Die andere Meinung
#481
Geschrieben 05. Februar 2008, 16:54
Man mag dem Film heute Zähigkeit und unüberzeugende Effekte vorwerfen - für michwird er immer der Film bleiben, in dem ich mich in Kirk Douglas verliebt habe. Deshalb finde ich natürlich auch die Rückblenden-Erzählung eine gute Idee und die Effekte (vor allem Circes Grün-Schleier) gelungen. Alte Liebe rostet nun mal nicht.
#482
Geschrieben 05. Februar 2008, 17:41
Überraschend der erzählerischste Film von Wes Anderson, wenn auch sein bevorzugtes Thema - die dysfunktionale Familie - das gleiche geblieben ist. An Life aquatic habe ich nur noch sehr vage Erinnerungen, weil er mir sehr aus skurrilen Episoden zu bestehen schien. Doch wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, war Bill Murray dort, ähnlich Gene Hackman in Tenenbaums, auch eine psychologisch wichtige, doch distanzierte und undurchschaubare Vaterfigur.
Diese Vaterfigur ist in Darjeeling Ltd. wenn auch nicht überwunden, so doch überlebt, und nun versuchen die drei Söhne, jeder auf seine Weise vom Vater, der nomadischen Mutter und dem Leben in der gehobenen Klasse ver-prägt, den Tod des Vaters und den Entzug der Mutter gemeinsam zu verarbeiten. Durch den ältesten Bruder nach einem beinahe tödlichen, selbst verursachten Unfall nach Indien berufen, treten die drei eine Reise im Zug The Darjeeling Limited an, in der Hoffnung auf spirituelle Erleuchtung und ein engeres Familiengefüge. Doch jeder der drei trägt seinen Teil dazu bei, dass diese Ziele stets weiter in die Ferne rücken, statt sich zu nähern.
Francis, der älteste, nimmt wie selbstverständlich die Rolle des Familienoberhauptes ein, bis hin zum mantra-artigen "Let's make an agreement", dass er, wie später ersichtlich, von der Mutter als friedensstiftende und erzieherische Maßnahme gelernt hat. Seine beiden jüngeren Brüder - selbst erwachsene Männer - sehen diese Anmaßung natürlich mit Skepsis und lehnen sich mehr oder weniger offen dagegen auf. Sein Unfall, wohl eine Folge des Verlorenseins nach dem Tod des Vaters, hat ihm die vermisste Nähe zu den Brüdern vor Augen geführt, nun versucht er fast zwanghaft, seine Verantwortung als Stammhalter zu übernehmen - unglücklich, ungeübt und von einer verklärten Vorstellung von Familie getrieben.
Peter, der mittlere Bruder, versucht seine Position zwischen Erstgeborenem und Nesthäkchen durch ein ausgeprägt kompetitives Verhalten auszugleichen - in der Behauptung, der Vater hätte ihm im Sterben gesagt, er sei sein Lieblingskind gewesen, und dem deutlich als Verlust empfundenen Tod "seines" indischen Jungen ("I didn't save mine!"), zeigt sich, wie stark er sich über Herausragen aus der Mitte definieren muss. Sein Umgang mit den Erbstücken des Vaters - Sonnenbrille, Rasierapparat - ist auch die Präsentation der angeblich größten Nähe zum Vater; in dieser Form, aber auch als eine missverstandene Form der Trauerarbeit bringt dies vor allem Francis auf die Palme. Einerseits ist dieser verständlicherweise verärgert über diese Vorführung, andererseits sieht er den Vater als unantastbares Idol, dessen Besitztümer nicht im Alltagsgebrauch profanisiert werden dürfen.
Der jüngste Bruder, Jack, ist uns schon im Vorfilm vorgestellt worden als verletzter Liebhaber und wird mehrfach nicht nur als "lone wolf" bezeichnet, sonder auch als Don Juan inszeniert. Wie Peter, der als "Mitte" um eine profiliertere Rolle ringt, wird Jack als Jüngster von den beiden Älteren – die vor ihm da waren –, in den Schatten gestellt. Er separiert sich von den beiden und suhlt sich in der Verlassenheit durch eine offenbar intrigante, vielleicht sogar leicht sadistische Ex-Freundin, der er mit masochistischer Paranoia hinterher rennt. Seine romantische Qual unterlegt er beständig für alle hörbar mit Soundtrack, macht somit die Situation zu seinem eigenen Film (dies nur am Rande: es ist nicht nur ein iPod, er trägt auch stets kleine Drehorgeln bei sich, die er, wo er kann, wie kleine Heiligenfiguren aufreiht).
Diese drei sind nun mehr oder weniger freiwillig auf der Suche nach Harmonie, Zusammenhalt und seelischem Frieden. Dass sie dabei auf ein Klischee hereinfallen, ein Indien suchen, das mit der Realität nichts zu tun hat, fällt ihnen nicht auf, weil sie zu sehr damit beschäftigt sind, ihre individuellen Pläne zu verfolgen. Erst als die Umwelt nicht mehr mitspielt, der Zugführer keine Toleranz mehr zeigt für die Karma-Touristen, können sie ein Gefühl dafür entwickeln, dass ihre die ihnen bis dahin bekannte Welt - in der sich alles um sie selbst drehte - sich nicht die einzige, vor allem nicht die wahre Welt ist. Ihre Leiden und Malaisen werden in Perspektive gerückt vom Unglück der drei indischen Jungen; wie ein Foto-Negativ der eigenen Familie sehen sie drei Kinder, die so gut wie nichts besitzen, deren Leben von tatsächlichen Bedrohungen und echten Sorgen belastet ist; mehr: deren Familie mit dem Tod des Ältesten (?) eine echte Tragödie erleidet.
Zwar legen die Drei ihre Macken und Spleens nicht ab, doch es scheint, als könnten sie sie zumindest als diese betrachten, nicht mehr als Lebensnotwendigkeiten. Mit noch mehr Impetus machen sie sich weiter auf den Weg zu ihrer Mutter, um sie zu konfrontieren und die Famlie wieder zu einen. Die Mutter ist im Gegensatz zu ihnen jedoch sehr in der Realität angekommen; ihre scheinbare Kühle ist nur eine extreme Bodenständigkeit: sie tut nichts, was sie nicht will, nur um der Etikette zu genügen, sie lebt an einem Ort, an dem Handlungen wichtiger sind als Worte und sie setzt die elementaren Dinge klar vor zivilisatorische Spitzfindigkeiten. Für ihre Söhne mag das hart sein, doch vielleicht verstehen sie am Ende doch: sie sind erwachsene Männer - Zeit, sich entsprechend zu benehmen.
Und so werfen sie bei ihrer letzten Zugfahrt als überdeutliches Symbol den Ballast ab, lassen die Familienerbstücke, den kindlichen Trotz gegen die selbständige Mutter, die schweren und obsoleten Erinnerungen an den Vater, einfach fallen und springen - anders kann ich es nicht sagen - auf den Zug des Lebens auf.
So gesagt, klingt es vielleicht kitschig, aber so habe ich zu keiner Sekunde empfunden. Im Gegenteil hat mir die immer noch sehr zarte Grenze zwischen Witz und Tragik imponiert, die Wes Anderson so hervorragend zu beschreiten weiß; ich war erleichtert, dass statt des wirren Hin-und-Her und Tohuwabohu eines Life aquatic ein so deutliche Erzählung, eine nachzuverfolgende Reise zu Stande kam, die ganz leise und ohne große Sentimentalitäten eine Katharsis hervorbringt. Ich frage mich, ob Wes Anderson selbst seine Geister besiegt hat und dies eine Verbildlichung seines eigenen therapeutischen Fortschritts ist? Wenn dem so wäre, bin ich gespannt, wie sein nächster Film aussehen wird.
#483
Geschrieben 05. Februar 2008, 18:33
Bin jetzt doch ganz froh, dass ich den nicht im Kino gesehen habe - klar sieht das alles jetzt besser aus mit den neuen Effekten, aber der Superman/Clark Kent von Christopher Reeve bleibt unübertroffen. Margot Kidders Lois Lane sowieso, höchsten Kevin Spaceys Lex Luthor kommt ein bisschen an Gene Hackman heran... aber vielleicht auchnur, weil ich Kevin Spacey mag und er sich ziemlich stark an seinem Vorgänger orintiert...
Es fängt eigentlich ganz gut an, wird aber dann doch etwas merkwürdig und gefühlsleer. Ist nicht viel von hängengeblieben; hätte ihn beinahe beim Schreiben vergessen.
#484
Geschrieben 06. Februar 2008, 18:06
Neben einer deutlich ikonisierten Darstellung der femme fatale, der Frau, die den Mann ins Verderben treibt, der er sich aber nicht entziehen kann - anscheinend, weil er im Grunde von ihr verschlungen, vernichtet werden will - ist mir besonders das merkwürdig positive Ende im Gedächtnis geblieben. Nachdem sich die Beteiligten in wollüstigem Intrigenspiel gegenseitig zerstört haben, wird der Protagonistin, der Salome-Schlange par excellence, die sprichwörtliche Chance ihres Lebens geboten - und alles wird gut. Die Bösen kommen blutig um, die gewitzten Frauen kriegen den Gewinn und der liebestolle Fotograf kriegt die Frau.
Wenn das alles nicht in den ausgesprochen ausdrucksvollen Bildern De Palmas inszeniert wäre, wäre es vielleicht nur ein labyrinthischer Erotikthriller mit lahmem Plottwist. Die wie gewohnt hervorragend vom Regisseur geplanten und gesetzten Abläufe und Räume lassen über den eigentlich nur durch seine Komplexität bestechenden Plot mehr als hinwegsehen.
Nur - ich kann es nicht lassen: so manche Szene stellt mich als Frau vor unergründliche Mysterien. Ich glaube, wenn ich vor Funks Augen für einen anderen strippen würde, würde der mir den Hintern versohlen.. und nicht erst den Typen verkloppen und dann leidenschaftlich Liebe mit mir auf dem Billardtisch machen. Aber naja...
#485
Geschrieben 06. Februar 2008, 18:49
Oberflächlich betrachtet ist dies eine High-Society-Screwball-Komödie über eine Frau, die drei Männer zur Auswahl hat, und den Presserrummel, der darum gemacht wird.
Tief drunter aber liegen Weisheit und Wärme, ein Plädoyer für die Nachsichtigkeit und den menschlichen Makel. Nicht nur ist Cary Grant als trockener Alkoholiker, der seine geschiedene Ehe noch nicht aufgegeben hat, wunderbar gemein und gleichzeitig zartfühlend und sensibel für die Seele seiner Ex-Frau. Katherine Hepburn ist ebenfall überwältigend und rührend, im beständigen Kampf mit ihren hohen moralischen Anforderungen an sich selbst und ihre Umwelt; im Kampf mit der Realität, in der Menschen Fehler haben, die man ihnen verzeihen muss - oder, wenn das nicht geht, die man ihnen helfen muss zu korrigieren.
Es ist einfach herzzerreissend mitanzusehen, wie die hehre Verfechterin der Integrität und moralischen Unantastbarkeit sich auflöst, ihrem menschlichen Bedürfnis nach Entspannung, Spaß und auch dem Überschreiten der Grenzen, dem Verletzen von Regeln nachgibt und sich vom Bodens und dem Podest, auf dem sie sich befidnet, zwei echte Mensche annähern können.
Natürlich ist das Ganze, das ist so irreführend, gespickt mit scharfzüngigem Witz und kompliziertem Versteckspiel. Das macht den Spaß nur noch größer.
#486
Geschrieben 07. Februar 2008, 18:49
Ein zweistündiger Sommertraum, ganz unmoralisch und leichtfüßig; mit ein bisschen Pietät und viel Sinn für guten Geschmack. Die Kombination aus rüdem Amerikaner und empfindlicher, kultivierter Engländerin, kühlem Kalkül des Industriemagnaten und chaotischer mediterraner Bürokratie, Verwechslungskomödie und romatischer Liebesgeschichte ist schlicht unschlagbar. Diesen Film sollte man sich einmal im Jahr ansehen - in der Zeit zwischen 15. Juli und 15. August am Besten - und hinterher Narzissen pflücken an der Adria, nackt im Meer schwimmen und zum Katerfrühstück Pfannkuchen essen. Fast wünschte ich mir, mein Mann wäre nicht mein Mann, sondern meine heimliche Affäre...
#487
Geschrieben 08. Februar 2008, 17:17
Die schönste, interessanteste Situation des Films hat er gleich zu Beginn: als sich die Familie, die aus Not entstand, zum Abendbrottisch zusammensetzt, in einer dunklen, nur von Kerzenlicht erhellten Hütte, und es hektisch an der Tür klopft - da öffnet einer der Insassen die Tür nach draußen und es herrscht gleißendes Sonnenlicht, ein kleiner Junge steht in einer scheinbar friedlichen grünen Landschaft. Diese Diskrepanz zwischen Erwartung (meiner zumindest) und dem Tatsächlichen versprach eigentlich einen sehr effektiven Einsatz der filmischen Möglichkeiten. Leider bleibt es dabei, außer optischem und akustischem Streß gelingt es dem Film nicht vielmehr emotionale Aufwühlung zu erzeugen. Die menschenleeren Straßen Londons sind schon vertraut aus dem Vorgänger, auch die blutige Rage der Befallenen ist zwar laut und wild, aber das allein macht noch keinen Horror.
Ja, ich war gestresst, teilweise angeekelt, aber beunruhigt oder erschüttert war ich nicht.
Edit. Achja, jetzt fällt mir ein, was mir zu dem Film sonst noch einfiel, nämlich der olle Spruch von meinem Englischlehrer "Fog over the channel - continent cut off". Das ist so das, was ein gutmütiger Betrachter in dem Film sehen kann: die Paranoia der Inselbwohner. Natürlich die Parallele zur Tollwut, die im echten Leben mit viel Mühe und Aufwand vom englischen Land ferngehalten werden sollte, wobei sich die Engländer ihr Inselleben zum Vorteil machten - umgekehrt ist es hier ihr Nachteil, denn keiner vom Kontinent kommt ihnen zur Hilfe. Diese Parallele bestand aber shcon stärkerim ersten Teil. Nun kommt die (möglicherweise tiefsitzende) Furcht hinzu, von den ehemaligen Kolonien übernommen, gerettet und kontrolliert zu werden; und shcließlich: kann ihnen nicht einmal mehr die amerikanische Armee helfen.
Bearbeitet von zora f., 08. Februar 2008, 17:26.
#488
Geschrieben 11. Februar 2008, 16:14
Es ist kein Geheimnis, dass Billy Wilder neben den komischen auch die tragischen Töne beherrschte. In diesem gnadenlosen Protokoll einer Läuterung darf Ray Milland alle Register seines Könnens ziehen, Euphorie, Verzweiflung, Versagen und Triumph, Niedertracht und Ehrgefühle eines Säufers ausspielen. Nach den tiefen Tiefen, in die er sinkt, und der schmerzhaften Scham, die man als Zuschauer für ihn empfindet, mutet das Ende merkwürdig hoffnungsvoll an - ein wenig schal vielleicht sogar. Wenn es nur so wäre, dass die Liebe einer Frau einen Mann von seiner Sucht heilen könnte; wenn es nur so wäre, dass der Entschluss, sich seiner Stärke zu- und von der Schwäche abzuwenden genug ist, um diesen Schritt zu vollziehen.
#489
Geschrieben 11. Februar 2008, 17:27
Wie heißt es so schön: Manchmal ist weniger mehr. Der Impetus, sich über übergroße Waffennarrheit lustig zu machen, die Allgegenwart von Coolness in Verbindung mit Schusswaffen zu konterkarieren mit eines comichaften Liebe zu rohem Gemüse und überhaupt den virilen Actioner in satirischer Form auf's Korn zu nehmen - ist an sich nicht über, fast löblich. Aber hätte hier doch ein wenig Zurückhaltung die Qualität des Gesamtwerkes gesteigert.
Nicht ganz schlimm, aber auch nicht ganz toll.
#490
Geschrieben 12. Februar 2008, 16:54
Ich habe mich jetzt lange genug davor gedrückt, über dieses Meisterwerk zu schreiben. Es fehlen mir immer die Worte, die echte Größe zu erfassen, und ich denke, das ist auch richtig so. Was ich in meinen kleinen Worten erfassen kann, ist messbar, das große Südstaaten-Drama nach dem Stück von Tennessee Williams bleibt außerhalb der Reichweite meiner Beschreibungsfähigkeit. Soviel nur: Paul Newmans blaue Augen waren nie so kalt und Elizabeth Taylors Zunge nie so spitz wie hier - und niemals gab es eine erotischere Schlussszene als diese; voller Leben und Hoffnung nach den schweren und schmutzigen Aufräumarbeiten, die die Familie in dieser Nacht hinter sich gebracht hat.
#491
Geschrieben 12. Februar 2008, 17:22
Lang habe ich mich dem französischen Kino verweigert, aus Angst, mit meiner mangelnden Begeisterung als kultureller Außenseiter dazustehen. Doch irgendwann erreicht man - hoffentlich - ein Alter, in dem man mit solchen Differenzen zur Umwelt und dem eigenen Geschmack seinen Frieden schließt und sich auch Filme anschauen kann, die man möglicherweise nicht unter den persönlichen Lieblingen verbucht, wenn sie auch auf die Liste der Klassiker gehören.
Mit Alain Delon und Gian-Maria Volonté hat dieser Film der "Schwarzen Serie" zwei charismatische Hauptdarsteller, die ich mir ganz außerhalb aller Rationalität gerne ansehe. Die Beziehung zwischen den beiden sowie zu ihren jeweiligen Personenkreisen - Polizisten, ehemalige und aktuelle Vertraute, halbseidene Barbesitzer und Hehler - wird jedoch in so distanzierter Weise, so ohne Regung gespielt und inszeniert, dass meine empfindsame weibliche Seele zu Zeiten vor Rätseln stand. Da herrscht so etwas wie eine männliche Telepathie, dass Dinge unausgesprochen und Regelhaftigkeiten unerklärt bleiben, während ich nur dem Lauf der Ereignisse folgen kann. Ganz sicher ist die atmosphärische Kühle intendiert, und in seiner formellen Ausführung muss diesem Film entsprechend Respekt gezollt werden - faszinierend ist die schweigsame Kommunikation und der unaufhaltsame Weg in die Tragödie allemal -, doch lässt er mich leider völlig kalt. Vielleicht, weil ich manches nicht verstehe, vielleicht, weil die Sachlichkeit hier im Vordergrund steht... nun, ich darf es sagen: Vom Hocker gehauen hat er mich nicht.
#492
Geschrieben 13. Februar 2008, 14:24
Farley Granger ist nicht James Stewart oder Cary Grant, Robert Walker nicht Anthony Perkins - aber sie machen ihre Sache dennoch gut. Dass der Film nicht zu den besten Hitchcocks gehört, liegtwohl unter anderem an deetwas schwachen Überzeugungskraft der Schlüsselszene: Warum geht der Unschuldige nicht zur Polizei? Auch die Spannung im letzten Teil leidet einmal am Tennisspiel (ein Sport, der mich auch sonst völlig kalt lässt) und andererseits an der etwas zu langen Karussellfahrt, die eher quälend als nervenzerreißend wirkt.
Nichtsdestotrotz hat der Film schöne Einfälle - die Spiegelung in der Brille des Mordopfers, der Wahnsinnige, der allgegenwärtig den Unschuldigen an eine ausstehende Schuld hinweist, die nicht mit Vernunft wegargumentiert werden kann. Ein Hitchcock ist immer noch keine verschenkte Zeit, nicht mal ein mittelmäßiger.
#493
Geschrieben 13. Februar 2008, 15:26
Was für ein grandioser vergessener Schatz. Michael Caine, Inbegriff des attraktiven erdbeer-blonden Briten mit einem Verstand aus Stahl und cojones aus Granit, gegen David Warner, der in meinen Augen für immer der nonchalante Teufel aus Time Bandits bleiben wird und diese sadistische Nonchalance auch in seinem schmuddeligen, ungebildeten, aber durchaus nicht dummen Piratenkapitän ausspielt. Mit welchem Genuss er dem pazifistischen Vater vorführt, dass Spaß am Töten Erziehungssache ist, gibt dem Film neben all dem Abenteuer-Vergnügen und den Treasure-Island-Träumereien eine noch immer aktuelle sozial-immanente Note. Dass die inzestgenerierte Stupidität, mittelalterliche Ignoranz und herrenmenschliche Verbohrtheit der Freibeuter den Zuschauer so weit treibt, bei Caines eruptivem Rachefeldzug Genugtuung und Erleichterung zu verspüren, all the more so.
Mein persönlicher Herzensliebling ist aber Colin Jeavons, der in der 1980er TV-Serie Hitchhiker's Guide to the Galaxy den Max Quordlepleen, den Showmaster im Restaurant am Ende des Universums spielt. Wo er auftaucht, verbreitet er ein Flair von spleenigem Irrsinn, der aber die Würde eines aufrechten Briten nicht vermissen lässt - auch hier als Hizzoner, ein quasi juristisch Beauftragter.
Ich sehe gerade, dass der Film zwei Golden Raspberries bekommen hat... hm... muss ich meinen Filmgeschmack überdenken?
Bearbeitet von zora f., 13. Februar 2008, 15:27.
#494
Geschrieben 14. Februar 2008, 12:45
Michel Piccoli, der meiner Ansicht nach auch Dracula hätte spielen können, finde ich leider nicht sehr sympathisch. Mit seiner Rolle als fanatischer Polizist, der nur um des eigenen Triumphes über "das Verbrechen" willen eine Gruppe von Freunden zerstört - Leuten, die nicht das Problem sind, das er beseitigen will - ändert sich daran natürlich nicht viel. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wie dieser nette alte Bekannte aus Armee-Zeiten mit seinen semi-kriminellen Kompagnons und seiner schönen Prostituierten-Freundin mit den Grauen Eminenzen zusammenhängt, die hinter dem Banküberfall zu Beginn des Films stehen... bis mir klar wurde, dass es diese Grauen Eminenzen nicht gibt und es dem Bullen nur um die Befriedigung seiner eigenen Machfantasie geht.
Selbstverständlich weiß ich, dass Michel Piccoli nicht der fiese Bulle ist. Insofern ist er ja perfekt besetzt, schließlich sollen wir ihn hassen. Ihm gegenüber strahlt die schöne, kaputte, starke und zerbrechliche Romy Schneider - die keinerlei Ähnlichkeit hat mit Yvonne Catterfeld, nein, mein Herr! -, die wirklich alles spielen hätte können. Auch der Hure aus - j, was? Gewohnheit? Passion? schenkt sie würdige, königliche Aspekte. Sie und ihr Liebhaber Abel geben dem Film die Wärme ihrer bedingungslosen Liebe; Abel als Arbeiter mit Herz, der seiner Geliebten keinen Sous abnimmt vom "schmutzigen Geld" und auch seine Talente nur überschreitet, um sie zu halten mit dem Versprechen von einem besseren Leben, dieser Abel jedenfalls ist das genaue Gegenteil von Max, von liebevollem laissez-faire weniger getrieben als inspiriert.
Umso tragischer natürlich, wie Max bewußt und mit voller Intention in die Beziehung des Paares eindringt, willentlich falschen Ehrgeiz anstachelt und eine Gruppe unwichtiger Kleinkrimineller zu einem Coup verführt, der von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Welchen langfristigen Erfolg er von diesem Fall haben kann, den er überhaupt erst anstiften muss, damit er ihn lösen kann, ist unklar. Ich gebe zu, dass es diese tristen, alle-sind-Verlierer-Enden sind, die mir den französischen Kriminalfilm eher auf Distanz halten. Hinterher mag ich nur noch im Sessel hängen und vor mich hinstarren, denn es aht ja doch alles keinen Sinn.
#495
Geschrieben 14. Februar 2008, 15:59
Das ist ja gar nicht Sissy! Nein, es ist die Geschichte der großen englischen (aber deutschstämmigen ) Königin Victoria von England, wie sie vom Backfisch zur LieblingsQueen wurde und nebenbei sich auch noch GottseiDank in den für sie ausgesuchten Prinzgemahl Albert von Sachsen-Coburg verliebt.
Einer der Gründe, warum Romy Schneider als erwachsene Darstellerin in Deutschland nicht auf die Füße und in vernünftige Rollen kam, ist ihre unschlagbare Art, seelenvoll zu schauen (wie meine Eltern das immer nennen) und das unschuldige, wohlmeinende und fidele Mädel zu spielen. Die Kaiserin von Österreich-Ungarn und Königin von England möchte man natürlich nicht als Hure in Paris sehen...
In diesem Kostümfilm hat ihr das offensichtlich noch nichts ausgemacht, da ist auch noch das Mammerl dabei, nicht als ihre kalte entfremdete Mutter (das darf jemand anders machen), sondern als die warmherzige, humorvolle und überhaupt mütterlichste aller Gouvernanten. Adrian Hoven (bei dem ich immer an das entzückende Plakat von Hexen bis aufs Blut gequält denken muss, was seine "Performance" in dieser Romanze irgendwie eklig-klebrig wirken lässt) spielt den beständig dümmlich-greinenden Prinzen Albert, den Vicki am Ende dazu einlädt, "mit deutscher Ordnung" nicht nur im Kensington Palace, sondern auch in ganz England mal gründlich durchzugreifen... puh. Da braucht es tatsächlich die ganze große Portion Zucker des Settings und der Kostüme sowie der über-niedlichen Aktionen der kleinen Romy, um diesen bitteren Brocken zu schlucken.
#496
Geschrieben 14. Februar 2008, 18:18
Während mein Kulturwissenschaftlischinteressierter (mit großem K) Mann Sonntagnachmittags seine Filmkritiken in die Tastatur brettert wie ein wildgewordener Dr. Rambo, sitzt seine liebe kleine Frau auf der Couch, legt Wäsche und schaut Filme vom Hintern des Mediums - wie es sich gehört .
Naja - soooo schlimm ist der Film gar nicht. Ich hatte ehrlich gesagt Schlimmeres erwartet und nur aus nachzuholendem eigenen kulturwissenschaftlichen Interesse... gut, der Witz ist tot.
War verkraftbar, schade nur, dass man immer so wenig von den Orten sieht und so viel von den zumeist nichtssagenden Darstellern. Das Ganze wirkt wie ein Casting-Vehikel für europäische Darsteller: für kommende Nebenrollen in Hollywood-Produktionen. Wobei ich das Walter Sittler durchaus gönnen würde...
Achja, und Matt Damon hat einen super Auftritt als tätowierter, gepiercter Punksänger, der on stage die Ex-Freundin des Protagonisten ableckt.
Bearbeitet von zora f., 14. Februar 2008, 18:18.
#497
Geschrieben 15. Februar 2008, 23:22
Nun geht es mir mal wie sonst meinem Mann bei den alten amerikanischen Komödien: Ich habe das Gefühl, was ganz Geistreiches sagen zu müssen, aber völlig sprachlos zu sein.
Ich bin aber nicht so schlau, mal einfach meinen Mund zu halten, wenn ich nichts Kluges zu sagen habe, sondern werfe stattdessen tollkühn die These in den Raum, dass diese meine Wortlosigkeit damit zusammenhängt, dass diese Film noch viel stärker als andere so bezeichnete richtige "Männerfilme" sind. Da geht es um Machtstrukturen und Strategien, um Besitz, Jagd und Kampf, um Recht und Gesetz und Verbrechen, alles Themen, die nicht unbedingt per se uninteressant für mich sind; sie sind aber ihrer emotionalen Schwingungen beraubt, auf so minimale Gefühlsregungen reduziert, dass sogar der Ehebruch kalt und hart wirkt und dessen Entdeckung nicht verletzte Liebe zur Konsequenz hat, sondern verletzte Familienehre und einen Strategiewechsel.
Formell ist auch dieser Film jenseits aller Kritik - natürlich: wie kunstvoll diese harte, kühle Männerwelt inszeniert ist, ist die Meisterschaft dieses Films. Leider kann ich mich darüber hinaus, folgerichtig, nicht für dieses Kino erwärmen.
#498
Geschrieben 15. Februar 2008, 23:40
Vorweg sei gesagt, dass ich diesen Film, John Waters möge es mir verzeihen, unweigerlich mit Im Himmel ist die Hölle los mit Dirk Bach und Billie Zöckler verbinde - wahrscheinlich, weil beide schrill-bunt aus den 80ern stammen und in beiden eine kleine dicke Frau die Hauptrolle spielt. Achja, und es spielt in beiden auch ein adipöser Transvestit mit.
Im Himmel... habe ich seit damals nicht wieder gesehen, enthalte mich also einer definitiven aussage über seine Qualität; Hairspray hingegen hat mir auch bei dieser Sichtung wieder so richtig gute Laune gemacht. Nicht nur, dass Ricki Lake jede Frage offen lässt, warum ein Kerl wie Link Larkin sie attraktiv finden könnte (Himmel, in den feschen Kostümen würde ich mir wünschen, eben falls das doppelte zu wiegen!); jeder einzelne der anderen Darsteller füllt seine Rolle mit so viel Verve und Hingabe, dass das echte Fassade-einer-heilen-Welt-Gefühl der 50er aufkommt. Ein Film, der Lust macht auf's Tanzen, auf junge Liebe und der nebenbei auch noch für Toleranz und Gleichberechtigung - egal, was die Ab-Normalität auch sei - plädiert, ohne den Zeigefinger rauszuholen. Der steckt sowie im Atombusen-BH der Tanzpartnerin zum Schunkelblues fest.
#499
Geschrieben 16. Februar 2008, 00:03
Damals beim FFF 2007 habe ich mir diesen Film gekniffen, die Geschichte, die der Trailer mit den hochgestylten Bildern durchblicken ließ, schien mir zu konstruiert und herbeigeredet. Nur Funks Begeisterung hinterher konnte mich dazu bringen, doch Interesse dafür zu entwickeln.
Und was soll ich sagen... eine konstruierte Geschichte muss nur gut konstruiert sein, dann passt das schon. Vor allem, weil dieser Film weniger auf die Gangster-Coolness setzt, die mir in Filmen wie Snatch oder von mir aus auch Ocean's Eleven (you know the likes) irgendwann doch eher auf den Geist setzt. Stattdessen baut der Film ganz auf die innere Problematik seiner Figuren; ja, man spürt, dass die Geschichte um die Figuren und ihre Konstellation herumgeschrieben wurde. Dabei treten die Szenen schmutziger Gemeinheit und verkommener Kriminalität in den Hintergrund und die zarten, empfindlichen Bande zwischen geschundenen Seelen nehmen den Raum ein. Wer nur auf sich selbst baut und sich nur um sich selbst kümmert, bleibt allein und muss schließlich scheitern; wer Vertrauen und Liebe bedingungslos schenkt und zu seinem Wort steht, findet - vielleicht - einen Halt in einer Familie abseits einer Norm, in der kein Platz ist für Schwache.
Schlussendlich muss ich dem Film zugestehen, der erste zu sein, zumindest den ich gesehen habe, der es schafft, eine masturbierende Frau nicht als Psychopathin oder sonstwie krank oder verdreht darzustellen (man denke nur an die ekelhaft aufgesetzt-provokante und auch auf andere Arten widerliche Szene in The Ferryman, über die ich mir immer noch nicht im Klaren bin, ob ich sie wegen ihrer Abscheulichkeit empört verdammen oder wegen ihrer billigen Offensichtlichkeit mit kalter Nichtachtung strafen soll). Hier ist es Vanessa Ferlito, die, das kann nicht genug betont werden, immerhin mit Cuba Gooding Jr. jahrelang in einem Haus zusammenwohnt, der boxt und schwitzt und dann mit offener Tür duscht. Wenn ich das müsste, ohne wenigstens hin und wieder mal anfassen zu dürfen, ich wüsste mir auch nicht anders zu helfen.
#500
Geschrieben 16. Februar 2008, 01:00
Während mein Mann den Kampf des guten Glaubens kämpfte und in der PV von John Rambo saß, musste ich mir ja sonstwie den Abend vertreiben und habe mir daher - für 0,-, zu meiner Verteidigung - diesen Schmutz angesehen. Ich habe tatsächlich die letzten Rezensionen nur deshalb in einem Rutsch geschrieben, um diese Krüppelgurke aus nuklear verseuchtem Boden so richtig in der Luft zu zerreißen.
Leider mangelt es mir an komischem Talent, daher kann ich nur in einfach Worten wiedergeben, was mir geschah. Da ist also diese Frau, die zum Psychiater geht, weil sie den plötzlichen Tod ihres Sohnes - er ist mit einer Sommercamp-Reisegruppe mit dem Flugzeug abgestürzt - nicht überwinden kann. Jeden Tag geht sie an seinen Schrank, schaut sich Bilder und Videos von ihm an und - sie sagt jeden Tag einmal seinen Namen. Eines Tages sind die Bilder von ihm weg, das Video zeigt nur noch Rauschen und sowohl ihr Mann wie auch ihr Psychiater behaupten, ihren Sohn hätte es nie gegeben: sie habe eine Totgeburt gehabt und lebe nun in der Psychose, den Sohn hätte es 7 Jahre lang gegeben. Sie ist natürlich angemessen empört. Gottseidank ist ihr gerade auf dem nächtlichen Spielplatz der Vater einer Freundin ihres Sohnes, die auch abgestürzt ist, begegnet, das gibt ihr ein bisschen Halt, während auch ihre Umwelt ihren Sohn nicht nur vergisst, sondern ganz und gar seine Existenz leugnet, ebenso wie den Flugzeugabsturz, der auch plötzlich nicht mehr in den Zeitungen steht. (Soweit so gut, es hätte ja auf irgendeine Weise noch interessant werden können.) Nun erinnert sich aber Ash, der andere Vater, auch nicht mehr an seine Tochter. Telly - unsere triefäugige Heldin - reißt von zu Hause aus und verbringt eine Nacht bei Ash, der ein ausgewachsenes Alkoholproblem hat. Am nächsten Morgen findet sie in seinem Arbeitszimmer in der Tapete ein Loch und dahinter - sie schämt sich nicht, große Teile der Tapete abzureißen - die Wandmalereien besagter Tochter. Ash dämmert nun doch die Erinnerung und er hilft Telly, vor den mittlerweile aufgefahrenen Geheimagenten zu fliehen.
So, und da geht's los: auf ihrer Flucht wirft sie einen Blick in den Himmel, und da machen die Wolken sowas ganz Merkwürdiges. Und wer's nicht glaubt, der soll jetzt nicht weiterlesen, weil ich jetzt skrupellos spoilere: Ja. Es sind Aliens. Die haben das Flugzeug mit den Kindern geklaut für irgendwelche ihrer Analkatheder-Experimente und bringen jetzt die ganze Welt dazu, die Kinder sukzessive zu vergessen. Dabei haben sie aber nur unterschiedlich weit entwickelte Mittel zur Hand - wenn man bedenkt, dass bei Telly zu Hause das Videoband mit Leere überspielt und sogar das Familienbild mit Kind so retouchiert wurde, dass nur noch das (Eltern)Paar zu sehen ist, bei Ash aber nur ein bisschen billige Leinwand über die bunten Kinderbilder geklebt wurde, statt wenigstens vorher mal kräftig mit Alpinaweiß drüberzugehen.
Überhaupt muss man sich über das tolpatschige und nicht wirklich unsuspekte Verhalten der Aliens wundern - denn bei den USA-Geheimagenten, die natürlich voll im Bilde sind, aber nix sagen dürfen, weil Die-da-oben so tighte Rosetten haben, ist auch immer ein betont unauffällig aussehender Mann dabei (der, wie Telly selbstverständlich zu einem strategisch guten Zeitpunkt einfällt, auch beim Abflug des besagten Flugzeugs dabei war), der sich in aller Öffentlichkeit von einem Auto überfahren lässt und dann ohne große Umstände einfach wieder aufsteht. Das macht natürlich auch ein paar andere Leute misstrauisch, aber sowieso wird jeder, der irgendwie unbequem ist und gleich sagen könnte: "Was für einen unglaublichen Unsinn haben sich die Drehbuchschreiber denn hier wieder einfallen lassen, also den nächsten Satz bringe ich einfach nicht über die Lippen!" - also jeder, der die Geschichte irgendwie verkürzen könnte, wird nämlich unvermittelt, aber nicht unverhersagbar von einer unsichtbaren Hand in den Himmel gehoben; für Teppichmilben müsste so eine Dokumentation über Naturkatastrophen aussehen. Also, alle, die gleich nicht mehr mitspielen wollen, werden aufgesaugt, nur Telly und Ash nicht. Ash wird erschossen, glaube ich, damit er noch irgendwelche heldenhaften Worte Richtung Telly keuchen kann. Die konfrontiert endlich am Flughafen, wo sie ihren Jungen zuletzt gesehen hat, Mr. Alien-im-unauffälligen-Menschen-Kostüm mit ihren Vorwürfen.
Das Experiment - ich spoilere weiter, vielleicht erspare ich anderen damit unnötiges Leid - ist natürlich nicht mit ihrem Jungen durchgeführt worden, sondern mit ihr. Tusch! Die Aliens können nämlich die Weiten der Galaxis durchqueren, haben aber immer noch keine Erklärung für die menschlichen Emotionen, und können sich nichts Spannenderes vorstellen, als die Beweggründe jedweder Schmonzette in Fleischform bis in den hintersten Winkel zu ergründen. Bei allen anderen Menschen - alle böse! Böse! - hat das geklappt, die haben alle ihre Kinder vergessen, so abgestumpft von der modernen Welt sind sie, tralalalalala; nur die liebe gute, ein bisschen psychotische Telly, die jeden Tag brav den Namen ihres Sohnes gesagt hat, ist die letzte, die immer noch nicht vergessen hat. Deshalb versucht das Alien, sie jetzt noch mal mit schlechten CGIs zu foltern, und offenbar vergisst sie tatsächlich vor Schreck und Langeweile den Namen ihres Sohnes, aber ihre Schwangerschaftstreifen und das Wasser in den Beinen, die hat sie nicht vergessen, und deshalb kommt sie auch wieder drauf: Da war doch was. Und dann kommt eine Szene, das ist wirklich die beste im ganzen Film, und jeder, der schludrige Kollegen hat, wird mir beipflichten: Da haben die Aliens mal eine gute Idee gehabt. Das Alien, das das Experiment mit den Muttergefühlen gemacht hat, das sagt nämlich jetzt, wo Telly sich doch wieder erinnert: "Ich brauche mehr Zeit!", aber kaum, dass seine Zunge seinen Gaumen für das t in Zeit berührt hat, wird er - schwupps - auch weggesogen. Toll. Sowas würde ich mir auch manchmal wünschen.
Für Telly - und Ash, denn schließlich ist er ihr love interest - ist jetzt Schluss, denn ihre Kinder sind jetzt wieder nicht in der Küche, nicht im Kinderzimmer, nicht auf der Straße, nein: im Park beim Spielen. Also alles wieder gut, sogar noch besser, denn alles ist rückgängig gemacht außer der Tatsache, dass die beiden ursprünglich mal mit jemand anderem verheiratet waren. Der alte Mann war eh ein Langweiler, der Neue hat zwar auch von nix eine Ahnung, aber das kann ja von Vorteil sein. Jetzt muss Telly nur noch ein Buch über ihre Erlebnisse schreiben, dann ist die Idylle komplett.
Ich habe mich hinterher fast geärgert, dass ich dafür 0,- ausgegeben habe, das war immer noch zu viel. Wirklich: da spielen Julianne Moore und Gary Sinise mit, unter anderem, mit was haben sie die denn erpresst? Oder - sagt, dass es nicht wahr ist - hat das irgendwie mit Scient010gy zu tun? Erich von Däniken-Sponsoring? Wirklich eine unglaubliche Grütze, die sich ganz widerlich in das Fahrwasser von The Others und Birth schleichen will. Ich vergebe zwar gemeinhin kein Punkte, aber hier gibt's von zehn möglichen Banana-Splits zwanzig Kannen vergorene Buttermilch.
Bearbeitet von zora f., 16. Februar 2008, 01:01.
#501
Geschrieben 22. Februar 2008, 01:33
Was ist die Essenz eines Menschen? Wenn der Mann, der mir gegenüber sitzt, aussieht wie mein Mann, redet und riecht wie mein Mann, sich an die Dinge erinnert und die Dinge weiß, die mein Mann erinnerte und wusste - dann muss er mein Mann sein, oder nicht? Gibt es nicht noch etwas mehr, etwas in seinem Wesen, seiner Seele, seinem Ich, das über diese physischen und faktischen Dinge hinaus nicht imitierbar ist, das ihn unverwechselbar zu dem Menschen macht, der er ist? Selbst, wenn es nicht der Lebenshauch Gottes ist, an den man glaubt, nimmt man an, dass es nur das eine "Ich" geben kann, das wir empfinden. Sollten wir durch etwas ersetzt werden, woher und warum auch immer, dieses Ich, das wir von uns selbst wahrnehmen, wäre dann nicht mehr - und wir hoffen, dass andere, die uns nahe stehen, dies ebenso empfinden und diesen Mangel unserer Essenz wahrnehmen würden.
Abseits der Überlegungen zu historischen Hintergründen über die klare - nein, gar nicht klare, ganz undurchsichtige und obskure Trennung der Einen von den Anderen, die zu einem Film dieser Thematik aus den 1950ern notwendig - und auch berechtigt - angestellt werden, fasziniert mich an dem Konzept, für das dieser Film den Grundstein legte, diese rein menschliche Angst vor einer Ersetzbarkeit und dem Verlust des Ich, gleichzeitig auch der Angst davor, dass es keinem Menschen jemals möglich sein wird, einen anderen völlig, unfehlbar zu (er-)kennen und zu durchschauen.
Trotz seines Alters, das sich in der Etikette zwischenmenschlicher Beziehung ebenso ablesen lässt wie in den Effekten der Körper-Knospen (wenn die Samenkapseln direkt neben dem Barbecue im Gewächshaus aufplatzen und sich darin aufblasbare Tauschkörper entfalten, darf auch mal geschmunzelt werden), lässt der Film auch heute noch seine Paranoia langsam aber sicher am Zuschauer hinaufkriechen, trifft er einen empfindlichen Nerv. Mit den kleinsten Merkwürdigkeiten in den ersten Minuten, die durch das Voice-over schon angekündigt werden, über die folgenden Massenpsychose-Theorien und Unstimmigkeiten, den niederschmetternden Verlust der Liebe bis hin zum trügerisch hoffnungsverheißenden Ende lässt der Film den Zuschauer zu keinem Moment aus seiner Fessel. Ein hohes Maß für seine Nachfolger der Body Snatcher-Reihe und der vielversprechende Anfang einer Don-Siegel-Werkschau, die ich ja nun wohl auch mit den üblichen Unterbrechungen mitabsolvieren werde.
#502
Geschrieben 23. Februar 2008, 20:38
Ein wirklich schöner Beitrag zur "Schwarzen Serie", herausragend auch deshalb, weil hier das Verbrechen, um dessen Aufklärung sich die Polizei bemüht, nicht nur nicht gezeigt wird, sondern auch nicht im Vordergrund steht. Stattdessen konzentriert sich der Film voll und ganz auf die Auswirkungen der Tat auf einen, der erst in zweiter Instanz davon betroffen ist: den gutmütigen, ruhigen und in vielerlei Hinsicht unschuldigen titelgebenden Uhrmacher. Sein Sohn Bernard, den er alleine aufzog und zu dem er immer glaubte ein wirklich gutes Verhältnis zu haben, hat einen Mann getötet und ist mit einer Frau geflohen, die er seinem Vater nie vorgestellt hat. Wie ein Blitzschlag fährt die Erkenntnis in das Leben des Uhrmachers: Sein Sohn hat ein anderes Leben, das er nicht mit seinem Vater teilen kann oder will.
Von der rein persönlichen Erschütterung wächst sich diese Erkenntnis aus zur Einsicht, dass um den Uhrmacher herum eine politische Auseinandersetzung tobt, in der seine eigene Generation der jüngeren, der seines Sohnes, feindlich gegenübersteht. Er versteht nicht viel davon, aber er liebt seinen Sohn und traut ihm kein unüberlegtes Übel zu - so muss er sich gegenüber dem Kommissar, der in seinem Alter ist und auch sonst ein freundlicher Mensch, distanzieren, denn dieser kann von Berufs wegen nur das Gesetz sehen, dass Bernard unbestreitbar gebrochen hat. Doch der Uhrmacher versteht, dass es über das Gesetz hinaus ein Recht, eine Gerechtigkeit gibt, die dem niedergeschriebenen Gesetz auch widersprechen kann. Mehr, er versteht vielleicht nicht alle Politik, doch den Konflikt, der notwendig zwischen Generationen herrschen muss.
Und so hält er über alle Widerstände hinweg und entgegen allen anders lautenden Ratschlägen, Drohungen und den komplizierter werdenden Entwicklungen zu seinem Sohn, bleibt ihm loyal, während er gleichzeitig zu entdecken versucht, wer sein Sohn ist - wer der Mann ist, zu dem sein Sohn geworden ist, nachdem er nicht mehr der kleine Junge ist, der mit ihm zu Außendiensten gefahren ist.
Zum herzergreifenden Schluss erklärt er sich nicht nur mit seinem Sohn solidarisch - verrät er öffentlich seine eigene Generation, so muss es ihnen erscheinen -, Bernard gegenüber offenbart er sich als gleich gesinnt: mit einer Geschichte aus seiner Zeit des Mann-werdens, als er im 2. Weltkrieg auch einem Vertreter der älteren Generation gegenüber Ungehorsam leisten musste, weil es nur dem gesundem Menschenverstand entsprach.
Ein wunderbarer Film, in seiner Ruhe, die trotz der Spannung keine Angst zulässt, als könne auch dies von den Chirurgenhänden des Uhrmachers repariert werden. Die Solidaritätserklärung des Vaters mit dem Sohn treibt unweigerlich die Tränen in die Augen: so schmerzhaft der Wunsch, verstanden und bedingungslos geliebt zu werden, so unerfüllbar, eine Brücke bauen zu können zwischen Eltern und Kindern. Wir müssen es anders machen als sie, doch die Chance liegt darin, einander Vertrauen entgegenzubringen, statt beständig das Andere am Gegenüber anzuklagen.
Die Größe des Films liegt in dieser hoffnungs- und liebevollen Zeichnung der Familie; sein Gefühl für die Menschen lässt ihn auch heute noch ohne Gebrauchserscheinungen funktionieren, wenn auch der Generationenkonflikt gänzlich ins Innere verlegt wurde und den nachwachsenden Generationen kaum noch Fläche für Revolte geboten wird.
#503
Geschrieben 27. Februar 2008, 21:52
Über Elvis Presley kann man möglicherweise geteilter Meinung sein (dass seine Mutter, die Vollblut-Indianerin, einen spanischen Akzent hat, ist nur charmant); über die vollendete Unauflösbarkeit der Tragik dieser Geschichte sicher nicht. Wir sehen ein Amerika, das in vielerlei Hinsicht an der Grenze lebt: an der räumlichen, denn hinter dem Land der Siedler wartet noch eine echte Wildnis; an der zeitlichen, denn eine Epoche der Wanderung gehr zu Ende und die Epoche des technischen Fortschritts beginnt. Und an den Grenzen der menschlichen Belastbarkeit, seelisch und körperlich, denn nicht nur kann jeder Winter der letzte sein für die Siedler, die jedes Lebensjahr dem kargen Boden abtrotzen müssen, sondern die Menschen müssen sich ihre Regeln für ein gutes Miteinander, ihre Gesetze und Moral jeden Tag neu finden und erkämpfen. In der Begegnung zwischen Ureinwohnern, die schon immer dort lebten und daher das Recht auf das Land und den Respekt der Siedler haben, und den Siedlern, die nach ihrem Regelwerk das Recht auf das Land erkauft und erarbeitet haben, oszillieren die Regeln der Moral, denn Massenmorde und Hinterhalte lassen sich selbst mit dem ältesten Hausrecht und den höchsten Geldpreisen nicht im Sinne des gesunden Menschenverstandes verargumentieren.
Die Familie der Protagonisten wird von dem Konflikt zwischen Indianern und Siedlern zerrissen - die Eltern, die sich als Menschen abseits von "Rasse", Religion und Landrechten in Liebe gefunden haben, können nur verzweifelt beobachten, wie sich in der Generation ihrer Kinder - zwischen ihren Kindern selbst - ein unüberbrückbarer Graben auftut. Und in diesem Graben verhallen die Stimme der Liebe und der Vernunft ungehört.
Elvis Presley darf zum ersten und letzten Mal in seiner Schauspielkarriere einen Menschen spielen, der an der Schlechtigkeit der Welt tragisch zugrunde geht (aber um eine einzige Songeinlage kommt er nicht umhin). Der reine, unvernünftige Hass beider Seiten, der seinen Charakter sogar vom eigenen Vater und dem Ziehbruder trennt, ist so nachvollziehbar inszeniert und dennoch so irritierend unnütz, dass es zum traurigen, hehren Ende auch dem sonnigsten Gemüt den Eindruck machen muss, dass es nun doch das Beste ist, dass der "weiße" Bruder bei den Siedlern bleibt - während Elvis, stellvertretend für alle Ureinwohner des amerikanischen Kontinents, blutend und kraftlos seinem Tod in der Wildnis der Berge entgegen reitet. Obwohl im Film keine Schuldzuweisung vorgenommen wird, sondern beide Seiten zur Eskalation beitragen, sind es am Ende doch die Ureinwohner, die den Betrachter beschämt ob der Arroganz und Anmaßung der "westlichen Zivilisation" zurücklässt. Heute mehr denn je.
Bearbeitet von zora f., 27. Februar 2008, 21:55.
#504
Geschrieben 27. Februar 2008, 22:26
Mir wurde mal ganz früher gesagt: Eine Kurzgeschichte beginnt ohne Introduktion direkt mit der Geschichte. Wer auch immer das gesagt hat (und ob er damit im Allgemeinen Recht hatte), hier trifft dies auf den Punkt. Zwei Männer marschieren skrupellos in eine Blindenschule und erschießen einen der Lehrer, der trotz einer Warnung nicht Reißaus nimmt, sondern den Kugelhagel scheinbar begrüßt.
Warum dies so ist, fragt sich nicht nur der Zuschauer, sondern auch einer der Titel gebenden Killer, der sich daraufhin auf die Suche begibt nicht allein nach der Lösung für dieses Rätsel, sondern auch nach dem Geld, das vermutlich der Anlas für den Auftragsmord war. Während sein Partner gleichmütig, kalt und geduldig die Reise mitmacht, in der Hoffnung wahrscheinlich auf eine fette Beute, treibt der Ältere nach und nach den einzigen ehemaligen Freund des Opfers und die ehemaligen Komplizen auf, und es entfaltet sich das Bild eines Mannes, der an gebrochenem Herzen gestorben ist.
Die Darsteller spielen sich die Seele aus dem Leib - wenn man dies von Lee Marvin sagen kann, dessen krassester Gefühlsausbruch im Blecken der Zähne und einem scharfen Ton besteht. Das genügt für ihn aber völlig, um die Bedrohlichkeit seines Charakters ausführlich zu repräsentieren. Clu Gulager, der jüngere, coolere, hingegen wirkt gefährlich, da unvorhersehbar, undurchschaubar und gruselig gefühlsarm.
Wenn es auch eine ins Chauvinistische neigende Prämisse ist - die femme fatale, die die Männer stets zu Gunsten ihres eigenen egoistischen Wohls verrät, verkauft und verlässt, ist der Kern der ganzen Misere, und alle Männer außer den Killern nur Marionetten ihres Willens, mögen sie ihr auch noch so oft mit der Verkehrten durch's Gesicht gehen. Eigentlich ist es ihre Gier, ihre mangelnde Moral, ihre "typisch weibliche" Charakterschwäche, der alle, aber auch alle zum Opfer fallen. Doch was will ich, es ist eben eine Kurzgeschichte von Ernest Hemingway... und abseits dieser thematischen Überholtheit muss ich gleichermaßen der hervorragenden Ent- und Verwicklung der Gegenwart mit der Vergangenheit in Rückblenden bewundern und preisen wie auch die Inszenierung, in der aus den kleinen Räumen der Gegenwart immer in die verklärten Weiten der Vergangenheit geflüchtet wird. Eine fast rashomon'eske Schilderung der gleichen Geschichte, in der chronologische Abläufe sich aus immer anderen Perspektiven zusammensetzen, in der die Beteiligten Gefangene ihrer Begierden und Triebe sind und das Verlassen der sicheren Räume unweigerlich den Tod bedeutet.
#505
Geschrieben 05. März 2008, 22:21
Bei dem Begriff "Melodrama" ist mir bis dato immer eher eine schwülstige Familiensaga in den Sinn gekommen, in der untertänige Frauen mit tränennassen Augen heldenhafte Männer mit Kinnbärten und gestreiften Westen anschmachten, aber mit dem Falschen verheiratet sind, derweil ihre Tochter in den Sohn der verfeindeten Familie von der anderen Stadtseite verliebt ist. Irgendwas zwischen Vom Winde verweht und Denver, nichts, was ich mir anschauen und dabei ernst bleiben kann.
Douglas Sirk hat mich eines Besseren belehrt. Die Frauen in seinen Filmen sind nicht untertänig, selbst wenn sie sich in ihr Schicksal fügen, und die Männer haben keine Kinnbärte und gestreifte Westen, sondern geheime Wünsche und unerfüllte Sehnsüchte. Der erste Sirk meines Lebens eroberte mein Herz schon in der Anfangsszene, als mir klar wurde, dass die Hauptperson eine Vollblut-Frau ist, die nicht nach den Normen des bürgerlichen Lebens lebt und dennoch nicht unmoralisch und verdammenswert ist. Barbara Stanwycks rauchige Stimme und ihr beherztes, unbekümmertes und doch ungemein beherrschtes Auftreten macht sie zu einem perfekten Vorbild; ihre Rolle als Vaudeville-Darstellerin, Mutter und (Ex-)Ehefrau birgt alle Stärken und Verletzlichkeiten, die eine echte Frau ausmachen. Ihre Liebe zu einem Mann, der ihr nicht alles bieten konnte, was ihre Jugend zu wünschen wagte, der sich schon zu früh in eine kleine, überschaubare Welt niederließ und ihre hochfliegenden Träume einsperrte, ihre Entscheidung für das Risiko der Unbeständigkeit, um der moralischen Unantastbarkeit ihrer Familie willen, ihr Stolz auf die Tochter, aber auch unübersehbar auf den eigenen Weg, der nicht in die Köpfe der Kleinstadtbewohner passt; ihre generelle Eigenständigkeit, die Unabhängigkeit von Schablonen und Erwartungen, machen sie zur fast idealen Frau meiner Vorstellung.
So waren die einzigen tränennassen Augen am Ende meine, weil die Komplexität der Menschen, ihre Wünsche und entgegengesetzten Zwänge der Gesellschaft, ein happy end kaum mehr möglich zu machen schienen und dann doch, im buchstäblichen letzten Moment, das einzig wahre und wichtige Zünglein an der Waage, die Liebe, siegen darf - mit allen Zweifeln und Hoffnungen, wie sie dazu gehören.
#506
Geschrieben 05. März 2008, 22:50
Da fällt es mir jetzt etwas schwer, noch mal die ganze Begeisterung für diesen Film in Worte zu fassen. Zu sagen: "Was ich bei der ersten Sichtung beim FFF 07 in Köln gesagt habe, stimmt immer noch." ist einfach ein bisschen wenig, wo das damals nur zwei Sätze waren - selbst, wenn es so ist.
Der Film hat Charme, Witz und Stil, außerdem perfekt sitzende Pointen und wohlverteilte Spitzen gegen Konservativismus, Xenophobie, nekrophiles Sicherheitsdenken und engstirniges Spießertum; nebenbei auch einige leise Sentimentalitäten, die dem Ganzen das Gefühl verleihen.
Dazu sieht er phantastisch aus, bleibt dem Genre des Zombiefilms mit dessen immanenten Regeln treu und lässt dem Zuschauer Raum für die eigenen Gedankenspiele, ohne Fragen unbeantwortet zu lassen. Kurz: dieser Film macht so ziemlich alles richtig und gehört daher zwingend in jede Zombiefilm-Sammlung. Keine Ausreden!
#507
Geschrieben 05. März 2008, 23:27
Meine Geschichte mit dem französischen Film fasse ich gerne kurz so zusammen: Da mein Vater Französischlehrer war und ein großer Freund des französischen Films, allen voran Rohmer, bin ich einfach zu früh mit diesen Filmen konfrontiert worden. Wie man Menschen wohl auch Zigaretten für alle Zeiten verderben kann, indem man ihnen als Kind das Rauchen bis zum Erbrechen erlaubt, befürchte ich, wird mir der französische Film für immer durch die negativen Assoziationen eines kindlichen Gemüts verdorben sein.
Nun - mein Verständnis vom Hand- und Kunstwerk des Films ist über die Jahre (hoffentlich) merklich gewachsen, aber an die bittere Pille meiner Kindheit habe ich mich bisher noch nicht herangetraut. Jetzt werde ich quasi einer Zwangstherapie unterzogen, wo mein Mann seine Frankophilie entdeckt hat (und mich ab und an als Übersetzerin heranzieht, denn der Sprache bin ich immer noch halbwegs mächtig).
Mein erster Rohmer ist kein leichtes Exemplar, wenn man bedenkt, nach welchen schlichten Schemata meine Vorurteile gestrickt sind: da wird die ganze Zeit nur geredet, die Menschen - besonders die Frauen - sind hochneurotisch und irrational, und es passiert minutenlang nichts, nicht einmal das Gespräch bewegt sich trotz vieler Worte vorwärts. Sehen wir uns La Femme an... nicht ganz unwahr, würde ich meinen.
Doch es muss ja etwas geben, das an diesen Filmen faszinieren kann, ich muss es nur zulassen! Und tatsächlich, mit ein bisschen Toleranz und Gelassenheit kann ich schon verstehen, warum manche Menschen auf Rohmer schwören. Die Figuren sind nicht als Menschen gedacht, eher als Masken, als Probe-Wesen, mit denen Konstellationen ausprobiert werden und Konzepte gegeneinander getestet werden; die Gespräche sind Übungsplatz für zwischenmenschliche Komplikationen, Missverständnisse, Subtilitäten, Zwischen-den-Zeilen.
Die titelgebende Ehefrau es Piloten ist ein MacGuffin, nichts als ein Impuls, der Körper in Bewegung bringt. Eine Frau, 25, wird wegen ihr von ihrem Liebhaber verlassen, in ihrem Leben entsteht also ein Raum, in den nun anderes dringen kann. Sie hat ein Bedürfnis nach Nähe, aber keines nach einer festen Bindung, wie es in ihrem Alter schon mal sein kann - eine Beziehung ist vielleicht schon nach wesentlicher Dauer zerbrochen und haben Narben hinterlassen, an die nicht gerührt werden muss. Sie will vor sich hin leben, mit der kleinen Abwechslung der Bettgefährten, aber ohne das Risiko einer wirklichen Veränderung, einer echten Bindung, für die es vielleicht wiederum noch zu früh wäre. Sie hat einen Freund, einen jungen Mann von 20 Jahren, er diese Beziehungen und Verletzungen noch vor sich hat und mit der ganze Energie eines Idealisten nach ihr verlangt, nach Bindung und Einlassung. Er kann von Beziehung nur in Totalitäten denken, ganz oder gar nicht, Alles oder Nichts. Unsicherheiten, Zwischentöne, halbe Sachen lösen in ihm nur Unverständnis und Verwirrung aus. Der begegnet nun wieder einem Mädchen von 15 Jahren, die in ihrer Jugend noch experimentierfreudig und im besten Sinne verantwortungslos ist und daher im wesentlichen den Spaß beim Zusammensein mit dem anderen Geschlecht sieht und sucht. Die Komplexitäten der Liebe sind für sie ein Spiel, das, was die Spannung überhaupt ausmacht.
Vielleicht spielt auch das Alter keine Rolle. In jedem Fall repräsentieren die drei unterschiedliche Auffassungen von Beziehung, die sich an der Unbekannten, der möglicherweise zerbrechenden, möglicherweise gekitteten Ehe des Piloten messen, ausprobieren, abarbeiten. Die Ehe: eine kalte, rein formelle Institution oder doch ein fester Rahmen für das Miteinander von Männern und Frauen, das teilweise gefährlichen Schwankungen unterlegen ist?
Dass diese Bilder der Menschen entsteht allein dadurch, wie sie miteinander sprechen und was sie über alles mögliche andere außer eben genau diese Inhalte sagen, das ist eben die Kunst dieses Films. Nichts, was sich mal eben so wegkucken lässt; gerade darum interessant, anstrengend, anregend, sehenswert. Wenn man die Zeit, die Geduld und die Arbeitswilligkeit mitbringt.
#508
Geschrieben 12. März 2008, 22:38
Wieder Barbara Stanwyck, wieder unerfüllte Männersehnsüchte - man möchte meinen, diese beiden gehören zusammen. Fred Macmurray durchlebt seine midlife crisis: seine generelle Unzufriedenheit verführt ihn dazu, beinahe sein ganzes bisheriges Leben aufzugeben; Barbara Stanwyck als ehemalige Kollegin repräsentiert für ihn einen scheinbaren Neubeginn, ein Abzweigung, die er damals nicht genommen hat. Doch man kann eben auf dem Weg des Lebens nicht zurückgehen und etwas anderes ausprobieren, nicht ohne Weiteres.
Eine ergreifende, mitfühlende Zeichnung eines ganz normalen Mannes, ein Psychogramm der so genannten "besten Jahre", als der Begriff der midlife crisis noch nicht erfunden war; erfrischend urteilsfrei und merkwürdig unabgeschlossen. Ersteres, da das festgefahrene, auf die jugendlich-egozentrischen Kinder konzentrierte Leben tatsächlich fast unerträglich eintönig, langweilig und ärgerlich gezeichnet ist und man dem Mann einen Seitensprung, ein wenig Aufregung nachsehen müsste. Letzteres, denn das Abenteuer bleibt unausgelebt, die graue Realität der elterlichen Verantwortung, die abgestimmte Sicherheit des Ehelebens verhindert die letzte Konsequenz - und ein Fazit, ein happy end bleibt ebenso aus wie die melodramatische Tragödie. In das Dämmerlicht der mittleren Jahre ist ein wenig Licht, ein wenig Schatten gedrungen - und ist weitergezogen. Ein Urteil, ob dies traurig oder glücklich ist, darf sich jeder Zuschauer selbst bilden.
#509
Geschrieben 12. März 2008, 23:17
Ein weiterer bemerkenswert moderner Film über eine komplizierte Liebesbeziehung: eine junge Amerikanerin in München, fern von zu Hause auf der Suche nach europäischen Erfahrungen, liebt einen multi-nationalen Komponisten, der jedoch in einer Ehe mit einer unheilbar Geisteskranken juristisch und moralisch gefangen ist.
Der Film gleicht einem Wechselbild und interpretiert seinen Titel auf zweierlei Weise; für beide Liebende stellt die dargestellte Episode ein Zwischenspiel dar. Für den Mann - erfolgreicher Dirigent, stets auf Reisen und von seinem Jet-Set-Leben voll ausgefüllt - ist die junge Amerikanerin, so muss ich vermuten, nicht die erste Trösterin, bei der er Zuflucht vor der Belastung einer manisch-depressiven Ehefrau sucht. Es darf sogar vermutet werden, dass das unstete Leben des Dirigenten seinen Teil zu deren Affektstörung (?) beigetragen hat, sein Zweitleben also Auslöser und nicht nur Konsequenz ihrer Leiden sind. Für die junge Amerikanerin stellt die Beziehung ein (für Amerikaner fast klischeehaftes) "europäisches Abenteuer" dar, sie sucht bei ihrer Ankunft im fremden Land neue Aspekte der Welt und ihrer selbst und reist schließlich zurück im Rahmen einer rein amerikanischen Beziehung, mehr: einer emotional und finanziell abgesicherten Ehe mit einem in jeder Hinsicht beständigen Arzt.
Dies jedoch ist erst am Ende des Films so zu betrachten, denn während seiner Laufzeit - und somit der Dauer der Beziehung zwischen europäischem Dirigent und amerikanischer Bibliothekarin - ist die Beziehung für alle drei Betroffenen von größter Bedeutung und tiefster Emotionalität. Und genau dies ist die Lebensklugheit, die den Film auszeichnet: dass die Erlebnisse und Beziehungen, aus denen sich ein Leben zusammensetzt, im Moment, in dem sie geschehen und bestehen, erhaben und unübertroffen erscheinen, doch sich im weiteren Leben relativieren, im Verlauf der Zeit zu Episoden werden, in denen etwas erprobt und geprüft wurde; doch nur, um das, was andauert, bewusst zu wählen. Eine Ehe, die trotz aller Schwierigkeiten auf Liebe beruht und Verantwortung einfordert, oder ein Leben, das Sicherheit bietet und nicht mit kräftezehrenden Höhen und Tiefen zermürbt.
#510
Geschrieben 17. März 2008, 21:16
Ich bin wohl einfach zu misstrauisch. Ich habe den Traum-Twist des Films nicht vorhergesehen, weil ich offen gestanden dachte: Vielleicht hatten sie nicht genug Geld für Darsteller, deshalb muss jetzt der ältere Herr mit dem deutschen Akzent auch noch den Papa von dem Jungen spielen. Dementsprechend kam ich nur schwer mit dem Zeitkonzept klar... Umgekehrt könnte man auch sagen: Ich unterstellte dem Film zu große Komplexität. Da aber die Einführung sämtlicher Charaktere später keine Rolle mehr spielte, vergaß ich die anfängliche Verwirrung und gab mich völlig Desorientierung hin, die der Film mit seinen stets wiederkehrenden Szenen des Affen in Papas Anzug mit dem Taucherhelm, der durch die Geröllhalden stapft, zu vermitteln vermag.
Schön die Gestaltung der unterschiedlichen Räume, in der sich auch die Macht der Gegenspieler spiegelt: Während Robot Monster ebenso über die Tiefe des Berges wie auch die Weiten des Horizonts herrscht, bleiben dem Rest der Menschheit nur die Anfänge eines Hausbaus - der Keller ist ausgehoben, doch die schützenden Mauern wurden nie gebaut. Nur ein dünner Draht schützt die Familie vor der ständigen Bedrohung, von Robot Monster entdeckt zu werden. Ein Ausdruck der beständigen Angst Amerikas, der Eiserne Vorhang könnte sich als Gazehauch über dem Atlantik herausstellen?
In der überlebenden Familie drückt sich selbstverständlich das abendländische Ideal der Familie aus: Vater und Mutter sowie drei Kinder, die älteste Tochter ein Sinnbild der Emanzipation, die sich von ihrem Verlobten trennt, weil er sie nicht als Ebenbürtige respektiert. Nur im gleichberechtigten Miteinander finden sie - findet die Menschheit eine Zukunft, können beide Geschlechter gemeinsam das Fortbestehen sichern. Doch alle Hoffnung ist umsonst, als die jüngste Tochter, Repräsentantin der nachwachsenden Generation, mit der die Welt es besser haben soll, erwürgt vorgefunden wird. Hier kommt das Trauma des Weltkriegs zum Tragen, ebenso wie in den todesmutigen Handlungen des Sohnes, der wie ein kleiner Mann mit den zusammenbrechenden Eltern kollaboriert, um der Bedrohung durch das Fremde ein Ende zu bereiten: die jungen Männer im Krieg gefallen, die jungen Frauen vor der Reife verdorrt.
Schließlich, in der Schlussszene, kulminiert die Nachkriegs-Depression in der Erkenntnis, dass sich die Bedrohung, die Aggression, der Krieg stets und ständig wiederholen wird, wieder und wieder kommt das Böse aus den Tiefen der menschlichen Psyche hervor, ein unaufhaltsames Tier, das im menschlichen Unterbewussten schlummert und doch nie ganz schläft.
So. So kann man das auch sehen.
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