Gruppe anderer Nicht-Griechen auf dem Boot mitgenommen. Als sie auf der Insel ankommen, finden sie niemanden vor ausser einer stoischen Dame in schwarz und dem durchgeknallten blinden Mädchen, dass Tisa betreuen sollte. Während die einen verschwinden, um höchstens tot wieder aufzutauchen, kommen die anderen dahinter, was mit dem hungrigen Herrn los ist - nach dem Schiffbruch musste er sich vom Fleisch seiner Frau ernähren (die lieber selbst gegessen werden wollte als ihren Sohn filetiert zu sehen - wahre Mutterliebe!). Jetzt ist er quasi connaisseur.
Die Höhepunkte des Films sind: das Beil im Kopf eines deutschen Touristen, die halbnackte Blinde, die aus einem Fass voll Wein hervorspringt (die übrigens aussieht wie die Schwester von Elijah Wood), der Anthopophagus, wie er eine unfreiwillige Curettage vornimmt, und der Anthropophagus, der seine eigenen Innereien verspeist.
Dass der Verzehr von Embryonen Geschmackssache ist, steht ausser Frage. Vielleicht ist das ein bisschen weiter über die Grenzen des "guten Geschmacks" hinaus als schon das Thema Kannibalismus an sich - aber es wird ja nicht gerade als empfehlenswert dargestellt (obwohl es ihm zu munden scheint). Für mich ist es, da der Film ansonsten doch eigentlich recht unspektakulär ist, genau so wenig Anlass, den Film zu verdammen wie ihn zu empfehlen.
#8
Geschrieben 30. Mai 2006, 13:13
Man stelle sich vor, die Engländer kämen in unser Land gereist, entführten unsere Hunde/Katzen, um daheim aus deren Skeletten goldige Wohnaccessoires zu machen. Ich kenne einige, die da ähnlich wütend reagieren würden wie der Protagonist dieses Films.
Das Schöne daran war, dass mir auch in der thailändischen Fassung ohne Untertitel nichts der Handlungsessenz verloren ging (das Englisch, das ab und an gesprochen wird, sind entweder Phrasen ohne entscheidende Aussage oder so vom thailändischen Akzent getrübt, dass es auch nur ein Dialekt hätte sein können...). Die Bösen, das sind die Chinesen, planen gemeine Machenschaften und brauchen die lieben thailändischen Elefanten nur zum Schöner Wohnen oder zum Geldscheffeln per Delikatessenrestaurant. Tony Jaa liebt seinen Elefanten und sein Kind, deshalb scheut er keine Prügelei, um die beiden wiederzufinden und zu retten, was zu retten ist.
Diesen Film schaut man nicht wegen der Handlung. Wenn nur Tony Jaa ein bisschen hübscher wäre! Wenn ich so sehe, wie er springt und turnt und schlägt und tritt, macht meine Phantasie schon mal Überstunden - bei der Ausdauer, Kraft und Gelenkigkeit... Aber naja, zurück zum Film.
Es ist tatsächlich unglaublich, was er für Wunder vollbringt, und lohnt sich für jeden, der gerne im Zirkus die Schlangenmenschen oder die Akrboaten bewundert. Oder, genauso, wer gerne Wrestling kuckt. Denn wenn auch einige scheinbare Unmöglichkeiten vollbracht werden, viel macht schlicht der Ton aus - es tut mehr weh, wenn man die Arme und Beine brechen hört; bei genauem Hinsehen ohne Ton könnte man erkennen, dass seine Gegner einfach nur gut gedehnt sind. Nichtsdestotrotz ein Riesenspass - der Chinesische Staatszirkus meets WWF!
#9
Geschrieben 30. Mai 2006, 21:41
Der Film hat den symptomatisch-dämlichen deutschen Titel "Ein (un)möglicher Härtefall". Was für ein Spezialist war da wieder am Werk, der das für witzig hält - den haben sie wohl mit dem Klammer-Beutel gepudert! (Den Kalauer konnte ich mir jetzt nicht verkneifen.)
Der ursprüngliche Plan war, mit einer Freundin einen Film mit "lekker wat zum Kucken" zu sehen. Da sie O-Ton- und Untertitelverweigererin ist, grenzte sich das heimische DVD-Angebot ziemlich ein, aber ich fand George Clooney ein angemessenes Objekt.
Es handelt sich hierbei um einen Film der Coen-Brüder, der nicht auf den ersten Blick als solcher erkennbar ist - im Sinne der üblicherweise ins Phantastische stilisierten Charaktere und Milieus. Die Geschichte um den Scheidungsanwalt Miles Massey, der sich in die Heiratsschwindlerin - entschuldigung: ehrgeizige Ex-Ehefrau in spe Marilyn Rexroth verliebt, spielt in einer Welt, die für Coen-Verhältnisse realitätsnah gestaltet ist. Und das ist das Schöne daran: dass dem ganzen romantischen Kram wie Liebe auf den ersten Blick und Liebe, die die Menschen verändert, die gesalzene Portion Zynismus beigefügt ist, mit der "böse" Menschen den üblichen Liebeskomödien begegnen. Es geht dem Zuschauer wie den Protagonisten: man darf niemandem trauen. Vor allem nicht dem Weib (das meine ich ganz unironisch).
So bin ich beim ersten Sehen komplett und beim zweiten Sehen nochmals fast dem Film in die Falle gegangen, die er für Idealisten und Naivlinge auslegt - denn wir wollen doch alle denken, dass die Frauen wie Marilyn Rexroth zwar bei ihrem Streben nach Geld erfolgreich, aber im Grunde ihres Herzens total unglücklich, einsam und - das wird ziemlich explizit gesagt - auch noch sexuell frustriert sind. Und so glaubt der Zuschauer der schluchzenden Marilyn genauso bereitwillig wie der gefoppte Miles, dass sie nach dem angeblichen Tod ihrer magengeschwürgeplagten Freundin eine Sinneswandlung erfährt und sich der einen wahren Liebe verschreiben will. Wie der Film mit den Erwartungen des Zuschauers, zumindest mit meiner Vorstellung der Welt spielt, ist schon perfide - das tut beim Lachen weh. Es enttäuscht dann fast ein bisschen, wenn nach einer raschen Zuspitzung der Ereignisse das späte Bekenntnis zur Liebe dem Film dann doch ein happy end beschert. Allerhöchstens kann man vermuten, dass diese beiden ihre Beziehung zueinander auf dem gemeinsamen geplanten Ausnutzen der Emotionen anderer aufbauen (aber so richtig klar ist das nicht).
Wenn der Film auch wie gesagt nicht in jeder Szene "Coen" schreit, gibt es doch einiges, das es zumindest in Zimmerlautstärke sagt. Die Darsteller, besonders George Clooney, überzeichnen ihre Charaktere ins Lachhafte. Miles wird uns in seiner ersten Szene eigentlich als klaffendes Maul vorgestellt (er lässt seine Zähne bleichen) und macht sich danach kaum sympathischer. Wie er ständig seine Zähne überprüft und zwischenmenschliche Interaktionen mit formelhaft wirkenden Monologen dominiert, lässt ihn wie einen narzisstischen Zwangsneurotiker aussehen. Die Gestik und Mimik aller Darsteller ist extrem stilisiert (bis auf vielleicht Catherine Zeta Jones, aber ich glaube, die kann das einfach nicht so gut...), sie wirken fast wie personae, wie Masken im klassischen Theater. In diesem Zusammenhang ist dann auch der eine wahrhaft typische Charakter zu nennen, der in diesem Film wie ein Anti-Eros auftritt: Miles' Chef Herb Myerson. Schon im Vorzimmer wird er uns als Wesen ohne Unterleib vorgestellt, denn Miles greift sich als Lektüre beim Warten die einzige nicht-juristische Publikation: Life without Intestines. Wir sehen diesen Unterleib auch nie, denn Herb ist im Grunde mit seiner Kanzlei verwachsen - im Rollstuhl auf immer hinter dem massigen Schreibtisch, durch Schläuche mit Maschinen verbunden, die in der Einrichtung seines Büros untergehen, rezitiert er Miles' Statistiken - die fleischgewordene Stimme des Kapitals. Da könnte man mal eine schöne Arbeit drüber schrieben: "Der Mensch in der Kapitalgesellschaft - Körper und Anti-Körper" oder so... Gibt's schon? Na also.
Trivia: Auf dem Banner der Konferenz der Scheidungsanwälte steht: "N.O.M.A.N. - ...let N.O.M.A.N. put asunder!" Die Abkürzung steht für National Organisation of Marital Attorneys Nationwide, und der nachfolgende Satz stammt aus der Eheschliessungszeremonie: "Wherefore they are no more twain, but one flesh. What therefore God hath joined together, let no man put asunder.' (Matthäus 19:6).
#10
Geschrieben 31. Mai 2006, 13:35
Ich erinnere mich daran, irgendetwas zu diesem Film im Fernsehen gesehen zu haben, als er 'raus kam (ich war zarte 14) - möglicherweise, wenn es das gab, in einer Rubrik "Kino" bei Formel 1... und aus unerklärlichen Gründen ist er in meinem Kopf assoziiert mit dem Song Opposites attract von Paula Abdul, die mit einer bescheuerten Zeichentrick-Katze tanzt. Wenn einer weiss warum, bitte Bescheid sagen.
Damals lebte ich in einer Kleinstadt und Ins-Kino-gehen war immer mit grösserem Aufwand verbunden, da es das nächste nur in Wetzlar gab... irgendjemand musste einen fahren. Scheinbar hatte aber mein älterer Bruder mit Führerschein an diesem Film kein Interesse, sonst wäre ich wohl mit ihm 'reingegangen... anyways, so hat es jedenfalls 15 Jahre gebraucht, bis ich diesen Klassiker endlich auf den Schirm bekam.
Eigentlich gibt es zu dem Film nicht viel zu sagen. Eine gelungene Actionkomödie (auch wenn das jetzt klingt wie aus einer Programm-Zeitschrift) mit ein bisschen ethnic comedy, einer kleinen, nicht übertriebenen Portion Liebesgeschichte bzw. Beziehungsdrama (warum spielt Bruce Willis eigentlich so oft einen gequälten Ehemann?!) und dann geht auch noch um Politik und Sport - da ist also alles drin.
Was mir jetzt nur durch den Kopf geht, wenn ich über den Film nachdenke, ist, dass es sich schon fast um einen Film des Neo-Noir handelt... wenn man das Genre ein bisschen großzügig auslegt. Er beginnt im Dunklen und im Regen mit einem Schuss. Joe Hallenbeck ist ein abgehalfterter Privatdetektiv, der durch einen scheinbar übersichtlichen Auftrag zwischen die Fronten eines (sport-)politischen Konfliktes gerät und dabei reichen und mächtigen Männern unbekümmert auf den Schlips tritt, weil er Prinzipien hat. Es gibt die femme fatale, die Frau mit dem finsteren Geheimnis, die umgebracht wird und deshalb gerächt werden muss und es gibt jede Menge finsterer thugs, die Joe und seinen Adepten Jimmy ohne weitere Erläuterung auf nächtlichen Straßen nach Herzenslust verprügeln. Die Polizei ist aufgrund von Vorurteilen gegen den Protagonisten und kann in letzter Minute nur noch die Reste aufräumen, die er zurückgelassen hat.
In der modernen Variante allerdings ist der abgehalfterte Privatdetektiv verheiratet, hat eine unverschämte Tochter und sein frisch gewonnener Kumpan ist ein afroamerikanischer Ex-Football-Star, der unter dem Leistungsdruck des publikumsorientierten Show-Sports zerbrochen und drogenabhängig ist. Welcome to the 90s - aber das mit den Sprüchen, das ist gar nicht neu. Schließlich hat auch Humphrey Bogart als Sam Spade immer einen knurrigen flotten Spruch auf Lager.
#11
Geschrieben 02. Juni 2006, 19:24
Naja, ich gebe zu, das ist vielleicht kein Film im absoluten Sinne - aber lang genug war's, und schick, schick, schick.
Unter uns: ich bin ein nerd (eine Nerdine?) und stehe auf C.S.I. Hab' schon immer drauf gestanden und werde sämtlich Folgen sämtlicher Seasons noch des öfteren in den DVD-Spieler werfen.
Zu dieser grossartigen abschliessenden Folge möchte ich nur sagen: Meine Angst, Q.T. könnte aus dem Team, das mir fast wie eine Familie ans Herz gewachsen ist, für seine "Zwecke" solche Figuren machen, wie sie sonst seine Filme bevölkern, war unbegründet. Nichts gegen Q.T.s Figuren, aber die Menschen bei C.S.I. sind netter, menschlicher, weniger cool. Sie sind nerds.
Q.T. hat offensichtlich auch alle Folgen gesehen und kennt die Charaktere so gut wie wir, die Fans. Und er hat es geschafft, uns in dieser letzten Folge alle diese Charaktere nicht nur genauso zu zeigen, wie wir sie schon kennen, sondern ihnen noch eine Stufe weiterer Tiefe zu verleihen.
"Grabesstille" ist spannend, grausam, bewegend, triumphierend. Ich freue mich schon auf die ungekürzte Originalfassung auf DVD.
#12
Geschrieben 02. Juni 2006, 20:14
Ein kurzer Film, der seine "mangelnde" Länge durch Stiltreue und Detailverliebtheit wettmacht.
Leider ist mir der zugrundeliegende Text nicht bekannt (aber ich werde ihn und andere mir bei Gelegenheit zu Gemüte führen), aber offenbar ist es eine recht verschachtelte Erzählung in einer Erzählung, mit noch anderen kleineren Nebenerzählungen. Umso mehr ist es zu bewundern, wie der Film mit den spärlichen Mitteln, die er sich selbst gestattet, dennoch die ineinandergesteckten Erzählebenen so trennt, dass der Zuschauer sich nicht verirrt, und so verbindet, dass er nicht den Faden verliert.
Die Aufbauten und die Maske sind wie das leichte Flackern der Bilder und das patinierte Schwarzweiss des Films ihrem historischen Vorsatz treu. Er gönnt sich aber - zu seinen Gunsten - an manchen Stellen den Luxus des Fortschritts und nutzt moderne Techniken, um die Handlung zu verdichten oder atmosphärisch nachzuhelfen (abgesehen natürlich von den "unsichtbaren" CGIs, die nicht unmittelbar zum künstlich gealterten look beitragen). Nur da, wo es gewollt ist, lässt er Computer Computer sein - und seine Grossen Alten in schönster Harryhausen-Manier in stop-motion erstehen und bedrohen.
Besonders gefiel mir das expressionistische Setting des Traums des Künstlers - nein, man kann in einem schwarzweissen Stummfilm nicht anders träumen als "Caligari"!
Dieser Fillm hat das beste aller Welten (soweit es Filmkunst betrifft) und vermittelt ein erhebendendes Gefühl von echtem Kunstverstand.
#13
Geschrieben 03. Juni 2006, 17:14
Entgegen meinen Erwartungen liegt hierbei nicht ein tumbes Sequel vor, das nur vom Erfolg des ersten Frankenstein zehrt. Es mag nicht gerade ein Film of his own right sein, aber dennoch ist er interessant als Sequel-Phänomen.
Das fängt schon damit an, das Wolf Baron von Frankenstein gegenüber seiner Frau Elsa zu Beginn des Films klagt, dass "die Leute" der Namen Frankenstein nicht mehr seinen Vater bzw. seine Familie bezeichnet, sondern das Monster. Das kann als Zaunpfahl für die Zuschauer gewertet werden, die bei Son of Frankenstein an die Braut aus dem vorigen Film denken und nun vielleicht erwarten, dass es in diesem Film um eine monströse Kleinfamilie geht. Der Film bezieht sich damit indirekt auf die Zuschauerreaktion auf seine Vorgänger (und in Bride of Frankenstein ging es ja auch tatsächlich um eine Braut für das Monster).
Es geht also nicht um das Monster und sein Kind - und dennoch wird eine familiäre Beziehung zum Monster hergestellt. Denn der Sohn aus dem Titel ist dreifaltig: Wolf Baron von F. ist der Sohn desjenigen, der das Monster erschuf, des berühmten Frankenstein. Er bringt aber auch noch seinen eigenen Sohn mit, den kleinen Peter, der natürlich eine eigene kindlich-unschuldige Beziehung zu dem "giant" aufbaut (simple minds...). Und schliesslich unterbreitet Ygor, der unverwüstliche Gehilfe des ersten Frankenstein, dem jungen Baron seine Vorstellung der geschwisterlichen Beziehung zwischen Wolf und dem Monster: "Frankenstein was his father, but his mother was the lightning." Und da haben wir sie: Vater, Sohn und heiliger Geist in Form elementarer Himmelskräfte.
Und das Monster ist sogar fast vollständig geläutert - der Effekt, dass Boris Karloffs Verkörperung des Un-Menschen bei allem Schrecken immer auch Sympathien gewann, kommt hier voll zum Tragen. Wo das Monster in den ersten Filmen nur zufällig oder im Affekt getötet hat, wird in diesem Film der mörderische Impetus ganz ausgelagert - es wird vollständig zum Instrument des wahren Bösen Ygor. Und es tötet, Gott steh' uns bei, aus Loyalität, Treue, vielleicht sogar Liebe. Wer kann es dem tumben, einsamen Riesen vorwerfen, dass er dem einzigen Menschen, der ihm beistand und der für ihn sorgte, der keine Angst vor ihm hatte, die paar kleinen Gefallen tut? Rasch und effektiv erledigt er die acht Mann, die Ygor damals zum Hängen verurteilten. Aber es ist Ygor, der vom unheiligen Rachetrieb besessen ist, und er ist fähig zur Reflektion, wo das Monster es nicht ist. Er hat einen freien Willen - und entscheidet sich für das Übel. So wie ein Hund nicht verantwortlich ist für die Befehle seines Herrn und sie nur ausführt, und als Tier ausserhalb der Moral steht, so ist auch das Monster amoralisch und nicht für seine Taten zu verurteilen. Es hat sich vom Objekt des Grauens zum Objekt des Mitgefühls gewandelt.
Historisch interessant ist auf andere Weise die Figur des Inspektor Krogh, der Leiter der einheimischen Polizei - der seinen Arm nicht im Krieg, sondern durch Frankensteins Monster verlor. Sein Charakter ist - wage ich es - typisch deutsch. Da der Film von 1939 ist, ist die Figur Krogh dem Bild des durch und durch bösen Nazis gerade noch mal entgangen. Dieser Deutsche ist zwar steif und diszipliniert, aber durch das Spröde scheint ein gutes Herz, und seine unverblümte Heimatliebe (zu seinem Dörfchen Frankenstein) hat noch nichts vom Wahnsinn der Faschisten. Er ist nicht gegen die Neuankömmlinge und bleibt, obwohl er mehr und mehr die Wahrheit ahnt, zurückhaltend und unvoreingenommen. Ausserdem scheint er der Einzige zu sein, der das Kind Peter irgendwie ernst nimmt und nicht nur als märchenerzählendes Brabbelmaul ansieht.
Ich will nicht sagen: Damals konnten Deutsche im Film noch sympathisch sein... aber es ist doch interesant zu sehen, wie Krogh manche Züge, die in späteren Filmen deutsche Uniformträger zum Abbild des Schlechten machten, hier noch zum Liebenswerten ausgelegt werden.
Ansonsten besticht der Film optisch mit seinen expressionistischen Settings - in einem Haus, in dem die Vorhalle so durch eine spärliche Holztreppe dominiert wird und die Betten im rechten Winkel Kopf an Kopf stehen, würde ich mich auch nicht geborgen fühlen. Auch Licht und Schatten werden kontrastreich eingesetzt und gemahnen an die finsteren Seiten der menschlichen Gier nach Erleuchtung - wo Licht ist...
Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass Basil Rathbone mich am Anfang nicht gerade beeindruckt hat, da seinem Frankenstein ei bisschen das Feuer fehlte. Vom fiebrigen Antreib seines Rollen-Vaters ist zunächst nichts zu spüren. Gegen Ende allerdings, als er langsam wahrnimmt, in welche Falle er sich manövriert hat, um das Andenken seines Vaters aufzubessern, gefällt er mir immer besser. Er wird hektisch, fahrig und sarkastisch, und das spielt Rathbone stärker. Ausserdem steht ihm der trockene Witz gut an.
Mag das Drehbuch auch ein paar Schwächen haben, insgesamt war ich von der Eigenständigkeit des Films positiv überrascht - und Boris Karloff ist einfach putzig!
#14
Geschrieben 04. Juni 2006, 19:24
Wir befinden uns schon mitten in der Serie und dementsprechend mitten in Fitz' Leben. Egal. Auch der 5. Teil der englischen Fernsehkrimiserie ist eine ziemliche Wucht. Während Fitz' trahikomisch mit seinem Ehe- und anderem Liebesleben hadert, wird ein junges Mädchen Opfer einer Sekte - allerdings nicht in religiöser Hinsicht, sondern auf ganz menschlicher, auch wenn es okkult verbrämt ist. Sie ist schwanger vom Sekten-Obermufti, und da das dem Ansehen der Gemeinde-Vorsteher schaden würde, soll sie möglichst unauffällig und in kleinen Teilen verschwinden. Das geht schief, weil's natürlich ein schwächstes Glied der Kette gibt... was auch noch einen unschuldigen Autisten (?) das Leben kostet.
Es steckt natürlich wesentlich mehr darin als diese kurze Zusammenfassung, denn die Cracker-Reihe begnügt sich nie mit den einfachen Geschehnissen, sondern steigt immer tief in die Gründe und Abgründe aller Akteure ein.
An diesem gefiel mir besonders, wie Fitz' fast banale Probleme parallel laufen zu dem finsteren und beängstigenden Schicksal der jungen Joanne - die Ähnlichkeit zur Realität schmerzt: wo es bei einem noch was zu Lachen gibt, krepiert der andere elendiglich am Egoismus seiner Mitmenschen. Während wir Glücklicheren ein "normales Leben" führen, werden anderswo andere wie Tiere oder weniger behandelt.
Anyway, diese Folge ging mir nicht so nah wie andere, aber dennoch ist sie spannend und trotz der Länge kurzweilig. Sehenswert wie jeder Cracker.
#15
Geschrieben 04. Juni 2006, 19:42
Diese Folge der Reihe ging mir wesentlich näher - aber das liegt in der Natur der Sache. Wenn es um Vergewaltigung geht, werden viele Frauen die Nackenmuskeln anspannen und sich zu einem Ball zusammenrollen.
Es ist aber auf Fitz Verlass, dass der Schrecken zwar deutlich wird, aber nicht zu viel gezeigt wird. Und dass im Umgang mit dem Thema klar das in den Vordergrund gestellt wird, was Vergewaltigung ist: nicht ("nur") unfreiwilliger Sex, sondern Dominanz, Machtausübung. Die Frauen werden Opfer eines besonders unangenehmen Vergewaltigers - nicht, weil er körperlich besonders brutal wäre, sondern weil er sie zwingt, mit ihm zu kommunizieren, als seien sie freiwillig da, als sei die Begegnung alltäglich und beiderseits angenehm.
Ohne zu banalisieren oder die Tatsachen zu verdrehen, schafft es dieser Film aber auch, die Konsequenzen zu zeigen, die eine Vergewaltigung für die Männer im Umfeld der Opfer hat. Fast tun einem die Ehemänner mehr leid als die Frauen.
Es fällt mir schwer, über den Film zu schreiben, ohne eine gender-Diskussion zu führen, daher fasse ich mich kurz. Der Film greift nicht nur die Vielseitigkeit sexueller Machtausübung auf, sondern fügt dem auch noch das Thema Rassismus bei. Es vergeht kaum eine Minute, in der dem Zuschauer nicht etwas zu denken gegeben wird, da auch Fitz' Liebesleben einer unausweichlichen Katastrophe entgegensteuert.
Heavy stuff, umso packender.
#16
Geschrieben 12. Juni 2006, 21:40
Soweit ich beim Tippen vorne liege (und ich habe nicht vorher auf die Tipps anderer geschaut, möchte ich betonen), so weit bin ich mit meinem FTB ins Hintertreffen geraten. Als Arbeitslose wird man in Düsseldorf ganz schön auf Trab gehalten!
Dementsprechend ist meine Erinnerung an diesen Actionstreifen schon ein wenig verblasst. Ich erinnere mich jedoch deutlich daran, dass ich ihn interessant, gar provokant gestaltet fand, durch die direkte Ansprache an den Zuschauer zu Beginn. Das waren ja offensichtlich (und in meiner Erinnerung vage vorhandene) Zeiten, in denen New York als der Moloch galt und die Kriminalitätsraten exorbitant waren. Da ist es schon gewagt, den Zuschauern so unverblümt zu sagen: Wenn ihr Ordnung wollt, schafft sie selbst.
Die Frage, ob dies rechtens und gerecht ist, zieht sich jedoch durch den Film, und da Robert Foster "nur" Rache an denen übt, die tatsächlich seine Familie ermordet haben, kann der Zuschauer seine Motivation voll nachvollziehen, ohne die eigenen Grundsätze all zu sehr in Frage zu stellen.
Besonders beeindruckend und quälend fand ich die Szene vor Gericht, in der sein ganzer Fall ohne eine Zeugenaussage oder Beweisaufnahme abgehandelt wird und er nicht ein Wort dazu äußern kann. Stattdessen muss er neben dem schleimig-verkleideten Verbrecher stehen, dem das alles offensichtlich schon bekanntes Theater ist. Schlimm schlimm.
Also, soweit ich mich erinnere, toller Film.
#17
Geschrieben 12. Juni 2006, 21:51
Dies ist einer von den Filmen, bei deren Titel meine Mutter "Ach Gott Kind!" ausrufen würde... dabei ist dieser schöne Schwarzweisse so wenig brutal wie z.B. The Innocents. Jaja: Blut, Gewalt, Eingeweide etc. gibt's nicht, dafür umso Gruseligeres aus der menschlichen Seele.
Auch diesen Film sah ich vor ein paar Tagen und banausenhaft zerstückelt zu später Stunde. Dennoch kann ich dazu sagen, dass er sich weniger mit dem paranormalen Schrecken befasst als mit der Tragik der unerlaubten und unerwiderten Liebe. Es gibt absolut nichts zu meckern, nur die atmosphärischen (und fast nicht exotistischen) Bilder von den West Indies (wenn ich mich recht erinnere) zu loben. Na, und die ansprechend spannend erzählte Geschichte von Brüdern, die dieselbe Frau geliebt haben, von Schuldgefühlen und Schuldzuweisung, und von der Absolution.
#18
Geschrieben 12. Juni 2006, 22:03
Bori Karloff darf zeigen was er drauf hat. Das wäre jetzt so meine Kernaussage.
Eine fast zeitlose Geschichte, da sie sich unter anderem mit der Frage befasst: Was darf die medizinische Forschung - und wo muss ihr die Moral Grenzen setzen?
Hier werden sie klar überschritten, diese Grenzen. Boris Karloff als Cabman Gray hat seine Gründe, warum er sich den Forscherdrang anderer zunutze macht. Ausserdem sind die Leichen ja nicht seine Sorge, gell?
Auf jeden Fall packt der große B.K. hier sein ganzes Musterköfferchen aus und gibt den kinderlieben, schelmischen, hinterlistigen und mörderischen pauper with a vengeance so umfassend, überzeugend und überwältigend, dass ich den Film gerne noch ein zweites Mal zu Ende schaute, weil der Herr des Hauses mal wieder eingeschlafen war .
Ich werde gerne für meinen merkwürdigen, vielleicht zu wenig elitären Männergeschmack verspottet. Da ich das schon kenne, gebe ich hier ganz offen zu, dass ich B.K. in dieser Rolle mit grauem Stoppelbart, schwarzen Augenbrauen und dunklen, glitzernden Augen heiss fand. Aber ich glaube, es könnte auch an der Rolle liegen, denn so richtig kann man sich seinem Charme und seiner Argumentation nicht entziehen.
#19
Geschrieben 12. Juni 2006, 22:18
Schnell, bevor ich übermüdet in die Laken krieche, noch ein paar wenge Worte zu diesem merkwürdigen Kammerspiel.
Ich hatte ja keine Ahnung, was mich da erwartete. Im ersten Moment dachte ich, wir sehen nicht den Film, sondern einen Film über den Film - aber der Irrtum ist wohl nicht ungewöhnlich.
Ein Film über - was? Über das Optimistische und das Pessimistische an dem Satz "all men are created equal"? Über das Individuum in der Gesellschaft, in der heimlichen und der un-heimlichen? Über das Ende des christlichen Wangehinhaltens - hier schlägt die Märtyrin zurück? Über Integration gar und die Mängel und fehler beider Seiten?
Der Film ist erschöpfend, die anschliessende Diskussion war es nicht, und leider leider bekomme ich jetzt nicht mehr sämtliche wichtigen Punkte zusammen.
Ich rechne dem Film positiv an, dass ich etwas derartiges vorher noch nicht gesehen habe, obwohl er in der Tradition des Brecht'schen Theaters, damit auch in der des Kleinen Fernsehspiels steht. Es passiert sehr viel und das schleichend, was seine monumentale Länge rechtfertigt, und die Katharsis kann Humanisten vor sich selbst erschrecken lassen.
Ich kann ihn nicht uneingeschränkt empfehlen - ich kenne einige, die mit diesem minimalistischen Konzept schon allein nichts anfangen könnten. Dennoch hat er starken Eindruck hinterlassen.
#20
Geschrieben 18. Juni 2006, 15:20
Passender der englische Titel A Bad Day at Black Rock, denn beim Ort der Handlung von "Stadt" zu sprechen ist eine Übertreibung. Black Rock ist eine Ansammlung von Häusern, in denen die wenigen Anwohner unter der Hitze der kalifornischen Wüste und einem düsteren Geheimnis leiden. Insofern ist es gar nicht so schlimm, dass der Zug, der regelmässig durch den Flecken fährt, nie anhält.
Nun hat er zum Erstaunen aller aber doch mal gehalten, und ein Fremder ist ausgestiegen, mit einem steifen Arm und der ruhigen Gelassenheit dessen, der das Schlimmste schon gesehen hat. Er ist gekommen, um eine private Mission zu erfüllen, aber das wird ihm vom größten, vorwiegend männlichen Teil der Anwohner erschwert. Warum, kann der Zuschauer sich schneller zusammenreimen als Spencer Tracy, aber der ist nicht auf den Kopf gefallen und merkt auch bald, das was nicht stimmt. Nicht nur wegen der mangelnden Willkommensgrüße, sondern auch aufgrund von Schlußfolgerungen, die Gil Grissom zur Ehre gereichen würden. Bald schon verlässt die Bedrohung die unterschwelligen Gefilde und wird offenbar, aber er ist von einer moralischen Verpflichtung getrieben, die dem Bedürfnis, seine Haut zu retten, fast ebenbürtig ist. Ausserdem gehört Spencer Tracy zu denen, die sich nicht so schnell ins Bockshorn jagen lassen, und das mit Recht, denn Ernest Borgnine kann ihm, dem Einarmigen, trotz zweier kräftiger Arme nicht das Wasser reichen (eine grossartige Kampfszene, die von "Wahrem-Mann-Sein" nur so strotzt und trotz Tracys Alter nicht lächerlich wirkt!). Die beiden einzigen Menschen, die nicht bis zum Kinn mit drinstecken, der Arzt und der Sheriff am Ort, sind an ihrer eigenen Impotenz und Feigheit verzweifelt und ertränken ihr Selbstmitleid in billigem Fusel. Schließlich kann Tracy aber doch das schwächste Glied der Intrigen-Kette mit seiner Lebensgeschichte und seiner Moral überzeugen und kommt dem ganzen Ausmaß des Dramas auf den Grund. Das kostet die einzige Frau in Black Rock wegen blinder Liebe das Leben und möglicherweise den ganzen Flecken die Exitenzgrundlage - aber das Recht hat gesiegt.
Der Film ist so stark, wie ich ihn in vager Erinnerung hatte, und geht mit für mich erstaunlicher Geradlinigkeit und Härte auf die dunklen Seiten der amerikanischen Teilnahme am Zweiten Weltkrieg ein. Nicht, was Übersee geschah, ist das Thema, sondern was gleichzeitig im eigenen Land geschehen konnte. Ich gebe zu, ich weiß nichts über die kontemporäre Rezeption, ich selber verbuche ihn unter "Wichtigste Filme aller Zeiten".
#21
Geschrieben 18. Juni 2006, 15:49
Den hätte ich jetzt glatt vergessen - in meiner Erinnerung ist er ein wenig verblasst. Ich dachte, ich hätte nur Funk_Dogg beim Playse-Zocken zugekuckt...
Der american samurai des Titel ist als Kind mit den Eltern mit dem Flugzeug über Japan abgestürzt und überlebte als einziger. Also wurde er von einem Samurai aufgezogen, der offensichtlich nicht nur fernab der Zivilisation, sondern auch ausserhalb der Zeit lebt, denn das mutet doch alles ein wenig anachronistisch an - sogar für Japan. Der einziger, der wohl mit der "echten Welt" in Kontakt steht, ist der leibliche Sohn des Samurais, der arme Marc Dacascos, der das Schicksal aller Hollywood-Ausländer teilt: er muss einfach jede fremdländische Kultur darstellen, die drin ist. Da liegt dann Japan näher an Südamerika als sonstwo... Anyway, das ganze Setting der Samurai-Lehrgangs-Montage ("we need a monta-a-a-age, yeah yeah yeah, we need a monta-a-a-age...") wirft Fragen auf: Sind Samurai nicht eigentlich sowas wie Ritter, also einem Herrn untertan? Wo ist der denn? Naja, egal. Hauptsache, der Knabe wird in 5 Minuten zum Manne und entwickelt seine 5 Sinne so, dass ihm schließlich ein 6. wächst. Wie praktisch. Aus irgendwelchen Gründen hat ihn auch sein japanischer Ziehvater mit der englischen Sprache aufgezogen (Marc D. übrigens auch), so dass David Bradley auch 4 Jahre später in L.A. keine Schwierigkeiten hat, sich zurechtzufinden. Was genau er eigentlich beruflich macht, ist unklar. Er soll wohl sowas wie ein Journalist sein.
Dann wird ihm das vom Ziehvater vererbte Schwert geklaut - wahrscheinlich vom neidischen Yakuza-Ziehbruder - und ihm wird eine natürlich vorlaute, natürlich rothaarige, natürlich in sexy Safari-Shorts gekleidete Fotografin zur Seite gestellt, damit er in der Türkei einen Mord untersuchen kann, der wohl mit dem bewussten Schwert verübt wurde.
Nach anfänglicher Querelen braucht es dann dochnur 5 Minuten, bevor die beiden fast ohne Vorspiel ein Paar sind. Muss ja sein, sonst ist er ja nicht erpressbar. Als wär' das nicht schon schlimm genug, geraten sie schneller als sie denken an die Aufklärung des Mordes, nämlich in eine Subkultur, die sich am alten Rom orientiert: Männer töten Männer in einer Arena, während reiche Männer drumherum Wetten abschliessen. David Bradleys böser Zeihbruder Marc D.ist der tollste der Gladiatoren und macht sich jetzt den Spaß, den verhassten Verwandten zum Kämpfen zu zwingen. Und damit sind wir bei der Existenzbegründung des Films. Während seine Freundin sich verzweifelt hinter Gitterstäben windet, treten Amerikaner, Chinesen, Japaner, Norweger und weiß Gott wer sonst noch im Zweikampf gegeneinander an, Arme werden abgeschlagen und Köpfe vom Leibe getrennt. Huiiiiii!
Natürlich schafft es David Bradley vorbildlich, so wenige wie möglich tatsächlich zu töten und sich immer auf die weisen Ratschläge des Ziehvaters zu berufen. Am Ende zwingt ihn sein Ziehbruder durch Selbstmordandrohung und hinterrückse Schwertwerferei dazu, dem Spiel ein Ende zu bereiten.
Toll. Wäre ich nur in den 80ern in Hllywood gewesen, ich hätte als Drehbuchautorin solcher Filme glücklich werden können. Die Dialoge sind schön simpel und voller platter Schlaumeierei - ausser die Liebesszenen, die könnten auch der Muppetshow entstammen. Mit 14 hab' ich mir solche Geschichten auch schon ausgedacht. Gottseidank ist das Drehbuch nicht so dolle - da kann eine Leberkäsfresse wie David Bradley nichts mit mangelnder Schauspielkunst kaputt machen. Seine größte Szene ist die, wie er nachts von seinem Ziehbruder träumt und nackt bis auf den orangenen Liebestöter von der Fotografin ertappt wird.
Ein Riesenspaß.
#22
Geschrieben 28. Juni 2006, 22:20
Ein Film wie eine bierinduzierte Knutscherei mit dem Dauergast einer Motorradkneipe. Schnell bei der Sache, brutal/unterhaltsam, und ich konnte mich erst daran erinnern, das schon mal gesehen zu haben, als ich schon wieder mitten drin steckte. Von der Peinlichkeit am nächsten Morgen gar nicht zu reden.
Eindeutig sehe ich die Dinge von einem anderen Standpunkt als mein Männe. Beim Anblick des italian stallion entfuhr mir ein spontanes "Iiiiih!" - bei seinen engen Hosen konnte ich nur an die dankbaren Pilzkulturen denken, die in den 80ern ihr Naturschutzgebiet im Schritt der fashion victims fanden. Die Lächerlichkeit seines mimikreduzierten Machohabitus wurde nur übertroffen vom zielgruppengerechten Blas- äh: Schmollmund seines skandinavischen love interest.
Die Story ist mir gar nicht so aufgefallen, was schon mal für einen guten Actionfilm spricht. Es gibt zum Protagonisten, der eigentlich der einzige ist, der mit der "Welt da draussen" tatsächlich umzugehen weiß, noch den witzigen sidekick, den ich mir schön im Zentrum einer italo-amerikanischen Großfamilien-Sitcom vorstellen kann, es gibt den schleimig-opportunistischen Büropolizisten, und "Sledge Hammer" spielt den lüsternen Modefotografen von leghead Brigitte Nielsen. Der ist allerdings sofort das Opfer der total wahnsinnigen und aufgrund ihrer perfiden Unauffälligkeit überhaupt nicht zu fassenden Pseudo-Weltverbesserer-Terrorgruppe, die auch schon mal für die Schulaufführung die kleine Handwaffen-Aerobic probt. Weil die Blondine dem Ultrabösen einmal zu viel ins grimmige Äuglein geblickt hat, scheuen die Neue-Weltler keine Kosten und Mühen, sie wie auch immer um die Ecke zu befördern. Um den schwedischen Porno auf Beinen und natürlich den Rest der Welt vor umstürzlerischen Anarchisten zu schützen, muss Marion Cobretti eben sein schönes Auto zu Klump fahren und mit der kompletten Artillerie eines mitteleuropäischen Kleinstaates eingreifen. So weit ist es also mit der Welt gekommen.
Ich versteh' schon, warum man sich den Film anschaut. Ich hoffe nur, dass ich beim nächsten Mal, wenn der kleine Mann mit dem breiten Kreuz auf mich zukommt, rechtzeitig daran denke, mich schuldunfähig zu saufen.
#23
Geschrieben 28. Juni 2006, 23:12
Der Film To catch a thief ist ein gutes Beispiel dafür, wie in meinem Kopf manchmal Titel mit Bildern und Charaktere mit Metaphern durcheinander kommen, ich verwechsle den nämlich schon mal mit Katze auf dem heissen Blechdach. Was eigentlich gar nicht doof ist, denn Dächer und Hitze kommen in beiden vor, nur die Katze, die ist in dem einen nur ein Bild, im anderen ist es Cary Grant.
Ausserdem vergesse ich auch gerne, dass dieser Film von Hitchcock ist... vielleicht, weil er sich dem Thema des unschuldig Verfolgten ein wenig heiterer nähert und die suspense auch nicht sooooo gross ist.
Dafür finde ich Grace Kelly umso grösser, vor allem, wenn sie sich im blauen Wasser der Adria mit der vorlauten Franzosen-Göre einen verbalen cat fight liefert. Wenn ich sehe, wie sie kühle Erotik verströmt, werde ich neidisch... aber in den Klamotten von damals könnte ich das auch...
Zur Story: In Nizza werden wieder Juwelen entwendet, und da der ehemalige Fassadenkletterer John Robie seinen wohlverdienten Ruhesitz in der Gegend hat und der modus operandi seinen Namen schreit, stehen natürlich die flics bald vor seiner Tür. Zunächst sucht er Unterschlupf bei seinen ehemaligen Resistance-Freunden, aber die ärgern sich auch, dass er wieder Aufmerksamkeit auf sich zieht. Glücklicherweise kommt ihm ein englischer Versicherungsvertreter entgegen und hilft ihm, dem dreisten Nachahmer eine Falle zu stellen. Dazu wird diezunächst unwissende, dann unerwartete Mithilfe der amerikanischen Ölmillionärin Stevens benötigt, die mit ihrer scheinbar unterkühlten Tochter Frances in Nizza weilt.
Wie wir's vom Alfie schon kennen, ist diese Blondine mitnichten so kühl, wie sie sich gibt, im Gegenteil - Abenteuer witternd, kann sie sich schnell und umfassend für den Glamour-Gangster erwärmen. Problem ist nur, dass die Nachwuchs-"Katze" sich nicht so leicht schnappen lässt und der alte Kater ganz schön ins Schwitzen kommt, bis der Fall gelöst ist.
Der Film plätschert so heiter dahin wie die Cote d'Azur. Angemerkt sei hier aber doch eine Szene, in der mir Hitchcocks Spiel mit Licht und Schatten besonders gut gefiel: da steht die attraktive Grace Kelly und lockt Cary Grant, den Schwerenöter, provokant und aufreizend - aber nicht mit ihren körperlichen Vorzügen, sondern mit dem kalt glitzernden Brilliantkollier an ihrem Hals. Adäquat verschwindet ihr Gesicht im Schatten und nur ihr Dekolletee mit den Steinen darauf ist noch zu sehen. Nicht nur ist das Begehren im Angesprochen nach den leblosen, aber mit Reichtum, demzufolge Status und Macht assoziierten Schmuckstücken grösser als das nach dem lebenden, warmen, aber "wertlosen" Körper der Frau - auch sie scheint sich, ihren Wert, ihre Attraktivität über diese Steine zu definieren. Die Tatsache, dass sie die Steine (also den Reichtum, den Status, die Macht) hat und er nicht, verwirrt die Rollen. Natürlich funktioniert diese Metapher sehr gut: Wenn er sie haben will, muss er nur zugreifen. Nudge nudge. Ihr gurrendes Locken soll ihn zur Sünde verlocken, nur was genau hätte sie davon, wenn er es täte? Würde sie nicht ihren Schmuck (ihre Unschuld oder gar sich selbst) verlieren, wenn er ihrer Aufforderung nachkäme - oder würde sie vielmehr ihn gewinnen, weil er sie in Besitz nähme und Besitz verpflichtet?
Vielleicht ist sie aber auch einfach nur eine Frau, die den Mann, den sie will, einfach nur richtig gut versteht. So oder so ist das eine hocherotische Szene, ohne das ein Kleidungsstück zu Boden gleitet oder Menschen sich berühren. Finde ich jedenfalls.
Dieses Kleinod kommt unter die Top Ten der "Trüber Sonntag Nachmittag"-Filme.
#24
Geschrieben 01. Juli 2006, 18:11
Ein weiterer Film für die Männergruppe...
Der aufrechte Cop Action Jackson gerät zum zweiten Mal in professioneller und moralischer Hinsicht mit dem Autohersteller Dellaplane aneinander - beim letzten Mal brachte er den psychopathischen Sex-Killer von einem Sohn des Moguls hinter die therapeutisch gepolsterten Gitterstäbe. Sein Körpereinsatz dabei brachte ihm die Degradierung zum Bürohengst ein - wie ein Shirehorse im Streichelzoo scharrt er dort mit den Hufen. Jetzt scheint der macht- und sexgierige KFZ-Hersteller hinter den Morden an einigen Freunden und Bekannten Actions zu stecken. Mit Duldung der Vorgesetzten macht er sich mit seiner nonkonformistischen Methodik daran, die Hintergründe aufzudecken. Dabei begegnet er den zwei Frauen im Leben Dellaplanes - die scheinbar etwas gutgläubige, bis über beide Ohren verliebte Gattin Patrice, die für ihr Gespräch mit dem Cop gleich mit dem Leben bezahlt, und die heroinsüchtige Sydney, die eigentlich nur daran interessiert ist, wie Dellaplane ihr Stoff und den Zugang zum Showgeschäft verschaffen kann. Als Action Jackson sie gerade noch vor einem Bombenattentat bewahren kann, hilft sie ihm mehr oder weniger bereitwillig, den Fall zu lösen.
Action Jackson ist ein starker Typ in jeder Hinsicht. Wenn er auch zu ruppigem Umgangston neigt, ist seine moralische Rechtfertigung klar. Als Cop setzt er sich für Gerechtigkeit ein - was ihn von seinen Kollegen unterscheidet, ist dabei "nur" die Kompromisslosigkeit. Er übertritt auch selbst nicht die Gesetze - er handelt bis zum Ende im Rahmen des gerade noch Legalen und selbst, als er schließlich die Gelegenheit hat, tötet er Dellaplane doch erst in Notwehr.
Die Zeiten der Lynchjustiz sind vorbei, und sogar Junkies können gerettet und geläutert werden (erstaunlich einfach und schnell, wenn man Vanitys cold turkey mit Ewan MacGregors vergleicht).
Jericho, der eigentlich Name Action Jacksons, ist der Ort, an den der Bibel nach die Bundeslade gebracht wurde. Jericho: Bewahrungsstätte der göttlichen Gesetze. Der Bringer von Recht und Ordnung ist nicht mehr ziviler Gegenspieler oder ungeliebtes Kellerkind der Polizei, sondern voll und ganz von der Institution einverleibt. Nachdem er einmal über die Stränge geschlagen ist (in göttlichem Zorn), trägt die interne Züchtigung, die Degradierung, Früchte - denn nur seine frühere Unbeherrschtheit macht ihn angreifbar: Als die tote Patrice Dellaplane in seiner Wohnung deponiert und dort auch gefunden wird, wird er zum Verdächtigen, nicht nur aufgrund der Umstände, sondern weil er eine "gewalttätige" Vergangenheit hat. Nur, weil er aus diesem Fehler gelernt hat und sich nun an die eigenen Gesetze hält - sich nicht dem Gegner moralisch gleichmacht -, findet er am Ende die Absolution. Jericho "Action" Jackson: die domestizierte Faust Gottes?
Aber sonst ist der Film auch richtig unterhaltsam.
#25
Geschrieben 02. Juli 2006, 17:40
Einweiterer Film von Val Lewton, hinter dessen reisserischem Titel sich das verbirgt, was man gemeinhin als "Psychodrama" bezeichnet.
Die Toten aus dem Titel sind mitnichten Zombies, sondern eine kleine, zufällig zusammengewürfelte Gemeinschaft auf einer Friedhofsinsel im Griechenland des Jahres 1912. Tote deshalb, weil einer die Pest mit an Bord brachte und sie nun fast alle so gut wie tot sind - das bedrückende Warten auf den Scirocco, den heissen Südwind, der die Pestüberträger austrocknet, wird verschärft vom Expeditionskoller, der sich im Durchbruch eines volkstümlichen Aberglaubens äussert. Der anfangs analytisch und strategisch denkende General Pherides lässt sich von der ältlichen Haushälterin Kyra zum Wahn anstecken, die junge und schöne Thea sei eine Vorvolaka, die sich des nachts von der Lebenskraft ihres siechen Pfleglings Mrs. St. Aubyn ernährt. Diese Angst wird zur self fulfilling prophecy, als Mrs. St. Aubyn ihrer Katalepsie erliegt und dadurch ihren schlimmsten Albtraum tatsächlich durchleben muss: lebendig begraben zu werden. Sie ist es schliesslich, die vor Angst verrückt geworden "von den Toten aufersteht" und die beiden dem Aberglauben Anheimgefallenen mit dem Tode bestraft.
Die alten Sagen und Mythen des konservativen Volkes drücken hier den Neid des Alters auf die Jugend aus. Kyra haftet dem aussterbenden Volkstum an, die junge Thea wird nicht nur durch ihr Alter, auch durch ihre Liebesbeziehung mit einem aus der Neuen Welt, dem amerikanischen Kriegsberichterstatter Oliver Davis, zur Personifizierung der fruchtbaren, zukunftsgerichteten Moderne. Sie, die sie zur neuen Generation des griechischen Volkes gehört, verachtet General Pherides für sein martialisch hartes Durchgreifen gegen die Bauern ihres Dorfes - sie sieht darin ein pragmatisch verbrämtes Bauern-/Blutopfer im eigentlichen Sinne. Auch wenn Pherides nichts von den alten Göttern wissen will, sitzen die Sagen und Mythen tief. Je weiter das Fieber von ihm Besitz ergreift, desto stärker tritt das Volkstümliche in ihm hervor, verliert er den Halt am Realen und Modernen. Die Angst vor einem unsichtbaren Feind, gegen den er mit seinen Waffen nichts ausrichten kann - das Pestvirus -, sucht sich in der mythischen Gestalt des Vorvolaka ein greifbareres Ziel. Die rein medizinischen Sauberkeitsvorkehrungen werden zu rituellen Waschungen und die Bewachung und Isolation Theas erleichtert ihm die Situation durch Schaffung eines klaren Feindbildes.
Der Film lässt eigentlich keinen Zweifel daran, dass der Vorvolaka nicht existiert. Obwohl Thea sich ebenfalls von den Verdächtigungen beeinflussen lässt und sich selbst unter strengste Beobachtung stellt, werden dem Zuschauer logische, weltliche Erklärungen für die Zustände der Beteiligten angeboten. Trotzdem kann einen ein Schauer erfassen, wenn Mrs. St. Aubyn in ihrem Sarg erwacht und sich in den "echten" Vorvolaka verwandelt. Somit werden sowohl Kyra und der bereits an der Pest leidende Pherides von ihrer Verhaftung mit dem Volkstum bestraft, der jungen Welt, der Vereinigung Amerikas mit dem Neuen Europa, steht nun nichts mehr im Weg.
Der Film hat noch so viele Aspekte, über die ich sprechen könnte - man kann ebenso sagen, in der Anfeindung Theas findet sich die menschliche Angst vor dem Tod, den sie personifiziert. Eine Allegorie auf den Holocaust (siehe Funk_Dogg) liegt ebenso nah wie eine moderne Fassung eines griechischen Mythos - da ist das Wasser, über das ein Boot ins Reich der Toten fährt (siehe Styx), und eine Steinfigur des Cerberus, der mit seinen drei Köpfen den Ein- und Ausgang bewacht - der seine menschliche Entsprechung im watchdog genannten General Pherides findet. Vielleicht ist es er, der für seine Anmaßung, über das Leben anderer entscheiden zu wollen, bestraft wird, denn kaum ist er tot, kommt der ersehnte Scirocco und befreit die anderen aus ihrem Gefängnis.
So könnte ich noch ein Weilchen weiter machen...
Boris Karloff zeigt einmal mehr sein Können und erbringt wieder den Beweis, dass es tatsächlich Männer gibt wie Wein: mit dem Alter immer besser. Diesen Film sollte man sich nicht aufgrund falscher Erwartungen aufgrund des Titels entgehen - und nicht verderben lassen.
#26
Geschrieben 03. Juli 2006, 09:28
Am überwältigendsten und faszinierendsten an diesem Klettermaxe fand ich nicht die majestätischen Naturaufnahmen oder die waghalsigen Aktionen auf schmalen Klippen und rutschigen Schneeflächen - nein: am meisten beeindruckt hat mich die Tatsache, dass Sylvester Stallone nicht nur einen Mann mit Gefühlen spielt, auch dass er diese tatsächlich mit bewegter Mimik zu vermitteln versteht. Ja: der Mann hat auch im Gesicht Muskeln.
Von der albtraumhaften Fallszene zu Beginn des Films brauche ich nicht mehr zu sprechen. Gabe quält sich nach dem Unfall der Freundin eines Freundes mit Schuldgefühlen und steht doppelt unter Druck: von seiten der eigenen Freundin, die ihn von seinem Komplex befreien will, und des besagten Leidträgers, der in den Schuldzuweisungen keine Genugtuung finden kann.
Natürlich ist es ein völlig unabhängiges, in größerem Rahmen entscheidendes Ereignis, das die private Problematik Gabes löst - nämlich der missglückte Versuch eines Großterroristen, einige Milliarden Dollar der US-Regierung zu entwenden mittels schwindelig machender Zirkusartistik in luftiger Höhe. Da soll von einem fliegenden Flugzeug zum nächsten ein Transfer von Personen und Geldkoffern stattfinden - weil aber bei Bösewichtern nie irgendwem zu trauen ist, geht's schief und die Combo mit John Lithgow als Mutter aller Bösewichter landet in Gabes Bergen. Bald sind er und sein Ex-Kumpel für die Bergung der Geldkoffer unfreiwillig rekrutiert - der Druck der Situation bietet Gabe die Gelegenheit, seine Schuld abzuarbeiten und sein Trauma zu überwinden.
Das Extraordinäre des Verbrechens in diesem Film mal beiseite gelassen - ein ausgesprochen gelungener Action-Streifen. Der namensgebenden Struktur wird in soweit die Treue gehalten, als dass die Handlung in kurzen Elementen fortschreitet, an deren Abschluss eine Frage in die nächste Sequenz überleitet: Geht er oder geht er nicht? Lebt oder lebt er nicht? Schaffen sie's oder schaffen sie's nicht?
Während an mancher Stelle die Zeit erfolgreich zugunsten des Erzähltempos gerafft ist, wird sie dafür an anderer Stelle zur Dramatisierung der Gewalt gedehnt - wenn die Maschinenpistole zum Einsatz kommt oder einer über die Klippe springt, wird dramatisch in slo-mo geschossen und gestorben.
Eine Ästhetisierung, möglicherweise, aber im Rahmen der rauen, gnadenlosen Natur, in der das Geschehen stattfindet, tritt das Elementare daran in den Vordergrund. Der Mensch im Kampf gegen die Natur - gegen schmale Grate und Abgründe sowohl des Gesteins wie auch der menschlichen Art.
#27
Geschrieben 06. Juli 2006, 18:37
Der ehemalige staatliche Auftragskiller Creasy wird in Mexico City als Bodyguard für die kleine Pita rekrutiert, die durch das vermögende Elternhaus beständig in Gefahr steht entführt zu werden. Zunächst stellt Creasy klare Regeln auf und trennt sein eigenes, von Bitterkeit und in Alkohol ertränkten Erinnerungen geprägtes Privatleben vom Job. Das Mädchen ist aber ein echter Sonnenschein und ausserdem ehrgeizig und pfiffig. So erobert sie schliesslich doch sein Herz und weckt väterliche Gefühle, die auch dringend nötig sind, denn ihre Eltern sind fast nie zuhause. Gerade, als das Verhältnis richtig innig geworden ist, wird sie tatsächlich entführt - Creasy setzt sein Leben für sie auf's Spiel, aber er scheitert. Noch während er im Krankenhaus liegt und selbst in Gefahr gerät, weil er bei seinem Einsatz zwei (korrupte) Polizisten erschossen hat, geht die Lösegeldübergabe schief und Pita wird für tot erklärt. Daraufhin macht sich Creasy auf einen brutalen und langwierigen Rachfeldzug, ohne Rücksicht auf die Gefahr, in die er sich begibt, denn er legt sich mit einer großangelegten Organisation an. Nach viel Folter und Mord kommt er den versteckten Hintergründen auf die Schliche - und alles endet noch viel bitterer als es begann.
Denzel Washingtons Coolness steht im Kontrast zur Hitze Mexikos, die in den warmen, intensiven Farben und den engen Räumen, die die Kamera schafft, körperlich spürbar gemacht wird. Der rhytmische, die Sequenzen splitternde Schnitt spiegelt dagegen sein zerfahrenes, von Rachdurst getriebenes Seelenleben wider. Bei aller Wärme, die sich zwischen dem brummigen Mann und dem fidelen Mädchen entwickelt, ist Unruhe und Bedrohlichkeit doch das vorherrschende Gefühl. Der Film rückt in seinen Bildern den Protagonisten sehr nahe und zwängt den Zuschauer auch in den unangenehmsten Momenten mitten ins Geschehen. So ist es beeindruckend, wie stark der Film "somatisch" wirkt - ein enges, schweißtreibendes Erlebnis.
Ich persönlich habe ja nichts gegen den Denzel - auch wenn ich auf Filme wie The Preacher's Wife natürlich total verzichten kann. Ich finde ihn hier wesentlich besser als in seinen eher "netten" Rollen, wenn ich ihm auch dank seiner glatten, gesunden Haut und den ebenmäßigen Gesichtszügen den Fast-Alkoholiker nicht so richtig abnehme.
Doch auch hier hat er seine gefühligen Momente - und ja, ich habe geweint. Auch wenn am Ende alles umsonst, nein, unnötig war, so lange bin ich seinem selbstgerechtem Trieb gefolgt und habe seine selbstvergessene Suche nach Genugtuung miterlebt, dass ich ebenso wenig wie er in voller Fahrt bremsen und über das Vergangene nachdenken kann. Etwas wird gut, auch wenn es ihn das Leben kostet - naja, ich habe nah am Wasser gebaut, sowas rührt mich einfach zu Tränen.
#28
Geschrieben 06. Juli 2006, 19:07
Ein etwas heitereres Zwischenspiel in kühlem S/W. Der große weiße Hase Harvey war noch in meiner Kindheit der Inbegriff für einen Dachschaden... Jimmy, na, inzwischen doch James Stewart spielt den gut situierten Exzentriker, der stets in Begleitung seines 6'-Hasen auftritt, den bedauerlicherweise niemand außer ihm sehen kann... deshalb wollen ihn seine ältere Schwester und seine Nichte auch einweisen lassen, um endlich wieder ein soziales Leben entwickeln zu können. Aber Harvey hat so seine Methoden, die Dinge zu verdrehen und am Ende ist die Botschaft klar: Lieber glücklich und ein bisschen verrückt - als ein normaler Mensch: "We all know what stinkers they are!"
Eine ganz klare Tendenz-Schnulze, die die beängstigenden und hinderlichen Aspekte einer Schizophrenie ziemlich romantisiert. James Stewart - Dowd - ist ein heiliger Narr, der Aphorismen absondert, obwohl er eigentlich nur über seinen Hasen spricht. Weil aber doch auch der kesse Witz der screwball comedy eingesetzt wird und Stewart so verloren wirkt in der turbulenten Welt, die seiner Milde nur Unverständnis entgegen bringt, macht es viel Spaß.
Ein bißchen schade, aber verzeihlich fand ich die Tatsache, das am Ende das Interesse an der Technik die Chance der Zweideutigkeit verspielt - spätestens, wenn Türen schwingen, ohne dass einer durchgeht, wird die Frage eindeutig beantwortet: Gibt es den Hasen oder ist er doch nur Einbildung? Aber das war wohl die Zeit - da war das noch ein toller Trick. Zur Konsolidierung dient vielleicht die ebenso zeitgemäße Skepsis und Respektlosigkeit, mit der die Psychotherapie ad absurdum geführt wird... der arme Arzt, der einfach nicht die Figur in Dowds Leben findet, nach der er sich sehnt - da gab es niemals einen Harvey, Dowd mag den Namen einfach, und nun heißt eben der Hase so. Ganz abgesehen davon, dass die Normalen nur durch eine dünne Grenze von den Verrückten getrennt sind.
Wer Vereinfachungen ertragen kann, wird hierin einen so genannten feel good movie finden.
#29
Geschrieben 06. Juli 2006, 19:43
Ich weiß nicht, wie es anderen Frauen geht - wenn ich Domino Harvey (hey... da ist er wieder, der Hase!) sehe, dann will ich sein wie sie. Also: wenn überhaupt jemand anders. Und ich vermute fast, jede "vernünftige" Frau fühlt da ähnlich.
Okay - ich möchte nicht unbedingt einen Vaterkomplex haben und eine entfremdete Mutter, aber ich wäre gerne so tough und kackdreist wie sie, so unerschütterlich, was mein Vertrauen in meinen sex appeal angeht, und natürlich würde ich auch gerne mit Mickey Rourke und dem heissen Edgar Ramirez durch die Lande gurken und mit fetten Knarren und anderem Kampfgeschirr hantieren. Ja, so eine wäre ich gerne. (Und es war ein echtes Kompliment, als mein Angetrauter tatsächlich sagte: "So bist du doch!")
Und am allerliebsten möchte ich natürlich mit Tom Waits in einem convertible nach Las Vegas fahren. Das würde ich auch gerne tun, wenn ich einfach ich selbst bin.
In diesem Fall gestatte ich mir, von einem "unverkennbaren" Stil zu sprechen, denn die fiebrig gleißenden Farben, der zerrissene Schnitt und die geringe Distanz zwischen Sehen und Geschehen ist sichtbar verwandt mit Man on Fire. Mein Glück, dass es derselbe Regisseur ist, dem ich mit dem "unverkennbar" nicht den Vorwurf der Wiederholung machen möchte. Dieser Film erzählt eine andere Geschichte, fast ein Märchen mit magischen Helfern und einer wunderhaften Rettung. Dass er mir als Zuschauerin ebenso dicht zu Leibe rückt wie der Vorgenannte, ist mir absolut recht, denn umso packender erlebe ich ihn.
Die Handlung hat ihre komplexen Momente, in denen es mir auch aufgrund der zerrissenen Erzählstruktur schwerfiel zu folgen, aber weil so viel Tempo drin ist, konnte ich mich einfach mitreissen lassen. Aus diesem Grund lasse ich hier mal die Zusammenfassung weg und spreche nur die wärmste Empfehlung aus, diesen Film mit cojones (in diesem Fall die ovarios) aus Stahl unbedingt anzusehen.
#30
Geschrieben 10. Juli 2006, 15:05
Irgendwo im Hinterland, wo auch sonst, lebt die amerikanische Else Kling mit ihren zwei von Mutterinstinkt und kultureller Schonkost grenzdebil gehaltenen Söhne Addley und Ike. Munter jagt die schrecklich nette Familie unschuldige city slickers, dieses Jahr geraten sie dabei jedoch an die Ausgeburt weiblicher Zähigkeit, drei Collegefreundinnen, die aus ihren unterschiedlich, aber in gleichem Maße bedrückenden Leben einen Kleinurlaub nehmen. Beim Zelten am See werden die drei von den Hillbillies gekäscht (so praktisch können Schlafsäcke sein), und zwei dürfen/müssen bei der gemein skurrilen und sadistisch verjuxten Vergewaltigung und "Unschädlichmachung" der dritten zusehen. Jackie, die offenbar in ihrem Leben immer unter ihrer Harmoniesucht und abhängigen Persönlichkeit gelitten hat, hatte von vorneherein keine Chance. Dafür rächen sich ihre Freundinnen - die toughe Hollywood-Bulldogge Trina und das leidenserprobte Schneewittchen Abbey (ich glaube, so 'rum war's) - mit umso viel mehr Verve und Durchschlagskraft.
"Die Rache der Schwiegertöchter" könnte der Untertitel dieses als geschmacklos und plump verleumdeten kleinen Slashers lauten. Er wartet zwar nicht mit der atmosphärischen Dichte und psychologischen Tiefe eines Texas Chainsaw Massacre auf, geht aber mit dessen Sub-Aussage konform, frei nach S. King, in the end, bitches abide. Wenn auch in manchen Szenen scheinbar das voyeuristisch veranlagte Publikum mal stärker bedient wird, lässt der Film doch keine Zweifel darüber offen, dass Männer in erster Linie Geschöpfe ihrer Lebensspenderin sind, in steter körperlicher und mentaler Abhängigkeit von der moralischen und emotionalen Zitze, und dass es die Töchter sind, die diesen Bann zu brechen verpflichtet sind. Für den genetischen und ethischen Fortschritt, denn was für die Mütter galt, ist den Töchtern ein Mühlstein. Dass dabei auch die sorgende Tochter mit ihrer eigenen Aggression gegen die starke Mutter konfrontiert wird und erst nach der Überwältigung des immanenten 4. Gebotes die volle Tragweite und Bedeutung ihres Handlens mit Fassungslosigkeit und Trauer quittiert, trägt nur noch mehr zum Eindruck bei, dass wie in klassischen Mythen das physisch und kulturell unfruchtbar Gewordene kompromisslos entthront werden muss, um den nachgewachsenen Ressourcen Platz zu schaffen.
Selbst der letzte plot twist (fällt das unter diese Kategorie? for lack of a better word...) steht im Zeichen des Matriarchats, den Queenie (die queen bee) ist das Urbild des Weiblichen, so, wie es traditionell definiert ist: urwüchsig, erdverbunden, ungezügelt. Da werden die zwei überlebenden Damen also vom Ursprung ihrer eigenen Kraft überwältigt...
Natürlich handelt es sich hierbei um einen günstig produzierten Film, der vor allem ein Publikum anspricht, das mit weit weniger "Geschmack" glücklich werden kann als der durchschnittliche 3sat-Zuschauer. Ihm deswegen aber jegliche Aussagekraft oder Diskussionswürdigkeit abzusprechen, hiesse, die feinen Züge der Ironie und Kulturkritik sowie die Überarbeitung eines klassischen Themas zu verpassen und um so viel ärmer an filmischem Horizont zu bleiben.
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